Deutscher Bundestag Drucksache 18/5656 18. Wahlperiode 28.07.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/5542 – CO2- und Spritverbrauchsangaben von Pkw Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung hat sich in ihrem Aktionsprogramm Klimaschutz dem Ziel verpflichtet, bis zum Jahr 2020 mindestens 40 Prozent weniger Treibhausgase zu emittieren als im Jahr 1990. Während andere Sektoren deutliche Verminderungsfortschritte vorweisen können, sind die Emissionen im Verkehrsbereich weitgehend konstant auf hohem Niveau geblieben. Hinsichtlich der tatsächlichen Wirksamkeit der Emissionsbeschränkungen für neue Pkw durch EU-Verordnungen gibt es darüber hinaus viele Fragezeichen. Zahlreiche Nachprüfungen weisen darauf hin, dass Autos lediglich auf dem Papier und nicht auf der Straße emissionsärmer geworden sind. Der durchschnittliche Realverbrauch von neuen Pkw-Modellen weicht de facto immer stärker vom amtlichen Normverbrauch gemäß offiziellem Verbrauchszyklus (NEFZ – neuer Europäischer Fahrzyklus) und den dementsprechenden Herstellerangaben ab. So ging nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) der CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte zwischen den Jahren 2009 und 2013 von 154 auf 136 g CO2/km zurück (von ca. 6 Litern auf ca. 5,5 Liter pro 100 km). Auf Grundlage realer Verbrauchsdaten hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) jedoch Berechnungen vorgelegt, nach denen der tatsächliche CO2-Ausstoß zwischen den Jahren 2009 und 2013 sogar leicht von 184 auf 188 g CO2/km angestiegen ist (das entspricht etwa 7,5 Litern pro 100 km). Zu ähnlichen Ergebnissen sind in den letzten Jahren der ADAC Eco Test (vgl. Kölner Stadtanzeiger, 19. Mai 2013; ADAC – Allgemeiner Deutscher Automobil-Club) und die Zeitschrift „Auto Bild“ gelangt (vgl. www.autobild.de/artikel/spritverbrauch-herstellerangabe-gegentestverbrauch-1129421.html). Der International Council on Clean Transportation (ICCT) hat ermittelt, dass sich die Differenz zwischen Herstellerangaben und tatsächlichem Verbrauch zwischen den Jahren 2009 und 2013 von 19 auf 38 Prozent verdoppelt hat. Da CO2-Ausstoß und Spritverbrauch zusammenhängen, bedeuten höhere Emissionen auch gleichzeitig mehr Kraftstoffverbrauch. Autokäuferinnen und Autokäufer werden getäuscht und müssen am Ende beim Tanken deutlich mehr zahlen, als sie erwartet haben. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 24. Juli 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/5656 –2– Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche Ziele setzt sich die Bundesregierung, um den Anteil des Straßenverkehrs an den Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor zu vermindern? Die Bundesregierung fördert den nichtmotorisierten Verkehr sowie die Verlagerung auf die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung aktiv Maßnahmen zur Reduktion der spezifischen CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen, sowohl durch die Effizienzsteigerung verbrennungsmotorischer Antriebe und die Unterstützung alternativer Kraftstoffe als auch durch die umfangreiche Förderung von alternativen Antrieben. 2. Aus welchem Grund hat die Bundesregierung im Jahr 2013 auf Ebene der Europäischen Union nach Information der Fragesteller die Position vertreten, die neuen Flottengrenzwerte für Neuwagen erst im Jahr 2022 vollumfänglich einzuführen und vorerst keinen Nachfolgegrenzwert für das Jahr 2025 festzuschreiben? 3. Welche Position vertritt die Bundesregierung aktuell hinsichtlich eines Nachfolgegrenzwertes für Neuwagen ab dem Jahr 2025, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit, der weltweiten Zunahme des Pkw-Bestands und den weiter ansteigenden globalen Treibhausgasemissionen mit wesentlich effizienteren und verbrauchsärmeren Fahrzeugangeboten auf dem Automobilmarkt zu begegnen? 4. Welche Erfolge bestehen aus Sicht der Bundesregierung bei der Verbrauchsreduzierung und CO2-Ausstoßverminderung bei Neuwagen in den vergangenen fünf Jahren? Die Fragen 2 bis 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Rahmen der Verhandlungen zur Revision der EU-Verordnungen (EU) Nr. 443/2009 und (EU) Nr. 510/2011 wurden diverse Optionen geprüft, die von verschiedenen Mitgliedstaaten eingebracht wurden. Die Bundesregierung hat die Zielwerte von 95 g CO2/km für Personenkraftwagen (Pkw) und 147 g CO2/ km für leichte Nutzfahrzeuge (LNF) für die Jahre 2021 bzw. 2020 unterstützt; das sind derzeit die weltweit anspruchsvollsten Zielwerte. Sie hat auch die Aussagen in den Revisionsverordnungen (EU) Nr. 333/2014 und (EU) Nr. 253/2014 zur Fortschreibung der Gesetzgebung nach dem Jahr 2020 mitgetragen. Die CO2-Effizienzpolitik für neue Pkw und LNF ist erfolgreich. Die spezifischen CO2-Emissionswerte von Pkw sind in den letzten fünf Jahren (2009 bis 2014) im EU-Durchschnitt von 145,7 auf 123,4 g CO2/km gesunken, gleichzeitig erhöhte sich das Angebot an besonders emissionsarmen Fahrzeugmodellen. Damit verbunden ist die Einführung neuer Technologien, insbesondere die teilweise oder vollständige Elektrifizierung des Antriebsstranges. Die Bundesregierung bekennt sich dazu, die Politik zur Verbesserung der CO2-Effizienz von Pkw und LNF fortzusetzen. Um die zur Erreichung der Klimaziele notwendigen weiteren Minderungen realisieren zu können, ist die Festlegung von realistischen Zielwerten für die Zeit nach dem Jahr 2020 erforderlich. Parallel zur Festlegung der Maßnahmen zur weiteren Emissionsreduzierung nach dem Jahr 2020 im Rahmen der Verordnungen sollte eine breite Debatte über begleitende Maßnahmen zur Minderung der CO2-Emissionen von Straßenfahrzeugen geführt werden. Diese Debatte sollte ergebnisoffen und transparent sein und alle relevanten Akteure einbeziehen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5656 –3– 5. Wie haben sich die Motorisierung und das Fahrzeuggewicht in den letzten zehn Jahren bei Pkw-Neufahrzeugen in Deutschland entwickelt, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Markttrends im Automobilbereich (bitte Daten für jedes Jahr einzeln auflisten)? * Jahr Hubraum* /ccm Motorleistung* /kW Höchstgeschwindigkeit* /km/h Leergewicht* /kg 2004 1 865,5 189,5 189,4 1 408,1 2005 1 856,0 190,7 189,1 1 426,2 2006 1 859,9 193,1 190,1 1 435,8 2007 1 870,0 195,9 191,4 1 445,4 2008 1 842,0 196,4 191,8 1 439,0 2009 1 669,5 186,8 186,0 1 296,9 2010 1 763,1 196,1 191,7 1 445,8 2011 1 766,6 199,4 193,7 1 471,9 2012 1 755,4 100,7 194,1 1 478,6 2013 1 732,2 101,0 194,6 1 474,9 Durchschnittsangaben Insgesamt zeigt sich für die in Deutschland zugelassene Neuwagenflotte ein Trend zu kleineren Motoren mit höherer Leistung. Gleichzeitig erhöhte sich die Leermasse der Fahrzeugflotte leicht. Neue Fahrzeugmodelle sind jedoch in der Grundausstattung häufig leichter als die entsprechenden Vorgängermodelle. Im selben Zeitraum sanken die durchschnittlichen zertifizierten CO2-Emissionen in Deutschland von 174,9 auf 136,1 g CO2/km, was eine steigende Energieeffizienz der Antriebskonzepte anzeigt. 6. Mit welchem Anteil konventionell betriebener Neuwagen rechnet die Bundesregierung im Jahr 2020? Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Anteil von Pkw mit alternativen Antrieben weiter zunehmen und entsprechend der Anteil von Pkw mit konventionellen Antrieben abnehmen wird. Die Bundesregierung nimmt aber selbst keine quantitativen Abschätzungen der künftigen Verteilung der verschiedenen Antriebstechnologien vor. 7. Ist laut Auffassung der Bundesregierung der Kraftstoffverbrauch ein wichtiges Kriterium für Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Kaufentscheidung für einen neuen Pkw, und wenn ja, ist nach Auffassung der Bundesregierung eine ausreichende Verbraucherinformation über die Verbrauchswerte von Pkw gewährleistet? Der Kraftstoffverbrauch ist neben anderen ein wichtiges Kriterium bei der Kaufentscheidung für einen neuen Pkw. Die EU-Richtlinie 1999/94/EG regelt die Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und weiteren Angaben. Seit dem Jahr 2004 sind Hersteller und Händler gemäß der PkwEnergieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) in Deutschland verpflichtet, für neue Personenkraftwagen, die sie ausstellen, zum Kauf oder Leasing anbieten oder für diese werben, Angaben über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen zu machen. Drucksache 18/5656 –4– Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Mit der Novellierung der Pkw-EnVKV wurde die Verbrauchskennzeichnung von Neufahrzeugen verbessert und an neue Entwicklungen im Verkehrssektor angepasst. Hierzu wurde zum 1. Dezember 2011 ein neues Pkw-Label (Hinweis auf Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch) am deutschen Neuwagenmarkt eingeführt. Ziel ist eine transparentere und verbesserte Kundeninformation. Dazu wurde neben den bereits verpflichtenden Angaben der offiziellen Verbrauchswerte eine neue farbige CO2-Effizienzskala eingeführt. Diese gibt übersichtlich und optisch gut wahrnehmbar Auskunft, wie effizient das Fahrzeug im Vergleich zu anderen Modellen ist. Mit Inkrafttreten der Novellierung hat die Bundesregierung außerdem eine Kampagne über die Web-Seite www.pkw-label.de gestartet, um Pkw-Neuwagenhändler und Neuwagenkäufer besser zu informieren und so zum Kauf energieeffizienter und CO2-ärmerer Pkw zu motivieren. 8. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Differenz zwischen amtlichen Normverbräuchen und Realverbräuchen, wie sie etwa der ADAC und der ICCT ermittelt haben? 11. Welche Ursachen hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Verbrauchsabweichung, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den möglichen Ursachen? Die Fragen 8 und 11 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Rahmen der „Euro 5/6-Verordnung“ (VO (EG) Nr. 715/2007) und der sogenannten CO2-Verordnung (VO (EU) Nr. 333/2014) ist die Europäische Kommission von Rat und Europäischen Parlament aufgefordert, das derzeitige NEFZ (NEFZ – Neuer Europäischer Fahrzyklus) Messverfahren hinsichtlich seiner Realitätsnähe anzupassen bzw. ein neues Messverfahren auszuarbeiten. Seit dem Jahr 2009 befassen sich deshalb mehrere Arbeitsgruppen bei der UNECE und der EU mit der Entwicklung einer neuen Globalen Technischen Regelung (GTR Nr. 15), dem sogenannten Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure (WLTP). Die Neuentwicklung des Fahrzyklus und die Anpassung der Messprozedur für die CO2-Emissionen und den Kraftstoffverbrauch (bzw. den Verbrauch elektrischer Energie) erfolgte dabei im Hinblick auf größtmögliche Realitätsnähe zum weltweiten Verkehrsgeschehen und Fahrverhalten. Durch die Verbesserung und Neuformulierung der Messprozedur, durch Festsetzung wesentlich engerer Toleranzen sowie realitätsnahe Randbedingungen wird ein hohes Maß an Repräsentativität und Reproduzierbarkeit angestrebt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die sogenannten Realverbräuche von vielen Faktoren, wie bspw. vom Fahrstil, der Beladung des Fahrzeugs oder auch den Umgebungsbedingungen, abhängen. Auch mit dem neuen Messverfahren wird es deshalb trotz aller Verbesserungen noch immer Abweichungen zwischen den Testwerten und den individuell erfahrenen Verbräuchen geben. Zyklus und Testprozedur wurden im März 2014 bei der UNECE verabschiedet und werden derzeit in die europäischen Typgenehmigungsvorschriften für Pkw und LNF umgesetzt. Die Bundesregierung setzt sich sowohl bei der UNECE bei der Entwicklung der neuen technischen Regelung als auch für das europäische Anliegen mit Nachdruck ein. Das Einführungsszenario wird derzeit mit der Europäischen Kommission verhandelt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode –5– 9. In welchem Zusammenhang stehen abweichende Pkw-Realverbräuche und die im Rahmen des Klima-Aktionsprogramms seitens der Bundesregierung angekündigte Förderung von Sprit-Spar-Trainings durch Gutscheine, und welche CO2-Einsparungen erhofft sich die Bundesregierung davon bis wann? Zwischen den abweichenden Pkw-Realverbräuchen und der im Rahmen des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 beschlossenen Maßnahme „Kraftstoffsparendes Fahren“ besteht kein Zusammenhang. Die Bundesregierung geht von einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen von 0,4 bis 0,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent bis zum Jahr 2020 durch die Umsetzung der Maßnahme „Kraftstoffsparendes Fahren“ aus. 10. Haben bereits Gespräche der Bundesregierung mit der Automobilindustrie und der Versicherungswirtschaft zum Thema kraftstoffsparendes Fahren stattgefunden, und wenn ja, welche Zwischenbilanz kann die Bundesregierung hierzu bislang ziehen? Nein. 12. Wie definiert die Bundesregierung eine „Abschalteinrichtung“ gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, und zählt hierzu auch eine Zykluserkennung durch die Motorsteuerung? Der Begriff „Abschalteinrichtung“ wird in Artikel 3 Absatz 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 definiert. Diese Definition ist weiterhin im Zusammenhang mit den Anforderungen in Artikel 5 Absatz 2 zu sehen. Die Bundesregierung sieht diese Definition und die Anforderungen als grundsätzlich zielführend und umfassend an, auch mit Blick auf eine mögliche „Zykluserkennung“. Sie teilt jedoch auch die Auffassung der Europäischen Kommission, dass das Konzept zur Verhinderung von Abschalteinrichtungen sich in der Praxis bislang nicht umfänglich bewährt hat. Die Bundesregierung unterstützt vor diesem Hintergrund auch die derzeitigen Arbeiten zur Fortentwicklung des EU-Regelwerks, insbesondere mit dem Ziel, die Realemissionen von Kraftfahrzeugen weiter zu senken. 13. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Einsatz von „Abschalteinrichtungen“ in Neuwagen vor? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 14. Zu welchen durchschnittlichen Zusatzkosten für Kraftstoff pro Jahr und Automobilbesitzer führen nach Kenntnis der Bundesregierung die in unterschiedlichen Nachprüfungen ermittelten Verbrauchsabweichungen, und inwieweit teilt die Bundesregierung Schätzungen der italienischen Verbraucherschutzorganisation Altroconsumo, wonach Nutzer eines aktuellen VW Golf mit Zusatzkosten von zirka 500 Euro im Jahr rechnen müssen (vgl. Financial Times, 25. Februar 2015)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine gesicherten Erkenntnisse vor. Die Bundesregierung nimmt die angeführte Studie zur Kenntnis. Drucksache 18/5656 Drucksache 18/5656 –6– Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Folgeproblem, dass sich aufgrund der Abweichungen der CO2-Realemissionen von den Herstellerangaben Mindereinnahmen bei der Kfz-Steuer ergeben? Nach der europarechtlichen Umsetzung des realitätsnäheren WLTP-Testverfahren werden Anpassungen bei der Kraftfahrzeugsteuer für neue Personenkraftwagen zu prüfen sein. 16. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Steuerausfälle, die sich aufgrund der Abweichungen der Realemissionen von den Herstellerangaben bei der Kfz-Steuer für die gesamte Fahrzeugflotte ergeben? Im Massenverfahren der Kraftfahrzeugsteuer werden für die Besteuerung der seit 1. Juli 2009 erstmals zugelassenen Personenkraftwagen notwendig typisierend die jeweiligen CO2-Normprüfwerte verwendet. Es wäre weder in rechtlicher noch in verwaltungsökonomischer Hinsicht praktikabel, die realen Emissionen im Einzelfall zur Steuerbemessung heranzuziehen. Da über die Realemissionen keine belastbaren Daten vorliegen, ist eine hypothetische Steuerausfallschätzung nicht möglich. 17. Welche Möglichkeiten haben nach Kenntnis der Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbraucher, um gegen überhöhte Verbrauchsabweichungen von den offiziellen Herstellerangaben rechtlich vorzugehen, und reichen diese rechtlichen Möglichkeiten aus Sicht der Bundesregierung aus, insbesondere in Hinblick auf mögliche Minderungen des Fahrzeugwertes infolge abweichender Realverbräuche? Nach dem Kaufvertragsrecht ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Kaufsache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Ein Sachmangel liegt nach § 434 Absatz 1 Satz 3 BGB auch vor, wenn der Kaufsache Eigenschaften fehlen, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen unter anderem des Herstellers erwarten kann. Weicht der Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens im NEFZ-Messverfahren von den Herstellerangaben ab, ist nach der Rechtsprechung eine Toleranz von 1,5 Prozent bis 2 Prozent aufgrund des Messverfahrens hinzunehmen. Bei einem Mehrverbrauch im NEFZ-Messverfahren von 3 Prozent ist ein Sachmangel angenommen worden. Ist eine Kaufsache mangelhaft, kann der Käufer von dem Verkäufer Abhilfe verlangen oder den Kaufpreis mindern. Liegt eine erhebliche Pflichtverletzung vor, kann der Käufer darüber hinaus von dem Kaufvertrag zurücktreten. Eine solche erhebliche Pflichtverletzung, die den Käufer zum Rücktritt berechtigt, nimmt die Rechtsprechung an, wenn der Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens im vorgeschriebenen NEFZ-Messverfahren die Herstellerangaben um 10 Prozent oder mehr überschreitet. Unter bestimmten, in § 437 Nummer 3 BGB näher genannten Voraussetzungen kann der Käufer vom Verkäufer auch den Ersatz eines etwaigen Schadens verlangen, der durch die Pflichtverletzung entstanden ist. Ein Bedürfnis, Änderungen an dieser Rechtslage vorzunehmen, sieht die Bundesregierung derzeit nicht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode –7– 18. Nimmt die Bundesregierung beziehungsweise das KBA als zuständige Bundesbehörde Gerichtsurteile, Verbraucherbeschwerden oder Testergebnisse, etwa von ADAC oder der Zeitschrift „Auto Bild“, zum Thema Mehrverbrauch zum Anlass, das betroffene Pkw-Modell nachzuprüfen, und wenn nein, warum nicht? Die Zahl der Verbraucherbeschwerden über einen zu hohen Real-Kraftstoffverbrauch ist über alle zurückliegenden Jahre nicht signifikant. In den Medien dargestellte Testergebnisse zum Mehrverbrauch beziehen sich regelmäßig auf den Realverbrauch beim Fahren auf der Straße. Maßnahmen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) können sich hingegen nur bei im NEFZ-Messverfahren ermittelten Abweichungen des Kraftstoffverbrauchs gegenüber den im Rahmen der Typprüfung ebenfalls im NEFZ-Messverfahren ermittelten Werten ergeben. Durch das KBA wurden keine Nachprüfungen durchgeführt, aber in einer Feldüberwachung wurde der Kraftstoffverbrauch verschiedener Fahrzeugtypen normiert nachgeprüft. 19. Ist nach Auffassung der Bundesregierung derzeit eine ausreichende gesetzliche Grundlage vorhanden, umfangreiche behördliche Nachprüfungen, wie sie etwa in den USA durch die Environmental Protection Agency (EPA) vorgenommen werden, auch in der Bundesrepublik Deutschland vorzunehmen? Grundsätzlich sind die rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Fahrzeugzertifizierung in Europa und in den USA unterschiedlich, beide Systeme haben Vorteile. Im Rahmen der laufenden Fortschreibung der EU-Abgasgesetzgebung sollen auch die Überwachungselemente, die an den US-Verfahren angelehnt sind, weiter gestärkt werden. Hierzu müssen die Instrumente jedoch auch an den Erfordernissen und Gegebenheiten der Europäischen Union ausgerichtet werden. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass im derzeitigen Regelwerk die notwendigen Instrumente für behördliche Nachprüfungen im Rahmen des Europäischen Typgenehmigungsverfahrens vorhanden sind, ihre Ausgestaltung auf EU-Ebene bedarf jedoch einer Fortentwicklung, um deren Wirksamkeit weiter zu verbessern. Das EU-Regelwerk beinhaltet ein Kontrollinstrument zur Überwachung der Konformität der Serienfahrzeuge mit den typgenehmigten Fahrzeugen. EU-gemeinschaftsrechtliche Prüfvorschriften sind in Deutschland, wie auch in allen übrigen Mitgliedstaaten, verbindlich. Zusätzlich zu diesen durch die EUVorschriften vorgegebenen Kontrollmaßnahmen führt Deutschland seit Jahren kontinuierlich und freiwillig nationale Überwachungsprogramme durch. Diese sollen auch in Zukunft fortgesetzt und weiter ausgebaut werden. Neben der Konformität der Schadstoffemissionen werden hierbei auch die CO2-Emissionen der Fahrzeuge geprüft. Die Bundesregierung setzt sich weiterhin in der EU dafür ein, dass zukünftig auch die CO2-Emissionen bei der Überprüfung der Konformität in Betrieb befindlicher Fahrzeuge (In-Service Conformity – ISC) verpflichtend kontrolliert werden. Drucksache 18/5656 Drucksache 18/5656 –8– Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Ist das KBA die zuständige Behörde zur Überprüfung der Übereinstimmung der Produktion, und wenn ja, nach welchen Vorschriften? In welchem Umfang hat das KBA seit 1. Januar 2015 (Nach-)Prüfungen vorgenommen, die mit Spritverbräuchen bzw. den CO2-Emissionen von Pkw im Zusammenhang standen? 21. Zu welchen Ergebnissen kamen diese Untersuchungen, wurden Hersteller zu Korrekturen aufgefordert, und welche Sanktionsmaßnahmen wurden ausgesprochen? Die Fragen 20 und 21 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das KBA ist generell zuständige Behörde zur Überprüfung der Übereinstimmung der Produktion für die von ihm erteilten Typgenehmigungen nach allen Rechtsakten der UNECE, denen Deutschland beigetreten ist und allen harmonisierten Rechtsakten der Europäischen Union für Straßenfahrzeuge. Hierzu zählen auch sämtliche Schadstoff- und CO2-Emissions- sowie Kraftstoffverbrauchsvorschriften. Für das laufende Jahr 2015 sind Nachprüfungen des Kraftstoffverbrauchs bzw. der CO2-Emissionen von Pkw eingeplant. Neben den behördlichen Konformitätsüberprüfungen sind auch durch die Fahrzeughersteller Konformitätsüberprüfungen durchzuführen. Festgestellte Abweichungen müssen zu Korrekturmaßnahmen führen. In einem Fall führten sie zur Korrektur der ausgewiesenen CO2-Emissionen in der Typgenehmigung und den Fahrzeugpapieren (Certificate of Conformity – CoC). Darüber hinaus prüft das KBA im Ein- bis Zweijahresrhythmus stichprobenartig die Ergebnisse der Fahrzeughersteller aus der Überprüfung von in Betrieb befindlichen Fahrzeugen (ISC). Zusätzlich zu den in der Gesetzgebung vorgeschrieben Abgasemissionen werden bei den ISC-Prüfungen durch die Hersteller die CO2-Emissionen ermittelt und durch das KBA bewertet. Die vorgestellten Ergebnisse lagen bislang immer im Rahmen der bei der Typprüfung erlaubten Toleranz. Sanktionsmaßnahmen mussten bislang nicht ausgesprochen werden. 22. Waren seitens des KBA auch die vom Hersteller übermittelten Ausrollwerte Gegenstand von Nachprüfungen? Die vom Hersteller übermittelten Ausrollwerte waren bisher nicht Gegenstand von Nachprüfungen. 23. Welche Sanktionsmöglichkeiten schöpft die Bundesregierung gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aus, um wirksam gegen Verstöße seitens der Hersteller bei der Typengenehmigung vorzugehen? Die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist für bestimmte Kraftfahrzeuge bei der Typgenehmigung nach der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG obligatorisch anzuwenden. Die Erteilung der Typgenehmigung durch das KBA erfolgt unter Berücksichtigung dessen nach der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV). Hieraus ergeben sich auch die Möglichkeiten der staatlichen Reaktion auf Verstöße gegen die Typgenehmigungsvorschriften. Es gelten §§ 7, 25, 27 und 37 EG-FGV. Insbesondere sind danach spezielle Verwaltungsmaßnahmen vorgesehen, die beispielsweise von einem teilweisen Widerruf der Typgenehmigung bis zu deren Erlöschen reichen. Darüber hinaus bestehen die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode –9– 24. Wie erklärt die Bundesregierung, dass eine Auskunft des KBA über relevante Daten zu Pkw-Realverbräuchen, wie etwa die vom Hersteller übermittelten Ausrollwerte, auf Basis des Umweltinformationsgesetzes (UIG) kostenpflichtig ist, während nach Information der Fragesteller z. B. in den USA die gleichen Daten transparent und kostenfrei der US-amerikanischen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden? Mündliche und einfache schriftliche Auskünfte nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) sowie standardisierte Verzeichnisse werden der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung gestellt. In begründeten Fällen wird gemäß Umweltinformationsgebührenverordnung (UIGGebV) eine Gebühr berechnet. 25. Wie ist vor dem Hintergrund der Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/2702, Frage 15, nach der es Ziel der Bundesregierung ist, die in den Fahrzeugpapieren referenzierten CO2-Daten wieder näher an die Realität heranzuführen, die Position der Bundesregierung hinsichtlich der Einführung des WLTP (Worldwide harmonized Light Vehicles Test Procedures) bis zum Jahr 2017? Die geplanten Verbesserungen durch die Einführung des WLTP, inklusive der Überprüfung von in Betrieb befindlichen Fahrzeugen (ISC), sind aus Sicht der Bundesregierung geeignet, die derzeitige Situation zu verbessern und damit die heutige Diskrepanz zwischen den Herstellerangaben und den realen Kraftstoffverbräuchen erheblich zu verringern. Drucksache 18/5656 Gesamtherstellung: H. 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