Hessischer Städtetag Verband der kreisfreien und kreisangehöriger Städte In Hessen Hessischer Städtetag . Frankfurter Straße 2 - 65189 Wiesbaden Ihre Nachricht vom: 30.04.2014 Magistrat der Stadt Kerben IhrZElche-ni Rathausplatz 1 Unser Zeichen: 924 00 Rifln 61184 Kerben Durchwahl: (osm- 1702-21 E-Mail: risch@hess-staedtetag.de Per E'Ma'l an: Datum: 05.05.2014 Hans-Juergen.Schenk@karben‚de Veräußerung eines Grundstücks an einen gemeinnützigen Verein Sehr geehrter Herr Bürgermeister“ Dr. Rahn, sehr geehrter Herr Sohenk, sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Möglichkeiten des Verkaufs eines Grundstücks an einen gemeinnützigen Verein. Nach unserer Einschätzung ist ein Verkauf zu den vom Verein vorgeschlagenen Konditionen nicht mit dem Kommunalrecht und dem Europäischen Beihilferecht vereinbar. 1. Kommunalrechtliche Einschätzung Grundsätzlich verbietet 5 109 Abs. 1 S. 2 HGO die Veräußerung von Grundstücken zu einem Betrag der den vollen Wert unterschreitet. Ausnahmen sind nach 5 109 Abs. 3 S. 1 HGO im öffentlichen Interesse zulässig. Vorliegend werden der Stadt 100.000 Euro als Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks angeboten. nach der Bewertung durch das Ortsgericht ist das Grundstück hingegen ca. 373.000 Euro wert. Nach unserer Einschätzung spiegelt der angebotene Kaufpreis damit nicht den vollen Wert des Grundstücks wieder. Diese Einschätzung stützt sich auf die Expertise des Ortsgerichts. Dessen Mitglieder sollen gemäß ä 8 Abs. 1 S. 2 OGerG mit der Schätzung von Grundstücken vertraut sein, da die Schätzung des Werts Frankfurter Straße 2 Telefon: (0611) 1702—0 Ein/teil: posteingang@hess-staedtetag.d‘e Bank: Nassauische Sparkasse Wiesbaden 65189 Wlesbaden Telefax: (0611) 1702-17 Internet: wmvhess—staedtetagde BIC: NASSDE55 IBAN: DETQ 5105 0015 0100 0727 77 -2- von Grundstücken nach ä 18 OGerG zu den Aufgaben des Ortsgerichts gehört. Die Schätzung des Ortsgerichts kann allenfalls durch qualifizierte Einwände oder eine Schätzung des Gutachterausschusses erschüttert werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Wert, den das Ortsgericht oder ein Gutachterausschuss ermittelt, den möglichen Marktwert wiedergibt. Dieser wird auch durch die Nutzungserwartung eines potentiellen Erwerbers beeinflusst und weicht daher naturgemäß von dem Ertrag der aktuellen Nutzung ab. Diese Sichtweise wird auch nicht dadurch erschüttert, dass das Grundstück mit einem Wert von 1 Euro bilanziert. ist. Dieser Wert ist sachgerecht, da das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet ist und zudem verpachtet ist. Daher ist der momentan realisierbare Wert gering. Nur der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass ein eventueller Veräußerungsgewinn nach dem außerordentlichen Ergebnis zufließt und damit das ordentliche Ergebnis im Sinne des ä 92 Abs. 3 H0 nicht tangiert. Da das Grundstück unter dem vollen Wert veräußert werden würde, ist dies nach ä 109 Abs. 3 S. ’l HGO nur zulässig, wenn dieses im öffentlichen Interesse liegt. Öffentliches Interesse heißt hier, dass der Erwerber Aufgaben anstelle der Gemeinde erfüllt (Schneider/Dressler HGO Rn. 6 Zu ä 109). Das heißt, es muss zumindest mittelbar eine Entlastung der Stadt Kerben realisiert werden. Eine solche Aufgabenerfüllung an Stelle der Stadt Kerben ist hier grundsätzlich denkbar, wenn der Verein das Grundstück erwirbt und sich verpflichtet, einen exakt zu definierenden öffentlichen Zweck selbst zu erfüllen. Wichtig ist es daher, dass die Stadt den öffentlichen Zweck definiert, den der Verein an ihrer Stelle übernimmt. Dies kann der Erhalt von Arbeitsplätzen, der Schutz der Umwelt oder die Jugendarbeit sein. Andere Zwecke sind ebenfalls denkbar. Allerdings ist die Vereinsförderung als solche allein kein legitimer öffentlicher Zweck. Die Verpflichtung zur Erfüllung des öffentlichen Zweckes muss in geeigneter Weise abgesichert werden. Dieses kann beispielsweise durch eine Rückfallklausel geschehen. Zusätzlich könnte die Zweckbindung planungsrechtlich abgesichert werden. Zum anderen ist es nicht zulässig, dass der Verein das Grundstück erwirbt und weiter veräußert. Dieses gilt auch, wenn der Verein dabei keinen Gewinn enNirtschaftet. Hinzu -3- kommt, dass ein solches Vorgehen auch nicht sinnvoll ist. Zum einen fällt bei einem doppelten Verkauf bei zwei Verträgen Grundenverbssteuer an. Zum anderen müsste auch der neue Erwerber den öffentlichen Zweck erfüllen. Ist der Ietztliche Erwerb durch einen Folgenutzer geplant, ist es sinnvoll, den Vertrag direkt mit diesem abzuschließen. Abschließend ist festzustellen, dass bereits das Kommunalrecht einem Verkauf kommunalen Vermögens unter dem vollen Wert sehr enge Grenzen setzt. Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass ein Verkauf des Grundstücks für 100.000 Euro nicht rechtmäßig wäre. 2. Europäische-s Beihilferecht Der Verkaufeines Grundstücks unterhalb des Marktwertes an ein Unternehmen im Sinne des europäischen Rechts stellt nahezu immer auch eine Beihilfe an das betroffene Unternehmen dar. Dieses erhält das Grundstück zu einem Preis, der unter normalen Marktbedingungen nicht zu erzielen wäre. Unter Unternehmen ist hierjeder Rechtsträger “zu verstehen, der am Markt agiert. Im Sinne der Rechtsprechung des EUGH kann dieses auch der Verein als potentieller Erwerber sein. Da die EU—Kommission in den letzten Jahren relativ viele Beschwerde-n von Wettbewerbern bearbeitet, hatten wir bereits im Jahr 2011 mit unserem Rundschreiben RS—219—2011 auf die Grundstücksmitteilung der EU—Kommission hingewiesen. Zu ihrer Information legen wir diese bei (Anlage). Europarechtskonform gibt es daher zwei Möglichkeiten, das Grundstück zu veräußern, ohne dass es sich um eine Beihilfe handelt. Entweder erfolgt ein bedingungsfreie's Bietverfahren nach den Maßgaben der Nr. 1 oder es erfolgt die Ermittlung des Grundstückswerte durch einen unabhängigen Gutachter nach Nr. 2. Nach Auskunft des HMdIS ist ein Gutachterausschuss ein unabhängiger Gutachter im Sinne der Grundstücksmitteilung. Ein Ortsgericht oder eine Schätzung anhand der Bodenrichtwerte reicht allerdings nicht aus. -4- Liegt der Verkaufspreis unterhalb des wirklichen Wertes, so stellt der zu geringe Verkaufspreis eine Beihilfe dar. Diese ist nach Art. 107 AEUV grundsätzlich unzulässig. Allerdings gibt es vielfältige Möglichkeiten. die Begünstigung doch zu rechtfertigen. Aufgrund der Höhe der Beihilfe — hier die Differenz zwischen Wert und Kaiufpreisangebot — kommt eine Rechtfertigung nach der De—minimis—Verordnung nicht in Betracht. Denkbar ist allerding ein Vorgehen nach der De-minimis-für DAWI-Verordn-ung (Verordnung 360/2012 der Kommission, ABI EU. L 114/8). Diese setzt allerdings voraus, dass das begünstigte Unternehmen mit der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut wird. Die Diskussion ähnelt damit der oben dargestellten Diskussion über das öffentliche Interesse. Die Stadt Karben müsste daher in einem B-etr'auungsakt festlegen, welche öffentliche Aufgabe zu welche-n Bedingungen übertragen werden soll. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Europäische Beihilferecht der Übertragung eines Grundstücks unterhalb des Merktwertes ebenfalls Grenzen setzt. Jenseits der Frage, ob ein hinreichender öffentlicher Zweck vorliegt, sind strenge formale Vorgaben zu beachten. Im konkreten Fall wurde der Verkauf zu einer unzulässigen Beihilfe führen, da der Erwerber das Grundstück weiterveräußern will und dann zur Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht mehr in der Lage ist. 3. Beihilferecht und Pachtvertrag Der Vollständigkeit halber möchten wir darauf hinweisen, dass auch die Verpachtung eines Grundstücks ohne Pachtzins eine grundsätzlich unzulässige Beihilfe darstellt. Diese dürfte aufgrund der relativ geringen Höhe derjährlichen Begünstigung relativ einfach zu rechtfertigen sein. Allerdings raten wir für die Zukunft von einer sehr langen Vertragsbindung ab. Ein Betrauungsakt — also die Übertragung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe - s-oI'I irn: Regelfall auf 10 Jahre. befristet sein. In begründeten Einzelfällen kann die Frist auch länger sein, z.B. wenn sich Investitionen rechnen müssen. Daher raten wir von dem Abschluss eines Pachtvertrages über 99 Jahre ebenfalls ab. 4. Abschließende Empfehlung Wir raten der Stadt Karben davon ab, das Verkaufsangebot anzunehmen. Nimmt die das Angebot an. wäre eine Klärung mit der Kommunalaufsicht und der EU-Kcmmission notwendig. Darin können wir keinen Vorteil für die Stadt Kerben erkennen. Für Rückfragen stehe ich selbstverständlich zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Dr. Ben Michael Risch Referatsleiter Anlage Hessischer Städtetag Verband der kreisfreien und kreisangehöriger Städte in Hessen Unser Zeichen: 924 00 Rilln Durchwahl. (0611) 1702-21 E—Maii: risch@hess-staedtetag.de I _ ' Datum: 27.04.2011 Magistrats der Mitgliedstädte Rundschreiben 219—2011 - Kämmereien - - Liegenschaftsämter - u Rechnungsprüfungsämter — Beihilferelevanz kommunaler Grundstücksgeschäfte Auf unsere Nachfrage hin hat das HMdlS mitgeteilt, dass eine Europarecntskonforme Wertermittlung eines Grundstücks auch durch ein Gutachten des Gutachterausschusses erfolgen kann. im Gegensatz dazu sind Bodenrichtwertkarten oder Schätzungen von Ortsgerichten nicht sicher Europarechtskonforrn. Sehr geehrte Damen und Herren, wir nehmen Bezug auf unser Rundschreiben 027-2011 vom 19.1.2011 in dem wir Sie “über eine Mitteilung der Kommission zur Beihilferelevanz kommunaler Grundstücksgeschäfte informiert haben. ln einer Mitgliedstadt ist daraufhin die Frage aufgetreten, ob bei dem Verkauf eines unbebauten Grundstücks nicht auf die aktuelle Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses bzw. die daraus abgeleiteten Bodenrichtwerte abgestellt werden kann. Zur Begründung kann darauf verwiesen werden, dass die Gutachterausschüsse hinreichend unabhängig in der Wertermittlung sind, um ein Vorgehen nach Nr. 2 a) der Mitteilung zu ermöglichen. Wir haben uns daraufhin an das Hessische Ministerium des lnnern und für Sport gewandt. Nunmehr hat uns das Innenministerium mitgeteilt, dass die E-U-Kornmission (KOM) in Deutschland die Gutachten der Gutachterausschüsse als Methode zur Ermittlung des „Marktpreises“ anerkennt. Im Gegensatz dazu, kann eine Schätzungen der Ortsgerichte oder die Verwendung einer Boden richtwertkarte nicht empfohlen werden, da diese zu wenig auf den konkreten Einzelfall eingehen und daherwahrscheinlich nicht mit dem Europarecht vereinbar sind. Damit kann die Bezugnahme auf die Kaufpreissarnmlung oder die Bodenrichtwerte nicht empfohlen “werden. Insofern allerdings, in hinreichendem Umfang Kaufverträge über vergleichbare Grundstücke vorliegen, vereinfacht dies die Erstellung eines Gutachtens. 65189 Wiesbaden Telefon: (0611) 1702-0 E-Mail:posteingang@hess-staedtetag.de Bank: Nassaulsche Sparkasse Wiesbaden Frankfurter Straße 2 Telefax: (0611) 1702-17 Internet: http:/iwmnr.hess-staedtetag.de (BLZ 510 500 15) Kto. Nr. 100 072 777 -2- Für Ruckfragen stehen wir selbstverständlich zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen gez. Dr. Ben Michael Risch Referatsleiter