ßl I Bündesministerium für Gesundheit Ingrid Fischbach Parlamentarische Staatssekretärin Mitglied des Deutschen Bundestages Friedrichstr. 108, 10117 Berlin 11055 Berlin Präsident des Deutschen Bundestages — Parlamentssekretariat - 11011 Berlin HAUSANSCHRIFT POSTANSCHRIFT +49 (0)30 18441-1070 +49 (0)30 18441-1074 ingrid.fischbach@bmg.bund.de TEL FAX E-MAIL Berlin, 6. April 2016 Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Azize Tank, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der DIE LINKE. betreffend „Bewertung von Anwen- dungsbeobachtungen und den entsprechenden Meldepflichten“, BT—Drs. 18/7976 Sehr geehrter Herr Präsident, namens der Bundesregierung beantworte ich die o. a. Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemermg der Fragesteller: Anwendungsbeobachtungen (AWB) sind Studien, bei denen die Wirkungen von Arzneimitteln oder anderen Behandlungen nicht unter kontrollierten, sondern unter realen Praxisbedingungen untersucht werden können. AWB sind für Viele aber inzwischen zu einem Synonym für Pseudo— Studien geworden, denn Pharmauntemehmen verfolgen mit ihnen häufig Marketingzwecke. Kritische Organisationen Wie Transparency International rücken sie eher in die Nähe von Kor— ruption als von Forschung (www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Gesundheitswesen/Positionspapier_Anwendun gsbeobachtungen_10—11-03.pdf bzw. www.deutschlandfunk.de/transparency—international-arz- neimittel-studien—als-mittel.769.de.htrnl?dram:article_id=320164). Die Befürchtung, es „werden Ärzte geschmiert, damit sie bestimmte Medikamente verschreiben“ (BILD, 20. Juli 2009) wurde vom Gesetzgeber aufgegriffen. Das Arzneimittelgesetz (AMG) schreibt inzwischen vor, dass Entschädigungen, die an Ärzte für ihre Beteiligung an AWB geleistet wer— den, nach ihrer Art und Höhe so zu bemessen sind, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Ver- schreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht (5 67 Abs. 6 Satz 3 AMG). Zudem wurden Meldepflichten eingeführt und nachfolgend teils ausgeweitet. Der Gesetzgeber hat vorgeschrieben, dass die Durchführung einer AWB der zuständigen Bundesoberbehörde, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem GKV-Spitzenverband und dem Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. unverzüglich anzuzeigen ist. Dabei sind Ort, Zeit, Ziel und Beobach- tungsplan der AWB anzugeben. Gegenüber der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband sind die beteiligten Ärzte namentlich mit Angabe der lebenslangen Arzt- nummer zu benennen (5 67 Abs. 6 Satz 2 AMG). Sofern es um Verordnungen an GKV-Versicherte geht, sind auch die Höhe der geleisteten Entschädigung an die Ärztin bzw. den Arzt sowie eine Darstellung des Aufwandes für die beteiligten Ärztinnen und Ärzte sowie eine Begründung für Seita 2 von 13 die Angemessenheit der Entschädigung zu übermitteln. Der zuständigen Bundesoberbehörde ist zudem innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Datenerfassung bei Untersuchungen mit Arz- neimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, ein Abschlussbericht zu übersen- den (5 67 Abs. 6 Satz 7 AMG). Die Meldepflichten täuschen nach Auffassung der Fragesteller allerdings darüber hinweg, dass sie die Durchführung von AWB weder direkt beschränken, noch die gemeldeten Daten einer sys— tematischen Auswertung unterzogen werden müssten. Es ist nicht einmal vorgeschrieben, dass in einer definierten und elektronisch auswertbaren Form gemeldet werden muss, sodass die Mel- dungen an die unterschiedlichen Institutionen nur schwer zusammengeführt und abgeglichen werden können. In den USA werden die Pharrnakonzerne und sogar die Namen der Geldleistungen empfangen- den Ärztinnen und Ärzte von der zuständigen Bundesbehörde im Internet veröffentlicht. In Deutschland sind die Patientinnen und Patienten auf engagierte Menschen in der Zivilgesell- schaft angewiesen: So hat das Recherchezentrum correctiv.org gemeldete Daten eingesehen und veröffentlicht. Ob die eigene Ärztin bzw. der Arzt für das Verordnen von bestimmten Arzneimit- teln Geld bezieht, ist in Deutschland jedoch nach wie vor geheim. Die Koalition aus CDU/ CSU und SPD hat das Rad nach Auffassung der Fragesteller sogar teils wieder zurück gedreht: So wurde die Vorschrift. dass gerade das Verordnungsverhalten von Ärztinnen und Ärzten, die an AWB teilnehmen, auf Wirtschaftlichkeit überprüft werden soll, gestrichen (vgl. GKV- Versorgungsstärkungsgesetz, Artikel 2 Nr. 6). Vorbemerkung der Bundesregierung: Anwendungsbeobachtungen (AWB) haben das Ziel, Erkenntnisse bei der routinemäßigen An— wendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel durch Ärztinnen und Ärzte bei Patientin- nen und Patienten zu sammeln. Sie sind ein Unterfall der nicht-interventionellen Prüfungen, d. h. Untersuchungen, in deren Rahmen Erkenntnisse aus der Behandlung von Personen mit Arzneimitteln anhand epidemiologischer Methoden analysiert werden. Dabei folgt die Behand— lung einschließlich der Diagnose und Überwachung nicht einem vorab festgelegten Prüfplan, sondern ausschließlich der ärztlichen Praxis. Mit Hilfe der AWB können Erkenntnisse aus der Praxis über zugelassene oder registrierte Arzneimittel gewonnen werden. Durch verschiedene gesetzliche Regelungen sind in den letzten Jahren die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Qualität der AWB und für die Verhinderung eines Missbrauchs zu Marke- tingzwecken geschaffen worden. In ä 67 Absatz 6 des Arzneirnittelgesetzes (AMG) finden sich umfassende Anzeigepflichten gegen- über der zuständigen Bundesoberbehörde, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV-Verband). Wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen 5 67 Absatz 6 Satz 1 AMG eine Anzeige einer AWB nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet, handelt gemäß 5 97 Absatz 2 Nummer 7 Buchstabe c AMG ordnungswidrig. Mit dem dritten Gesetz zur Änderung arzneirnittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 7. August 2013 wurden diese Anzeigepflichten dahingehend erweitert, dass der zuständigen Bundesoberbe— Seite 3 von 13 hörde innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Datenerfassung bei Untersuchungen mit Arz— neimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, ein Abschlussbericht zu übermit- teln ist. Die Berichte haben alle Ergebnisse der Untersuchungen, unabhängig davon, ob sie güns- tig oder ungünstig sind, zu enthalten. Die zuständige Bundesoberbehörde hat der Öffentlichkeit die ihr übermittelten Anzeigen und Abschlussberichte über ein Internetportal zur Verfügung zu stellen _(vgl. ä 67 Absatz 6 Satz 7, 8 und 10 AMG). Bei der Vereinbarung der Entschädigungen für Ärztinnen und Ärzte, die sich an AWB beteiligen, sind Art und Höhe nach 5 67 Absatz 6 Satz 3 AMG so zu bemessen, dass kein Anreiz für eine be- vorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht. 5 63f Absatz 3 AMG bestimmt für nicht-interventionelle Unbedenklichkeitsprüfungen, dass ihre Durchführung nicht zulässig ist, wenn durch sie die Anwendung eines Arzneimittels gefördert werden soll, wenn sich die Vergütungen für die Beteiligung von Angehörigen der Gesundheitsberufe an solchen Prüfun- gen nach ihrerArt und Höhe nicht auf den Zeitaufwand und die angefallenen Kosten beschrän- ken oder wenn ein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arz— neimittel entsteht. Zudem verbietet ä 7 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Zuwendungen oder sonstige Waren oder Leistungen anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fach— kreise anzunehmen. Diese gemäß 5 15 Absatz 1 Nummer 4a HWG bußgeldbewehrte Regelung zielt darauf ab, eine sachwidrige Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit — insbesondere der Therapiefreiheit - von Personen zu verhindern, die Heilmittel verschreiben, empfehlen oder an- wenden. In 5 106 Absatz 2 Satz 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ist vorgesehen, dass bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen insbesondere auch verordnete Leistungen von Ärztirmen und Ärz— ten geprüft werden sollen, die an einer AWB beteiligt sind. Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung (KBV) hat den Kassenärztlichen Vereinigungen zu diesem Zweck die teilnehmenden Ärztin- nen und Ärzte mitzuteilen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen wiederum übermitteln diese Da— ten an die Prüfungsstelle. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz) werden die Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Arzneimittelbereich zum 1. Januar 2017 regionalisiert. Die Regelung zu den AWB findet sich dann gleichlautend in der entsprechenden bundesweiten Rahmenvereinbarung zwischen GKV- Spitzenverband und KBV wieder. Die IGeine Anfrage betrifft Sachverhalte, die die Bundesregierung nur zum Teil in eigener Zu- ständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Sie ist gleichwohl bestrebt, dem Fragesteller eine Antwort auf seine Fragestellung zukommen zu lassen und hat daher den GKV-Spitzenverband, Seile 4von 13 die KBV und den PKV-Verband um Stellungnahmen gebeten. die von dort in eigener Verantwor- tung erstellt und der Bundesregierung übermittelt worden sind. Frage Nr. 1: Wie hat sich die Zahl der Anwendungsbeobachtungen seit Einführung der Meldepflicht nach Kenntnis der Bundesregierung entwickelt (bitte Anzahl der Studien sowie Anzahl der beteiligten Ärztinnen und Ärzte sowie der einbezogenen Patientinnen und Patienten angeben)? Antwort: Die Zahlen zur Entwicklung der AWB sind seit 2014 öffentlich über die Datenbanken auf den In— ternetseiten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul- Ehrlich-Instituts (PEI) (http://awbdb.bfarm.de sowie www.pei.de/db-awb) abrufbar. Nach Anga- ben der KBV beteiligten sich 2014 16 952 Ärztinnen und Ärzte an einer oder mehreren AWB. Für 2015 könne die entsprechende Zahl noch nicht ermittelt werden. Frage Nr. 2: Wie viele Anwendungsbeobachtungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den einzelnen Bundesländern durchgeführt (bitte Anzahl der Studien sowie Anzahl der beteilig- ten Ärztinnen und Arzte sowie der einbezogenen Patientinnen und Patienten angeben)? Antwort: Angaben zu Bundesländern liegen der Bundesregierung nicht vor. Frage Nr. 3: In welchen Indikationen/bei welchen Behandlungsarten finden nach Kenntnis der Bundesregie- rung besonders häufig AWB statt und welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus? Antwort: Strukturierte Angaben zu Indikationen liegen der Bundesregierung nicht vor. Frage Nr. 4: Wie viele AWB ‚wurden bzw. werden während der frühen Nutzenbewertung bzw. des ersten Ver- marktungsjahres nach Kenntnis der Bundesregierung durchgeführt? Antwort: Nach Angaben der KBV wurden bzw. werden - zeitnah zum Bewertungsverfahren — für 29 Wirk- stoffe, die einer frühen Nutzenbewertung unterzogen werden, AWB durchgeführt. Seite 5 von 13 Frage Nr.5: Wie viele AWB wurden bzw. werden zu Präparaten durchgeführt, bei denen bei der frühen Nut- zenbewertung kein Zusatznutzen festgestellt wurde und inwiefern sieht die Bundesregierung hierin auch ein Mittel, diese Präparate schnellstmöglich am Markt zu etablieren und den GKV— Spitzenverband bei den anschließenden Preisverhandlungen unter Druck zu setzen? Antwort: Nach Angaben der KBV findet sich bei zehn Wirkstoffen in AWB als Ergebnis der frühen Nutzen— bewertung kein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Erkenntnisse über den Inhalt von Preisverhandlungen zwischen pharmazeutischen Unternehmen und dem GKV—Spitzenverband liegen der Bundesregierung nicht vor. Frage Nr. 6: Wie haben sich die durchgeführten AWB in Bezug auf Ziel, und Ausgestaltung der Beobach- tungspläne und Art der Aufwandsentschädigungen seit Bestehen der entsprechenden Melde- pflicht nach Kenntnis der Bundesregierung verändert? Antwort: Nach Angaben der KBV sind inhaltliche Veränderungen bei den Zielen nicht festzustellen. Die Art der Aufwandsentschädigung bestehe unverändert aus der Angabe eines Eurobetrages. Frage Nr. 7: Wie haben sich die AWB nach Kenntnis der Bundesregierung in Bezug auf ihre Laufzeit verän- dert? Inwiefern beobachtet die Bundesregierung, dass AWB mit sehr langen Laufzeiten zuneh— men, bei denen auf diesem Wege die Meldepflichten in Bezug auf Studienergebnisse und andere Parameter im Vermarktungszeitraum mit Patentschutz umgangen werden? Antwort: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Frage Nr. 8: Wie hat sich die Höhe der Aufwandsentschädigungen an die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte nach Kenntnis der Bundesregierung verändert (bitte Entwicklung seit Bestehen der ent- sprechenden Meldepflicht angeben und sowohl durchschnittliche Zuwendungen an die Ärztin— nen und Ärzte als auch die in Deutschland gezahlte Gesamtsumme für Aufwandsentschädigun- gen bei AWB angeben)? Antwort: Laut KBV liegen die Angaben zum Jahr 2015 noch nicht vollständig vor, da die entsprechende Meldepflicht erst mit dem Dritten Gesetz zur Änderung arzneirnittelrechtlicher und anderer Seite 6 von 13 Vorschriften vom 7. August 2013 eingeführt wurde und die Daten innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Datenerfassung übermittelt werden müssen, also erst bis Ende des Jahres 2016. Aus den vorliegenden Zahlen für die Jahre 2014 und 2015 lasse sich daher noch keine Entwicklung ableiten. Der GKV-Spitzenverband hat ebenfalls mitgeteilt, dass er derzeit hierzu keine Angaben machen kann. Frage Nr. 9: Inwiefem kann die Bundesregierung nachweisen, ob die Vorschrift, dass die Entschädigungen nach ihrer Art und Höhe so zu bemessen sind, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschrei- bung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht, hinreichende Wirkung zeigt? Antwort: Nach Angaben der KBV sind in den Begründungen für die Aufwandsentschädigungen in den Be- obachtungsplänen regelmäßig Vergütungshöhen angeführt, die sich an der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) orientieren. Der entsprechende Aufwand in Form von Dokumentationsleistun- gen sei zudem in der Regel detailliert quantifiziert. Frage Nr. 10: Wer bestimmt nach Kenntnis der Bundesregierung in diesem Zusammenhang, bei welchen Ent— schädigungshöhenl-arten (k)ein Anreiz für das Verordnen bestimmter Arzneimittel entsteht? Welche Kriterien werden dabei zugrunde gelegt? Antwort: In der „Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)“, Bundestagsdrucksache 17/ 13770, S. 20, wird auf die Empfehlungen des BfArM und des PEI zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen vom 7. Juli 2010 un— ter Nummer 9 Bezug genommen. Danach soll sich die „Honorierung [...] am Aufwand für zusätz- lich erforderliche Dokumentations- und andere Maßnahmen orientieren [...]. Anhalt für eine über die Regelversorgung hinaus durch die Anwendungsbeobachtung entstehende Aufwandsho- norierung bietet z. B. die ärztliche Gebührenordnung.“ Nach Angaben des GKV-Spitzenverbands und der KBV haben Überprüfungen der gemeldeten Daten ergeben, dass Art und Höhe der Ent- schädigungen in der Regel im Verhältnis zum dargestellten Aufwand für die Ärztinnen und Ärzte stehen würden und mit Verweis auf die GOÄ begründet würden. Frage Nr. 11: Inwiefern können regionale Unterschiede in der Häufigkeit von Anwendungsbeobachtungen nach Ansicht der Bundesregierung auch mit der unterschiedlichen Auslegung des Anreizes für bestimmte Verordnungsverhalten erklärt werden (vgl. Frage 2)? Seite7von13 Antwort: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Frage Nr. 12: Aus welchen Gründen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bei Anwendungsbeobachtun- gen im Gegensatz zu klinischen Untersuchungen keine Genehmigungspflicht eingeführt? Antwort: Da es sich um die reine Beobachtung der routinemäßigen Anwendung zugelassener oder re- gistrierter Arzneimittel im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit und unter Einhaltung der Verpflichtungen der ärztlichen Berufsordnung handelt, ist ein über das derzeitige Anzeigeverfah— ren hinausgehendes behördliches Genehmigungsverfahren nicht angezeigt. Frage Nr. 13: Inwiefern ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Studien, die nicht nachvollziehbar der Wis— sensgeneriemng dienen, die Wissenschaft insgesamt beschädigen? Frage Nr. 14: Inwiefern ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die ärztliche Teilnahme an Studien, die nicht nachvollziehbar der Wissensgenerierung dienen, das Ansehen der Ärzteschaft insgesamt beschä- digt? Antwort: Die Fragen 13 und 14 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. AWB sind dazu bestimmt. Erkenntnisse bei der routinemäßigen Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel durch Ärztinnen und Ärzte bei Patientinnen und Patienten zu sam- meln. Mit ihrer Hilfe können Erkenntnisse über zugelassene oder registrierte Arzneimittel ge- wonnen werden. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Frage Nr. 15: Welche Auswirkungen hat momentan die Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen für die Ärztinnen und Ärzte im Hinblick auf Wirtschaftlichkeitsprüftmgen? Wann und aus welchen Gründen wurden die momentan geltenden Regelungen eingeführt? Antwort: Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Zu diesem Zweck bilden Seiteron 13 die Landesverbände der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen regionale Prü- fungsstellen. Bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollen insbesondere auch verordnete Leistungen von Ärzten geprüft werden, die an einer AWB beteiligt sind (5 106 Absatz 2 Satz 10 SGB Vbzw. s 1 Absatz 2 der Anlage 1 der Rahmenvorgaben nach 5 106b Absatz 2 SGB V für die Wirtschaftlich- keitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen vom 30. November 2015). Diese Regelung wurde mit dem GKV—Wettbewerbsstärkungsgesetz zum 1. Januar 2008 eingeführt. In der Begründung zum damaligen Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 16/ 3100, S. 137) wird ausgeführt, dass die im Rahmen einer AWB verordneten Arzneimittel durch die Prüfungsstelle stichprobenartig zu prüfen sind, ob diese Verordnungen zweckmäßig und wirtschaftlich sind und somit die gesetzli— che Vorgabe des AMG eingehalten wird, dass durch die gezahlten Vergütungen an Ärzte für die Teilnahme an AWB (5 67 Absatz 6 des AMG) kein Anreiz zur Verordnung eines Arzneimittels ent- steht. Frage Nr. 16: Was waren die Beweggründe der Bundesregierung, die Vorschriften zur Wirtschaftlichkeitsprü- fung der Verordnungen von Ärztinnen und Ärzten, die an AWB teilnehmen. bei der Neuformu— lierung von 5 106 SGB V im Entwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes mit Wirkung ab 1. Januar 2017 zu streichen? Inwiefern erachtet die Bundesregierung eine entsprechende Verein- barung im Rahmenvertrag als gleichwertig und inwiefern ist gewährleistet, dass diese dauerhaft bestehen bleibt? Antwort: Mit dem GKV—Versorgungsstärkungsgesetz, das in seinen wesentlichen Teilen am 23. Juli 2015 in Kraft trat. wird die bundesgesetzlich vorgegebene Richtgrößenprüfung im Arznei- und Heilmit- telbereich zum 1. Januar 2017 als bundesgesetzliche Vorgabe durch regionale Vereinbarungen ersetzt. Regelungen zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen finden sich ab 1. Januar 2017 in den 55 106 bis 106c SGB V. Die in Frage 15 geschilderte Regelung findet sich nach der Neuregelung nun in 5 1 Absatz 2 'der Anlage 1 der Rahmenvorgaben nach ä 106b Absatz 2 SGB V für die Wirt- schaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen vom 30. November 2015, die zwischen dem GKV—Spitzenverband und der KBV vereinbart wurden. Dadurch wird dem in der Antwort zu Frage 15 geschilderten Anliegen Rechnung getragen. Die Bundesregierung verfolgt die weitere Entwicklung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf Grundlage der regionalen Vereinbarungen. Frage Nr. 17: Wie viele Anwendungsbeobachtungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung von den Ini- tiatoren veröffentlicht und wie hat sich diese Zahl in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte absolut und relativ zur Gesamtheit der AWB angeben)? Antwort: Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Seitegvon 13 Frage Nr. 18: Inwiefem sieht die Bundesregierung Anwendungsbeobachtungen grundsätzlich oder teilweise als problematisch an? a) Welche Anwendungsbeobachtungen sieht die Bundesregierung als'problematisch an (bitte begründen)? b) Wie groß ist der Anteil der von der Bundesregienmg als problematisch erachteten Anwen- dungsbeobachtungen (bitte Entwicklung seit Bestehen der entsprechenden Meldepflicht an— geben)? c) Inwiefern hält es die Bundesregierung für problematisch, dass gerade für Analogpräparate, also neue und häufig teure Arzneimittel ohne relevanten Zusatznutzen für die Patientinnen und Patienten, besonders viele Anwendungsbeobachtungen durchgeführt werden (siehe www.correctiv.org) und welche Ursachen sieht die Bundesregierung dafür? d) Inwiefern verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Zahl von Anwendungsbeobachtungen insgesamt zu reduzieren? e) Inwiefern verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Zahl von Anwendungsbeobachtungen zu reduzieren. deren Ergebnisse nicht veröffentlicht werden? f) Inwiefern verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Zahl von Anwendungsbeobachtungen zu reduzieren, die sie als problematisch erachtet? Frage Nr. 19: Wie kann nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl von Anwendungsbeobachtungen redu— ziert werden? Antwort: Die Fragen 18 und 19 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Mit AWB können Erkenntnisse über die Anwendung zugelassener Arzneimittel in der Praxis ge- wonnen werden. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesund- heitswesen (Bundestagsdrucksache 18/6446 vom 21. Oktober 2015) verfolgt die Bundesregierung gleichzeitig das Ziel, die Fälle unter Strafe zu stellen, bei denen die Durchführung der AWB Be— standteil einer Unrechtsvereinbarung ist und die vorgesehene Vergütung den teilnehmenden Arzt nicht für seinen zusätzlichen Aufwand entschädigt, sondern ihm als Vergütung für die be- vorzugte Verordnung bestimmter Präparate gewährt wird. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 13, 14 und 17 verwiesen. Frage Nr. 20: Inwiefern werden andere nicht-interventionelle Studien, die auch „dazu bestimmt sind, Erkennt- nisse bei der Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel zu sammeln" (5 67 Abs. 6 Satz 1 AMG), etwa Auswertung von Routine- oder Registerdaten, von den anderen Sätzen des 5 67 Abs. 6 erfasst, die teils explizit „Anwendungsbeobachtungen“ (5 67 Abs. 6 Satz 2) benennen? Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung eine Unterscheidung politisch intendiert? Seite 10 von 13 Antwort: Der Begriff ‚Anwendungsbeobachtungen“ wird derzeit durch die Empfehlungen des BfArM und des PEI zur Durchführung von AWB weiter präzisiert (Empfehlungen des BfArM und des PEI zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen vom 7. Juli 2010), veröffentlicht auf der Homepage der beiden Bundesoberbehörden. Die beiden Bundesoberbe- hörden bereiten derzeit eine neue gemeinsame Bekanntmachung zur Anzeige von AWB nach 5 67 Absatz 6 AMG und zur Anzeige von nicht—interventionellen Unbedenklichkeitsprüfüngen nach den ä 63f und 63g AMG mit weitergehenden Begriffsbestimmungen vor, um eine klare Ver- waltungspraxis zu AWB zu gewährleisten. Frage Nr. 21: Welche gemeldeten Daten werden nach Kenntnis der Bundesregierung a) bei der zuständigen Bundesoberbehörde b) bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) c) beim GKV—Spitzenverband d) beim PKV-Verband ausgewertet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Antwort: Auswertungen und Datenweitergaben richten sich nach dem gesetzlichen Auftrag nach 5 67 Ab- satz 6 AMG und 5 106 SGB V sowie nach allgemeinen gesetzlichen Regelungen. Frage Nr. 22: Für welche bzw. wie viele AWB -bezogenen Meldedaten finden nach Kenntnis der Bundesregie- rung keine Auswertung, keine für die Bundesregierung nachvollziehbare Auswertung und keine für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Auswertung statt? Antwort: Es wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. Frage Nr. 23: Inwiefern erfüllen aufgrund einer Meldepflicht erhobene Daten, die nicht hinreichend ausge— wertet werden. ihren politisch intendierten Zweck und sind nach Ansicht der Bundesregierung insofern auch datenschutzrechtlich problematisch? Antwort: Die in 5 67 Absatz 6 AMG genannten Stellen erfüllen mit der Annahme und Bereitstellung der angezeigten Daten zu AWB für die gesetzlich vorgesehenen Zwecke die ihnen zugewiesenen Auf- gaben. Seite 11 von 13 Frage Nr. 24: In welcher Form haben die Beteiligten jeweils andie zuständige Bundesoberbehörde, der Kassen— ärztlichen Bundesvereinigung, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Verband der Privaten Krankenversicherung zu melden (bitte aufschlüsseln nach den unterschiedlichen Meldepflichten in 5 67 Abs. 6 AMG)? Antwort: Die Anzeigen haben nach 5 67 Absatz 6 AMG elektronisch zu erfolgen. Frage Nr. 25: Inwiefern plant die Bundesregierung. die Formatvorgaben, die für Meldungen an die zuständi- gen Bundesoberbehörden gelten, auch für Meldungen an die KBV und den GKV-Spitzenverband verbindlich vorzuschreiben, wie es vom GKV—Spitzenverband bereits vorgeschlagen wurde (www.bundestag.de/blob/393162/53f188d3717da38bc300102674f7b4f8/gkv—spitzenverband— datapdf)? Antwort: Eine solche Änderung wird derzeit geprüft. Frage Nr. 26: Inwiefem werden die verschiedenen Datensätze der genannten Institutionen nach Kenntnis der Bundesregierung zusammengeführt, um Rückschlüsse zum Meldeverhalten zu erhalten und die Validität der Auswertung zu verbessern? Antwort: Die Auswertung der von BfArM und PEI im Internet veröffentlichten Daten ist jederzeit möglich. Die KBV hat mitgeteilt, dass sie die öffentlich zugänglichen Datenbanken des BfArM und PEI da- raufhin untersucht, ob dort Meldungen aufgeführt werden, die bei der KBV nicht angezeigt wur- den. Frage Nr. 27: Welche Daten müssen nicht an die zuständige Bundesoberbehörde, sondern nur den GKV— Spitzenverband und/ oder die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeldet werden? Antwort: Die unterschiedlichen Anzeigepflichten sind in 5 67 Absatz 6 AMG geregelt. Seite12von 13 Frage Nr. 28: Wie werden die an den GKV-Spitzenverband und die KBV Daten nach Kenntnis der Bundesre- gierung ausgewertet? a) Inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, dass hier Unterschiede beim Meldeverhalten an die unterschiedlichen Organisationen existieren? b) Wie sollten diese Daten nach der Vorstellung der Bundesregierung ausgewertet werden, um den Zweck der Meldepflicht zu erfüllen? c) Inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, dass es bei den die Meldungen empfangenden In- stitutionen Unterschiede beim Bemühen um Auswertung der gemeldeten Daten gibt? d) Inwiefern hält die Bundesregierung bei der Auswertimg der Meldedaten Interessenskonflikte für ein Problem? Antwort: Zu a) Gegenüber der KBV und dem GKV-Spitzenverband bestehen identische Anzeigeverpflichtungen. Der KBV und dem GKV-Spitzenverband ist nicht bekannt, dass Meldungen einseitig nur an die KBV oder an den GKV-Spitzenverband erfolgt wären. Zu b) Der gesetzliche Auftrag ergibt sich aus 5 67 Absatz 6 AMG und 5 106 SGB V. Zu c) Die die Meldungen empfangenden Institutionen werten die ihnen übermittelten Daten entspre- chend ihren gesetzlichen Aufgaben aus. Zu d) Interessenskonflikte sind für die Bundesregierung nicht erkennbar. Frage Nr. 29: Inwiefern hält es- die Bundesregierung für wünschenswert, dass in Deutschland ähnlich wie in den USA transparent gemacht wird, welche Ärztinnen und Ärzte für die Teilnahme an AWB Geldleistungen beziehen und was tut sie ggf. dafür? Antwort: Die Veröffentlichung der für die Teilnahme an AWB bezogenen Geldleistungen über eine frei zu- gängliche Internetseite stellt einen Eingriff in das Recht auf inforinationelle Selbstbestimmung der beteiligten Ärztinnen und Ärzte dar. Nach 5 4 Absatz 1 BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder die betroffene Person eingewilligt hat. Eine gesetzliche Regelung einer Veröf- fentlichung personenbezogener Daten ohne Einwilligung der betroffenen Ärztinnen und Ärzte ist ein Eingriff in das durch Artikel 2 Absatz 1 i. V. In. Artikel 1 Absatz 1 GG geschützte Recht auf Seit913v0n 13 inforrnationelle Selbstbestimmung der Ärztinnen und Ärzte. Das Informationsbedürfnis der Öf- fentlichkeit kann einen solchen Eingriff rechtfertigen, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßig— keit gewahrt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Einstellen personenbezogener Daten in das Internet eine grenzüberschreitende und im Hinblick auf Folgeverwendungen kaum kontrol- lierbare Übermittlung personenbezogener Daten an eine unbestimmte Zahl von Personen dar- stellt. Dem Ziel der Transparenz kann daher nicht ohne Weiteres Vorrang gegenüber dem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten zuerkannt werden. Frage Nr. 30: Inwiefern hält es die Bundesregierung für‘wünschenswert, dass AWB, die eher Marketing- als Forschungszwecken dienen, von dem in der Beratung befindlichen Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen erfasst werden und inwiefern hält sie dies in der von der Bun— desregierung eingebrachten Entwurfsfassung für gewährleistet? Antwort: Es wird auf die Antwort zu den Fragen 18 und 19 verwiesen. Mit freundlichen Grüßen t7?» 2:5 jßdoä