BMJV Regelungsvorschläge zur Sicherung der gemeinsamen Rechtewahrnehmung von Urhebern und Verlegern in Folge der Urteile EuGH „Reprobel" und BGH „Vogel" Vorbemerkung: Der Deutsche Bundestag hat in seiner 167. Sitzung am 28. April 2016 auf der Grundlage von Bundestagsdrucksache 18/8268 festgestellt: „Das Zusammenwirken von Autoren und Verlegern in gemeinsamen Verwertungsgesellschaften hat sich in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Jahrzehnte bewährt. Sie ist Ausdruck des engen Zusammenwirkens zwischen Autoren und Verlegern bei der Entstehung urheberrechtlich geschützter Werke. Verleger haben einen maßgeblichen Anteil an ihrer Schaffung, denn sie unterstützen die Urheber in vielfältiger Weise – von der Vorfinanzierung des Werks über das Lektorat bis hin zur Vermarktung." Diese Zusammenarbeit in gemeinsamen Verwertungsgesellschaften ist durch die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesgerichtshofs in Frage gestellt: Im Hinblick auf gesetzliche Vergütungsansprüche hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einer Reihe von Entscheidungen (zuletzt: Urteil in der Rechtssache „Reprobel" vom 12. November 2015, C – 572/13) das Unionsrecht in einer Form weiter entwickelt, die es insbesondere der Verwertungsgesellschaft Wort nicht erlaubt, an der bisherigen Praxis der Rechtewahrnehmung und der Verteilung von Einnahmen festzuhalten. Der Bundesgerichtshof (BGH) ist dieser Interpretation des Unionsrechts im Fall „Vogel“ gefolgt (Urteil vom 21. April 2016, I ZR 198/13). Das Urteil des BGH hat zudem Besorgnis ausgelöst, dass hierdurch auch die Praxis der gemeinsamen Rechtewahrnehmung bei Ausschließlichkeitsrechten im Interesse von Musikurhebern und Musikverlegern im Rahmen der GEMA in Frage gestellt sein könnte. -2Bundesminister Heiko Maas und Staatsministerin Monika Grütters haben bereits im Februar 2016 der Europäischen Kommission einen Vorschlag zur Anpassung des Unionsrechts unterbreitet, um die unionsrechtskonforme Fortsetzung der bisherigen deutschen Praxis zu ermöglichen (http://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2016/02222016_Verlegerbetiligu ng_Verguetungsansprueche.html). Die Europäische Kommission könnte diese Initiative im Rahmen des „Zweiten Urheberrechtspaketes" aufgreifen, das in Brüssel für den 21. September 2016 angekündigt ist. Bis zu einer Korrektur des geltenden Unionsrechts (also der Auslegung der Regelungen zum „gerechten Ausgleich" in Art. 5 Abs. 2 lit. a) u. b) der InfoSoc-RL 2001/29/EG durch den EuGH) seitens des europäischen Gesetzgebers kann der deutsche Gesetzgeber zweierlei leisten: • Er kann Regelungen schaffen, die klarstellen, wie nach den engen Maßgaben des derzeitigen Unionsrechts Verleger auch weiterhin an gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt bzw. bei den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften berücksichtigt werden können. Damit könnte insbesondere eine kurz- und mittelfristige Basis für den Fortbestand der Praxis der VG Wort geschaffen werden. • Der deutsche Gesetzgeber kann darüber hinaus die bewährte Praxis der Wahrnehmung von Exklusivrechten im gemeinsamen Interesse von Urhebern und Verlegern in der GEMA absichern. Das Unionsrecht oder die Rechtsprechung des EuGH enthalten hierzu keine Maßgaben. Diesen Zwecken dienen die nachfolgenden Vorschläge. Viele Interessenvertreter von Urheberinnen und Urhebern haben erklärt, dass sie die bestehenden gemeinsamen Verwertungsgesellschaften, die eine enge Zusammenarbeit von Urhebern und Verlegern ermöglichen, auch für die Zukunft bewahren möchten. Andere Urheber haben sich gegen eine Verlegerbeteiligung ausgesprochen. Die hier unterbreiteten Vorschläge stellen auf eine freiwillige Mitwirkung der Urheber ab. Erworbene Rechtspositionen und Ansprüche werden den Urhebern also nicht gegen ihren Willen entzogen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz als federführendes Ressort folgt mit diesem Vorschlag zugleich der Aufforderung des -3Deutschen Bundestages an die Bundesregierung im eingangs erwähnten Beschluss vom 28. April 2016, zeitnah Regelungsvorschläge vorzulegen. -41. Einfügung eines neuen Absatzes 2 in § 27 des Verwertungsgesellschaftengesetzes, VGG (Verteilung unabhängig davon möglich, wer das Recht zur gemeinsamen Verwertung eingebracht hat): § 27 VGG Verteilungsplan (1) Die Verwertungsgesellschaft stellt feste Regeln auf, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung der Einnahmen aus den Rechten ausschließen (Verteilungsplan). (2) Eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte für Urheber und Verleger gemeinsam wahrnimmt, kann im Verteilungsplan regeln, dass die Einnahmen aus der Wahrnehmung von Rechten an verlegten Werken zwischen Urhebern und Verlegern unabhängig davon verteilt werden, wer die Rechte eingebracht hat. § 27 Absatz 2 VGG-E stellt klar, dass die Verteilung von Einnahmen innerhalb von gemeinsamen Verwertungsgesellschaften von Urhebern und Verlegern nicht danach erfolgen muss, wer die jeweiligen Rechte in die Verwertungsgesellschaft eingebracht hat. Er gilt für Exklusivrechte ebenso wie für gesetzliche Vergütungsansprüche, sofern diese wirksam und nicht nur im Alleininteresse des Urhebers in die Verwertungsgesellschaft eingebracht worden sind (vgl. dazu unten, § 63a UrhG-E). Regelmäßig sehen die Wahrnehmungsverträge sowohl der Urheber als auch der Verleger eine Rechteeinräumung vor. Entsprechendes gilt für die Verlagsverträge von Urhebern und Verlegern. Auf welchem Weg ein Recht zur Verwertungsgesellschaft als Treuhänderin gelangt, hängt von den oft zufälligen zeitlichen Abläufen ab, da zivilrechtlich nur die erste Verfügung über ein Recht wirksam ist (Prioritätsgrundsatz). Regelmäßig entspricht es dem Willen sowohl der Urheber als auch der Verleger, dass bei verlegten Werken die Verteilung der Einnahmen innerhalb einer gemeinschaftlichen Verwertungsgesellschaft nicht nach der Priorität erfolgt, also anhand der Frage, ob die Urheberseite oder die Verlegerseite das Recht zur gemeinsamen Wahr- -5nehmung eingebracht hat. Vielmehr besteht die Erwartung, dass die Aufteilung der Einnahmen aus den Rechten nach Maßgabe der Quoten geschieht, die die typische Leistung der Beteiligten bei der Schöpfung und Vermarktung des Werks abbilden und die die Gremien der Verwertungsgesellschaften unter Beachtung des Willkürverbots (siehe § 27 Absatz 1 VGG) beschließen. 2. Einfügung eines neuen § 27a VGG (Zustimmung des Urhebers zur Beteiligung des Verlegers nach Veröffentlichung des Werks): § 27a VGG-E Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen des Urhebers (1) Nach der Veröffentlichung eines verlegten Werks kann der Urheber gegenüber der Verwertungsgesellschaft zustimmen, dass der Verleger an den Einnahmen aus den in § 63a Absatz 1 Satz 1 des Urheberrechtsgesetzes genannten gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt wird. (2) Die Verwertungsgesellschaft legt die Höhe des Verlegeranteils nach Absatz 1 fest. Zu § 27a Absatz 1 VGG-E: Wegen der derzeit geltenden EU-rechtlichen Bestimmungen zum gerechten Ausgleich (Art. 5 Abs. 2 lit. a) u. b) der Infosoc-Richtlinie 2001/29/EG in der Auslegung durch den EuGH) kommt eine Abtretung von gesetzlichen Vergütungsansprüchen des Urhebers an den Verleger nur eingeschränkt in Betracht (vgl. dazu auch § 63a UrhG-E). Diese Bestimmungen dienen dem Schutz des Urhebers und sollen ihm den „gerechten Ausgleich" für Privatkopien und Reprographien seines Werks sichern (vgl. EuGH „Reprobel“ vom 12. November 2015, Rechtssache C – 572/13, Rn. 46). Sie stehen aber nicht jeder Disposition des Urhebers über seinen Vergütungsanspruch oder über den hierauf beruhenden Ausschüttungsanspruch gegen die Verwertungsgesellschaft entgegen, sondern erlau- -6ben Verfügungen zugunsten des Verlegers jedenfalls im Nachhinein (vgl. auch BGH „Vogel“ vom 21. April 2016, I ZR 198/13, Rn. 77 ff.). Der Regelungsvorschlag stellt allerdings nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des jeweiligen gesetzlichen Vergütungsanspruchs ab (so BGH, aaO, Rn. 81), sondern wählt mit der Veröffentlichung des Werks einen einheitlichen und praktisch besser bestimmbaren Zeitpunkt. Gleichzeitig wird der Urheber auch nach Maßgabe des Unionsrechts geschützt, denn er ist jedenfalls ab diesem Zeitpunkt in der Lage, autonom über seine gesetzlichen Vergütungsansprüche bzw. die hierauf beruhenden Auszahlungen der Verwertungsgesellschaft zu entscheiden: Da Urheber und Verleger den Verlagsvertrag in der Regel vor der Veröffentlichung des Werks schließen, besteht typischerweise keine Gefahr mehr, dass der Verleger auf den Urheber bei seiner Entscheidungsfindung über eine Beteiligung Druck ausüben könnte. Zu § 27a Absatz 2 VGG-E: Stimmt der Urheber einer Beteiligung des Verlegers an der Auszahlung durch die Verwertungsgesellschaft nach Maßgabe des Absatzes 1 zu, so richtet sich die Quote der Beteiligung nach den Beschlüssen der Mitgliederversammlung der Verwertungsgesellschaft. Dies gewährleistet, dass die Vertreter der Urheber an der Entscheidung über die Höhe des Verlegeranteils wie nach bisheriger Praxis gleichberechtigt mitwirken. -73. Änderung des § 63a des Urheberrechtsgesetzes, UrhG (Anpassung an die derzeit maßgebliche Rechtsprechung des EuGH und des BGH zu gesetzlichen Vergütungsansprüchen; Klarstellung, dass die Abtretung des Vergütungsanspruchs nach Veröffentlichung des Werks zulässig ist): § 63a UrhG Gesetzliche Vergütungsansprüche (1) Auf gesetzliche Vergütungsansprüche nach diesem Abschnitt und nach § 27 Absatz 2 kann der Urheber im Voraus nicht verzichten. Sie können im Voraus nur im Interesse des Urhebers an eine Verwertungsgesellschaft oder zusammen mit der Einräumung des Verlagsrechts dem Verleger abgetreten werden, wenn dieser sie im Interesse des Urhebers durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lässt, die Rechte von Verlegern und Urhebern gemeinsam wahrnimmt. (2) Nach der Veröffentlichung des Werks können gesetzliche Vergütungsansprüche insbesondere auch an einen Verleger zur Einbringung in eine Verwertungsgesellschaft abgetreten werden, die Rechte von Verlegern und Urhebern gemeinsam wahrnimmt. Zu § 63a Abs. 1 UrhG-E: Nach dem EuGH soll ein Verzicht des Rechtsinhabers auf den gerechten Ausgleich für die Privatkopievergütung nicht in Betracht kommen. Dabei differenziert der Gerichtshof nicht danach, zu welchem Zeitpunkt der Verzicht erfolgt (vgl. EuGH „Luksan“ vom 9. Februar 2012, Rechtssache C-277/10, Rn. 100 ff.). Daher sind die Worte „im Voraus“ in § 63a Absatz 1 Satz 1 UrhG-E zu streichen. Dies entspricht im Übrigen auch dem derzeit geltenden Wortlaut des § 27 Absatz 1 Satz 2 UrhG. Im Übrigen folgt der Entwurf der Auffassung des BGH, wonach eine Vorausabtretung der von § 63a UrhG erfassten Vergütungsansprüche bei unionsrechtskonformer Auslegung der Vorschrift nur im Interesse des Urhebers möglich ist (vgl. BGH aaO, Rn. 79). Auch dies bringt der geänderte Wortlaut -8zum Ausdruck. Nach der vorgeschlagenen Korrektur des Unionsrechts (siehe Vorbemerkung) kann diese Einfügung wieder gestrichen werden. Zu § 63a Absatz 2 UrhG-E Die Regelung stellt klar, dass eine Verfügung über gesetzliche Vergütungsansprüche im Nachhinein auch zugunsten des Verlegers möglich ist. Aus den oben bereits genannten Gründen (siehe die Erläuterungen zu § 27a Absatz 1 VGG-E) stellt er für den maßgeblichen Zeitpunkt im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage nicht auf die Entstehung des Anspruchs, sondern auf die Veröffentlichung des Werks ab. Ab diesem Zeitpunkt vermag der Urheber autonom über den Anspruch zu verfügen.