Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 verbandspolitisch wichtige Information Pflegesatz, Rahmenverträge Stuttgart, 29.03.2017 AZ.: 6930-10, 1035-70 He/Ru An die - Mitglieder (Gruppe 1 und 2) - Vorstandsmitglieder (Gruppe 3) info@bwkg.de Schiedsspruch zum Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI Begründung Sehr geehrte Damen und Herren, mit den BWKG-Mitteilungen für Pflegeeinrichtungen 37/2017 und 39/2017 und dem BWKGRundschreiben für Pflegeeinrichtungen 2/2017 hat die Geschäftsstelle über die Inhalte des Schiedsspruches vom 23.02.2017 zum stationären Rahmenvertrag nach SGB XI informiert. Mit E-Mail vom 28.03.2017 ist den Mitgliedern der Schiedsstelle die Begründung des Schiedsspruchs zugegangen. Legt innerhalb einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Zustellung keiner der Antragssteller oder der Antragsgegner Klage beim Landessozialgericht ein, erlangt der Schiedsspruch Ende April 2017 Rechtskraft. Der Schiedsspruch lautet wie folgt: „1. § 17 Abs. 2 des Landesrahmenvertrages gem. § 75 Abs. 1 SGB Xl Baden-Württemberg über die vollstationäre pflegerische Versorgung in der Fassung des Schiedsspruchs vom 17. Dezember 2015 wird wie folgt geändert: a) Mit Wirkung zum 01.03.2017 erhält § 17 Abs. 2 folgenden Wortlaut: (2) Jede Einrichtung hat das Recht auf eine Vereinbarung eines einrichtungsindividuellen Personalschlüssels im Rahmen der nachfolgenden Bandbreiten für Pflege und Betreuung ohne besondere Begründung: Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft e.V. www.bwkg.de Birkenwaldstraße 151 70191 Stuttgart Postfach 100428 70003 Stuttgart Telefon 0711 25777-0 Telefax 0711 25777-99 info@bwkg.de BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017 Pflegegrad 1: 1 : 6,11 bis 1 : 4,47 Pflegegrad 2: 1 : 4,76 bis 1 : 3,49 Pflegegrad 3: 1 : 3,26 bis 1 : 2,47 Pflegegrad 4: 1 : 2,55 bis 1 : 1,90 Pflegegrad 5: 1 : 2,32 bis 1 : 1,72 Bei entsprechender Begründung der Pflegeeinrichtung sind davon abweichende Vereinbarungen zu treffen. Sofern über 50 % der Gesamtbewohnerschaft nach dem 01.01.2017 auf Grundlage des Neuen Begutachtungsinstruments (NBI) begutachtet sind, kann eine Pflegeeinrichtung ab dem 01.01.2019 mit einem Nachweis über die Zahl der neu begutachteten Bewohner für die Auswirkungen des sogenannten Überleitungseffekts weitere Erhöhungen der obersten Personalschlüssel um 0,6 % pro 10 % neu begutachteter Bewohner (über 50 %) verlangen. b) Mit Wirkung zum 01.01.2020 erhält § 17 Abs. 2 folgenden Wortlaut: (2) Jede Einrichtung hat das Recht auf eine Vereinbarung eines einrichtungsindividuellen Personalschlüssels im Rahmen der nachfolgenden Bandbreiten für Pflege und Betreuung ohne besondere Begründung: Pflegegrad 1: 1 : 6,11 bis 1 : 4,37 Pflegegrad 2: 1 : 4,76 bis 1 : 3,40 Pflegegrad 3: 1 : 3,26 bis 1 : 2,41 Pflegegrad 4: 1 : 2,55 bis 1 : 1,84 Pflegegrad 5: 1 : 2,32 bis 1 : 1,67 Bei entsprechender Begründung der Pflegeeinrichtung sind davon abweichende Vereinbarungen zu treffen. Bei Erkenntnissen über eine wesentliche Abweichung von der Annahme einer durchschnittlichen Auswirkung des sogenannten Überleitungseffekts i.H.v. 6% hat jede Vertragspartei das Recht auf eine entsprechende Anpassung der Personalschlüssel mit Wirkung für die Zukunft. 2. Die Leistungserbringer haben das Recht auf Anpassung der Personalschlüssel und Pflegesätze für laufende Pflegesatzzeiträume an die neuen Vorgaben gem. § 17 Abs. 2 des Landesrahmenvertrages. 3. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.“ Seite 2 BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017 Die wichtigsten Inhalte der Begründung lauten wie folgt: 1. Unabhängig von möglichen Personalschlüsselverbesserungen war aufgrund der durch die Gesetzesänderung im Bereich des SGB XI erfolgten Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade in jedem Fall eine Umstellung der Personalanhaltszahlen von Pflegestufen nach Pflegegraden vorzunehmen. 2. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner war nach Überzeugung der Schiedsstelle bei der neutralen Umstellung der Personalanhaltszahlen von Pflegestufen zu Pflegegraden ein Phänomen zu berücksichtigen, das in der bisherigen Fachdiskussion und von den Verfahrensbeteiligten als „Zwillings-“, „Doppelsprung-“ oder „Rothgang-Effekt“ bezeichnet wird. Die Schiedsstelle hat dieses Phänomen in der bisherigen Spruchpraxis als „Überleitungseffekt“ bezeichnet. An dieser Bezeichnung wird festgehalten. 3. In zwei Untersuchungen (Praktikabilitätsstudie und EVIS-Studie) wurde festgestellt, dass diese Überleitung (vor allem in den Fällen der Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz) zu großzügig im Vergleich zu dem Ergebnis bei einer Neubegutachtung nach dem neuen Begutachtungsinstrument (NBI) gem. § 15 SGB XI ausfällt. Das bedeutet, dass ein Teil der Pflegebedürftigen mit „Doppelsprung“ nur einen „einfachen Sprung“ gemacht hätten, wenn sie neu begutachtet worden wären. Dies führt weiter zu dem Effekt, dass bei einem Bewohnerwechsel in den stationären Pflegeeinrichtungen (die gesetzlich übergeleiteten Bewohner werden durch neu begutachtete Bewohner ersetzt) bei einem identischen tatsächlichen Pflegebedarf der neuen Bewohner insgesamt durchschnittlich niedrigere Personalschlüssel zur Anwendung kämen. Damit bekäme die Pflegeeinrichtung auch weniger Personal über die Pflegesätze refinanziert, obwohl sich am tatsächlichen Pflegeaufwand nichts geändert hat. Ist diese Feststellung aus den Gutachten zutreffend, so würde die von den Antragsgegnern geforderte „neutrale“ Umstellung der Personalschlüssel von Pflegestufen auf Pflegegrade zu einer effektiven Verringerung des Pflegepersonals bei gleichbleibendem Pflegeaufwand führen. 4. Die Schiedsstelle ist auf dieser Grundlage zu der Überzeugung gelangt, dass allein für die neutrale Umstellung der Personalschlüssel ein Ausgleich im Umfang der Auswirkungen dieser Überleitung der Bestandsfälle erfolgen muss. Ein solcher Ausgleich, der zu einer Verbesserung der Personalschlüssel führt, ist aber nicht mit einer Steigerung der Pflegepersonalmenge verbunden. Es handelt sich allein um einen Ausgleich für die aus Vereinfachungsgründen notwendige, aber im Ergebnis zu „großzügige“ gesetzliche Überleitung der vor dem 01.01.2017 im System befindlichen pflegebedürftigen Personen. 5. Würde eine solche Anpassung nicht vorgenommen werden, so hätte dies für die Pflegebedürftigen, die nicht übergeleitet wurden, die Konsequenz, dass ihnen bei einem identischen tatsächlichen Pflegebedarf wie bei den übergeleiteten Bewohnern eine schlechtere Versorgung zur Verfügung stünde. Zur Überzeugung der Schiedsstelle muss daher der Effekt, den diese gesetzliche Überleitung auslöst, in vollem Umfang durch die entsprechende Anpassung der Personalanhaltszahlen ausgeglichen werden. 6. Weiter trifft es nicht zu, dass es sich beim Überleitungseffekt um einen bloß temporären Effekt handelt. Insbesondere kann dieser Effekt nicht mit einem einmaligen, später wieder wegfallenden Zuschlag ausgeglichen werden. Im Gegenteil ist der durch den seit 01.01.2017 begonnenen Wechsel der Bewohnerschaft sukzessiv eintretende Überleitungseffekt dauerhaft. Er senkt im Verhältnis zu den Personalschlüsseln für Pflegestufen dauerhaft die entsprechenden Personalschlüssel bei Seite 3 BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017 Pflegegraden für die Zukunft ab. Nur der Anlass dieses Effekts ist ein einmaliger, nicht der Effekt selbst. Daher ist seine Berücksichtigung in den Regelungen des Landesrahmenvertrags unproblematisch möglich. 7. Im Ergebnis war daher ein Mechanismus zu entwickeln, der einen angemessenen Ausgleich für die zurückgehenden Pflegegrade bei einem Bewohnerwechsel schafft. Die Schiedsstelle hielt es insoweit für angemessen, den insgesamt notwendigen Ausgleich in mehreren Stufen zu ermöglichen. So erschien es der Schiedsstelle sinnvoll, zunächst in einem ersten Schritt einen Ausgleich im Umfang von 3 % vorzusehen. 8. Da insgesamt ein Ausgleich von 6 % zu gewähren war, stellte sich die Frage nach dem Zeitpunkt für den zweiten Teil der Personalschlüsselverbesserung als Ausgleich für den Überleitungseffekt. Die Schiedsstelle hat sich hier für den 01.01.2020 entschieden, obwohl nach den Aussagen des Pflegereports 2016 zu diesem Zeitpunkt die Verluste schon länger nicht mehr mit dem ersten Ausgleich 2017 getragen werden können. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits drei Jahre seit der Überleitung verstrichen; damit befinden sich in der Einrichtung zum größten Teil neu begutachtete Bewohner. Der Zeitpunkt für den zweiten Ausgleichsschritt ist daher in keinem Fall zu früh. 9. Da es aber auch Einrichtungen geben wird, deren Bewohnerschaft schon deutlich früher gewechselt hat, soll es für diese Eirichtungen noch die Möglichkeit zu einem zwischenzeitlichen Ausgleich geben. Da mit dem ersten Schritt zum 01.03.2017 bereits 50 % des durchschnittlichen Effekts ausgeglichen wurde, war der Zwischenschritt davon abhängig zu machen, dass mehr als 50 % der Bewohnerschaft entsprechend ausgewechselt ist. So sollte beispielsweise bei einem nachgewiesenen Wechsel von 60 % eine Personalschlüsselanhebung von 0,6 % oder von 80 % eine Anhebung von 1,8 % möglich sein. Dazu dient die Einfügung von § 17 Abs. 2 S. 3 LRV 2017. 10. Mit den Leistungssteigerungen in der Pflegeversicherung war daher sowohl die Zielsetzung der Entlastung des Pflegebedürftigen als auch die Verbesserung der pflegerischen Versorgung beabsichtigt. Aus diesem Grund erschien es der Schiedsstelle angemessen, eine sehr moderate Anhebung der Personalbandbreiten um 2 % vorzunehmen. Damit verbleibt der weitaus größere Teil der Leistungsverbesserung beim Pflegebedürftigen selbst bzw. bei den subsidiär leistenden Sozialhilfeträgern. 11. Die Änderung des § 17 Abs. 2 LRV zum 01.01.2020 (Ziffer 1b der Entscheidung) hat folgenden Hintergrund: Diese Erhöhung von weiteren 3 % erfolgt aufgrund des sogenannten Überleitungseffektes durch das PSG II. Zum 01.01.2020 entfällt die Regelung über die zwischenzeitliche einrichtungsindividuelle Anhebungsmöglichkeit bei einer Neubewohnerschaft ohne Überleitung von mehr als 50 %. Hier gelten neue obere Bandbreiten der Personalschlüssel, hinter denen eine Erhöhung von 3 % als zweiter Schritt des Ausgleichs für den Überleitungseffekt steht. Die unteren Bandbreiten der Personalschlüssel wurden dagegen unverändert beibehalten. Mit diesem zweiten Schritt ist der durchschnittliche Überleitungseffekt von 6 % dauerhaft ausgeglichen. Mit freundlichem Gruß Matthias Einwag 1 Anlage Seite 4 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 1 SCHIEDSSTELLE AZ. 23/16 nach § 76 SGB XI Baden-Württemberg Schiedsspruch In der Antragssache 1. Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Baden e.V., Karlsruhe 2. Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Württemberg e.V., Stuttgart 3. Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft e.V., Stuttgart 4. Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V., Stuttgart 5. Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e.V., Freiburg 6. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Baden-Württemberg e.V., Stuttgart 7. Deutsches Rotes Kreuz, Landesverband Baden-Württemberg e.V., Stuttgart 8. Deutsches Rotes Kreuz, Landesverband Badisches Rotes Kreuz e.V., Freiburg 9. Diakonisches Werk der Evangelischen Landeskirche in Baden e.V., Karlsruhe 10. Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Württemberg e.V., Stuttgart 11. Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., Stuttgart 12. Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe Landesverband Baden-Württemberg e.V., Kornwestheim - gemeinsame Bevollmächtigte zu 1.-12.: Dornheim Rechtsanwälte und Steuerberater, Hamburg - Antragsteller und 1. AOK Baden-Württemberg, Stuttgart 2. Barmer-GEK, Berlin -2- 3. Techniker Krankenkasse (TK), Hamburg 4. DAK - Gesundheit, Hamburg 5. KKH - Allianz, Hannover 6. HEK – Hanseatische Krankenkasse (hkk), Hamburg - gemeinsamer Bevollmächtigter zu 2.-6. mit Abschlussbefugnis: Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek), vertreten durch den Leiter der Landesvertretung Baden-Württemberg, Stuttgart 7. BKK-Landesverband Süd, Regionaldirektion Baden-Württemberg, Kornwestheim 8. IKK classic, Dresden 9. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Regionaldirektion München, München 10. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) als Landwirtschaftliche Krankenkasse, Stuttgart - gemeinsam handelnd als Landesverbände der Pflegekassen – 11. Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, Stuttgart 12. Arbeitsgemeinschaft der örtlichen Träger der Sozialhilfe in Baden-Württemberg, vertreten durch den Städtetag Baden-Württemberg sowie den Landkreistag Baden-Württemberg, Stuttgart - gemeinsame Bevollmächtigte zu 1.-12.: Gleiss Lutz Rechtsanwälte, Steuerberater, Stuttgart - - Antragsgegner - Beteiligte: 1. Verband privater Klinikträger in Baden-Württemberg e.V., Sindelfingen 2. Verband der privaten Krankenversicherung e.V., Köln 3. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg, Lahr wegen Festsetzung von Änderungen des Abschnitts III des Landesrahmenvertrages gem. § 75 Abs. 1 SGB XI für Baden-Württemberg über die vollstationäre pflegerische Versorgung hat die Schiedsstelle nach § 76 SGB XI in der nach Stuttgart einberufenen Verhandlung am 23.02.2017 in der Besetzung: 2 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 3 Vorsitzender: Herr Prof. Dr. Baumeister Unparteiische Mitglieder: Herr Arnold Herr Deckner Vertreter/-innen der Leistungserbringer: Frau Ackermann Frau Frank-Winter Herr Hessler Herr Kraft Herr Müller Vertreter/-innen der Leistungsträger: Herr Angele Herr Fuhrer Frau Jacob Herr Müller Herr Schmeller folgenden Beschluss getroffen: 1. § 17 Abs. 2 des Landesrahmenvertrages gem. § 75 Abs. 1 SGB Xl Baden-Württemberg über die vollstationäre pflegerische Versorgung in der Fassung des Schiedsspruchs vom 17. Dezember 2015 wird wie folgt geändert: a) Mit Wirkung zum 01.03.2017 erhält § 17 Abs. 2 folgenden Wortlaut: (2) 1Jede Einrichtung hat das Recht auf eine Vereinbarung eines einrichtungsindividuellen Personalschlüssels im Rahmen der nachfolgenden Bandbreiten für Pflege und Betreuung ohne besondere Begründung: Pflegegrad 1: 1 : 6,11 bis 1 : 4,47 Pflegegrad 2: 1 : 4,76 bis 1 : 3,49 Pflegegrad 3: 1 : 3,26 bis 1 : 2,47 Pflegegrad 4: 1 : 2,55 bis 1 : 1,90 Pflegegrad 5: 1 : 2,32 bis 1 : 1,72 2 Bei entsprechender Begründung der Pflegeeinrichtung sind davon abweichende Ver- einbarungen zu treffen. 3Sofern über 50% der Gesamtbewohnerschaft nach dem 01.01.2017 auf Grundlage des Neuen Begutachtungsinstruments (NBI) begutachtet 3 -4- sind, kann eine Pflegeeinrichtung ab dem 01.01.2019 mit einem Nachweis über die Zahl der neu begutachteten Bewohner für die Auswirkungen des sogenannten Überleitungseffekts weitere Erhöhungen der obersten Personalschlüssel um 0,6% pro 10% neu begutachteter Bewohner (über 50%) verlangen. b) Mit Wirkung zum 01.01.2020 erhält § 17 Abs. 2 folgenden Wortlaut: (2) 1Jede Einrichtung hat das Recht auf eine Vereinbarung eines einrichtungsindividuellen Personalschlüssels im Rahmen der nachfolgenden Bandbreiten für Pflege und Betreuung ohne besondere Begründung: Pflegegrad 1: 1 : 6,11 bis 1 : 4,37 Pflegegrad 2: 1 : 4,76 bis 1 : 3,40 Pflegegrad 3: 1 : 3,26 bis 1 : 2,41 Pflegegrad 4: 1 : 2,55 bis 1 : 1,84 Pflegegrad 5: 1 : 2,32 bis 1 : 1,67 2 Bei entsprechender Begründung der Pflegeeinrichtung sind davon abweichende Ver- einbarungen zu treffen. 3Bei Erkenntnissen über eine wesentliche Abweichung von der Annahme einer durchschnittlichen Auswirkung des sogenannten Überleitungseffekts i.H.v. 6% hat jede Vertragspartei das Recht auf eine entsprechende Anpassung der Personalschlüssel mit Wirkung für die Zukunft. 2. Die Leistungserbringer haben das Recht auf Anpassung der Personalschlüssel und Pflegesätze für laufende Pflegesatzzeiträume an die neuen Vorgaben gem. § 17 Abs. 2 des Landesrahmenvertrages. 3. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen. Gründe: I. Sachverhalt Die Antragsteller begehren im Rahmen der Umstellung der Personalschlüsselbestimmung im Landesrahmenvertrag von Pflegestufen auf Pflegegrade neben einer neutralen Umstellung auch eine Personalschlüsselverbesserung sowie zusätzlich einen Sonderpersonalschlüssel 4 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 5 für die Aufgabe der Sterbebegleitung. Die Antragsgegner lehnen jede Schlüsselverbesserung und den beantragten Sonderpersonalschlüssel für Sterbebegleitung ab. 1. Ablauf vor dem Schiedsstellenantrag vom 30.12.2016 Mit Schreiben vom 29.06.2016 haben die Antragsteller die Antragsgegner zu Verhandlungen mit einem konkreten Angebot über Änderungen des Landesrahmenvertrages (LRV) aufgefordert. Das Angebot wurde in der sog. „Großen Runde“ am 22.07.2016 erläutert. Nach einer Reihe von Verhandlungsterminen (zuletzt das Spitzengespräch am 24.10.2016) haben die Antragsteller mit Schreiben vom 18.11.2016 das Scheitern der Verhandlungen erklärt. Mit gleichem Datum ist ein Schiedsstellenantrag bei der Schiedsstelle eingegangen, in dem eine Änderung des § 17 Abs. 2 LRV und eine Einfügung eines § 17 Abs. 2c LRV begehrt wird. Dieser Antrag wurde bei der Geschäftsstelle der Schiedsstelle unter dem Az. 21/16 geführt. Mit Schriftsatz vom 30.12.2016 wurde der Antrag zurückgenommen. 2. Schiedsstellenantrag vom 30.12.2016 Mit Schriftsatz vom 30.12.2016 (zugegangen bei der Geschäftsstelle am 30.12.2016) wurde gleichzeitig ein neuer – inhaltlich identischer – Antrag bei der Schiedsstelle gestellt. Der Antrag hat folgenden Wortlaut: 1. § 17 Abs. 2 des Landesrahmenvertrages gem. § 75 Abs. 1 SGB Xl BadenWürttemberg über die vollstationäre pflegerische Versorgung in der Fassung des Schiedsspruchs vom 17. Dezember 2015 erhält mit Wirkung vom 01. Januar 2017 folgende Fassung: „¹Jede Einrichtung hat das Recht auf eine Vereinbarung eines einrichtungsindividuellen Personalschlüssels im Rahmen der nachfolgenden Bandbreiten für Pflege und Betreuung ohne besondere Begründung: Pflegegrad 1: 1 : 6,11 bis 1 : 4,28 Pflegegrad 2: 1 : 4,76 bis 1 : 3,34 Pflegegrad 3: 1 : 2,98 bis 1 : 2,35 Pflegegrad 4: 1 : 2,14 bis 1 : 1,80 Pflegegrad 5: 1 : 1,90 bis 1 : 1,63 ²Bei entsprechender Begründung der Pflegeeinrichtung sind davon abweichende Vereinbarungen zu treffen.“ 5 -6- 2. In § 17 des Landesrahmenvertrages gem. § 75 Abs. 1 SGB Xl Baden-Württemberg über die vollstationäre pflegerische Versorgung in der Fassung des Schiedsspruchs vom 17. Dezember 2015 wird folgender Abs. 2c eingefügt: „¹Jede Einrichtung hat ab dem 01. Januar 2017 das Recht auf Vereinbarung eines zusätzlichen Stellenkontingents für Sterbebegleitung von bis zu 1,0 Vollzeitkräften für Einrichtungen mit bis zu 100 Plätzen und von bis zu 1,5 Vollzeitkräften für Einrichtungen mit über 100 Plätzen. ²Leistungsansprüche nach §§ 37b, 39a, 39b und 132g SGB°V sowie auf vertragsärztliche palliativmedizinische Leistungen bleiben unberührt.“ Zur Begründung des Antrags zu 1) haben die Antragsteller dargelegt, dass ihr Antrag auf Umstellung auf Pflegegrade mit einer Anhebung der Obergrenze der Personalrichtwerte um 10,7% und der Untergrenze um 13,5% verbunden sei. Für die Angemessenheit dieser Anhebungen wird zum einen auf die mit dem PSG II verbundenen Erwartungen des Gesetzgebers und der Bundesregierung verwiesen. Darüber hinaus werden Berechnungsmodelle einer Vertreterin des AOK-Bundesverbandes vorgelegt, in denen von einer Veränderung der Personalmenge um plus 18,35% bzw. plus 18,16% ausgegangen wird. Zudem wird auf den „Risikoeffekt des ´Doppelsprungs´“ verwiesen, nach dem der Wechsel der Bewohnerschaft vom 31.12.2016 mit Neubewohnern, die über keine Begutachtung nach dem alten Pflegebedürftigkeitsbegriff verfügen, zu einer Absenkung des Pflegepersonalbudgets führen werde. Andere Bundesländer hätten dafür einen Strukturzuschlag nach § 92c S. 5 SGB XI vereinbart. Sodann haben sie dargelegt, wie sie die Umstellung der Personalschlüssel berechnet haben. Ausgehend von einer Mustereinrichtung mit 65 Plätzen und einer bestimmten Verteilung der Bewohnerschaft auf die verschiedenen Pflegestufen ergäben sich unter Zugrundlegung der oberen Personalschlüssel aus dem geltenden § 17 Abs. 2 LRV insgesamt 27,43 Vollzeitkräfte Pflegepersonal. Unter Berücksichtigung der mit dem PSG II verbundenen Steigerung der Sachleistungen um 14,08% käme es zu einer Steigerung der VKStellen für diese Mustereinrichtung um 2,93 VK-Stellen. Die daraus ermittelten 30,36 VKStellen ergäben schließlich die beantragten oberen Personalschlüssel. Der Antrag zu Ziffer 2) (Sonderpersonalschlüssel für Sterbebegleitung) wird vor allem mit der Absicht des Gesetzgebers des Hospiz- und Palliativgesetzes zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung in der Sterbephase eines Menschen begründet. Zudem werden die Aufgaben der Sterbebegleitung umfänglich beschrieben und mit konkreten Angaben zum notwendigen Zeitaufwand hinterlegt. 6 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 7 3. Erwiderung der Antragsgegner vom 19.01.2017 Mit Schriftsatz vom 19.01.2017 haben die Antragsgegner beantragt, den Antrag der Antragsteller abzuweisen. Hilfsweise beantragen sie für den Fall, dass die Schiedsstelle den Schiedsantrag für zulässig halten sollte, unter Abweisung des Antrags im Übrigen die in § 17 Abs. 2 Satz 1 LRV enthaltenen Bandbreiten für Pflege und Betreuung wie folgt zu fassen (Hilfsantrag 1): Pflegegrad 1: 1 : 5,69 bis 1 : 4,50 Pflegegrad 2: 1 : 4,44 bis 1 : 3,51 Pflegegrad 3: 1 : 3,26 bis 1 : 2,58 Pflegegrad 4: 1 : 2,55 bis 1 : 2,02 Pflegegrad 5: 1 : 2,32 bis 1 : 1,84 Höchst hilfsweise beantragen sie für den Fall, dass die Schiedsstelle den Schiedsantrag für zulässig halten und die Personalbandbreiten für Pflege und Betreuung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 LRV höher als von den Antragsgegnern im Hilfsantrag beantragt festsetzen sollte, unter Abweisung des Antrags im Übrigen den ihrem Schriftsatz vom 19.01.2017 als Anlage AG 1 beigefügten § 19c nebst Anlage zu § 19c im LRV festzusetzen (Hilfsantrag 2). Sie halten den Schiedsantrag mangels (Teil-)Kündigung des LRV für nicht zulässig. Weiter betrachten sie die Begründung der Antragsteller für die beantragte Verbesserung der Personalrichtwerte für Pflege und Betreuung als nicht überzeugend. U.a. weisen sie darauf hin, dass auch das zusätzliche Betreuungspersonal iSd. § 87a a.F./§ 43b n.F. SGB XI zu berücksichtigen sei. Angesichts fehlender Veränderungen des Leistungskatalogs seien die mit dem PSG II verbundenen Mehrleistungen zur Entlastung der Bewohner einzusetzen. Zudem könne auch der sog. „Rothgang-Effekt“ keine Verbesserung der Personalrichtwerte rechtfertigen. Es stehe derzeit überhaupt nicht fest, ob und mit welcher Ausprägung die zum 01.01.2017 in die Pflegegrade übergeleiteten Bewohner einen durchschnittlich höheren Pflegegrad aufwiesen, als dies nach Austausch dieser Bewohner durch neue Bewohner, die ab dem 01.01.2017 in stationäre Pflegeeinrichtungen aufgenommen werden, der Fall sein werde. Der Effekt sei allenfalls temporär und habe – sollte er eintreten – Auswirkungen auf das Budget der stationären Einrichtungen in EUR, aber keinen Bezug zu den Personalrichtwerten im LRV, die sich zudem nachträglich kaum mehr korrigieren ließen. Jedenfalls übersteige die von den Antragstellern geltend gemachte Erhöhung der Richtwerte deutlich die Auswirkungen, die ein mögliches Absinken eines Durchschnittspflegegrades im Laufe der Zeit hätte. 7 -8- Hinsichtlich des Antrags betreffend den Sonderpersonalschlüssel für Sterbebegleitung seien die Gesetzesänderungen durch das Hospiz- und Palliativgesetz rein deklaratorisch und erweiterten weder den Versorgungsauftrag der stationären Einrichtungen noch den Umfang der pflegerischen Leistungen für Sterbende. Die Aufgaben seien nicht neu und schon gar keine zusätzlichen Aufgaben. 4. Schriftsätze der Antragsteller vom 27.01.2017 und der Antragsgegner vom 01.02.2017 Die Antragsteller haben zu dem Schriftsatz der Antragsgegner vom 19.01.2017 mit Schreiben vom 27.01.2017 Stellung genommen. Neben den Ausführungen zur Zulässigkeit des eigenen Antrags wenden sie sich gegen die Einwände der Antragsgegner in Bezug auf den eigenen Antrag. Die Antragsgegner haben auf die Erwiderung der Antragsteller mit einer weiteren Erwiderung mit Schriftsatz vom 01.02.2017 reagiert. Darin werden – neben den weiteren Ausführungen zur (nach ihrer Ansicht gegebenen) Unzulässigkeit des Antrags – nochmals Argumente gegen eine Personalverbesserung angeführt. Insbesondere wird unter Berufung auf Aussagen des Beauftragten der Bundesregierung für Pflege, Karl-Josef Laumann, eine Notwendigkeit der Verknüpfung von Personalschlüsselverbesserungen mit tatsächlichen Mehraufwendungen gesehen. In den Gesetzesmaterialien sei lediglich davon die Rede, dass die Richtwerte unter Berücksichtigung bestehender Untersuchungen überprüft werden sollen. Weiter setzt sich die Stellungnahme mit den Aussagen über das Vorgehen in anderen Bundesländern auseinander. Schließlich wird erneut näher zum sog. Rothgang-Effekt Stellung genommen. Dazu wird u.a. darauf hingewiesen, dass auch neue Bewohner, die zuvor ambulante Pflegeleistungen erhalten haben, von der Übergangsregelung des § 140 Abs. 2 S. 3 SGB XI profitierten. Entsprechend würde der durchschnittliche Pflegegrad nicht so stark absinken wie von den Antragstellern angenommen. Hinsichtlich der Höhe des „vermeintlichen Rothgang-Effekts“ verweisen die Antragsgegner darauf, dass Rothgang die Bandbreite des Effekts im BARMER GEK Pflegereport 2016 auf 3% bis 4% reduziert habe. Daraus wird abgeleitet, „dass verlässliche Angaben zur Höhe dieses Effekts nicht möglich sind und diese maßgeblich davon abhängt, welche Datengrundlage man verwendet“. Die Schiedsstelle dürfe daher nicht von vornherein von 6% ausgehen, denn eine Begründung dafür, dass die Daten der EVIS-Studie sachgerechter seien als die der Praktikabilitätsstudie, gebe es nicht. Weiter wird erneut Stellung bezogen gegen den von den Antragstellern beantragten Sonderpersonalschlüssel für Sterbebegleitung. Für den eigenen Hilfsantrag 2 (Einfügung eines § 19c) wird auf die Forderung des Pflege8 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 9 beauftragten der Bundesregierung Laumann nach Transparenz bei der Finanzierung zusätzlichen Personals verwiesen. Die vorhandene Regelung des § 19 LRV wird im Ergebnis nicht als ausreichend angesehen, weil – ohne Nachweis von Qualitätsmängeln – nur bei einer Unterschreitung des vereinbarten Pflegepersonals Konsequenzen gezogen werden dürften. 5. Schriftsätze der Antragsteller und der Antragsgegner (jeweils vom 02.02.2017) Zum Schriftsatz der Antragsgegner vom 01.02.2017 haben die Antragsteller noch einmal mit Schriftsatz vom 02.02.2017 mit Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrags Stellung genommen. Unter demselben Datum haben die Antragsgegner darauf noch einmal reagiert. Zum einen werden weitere Ausführungen zu der nach ihrer Ansicht vorliegenden Unzulässigkeit des Antrags gemacht. Darüber hinaus verweisen die Antragsgegner betreffend der Höhe des Rothgang-Effekts auf weitere Erklärungen von Rothgang in Zusammenhang mit dem BARMER GEK Pflegereport 2016, in denen davon die Rede sei, dass die in vielen Ländern vereinbarten Einnahmesteigerungen von 3% bis 4% erforderlich seien, um den Zwillingseffekt zu kompensieren. 6. Erster Verhandlungstermin am 03.02.2017 Am 03.02.2017 wurde der erste Verhandlungstermin vor der Schiedsstelle durchgeführt. In diesem Termin wurde die Frage der Zulässigkeit des Antrags mit den Verfahrensbeteiligten umfassend erörtert. In einer Sitzungsunterbrechung hat die Schiedsstelle anschließend entschieden, über die Frage der Zulässigkeit vorab zu entscheiden und den Antrag vom 30.12.2016 für zulässig erklärt (vgl. Beschluss der Schiedsstelle im Verfahren 23/16 vom 03.02.2017) und das Ergebnis in der anschließend fortgesetzten Verhandlung mitgeteilt. (Der schriftlich abgefasste Beschluss zur Zulässigkeit ist am 20.02.2017 versendet worden.) Anschließend ist die Verhandlung vertagt und der Termin zur Fortsetzung der Verhandlung auf den 23.02.2017 festgesetzt worden. 7. Weitere Schriftsätze der Beteiligten vom 20. und 21.02.2017 Im Rahmen der Vorbereitung des Fortsetzungstermins haben Antragsteller und Antragsgegner in jeweils einem weiteren Schriftsatz ergänzend Stellung genommen. Die Antragsteller haben vorgetragen, dass in den Gesetzesmaterialien zum PSG II und zum PSG III weitere Hinweise auf die Zielsetzung des Gesetzgebers zur Verbesserung der Pflegepersonalmenge enthalten sind und dazu u.a. auf die Gesetzentwurfsmaterialien zu § 113c und § 141 Abs. 3c SGB XI verwiesen. Mit Schriftsatz vom 21.02.2017 haben die Antragsgegner eine Auswertung zu den Über9 - 10 - gangsregelungen in anderen Bundesländern vorgelegt. Danach seien die Personalrichtwerte für Pflege und Betreuung in Baden-Württemberg auch ohne eine Erhöhung bundesweit führend. Weiter haben sie ergänzende Ausführungen zum zweiten Hilfsantrag (Einfügung des § 19c) gemacht und zudem eine inhaltlich überarbeitete Formulierung für die Regelung des § 19c vorgelegt. II. Begründung Der zulässige Schiedsantrag ist in dem Umfang begründet, wie dies den Festsetzungen unter Ziff. 1 zu entnehmen ist. Über die Zulässigkeit wurde bereits in der Vorabentscheidung der Schiedsstelle vom 03.02.2017 befunden. 1. Änderung des § 17 Abs. 2 LRV mit Wirkung zum 01.03.2017 Die Änderung des § 17 Abs. 2 LRV zum 01.03.2017 (Ziffer 1a der Entscheidung) hat folgenden Hintergrund: Den Personalbandbreiten nach Pflegegraden liegen im obersten Schlüssel Erhöhungen von insgesamt 5% zugrunde. Davon werden 3% für den sog. Überleitungseffekt vorgesehen und 2% für eine Schlüsselverbesserung nach PSG II. a) Neue Personalbandbreiten nach Pflegegraden Ausgehend vom Antrag der Antragsteller auf neue Personalbandbreiten nach Pflegegraden bestand für die Schiedsstelle die Aufgabe einer entsprechenden Festsetzung. Die Notwendigkeit dazu folgt – bei bestehender Zuständigkeit der Schiedsstelle – bereits aus dem Umstand, dass der Landesrahmenvertrag (LRV) gem. § 75 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 SGB XI seit dem 01.01.2017 Personalanhaltszahlen nach Pflegegraden enthalten muss. Insofern war – unabhängig von möglichen Personalschlüsselverbesserungen – in jedem Fall eine Umstellung der Personalanhaltszahlen von Pflegestufen nach Pflegegraden vorzunehmen. Diese Umstellung hat die Schiedsstelle in Übereinstimmung mit der Berechnung vorgenommen, die von den Antragsgegnern im Rahmen des Hilfsantrags 1 angewendet wurde (Schriftsatz vom 19.01.2017, S. 44 ff.). Der Verteilung auf die einzelnen Pflegegrade liegen die Äquivaalenzziffern aus der EVIS-Studie zugrunde (PG 1: 0,78; PG 2: 1,00; PG 3: 1,36; PG 4: 1,74; PG 5: 1,91). b) Personalschlüsselveränderungen wegen des „Überleitungseffekts“ Entgegen der Ansicht der Antragsgegner war nach Überzeugung der Schiedsstelle bei der neutralen Umstellung der Personalanhaltszahlen von Pflegestufen zu Pflegegraden ein Phänomen zu berücksichtigen, das in der bisherigen Fachdiskussion und von den 10 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 11 Verfahrensbeteiligten als „Zwillings-“ „Doppelsprung-“ oder „Rothgang-Effekt“ bezeichnet wird. Die Schiedsstelle hat dieses Phänomen in der bisherigen Spruchpraxis (Verfahren 5/16 und 13/16) – in Anlehnung an die gesetzliche Überschrift des § 140 SGB XI, der den Grund für das Phänomen bildet – als „Überleitungseffekt“ bezeichnet. An dieser Bezeichnung wird festgehalten. Dieser Überleitungseffekt lässt sich wie folgt beschreiben: Im Rahmen der Umstellung der Bemessung des Ausmaßes der Pflegebedürftigkeit von Pflegestufen auf Pflegegrade hat sich der Gesetzgeber entschieden, nicht etwa alle bereits begutachteten pflegebedürftigen Personen neu zu begutachten und so diesen Personen Pflegegrade zuzuordnen, sondern die zugeordneten Pflegestufen durch eine gesetzliche Regelung auf Pflegegrade pauschal überzuleiten. Nach § 140 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB XI werden Versicherte grundsätzlich wie folgt übergeleitet: von Pflegestufe I in den Pflegegrad 2, von Pflegestufe II in den Pflegegrad 3, von Pflegestufe III in den Pflegegrad 4 und von Pflegestufe III mit Härtefall in den Pflegegrad 5. Eine andere Überleitung erfolgt für Personen, bei denen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI a.F. festgestellt wurde. Diese werden nach § 140 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB XI wie folgt übergeleitet: ohne Pflegestufe, aber mit eingeschränkter Alltagskompetenz in den Pflegegrad 2, von Pflegestufe I (mit eA) in den Pflegegrad 3, von Pflegestufe II (mit eA) in den Pflegegrad 4 und von Pflegestufe III (mit eA) – auch bei einem Härtefall – in den Pflegegrad 5. Im Ergebnis machen alle Pflegebedürftigen, die nach dem alten System begutachtet wurden und bei denen eine eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt wurde, einen „doppelten Sprung“ von der Pflegestufe in den Pflegegrad. In zwei Untersuchungen (Praktikabilitätsstudie und EVIS-Studie) wurde festgestellt, dass diese Überleitung (vor allem in den Fällen der Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz) zu großzügig im Vergleich zu dem Ergebnis bei einer Neubegutachtung nach dem neuen Begutachtungsinstrument (NBI) gem. § 15 SGB XI ausfällt. Das bedeutet, dass ein Teil der Pflegebedürftigen mit „Doppelsprung“ nur einen „einfachen Sprung“ gemacht hätten, wenn sie neu begutachtet worden wären. 11 - 12 - Dies führt weiter zu dem Effekt, dass bei einem Bewohnerwechsel in den stationären Pflegeeinrichtungen (die gesetzlich übergeleiteten Bewohner werden durch neu begutachtete Bewohner ersetzt) bei einem identischen tatsächlichen Pflegebedarf der neuen Bewohner insgesamt durchschnittlich niedrigere Personalschlüssel zur Anwendung kämen. Damit bekäme die Pflegeeinrichtung auch weniger Personal über die Pflegesätze refinanziert, obwohl sich am tatsächlichen Pflegeaufwand nichts geändert hat. Ist diese Feststellung aus den Gutachten zutreffend, so würde die von den Antragsgegnern geforderte „neutrale“ Umstellung der Personalschlüssel von Pflegestufen auf Pflegegrade zu einer effektiven Verringerung des Pflegepersonals bei gleichbleibendem Pflegeaufwand führen. Die Schiedsstelle ist auf dieser Grundlage zu der Überzeugung gelangt, dass allein für die neutrale Umstellung der Personalschlüssel ein Ausgleich im Umfang der Auswirkungen dieser Überleitung der Bestandsfälle erfolgen muss. Ein solcher Ausgleich, der zu einer Verbesserung der Personalschlüssel führt, ist aber nicht mit einer Steigerung der Pflegepersonalmenge verbunden. Es handelt sich allein um einen Ausgleich für die aus Vereinfachungsgründen notwendige, aber im Ergebnis zu „großzügige“ gesetzliche Überleitung der vor dem 01.01.2017 im System befindlichen pflegebedürftigen Personen. Würde eine solche Anpassung nicht vorgenommen werden, so hätte dies für die Pflegebedürftigen, die nicht übergeleitet wurden, die Konsequenz, dass ihnen bei einem identischen tatsächlichen Pflegebedarf wie bei den übergeleiteten Bewohnern eine schlechtere Versorgung zur Verfügung stünde. Zur Überzeugung der Schiedsstelle muss daher der Effekt, den diese gesetzliche Überleitung auslöst, in vollem Umfang durch die entsprechende Anpassung der Personalanhaltszahlen ausgeglichen werden. Die Antragsgegner haben gegen die Berücksichtigung des Überleitungseffekts verschiedene Argumente vorgebracht. Zum einen wurde eine Berücksichtigung im LRV für ausgeschlossen gehalten, weil der Eintritt dieses Effekts noch gar nicht feststünde bzw. nicht absehbar sei. Weiter handele es sich, falls der Effekt überhaupt existieren sollte, um eine temporäre Erscheinung, die nicht in einer Dauerregelung wie dem LRV zu regeln sei. Schließlich belegten die vielen zur Auswahl stehenden Angaben (2,5%, 3 bis 4%, 6% und 8%), dass Rothgang offenbar selbst keine belastbaren und validen Angaben zum Effekt machen könne. Diese Einschätzungen haben die Antragsgegner auch in der mündlichen Verhandlung am 23.02.2017 wiederholt. Die Schiedsstelle konnte sich diesen Bedenken nicht anschließen. Angesichts des Vortrags und der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen Rothgang vor dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages kann das Bestehen eines Überlei12 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 13 tungseffekts zur Überzeugung der Schiedsstelle schlicht nicht nachvollziehbar bestritten werden. Auch wenn zuzugeben sein mag, dass die beiden vorliegenden Studien (Praktikabilitätsstudie und EVIS-Studie) zu dieser Frage mit den beiden unterschiedlichen Werten auf den ersten Blick nicht immer sofort verständlich sind, können sie bei näherer Hinsicht ebenso nachvollziehbar erklärt werden, wie die zuletzt im BARMER GEK Pflegereport 2016 genannten Werte von 3-4%. Die Schiedsstelle stützt sich für die Frage des Bestehens des beschriebenen Überleitungseffekts auf die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen Rothgang im Rahmen der Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages vom 30. September 2015 - s. Ausschussdrucksache 18(14)0131(34), S. 7, 11, Download: https://www.bundestag.de/blob/390706/784349b297f2f608fd92b0d9becbee4e/esv-prof--dr-heinz-rothgang-data.pdf -. In dieser Stellungnahme wird – auf der Basis der sog. Erprobungsstudie von Kimmel et al. - Kimmel/Schiebelhut/Kowalski/Brucker/Breuninger, Praktikabilitätsstudie zur Einführung des NBA in der Pflegeversicherung, 2015, Download unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/publikationen/schriftenreihe/GKV_Schriftenreihe_Pflege_Band_12.pdf - die Verteilung der Pflegebedürftigen auf die Pflegegrade nach dem PSG II (bei einer Neubegutachtung mit dem NBA) mit der Verteilung nach den Überleitungsregeln verglichen. Hier ergeben sich folgende Unterschiede: Verteilung nach PSG II (Neubegutachtung) Überleitung gem. § 140 – in % Abs. 2 SGB XI – in % Pflegegrad 1 8 0 Pflegegrad 2 34 42 Pflegegrad 3 33 28 Pflegegrad 4 17 19 Pflegegrad 5 8 11 Quelle: Rothgang, Stellungnahme BT-Ausschuss, S. 7 Weiter heißt es bei Rothgang (Stellungnahme BT-Ausschuss, S. 11, 2. Abs.): „Nun führt die großzügige (sic!) ausgestaltete Überleitungsregel für die Pflegebedürftigen dazu, dass die Pflegegradverteilung höher ist als sie bei Neubegutachtung wäre. Werden „Altbewohner“ im Zeitverlauf durch identische Neubewohner ausgetauscht, die dann aber tendenziell niedriger eingestuft werden, sinken – ceteris paribus – die Erlöse der Heime.“ Dieser Einschätzung schließt sich die Schiedsstelle – auch mangels gegenteiliger wissenschaftlich belegter Aussagen an. 13 - 14 - Weiter trifft es nicht zu, dass es sich beim Überleitungseffekt um einen bloß temporären Effekt handelt. Insbesondere kann dieser Effekt nicht mit einem einmaligen, später wieder wegfallenden Zuschlag ausgeglichen werden. Im Gegenteil ist der durch den seit 01.01.2017 begonnenen Wechsel der Bewohnerschaft sukzessiv eintretende Überleitungseffekt dauerhaft. Er senkt im Verhältnis zu den Personalschlüsseln für Pflegestufen dauerhaft die entsprechenden Personalschlüssel bei Pflegegraden für die Zukunft ab. Nur der Anlass dieses Effekts ist ein einmaliger, nicht der Effekt selbst. Daher ist seine Berücksichtigung in den Regelungen des LRV unproblematisch möglich. Bei der Frage, in welchem Umfang die Erlöse sinken werden durch den schrittweisen Bewohnerwechsel, scheinen die Angaben von Rothgang auf den ersten Blick nicht eindeutig zu sein. So wird der Erlösrückgang auf der Basis der Daten der Praktikabilitätsstudie mit 2,5% und auf der Basis der Daten der EVIS-Studie mit 6% veranschlagt (Stellungnahme Rothgang, BT-Ausschuss, S. 11, 3. Abs.). Die Berechnungen dieser Werte basieren auf einer Untersuchung von Rothgang und Kalwitzki - Vergütung vollstationärer Pflegeeinrichtungen nach Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, 2015, S. 36 ff., abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/Publikationen/Pflege/Beric hte/Endbericht_Verguetung_Vollstationaerer_Pflegeeinrichtungen.pdf -. Die Gründe für die Abweichungen (2,5 % zu 6 %) erklären Rothgang und Kalwitzki mit den unterschiedlichen Grundlagen für die Ermittlung der Abweichungen: Während in der Praktikabilitätsstudie die betroffenen Pflegebedürftigen gleichzeitig parallel mit dem alten und dem neuen Instrumentarium (nach Pflegestufen und nach Pflegegraden) begutachtet wurden, hat die EVIS-Studie die bereits vorhandene Zuordnung einer Pflegestufe mit dem Ergebnis der aktuellen Begutachtung nach dem NBA verglichen. Rothgang und Kalwitzki halten es vor diesem Hintergrund für wahrscheinlich, dass die bereits vorhandene Einstufung (nach Pflegestufen) teilweise nicht (mehr) mit dem Ergebnis einer aktuellen Begutachtung übereinstimmt. Dazu heißt es: „Ausschlaggebend für diesen Mechanismus scheint zu sein, dass Bewohner, deren Pflegeeinstufung bereits längere Zeit zurück liegt, manchmal eine im Verhältnis zum aktuellen Gesundheitszustand ´zu hohe´ Pflegestufe aufweisen. Dies ergibt sich daraus, dass in Pflegeeinrichtungen zwar regelmäßig Neubegutachtungen veranlasst werden, sollte sich der Zustand des Bewohners verschlechtern, dies jedoch eher selten bei einer Zustandsverbesserung erfolgt. In der Folge werden schlechtere Zustände in der Pflegestufe konserviert. Nimmt man eine Korrektur dieses Effektes vor, der länger zurückliegende Pflegeeinstufungen aus den EVIS-Daten ausschließt, sind die Unterschiede zwischen beiden Studien gering.“ 14 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 15 - Rothgang/Kalwitzki, Vergütung vollstationärer Pflegeeinrichtungen nach Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, 2015, S. 14 Fn. 5 - Unabhängig von der Überzeugungskraft dieser Erklärung ergibt sich aus der unterschiedlichen Vorgehensweise bei der Ermittlung der Abweichung, dass es für die im Hinblick auf den Rahmenvertrag relevante Feststellung der zutreffenden Ausgleichswerte für den Überleitungseffekt allein auf die EVIS-Studie ankommen kann, wenn es nicht zu einer Kürzung des Pflegepersonals kommen soll. Werden die pflegebedürftigen Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen, die nach dem alten Pflegebedürftigkeitsbegriff eingestuft sind und nach dem PSG II pauschal übergeleitet wurden, durch neue, nicht übergeleitete Pflegebedürftige ersetzt, so kommt es allein auf die Abweichungen zwischen den übergeleiteten Pflegegraden und der neuen aktuellen Begutachtung nach Pflegegraden an. Diese Differenz hat die EVIS-Studie gemessen, so dass die Schiedsstelle keine Bedenken hat, allein ihre Ergebnisse für den notwendigen Ausgleich zugrunde zu legen. Die dagegen von der Praktikabilitätsstudie gemessenen Abweichungen sind für die hier aufgeworfene Frage nach den Einbußen bei identischer Belegung nicht relevant. Die Praktikabilitätsstudie misst nicht die Ergebniseinbußen für die Pflegeeinrichtungen, sondern das Ausmaß der potentiellen Übereinstimmung bei „richtiger“ Überleitung (aktuelle Begutachtung nach Pflegestufen und Anwendung der gesetzlichen Überleitungsregeln) und der Neubegutachtung nach Pflegegraden. Da diese „richtige“ Überleitung aber in der Praxis nicht stattfindet, sondern die Überleitung nach der tatsächlich vorhandenen Pflegestufenzuordnung vorgenommen wird, kann nur die EVIS-Studie für die Ausgleichsbemessung herangezogen werden. Zu fragen war daher nur noch, ob Rothgang inzwischen von seinen Ergebnissen aus der EVIS-Studie abgerückt ist, weil zwischenzeitlich im BARMER GEK Pflegereport 2016 (hrsg. v. BARMER GEK, bearbeitet von Heinz Rothgang, Thomas Kalwitzki, Rolf Müller, Rebecca Runte, Rainer Unger, Schriften zur Gesundheitsanalyse, Band 42, Nov. 2016) Prozentsätze von 3-4 genannt werden. Richtigerweise geht es im Pflegereport (S. 41 ff.) aber nicht um die durchschnittlichen Gesamtauswirkungen. Vielmehr werden für den Untersuchungszeitraum von 24 Monaten die finanziellen Auswirkungen für die Einrichtungen bei 3-4% veranschlagt. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Frage, in welchem zeitlichen Umfang die begrenzten Zuschläge den Einnahmeverlust kompensieren können. Zu der Frage der Gesamtauswirkungen (im Umfang von durchschnittlich 6%) wird gar nicht Stellung genommen. Dies belegt auch die „CURACON-Studie“ - Rothgang u.a., Die Altenhilfe im Wandel, CURACON-Studie 2016, PSG II – Wesentliche Auswirkungen auf die stationäre Altenhilfe, 2016, S. 6 ff. – auf die im Text des Pflegereports Bezug genommen wird. 15 - 16 - Aus diesem Grund hat die Schiedsstelle im Ergebnis keinen begründeten Zweifel, dass die durchschnittlichen Auswirkungen mit 6% zu veranschlagen sind. Auch kam für die Schiedsstelle nicht in Frage, den Ausgleich niedriger anzusetzen. Wenn die einzige wissenschaftliche Studie, die zu der hier relevanten Frage eine Aussage macht und die Grundlage für das gesamte Gesetzespaket (aus PSG II und PSG III) bildet, den Wert von 6% als durchschnittliche Auswirkung benennt, dann ist ein – im Ergebnis völlig kostenneutraler – Ausgleich in dieser Höhe vorzusehen. Anderenfalls wäre die pflegerische Versorgung der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen durch das PSG II im Durchschnitt verschlechtert und nicht etwa verbessert worden. Im Ergebnis war daher ein Mechanismus zu entwickeln, der einen angemessenen Ausgleich für die zurückgehenden Pflegegrade bei einem Bewohnerwechsel schafft. Die Schiedsstelle hielt es insoweit für angemessen, den insgesamt notwendigen Ausgleich in mehreren Stufen zu ermöglichen. So erschien es der Schiedsstelle sinnvoll, zunächst in einem ersten Schritt einen Ausgleich im Umfang von 3% vorzusehen. Damit können die rückläufigen Pflegegrade von Anfang an so aufgefangen werden, dass es nicht zu Personalkürzungen kommen muss. Nach den jüngsten Ausführungen im Pflegereport 2016 ermöglicht dies eine Kompensation für einen Zeitraum von durchschnittlich bis zu 24 Monaten. Hier erschien es nicht sinnvoll, erst den Eintritt des Effekts abzuwarten, um dann mit dem Personalausgleich nachzuziehen. Im schlimmsten Fall könnte das bereits im Jahr 2017 zu Personalkürzungen zwingen, die von Anfang vermieden werden sollen. Da insgesamt ein Ausgleich von 6% zu gewähren war, stellte sich die Frage nach dem Zeitpunkt für den zweiten Teil der Personalschlüsselverbesserung als Ausgleich für den Überleitungseffekt. Die Schiedsstelle hat sich hier für den 01.01.2020 entschieden, obwohl nach den Aussagen des Pflegereports 2016 zu diesem Zeitpunkt die Verluste schön länger nicht mehr mit dem ersten Ausgleich 2017 getragen werden können. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits drei Jahre seit der Überleitung verstrichen; damit befinden sich in der Einrichtung zum größten Teil neu begutachtete Bewohner. Der Zeitpunkt für den zweiten Ausgleichsschritt ist daher in keinem Fall zu früh. Da es aber auch Einrichtungen geben wird, deren Bewohnerschaft schon deutlich früher gewechselt hat, soll es für diese Eirichtungen noch die Möglichkeit zu einem zwischenzeitlichen Ausgleich geben. Da mit dem ersten Schritt zum 01.03.2017 bereits 50% des durchschnittlichen Effekts ausgeglichen wurde, war der Zwischenschritt davon abhängig zu machen, dass mehr als 50% der Bewohnerschaft entsprechend ausgewechselt ist. So sollte beispielsweise bei einem nachgewiesenen Wechsel von 60% eine Personalschlüsselanhebung von 0,6% oder von 80% eine Anhebung von 1,8% möglich sein. Dazu dient die Einfügung von § 17 Abs. 2 S. 3 LRV 2017. 16 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 17 c) Anhebung der jeweiligen oberen Bandbreiten der Personalschlüssel In den ab 01.03.2017 geltenden oberen Personalschlüsseln ist neben der neutralen Umstellung und dem Ausgleich für den Überleitungseffekt im Umfang von 3% zusätzlich eine zweiprozentige Anhebung enthalten. Nach Überzeugung der Schiedsstelle ist es eine Zielsetzung des Gesetzes, die pflegerische Versorgung der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen zu verbessern. Ausschlaggebend für diese Einschätzung war nicht die (politische) Einschätzung und Äußerung des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigten für Pflege, Karl-Josef Laumann. Vielmehr sprechen dafür verschiedene Anhaltpunkte aus den Gesetzesmaterialien. Während in einem Begründungsabschnitt zu den Regelungsschwerpunkten des PSG II unter dem Stichpunkt „Personalbemessung in stationären Einrichtungen“ (BT-Drs. 18/5926, S. 64 f.) keine eindeutigen Ausführungen zur Zielsetzung des PSG II im Hinblick auf eine Leistungsverbesserung zu finden sind, gilt dies für andere Teile der Gesetzentwurfsbegründung nicht. So findet sich etwa in den Ausführungen zur Neuregelung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs (BT-DRS. 18/5926, S. 108 – 4. Abs.) die folgenden Bemerkung: „Viele Pflegebedürftige, insbesondere solche mit vorrangig kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen, erzielen dadurch auch höhere Leistungsansprüche. Damit stehen vielen Pflegebedürftigen mehr Leistungen zur Verfügung. Dies ermöglicht eine weitere Verbesserung der pflegerischen Versorgung und entlastet Pflegebedürftige und ihre Familien.“ Weiter belegen Textstellen aus der Begründung zu § 113c (BT-Drs. 18/5926, S. 103 f.) die Erwartung einer Verbesserung der Personalstruktur in stationären Einrichtungen. Dieselbe Grundausrichtung wird auch erkennbar in den Materialien zu § 141 Abs. 3c (BT-Drs. 18/10510, S. 125). Mit den Leistungssteigerungen in der Pflegeversicherung war daher sowohl die Zielsetzung der Entlastung des Pflegebedürftigen als auch die Verbesserung der pflegerischen Versorgung beabsichtigt. Aus diesem Grund erschien es der Schiedsstelle angemessen, eine sehr moderate Anhebung der Personalbandbreiten um 2% vorzunehmen. Damit verbleibt der weitaus größere Teil der Leistungsverbesserung beim Pflegebedürftigen selbst bzw. bei den subsidiär leistenden Sozialhilfeträgern. 2. Änderung des § 17 Abs. 2 LRV mit Wirkung zum 01.01.2020 Die Änderung des § 17 Abs. 2 LRV zum 01.01.2020 (Ziffer 1b der Entscheidung) hat folgenden Hintergrund: Diese Erhöhung von weiteren 3% erfolgt aufgrund des soge17 - 18 - nannten Überleitungseffektes durch das PSG II. Zum 01.01.2020 entfällt die Regelung über die zwischenzeitliche einrichtungsindividuelle Anhebungsmöglichkeit bei einer Neubewohnerschaft ohne Überleitung von mehr als 50%. Hier gelten neue obere Bandbreiten der Personalschlüssel, hinter denen eine Erhöhung von 3% als zweiter Schritt des Ausgleichs für den Überleitungseffekt steht. Die unteren Bandbreiten der Personalschlüssel wurden dagegen unverändert beibehalten. Mit diesem zweiten Schritt ist der durchschnittliche Überleitungseffekt von 6% dauerhaft ausgeglichen. Der Schiedsstelle ist bewusst, dass es sich beim Umfang des Überleitungseffekts, wie er vom Sachverständigen Rothgang auf der Basis der EVIS-Studie ermittelt worden ist, um einen statistischen Mittelwert über alle Einrichtungen hinweg handelt. Entsprechend können einzelne Einrichtungen hinsichtlich ihrer Personalausstattung stärker oder auch schwächer von einem Wechsel der Bewohnerschaft betroffen sein, als dies der hier zu Grunde gelegte Effekt von 6% anzeigt. Es stellte sich daher die Frage, ob in den LRV eine Klausel aufzunehmen war, die diesen einrichtungsindividuellen Unterschieden Rechnung trägt. Im Ergebnis hat sich die Schiedsstelle gegen eine solche Lösung ausgesprochen, weil damit das Konzept einheitlicher, für alle Einrichtungen geltenden Personalbandbreiten nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft unterlaufen worden wäre. Die Personalbandbreiten ermöglichen es den Einrichtungen regelmäßig (auch in Verbindung mit den Sonderpersonalschlüsseln), auf die eigene Situation angemessen zu reagieren. Umgekehrt ermöglicht die Schlüsselanpassung im Umfang des durchschnittlichen Überleitungseffekts von 6% den unterdurchschnittlich betroffenen Einrichtungen eine leichte Verbesserung der Personalausstattung gegenüber der Situation zum 31.12.2016. Diese Auswirkung, die vor allem bei einer unterdurchschnittlichen Zahl an Bewohnern mit festgestellter eingeschränkter Alltagskompetenz zum 31.12.2016 auftreten kann, hielt die Schiedsstelle im Hinblick auf den Vorteil einheitlicher Personalbandbreiten für hinnehmbar. 3. Ablehnung des Sonderpersonalschlüssels für Sterbebegleitung Abzulehnen war nach Auffassung der Schiedsstelle der Antrag der Antragsteller auf einen zusätzlichen Sonderpersonalschlüssel für die durch das Hospiz- und Palliativgesetz ausdrücklich eingeführte Aufgabe der Sterbebegleitung als Pflegeleistung. So war fraglich, ob es sich dabei nicht nur um eine Klarstellung zum Inhalt von Pflegeleistungen handelt, mit der gegenüber der bisherigen Situation keine grundlegende Veränderung verbunden ist. Dagegen könnte allerdings eine Steigerung der Fallzahlen von Sterbefällen und Sterbebegleitungen in den Pflegeeinrichtungen sprechen. Unabhängig davon sieht die Schieds18 Anlage zum BWKG-Rundschreiben für Pflegeeinrichtungen 3/2017 vom 29.03.2017, Seite 19 stelle einen Zusammenhang zwischen den Leistungsbeschreibungen und den Personalbemessungen im LRV. Nur soweit eine Anpassung und Veränderung der Leistungsbeschreibungen im LRV erfolgt, kann auch ein Anspruch auf eine konkret darauf bezogene Veränderung der Personalausstattung in Form eines Sonderpersonalschlüssels bestehen. 4. Ablehnung des zweiten Hilfsantrags der Antragsgegner Die Schiedsstelle kann weder einen Anspruch der Antragsgegner auf Festsetzung des beantragten neuen § 19c erkennen, noch hält sie die Regelung für einen angemessenen und praktikablen Ausgleich im Hinblick auf die o.g. zuerkannte zweiprozentige Anhebung der Personalbandbreiten. a) Mit § 19 LRV existiert im bestehenden LRV eine Regelung zum Personalabgleich, die bereits eine ständige Überprüfung der vereinbarten Personalschlüssel Anwendung findet. Diese Regelung ist im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens 25/15 durch Schiedsspruch vom 17.12.2015 in den Rahmenvertrag eingefügt bzw. konkretisiert worden. Sie enthält detaillierte Kontrollrechte für den Leistungsträger. Nach Überzeugung der Schiedsstelle besteht kein Anlass, dieses Instrumentarium durch eine Zusatzregelung zu ergänzen, die zudem nur für einen bestimmten Sonderfall gelten soll. Bei dieser Entscheidung hat auch eine Rolle gespielt, dass nach unwidersprochener Aussage der Leistungserbringerseite bislang kein Fall bekannt geworden ist, in dem eine Vertragspartei von ihren Rechten nach § 19 LRV Gebrauch gemacht hat. Da bisher auch nicht geltend gemacht wurde, dass die Regelung praktisch unanwendbar sei, ist aus ihrer bisherigen Nichtanwendung abzuleiten, dass sich das Personalnachweisverfahren nach § 19 LRV bislang auch noch nicht als unzureichend erwiesen haben kann. Sollte demgegenüber die Praxis in Zukunft zeigen, dass ein Personalnachweis über § 19 nicht ausreichend möglich sein sollte, wären die Vertragsparteien aufgefordert, über eine Änderung des Nachweisverfahrens zu verhandeln. b) Unabhängig von den unter a) dargelegten und für die Schiedsstelle allein schon ausreichenden Gründen für eine Ablehnung des Hilfsantrags 2 wirft die konkret mit § 19c vorgeschlagene Regelung weitere Bedenken hervor, die für die Schiedsstelle zusätzlich gegen eine Aufnahme in den LRV sprechen. Nach den Darlegungen der Antragsgegner (Schriftsatz vom 21.02.2017, S. 5) sei „von den vollstationären Pflegeeinrichtungen zu fordern, dass zusätzliches Personal als Folge der Inanspruchnahme verbesserter Personalschlüssel tatsächlich ab dem betreffenden Pflegesatzzeitraum eingestellt und zur Versorgung der Versicherten real zur Verfügung steht“. Diese verbesserten Personalschlüssel werden durchgehend in 19 - 20 - Zusammenhang mit den (möglichen) Personalschlüsselveränderungen durch den bevorstehenden Schiedsspruch in Bezug auf PSG II gesehen. Die damit verbundene und offenbar beabsichtigte Beschränkung des Anwendungsbereichs findet sich im Text des beantragten § 19c Abs. 1 jedoch nicht. Danach wäre vielmehr jede Inanspruchnahme einer Personalschlüsselverbesserung gegenüber der vorausgehenden („vorherigen“) Personalschlüssel-vereinbarung erfasst. Dies wiederum führte zu einer umfangreichen Doppelstruktur von Personalnachweiserfordernissen, die in dieser Form der Schiedsstelle nicht mit § 19 abgestimmt scheint. Dass § 19c schlicht eine gegenüber § 19 speziellere Vorschrift sein soll, also die Norm im Hinblick auf Personalverbesserungen verdrängen soll, ist nicht nachvollziehbar. Richtigerweise dürfte der vorgeschlagene § 19c zum weiterhin für das gesamte Personal geltenden § 19 hinzutreten und zusätzliche, teilweise auch nicht zu vereinbarende Anforderungen aufstellen. Ist der beantragte § 19c daher noch nicht hinreichend mit der Regelung des § 19 abgestimmt, ist er nach Überzeugung der Schiedsstelle auch aus diesem Grund – unabhängig von den unter a) genannten Gründen – nicht festsetzbar. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Schiedsspruch kann innerhalb eines Monats nach der Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift Klage beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstraße 5 (Am Neckartor), 70190 Stuttgart erhoben werden. Prof. Dr. Peter Baumeister Vorsitzender der Schiedsstelle 20