LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Schlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III zu dem Auftrag des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 4. November 2014, Drucksache 16/7148 – Neudruck – , betreffend die Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. die Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weitere, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000; Datum des Originals: 27.03.2017/Ausgegeben: 31.03.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Berichterstatter: Drucksache 16/14400 Abgeordneter Sven Wolf (SPD) Beschlussempfehlung: Der Schlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III wird zur Kenntnis genommen. 2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Geleitwort zum Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III (NSU) Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michele Kiesewetter. Wir gedenken in tiefer Trauer der Menschen, die durch den NSU ermordet wurden. Unsere Gedanken sind bei den durch die Anschläge in der Probsteigasse und in der Keupstraße körperlich und seelisch Verletzten und den Angehörigen aller Opfer in der unbedingten Hoffnung, dass sie einen Weg finden, mit den schrecklichen Taten und ihren Folgen leben zu können. Unsere Verbundenheit gilt den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Nicole Hartmann , Thomas Goretzky, Ivonne Hachtkemper, Matthias Larisch von Woitowitz und ihren Angehörigen. Den durch die Anschläge am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn Verletzten gilt unser ganzes Mitgefühl. 3 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis.........................................................................................................29 Erster Teil: Untersuchungsgrundlage ...................................................................................36 I. Einleitung ...............................................................................................................36 II. Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III und seine personelle Zusammensetzung ..........................................................................................37 1. Einsetzungsbeschluss ........................................................................................37 2. Personelle Zusammensetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses .........................................................................................58 a. Drucksache 16/7182 ...........................................................................................58 b. Drucksache 16/8474 - Nachwahl Vorsitzender ...................................................59 c. Drucksache 16/10852 - Nachwahl stellvertretendes Mitglied ..............................60 Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ......................................................................61 A. Rechtsradikale Strukturen, Aktivitäten und Netzwerke in NRW .....................................61 I. Entwicklung der rechtsradikalen Szene in NRW seit 1991......................................61 1. Rechtsradikale Gewalt ........................................................................................61 a. Stellenwert von Gewalt im Rechtsradikalismus ...................................................61 b. Entwicklung rechtsradikaler Gewalt 1991-2000 ..................................................63 c. „Generation Rostock“ und rechtsradikaler Gewalt im gesellschaftlichen Kontext ...............................................................................................................65 d. Entwicklung rechtsradikaler Gewalt seit 2000 .....................................................67 2. Rechtsterrorismus...............................................................................................68 a. Referenzpersonen des Rechtsterrorismus ..........................................................69 b. Konzepte und Strategien des Rechtsterrorismus ................................................69 aa. „Werwolf“ und Kleinkrieg ..................................................................................70 (1) Entstehung und zentrale Aussagen ..........................................................70 (2) Bezugnahmen auf die Kleinkriegsanleitung „Der totale Widerstand“ ........70 (3) Bezugnahmen auf das Werwolf-Konzept .................................................70 bb. „Eine Bewegung in Waffen“ ..............................................................................71 (1) Entstehung und zentrale Aussagen des Konzepts ...................................71 (2) Hinweise auf Produzenten von „Eine Bewegung in Waffen“ .....................73 (3) Hinweise auf die Verbreitung „Eine Bewegung in Waffen“ ........................73 cc. „leaderless resistance“ ......................................................................................75 (1) Entstehung und zentrale Aussagen des Konzeptes .................................75 (2) Hinweise auf die Verbreitung des Konzeptes des „leaderless resistance“ 75 dd. Roman „The Turner Diaries“ .............................................................................76 4 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (1) Entstehung und zentrale Aussagen des Romans .....................................76 (2) Hinweise auf die Verbreitung der „Turner Diaries“ ....................................76 (3) Bezugnahmen auf die „Turner Diaries“ .....................................................77 (4) Einschätzung der „The Turner Diaries“ bei den Sicherheitsbehörden .......79 (5) Kritische Würdigung .................................................................................80 ee. Roman „The Hunter“ ........................................................................................80 (1) Entstehung und zentrale Aussagen des Romans .....................................80 (2) Hinweise auf die Verbreitung von „The Hunter“ ........................................80 ff. „The Order“ ........................................................................................................81 (1) Entstehung ...............................................................................................81 (2) Bezugnahmen auf „The Order“.................................................................81 gg. Rechtsterroristische Konzepte von „Blood & Honour“ .......................................81 (1) „The way forward“ und „Blood Honour Field Manuel“ ...............................82 (2) „The National Socialist Political Soldiers Handbook” ................................84 hh. Kritische Würdigung .........................................................................................84 3. a. Unaufgeklärte Bombenanschläge in den 1990er Jahren in Köln .........................84 Bombenanschläge 1992 / 1993 in Köln...............................................................85 aa. Bombenanschlag in Köln-Ehrenfeld am 22. Dezember 1992 ............................86 (1) Sachverhalt und Ermittlungsmaßnahmen .................................................86 (2) Einstellung des Ermittlungsverfahrens .....................................................89 (3) Umgang mit den Opfern ...........................................................................89 (4) Kritische Würdigung .................................................................................90 bb. Bombenanschlag in Köln-Bilderstöckchen am 12. Februar 1993 ......................90 cc. Bombenanschlag in Köln-Weidenpesch am 13. März 1993 ..............................91 (1) Tatmotivation ...........................................................................................92 (2) Spur Bombenbestandteile ........................................................................93 (3) Spur Inschrift in der Tasche .....................................................................94 (4) Spur Kunststofftasche ..............................................................................95 dd. Ermittlungen in Hinblick auf ein mögliches rechtsmotiviertes Delikt ..................96 (1) Feststellungen ..........................................................................................96 (2) Kritische Würdigung .................................................................................96 ee. Hinweis auf Ankauf von TNT durch Neonazis im November 1992 ....................97 (1) Feststellungen ..........................................................................................97 (2) Kritische Würdigung .................................................................................98 ff. Ermittlungen im Hinblick auf einen Zusammenhang zwischen den drei Taten ....98 (1) Feststellungen ..........................................................................................98 5 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode (2) Drucksache 16/14400 Kritische Würdigung .................................................................................99 gg. Bezüge zum Anschlag in der Probsteigasse.....................................................99 (1) Feststellungen ..........................................................................................99 (2) Kritische Würdigung ...............................................................................101 hh. Erkenntnisse nach der NSU-Selbstenttarnung 2011.......................................102 (1) Bombenanschlag am 23. Juni 1999 in Nürnberg ....................................102 (2) Überprüfung durch den Verfassungsschutz NRW ..................................102 (3) Überprüfung durch die BAO Trio des BKA .............................................103 (4) Kritische Würdigung ...............................................................................103 ii. Erkenntnisse nach der NSU-Selbstenttarnung 2011 .........................................104 4. a. Entwicklung einzelner Organisationen ..............................................................104 Nationalistische Front (NF) ...............................................................................104 aa. Gründung .......................................................................................................104 bb. Struktur ..........................................................................................................105 (1) Kaderprinzip ...........................................................................................105 (2) Vorfeldorganisationen ............................................................................106 (3) Organisationsgliederung ........................................................................107 cc. Aktivitäten .......................................................................................................107 (1) Beteiligung an Wahlen ...........................................................................107 (2) Revisionistische Kampagne ...................................................................108 (3) Militanz ...................................................................................................109 dd. Aufspaltung der NF in zwei Flügel ..................................................................110 ee. Nationale Einsatz-Kommandos (NEK) ............................................................110 (1) Gründung und Zielsetzung .....................................................................110 (2) Verbindungen zu Bernd Schmitt und der Kampfsportschule HAK-PAO in Solingen ......................................................................................................111 b. Kameradschaft Köln .........................................................................................113 aa. Gründung ..................................................................................................113 bb. Struktur der Kameradschaft ............................................................................115 (1) Satzung ..................................................................................................116 (2) Kasse .....................................................................................................117 (3) Mitgliedschaft .........................................................................................117 (4) Hierarchische Struktur / „Dienstliche Anweisungen“ ...............................117 (5) Vorfeldorganisation und Personalunion mit dem KDS ............................118 cc. Führungspersonen der „Kameradschaft Köln“ ................................................119 (1) 6 Axel Reitz ...............................................................................................119 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (2) Johann Helfer.........................................................................................119 (3) P. B. .......................................................................................................122 dd. Aktivitäten der „Kameradschaft Köln“ .............................................................122 (1) Demonstrationen ....................................................................................122 (2) Kameradschaftsabende und Veranstaltungen ........................................123 ee. Militanz ...........................................................................................................124 ff. Überregionale Vernetzung................................................................................125 gg. Reaktionen auf die Anschläge in der Probsteigasse und Keupstraße und Bezüge zum Tatort ...............................................................................................126 (1) Bezüge zur Probsteigasse .....................................................................126 (2) Bezüge zur Keupstraße..........................................................................127 (3) Unterspur 244/2 .....................................................................................128 (4) Spur 104 ................................................................................................128 hh. Kritische Würdigung .......................................................................................129 c. Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) .........................................................129 aa. Struktur und Personal .....................................................................................130 d. (1) NRW ......................................................................................................131 (2) Bundesweit ............................................................................................132 bb. Aktivitäten ..................................................................................................133 cc. Militanz ......................................................................................................134 dd. Auflösung ..................................................................................................135 Oidoxie Streetfighting Crew ..............................................................................135 aa. Gründung .......................................................................................................136 bb. Die Rolle der Band „Oidoxie“ ..........................................................................138 cc. Struktur ...........................................................................................................140 (1) Mitgliedschaft .........................................................................................140 (2) Die Kasseler Fraktion der „Oidoxie Streetfighting Crew“ und der ................. „Sturm 18“ ..............................................................................................141 (3) Treffen ...................................................................................................144 dd. Führungspersonen .........................................................................................144 (1) Marko Gottschalk ...................................................................................145 (2) S. R. .......................................................................................................146 (3) Ma. K. ....................................................................................................147 ee. Aktivitäten.......................................................................................................148 (1) Ordnerdienst ..........................................................................................148 (2) Durchführung von Konzerten..................................................................148 (3) Gewaltsame Angriffe auf politische Gegner............................................151 7 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode (4) Drucksache 16/14400 Kontakte zu Rockern ..............................................................................152 ff. Bands im Umfeld der „Oidoxie Streetfighting Crew“ ..........................................153 gg. Verhältnis zur „Kameradschaft Dortmund“ ......................................................154 hh. Kritische Würdigung .......................................................................................156 e. Blood & Honour ................................................................................................156 aa. Gründung von „Blood & Honour“ ....................................................................156 bb. Die deutsche Division von Blood & Honour ....................................................157 cc. Aktivitäten .......................................................................................................158 dd. Blood & Honour-Strukturen in NRW ...............................................................159 (1) „Sektion Westfalen“ von „Blood & Honour“ .............................................159 (2) Kontakte der „Sektion Westfalen“ nach Thüringen .................................160 ee. Verbot von „Bood & Honour“ und Nachfolgeaktivitäten ...................................161 (1) Verbot der „Blood & Honour Division Deutschland“ ................................161 (2) Aktivitäten der „Sektion Westfalen“ nach dem Verbot .............................162 (3) Nachfolgebestrebungen .........................................................................163 (4) „Division 28“ ...........................................................................................163 (5) Bezüge der „Division 28“ nach NRW ......................................................166 ff. „Blood & Honour“ in Dortmund .........................................................................168 f. „Combat 18”......................................................................................................168 aa. „Combat 18” in England..................................................................................168 (1) Gründung von „Combat 18“ ....................................................................168 (2) Übernahme von „Blood & Honour“ .........................................................169 (3) Interne Spaltung von „Combat 18“ .........................................................170 (4) Terroristische Bestrebungen ..................................................................171 bb. „Combat 18“ in Deutschland ...........................................................................173 (1) Erste Kontakte deutscher Neonazis zu „Combat 18“ ..............................173 (2) Treffen in Minden 1999 ..........................................................................175 (3) Weitere deutsche Gruppierungen mit „Combat 18“-Bezug .....................175 cc. Deutsche „Combat 18“-Bands.........................................................................175 (1) „Combat 18”-Bands aus Nordrhein-Westfalen ........................................176 (2) Einbindung der Dortmunder Bands in das internationale Netzwerk von „Blood & Honour / Combat 18“ ...............................................................178 dd. Deutsche „Combat 18“-Fanzines ....................................................................181 8 (1) Das Fanzine „Combat 2000“ ..................................................................181 (2) Das „Totenkopf Magazin“ .......................................................................183 (3) Hinweise auf Produzenten des „Totenkopf Magazin“ .............................183 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (4) Das Fanzine „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ ..............................184 (5) Verbreitung des „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ in NRW ............186 (6) Hinweise auf Produzenten des „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ ..186 (7) Bewertung der Fanzines „Stormer“ und „Totenkopf Magazin“ durch ........... den Verfassungsschutz ..........................................................................187 ee. Straftaten und Ermittlungsverfahren mit C18-Bezug (2002-2005)...................188 (1) Straftaten mit „Combat 18“-Bezug in NRW .............................................188 (2) „Combat 18 Pinneberg“ ..........................................................................189 (3) Reaktionen auf die Polizeiaktion gegen „Combat 18 Pinneberg“ ............190 (4) Reaktionen auf die Friedhofsschändung in Neustadt / Schleswig-Holstein .....................................................................191 (5) Kritische Würdigung ...............................................................................192 ff. Die Anfänge von „Combat 18“ in Dortmund ......................................................192 gg. Marko Gottschalk als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland ............194 hh. Hinweise auf Bestrebungen zur Bildung einer „Combat 18“-Zelle in Dortmund .............................................................................................................195 (1) Aussagen des Zeugen Sebastian Seemann...........................................195 (2) Hinweise auf Sprengstoff im Umfeld von „Combat 18“ in Dortmund .......200 (3) Aussagen des Robin Schmiemann.........................................................206 (4) Aussagen des Marko Gottschalk zur Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund ............................................................................207 (5) Aussagen von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes NRW zur Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund ...........................................................207 ii. „Racial Volunteer Force” ...................................................................................212 (1) Gründung ...............................................................................................212 (2) Führungspersonen .................................................................................212 (3) Hinweise auf Terroristische Bestrebungen der RVF ...............................213 (4) Kontakte der RFV nach NRW .................................................................214 II. Verbindungen der rechtsradikalen Szene in NRW mit den rechtsradikalen Szenen anderer Bundesländer .......................................................................................215 1. a. Thüringen .........................................................................................................217 In der Garage des Trios in Jena sichergestellte Fanzines .................................217 aa. Fanzine „Amok“ ..............................................................................................217 bb. Fanzine „Freies Wort Südwestfalen“...............................................................218 cc. Fanzine „Freie Stimme“ ..................................................................................218 b. „Aktionskomitee Rudolf-Heß“ ............................................................................219 aa. Aktionskomitee Rudolf Heß 1996 ...................................................................219 bb. Vorbereitungstreffen in Artfeld / Bad Berleburg ..............................................221 9 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 cc. Mitglieder des Aktionskomitees Rudolf Heß 1996 ...........................................221 (1) Mitglied K. D. ..........................................................................................221 (2) Mitglieder T. K. und A. Z.........................................................................222 (3) Mitglied Tino Brandt ...............................................................................222 (4) Mitglied Siegfried Borchardt ...................................................................222 (5) Mitglied T. D. ..........................................................................................223 (6) Mitglied F. Sch. ......................................................................................223 dd. Rudolf-Heß-Gedenken 1997...........................................................................224 (1) Mitglieder des „Aktionskomitees Rudolf Heß“ 1997 ................................224 (2) Aktionstag 1997 .....................................................................................225 ee. c. Kritische Würdigung...................................................................................225 Konzerte von „Oidoxie“ und „Extressiv“ in Thüringen ........................................225 aa. Konzerte 1996 und 1997 ................................................................................226 (1) Feststellungen ........................................................................................226 (2) Kritische Würdigung ...............................................................................226 bb. „Thüringentag der Nationalen Jugend“ 2008 ..................................................226 d. Kontakte zur Rechtsrock-Band „Blutorden“ .......................................................227 e. Thomas Gerlach ...............................................................................................229 aa. Werdegang.....................................................................................................229 bb. Kontakte zu Personen aus NRW ....................................................................231 cc. Verbindungen zum NSU und dessen Umfeld ..................................................232 f. 2. M. Kr. ................................................................................................................233 Sachsen ...........................................................................................................235 a. Konzerte von „Oidoxie“ in Sachsen ...................................................................235 b. Kontakt von „Oidoxie“ zu Ralf Marschner und Zwickauer Neonazis ..................236 c. Kontakt von „Oidoxie“ zu Thomas Starke ..........................................................237 aa. Feststellungen ................................................................................................237 bb. Kritische Würdigung .......................................................................................239 d. Kontakte von „Oidoxie“ zur Band „Blitzkrieg“ aus Chemnitz ..............................239 aa. Feststellungen ................................................................................................239 bb. Kritische Würdigung .......................................................................................240 III. Ergriffene Maßnahmen der Behörden in Bezug auf die rechtsradikale Szene in NRW ...........................................................................................................................241 1. 10 Erlassene Vereinsverbote, Verbotsversuche und Verhältnis zu Verboten .........241 a. Verbot von „Blood & Honour“ im Jahr 2000.......................................................241 b. Verbotsmöglichkeiten von Kameradschaften ....................................................241 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aa. Angestrebtes Verbot der „Kameradschaft Köln“ 1998 / 1999 ..........................241 bb. Verbotsbestrebungen ab 2000 .......................................................................247 cc. Verbote von Kameradschaften in NRW ab 2012 .............................................251 c. Angestrebtes Verbot des „Kampfbunds Deutscher Sozialisten“ ........................253 2. Strafverfahren gegen „Weisse Wölfe“ und „Oidoxie“ 2002 bis 2007 ..................253 3. Projektgruppe „Skinmusik“ ................................................................................257 a. Entstehung und Auftrag ....................................................................................257 b. Vorgehensweise ...............................................................................................258 c. Erkenntnisse und Einschätzungen zu „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ ................259 d. Erkenntnisse und Einschätzungen zu „Combat 18“...........................................259 e. Erkenntnisse zur Organisation von rechtsradikalen Konzerten .........................262 f. Ordnungsbehördliche Maßnahmen gegen rechtsradikale Konzerte ..................263 g. Projektergebnisse .............................................................................................263 4. Maßnahmen und Einschätzungen des Verfassungsschutzes zu „Combat 18“ ..263 a. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2000 ............................263 b. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2003 ............................264 c. Tagung der Verfassungsschutzbehörden am 9. Oktober 2003 .........................265 d. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21 ............................................................266 e. „Combat 18“ in den Verfassungsschutzberichten des Landes NRW .................268 5. Maßnahmen des Verfassungsschutzes NRW im Zusammenhang mit einer Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund ..........................................................268 a. G10-Maßnahmen..............................................................................................269 b. Observationsmaßnahmen.................................................................................269 c. Einsatz von „Risikoquellen“ ...............................................................................270 d. Zurückfahren der Beobachtung.........................................................................270 e. Weitergabe von Informationen an die Strafverfolgungsbehörden ......................271 6. Die Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund und der Mord an Mehmet Kubaşık ...............................................................................................272 a. Aussagen des Zeugen Sebastian Seemann .....................................................272 b. Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Mord in Kassel ................................272 c. Fehleinschätzung..............................................................................................273 7. Einschätzungen von BKA und LKÄ zu „Combat 18“ ..........................................274 8. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch den Verfassungsschutz NRW .................................................................................................................275 a. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2000 ............................276 b. Quellenbefragung zu gesteigerter Gewaltbereitschaft im Jahr 2000 .................278 c. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2002 ............................279 11 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode B. Drucksache 16/14400 d. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW nach der Verhaftung von Neonazis in München im 2003 ..........................................................................281 e. Einschätzung der Mordtaten des Thomas Adolf in Overath (2003) ...................286 f. Einschätzung der Entwicklung bis 2003 ............................................................288 g. Einschätzungen des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2004 ........................289 h. Einschätzungen des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2006 ........................290 Dem NSU zugerechnete Taten in Nordrhein-Westfalen ..............................................291 I. Probsteigasse ......................................................................................................291 1. Tatgeschehen ...................................................................................................291 2. Ermittlungen der StA und der Polizei ................................................................291 a. Verlauf der Ermittlungen ...................................................................................291 b. Die Asservatenvernichtung ...............................................................................294 c. Einbindung des Polizeilichen Staatsschutzes ...................................................296 d. Einbindung des Verfassungsschutzes ..............................................................297 e. Einbindung weiterer Behörden ..........................................................................299 f. Hinweise auf rechtsmotiviertes Delikt................................................................299 g. Kritische Würdigung ..........................................................................................301 3. a. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 .......................................................302 Hinweise auf Täterschaft des NSU-Trios ..........................................................302 aa. Die Bekennervideos .......................................................................................303 (1) Die erste Vorläuferversion ......................................................................304 (2) Die zweite Vorläuferversion ....................................................................304 (3) Auswertung der Bekennervideos ............................................................305 (4) Weitere, noch offene Fragen ..................................................................305 bb. Die Wohnmobilanmietung ..............................................................................306 cc. In der Wohnung des Trios aufgefundene Zeitungsartikel ................................307 dd. Aussagen von Djavad und Mahshid M. ..........................................................308 (1) Aussagen des Djavad M. .......................................................................308 (2) Aussagen der Mahshid M. ......................................................................309 (a) Die Beschreibung des Täters .................................................................309 (b) Aussagen zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ...................................310 ee. Der Ableger der Sprengfalle habe Hochdeutsch gesprochen .........................311 ff. Der Ableger der Sprengfalle hatte längere Haare .............................................312 gg. Tatortauswahl .................................................................................................313 hh. Weitere Zeugen ..............................................................................................313 ii. Kritische Würdigung..........................................................................................313 12 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode b. Drucksache 16/14400 Hinweise auf weitere Täter oder Unterstützer ...................................................315 aa. Die Spur Johann Helfer ..................................................................................315 (1) Die Entstehung der Spur ........................................................................315 (2) Recherchen des Verfassungsschutzes NRW und Informationsweiterleitung an den GBA ............................................................................316 (3) Ermittlungen des BKA ............................................................................318 (a) Erhebung polizeilicher Erkenntnisse zu Johann Helfer ...........................318 (b) Lichtbildvorlagen ....................................................................................319 (c) Ergebnis der Ermittlungen des BKA .......................................................323 (4) Veröffentlichung eines Bildes des Johann Helfer....................................323 (5) Angaben des Johann Helfer ...................................................................325 (6) Kritische Würdigung ...............................................................................326 bb. Achim Armin Fiedler .......................................................................................327 cc. Kritische Würdigung ........................................................................................329 4. II. Umgang mit Opfern ..........................................................................................329 Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln ................................................329 1. Tatgeschehen ...................................................................................................329 2. Ermittlungen der StA und der Polizei ................................................................330 a. Ermittlungsmaßnahmen ....................................................................................331 aa. Hinweise durch Zeugen ..................................................................................332 (1) Zeuge H. Y. ............................................................................................332 (2) Zeugin G.B. ............................................................................................333 (3) Zeuge B. C. ............................................................................................335 (4) Zeugin B. K. ...........................................................................................336 (5) Zeugin Jelica Dzinic ...............................................................................340 (6) Angaben des Zeugen Ali Demir..............................................................341 bb. Spuren ...........................................................................................................343 (1) Hinweise aus der Bevölkerung ...............................................................343 (2) Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW ...................................344 cc. Operative Fallanalysen ...................................................................................347 (1) Die Operative Fallanalyse des LKA NRW...............................................347 (2) Die Operative Fallanalyse des BKA........................................................349 dd. Rasterfahndung ..............................................................................................350 ee. Homepageüberwachung ................................................................................352 ff. Öffentlichkeitsfahndung ....................................................................................352 (1) Fahndungsplakate..................................................................................352 13 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (2) Ausstellung des „Tatfahrrades“ ..............................................................353 (3) Veröffentlichung des VIVA-Videos .........................................................353 (4) Aktenzeichen XY-ungelöst .....................................................................353 gg. Einsatz Verdeckter Ermittler ...........................................................................353 hh. Einsatz von Vertrauenspersonen....................................................................356 ii. Vertraulichkeitszusagen an Informanten ...........................................................356 jj. Observationsmaßnahmen.................................................................................357 kk. Finanzermittlungen .........................................................................................358 b. Hinweise auf rechtsmotiviertes Delikt................................................................359 aa. Spur 30 ..........................................................................................................359 bb. Hinweis Scotland Yard ...................................................................................359 cc. Flugblatt in der Straßenbahn ..........................................................................361 dd. Spur 104 ........................................................................................................362 (1) Feststellungen ........................................................................................362 (2) Kritische Würdigung ...............................................................................362 ee. Spur 283 ........................................................................................................362 (1) Feststellungen ........................................................................................362 (2) Kritische Würdigung ...............................................................................363 ff. Unterspur 244/2 ...............................................................................................363 c. Einbindung anderer Behörden ..........................................................................363 aa. Stadt Köln.......................................................................................................363 bb. Polizeilicher Staatsschutz ...............................................................................364 cc. Bundeskriminalamt .........................................................................................367 dd. Verfassungsschutz NRW ................................................................................369 (1) Zusammenarbeit mit der Polizei Köln .....................................................370 (2) Hinweis des Bundesamtes für Verfassungsschutz .................................374 ee. Bundesamt für Verfassungsschutz .................................................................377 d. Spur Kahl ..........................................................................................................378 aa. Im Ermittlungsverfahren der BAO Sprengstoff ................................................378 bb. Im Ermittlungsverfahren des GBA gegen Zschäpe u. a. .................................379 cc. Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss............................................380 dd. Kritische Würdigung .......................................................................................381 e. 3. Medien- und Pressearbeit der Behörden ..........................................................384 4. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 .......................................................388 a. 14 Kritische Würdigung ..........................................................................................382 Hinweise auf Täterschaft des „NSU-Trios“ ........................................................389 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aa. Bekennervideo ...............................................................................................389 bb. Zeitungsartikel ................................................................................................389 cc. Mitschnitte aus Fernsehsendungen ................................................................389 dd. Aufnahmen der Überwachungskameras bei VIVA ..........................................390 ee. Ausspähnotizen ..............................................................................................391 ff. Fahrzeuganmietung .........................................................................................392 gg. Flugblatt .........................................................................................................392 hh. Erneute Vernehmung des B. C. ......................................................................392 ii. Erneute Vernehmung G. B................................................................................393 jj. Sprengstoffexplosionen in Suhl / Thüringen ......................................................393 kk. Handflächenabdruck am Tatfahrrad ................................................................394 b. 5. a. Hinweise auf weitere Täter oder Unterstützer ...................................................394 Umgang mit den Opfern....................................................................................396 Erste Maßnahmen nach Bekanntwerden der Tat ..............................................396 aa. Feststellungen ................................................................................................396 bb. Kritische Würdigung .......................................................................................397 b. Umgang mit den Opfern im Zusammenhang mit den ersten Ermittlungen ........397 aa. Abdulla Özkan ................................................................................................398 bb. Sandro D`Alauro.............................................................................................398 cc. Muhammet Ayazgün .......................................................................................400 c. Umgang mit den Opfern im Zusammenhang mit den weiteren Ermittlungen .....401 aa. Geschädigte G. Y. ..........................................................................................402 bb. Geschädigter Ö. Y. .........................................................................................403 cc. Geschädigter H. Y. .........................................................................................404 dd. Geschädigte A. Y. ..........................................................................................408 d. Folgen der Ermittlungen für die Opfer ...............................................................409 e. Kritische Würdigung ..........................................................................................411 6. Grundsätzliche Anmerkungen zur Leitung der Ermittlungen durch die StA Köln und Einstellung des Verfahrens.................................................................412 Mord an Mehmet Kubaşık - Tatkomplex Dortmund ..............................................416 III. 1. Tatgeschehen ...................................................................................................416 2. Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei ..............................................417 a. Ermittlungsmaßnahmen ....................................................................................417 aa. Polizeilicher Kräfteeinsatz ..............................................................................417 (1) Bildung einer Mordkommission ..............................................................417 (2) Errichtung einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO)........................418 15 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 bb. Polizeiliche Ermittlungen zum Tatgeschehen .................................................419 (1) Tatort .....................................................................................................419 (2) Spuren ...................................................................................................420 (a) Daktyloskopische Spuren.......................................................................421 (b) Serologische Spuren .............................................................................421 (c) Mikrospuren ...........................................................................................421 (d) Spuren an Projektilen und Hülse............................................................421 (aa) Abwischen der Hülse vor der Untersuchung .......................................422 (bb) Untersuchung der Munition.................................................................423 (e) Schussspuren ........................................................................................424 (3) Tatzeit ....................................................................................................424 cc. Rechtsmedizinische Untersuchungen .............................................................424 (1) Obduktionsergebnis ...............................................................................424 (2) Weitergehende Untersuchungen ............................................................425 (3) Blutspurenmusteranalyse .......................................................................425 dd. Rekonstruktion des Tatablaufs .......................................................................425 ee. Ermittlungen zur Person und zum Lebensumfeld des Opfers .........................426 (1) Zur Person .............................................................................................426 (2) Arbeitsverhältnisse .................................................................................427 (3) Tatmotivsuche im Lebensumfeld des Opfers..........................................428 (a) Finanzermittlungen ................................................................................428 (aa) Betrieb des Kiosk ...............................................................................428 (bb) Private finanzielle Situation ..............................................................429 (b) Drogenermittlungen ...............................................................................430 (c) Verdeckte Maßnahmen ............................................................................432 (d) Erhebung von Verbindungsdaten .............................................................432 ff. Ermittlungen in der Türkei ................................................................................432 gg. Weitere Ermittlungen ......................................................................................433 gg. Hinweis auf rechtsmotiviertes Delikt ...............................................................433 (1) In den Ermittlungsakten niedergelegte Angaben der Zeugin Dzinic ........433 (2) Erwähnung der Spur „Dzinic“ in anderen Ausschussdokumenten ..........437 (3) Aussage der Zeugin Dzinic vor dem Ausschuss .....................................439 (4) Unterlassene Vorlage von Videoaufnahmen vom Hauptbahnhof ............440 hh. kritische Würdigung ........................................................................................440 16 (1) Allgemeines ...........................................................................................440 (2) Abwischen der Patronenhülse ................................................................441 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode (3) b. Drucksache 16/14400 Bearbeitung der Spur „Dzinic“ ................................................................441 Einbindung anderer Behörden ..........................................................................443 aa. BAO Bosporus ...............................................................................................443 (1) Diskussion um Übernahme der Gesamtermittlungen durch das BKA .....443 (a) Übernahme nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BKAG .......................444 (b) Übernahme nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BKAG .......................448 (c). Kritische Würdigung ................................................................................450 (2) Einrichtung einer Steuerungsgruppe ......................................................452 (a) Vereinbarungen am Rande der Innenministerkonferenz ........................452 (b) Struktur und Aufgaben der Steuerungsgruppe .......................................453 (3) Operative Fallanalysen...........................................................................454 (a) 1. Operative Fallanalyse der OFA Bayern ..............................................454 (b) 2. Operative Fallanalyse der OFA Bayern ..............................................455 (aa) Inhalt ..................................................................................................455 (bb) Bewertung der 2. Operativen Fallanalye durch die Mitglieder der Steuerungsgruppe .....................................................................................457 (cc) Ermittlungskonzept „Einzeltäter“ .........................................................457 (dd) Umsetzung des Ermittlungskonzepts durch die BAO Kiosk ................458 (c) 3. Operative Fallanalyse der OFA Baden-Württemberg .........................459 (d) Kurzanalyse des FBI..............................................................................460 (4) Rückblickende Bewertung der Einrichtung einer Steuerungsgruppe ......460 (a) Durch den Vorsitzenden der Steuerungsgruppe ....................................460 (b) Durch den Leiter der BAO Kiosk ............................................................461 (c) Kritische Würdigung ...............................................................................462 bb. Polizeilicher Staatsschutz ...............................................................................462 (1) Einbindung durch die BAO Kiosk ...........................................................462 (2) Eigenständige Mitwirkung des Polizeilichen Staatsschutzes an den Ermittlungen ...........................................................................................464 (3) Kritische Würdigung ...............................................................................465 cc. c. Verfassungsschutz ....................................................................................466 (1) Aus Sicht der BAO Bosporus .................................................................466 (2) Aus Sicht der BAO Kiosk........................................................................468 (3) Aus Sicht des Verfassungsschutzes NRW .............................................471 (4) Kritische Würdigung ...............................................................................473 Sonstige Ermittlungsansätze in Richtung eines rechtsmotivierten Deliktes .......474 aa. Rechtsextremistische Szene in Dortmund ......................................................475 17 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 bb. Regelmäßiger Aufenthalt von Personen aus der rechtsextremistischen Szene in der Umgebung des Tatortes ..................................................................476 (1) Gaststätten.............................................................................................476 (2) Wohnort des Siegfried Borchardt ...........................................................477 (3) Bezug zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln ...............478 (4) Verdachtsäußerungen ............................................................................480 (a) Zeugin Elif Kubaşık ................................................................................480 (b) Zeuge Dr. Heiko Artkämper ...................................................................480 (5) 3. Kritische Würdigung ...............................................................................481 Medien- und Pressearbeit der Behörden ..........................................................481 a. In der Anfangsphase nach dem Mord ...............................................................481 b. Nach Errichtung der Steuerungsgruppe ............................................................481 aa. Erhöhung der Auslobungssumme ..................................................................482 bb. Homepageüberwachung ................................................................................483 cc. Medienstrategie ..............................................................................................484 (1) Ziele und Umsetzung .............................................................................484 (2) Fehlende Erwähnung des möglichen rechtsextremistischen ...................... Hintergrundes ........................................................................................485 dd. 4. Polizeiinterne Öffentlichkeitsarbeit .............................................................487 (1) Präventionsflyer .....................................................................................487 (2) Informationsveranstaltungen in den Ländern..........................................488 Ende der Besonderen Aufbauorganisationen und Entscheidung der .................... StA Dortmund ...................................................................................................488 a. BAO Kiosk ........................................................................................................488 b. BAO Bosporus ..................................................................................................489 c. Entscheidung der StA Dortmund.......................................................................489 5. a. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 .......................................................489 Hinweise auf Täterschaft des NSU-Trios ..........................................................490 aa. Ausspähung eines geeigneten Tatortes .........................................................490 (1) Kartenmaterial ........................................................................................490 (2) Wohnmobilanmietung ............................................................................491 (3) Postkarte ................................................................................................491 bb. Hinweis der Vertrauensperson Heidi auf Anwesenheit des NSU-Trios in Dortmund am 1. April 2006...................................................................................492 18 (1) Zurückliegende Zusammenarbeit der VP Heidi mit dem PP Dortmund ...492 (2) Kontakte der VP Heidi zu Thomas Stadler .............................................492 (3) Kontakte des Zeugen M. zur Polizei ab November 2011 ........................493 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode (4) Drucksache 16/14400 Unterschiedliche Angaben des Zeugen M. zu seinen Kontakten zu ........... Stadler in seinen Vernehmungen und Schreiben....................................495 (a) Zu dem Waffenangebot bereits im Herbst 2005 .......................................495 (b) Zu den Geschehnissen am 1. April 2006 .................................................496 (5) Angaben des Zeugen J. .........................................................................499 (6) Erkenntnisse zum Zeugen Toni Stadler ..................................................500 (a) Haftdaten .................................................................................................500 (b) Funkzellenauswertung .............................................................................501 (c) Erkenntnisse zu Kontaktgruppen und Kontaktpersonen des Stadler ........501 (d) verdeckte Ermittlungmaßnahmen ............................................................506 (e) Angaben des Toni Stadler im Zusammenhang mit dem Hinweis der „VP Heidi“......................................................................................................507 (f) 6. a. Kritische Würdigung ...............................................................................508 Umgang mit den Opfern....................................................................................509 Nach dem Tatgeschehen ..................................................................................509 aa. Ermittlungsarbeit ............................................................................................509 bb. Opferbetreuung ..............................................................................................513 C. b. Nach Aufdeckung des NSU ..............................................................................515 c. Kritische Würdigung ..........................................................................................516 Weitere mutmaßliche rechtsmotivierte Taten in Nordrhein-Westfalen .........................518 I. Polizistenmorde des Michael Berger ....................................................................518 1. Das Tatgeschehen............................................................................................518 2. Ermittlungen der StA und der Polizei ................................................................519 a. Ermittlungsmaßnahmen der Polizei ..................................................................519 aa. Ermittlungen an den Tatorten .........................................................................520 bb. Betreuung von Opfern, Angehörigen und Hinterbliebenen..............................521 cc. Ermittlungen zum Täter Michael Berger und dessen Umfeld...........................521 (1) Straftaten und Verurteilungen.................................................................522 (2) Freundinnen ...........................................................................................522 (3) Bundeswehrzeit......................................................................................524 (4) Krankheiten ............................................................................................525 (5) Letzte Arbeitsstelle .................................................................................529 (6) Bergers Verhalten vor der Tat ................................................................529 dd. Ermittlungen zu den Waffen und Schießübungen ...........................................530 (1) Rechtsextreme Gesinnung und Parteimitgliedschaften ..........................533 (2) Weitere Einbindung in die rechtsextreme Szene ....................................536 19 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (a) Borker Terror-Szene / Lippe-Front / Kameradschaftsbund Nordlippefront Bork ................................................................................536 (b) „Nationaler Widerstand Ruhrgebiet“ .......................................................537 (c) Sebastian Seemann ...............................................................................537 ee. Kontakte zu weiteren Personen der rechtsextremen Szene: ..........................537 ff. Michael Berger ein V-Mann? ............................................................................538 gg. Motivation für die Tat ......................................................................................539 b. Einbindung des Polizeilichen Staatsschutzes ...................................................540 aa. Hinweise auf ein rechtsmotiviertes Delikt........................................................540 bb. Reaktionen der rechtextremen Szene auf die Taten .......................................541 c. 3. Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft ...............................................543 Einbindung anderer Behörden ..........................................................................545 a. Einbindung des Verfassungsschutzes NRW .....................................................545 b. Einbindung des Bundesamtes für Verfassungsschutz ......................................548 4. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 .......................................................548 a. Ermittlungsmaßnahmen ....................................................................................548 b. Hinweise auf Täterschaft des NSU-Trios / Kontakte nach Thüringen ................549 5. Kritische Würdigung ..........................................................................................549 II. Sprengstoffanschlag am Wehrhahn .....................................................................550 1. Tatgeschehen ...................................................................................................550 2. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei ........................................551 a. Ermittlungsmaßnahmen ....................................................................................551 b. Einbindung anderer Behörden ..........................................................................558 aa. Einbindung des Verfassungsschutzes ............................................................558 bb. Einbindung des Polizeilichen Staatsschutz .....................................................560 c. Hinweise auf ein rechtsmotiviertes Delikt ..........................................................560 3. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 .......................................................562 4. Ermittlungen ab Juli 2014 .................................................................................564 a. Ermittlungsmaßnahmen ....................................................................................564 b. Hinweise auf Täterschaft des NSU-Trios oder sonstige Mittäter .......................566 5. Umgang mit den Opfer......................................................................................567 a. Nach dem Tatgeschehen und während der Ermittlungen..................................567 b. Nach der Selbstenttarnung des NSU ................................................................567 c. Während der Ermittlungen ab Juli 2014 ............................................................568 Thomas Richter alias VP „Corelli“ in NRW ..................................................................569 D. I. 20 Aufenthalte in NRW und Kontakte des Thomas Richter in die rechtsradikale Szene in NRW ........................................................................................................569 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode II. Drucksache 16/14400 Verbindungen des Thomas Richter zum NSU-Trio und Unterstützern und Unterstützerinnen....................................................................................................572 1. Kontakte zu Mundlos ........................................................................................572 2. Kontakte zu „Unterstützern“ des NSU-Trio ........................................................574 a. Kreis der sog. NSU-Unterstützer und -Unterstützerinnen ..................................574 aa. Thomas Gerlach .............................................................................................574 bb. Thorsten Heise ...............................................................................................575 cc. Tino Brandt, André Kapke, Jan Werner ..........................................................575 b. Sonstige rechtsextremistische Personen ..........................................................575 c. Die NSU / NSDAP-CD ......................................................................................576 d. Fanzine „Der Weiße Wolf“ ................................................................................577 Tod des „Corelli“ in NRW .....................................................................................578 III. E. 1. Enttarnung von „Corelli“ und Umzug nach NRW ...............................................578 2. Auffindungssituation des Thomas Richter und erste Ermittlungsmaßnahmen der Polizei .........................................................................................................581 3. Ermittlungsmaßnahmen der StA .......................................................................584 a. Erste Maßnahmen ............................................................................................584 b. Ermittlungsmaßnahmen mit richterlichem Beschluss ........................................585 c. Durchsuchungen...............................................................................................587 d. Gemeinsame Dienstbesprechung mit dem BfV .................................................587 e. Presseberichterstattung und Folgemaßnahmen ...............................................591 f. Offenlegung der Identität ..................................................................................592 4. Ermittlungsmaßnahmen des Generalbundesanwalts ........................................593 5. Ein „Fund im Bundesamt für Verfassungsschutz“ .............................................595 6. Weitere Ermittlungen der StA Paderborn zur Feststellung der Todesursache ...595 a. Medizinische Zusatzuntersuchungen ................................................................595 b. Wiederaufnahme der Ermittlungen ...................................................................596 c. Ermittlungen wegen Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung ........................598 7. Die Entschließung der StA Paderborn ..............................................................599 8. Pressearbeit der StA.........................................................................................600 9. Wiederaufnahme der Ermittlungen aufgrund der Arbeit des Ausschusses ........601 a. Angaben des Zeugen Prof. Dr. Werner Scherbaum ..........................................601 b. Ermittlungen der Staatsanawaltschaft ...............................................................602 Maßnahmen zur Aufklärung der NSU-Taten durch nordrhein-westfälische Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie durch die jeweils vorgesetzten Dienststellen und die Landesregierung seit dem 4. November 2011...........................603 I. Arbeit der BAO Trio des LKA NRW ......................................................................603 21 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 1. Einrichtung der BAO .........................................................................................603 2. Organisation der BAO Trio des LKA NRW ........................................................604 3. Einbindung des Verfassungsschutz NRW in die BAO Trio des LKA NRW ........604 4. Einbindung der Kreispolizeibehörden in die Ermittlungen .................................605 5. Überprüfung eines möglichen Aufenthalts von relevanten Personen in NRW ...605 6. Ermittlungen der BAO Trio des LKA NRW ........................................................605 7. Gefahrenabwehr ...............................................................................................606 II. Einbindung des LKA NRW in die Ermittlungen der BAO Trio des BKA .................607 III. Einbindung der mit den „Altfällen“ befassten Ermittlungsbehörden .......................608 1. Unterabschnitt Köln ..........................................................................................609 2. Unterabschnitt Dortmund ..................................................................................609 3. Unterabschnitt Düsseldorf .................................................................................610 4. Aufgaben und Tätigkeit der Unterabschnitte Köln und Dortmund ......................610 5. Einbindung der StA Dortmund ..........................................................................611 IV. Aufarbeitung der NSU-Taten durch den Verfassungsschutz NRW .......................611 1. Einrichtung einer Lageorientierten Sonderorganisation .....................................611 2. Daten- und Aktenrecherche ..............................................................................612 3. Überprüfung von Kontakten aus NRW zum NSU und seinem Umfeld...............613 4. Befragung von Vertrauenspersonen .................................................................615 5. Wissenschaftliche Analyse der vorhandenen Erkenntnisse ..............................615 6. Weitergabe der Erkenntnisse ............................................................................615 7. Erneute Bewertung der „Combat 18“ – Strukturen in Dortmund ........................616 a. Aktenrecherche und Aktenauswertung .............................................................616 b. Aussagen des Zeugen Sebastian Seemann .....................................................618 c. Mediale Berichterstattung über die „Combat 18“-Zelle ......................................618 d. Kritische Würdigung ..........................................................................................621 V. Hinweise auf den Aufenthalt des NSU-Trios in NRW............................................621 1. Möglicher Aufenthalt von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Minden 1999 .................................................................................................621 a. Treffen von M. P. mit einer C. und zwei männlichen Personen .........................621 b. Ermittlungen zu dem Treffen in Minden nach dem 4. November 2011 ..............623 aa. Umgang des Verfassungsschutzes NRW mit diesem Sachverhalt .................623 bb. Ermittlungen durch BKA und LKA ...................................................................624 cc. Kritische Würdigung ........................................................................................626 2. Aufenthalt von Beate Zschäpe in Solingen........................................................626 3. Aufenthalt von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Dortmund .................................................................................................................628 22 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 a. Sachverhalt.......................................................................................................628 b. Kritische Würdigung ..........................................................................................630 4. Mögliche Teilnahme von Uwe Böhnhardt an Veranstaltungen der „Kameradschaft Aachener Land“ und der „Kameradschaft Sturm Rhein-Sieg“..631 a. Jahrestreffen der „Kameradschaft Aachener Land“ am 10. Januar 2009 in Hückelhoven .....................................................................................................631 b. Siebengebirgsmarsch der „Kameradschaft Sturm Rhein-Sieg“ am 24. Januar 2009 .................................................................................................................631 c. Nutzung des Aliasnamen Gerry durch Uwe Böhnhardt .....................................631 d. Ermittlungen nach dem 04.11.2011 zu einer möglichen Teilnahme von Uwe Böhnhardt an diesen Veranstaltungen ..............................................................631 aa. Ermittlungen des Verfassungsschutzes NRW ................................................631 bb. Ermittlungen von BKA und LKA NRW ............................................................632 cc. Bewertung ......................................................................................................633 5. Treffen in Erftstadt 2009 ...................................................................................633 a. Jahresabschlussfeier ........................................................................................633 b. Bericht in der Sendung „WESTPOL“ des WDR .................................................634 c. Maßnahmen des Verfassungsschutzes ............................................................634 aa. Verfassungsschutz NRW ................................................................................634 bb. Schreiben des BfV an den Verfassungsschutz NRW ......................................635 d. Bericht vom 21. November 2011.......................................................................636 e. Polizeiliche Ermittlungen zu diesem Treffen......................................................638 aa. Maßnahmen des LKA NRW ...........................................................................638 bb. Einschätzung des BKA ...................................................................................639 cc. Vernehmung von Teilnehmenden ...................................................................639 (1) Axel Reitz ...............................................................................................639 (2) Johann Helfer.........................................................................................640 (3) Informant des WDR................................................................................641 (4) Weitere Teilnehmende ...........................................................................641 dd. Hinweise auf weitere Augenzeugen und Augenzeuginnen .............................641 (1) K. K. und M. S. .......................................................................................641 (2) Weitere Person ......................................................................................644 ee. Kritische Würdigung .......................................................................................645 VI. Hinweise auf Unterstützer und Unterstützerinnen des NSU aus NRW und Kontakte von Neonazis aus NRW zu Mitgliedern und Unterstützern und Unterstützerinnen des NSU.....................................................................................645 1. a. Carsten Schultze ..............................................................................................645 Werdegang in der rechten Szene .....................................................................645 23 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 b. Unterstützung für die Untergetauchten .............................................................646 c. Ausstieg und möglicher Anwerbeversuch .........................................................646 d. Umzug ..............................................................................................................648 e. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 .......................................................649 f. Sprengstoffanschlag an der S-Bahnhaltestelle Düsseldorf Wehrhahn ..............649 g. Kritische Würdigung ..........................................................................................650 2. Teilnahme von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos an Konzerten von „Oidoxie“ in Kassel...................................................................................................650 a. Hinweis auf Konzertbesuch 2004......................................................................650 aa. Hinweis des C. B. ...........................................................................................650 bb. Erstes Gespräch mit B.T. ...............................................................................651 cc. Vernehmung des S. R. zum Konzert 2004 ......................................................652 b. Hinweis auf Konzertbesuch 2006......................................................................653 aa. Zeugenschaftliche Vernehmung des B. T. ......................................................653 bb. Vernehmung des B. G. ...................................................................................654 cc. Vernehmung des S. R. zum Konzert 2006 ......................................................655 dd. Vernehmung des M.F. ....................................................................................656 ee. Hinweis auf Feier am 25. März 2006 ..............................................................657 ff. Weitere Ermittlungen ........................................................................................658 c. Konzerte mit „Oidoxie“ 2006 und 2007..............................................................658 aa. Konzert am 17. März 2007 in Kassel ..............................................................658 bb. Geplantes Konzert am 21. Juni 2006..............................................................659 cc. Konzert am 21. Oktober 2006 in Kassel und Erntedankfest in Düren ..............659 dd. Konzert in Dassel am 18. Februar 2006 .........................................................659 d. 3. Kritische Würdigung ..........................................................................................660 Bundesweites Führungstreffen der „Freien Kräfte“ in Borna / Sachsen am 27. Dezember 2008 ..........................................................................................660 a. Erkenntnisse über das Treffen 2008 / 2009 ......................................................660 b. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 .......................................................661 aa. Ermittlungen durch den Verfassungsschutz NRW ..........................................661 bb. Ermittlungen durch BKA und LKA NRW .........................................................662 c. 4. 24 Kristische Würdigung ........................................................................................662 Kontakte von Mitgliedern der „Kameradschaft Aachener Land“ zu Mitgliedern des NSU und dessen Umfeld ............................................................................662 a. „Zwickau rulez“ auf der Homepage der „Kameradschaft Aachener Land“ .........662 b. Kontakte der „Kameradschaft Aachener Land“ nach Thüringen ........................663 c. Person D. T. .....................................................................................................663 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 d. Person A. P. .....................................................................................................664 e. Ermittlungen durch das LKA NRW ....................................................................665 f. Sachbeschädigungen in NRW und Bayern .......................................................665 g. Kritsiche Würdigung ..........................................................................................665 5. Hinweise des Sebastian Seemann zu Tatwaffen „Bruni“ und „TT33“ ................666 a. Angaben von Sebastian Seemann gegenüber der Polizei Dortmund 2011 .......666 b. Abklärung des Hinweises durch das PP Dortmund und BAO Trio 2012 ............667 c. Weitere den Behörden aus NRW vorliegende Informationen ............................668 d. Abklärung des Hinweises durch das BKA 2014 / 2015 .....................................669 e. Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss ..................................................670 f. Ergebnis Verkaufswegefeststellung ..................................................................671 g. Kritische Würdigung ..........................................................................................671 6. Kontakt zwischen Beate Zschäpe und Robin Schmiemann ..............................671 a. Briefkontakt zwischen Beate Zschäpe und Robin Schmiemann ........................671 b. Angaben von Robin Schmiemann zum Briefkontakt .........................................672 c. Kennverhältnis zwischen Beate Zschäpe und Robin Schmiemann vor Bekanntwerden des NSU ..................................................................................672 d. Kritische Würdigung ..........................................................................................674 e. Bedeutung der Briefe in dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe .................674 7. Kontakte des M. W. zum NSU ..........................................................................674 a. Person des M. W. .............................................................................................674 b. Möglicher Bezug zum NSU ...............................................................................674 c. Bezüge von M. W. nach Thüringen ...................................................................676 d. Kritische Würdigung ..........................................................................................676 8. Munitionsschachtel SS-Siggi ............................................................................676 a. Munitionsschachtel mit der Aufschrift „Siggi“.....................................................677 b. Anfrage des BKA zu Erkenntnissen des LKA NRW ..........................................677 c. Erkenntnisse und Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW .....................678 aa. Verbindung von Siegfried Borchardt zur aufgefundenen Munitionsschachtel..678 bb. Wohnort von Siegfried Borchardt in Tatortnähe ..............................................678 cc. Aufenthalt von Siegfried Borchardt in Thüringen 2004 / 2005 .........................680 dd. Hinweise auf Kontakte von Siegfried Borchardt zu Mitgliedern des NSU ........680 d. 9. Weitere Ermittlungen des BKA..........................................................................680 „NSU-Brief“ .......................................................................................................681 a. Auffinden des „NSU-Briefes“ in Zwickau ...........................................................681 b. Danksagung an den NSU in der Zeitschrift „Der Weisse Wolf“..........................683 25 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 c. „Der Weisse Wolf“.............................................................................................683 d. Weitere Ermittlungen des BKA..........................................................................686 e. „Fahnenträger“ ..................................................................................................686 f. Publikationen mit Bezug zu NRW .....................................................................687 aa. „Der Förderturm“ ............................................................................................687 (1) Inhalt der Zeitschrift ................................................................................687 (2) Verantwortliche und Vertrieb der Zeitschrift ............................................688 bb. „Unabhängige Nachrichten“ ............................................................................690 cc. „Nordische Zeitung“ ........................................................................................691 VII. F. Tatortauswahl.......................................................................................................691 1. Tatort Probsteigasse: Bezüge zu NS-„Blutzeugen“ ...........................................691 2. Tatort Dortmund: Bezüge zu NS-„Blutzeugen“ ..................................................693 3. Tatort Kassel: Bezüge zu NS-„Blutzeugen“ .......................................................695 4. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 .......................................................696 5. Kritische Würdigung ..........................................................................................697 Einsatz von VP in NRW ..............................................................................................698 I. Grundlagen des Einsatzes von VP .......................................................................698 1. Definition V-Personen .......................................................................................698 2. Rechtliche Grundlagen des Einsatzes von Vertrauenspersonen .......................701 a. Verfassungsschutzgesetz NRW ........................................................................701 b. Verwaltungsvorschriften....................................................................................701 aa. Forschung und Werbung ................................................................................702 bb. Formelle Voraussetzungen der Verpflichtung .................................................703 cc. Stellung der VP im Beobachtungsobjekt .........................................................704 dd. Straftaten von VP ...........................................................................................706 ee. Anwerbung Ausstiegswilliger als VP ...............................................................708 ff. Kritische Würdigung .........................................................................................709 c. Neufassung des VSG NRW im Jahr 2013.........................................................709 aa. Forschung und Werbung ................................................................................710 bb. Formelle Voraussetzungen der Verpflichtung .................................................710 cc. Stellung der VP im Beobachtungsobjekt .........................................................711 dd. Straftaten durch VP ........................................................................................711 ee. Anwerbung Ausstiegswilliger als VP ...............................................................713 3. 26 Organisatorische Grundlagen ...........................................................................713 a. Zusammenarbeit der Referate Beschaffung und Auswertung ...........................714 b. Die Rolle der VP-Führer....................................................................................716 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode c. II. Drucksache 16/14400 Kritische Würdigung ..........................................................................................721 Einsatz von VP in der rechtsradikalen Szene .......................................................721 1. a. Art und Umfang des Einsatzes in NRW ............................................................721 Vergütung der VP .............................................................................................722 aa. Feststellungen ................................................................................................722 bb. Kritische Würdigung .......................................................................................722 b. Führungspersonen der rechtsextremen Szene als VP ......................................723 c. Konflikt zwischen BKA / GBA und Verfassungsschutz NRW über den Einsatz von Vertrauenspersonen Mitte der 1990er Jahre ..................................726 aa. Feststellungen ................................................................................................726 bb. Kritische Würdigung .......................................................................................729 d. Umgang mit straffälligen VP .............................................................................729 e. Weitere Auskunftspersonen ..............................................................................730 2. a. Ausgewählte Vertrauenspersonen in NRW .......................................................731 Enttarnte Vertrauenspersonen aus den 1990er Jahren .....................................731 aa. Bernd Schmitt .................................................................................................731 bb. Wolfgang Frenz ..............................................................................................734 b. Dortmund ..........................................................................................................735 aa. Straffälligkeit der VP .......................................................................................735 bb. Ermittlungsverfahren gegen die VP wegen Drogenhandels ............................736 cc. Ermittlungsverfahren gegen den VP-Führer ....................................................739 dd. Betreuung nach der Abschaltung ...................................................................742 ee. Kritische Würdigung .......................................................................................743 c. Köln ..................................................................................................................744 aa. Werdegang und Aktivitäten ............................................................................744 bb. Führungsfunktion............................................................................................745 III. Austausch mit anderen Behörden über VP...........................................................746 1. Austausch zwischen dem Verfassungsschutz NRW und den Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes der nordrhein-westfälischen Polizei und der Staatsschutzabteilung des LKA NRW ...............................................................746 a. Feststellungen ..................................................................................................746 b. Kristische Würdigung ........................................................................................748 2. Austausch zwischen dem Verfassungsschutz NRW und dem BfV sowie anderen Landesbehörden für Verfassungsschutz .............................................748 3. Austausch zwischen dem Verfassungsschutz NRW und dem Generalbundesanwalt .............................................................................................750 4. Maßnahmen zum Quellenschutz ......................................................................751 27 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dritter Teil: Handlungsempfehlungen .................................................................................753 Vierter Teil: Verfahren ........................................................................................................757 I. Verfahrensregeln..................................................................................................757 II. Geheimhaltung .....................................................................................................762 1. Geheimhaltungsbeschluss ................................................................................762 2. Umgang mit Verschlusssachen in Beweisaufnahmesitzungen ..........................764 3. Umgang mit Verschlusssachen im Schlussbericht ............................................764 a. „VS-Vertraulich“ und „Geheim“ eingestufte Aktenstücke oder Zeugenaussagen ..............................................................................................764 b. „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestufte Aktenstücke ...............................764 III. Beweisaufnahme..................................................................................................765 1. Sitzungsübersicht .............................................................................................765 2. Übersicht der Beweisbeschlüsse ......................................................................765 3. Zeugen .............................................................................................................768 4. Sachverständige ...............................................................................................769 a. Vorbereitende Hearings ....................................................................................769 b. Ermittlungsbeauftragter Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg......................770 c. Sachverständige Jan Raabe .............................................................................770 5. Inaugenscheinnahmen .....................................................................................770 6. Beigezogene Akten...........................................................................................771 Fünfter Teil: Sondervoten der Fraktionen ...........................................................................773 A. Sondervotum der Fraktion der CDU ............................................................................773 B. Sondervotum der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen ...................................................776 C. Sondervotum der Fraktion der FDP ............................................................................783 D. Sondervotum der Fraktion der PIRATEN ....................................................................785 Anlagenband………………………………………………………………………………………..793 Anlage 1: Übersicht der Sitzungen……………………………………………………………….794 Anlage 2: Beweisbeschlüsse………………………………………………...…………………...800 Anlage 3: Liste der befragten Zeuginnen und Zeugen……………………………………….1017 Anlage 4: Übersicht der beigezogenen Akten…………………………………………………1021 28 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Abkürzungsverzeichnis A. a. O. am angegebenen Ort AAO Allgemeine Aufbauorganisation Abs. Absatz Abt. Abteilung AB West Aktionsbüro West a. d. D. auf dem Dienstweg ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club a.F. alte Fassung AG Amtsgericht AL Abteilungsleiter Apabiz Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum e.V. APr. Ausschussprotokoll ARD Fernsehsender / Erstes Deutsches Fernsehen AR-Sache Allgemeine Rechtssache BaFin Bundesamt BAO Besondere Aufbauorganisation BBET Bloed-Bodem-Eer & Tronno, niederländische „Blood & Honour / Combat 18 - Gruppe Bd. Band bes. besonderen BeStra Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BGH Bundesgerichtshof BGHSt. Bundesgerichtshof in Strafsachen BKA Bundeskriminalamt BKAG Bundeskriminalamtsgesetz Bl. Blatt BMI Bundesministerium des Innern BMJ Bundesministerium der Justiz BNÜ British National Party BLKA Bayerisches Landeskriminalamt BLfV Bayerisches Landesamt für Verfassungschutz BT Deutscher Bundestag 29 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode BVerfSchG Drucksache 16/14400 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. beziehungsweise ca. circa CD Compact Disc CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands cm Zentimeter C18 Combat 18 d. A. der Akte DDR Deutsche Demokratische Republik d. h. das heißt dienstl. Dienstlich dpa Deutsche Presse-Agentur Dr. Doktor / Doktorin Drs. Drucksache DV Datenverarbeitung d. V. des Vorgangs DVU Deutsche Volksunion EA Einsatzabschnitt EDV Elektronische Datenverarbeitung EG Ermittlungsgruppe EKHK Erster Kriminalhauptkommissar EKHK´in Erste Kriminalhauptkommissarin EK Ermittlungskommission EKL Leiter der Ermittlungskommission EKL´in Leiterin der Ermittlungskommission EOS Erweiterte Oberschule etc. et cetera evtl. eventuell € Euro EUR Euro f. folgende Seite ff. folgende Seiten FAP Freiheitlich Deutsche Arbeiterpartei 30 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FDP Freie Demokratische Partei Deutschlands GB Gigabyte GBA Generalbundesanwalt/Generalbundesanwaltschaft GdNF Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front gem. gemäß GStA Generalstaatsanwalt/Generalstaatsanwaltschaft GStA´in Generalstaatsanwältin ggf. gegebenenfalls GV NRW Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes NRW GVG Gerichtsverfassungsgesetz HA Hauptakte HDJ Hallesche Deutsche Jugend HNG Hilfsorganisation für Nationale Politische Gefangene Drucksache 16/14400 und deren Angehörige e.V. IM Innenministerium IMK Innenministerkonferenz i. S. im Sinne i. S. d. im Sinne des ISA Informationssammelstelle i. W. in Worten i. V. m. in Verbindung mit JM Justizministerium JMBl Justizministerialblatt JN Junge Nationaldemokraten Js-Sache Ermittlungsverfahren (Staatsanwaltschaft) kal. Kaliber KAL Kameradschaft Aachener Land KD Kriminaldirektor KD´in Kriminaldirektorin KDS Kampfbund Deutscher Sozialisten Kg Kilogramm KHK Kriminalhauptkommissar KHK´in Kriminalhauptkommissarin KK Kriminalkommissar / Kriminalkomissariat 31 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode KK´in Kriminalkommissarin KKK Ku Klux Klan KOK Kriminaloberkommissar KOK´in Kriminaloberkommissarin KOR Kriminaloberrat KOR´in Kriminaloberrätin KPI Kriminalpolizeiinspektion KPMD Kriminalpolizeilicher Meldedienst KPB Kreispolizeibehörde KPD Kriminalpolizeidirektion KTU Kriminaltechnische Untersuchung LBG Landesbeamtengesetz LdsKD Landeskriminaldirektor LG Landgericht lit. lateinisch für Buchstabe LKA Landeskriminalamt LKD Leitender Kriminaldirektor LKD´in Leitende Kriminaldirektorin LMR Leitender Ministerialrat LMR’in Leitende Ministerialrätin LoS Lageorientierte Sonderorganisation LOStA Leitender Oberstaatsanwalt LOStA´in Leitende Oberstaatsanwältin LR Landrat LRD Leitender Regierungsdirektor LRD´in Leitende Regierungsdirektorin LV NW Landesverfassung Nordrhein-Westfalen LZPD Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste m Meter MAD Militärischer Abschirmdienst MD Ministerialdirigent MD´in Ministerialdirigentin m. d. B. mit der Bitte MdL Mitglied des Landtags mdl. mündlich 32 Drucksache 16/14400 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 MIK Ministerium für Inneres und Kommunales MIK NRW Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen MK Mordkommission mm Millimeter MR Ministerialrat MR’in Ministerialrätin NF Nationalistische Front n. ö. nicht öffentlich nöAPr. nicht öffentliches Ausschussprotokoll NPD National-Demokratische Partei Deutschlands Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSK Nationaler Sturm Köln NSU Nationalsozialistischer Untergrund n-tv Fernsehsender NVU Nederlands Volks-Unie o. a. oben angegeben OAR Oberamtsrat OAR`in Oberamtsrätin OBR Opferberatung Rheinland ö. öffentlich OFA Operative Fallanalyse o. g. oben genannt OLG Oberlandesgericht ORR Oberregierungsrat ORR´in Oberregierungsrätin OStA Oberstaatsanwalt OStA´in Oberstaatsanwältin OVG Oberverwaltungsgericht Pdf Portable Document Format PF Polizeiführer PHK Polizeihauptkommissar PHK´in Polizeihauptkommissarin 33 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 PI Polizeiinspektion PlBPr. Parlamentsbeschlussprotokoll PIPr. Plenarprotokoll PK Polizeikommissar PK´in Polizeikommissarin PKGr Parlamentarisches Kontrollgremium PKW Personenkraftwagen POG Polizeiorganisationsgesetz POM Polizeiobermeister POM´in Polizeiobermeisterin POS Polytechnische Oberschule PP Polizeipräsidium / Polizeipräsident PP´in Polizeipräsidentin Prof. Professor/in PUA Parlamentarischer Untersuchungsausschuss rd. rund Rderl. Runderlass Rdnr. Randnummer RiStBV Richtlinien für das. Strafverfahren und das. Bußgeldverfahren RTL Fernsehsender S. Seite SA Sturmabteilung (paramilitärische Kampforganisation der NSDAP) SAF Sauerländer Aktionsfront Sbd. Sonderband SMS Short Message Service sog. so genannt SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands StA Staatsanwalt/Staatsanwaltschaft StA´in Staatsanwältin StGB Strafgesetzbuch StK Staatskanzlei StPO Strafprozessordnung StS Staatssekretär tel. telefonisch TKÜ Telefonkommunikations-Überwachung 34 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode TOP Tagesordnungspunkt u. a. unter anderem / und andere UA Unterabschnitt UAG NRW Gesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Drucksache 16/14400 Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen Unterz. Unterzeichner/in USBV Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung usw. und so weiter u. U. unter Umständen Vfg. Verfügung vgl. vergleiche VP Vertrauensperson VSG NRW Gesetz über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen VS-nfD Verschlusssache mit der Einstufung „nur für den Dienstgebrauch“ VS-V Verschlusssache mit der Einstufung „Vertraulich“ VW Volkswagen WAZ Westdeutsche Allgemeine Zeitung WE-Meldung Wichtige-Ereignis-Meldung wg. wegen Ziff. Ziffer z. B. zum Beispiel ZDF Fernsehsender / Zweites Deutsches Fernsehen ZOG Vorstellung einer jüdiscvhen Weltregierung ZSB Zentrale Sachbearbeiter z. T. zum Teil 35 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Erster Teil: Untersuchungsgrundlage I. Einleitung Nach der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) im November 2011 wurde die rechtsextreme terroristische Vereinigung NSU, der als Kerntrio nach den Ermittlungsergebnissen des GBA Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe angehörten und die aus der Jenaer rechtsextremen Szene der 1990er Jahre hervorging, einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Dem NSU werden seitdem unter anderem ein Sprengstoffanschlag in Nürnberg 1999, eine Mordserie an Migranten in den Jahren 2000 bis 2006, der Sprengstoffanschlag in der Kölner Probsteigasse 2001, das Nagelbomben-Attentat in der Keupstraße in Köln 2004, der Polizistenmord von Heilbronn 2007 sowie 15 Raubüberfälle zur Last gelegt. Zehn Menschen wurden mutmaßlich von ihnen ermordet. Die Anzahl der Unterstützer ist unklar und wurde 2013 auf über 100 bis 200 geschätzt, darunter Vertrauenspersonen der Verfassungsschutzbehörden und Funktionäre rechtsextremer Parteien. Bis zur Selbstenttarnung des NSU im November 2011 führten die mit großen Aufwand betriebenen Ermittlungen auf Grund des weitgehenden Ausschlusses eines rechtsextremen Hintergrundes der Taten sowie wegen technischer Fehler zu keinem Ergebnis. Das Bekanntwerden des NSU hat zu umfangreichen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. In diesem Zusammenhang wurde der Vorwurf erhoben, dass es bei den Ermittlungen bezüglich der mutmaßlichen Taten des NSU zu Defiziten bei Sicherheits- und Justizbehörden in verschiedenen Bundesländern und auf Bundesebene gekommen sei. Das Handeln von Sicherheitsbehörden wie Verfassungsschutzämtern, Militärischem Abschirmdienst und Polizei führte ab Juli 2012 zu Rücktritten und Entlassungen der obersten Verfassungsschützer des Bundes, Thüringens, Sachsens und Berlins. Nachlässigkeiten, Aktenvernichtung, der Einsatz von Vertrauenspersonen, Ermittlungspannen und organisatorische Defizite wurden in Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages sowie der Landesparlamente Thüringen, Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Brandenburg untersucht. Vor dem 6. Strafsenat des OLG München wird seit dem 6. Mai 2013 das Strafverfahren gegen Beate Zschäpe und weitere Angeklagte verhandelt und ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Unabhängig von dem Strafverfahren vor dem OLG München und in Kenntnis der Ergebnisse des bereits vorliegenden Abschlussberichts des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages sowie vorliegender Abschlussberichtet der Untersuchungsausschüsse einiger Länderparlamente, wurde durch den Landtag NRW der 16. Wahlperiode mit den Stimmen aller im Landtag vertretenen Fraktionen ein Untersuchungsausschuss zum „PUA III – NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen“ (Landtagsdrucksache 16/7148, Neudruck vom 04.11.2014) eingesetzt. Dieser erhielt den Auftrag zur Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher zu untersuchen. Seit der Einsetzung haben die Mitglieder des Untersuchungsausschusses gemeinsam und ohne parteipolitischen Streit an der Aufklärung gearbeitet. Dabei war es dem Untersuchungsausschuss ein besonderes Anliegen, den Opfern der Taten und deren Angehörigen gerecht zu werden. Ihnen gegenüber fühlte sich der Untersuchungsausschuss besonders verpflichtet, mögliches Fehlverhalten umfassend aufzuklären. Nur so können gezielt Maßnahmen vorgeschlagen werden, um künftig Fehler zu vermeiden und das Verhalten in den Behörden zu ändern und zu verbessern. 36 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode II. Drucksache 16/14400 Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III und seine personelle Zusammensetzung 1. Einsetzungsbeschluss Mit Beschluss vom 05.11.2014 wurde der „PUA III – NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen“ auf Antrag aller Fraktionen eingesetzt. Der Antrag lautet wie folgt (Drs. 16/7148 – Neudruck): Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen I. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt einen aus 12 stimmberechtigten Mitgliedern und einer entsprechenden Zahl von stellvertretenden Mitgliedern bestehenden Untersuchungsausschuss ein. Die Verteilung der zu vergebenden Sitze im Untersuchungsausschuss erfolgt folgendermaßen: SPD CDU BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN FDP PIRATEN 5 Mitglieder 3 Mitglieder 2 Mitglieder 1 Mitglied 1 Mitglied II. Sachverhalt 1. Bekanntwerden des NSU-Terror-Trios Am 4. November 2011 wurden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die mutmaßlichen Täter eines bewaffneten Banküberfalls, in Eisenach in einem Wohnmobil tot aufgefunden. In dem abgebrannten Wohnmobil wurden mehrere Schusswaffen gefunden. Es stellte sich heraus, dass zwei der aufgefundenen Schusswaffen die entwendeten Dienstwaffen der ermordeten Polizistin M. K. und ihres schwer verletzten Kollegen waren. Eine weitere war der Revolver, mit dem am 5. Oktober 2006 bei einem Raubüberfall in Zwickau ein Bankangestellter durch einen Bauchschuss schwer verletzt wurde. Ebenfalls am 4. November 2011 kam es kurz nach 15:00 Uhr in einem Mehrfamilienhaus in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau zu einer Explosion, bei der mehrere Hauswände einstürzten. Es kam zu einem erheblichen Brand. Es stellte sich heraus, dass die Explosion absichtlich herbeigeführt worden war. Die diesbezüglich dringend tatverdächtige Beate Zschäpe, die zuvor längere Zeit gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos in dem Haus gewohnt hatte, stellte sich am 8. November 2011 der Polizei. Am gleichen Tag wurden im Brandschutt des Hauses in Zwickau die Waffen gefunden, mit denen Frau M. K. erschossen und ihr Kollege angeschossen worden waren. Am 9. November 2011 wurde in der ausgebrannten Wohnung neben anderen Waffen auch eine Pistole des Typs Česká CZ 83, Kaliber 7,65 mm mit verlängertem Lauf sichergestellt. Zwei Tage später stellten die Ermittlungsbehörden fest, dass die bis dahin ungeklärten neun Morde an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund mit dieser Waffe verübt worden waren. Hinter dieser Mordserie war noch wenige Monate zuvor eine „mafiöse Organisation türkischer Nationalisten in Deutschland “ oder die „Fußball - Wettmafia“ vermutet worden. Spekuliert worden war, dass die Morde „die Rechnung für Schulden aus kriminellen Geschäften oder die Rache an Abtrünnigen“ gewesen seien. 37 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ebenfalls wurden am 10. November 2011 in diesem Bauschutt mehrere DVD-Datenträger und Festplatten mit Videos gefunden. In den Videos bezeichnet sich eine Gruppierung unter dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) als „ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz: Taten statt Worte‘“. Mittels Ausschnitten von Fernsehberichten und Zeitungsartikeln werden unter anderem die neun Morde an den türkisch-, kurdisch- und griechischstämmigen Geschäftsleuten, die zwei Sprengstoffanschläge in Köln am 19. Januar 2001 und am 9. Juni 2004 sowie der Mord an der Polizistin in menschenverachtender Weise dargestellt. 2. Straftaten des NSU in Nordrhein-Westfalen a) Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse/ Köln Wenige Tage vor Weihnachten 2000 betrat ein vorgeblicher Kunde das Lebensmittelgeschäft der iranischstämmigen Familie M. in der Probsteigasse in Köln. Der Mann trug einen geflochtenen Präsentkorb mit Henkel bei sich. In dem Korb befanden sich bereits eine Tüte Erdnussflips und eine weihnachtliche Stollendose. Der Kunde packte aus dem Geschäft noch weitere Waren in den mitgebrachten Korb und gab vor, diese bezahlen zu wollen. Er erklärte dem Ladeninhaber M. in akzentfreiem Hochdeutsch, dass er sein Geld vergessen habe. Er wolle dieses zu Hause holen und in 15 Minuten zurückkehren. Den Korb nebst Inhalt hinterließ er in dem Laden, kam aber nicht zurück. Der Korb blieb noch einige Tage im Geschäftslokal stehen, dann nahm ihn Herr M. an sich und stellte ihn auf einem Schreibtisch im Hinterraum ab. Am 19. Januar 2001 gegen 7:00 Uhr befand sich die damals 19-jährige Tochter des Ladeninhabers allein in diesem Hinterraum. Sie hob den Deckel der im Korb befindlichen Weihnachtsdose leicht an und sah darin eine blaue Gasflasche. Kurz nachdem sie den Deckel wieder geschlossen hatte, explodierte ein Sprengsatz in der Dose. Die junge Frau erlitt hochgradige Verbrennungen im Gesicht und an der rechten Hand sowie Schnittverletzungen am Oberkörper und an beiden Beinen. Es entstanden ferner massive Explosionsschäden in den Geschäftsräumen, an Gebäudeteilen und im Innenhof. b) Nagelbombenanschlag in der Keupstraße/Köln Am 9. Juni 2004 ereignete sich in der Keupstraße in Köln, die als kulturelles Zentrum von großen türkisch- und kurdischstämmigen Gemeinden bekannt und durch eine Vielzahl von Geschäften türkisch- und kurdischstämmiger Inhaberinnen und Inhaber geprägt ist, ein Sprengstoffanschlag. Gegen 15:56 Uhr explodierte in Höhe der Hausnummern 29 und 31 ein an einem Fahrrad angebrachter Metallbehälter, der mit ca. 700 zehn Zentimeter langen Zimmermannsnägeln befüllt war. Durch die Detonation wurden 22 Personen verletzt. Die Betroffenen erlitten überwiegend Splitterverletzungen durch umherfliegende Teile, insbesondere Metallnägel. Durch die Explosion zersplitterten ca. 30 Fensterscheiben an Wohn- und Geschäftsgebäuden. 15 PKW wurden zum Teil erheblich beschädigt. In den angrenzenden Geschäften kam es ebenfalls zu erheblichen Schäden. Zwei Täter waren zuvor von Überwachungskameras aufgezeichnet worden. c) Mord an M. K./ Dortmund – Česká-Mordserie Am 4. April 2006 verständigte eine Zeugin um 12:59 Uhr über Notruf die Einsatzleitstelle der Polizei Dortmund. Sie teilte mit, dass eine blutüberströmte Person hinter dem Tresen im Kiosk in der Mallinckrodtstraße 190 läge. Die nach wenigen Minuten eintreffenden Polizeibeamten fanden den später als M. K. identifizierten Kioskbesitzer vor. Nach erfolglosen Reanimationsversuchen der gegen 13:06 Uhr eingetroffenen Rettungssanitäter stellte der hinzugezogene Notarzt gegen 13:10 Uhr den Tod des Mannes, offensichtlich durch Kopfschüsse, fest. 38 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Ermordung M. K. stellte den achten Fall einer bis dato ungeklärten Mordserie an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund dar. Zuvor waren bereits in Nürnberg (9. September 2000, 13. Juni 2001, 9. Juni 2005), Hamburg (27. Juni 2001), München (29. August 2001, 15. Juni 2005) und Rostock (25. Februar 2004) türkisch-, kurdisch- und griechischstämmige Geschäftsleute erschossen worden. Nur zwei Tage nach dem Mord an M. K. wurde in Kassel der türkeistämmige Betreiber eines Internet-Cafés erschossen. In allen Fällen wurde dieselbe Tatwaffe benutzt: Eine Pistole des Typs Česká CZ 83, Kaliber 7,65 mm Browning. Eine undurchsichtige Rolle spielt eine Vertrauensperson der Dortmunder Polizei (Deckname „Heidi“). Unmittelbar nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 erklärte Heidi, dass er die Polizei bereits im Jahr 2006 darüber informiert habe, Mundlos und eine Frau am 1. April 2006 am Dortmunder Hauptbahnhof abgeholt zu haben. Laut Heidi habe sich die Polizei damals jedoch nicht für diese Informationen interessiert. Zudem gab Heidi in einem Schreiben an die Dortmunder Polizei im Jahr 2012 an, dass er einen möglichen Waffenhandel von Mundlos mit dem Rechtsextremisten T. S. gesehen habe. Am 4. Juni 2006 wurde M. K. in Dortmund erschossen, fünf Tage später H. Y. in Kassel. 3. Tod des früheren V-Mannes „Corelli“ in Nordrhein-Westfalen Im Rahmen der NSU-Debatte ist auch die Rolle von V-Leuten, Vertrauenspersonen und anderen menschlichen Quellen kritisch zu diskutieren. Dabei treten auch im Hinblick auf Nordrhein-Westfalen Fragen auf. Diese betreffen auch den ehemaligen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Corelli, der bereits ab 1995 Kontakt zu Mundlos gehabt haben soll. Corelli engagierte sich unter anderem bei dem rechtsextremistischen Szenemagazin „Der Weiße Wolf“, in dessen Ausgabe Nummer 18 im Jahr 2002 folgendes Vorwort abgedruckt wurde. Fettgedruckt, ohne nähere Erläuterung, heißt es dort: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen. :-) Der Kampf geht weiter.“. Es ist die erste bekannte Erwähnung des NSU in der Öffentlichkeit – neun Jahre vor der Aufdeckung seiner mutmaßlichen Taten. Nach seiner Enttarnung im Zuge der NSU-Ermittlungen kam Corelli 2012 in ein Zeugenschutzprogramm und verstarb im April 2014 im Kreis Paderborn (offizielle Todesursache: Unerkannte Diabetes-Krankheit, vgl. DER SPIEGEL vom 14. April 2014). Laut DPA-Meldung vom 1. Juni 2014 muss die Bundesanwaltschaft bei ihren Ermittlungen zum NSU zudem auf einen wichtigen Zeugen verzichten. Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz weigert sich demnach, die Identität eines Zuträgers preiszugeben, der der Behörde kurz vor dem Tod Corellis eine von diesem stammende CD mit rechtsradikaler Propaganda übergeben haben soll. Die Verfassungsschützer hätten bereits eine sogenannte „Sperrerklärung“ nach Karlsruhe geschickt. Auf der erstellten CD seien ebenfalls Nennungen einer Organisation namens NSU dokumentiert. Der Titel der CD lautet: „NSU/NSDAP“. Der Zuträger könnte die Frage beantworten, ob Corelli einen engeren Bezug zum NSU hatte als bislang bekannt. Ende September 2014 informierte der Leiter des BfV, Hans-Georg Maaßen, Mitglieder des Bundestagsinnenausschusses darüber, dass dem BfV bereits seit 2005 eine CD vorliegt, die Anhaltspunkte für die Existenz des NSU enthält. Diese aktuelle Entwicklung verdeutlicht noch einmal die dringende Notwendigkeit einer intensiven Aufklärung und führt die bisher angenommene These, dass der Begriff NSU bis zum 4. November 2011 nie einem größeren Kreis von Personen bekannt war, ad absurdum. 4. Öffentlicher Diskurs und parlamentarische Untersuchungsausschüsse Das Bekanntwerden des NSU hat zu umfangreichen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. In diesem Zusammenhang wurde der Vorwurf erhoben, dass es bei den Ermittlungen 39 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 bezüglich der mutmaßlichen Taten des NSU zu Defiziten bei Sicherheits- und Justizbehörden in verschiedenen Bundesländern und auf Bundesebene gekommen sei. Zudem wurden Spekulationen geäußert, Verfassungsschutzbehörden könnten mit dem Trio in Verbindung gestanden und ihm 1998 möglicherweise zur Flucht verholfen haben Sowohl der Deutsche Bundestag als auch die Landtage von Thüringen, Sachsen, Bayern und Hessen haben daraufhin jeweils parlamentarische Untersuchungsausschüsse zur Aufklärung der Frage eingesetzt, weshalb die Entstehung des NSU nicht rechtzeitig erkannt und die von den Mitgliedern dieser Gruppierung mutmaßlich begangenen Verbrechen nicht aufgeklärt bzw. verhindert werden konnten. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages legte am 22. August 2013 seinen Abschlussbericht vor. Der Bericht macht deutlich, dass insbesondere den Sprengstoffattentaten in Köln eine herausragende Bedeutung in der Anschlagsserie des NSU zukommt. In dem Bericht heißt es u.a. (Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 841): „Nach Einschätzung des Ausschusses bot die Spurenlage für die Ermittler zu den beiden Sprengstoffanschlägen in Köln ungleich aussichtsreichere Ermittlungsansätze als bei anderen dem NSU zugeschriebenen Straftaten: Bei dem Anschlag 2001 gab es einen Zeugen, der den Täter unmaskiert gesehen hatte. Die Täter des Anschlags von 2004 waren auf Videobändern aufgezeichnet worden. Jedoch wurden diese Ansatzpunkte nur unzureichend genutzt.“ Trotz jahrelanger Ermittlungen mehrerer Sonderkommissionen der Polizei in verschiedenen Bundesländern konnten weder die Morde an den Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund und der Polizeibeamtin M. K. aufgeklärt noch die Täter der Sprengstoffanschläge in Köln ermittelt werden. Bei den Ermittlungen wurden einige Opfer bzw. ihre Angehörigen verdächtigt, im Drogen- oder Schutzgeldmilieu tätig gewesen zu sein. 5. Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht München Seit dem 6. Mai 2013 findet vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München der Prozess gegen Zschäpe und weitere Mitangeklagte statt. Im Zuge dieses Prozesses und der Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse wurde deutlich, dass die Mordserie des NSU weiterhin zahlreiche Rätsel aufgibt. Nicht abschließend geklärt ist in diesem Zusammenhang insbesondere, ob - und wenn ja - welche Personen der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen Verbindungen zum NSU hatten und welche Erkenntnisse den Sicherheits- und Justizbehörden hierüber vorlagen. Zudem wurde bei weiteren, bis heute nicht aufgeklärten schweren Verbrechen in Nordrhein-Westfalen nach Bezügen zur Terrorgruppe NSU gesucht – bisher allerdings ohne greifbare Belege zu finden. Das gilt erstens für den dreifachen Polizistenmord durch den Rechtsextremisten M. B. am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop. M. B. erschoss an diesem Tag in Dortmund einen Polizeibeamten, der ihn zuvor angehalten hatte, weil er nicht angeschnallt war. Die Kollegin des getöteten Polizisten erlitt dabei einen Beinschuss. Nach der Tat flüchtete M. B. Bei Waltrop ermordete er kurz darauf zwei weitere Polizeibeamte, die ihn zu stoppen versucht hatten. Anschließend richtete er sich selbst. In M. B.s Wohnung fand die Polizei später Waffen, Mitgliedsausweise rechtsradikaler Parteien und Propagandamaterial. Als Opfer politisch rechts motivierter Gewalt galten die getöteten Polizisten aber offiziell nicht. Der Dortmunder Radiosender 91,2 meldete seinerzeit, Recherchen im Milieu und in Behördenkreisen hätten ergeben, dass M. B. „ein bezahlter V-Mann des Verfassungsschutzes war“ (Spiegel-Online vom 21.11.2011). 40 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zweitens könnte der Sprengstoffanschlag am 27. Juli 2000 auf den Bahnhof DüsseldorfWehrhahn mit der Terrorgruppe NSU in Verbindung stehen. Dabei wurden zehn Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Eine im fünften Monat schwangere Frau verlor ihr ungeborenes Kind. Die Opfer waren Migrantinnen und Migranten, darunter überwiegend Personen jüdischen Glaubens aus der ehemaligen Sowjetunion. Die grundsätzliche Art der Tatbegehung weist Parallelen zu den Sprengstoffanschlägen in der Probsteigasse und in der Keupstraße auf. III. Untersuchungsauftrag Der Ausschuss erhält den Auftrag zur Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000; 4. Schlussfolgerungen unter anderem für die Sicherheits- und Justizbehörden sowie zur Rechtsextremismusprävention zu erarbeiten. IV. Untersuchungszeitraum Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf den Zeitraum von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses. Das Bezugsjahr 1991 wird deshalb gewählt, weil in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1991 drei Jugendliche einen Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Hünxe verübten und damit Radikalisierungsprozesse in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen sichtbar wurden. Der Begriff „rechtsradikale Szene“ umfasst hier und, wenn er im Nachfolgenden verwendet wird, sowohl rechte, rechtsradikale als auch mögliche rechtsextremistische Tendenzen, die untersucht werden sollen. V. Detailfragen Im Rahmen seines Untersuchungsauftrages hat der Untersuchungsausschuss insbesondere folgende Fragen zu klären: 1. Rechtsradikale Strukturen, Aktivitäten und Netzwerke in Nordrhein-Westfalen Die nachfolgenden Ziffern sollen insoweit untersucht werden, als sie einen konkreten Bezug zum Untersuchungsauftrag haben. 41 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode 1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 1.5. 1.6. 1.7. 1.8. 1.9. 1.10. 42 Drucksache 16/14400 Haben sich in Nordrhein-Westfalen mögliche Unterstützerinnen und Unterstützer des NSU seit Beginn der 1990er Jahre hin zu einem militanten Vorgehen radikalisiert und inwiefern haben politisch rechts motivierte Anschläge, Übergriffe und Morde zu diesen Entwicklungen beigetragen? Gab es Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu militanten rechtsradikalen Gruppierungen (wie z.B. kleinen Zellen, lokal oder regional verankerten Kameradschaften, bundesweit tätigen Organisationen wie der „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) sowie insbesondere der Netzwerke von „Blood & Honour“, „Combat 18“ und der „Hammerskins“) in Nordrhein-Westfalen? Welche Erkenntnisse über Art und Umfang rechtsradikaler Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen und über ein eventuelles Zusammenwirken nordrheinwestfälischer Rechtsradikaler mit Rechtsradikalen in anderen Bundesländern (insbesondere in den ostdeutschen Bundländern Thüringen und Sachsen) und dem Ausland (insbesondere Niederlande, Belgien und Großbritannien) in Verbindung zum Untersuchungsauftrag lagen welchen nordrheinwestfälischen Sicherheits- und Justizbehörden vor und wie wurde deren Bedeutung insbesondere für strategische Planungen innerhalb der rechtradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen und ihre Gewaltbereitschaft eingeschätzt? Welche Erkenntnisse hatten die Polizei und der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen über Kampf- und Wehrsportaktivitäten rechtsradikaler Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen und wie wurde deren Gefahrpotential bewertet? Wie viele und welche Strafverfahren wegen politisch rechts motivierter Straftaten gab es im Untersuchungszeitraum in Nordrhein-Westfalen; wie viele und welche Strafverfahren standen in Zusammenhang mit Waffenund Sprengstofffunden; in wie vielen Fällen führten diese Verfahren zu Verurteilungen, wie viele Verfahren wurden eingestellt und aufgrund welcher Kriterien wurde ein rechtsradikaler oder rassistischer Hintergrund angenommen? Hatten nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden Erkenntnisse darüber, dass sich Rechtsradikale aus Nordrhein-Westfalen im Untersuchungszeitraum auf ein Untertauchen vorbereitet haben oder gar untergetaucht sind? Welche Rolle spielte der Einsatz von sogenannten V-Personen oder anderen sogenannten menschlichen Quellen im Untersuchungszeitraum und haben V-Personen oder andere menschliche Quellen den Aufbau rechtsradikaler Strukturen in Nordrhein-Westfalen finanziell unterstützt oder in sonstiger Weise begünstigt, die in Verbindung mit dem Untersuchungsauftrag standen? Welche rechtlichen Grundlagen und innerbehördlichen Vorschriften zum Einsatz von V-Personen und anderen menschlichen Quellen galten und wie haben diese sich im Laufe der Zeit verändert? Wie wurde die Gefahr des Rechtsradikalismus in Nordrhein-Westfalen im Untersuchungszeitraum seitens der Landesregierung eingeschätzt und welche Maßnahmen sind ergriffen worden, um dieser Gefahr zu begegnen? In welchem Umfang und mit welchen Mitteln ist der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz im Untersuchungszeitraum auf dem Gebiet der Bekämpfung des Rechtsradikalismus tätig geworden, welcher Quellen hat er sich hierbei bedient und welche Befugnisse hat er hierbei gemäß Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) im Einzelnen genutzt? Welche Erkenntnisse haben die Staatsschutzabteilungen der Polizei Nordrhein-Westfalen im Untersuchungszeitraum über rechtsradikale Aktivitäten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode 1.11. 1.12. 1.13. 1.14. 1.15. 1.16. 1.17. 1.18. Drucksache 16/14400 in Nordrhein-Westfalen gewonnen und inwieweit hat diesbezüglich ein Informationsaustausch und eine Zusammenarbeit mit dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz stattgefunden? Haben der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz und die Staatsschutzabteilungen der Polizei Nordrhein-Westfalen ihre jeweils vorgesetzten Dienststellen über ihre Erkenntnisse informiert? Falls ja, welche Stellen, über welche konkreten Inhalte, wie und auf welchem Wege erfolgten diese Informationen? Falls nein, warum nicht? Welche Maßnahmen sind ggf. darauf seitens der jeweils zuständigen Abteilung im nordrhein-westfälischen Innenministeriumsergriffen worden und haben die zuständigen Abteilungen bei der Beobachtung und ggf. Bekämpfung und Verfolgung rechtsradikaler Aktivitäten zusammengearbeitet und inwieweit ist jeweils die politische Spitze des nordrhein-westfälischen Innenministeriums informiert worden? Wann und in welchem Zusammenhang sind Sympathisantinnen und Sympathisanten sowie Unterstützerinnen und Unterstützer der NSU-Mitglieder Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe erstmals in Nordrhein-Westfalen beobachtet worden bzw. sind deren Kontakte zu Rechtsradikalen aus Nordrhein-Westfalen bekannt geworden? Welche Erkenntnisse über Diskussionen in der rechtsradikalen Szene über die Aufnahme des bewaffneten Kampfes und die Herausbildung eines Rechtsterrorismus und die typischen Merkmale rechtsterroristischer Handlungen hatten nordrhein-westfälische Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien, der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher vor dem Beginn der Mordserie an insgesamt neun Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund im Jahr 2000, welche Maßnahmen wurden dazu ergriffen und welche diesbezüglichen Erkenntnisse haben sie seither und zu welchem Zeitpunkt gewonnen? Waren nordrhein-westfälische Behördenvertreterinnen und -vertreter bei der Tagung zur Gefahr der Entstehung weiterer terroristischer Strukturen des BfV im Jahr 2003 anwesend, welche nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden hatten Kenntnis von der daraus resultierenden Broschüre des BfV aus dem Jahr 2004, in der das (damals bereits untergetauchte) Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe abgebildet war und welche Folgerungen wurden hieraus gezogen? Welche zusätzlichen und neuen Erkenntnisse haben nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden seit dem 4. November 2011 über die Mitglieder des NSU und ihre möglichen Unterstützerinnen und Unterstützer auf welchem Wege gewonnen? Welche Erkenntnisse liegen den nordrhein-westfälischen Behörden zur Finanzierung des NSU-Kerntrios und zu Geldflüssen von oder zu Rechtsradikalen oder rechtsradikalen Netzwerken in Nordrhein-Westfalen und in anderen Bundesländern vor? Welche Erkenntnisse liegen den Behörden über Geldflüsse vom NSU (Kerntrio, Helferinnen und Helfer, Unterstützerinnen und Unterstützer, Sympathisantinnen und Sympathisanten) ins benachbarte Ausland vor? Welche Erkenntnisse haben die Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen über den Briefkontakt zwischen Zschäpe und R. S. und welche Erkenntnisse liegen über weitere/ähnliche Briefwechsel mit Rechtsradikalen in Nordrhein-Westfalen oder mit Bezug zu Nordrhein-Westfalen vor? 43 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2. Kooperation von Sicherheits- und Justizbehörden bei der Bekämpfung von Rechtsradikalismus und der Verfolgung politisch rechts motivierter Straftaten im Zusammenhang mit dem NSU 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 2.7. 2.8. 2.9. 2.10. 2.11. 2.12. 44 Wie gestaltete sich im Untersuchungszeitraum die Zusammenarbeit von Sicherheits- und Justizbehörden sowie zwischen den jeweils vorgesetzten Dienststellen bei der Bekämpfung von Rechtsradikalismus und der Verfolgung politisch rechts motivierter Straftaten? Welche Erkenntnisse hatten die nordrhein-westfälischen Behörden über die Tätigkeit von V-Personen des BfV, des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) oder von Polizei und Verfassungsschutz anderer Länder in Nordrhein-Westfalen? Welche gesetzlichen und/oder verwaltungsinternen Vorschriften gab es im Untersuchungszeitraum über die Zusammenarbeit zwischen dem nordrheinwestfälischen Verfassungsschutz und den nordrhein-westfälischen Polizeibehörden und die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden des Bundes und der Länder und mit dem BfV und den Verfassungsschutzbehörden der anderen Bundesländer? Welche Rechtsgrundlagen und internen Dienstanweisungen sind und waren für die Zusammenarbeit zwischen der Polizei Nordrhein-Westfalen und dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz maßgeblich? Sind alle datenschutzrechtlichen Vorschriften im Verhältnis Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaft eingehalten worden? Ist und wurde die Pflicht des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes nach § 18 Abs. 2 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden über Erkenntnisse zu informieren, verwaltungsintern konkretisiert und wie wird und wurde die Einhaltung dieser Pflicht in der Praxis sichergestellt? Ist und war der nordrheinwestfälische Verfassungsschutz berechtigt, unter Hinweis auf den Schutz seiner Quellen Informationen gegenüber Polizeibehörden zurückzuhalten und hat er dies in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand getan? Falls ja, in welchen Fällen? Wer war im Untersuchungszeitraum innerhalb des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes für die Entscheidung, ob Informationen an die Sicherheits- und Justizbehörden weitergegeben werden, zuständig und welche weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des nordrhein-westfälischen Innenministeriums waren ggfs. in welcher Form in diese Entscheidung eingebunden? Welche Speicher-, Prüf- und Löschungsvorschriften galten im Untersuchungszeitraum für die Akten des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes? Müssen und mussten aufgrund gesetzlicher Vorgaben auch interne Vermerke, Protokolle über Dienstbesprechungen etc. gelöscht werden? Falls ja, innerhalb welcher Fristen? Wurden Informationen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand gelöscht und um welche Informationen handelte es sich dabei jeweils? Wurde in diesem Zusammenhang gegen gesetzliche oder verwaltungsinterne Vorschriften verstoßen und gab es Bemühungen zur Datenrekonstruktion/Wiederbeschaffung? Hat der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz zu irgendeinem Zeitpunkt Löschungsmitteilungen betreffend Daten über die am 26. Januar 1998 untergetauchten Personen an andere Verfassungsschutzbehörden geschickt? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode 2.13. 2.14. 2.15. 2.16. 2.17. 2.18. 2.19. 2.20. 2.21. 2.22. 2.23. 2.24. 2.25. Drucksache 16/14400 Wie gestaltete sich im Untersuchungszeitraum die Zusammenarbeit zwischen dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzämtern des Bundes und der Länder und den weiteren Nachrichtendiensten des Bundes? Welche Rechtsgrundlagen und internen Dienstanweisungen sind und waren für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch des nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzes mit den Verfassungsschutzbehörden der anderen Bundesländer und dem BfV und den anderen Nachrichtendiensten des Bundes maßgeblich? Wer war im Untersuchungszeitraum innerhalb des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes zuständig für die Entscheidung, ob und welche Informationen an die Verfassungsschutzbehörden anderer Bundesländer und/oder das BfV weitergegeben werden und welche weiteren Personen waren ggfs. in welcher Form in diese Entscheidung eingebunden? Welche Berichtspflichten obliegen und oblagen dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz gegenüber anderen Abteilungen und der politischen Spitze des nordrhein-westfälischen Innenministeriums und inwieweit nimmt und nahm Letztere Einfluss auf die Arbeit und Schwerpunktsetzung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes? Nach welchen Kriterien erfolgt bzw. erfolgte die Information der politischen Spitze des nordrhein-westfälischen Innenministeriums? Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungsbeamtinnen und -beamten? Haben die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden der jeweils sachleitenden Staatsanwaltschaft sämtliche, auch die ihnen vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz oder anderen Verfassungsschutzbehörden bekannt gewordenen, Informationen übermittelt? Hat der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz Informationen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag direkt an die jeweils zuständige sachleitende Staatsanwaltschaft übermittelt? Falls ja, um welche Informationen hat es sich hierbei gehandelt und wie wurde sichergestellt, dass die Informationen in die Ermittlungen einfließen? Falls nein, aus welchen Gründen ist dies nicht erfolgt? Gab es jemals im Untersuchungszeitraum Auskunftsersuchen von Staatsanwaltschaften an den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz? Wenn ja, zu welchem Gegenstand, mit welchem Ergebnis und direkt oder über Polizeibehörden? Wenn nein, warum nicht? Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen der jeweils örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft und den vorgesetzten Dienststellen? Welche Rechtsgrundlagen und internen Dienstanweisungen bestanden im Untersuchungszeitraum über Art und Umfang von Berichten der Staatsanwaltschaften an den Generalstaatsanwalt (GenStA) und Art und Umfang von Berichten des GenStA an das Justizministerium? Wird und wurde der GenStA und dem Justizministerium regelmäßig über Ermittlungsverfahren mit rechtsradikalem Hintergrund berichtet und welche Berichte wurden bezogen auf den Untersuchungsgegenstand wann und mit welchem Inhalt abgegeben und wie haben der GenStA und das Justizministerium hierauf reagiert? Welche gesetzlichen Grundlagen und internen Dienstanweisungen bestanden im Untersuchungszeitraum für die Abgabe von Ermittlungsverfahren an den Generalbundesanwalt (GBA) und für die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes (BKA) und gab es im Zusammenhang mit dem Untersuchungs- 45 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gegenstand Meinungsverschiedenheiten zwischen den nordrhein-westfälischen Polizeibehörden, den Staatsanwaltschaften und dem GBA/BKA hierüber und falls ja, wegen welcher Fragen? 2.26. Welche Dateien werden und wurden von welchen Sicherheits- und Justizbehörden im Zusammenhang mit politisch rechts motivierten Straftaten geführt? Welche Erkenntnisse des BfV und des MAD über den Aufenthalt und die Aktivitäten von Mitgliedern oder mutmaßlichen Unterstützerinnen und Unterstützern des NSU in Nordrhein-Westfalen wurden welche nordrhein-westfälischen Behörden wann unterrichtet? 3. Mutmaßliche Aktivitäten des NSU in Nordrhein-Westfalen 3.1. Allgemeines 3.1.1. Welche Erkenntnisse haben welche nordrhein-westfälischen Sicherheitsund Justizbehörden sowie die jeweils vorgesetzten Dienststellen und die Landesregierung seit dem Untertauchen der mutmaßlichen NSU-Mitglieder Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe am 26. Januar 1998 über diese Personen erlangt und welche Maßnahmen haben sie daraufhin ergriffen? 3.1.2. Wann haben welche nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Justizbehörden von wem und wie Kenntnis von dem Untertauchen der oben genannten Personen und von dem gegen sie gehegten Verdacht der Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen erlangt und welche Behörde hat daraufhin welche Maßnahmen ergriffen? 3.1.3. Welche Erkenntnisse hatten nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden über Aufenthalte der oben genannten Personen in Nordrhein-Westfalen im Untersuchungszeitraum bzw. über Kontakte zu mutmaßlichen Unterstützerinnen und Unterstützern sowie Sympathisantinnen und Sympathisanten dieser Personen in Nordrhein-Westfalen und wie sind ggf. diese Erkenntnisse verwertet worden? 3.1.4. Haben das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, die Thüringer Polizei, die Thüringer Justiz oder die entsprechenden Behörden des Bundes oder anderer Länder im Zusammenhang mit den oben genannten Personen bzw. diesen Personen vorgeworfenen Straftaten oder anderen Aktivitäten je die nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Justizbehörden kontaktiert? Falls ja, was war Gegenstand dieser Kontaktaufnahmen und welche Maßnahmen sind daraufhin in Nordrhein-Westfalen eingeleitet worden? 3.1.5. Welche Erkenntnisse hatten die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden über die Zusammenarbeit von „Thüringer Heimatschutz“ und rechtsextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen aus Nordrhein-Westfalen sowie deren mögliche Verbindungen zu den mutmaßlichen Täterinnen und Tätern der Sprengstoff- bzw. Mordanschläge und deren möglichen Unterstützerinnen und Unterstützern in Nordrhein-Westfalen? 3.1.6. Mit welchen Mitteln haben der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz und nordrhein-westfälische Polizeibehörden ab dem 26. Januar 1998 Informationen über die untergetauchten Personen und ggf. ihre Unterstützerinnen und Unterstützer in Nordrhein-Westfalen gesammelt und welche Erkenntnisse konnten dadurch gewonnen werden? 3.1.7. Sind hierbei Informationen mittels sogenannter V-Leute und anderer menschlicher Quellen beschafft worden? Falls ja, wie viele dieser Personen wurden eingesetzt, wie wurden sie ausgewählt, wer hat sie „geführt“, auf welcher rechtlichen Grundlage wurden sie eingesetzt und welches Honorar bzw. welche geldwerten Vorteile haben sie jeweils erhalten? 46 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3.1.8. Welche Erkenntnisse haben der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz und nordrhein-westfälische Polizeibehörden durch den Einsatz sogenannter V-Leute und anderer menschlicher Quellen gewonnen und wie wurden die Erkenntnisse verwertet? 3.1.9. Hatten der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz und/oder nordrheinwestfälische Polizeibehörden Kenntnis davon, dass in der rechtsradikalen Szene ein Spiel namens „Pogromly“ verkauft wurde und der Erlös für die untergetauchten Personen bestimmt war? Falls ja, was haben sie in diesem Zusammenhang unternommen? 3.1.10. Gibt es t Hinweise, dass sich die Mitglieder der Terrorgruppe auch in Nordrhein-Westfalen aufgehalten haben – und sei es nur zu kurzen Besuchen? Gab es solche Hinweise auch schon zur Zeit der Taten? Standen alle solche Hinweise jeweils auch den Ermittlerinnen und Ermittlern zur Verfügung? 3.2. Sprengstoffanschlag in Köln am 19. Januar 2001 (Probsteigasse) 3.2.1. Beim Polizeipräsidium Köln wurde nach diesem Sprengstoffanschlag die Ermittlungskommission (EK) „Probst“ gegründet. Mit welchen personellen Ressourcen war die Ermittlungsgruppe „Probst“ im Verlauf der Ermittlungen besetzt und welche Bereiche innerhalb der Polizei wurden einbezogen? 3.2.2. Warum galt dieser Kräfteeinsatz als angemessen? 3.2.3. Warum wurde der Kräfteeinsatz nicht erhöht, als die Ermittlungen erfolglos blieben? 3.2.4. Warum wurden die Ermittlungen nicht wieder aufgenommen, als 2004 der Anschlag in der Keupstraße geschehen war und wurde ein Zusammenhang zwischen beiden Taten gesehen? 3.2.5. Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch das BKA vor, haben Gespräche mit dem BKA und ggf. dem GBA zur Übernahme der Ermittlungen stattgefunden und falls ja, auf wessen Initiative, und warum wurde das Verfahren nicht abgegeben? 3.2.6. Wann gab es welche Kontakte der Ermittlungsgruppe des Polizeipräsidiums Köln zum Landeskriminalamt (LKA) mit welchen Anfragen und welche unterstützenden Informationen und Maßnahmen haben das LKA und das BKA geleistet? 3.2.7. Welche Ermittlungsmaßnahmen (Spurenauswertung, Zeugenbefragung, Einsatz menschlicher Quellen, Telekommunikationsüberwachung etc.) wurden von der Ermittlungsgruppe „Probst“ konkret ergriffen und welche Ergebnisse haben sie jeweils erzielt? 3.2.8. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Herkunft der Einzelteile der Sprengstoffvorrichtung (Stollendose, Gaskartusche, Schwarzpulver etc.) sowie die Herkunft der Bauanleitung für die Sprengstoffkonstruktion aufzuklären? 3.2.9. Wurde die Anfrage des Polizeipräsidiums Köln an das nordrhein-westfälische Innenministerium, wie aus dem Abschlussbericht des Deutschen Bundestags hervorgeht, bearbeitet? An welche Abteilung im Innenministerium wurde diese Anfrage zur Beantwortung weitergeleitet und was war der Inhalt der Antwort an das Polizeipräsidium Köln? 3.2.10. Trifft es zu, dass der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz erst im Februar 2012 auf die Ähnlichkeit des ersten Phantombilds mit einem bekannten Kölner Rechtsradikalen aufmerksam wurde und wenn ja, unter welchen Umständen? Welche Maßnahmen und Ermittlungsschritte wurden in Bezug auf eine mögliche Tatbeteiligung dieses bekannten Kölner Rechtsradikalen eingeleitet? 47 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3.2.11. War der Anschlag in der Probsteigasse bei dem jährlichen auf Bundesebene beim BKA stattfindenden Erfahrungsaustausch der Sprengstoffermittlerinnen und -ermittler, an dem die nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Justizbehörden teilnahmen, Thema und wurde der Anschlag bei einem anderen Austausch auf Bund-Länder-Ebene diskutiert, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? 3.2.12. Hat sich der damalige Innenminister beziehungsweise sein Haus über die Ermittlungen in diesem ungewöhnlichen Fall informieren lassen? 3.2.13. Wie kam die Ermittlungsgruppe zu der Einschätzung, dass etwaige politische Gründe in Hinblick auf den iranischen Migrationshintergrund des Opfers und seiner Angehörigen eine Rolle für den Anschlag spielen könnten und weswegen wurden die Ermittlungen nicht ausreichend in Richtung eines rechtsradikalen Hintergrunds geführt? 3.2.14. Wie bewertete der Staatsschutz die Möglichkeit eines politischen Hintergrunds? 3.2.15. Lagen den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden Erkenntnisse über mögliche Verbindungen zur rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen bzw. zur Erkundung des Tatortes vor und wenn ja, welche? 3.2.16. Das LKA Nordrhein-Westfalen veranlasste nach der Tat zwar eine bundesweite Auswertung der Datei „Tatmittelmeldedienst Spreng- und Brandvorrichtungen“ beim BKA. Die Abfrage blieb jedoch erfolglos, weil das LKA sie auf das Tatbegehungsmittel „Druckgasflasche“ beschränkt hatte. Aus welchem Grund ist die Abfrage nicht um die Suchkriterien „rechtsradikal, männlich“ ergänzt worden, unter denen die Namen Böhnhardt und Mundlos bereits zu diesem Zeitpunkt in der Datei gespeichert waren. Wäre man bei weiteren Suchbegriffen auf die mutmaßlichen Täterinnen und Täter Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gestoßen? Wie wurden und werden die Beamtinnen und Beamten der Polizei im Umgang mit der Datei geschult? 3.2.17. Das Verfahren wurde bereits im Juni 2001 eingestellt. Wie wurde die Einstellung der Ermittlungen nur fünf Monate nach dem Anschlag begründet? 3.2.18. Aus welchen Gründen wurden sämtliche Asservate zu dem Anschlag bereits nach fünf Jahren vernichtet, obwohl die Verjährungsfrist für das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit schwerer Gesundheitsschädigung 20 Jahre beträgt und inwieweit entsprach dieses Verfahren den üblichen Verfahrensweisen? 3.2.19. Wer hat die Vernichtung der Asservate angeordnet und welche weiteren Stellen/Personen waren ggfs. in diese Entscheidung eingebunden? 3.2.20. In einem Bericht auf Süddeutsche.de vom 3. Juni 2014 heißt es in Bezug auf den Anschlagsort: „Auf dem Schild des kleinen Geschäfts stand ein deutscher Name, und die Probsteigasse ist – anders als die Kölner Keupstraße, wo der NSU im Jahr 2004 eine Nagelbombe explodieren ließ – keine Gegend, in der besonders viele Einwanderer wohnen.“ Ist diese Darstellung zutreffend? Falls ja, wie ist es zu erklären, dass untergetauchte Personen aus Jena ausgerechnet dieses Geschäft für einen gezielten Sprengstoffanschlag auswählten? 3.2.21. Welche Medienstrategie hatten die Justiz- und Sicherheitsbehörden im Umgang mit dem Anschlag aufgrund welcher Kriterien gewählt? 3.2.22. Welche Aktivitäten wurden von den Sicherheitsbehörden nach dem Nagelbombenanschlag am 9. Juni 2004 auf der Kölner Keupstraße in Bezug auf den Anschlag in der Probsteigasse entwickelt? 3.2.23. Haben die Sicherheitsbehörden bekannte Rechtsradikale, die in der Nähe zum Tatort entfernt wohnten oder wohnen, nach der Selbsttarnung des 48 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 NSU-Kerntrios auf eine mögliche Tatbeteiligung, Unterstützung oder sonstige Hilfeleistungen hin überprüft 3.3. Sprengstoffanschlag in Köln am 9. Juni 2004 (Keupstraße) 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3. 3.3.4. 3.3.5. 3.3.6. 3.3.7. 3.3.8. 3.3.9. 3.3.10. 3.3.11. 3.3.12. 3.3.13. Zur Organisation der Ermittlungen nach dieser ungewöhnlich schweren Tat gibt es unterschiedliche Darstellungen. Hat eine „Besondere Aufbau-Organisation“ (BAO), eine „Ermittlungskommission“ (EK) oder eine Mordkommission (MK) bestanden? Mit welchen personellen Ressourcen war die Ermittlungsgruppe „Sprengstoff“ im Verlauf der Ermittlungen besetzt und welche Bereiche innerhalb der Polizei wurden einbezogen? Warum galt das als angemessener Kräfteeinsatz? Hat ein Informationsaustausch zwischen dem Verfassungsschutz und der Polizei stattgefunden? Die EK „Sprengstoff“ hat umfassend im Umfeld der Opfer und Geschädigten ermittelt. Gab es den Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern und welchen Zweck verfolgte dieser und wurden darüber hinaus weitere menschliche Quellen des Verfassungsschutzes oder der Polizei sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene gezielt zur Informationsbeschaffung in der Keupstraße zum Tatzeitpunkt oder in Folge der Tat eingesetzt? Welche Eindrücke und Einschätzungen herrschten bei der Kölner Polizei über die Keupstraße vor und erfolgte aufgrund dieser Eindrücke und Einschätzungen eine Vorfestlegung auf organisierte Kriminalität im migrantischen Milieu als mutmaßlicher Tathintergrund? Warum wollte man die Öffentlichkeit im Rahmen der Medienstrategie nicht über eine möglicherweise vorliegende rassistische Motivation informieren? Zu diesem Anschlag hat die Polizei „Operative Fallanalysen“ erarbeitet. Deren Befund soll gewesen sein, bei den Tätern handele es sich um zwei menschenverachtende Täter, die einen ausgeprägten Hass gegen die türkische Gemeinschaft hätten, die aus persönlichen Motiven handelten und hinter denen keine größere Organisation stehe. Ist das zutreffend? Wer hat „Operative Fallanalysen“ ausgewertet? Führten die Analyse-Ergebnisse zu einer Neubewertung der Ermittlungsrichtungen? Warum wurde gezielt in Richtung organisierte Kriminalität im migrantischen Milieu ermittelt, obwohl aufgrund der Videoaufnahmen die Täterbeschreibungen davon ausgingen, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern um „Europäer“, die phänotypisch nicht der türkeistämmigen migrantischen Community zugeordnet wurden, handelte? Warum wurden die Ermittlungen nicht ausreichend in Richtung eines möglichen rechtsradikalen Hintergrunds geführt, insbesondere angesichts der migrantischen Prägung der Keupstraße, und obwohl es neben dem Flugblatt, das in der Kölner Straßenbahnlinie 16 gefunden wurde, auch einige konkrete Hinweise auf Personen aus der rechtsradikalen Szene gab? Warum spielte das Dossier der britischen Kriminalpolizei, in welchem der Anschlag in der Keupstraße mit den Copeland-Bombings in London verglichen wurde, keine ausreichende Berücksichtigung in den Ermittlungen? Warum wurde das Dossier des BfV mit dem Vergleich zur Serie von Sprengstoffanschlägen des D. C. in London nicht in die Ermittlungen einbezogen und wurde dieses Dossier der Abteilung Verfassungsschutz im MIK übergeben? Falls ja, warum wurde es von dort nicht an die ermittelnde Polizei weitergeleitet? 49 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3.3.14. Das BKA führt seit 1988 eine Zentraldatei „Sprengstoff- und Branddelikte“, in der Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wegen ihrer in Thüringen vor ihrem Untertauchen 1998 begangenen Sprengstoffanschläge gespeichert sind. Dort sind auch viele Merkmale gespeichert, einschließlich Bilder, wenn es sie gibt. Wie wurde der Tatmittelmeldedienst des BKA nach dem Sprengstoffanschlag durch die Polizei Nordrhein-Westfalen genutzt? Wurden und werden die Polizeibeamtinnen und -beamten im Umgang mit der Datei geschult? 3.3.15. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Abfrage des LKA beim Tatmittelmeldedienst des BKA im Fall Keupstraße unzureichend war? Der Untersuchungsausschuss des Bundestages schätzt es als „vergebene Chance“ ein, dass angesichts der Videobilder nicht die Suchbegriffe „rechtsradikal, männlich, Koffer“ abgefragt wurden. Ist eine solche Abfrage unterblieben und wenn ja, warum? 3.3.16. Wurden die offenen Abfragemöglichkeiten im Tatmittelmeldedienst jemals nachgefragt - gegebenenfalls, als andere Ermittlungsansätze nicht zum Erfolg geführt hatten? 3.3.17. Wurde insbesondere überprüft, ob die vorhandenen Videobilder bundesweit Ermittlungsansätze ergeben könnten? 3.3.18. Aus der Dokumentation des Lagezentrums der Polizei Nordrhein-Westfalen zu den ersten 30 Stunden nach dem Anschlag ist zu entnehmen, dass dort um 17:09 Uhr ein Schreiben des LKA einging. In dieser ersten Reaktion ging das LKA unter Bezugnahme auf „Terroristische Gewaltkriminalität“ von einem Anschlag aus. Um 17:25 Uhr wurde der damalige Innenminister vom Lagezentrum informiert. Um 17:36 Uhr schrieb das Lagezentrum an das LKA und bat um Streichung des Begriffes „terroristischer Anschlag“ aus dem Schriftverkehr. Dieser Bitte kam das LKA kurz darauf nach. Wer hat das Lagezentrum zur Weitergabe der Weisung veranlasst, nicht mehr von „Terror“ zu sprechen? 3.3.19. Warum geschah das kurz nachdem der Minister informiert worden war? 3.3.20. Beruhte die Streichung des Begriffs auf einer politischen Einflussnahme durch den damaligen Landesinnenmister Dr. Fritz Behrens oder einer anderen Person und hatte diese Auswirkungen auf die Ermittlungen? Wer hat mit wem über diese Weisung gesprochen? 3.3.21. Wer hat mit wem über diese Weisung gesprochen? 3.3.22. Hat es eine Sprachregelung gegeben? 3.3.23. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der damalige nordrheinwestfälsche Innenminister Dr. Fritz Behrens und der damalige Bundesinnenminister Otto Schily sich bereits kurz nach dem Anschlag übereinstimmend darauf festlegten, dass die Tat keinen rechtsradikalen Hintergrund habe, erste Ermittlungsergebnisse würden auf einen kriminellen Hintergrund des Anschlags hindeuten. Otto Schily hat seine damaligen Äußerungen inzwischen als schweren Fehler bedauert. Eine gemeinsame Erklärung beider Minister soll es aber nicht gegeben haben. Trifft das zu? 3.3.24. Haben die beiden Minister oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus ihrem Umfeld hinsichtlich der abgegebenen Erklärungen Kontakt gehabt oder die Inhalte der Stellungnahmen besprochen oder abgestimmt? 3.3.25. Lässt sich nachvollziehen, welche „ersten Ermittlungsergebnisse“, die auf einen kriminellen Hintergrund deuteten, eigentlich gemeint waren? 3.3.26. War der damalige Ministerpräsident informiert und in diese Absprache eingebunden? 50 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3.3.27. Wie der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages feststellte, rief bereits am Tattag um 19:53 Uhr ein Mitarbeiter des BfV, der Beschaffungsleiter Rechtsextremismus, im Lagezentrum der Polizei an und bat um Kontaktherstellung mit jemandem von der Abteilung 6 des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen. Der Anrufer aus dem BfV erinnert sich heute nicht mehr an den Inhalt dieses Gesprächs. Seinen Terminkalender aus dem Jahr 2004, in dem er stichwortartig Termine, Gespräche und Telefonate festgehalten habe, habe er2006 vernichtet. Welche Informationen über dieses Gespräch liegen dem nordrhein-westfälischen Innenministerium vor? 3.3.28. Worauf stützte sich die von dem Leitenden Polizeidirektor K. bei einer Pressekonferenz am 10. Juni 2004 geäußerte Einschätzung, dass es keine Erkenntnisse für eine terroristische oder fremdenfeindliche Motivation gebe? 3.3.29. Lässt sich aus Unterlagen nachvollziehen, warum weder der zuständige Landesinnenminister noch der damalige Ministerpräsident sich in der Folgezeit zu diesem – doch sehr außergewöhnlichen – Fall geäußert haben? 3.3.30. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die von Landes- und Bundesinnenminister frühzeitig vorgenommene Einschätzung „kein fremdenfeindlicher Hintergrund“ Auswirkungen auf die Schwerpunktsetzung der polizeilichen Ermittlungen hatte? 3.3.31. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Landesinnenminister oder sein Haus darauf hingewirkt haben, trotz dieser öffentlichen Erklärungen ergebnisoffen in alle Richtungen zu ermitteln? 3.3.32. Im Untersuchungsausschuss des Bundestages wurde die Frage angesprochen, ob das BKA die Ermittlungen in Köln unterstützt habe. Die sonst durchaus widersprüchlichen Angaben der Zeugen stimmen nach den Berichten darüber in dem Punkt überein, dass jedenfalls eine Unterstützung durch Beamtinnen und Beamte der Staatsschutzabteilung des BKA nicht erwünscht gewesen sei. Ist das zutreffend? 3.3.33. Welchen Grund gab es dafür, gerade die bei einem Bombenanschlag wohl am ehesten naheliegende Expertise des BKA nicht einzubeziehen? 3.3.34. Aus der Dokumentation des Lagezentrums der Polizei Nordrhein-Westfalen zu den ersten 30 Stunden nach dem Anschlag ist zudem bekannt, dass der damalige Landesinnenminister am Tag der Tat um 21:03 Uhr beim Lagezentrum anrief und fragte, warum der Verfassungsschutz in die Ermittlungen eingeschaltet sei. Nur vier Minuten später kam ein Gespräch zwischen ihm und dem zuständigen Leitenden Kriminaldirektor zustande. Was war Gegenstand des Gesprächs? 3.3.35. Am gleichen Abend – das geht ebenfalls aus der Dokumentation hervor – hatten Rechtsextremismus-Experten von Bundes- und Landesverfassungsschutz unter Vermittlung des Lagezentrums miteinander Kontakt. Was war Gegenstand des Informationsaustausches? 3.3.36. Das BfV erstellte damals gerade eine kurz nach der Tat veröffentliche Schrift zur Frage der Gefährdung durch Rechtsterrorismus, die auch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe erwähnt. Wurde die Expertise des BfV für die Ermittlungen genutzt und bundesweit nach möglichen Täterinnen und Tätern gesucht? 3.3.37. Ist es zutreffend, dass das BfV sich auf der Homepage der Kölner Polizei über den Anschlag informierte? 3.3.38. Mit Schreiben vom 14. November 2012 wandte sich Herr A. D., Inhaber eines Ladengeschäfts in der Keupstraße an den NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. In seinem Schreiben schilderte Herr A. D., er habe unmittelbar nach dem Anschlag zwei zivil gekleidete Polizeibeamte in der Keupstraße wahrgenommen. Die beiden Zivilbeamten seien 51 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aufgrund ihrer Schulterholster und Bewaffnung als solche erkennbar gewesen. Auf Anfrage hat das Ministerium für Inneres und Kommunales dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages dazu mit Schreiben vom 6. Februar 2013 mitgeteilt, dass es sich bei den von Herrn A. D. wahrgenommenen Polizeibeamten um PHK B. und PK V. „gehandelt haben dürfte“. Nachdem Herrn A. D. Fotos von PHK B. und PK V. vorgelegt wurden, erklärte er, dass dies nicht die beiden Polizeibeamten seien, die er am Tatort gesehen habe. Welche weiteren Ermittlungen sind in der Zwischenzeit angestellt worden, um die Identität der von Herrn A. D. wahrgenommenen Polizeibeamten zu klären? Welchen Auftrag hatten die beiden Zivilbeamten zum Zeitpunkt ihres Einsatzes auf der Keupstraße? 3.3.39. Bei dem Anschlag in der Keupstraße ist möglicherweise mindestens einer der Täter den Polizisten PHK B. und PK V., die als erstes am Tatort eingetroffen sein sollen, begegnet. Keiner der beiden Beamten wurde damals jedoch zu eventuellen Wahrnehmungen befragt; dies geschah unverständlicherweise erstmalig 2013 und nur wegen der anstehenden Vernehmung dieser Polizisten durch den Bundestagsuntersuchungsausschuss. Weiterhin erklärten beide Beamten vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, ihnen seien die Videos der Überwachungskameras nicht gezeigt worden. Aus welchen Gründen wurden PHK B. und PK V. zu keinem früheren Zeitpunkt zu ihren Wahrnehmungen befragt bzw. mit den Videoaufnahmen der Überwachungskameras konfrontiert? 3.3.40. Lagen den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden Erkenntnisse über mögliche Verbindungen zur rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen bzw. zur Erkundung des Tatortes vor und wenn ja, welche? 3.3.41. Haben die Sicherheitsbehörden bekannte Rechtsradikale, die in der Nähe zum Tatort wohnten oder wohnen, nach der Selbsttarnung des NSU-Kerntrios auf eine mögliche Tatbeteiligung, Unterstützung oder sonstige Hilfeleistungen hin überprüft? 3.4. Mord an M. K. in Dortmund am 4. April 2006 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.4.5. 3.4.6. 3.4.7. 52 Die Taten der „Česká-Mordserie“ sind durch die verwendete Waffe klar als Serie erkennbar gewesen. Ungefähr einen Monat nach der Tat in Dortmund wurde durch das Kommissariat „Operative Fallanalyse Bayern“ eine zweite operative Fallanalyse zur Mordserie Česká erstellt. In dieser Fallanalyse wurde die sogenannte Einzeltätertheorie entwickelt. Hatte diese operative Fallanalyse Auswirkungen auf die Ermittlungen in Dortmund? Wurde gezielt ein rassistischer Hintergrund der Tat überprüft? Wurde nach möglichen Unterstützerinnen und Unterstützern einer solchen Tat unter Dortmunder Rechtsradikalen gefahndet? Mit welchen personellen Ressourcen war die „BAO Kiosk“ im Verlauf der Ermittlungen besetzt und welche Bereiche innerhalb der Polizei wurden einbezogen? Warum galt das als angemessener Kräfteeinsatz? Wie hat sich das Land Nordrhein-Westfalen bei der Diskussion auf BundLänder-Ebene über eine Übernahme des zentralen Ermittlungsverfahrens durch das BKA positioniert? Hat ein Informationsaustausch zwischen dem Verfassungsschutz und der Polizei stattgefunden? Wurden V-Personen oder andere menschliche Quellen aus dem Raum Dortmund von Polizei und Verfassungsschutz nach der Tat über mögliche Informationen dazu befragt und wenn ja, mit welchem Ergebnis? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode 3.4.8. 3.4.9. 3.4.10. 3.4.11. 3.4.12. 3.4.13. 3.4.14. 3.4.15. 3.4.16. 3.4.17. 3.4.18. Drucksache 16/14400 Wurden V-Personen oder andere menschliche Quellen des Verfassungsschutz oder der Polizei gezielt zur Informationsbeschaffung in der Dortmunder Nordstadt zum Tatzeitpunkt oder in Folge der Tat eingesetzt und wenn ja, mit welchem Zweck? Wurde im Rahmen der Ermittlungen untersucht, welche Kenntnisse die Täterinnen und Täter über die Videokamera im Laden des Opfers hatten und ob diese wussten, dass die Kamera nicht angeschlossen war und wenn ja, woher sie diese Information hätten haben können? Wurde im Rahmen der Ermittlungen untersucht, wie die Täterinnen und Täter auf den Kiosk an einem eher abgelegenen Standort aufmerksam wurden? Aus welchem Grund wurde nicht ausreichend in Richtung rechtsradikaler Hintergrund ermittelt? Warum wurde der Aussage der Zeugin D., dass sie zwei Männer mit Fahrrädern gesehen habe, die aussähen wie „Junkies“ oder „Nazis“, nicht ausreichend nachgegangen? Gab es Belege für die Aussagen der polizeilichen V-Person Heidi, dass Heidi bereits im April 2006 eine Information über ein mutmaßliches Gespräch über Waffen zwischen T. S. und einer weiteren Person, die Heidi im November 2011 als Mundlos identifiziert habe, an die Polizei gegeben hat? Wurden aufgrund des Briefwechsels zwischen Zschäpe und R. S. im Nachhinein bisher nicht bekannte Verbindungen des NSU zur rechtsradikalen Szene in Dortmund, insbesondere zur „Oidoxie Streetfighting Crew“ und „Blood & Honour“ untersucht? Welche Hinweise und Erkenntnisse lagen den Sicherheitsbehörden über mögliche Verbindungen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos sowie weiterer mutmaßlicher Helferinnen und Helfer des NSU zur rechtsradikalen Szene in Dortmund vor? Wie wurde das Ausklammern eines möglichen rechtsradikalen Hintergrunds der Tat in der Medienstrategie der Sicherheitsbehörden begründet? Eine Zeugin hat am Tatort in Dortmund Radfahrer gesehen. Radfahrer wurden auch bei anderen Taten der Terrorgruppe gesehen – so beim Mord an İ. Y. 2005 in Nürnberg und beim Sprengstoffanschlag in Köln 2004. Von den Attentätern in der Keupstraße in Köln gab es Videobilder. Wurde eine Verbindung zwischen den Ermittlungen in Köln, Nürnberg und Dortmund hergestellt? Gab es in Dortmund Zeuginnen und Zeugen, denen diese Videobilder gezeigt wurden? Haben die Sicherheitsbehörden bekannte Rechtsradikale, die in der Nähe zum Tatort wohnten oder wohnen, nach der Selbsttarnung des NSU-Kerntrios auf eine mögliche Tatbeteiligung, Unterstützung oder sonstige Hilfeleistungen hin überprüft? Gibt es Hinweise, dass diese Rechtsradikalen Kontakt zu Mitgliedern bzw. Personen aus dem Umfeld der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ hatten? 3.5. Weitere ungeklärte Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund 3.5.1. Welche Hinweise liegen über mögliche Verbindungen zwischen M. B., der am 14. Juni 2000 drei Polizisten in Dortmund und Waltrop ermordete, und dem NSU vor? Welche Ermittlungen haben dazu seit dem 4. November 2011 stattgefunden? 3.5.2. Welche Hinweise liegen über mögliche Verbindungen der Täterinnen und Täter des Sprengstoffanschlags am 27. Juli 2000 auf den S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn und dem NSU vor? Welche Ermittlungen haben dazu seit 53 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dem 4. November 2011 stattgefunden? Ist man bei den damaligen Ermittlungen von einem rechtsradikalen Hintergrund ausgegangen? Welche konkreten Ermittlungen wurden in Richtung rechtsradikale Szene unternommen? Gab es dazu einen Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz? Wann wurde das Verfahren eingestellt und warum? 4. „Corelli“/ “Heidi“ 4.1. „Corelli“ 4.1.1. 4.1.2. 4.1.3. 4.1.4. 4.1.5. 4.1.6. 4.1.7. 4.1.8. 4.1.9. 4.1.10. 4.1.11. 4.1.12. 4.1.13. 4.1.14. 4.1.15. 4.1.16. 54 Wann, zu welchem Zweck und für wie lange hat sich Corelli im Untersuchungszeitraum wo in Nordrhein-Westfalen aufgehalten? Welche Erkenntnisse liegen zu Verbindungen zwischen Corelli und Mitgliedern des NSU bzw. Personen aus dem Umfeld des NSU vor? Welche Erkenntnisse liegen zu Verbindungen zwischen Corelli und rechtsradikalen Gruppierungen bzw. Personen in Nordrhein-Westfalen vor? Wann genau verstarb Corelli unter welchen Umständen? Ist die festgestellte Todesursache nachvollziehbar auf Grund von Ergebnissen seiner vorherigen gesundheitlichen Untersuchungen? Wann genau wurde Corelli nach seinem Tod von wem aufgefunden? Welche Beamtinnen und Beamten welcher nordrhein-westfälischen Behörden wurden von wem zum Auffindeort gerufen? Wie und wann informierte die Behörde, die zuerst von Corellis Tod Kenntnis nahm, welche anderen Behörden? Wann und durch wen wurden das Polizeipräsidium Bielefeld und die Staatsanwaltschaft Paderborn eingeschaltet? Welche Behörden haben die Ermittlungen zur Feststellung der Todesursache geführt? Wie wurde Corellis Leichnam wann und durch wen identifiziert? Welche gerichtsmedizinischen Untersuchungen zur Feststellung der Todesursache wurden wann durchgeführt und wann waren diese Untersuchungen mit welchen Ergebnissen abgeschlossen? Wurde eine toxikologische Untersuchung des Leichnams von Corelli durchgeführt? Falls ja, wann genau wurde diese toxikologische Untersuchung durchgeführt und mit welchem Ergebnis? Wann und durch wen ist die Presse/Öffentlichkeit darüber informiert worden, dass Corelli an den Folgen „einer zuvor nicht erkannten Diabetes-Erkrankung“ gestorben sei (vgl. DER SPIEGEL vom 14. April 2014) und waren die toxikologischen Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen? Wann genau und durch wen wurden die Angehörigen von Corelli über dessen Tod informiert und trifft es zu, dass sie nicht zu dessen Identifizierung hinzugezogen worden sind und von seinem Tod erst aus den Medien erfahren haben? Welche Erkenntnisse lagen den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden zur Gefährdungslage von Corelli Anfang des Jahres 2014 vor? Wann und wie haben nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden erstmals Kenntnis von der namentlichen Erwähnung des NSU in dem Vorwort des Szenemagazins „Der weiße Wolf“ erhalten? Liegen den nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Justizbehörden Erkenntnisse darüber vor, von wem die Post an das rechte Szenemagazin „Der weiße Wolf“ stammte, die zur Erwähnung des NSU geführt hat? Falls die diesbezüglichen Spuren nach Nordrhein-Westfalen führen: Ist ihnen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nachgegangen worden, ggfs. mit welchem Ergebnis? Falls den Spuren nicht nachgegangen wurde, warum nicht? 4.1.17. Wann und wie haben nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden erstmals Kenntnis von der CD mit dem Titel „NSU/NSDAP“ erhalten? 4.1.18. Welche Erkenntnisse liegen den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden über Urheber, Herstellung, Vertrieb und Verbreitung der genannten CD vor? 4.1.19. Hat es in den nordrhein-westfälischen Behörden eine genaue Überprüfung gegeben, ob Exemplare weiterer Datenträger mit möglichen Hinweisen auf den NSU in den Archiven vorhanden sind? 4.2. „Heidi“ 4.2.1. 4.2.2. 4.2.3. 4.2.4. 4.2.5. 4.2.6. 4.2.7. Welche Erkenntnisse liegen den nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Justizbehörden zu Verbindungen zwischen der Vertrauensperson Heidi und Mitgliedern des NSU bzw. Personen aus dem Umfeld des NSU vor? Welche Erkenntnisse liegen zu Verbindungen zwischen der Vertrauensperson Heidi und rechtsradikalen Gruppierungen bzw. Personen in NordrheinWestfalen vor? Welche Erkenntnisse liegen zu Verbindungen zwischen der Vertrauensperson Heidi und T. S. vor? Welche Erkenntnisse liegen nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Justizbehörden über die Aussagen der Vertrauensperson Heidi bezüglich eines Zusammentreffens mit Mundlos und einer weiteren Person aus der rechtsradikalen Szene am Dortmunder Hauptbahnhof drei Tage vor der Ermordung M. K. vor („Taxifahrerspur“)? Welche Erkenntnisse liegen nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Justizbehörden über die Aussage der Vertrauensperson Heidi bezüglich eines Waffenaustausches vor? Welche Maßnahmen sind von Seiten der nordrhein-westfälischen Sicherheits-und Strafverfolgungsbehörden bezüglich dieser „Taxifahrerspur“ getroffen worden? Welche weiteren Maßnahmen sind von Seiten der nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden getroffen worden, um die von der Vertrauensperson Heidi behauptete Anwesenheit von Mundlos und ggfs. weiteren NSU-Mitgliedern ab dem 1. April 2006 in Dortmund zu untersuchen? 5. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse 5.1. 5.2. 5.3. Wurde das Parlamentarische Kontrollgremium des Landtags vom nordrhein-westfälischen Innenministerium vor dem 4. November 2011 über die Möglichkeit eines rechtsradikalen oder rechtsterroristischen Hintergrunds der beiden Sprengstoffanschläge in Köln und des Mordes an M. K. in Dortmund sowie der in diesem Zusammenhang durchgeführten Maßnahmen und Erkenntnisse des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes hierzu informiert? Falls ja, wann und mit welchen Inhalten, falls nein, warum nicht? Sind im Laufe der Ermittlungen zu den beiden Sprengstoffanschlägen in Köln und des Mordes an M. K. in Dortmund Maßnahmen im Sinne des sog. G-10-Gesetzes durchgeführt worden? Falls ja, gegen welche Personen, und wurde der G-10-Kommission des Landtags hierüber berichtet? Haben im Laufe der Ermittlungen seit dem Untertauchen des Trios nachrichtendienstliche Maßnahmen des BfV oder der Verfassungsschutzämter 55 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 anderer Bundesländer in Nordrhein-Westfalen stattgefunden, die nicht vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz veranlasst worden sind? Falls ja, um welche Maßnahmen handelte es sich dabei und von wem wurden sie veranlasst? 6. Ermittlungsmaßnahmen im Umfeld der Opfer 6.1. 6.2. 6.3. 6.4. Gab es im Zusammenhang mit Maßnahmen im Umfeld der Angehörigen Beschwerden über diese Ermittlungsmethoden und das Verhalten der Ermittlerinnen und Ermittlern? Falls ja, wie wurde diesen nachgegangen? Trifft es zu, dass verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler, V-Leute oder andere menschliche Quellen des Verfassungsschutzes oder der Polizei unter Legenden getarnt an die Angehörigen der Opfer herangetreten sind? Falls ja, um welche Maßnahmen handelte es sich hierbei im Einzelnen und welche Ermittlungsstrategie lag diesem Vorgehen zu Grunde? War die zuständige Staatsanwaltschaft hierüber informiert? Welche Erkenntnisse haben die Ermittlungsbehörden jeweils daraus gewonnen? 7. Maßnahmen zur Aufklärung der NSU-Taten durch nordrhein-westfälische Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie durch die jeweils vorgesetzten Dienststellen und die Landesregierung seit dem 4. November 2011 7.1. 7.2. 7.3. 7.4. Hat es in Nordrhein-Westfalen nach dem 4. November 2011 eigenständige Ermittlungsbemühungen zur Aufarbeitung des Fallkomplexes NSU gegeben? Falls nein, warum nicht? Wann und auf wessen Initiative sind die Ermittlungen wegen der beiden Sprengstoffanschläge in Köln, des Mordes an M. K. und weiterer ungeklärter Straftaten mit einem mutmaßlich rechtsradikalen Hintergrund in Nordrhein-Westfalen wieder aufgenommen worden und sind die früheren Sonderkommissionen bzw. BAOen wieder reaktiviert worden? Welche bislang ungeklärten, vollendeten und versuchten Tötungsdelikte hat die AG Fallanalyse des Gemeinsamen Abwehrzentrums Rechts im Hinblick auf Nordrhein-Westfalen bisher untersucht und welche Ergebnisse wurden dabei jeweils erzielt? Aus welchem Grund ist bei der Zusammenstellung der Liste von Verantwortlichen für den NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages im Juli 2012 in Köln zunächst eine kurzzeitig bestehende BAO „vergessen“ worden, wann wurde dieser Fehler korrigiert? VI. Schlussfolgerungen Der Untersuchungsausschuss soll zudem prüfen, 1. welche Schlussfolgerungen im Blick auf den Rechtsextremismus für die Struktur und Organisation der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen, für die Zusammenarbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden auf Bundes- und Landesebene und für die Gewinnung und den Austausch von Erkenntnissen der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des Bundes und der Länder gezogen werden müssen; 2. ob und wie bei Ermittlungsmaßnahmen Leid für die Opfer von Straftaten und deren Angehörigen wirksamer vermieden werden muss und kann; 56 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3. ob und wie die Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt in allen Bereichen (Repression, Prävention, Sensibilisierung der verantwortlichen Stellen) verbessert werden muss und kann; 4. ob es eine Anpassung der gesetzlichen Löschfristen von Daten der Sicherheitsbehörden sowie der Fristen zur Vernichtung von Asservaten unter den geltenden Bestimmungen des Datenschutzrechtes geben muss und ob ausreichender Platz zur Lagerung von Asservaten zur Verfügung bestand und besteht? Zur Erarbeitung und Bewertung der Handlungsempfehlungen sind die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses des Bundestages und die gewonnenen Erkenntnisse der von dem nordrhein-westfälischen Innenministerium beauftragten Analyse von Herrn Dieter Schubmann-Wagner einzubeziehen. VII. Teilweiser und vollständiger Abschlussbericht Der Untersuchungsausschuss wird beauftragt, nach Abschluss seiner Untersuchungen dem Landtag gemäß § 24 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen einen Abschlussbericht vorzulegen. Der Abschlussbericht erfolgt schriftlich. Darüber hinaus kann der Landtag oder der Antragsteller jederzeit einen Bericht, über in sich abgeschlossene und kohärente Sachverhalte, die in Gemäßheit des Einsetzungsbeschlusses getrennt werden können, ohne dass der Einsetzungsbeschluss in seiner Gänze betroffen wird und nicht dadurch eine vorweggenommene Beweiswürdigung verursacht, anfordern. VIII. Einholung externen Sachverstandes Der Untersuchungsausschuss kann jederzeit externen Sachverstand einholen, sofern dieser zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist und im unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag steht. Ebenso darf externer Sachverstand zur Klärung von Fragestellungen in Anspruch genommen werden, wenn Rechte des Untersuchungsausschusses oder damit in Verbindung stehende Verfahrensfragen von grundlegender oder auch situativer Notwendigkeit betroffen sind, ohne deren Beantwortung ein Fortführen der Untersuchung nicht möglich ist. Die hierzu notwendigen Mittel sind dem Ausschuss zu gewähren. IX. Ausstattung und Personal Dem Untersuchungsausschuss und den Fraktionen werden bis zum Ende des Verfahrens zur Verfügung gestellt: 1.) Allen Fraktionen und den Mitarbeitern des Ausschusses werden erforderliche Räume in einem Gebäude des Landtags nebst Büroausstattung (Mobiliar und PC) zur Verfügung gestellt. 2.) Dem Ausschuss und dem /der Vorsitzenden wird gestellt: Die erforderlichen personellen und sachlichen Mittel für die Arbeit des PUA a) zunächst 57 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode aa) bb) Drucksache 16/14400 1,5 Stellen für Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter des höheren Dienstes eine weitere personelle Unterstützung aus dem höheren/gehobenen Dienst sowie aus dem Assistenzbereich b) Der Landtag behält sich vor, weitere personelle und sachliche Mittel für die Arbeit des PUA insbesondere aufgrund von Geheimschutzbestimmungen anzufordern. Diese können sich u.a. ergeben aus möglichen baulichen Erfordernissen und zusätzlichen Sicherheitsanforderungen an die Aktenverwaltung. Die Anforderung erfolgt durch die Landtagspräsidentin mit Zustimmung des Ältestenrats. 3.) Den fünf Fraktionen im Landtag werden gestellt: a) Die erforderlichen Mittel für je 1,5 Stellen für Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter des höheren Dienstes b) Eine Halbtagskraft zur Assistenz Bezogen auf die Abrechnung können wahlweise Pauschalbeträge bis zur Verabschiedung des Untersuchungsausschussberichts je angefangenen Monat der Tätigkeit gewährt werden. Alternativ werden die Kosten des tatsächlichen Personaleinsatzes abgerechnet. 2. Personelle Zusammensetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses a. Drucksache 16/7182 Der folgende Wahlvorschlag aller Fraktionen wurde in der Plenarsitzung am 04.11.2014 - bei einer Enthaltung bei der Fraktion der PIRATEN - einstimmig angenommen (Drs. 16/7182). Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III und Wahl des Vorsitzenden - zu Drucksache 16/7148 (Neudruck) 1. Es werden folgende Mitglieder des Landtags in den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gewählt: Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder SPD Walburga Benninghaus Andreas Bialas Andreas Kossiski Thomas Stotko Ibrahim Yetim SPD Britta Altenkamp Hans-Willi Körfges Angela Lück Bernhard von Grünberg Serdar Yüksel CDU Peter Biesenbach Serap Güler Heiko Hendriks CDU Jens Kamieth Christian Möbius Peter Preuß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Monika Düker Verena Schäffer FDP Dr. Joachim Stamp 58 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arif Ünal Jutta Velte FDP Marc Lürbke LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode PIRATEN Birgit Rydlewski Drucksache 16/14400 PIRATEN Dirk Schatz 2. Zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird gewählt: Nadja Lüders MdL 3. Zum stellvertretenden Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird gewählt: Peter Biesenbach MdL Zu 1. Gemäß § 4 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 1984 (GV.NW.1985, S. 26), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. November 2004 (GV. NRW S. 684) setzt sich der Untersuchungsausschuss aus ordentlichen Mitgliedern und der gleichen Zahl von stellvertretenden Mitgliedern zusammen, die vom Landtag gewählt werden. Die Zahl der Mitglieder des Untersuchungs-ausschusses bestimmt der Landtag. Dem Untersuchungsausschuss können nur Mitglieder des Landtags angehören. In dem Untersuchungsausschuss muss jede Fraktion vertreten sein. Die Sitze werden auf die Fraktionen unter Berücksichtigung ihrer Stärkenverhältnisse verteilt; dabei muss gewährleistet sein, dass die Mehrheitsverhältnisse im Untersuchungsausschuss den Mehrheitsverhältnissen im Landtag entsprechen. Zu 2. und 3. Gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes wählt der Landtag den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter. Der Vorsitzende und der Stellvertreter müssen verschiedenen Fraktionen angehören, unter denen sich eine Regierungsfraktion und eine Oppositionsfraktion befinden müssen. Gemäß § 4 a des Gesetzes ist der Vorsitzende im Ausschuss nicht stimmberechtigt. Auf die Zahl der gewählten Mitglieder nach § 4 Abs. 1 wird er nicht angerechnet. Gemäß § 4 b besitzt der stellvertretende Vorsitzende bei Verhinderung der Vorsitzenden dessen Rechte und Pflichten. Übt er die Aufgaben des Vorsitzenden aus, ist er im Untersuchungsausschuss nicht stimmberechtigt; seine Rechte und Pflichten als ordentliches Mitglied werden so lange von einem stellvertretenden Mitglied aus seiner Fraktion wahrgenommen. b. Drucksache 16/8474 - Nachwahl Vorsitzender Der folgende Wahlvorschlag der Fraktion der SPD wurde in der Plenarsitzung am 22.04.2015 angenommen (Drs. 16/8474). Wahl des Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III - zu Drucksache 16/7148 Zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III wird gewählt: Sven Wolf MdL als Nachfolger von Frau Nadja Lüders MdL. 59 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die zuerst eingesetzte Vorsitzende, Nadja Lüders (SPD), hat am 23. März 2015 ihren Rücktritt vom Vorsitz erklärt, nachdem sie bekannt gegeben hatte, dass sie den zum Untersuchungsauftrag gehörenden Michael Berger in einer Kündigungsschutzklage als Rechtsanwältin vertreten hatte. c. Drucksache 16/10852 - Nachwahl stellvertretendes Mitglied Der folgende Wahlvorschlag der Fraktion FDP wurde in der Plenarsitzung am 21.01.2016 angenommen (Drs. 16/10852). Nachwahl eines stellvertretenden Mitgliedern des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III (NSU) In den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss III (NSU) wird als stellvertretendes Mitglied Yvonne Gebauer als Nachfolgerin von Herrn Marc Lürbke gewählt. 60 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt A. Rechtsradikale Strukturen, Aktivitäten und Netzwerke in NRW I. Entwicklung der rechtsradikalen Szene in NRW seit 1991 Sowohl die dem NSU zugeordneten Sprengstoffanschläge in Köln und der Mord an Mehmet Kubaşık in Dortmund als auch der Sprengstoffanschlag in Düsseldorf sind aus rassistischen und rechtsradikalen Motiven verübt worden. Eine Betrachtung der Entwicklung der rechtsradikalen Szene seit 1991 gibt Aufschluss über bedeutsame Ereignisse für die politische Sozialisation des späteren NSU und der militanten Neonaziszene in NRW. Der im Einsetzungsbeschluss festgelegte Beginn des Untersuchungszeitraums ab Oktober 1991 bezieht sich auf einen in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1991 von drei Jugendlichen verübten Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Hünxe. Auch in den Folgejahren gab es in NRW eine Vielzahl an Anschlägen und (versuchten) Tötungsdelikten durch Neonazis bzw. Gewalttaten, die aus rassistischen oder rechtsradikalen Motiven verübt wurden. 1. Rechtsradikale Gewalt a. Stellenwert von Gewalt im Rechtsradikalismus Die Funktionen von Gewalt und Terror für die neonazistische Szene hat der Zeuge Tobias Bezler folgendermaßen beschrieben: „Gewalt und Terror erfüllen in der neonazistischen Szene ganz bestimmte Funktionen. Es geht um den konkreten Wunsch, jemandem zu schaden und einen großen Schaden anzurichten. Ebenso geht es um eine indirekte Wirkung, nämlich einzuschüchtern und Angst und Schrecken zu verbreiten. Natürlich geht es auch darum, Gewalt und Terror als radikale Konsequenz aus der Vernichtungsideologie und der Menschenverachtung der Szene auszuüben. […] Zuschlagen und Mord sind also feste Bestandteile einer faschistischen Identität. Das macht Neonazis aus. Man will gewissermaßen Herr über Leben und Tod sein. Insofern sind Gewalt und Terror von rechts keine Ausnahmen bzw. extreme Auswüchse, sondern eine Art integraler Bestandteil des Neonazismus.“1 Auch der Zeuge Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutz NRW, hat die Gewaltaffinität des Rechtsextremismus hervorgehoben: „Eine rechtsextreme Ideologie ist ja nicht einfach nur eine Weltanschauung, sondern sie impliziert ja Gewalt. Und wenn man sie lebt, muss man davon ausgehen, … Wenn jemand eine rechtsextreme Ideologie hat, dann führt das zwangsläufig irgendwann dazu, dass er sie in Gewalt umsetzt. Und das muss man erkennen und wissen, weil damit die Bedeutung nämlich eine andere wird.“2 In sämtlichen Strömungen des Rechtsextremismus sei eine latente Gewaltbereitschaft gegeben, so der Sachverständige Michael Sturm.3 Dies bedeute aber nicht, dass jeder Rechtsextremist manifest gewalttätig im Sinne von psychischer Gewalt agiere. Die Gewalt sei aber in die benutzte Sprache und Rhetorik eingeschrieben. „Die Option der Gewalt ist immer gegeben. Sie wird auch nicht ausführlich begründet.“4 1 2 3 4 Bezler, APr 16/872 S. 4. Freier, APr 16/1349 S. 24. Sturm, APr 16/860 S. 28. Sturm, APr 16/860 S. 28. 61 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Unterschied zur politischen Linken, in der es bezüglich des Linksterrorismus Debatten über die Legitimität der Gewalt gegeben habe und die Anwendung von Gewalt in den Bekennerschreiben gerechtfertigt worden sei, fehlt nach Ansicht des Sachverständigen Michael Sturm in sämtlichen Strömungen des Rechtsextremismus dieser „Diskurs um Gewalt“5: „Gewalt wird praktiziert, oder sie wird nicht praktiziert. Diejenigen, die sie praktizieren, haben aber nicht mit großen Distanzierungen vom Rest der Szene oder von anderen Strömungen zu rechnen. Das heißt: Gewalt ist im Grund ein legitimes Feld des politischen Handelns.“6 Der Sachverständige Prof. Dr. Hajo Funke hat ergänzt, dass auch bei rechtsradikalen Organisationen gleichwohl ein „taktisches Verhältnis zur Gewalt“ bestehe, was auch den „Verzicht auf Gewalt“ einschließe.7 Im Gegensatz zu der deutlichen Bekennung nach innen, folgt die rechtsradikale Ideologie nach außen der Losung „Taten statt Worte“, die auch leitend für den NSU war. Die rechtsterroristischen Akteure benötigen keine Bekennerschreiben, sondern die Taten sind offenkundig selbsterklärend.8 Dementsprechend gab es in der Vergangenheit bei rechtsmotivierten Taten auch keine Bekennerschreiben, sondern allenfalls Versatzstücke wie Äußerungen, Flugblätter oder Parolen.9 Im Rechtsterrorismus sei vielmehr eine Bekennung nach innen wichtig, so die Sachverständige Andrea Röpke: „Die solidarische Bewegung bzw. Teile der Bewegung, das Kameradschaftsspektrum, sollen wissen: Wir sind da. Ihr redet. Ihr propagiert den Rassekampf. Wir setzen ihn in die Tat um. Wir machen das für euch.10 Nach Ansicht des Sachverständigen Michael Sturm prägt der „Tatglauben“ maßgeblich das Handeln neonazistischer Strukturen wie der Freien Kameradschaften. Dies gelte auch für den „Thüringer Heimatschutz“, aus dem der spätere NSU hervorgegangen sei. 11 Nach dem Scheitern der NPD bei der Bundestagswahl 1969 mit 4,3 % bildete sich in der Bundesrepublik eine militante Neonaziszene heraus, die sich offen in die Tradition des historischen Nationalsozialismus stellte und sich in ihrem Selbstverständnis als politische Soldaten in der Tradition der Freikorps und der SA stilisierte. Der Sachverständige Michael Sturm hat hierzu ausgeführt: „Diese Gruppen und Akteure waren zu keinem Zeitpunkt an einem […] seriösen Auftreten oder an parlamentarischer Repräsentanz interessiert, sondern praktizierten von Beginn an das Prinzip der Straßenpolitik und waren auch ein maßgeblicher Flügel oder eine maßgebliche Strömung, aus dem oder der letztendlich die rechtsterroristischen Gruppierungen der 1970er- und 1980er-Jahre hervorgegangen sind. In diesem Kontext entwickelte sich auch ein stetig verbreitertes Spektrum an Aktionsformen. Gleichzeitig hatten diese Aktionsformen, diese auf Provokation angelegten Aktionsformen, diese rassistischen Parolen, diese demonstrative Gewaltbereitschaft in den 1980er-Jahren auch Einfluss auf andere Sub- und Jugendkulturen. Auf einmal gab es 5 6 7 8 9 10 11 62 Sturm, APr 16/860 S. 28. Sturm, APr 16/860 S. 28. Prof. Dr. Funke, APr 16/860 S. 32. Sturm, APr 16/860 S. 6; Röpke, APr 16/872 S. 12. Sturm, APr 16/860 S. 6. Röpke, APr 16/872 S. 12. Sturm, APr 16/860 S. 7. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 rechtsextreme Tendenzen auch unter Fußballfans, in der Skinheadszene, in der Rockerszene. So ist es zu dem subkulturellen, jugendkulturellen Turn im Rechtsextremismus gekommen, der dann so kennzeichnend für die 1990er-Jahre gewesen ist.“12 Ab den 1990er Jahren entwickelte sich ein bewegungsförmiger und subkulturell geprägter Rechtsextremismus, der auch prägend für den späteren NSU war und für den Sachverständigen Michale Sturm folgende wichtige Aspekte extrem rechter Organisierung und Strukturbildung aufweist: „- - den Wandel weg von partei- und verbandsförmigen Strukturen hin zu eher losen Netzwerken in Form von Kameradschaften, von Cliquen, von informellen Gruppierungen; eine Kommunikation, die nicht über formelle Diskussionen, über Parteiprogramme läuft, sondern tatsächlich über Aktion, über Handeln auf der Straße; dass eigene Kommunikationsräume geschaffen wurden – Stichwort: ‚National befreite Zonen‘ als Konzept; dass es eigene Formen von Zeitschriften-, später dann auch Internetkommunikation gibt; vor allen Dingen die Tatsache, dass gehandelt wird und es keine gemeinsame verbindliche Programmdiskussion gibt, sondern eine Ideologie, die sich festmachtan gemeinsam geteilten Referenzfiguren, an Symbolen, an Slogans und vor allem an einer politischen Praxis – womit wir wieder beim Terminus des Tatglaubens sind.“13 b. Entwicklung rechtsradikaler Gewalt 1991-2000 Im politischen und öffentlichen Diskurs um rechtsradikale Gewalt bzw. die Anerkennung von Ermordeten als Opfer rechter Gewalt existieren unterschiedliche Bewertungen. Chroniken von Journalisten und Journalistinnen des Tagesspiegel und der ZEIT sowie den zivilgesellschaftlichen Initiativen Amadeo Antonio Stiftung und Opferfonds CURA sprechen von bis zu 184 Todesopfern rechter Gewalt in Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990.14 Durch die Bundesregierung sind 69 Menschen als Opfer rechter Gewalt bundesweit anerkannt.15 In NRW waren Stand 19. Februar 2014 sechs Tötungsdelikte und ein Körperverletzungsdelikt in der Kategorie „Politisch Motivierte Kriminalität-Rechts“ erfasst.16 Auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems Politisch motivierte Kriminalität (PMK) werden bundesweit Straftaten als politisch motiviert erfasst, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und / oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie - den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, - sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, 12 13 14 15 16 Sturm, APr 16/860 S. 8. Sturm, APr 16/860 S. 11. Presseartikel “Mut gegen Rechte Gewalt” auf www.mut-gegen-rechte-gewalt.de vom 23. Januar 2014, A10306 S. 69 ff. Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Lazar, BT-Drs. 18/5488, A95643. Antwort der Landesregierung NRW vom 19. Februar 2014 auf die Kleine Anfrage 1894, Drs. 16/5100. 63 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode - Drucksache 16/14400 durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution / Sache oder ein Objekt richtet. Diese wird in Würdigung aller Umstände der Tat und der Einstellung des Täters ermittelt und ist Gegenstand der Zuordnung zur PMK. Abweichend davon werden Staatsschutzdelikte17 als PMK erfasst, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.18 Die Sachverständige Dr. Kati Lang hat dargelegt, dass im Bereich der Justiz die PMK-Statistik nicht weitergeführt werde, so dass keine Aussagen darüber zu treffen seien, wie viele Ermittlungsverfahren über polizeilicherseits als politisch motiviert eingeordnete Straftaten zu Verurteilungen, Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen führten.19 Die Sachverständige Dr. Kati Lang verwies zudem auf wissenschaftliche Untersuchungen, wonach in vielen Fällen die Berücksichtigung und Thematisierung eines politischen Tatmotives im Laufe eines Verfahrens abnehmen würde.20 Seit Anfang der 1990er Jahre kam es in NRW verstärkt zu neonazistischen und rassistisch motivierten Anschlägen und Tötungsdelikten.21 Nach den Ausschreitungen Mitte September 1991 in Hoyerswerda / Sachsen folgte in NRW eine regelrechte Anschlagswelle, die um den 3. Oktober 1991, Tag der Deutschen Einheit, ihren Höhepunkt erreichte.22 Diesen Höhepunkt stellten eine Körperverletzung am 2. Oktober 1991 in Mönchengladbach, bei dem ein Mann mit türkischem Migrationshintergrund durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt wurde, sowie der Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Hünxe in der Nacht zum 3. Oktober 1991 dar. Am 29. Mai 1993 wurde in Solingen ein rechtsmotivierter Brandanschlag auf das Wohnhaus der türkischstämmigen Familie Genc, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen und 14 weitere teilweise schwer verletzt wurden, verübt.23 Die Ereignisse in Hünxe und in Solingen stehen exemplarisch für eine Vielzahl von mörderischen Anschlägen Anfang der 1990er Jahre gegen Geflüchtete sowie Migranten und Migrantinnen in der Bundesrepublik Deutschland. Die rassistisch motivierte Gewalt Anfang der 1990er Jahre umfasste eine Vielzahl von Anschlägen und Übergriffen, bei denen man von Glück sprechen muss, dass nicht noch mehr Menschen ums Leben gekommen sind.24 Der massive Anstieg zeigt sich auch in der polizeilichen Kriminalstatistik, die für den damaligen Zeitraum einen enormen Anstieg fremdenfeindlicher Straftaten aufwies. Für den Zeitraum 1992 bis 1993 fasste das LKA NRW zusammen: 17 18 19 20 21 22 23 24 64 Straftaten gemäß §§ 80 - 83, 84 - 86a, 87 - 91, 94 - 100a, 102 - 104a, 105 - 108e, 109 - 109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB. Antwort der Landesregierung NRW vom 19. Februar 2014 auf die Kleine Anfrage 1894, Drs. 16/5100. Lang, APr 16/837 S. 12. Lang, APr 16/837 S. 12 f. Vermerk des LKA NRW mit Auszug Interneseite “Der Tagesspiegel” vom 17. September 2010, A12756 S. 463 ff. (VS-nfD). Polizeiliche Kriminialstatstik – Staatsschutzdelikte - 1991, A10433 S. 6. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW mit Auszug Interneseite “Der Tagesspiegel” vom 17. September 2010, A12756 S. 463 ff. (VS-nfD). Schedler, APr 16/868 S. 31. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Für 1993 wurden dem LKA NRW bislang -2323- fremdenfeindliche Straftaten gemeldet. 1992 wurden -1774- Delikte registriert. Damit fand ein Anstieg um 30,9 % im Vergleich zu 1992 statt. Das Straftatenaufkommen ging bis zu den Ereignissen in Solingen stets zurück, stieg dann jedoch mit dem Mordanschlag am 29.05.93, bei dem fünf Menschen getötet wurden, explosionsartig an. Gegen die vier Tatverdächtigen im Alter von 16 - 23 Jahren wurde in der Zwischenzeit Anklage durch die Bundesanwaltschaft wegen Mordes erhoben. Die Staftatenanzahl ging dann ab dem Monat Juli wieder stark zurück. Dieser Trend hielt bis zum Jahresende an. Insgesamt wurden -69- Tötungs- bzw. Brandstiftungsdelikte gemeldet.“25 In den folgenden Jahren ereigneten sich in NRW weitere schwere Gewalttaten. Sieben Tötungsdelikte sind offiziell als rechttsmotivierte Straftaten anerkannt.26 c. „Generation Rostock“ und rechtsradikaler Gewalt im gesellschaftlichen Kontext Die Ereignisse zu Beginn der 1990er Jahre - beispielsweise die pogromartigen Ausschreitungen in Hoyerswerda 1991 und in Rostock-Lichtenhagen 1992 - stellen wichtige Referenzpunkte für die neonazistische Szene dar. Von Bedeutung war dabei, dass die nationalistische Stimmung nicht nur auf das extrem rechte Spektrum beschränkt war, sondern eine gesellschaftspolitische Dynamik umfasste. Der Sachverständige Michael Sturm hat diese Erfahrungen, die eine „Generation“ von Neonazis zu dieser Zeit machten, betont: „Hier hat es unter den handelnden Akteuren das Gefühl gegeben, dass sie eigentlich machen können, was sie wollen, dass sie keinerlei Sanktionen juristischer oder polizeilicher Art zu befürchten haben, dass sie im Grunde in einem rechtsfreien Raum agieren und dass entgrenzte Gewalt gegenüber Migrantinnen und Migranten, gegenüber politischen Gegnern auf keinerlei gesellschaftliche oder politische Sanktionen stößt oder diese hervorruft. Generationengeschichtlich – nach den Generationen-Theorien gibt es ja immer bestimmte Ereignisse, die für eine Generation prägend sind – würde ich in diesem Kontext von der ‚Generation Rostock‘ sprechen. Es gab also eine Reihe von rechtsextremen Akteuren, die durch vermeintliche Allmacht im Kampf auf der Straße geprägt worden sind. Dieser ‚Generation Rostock‘ würde ich eindeutig auch die Protagonisten des NSU zurechnen.27 Die rassistischen Angriffe von Rostock-Hoyerswerda haben die Sachverständigen Michael Sturm als „Schlüsselereignis“ 28 bzw. Prof. Dr. Hajo Funke als „Fanal“ 29 der neonazistischen Szene bewertet: „Man muss auch berücksichtigen, dass der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, zunächst in der alten Bundesrepublik, was sein parteiförmiges Erscheinen betrifft, insgesamt doch weitgehend marginalisiert gewesen ist. Er ist nach 1945 tatsächlich auf dem Rückzug gewesen. Zwar hat die NPD in den 1960er-Jahren zwischenzeitlich mal Erfolge gefeiert. Letztlich sind parlamentarische Erfolge von rechtsextremen Parteien aber die Ausnahme gewesen. Auch das Auftreten der subkulturellen, jugendkulturellen Gruppen 25 26 27 28 29 Polizeiliche Kriminialstatstik – Staatsschutzdelikte – 1991, A10433 S. 6. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW mit Auszug Interneseite “Der Tagesspiegel” vom 17. September 2010, A12756 S. 463 ff. (VS-nfD); Undatierter Vermerk des LKA NRW, A12756 S. 446 ff. (VS-nfD); Aust, Stefan/Laabs, Dirk, Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU, A95376 S. 962. Sturm, APr 16/860 S. 9. Sturm, APr 16/860 S. 30 f. Prof. Dr. Funke, APr 16/860 S. 31. 65 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 in den 1970er-Jahren von Michael Kühnen und anderen ist kein Ausdruck einer Massenbewegung gewesen. Es wurde ja immer davon geträumt, dass man der politische Arm einer Massenbewegung ist. Diese hat aber erst einmal gar nicht existiert. Da ist RostockLichtenhagen natürlich ein Ereignis, bei dem diese Beschränktheit oder Unwirksamkeit des eigenen Agierens aufbricht – noch dazu, weil gar nicht einmal Neonazis an erster Stelle oder in vorderster Front agieren, sondern das Volk, als dessen Vertreter man sich ja begreift. Im Grunde stellen Neonazis sich hin und sagen: Was wir machen, ist eigentlich das, was der Volkswille zum Ausdruck bringt. Wir sind gewissermaßen der zugespitzte Volkswille. Wir sind die Elite des Volkswillens, der sich hier in Rostock-Lichtenhagen jetzt Bahn bricht. Insofern glaube ich, dass das ein unglaublich ermutigendes und stärkendes Ereignis gewesen ist – nach dem Motto: Ja, wir können es schaffen. Ja, wir haben die Massen hinter uns. Wir haben das Volk hinter uns. Jetzt müssen wir uns im Grunde nur noch in den braunen Bataillonen organisieren. – Daher ist das ein prägendes Ereignis gewesen.“30 Demgegenüber machte die migrantische Bevölkerung nach der Wiedervereinigung und den Anschlägen Anfang der 1990er-Jahre zunächst einmal die Erfahrung, eigentlich nicht Teil dieser neuen deutschen Gesellschaft zu sein. In Folge der Kündigung aller Migrationsabkommen der DDR verloren die bis dahin in der DDR lebenden Migrantinnen und Migranten zum einen ihre Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Andererseits kam es zu einer massiven Zunahme von rassistischen Angriffen, denen sie sich schutzlos ausgeliefert sahen.31 Neben den Erfahrungen im Umgang mit den Anschlägen zu Beginn der 1990er Jahre werden die gesellschaftspolitischen Debatten um Einwanderung und Migration zwischen 2000 und 2006 Einfluss auf den NSU gehabt haben. So hat die Sachverständigte Prof. Dr. Juliane Karakayali ausgeführt: „In der ersten Hälfte der 2000er-Jahre anführen; denn in diese Zeit fallen viele politische Debatten und Maßnahmen, die sich explizit und negativ auf türkische bzw. muslimische Migrantinnen und Migranten bezogen haben – als da wären: - die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die tatsächlich genau diese Gruppe fokussiert hat; denn für sehr viele andere Gruppen von Migranten ist die doppelte Staatsangehörigkeit längst Alltag und durchgesetzt; - die Leitkulturdebatte, die ich vorhin schon erwähnt habe; das war ebenfalls im Jahr 2000; - die Kopftuchdebatte, die ab 2003 geführt wurde und in vielen Bundesländern in einem Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen mündete; viele von Ihnen werden heute Morgen die Berichterstattung über das neue Gerichtsurteil dazu in der Presse verfolgt haben; - die Debatte um illegale türkisch-deutsche Doppelstaatler im Jahr 2005; - die ohne belastbare Zahlen geführte Debatte um Zwangsehen im Jahr 2006, die ein Jahr später in der Abfrage von Deutschkenntnissen für aus der Türkei nach-ziehende Ehegatten mündete; - der sogenannte Muslim-Einbürgerungstest in Baden-Württemberg 2006; - der seit ungefähr 15 Jahren als Dauerbrenner immer wieder hochkochende Begriff der Parallelgesellschaften.“32 30 31 32 66 Sturm, APr 16/860 S. 30 f. Karakayali, APr 16/860 S. 19. Karakayali, APr 16/860 S. 23. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 d. Entwicklung rechtsradikaler Gewalt seit 2000 Anfang der 2000er Jahre kam es zu einer Reihe von Anschlägen und Tötungsdelikten, die mutmaßlich von rechtsextremistisch orientierten Tätern begangen wurden. Am 14. Juni 2000 tötete der Neonazi Michael Berger drei Polizisten in Dortmund33 und am 27. Juni 2000 kam es zu dem Bombenanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf Wehrhahn.34 Am 19. Januar 2001 explodierte eine Bombe in einem Lebensmittelgeschäft in der Kölner Probsteigasse35 Zwei Jahre später, im Oktober 2003, erschoss der Neonazi Thomas Adolf in Overath in einer Kanzlei einen Rechtsanwalt, dessen Tochter sowie dessen Ehefrau.36 Ein dreiviertel Jahr später kam es erneut zu einem rassistisch motivierten Bombenanschlag. Am 9. Juni 2004 verübte der NSU auf der Kölner Keupstraße einen Nagelbombenanschlag.37 Insbesondere in Dortmund war Mitte der 2000er Jahre eine zunehmende Organisierung neonazistischer Strukturen und ein Anstieg rechter Gewalt festzustellen. Der Sachverständige Jan Schedler hat konstatiert, dass die Ausübung von Gewalt als bewusstes und strategisches Mittel eingesetzt worden sei. Ein Strategiepapier zu rechtem Terror und rechter Gewalt mit dem Namen „Militanz I“, „Militanz II“ und „Militanz III“ sei über das Internetforum „Freier-Widerstand“ an ausgewählte Mitglieder verbreitet worden, dass „ als eine Blaupause für eine ganze Reihe von Gewalttaten, die in den folgenden Jahren insbesondere im Raum Dortmund aus dem organisierten Neonazismus gegen politische Gegner verübt worden sind“ gelesen werden kann.38 Für viele dieser Gewalttaten hat der Sachverständige Jan Schedler die 2012 durch das IM NRW verbotene Neonazi-Gruppierung „Nationaler Widerstand Dortmund“ verantwortlich gemacht.39 Das hohe Gewaltpotenzial der Dortmunder Neonazi-Szene zeigte sich unter anderem am 28. März 2005. An der S-Bahnhaltestelle Kampstraße wurde ein 31-Jähriger aus der PunkSzene von einem Neonazi mit einem Messerstich tödlich verletzt, als er diesen aufgrund seiner rechten Äußerungen zur Rede stellte.40 Zum Tatzeitpunkt gehörte der 17-jährige Täter der „Skinheadfront Dortmund-Dorstfeld“ an. Der Sachverständige Jan Schedler hat die neonazistische Gruppe wie folgt charakterisiert: „Auch hierbei handelt es sich um eine Gruppe aus dem Neonazismus, die bei Veranstaltungen und bei Demonstrationen, nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in den Niederlanden, regelmäßig als eigene Gruppe aufgetreten ist, die allerdings in Abgrenzung zum ‚Nationalen Widerstand Dortmund‘ nicht eigenständig Demonstrationen veranstaltet hat. Es ist eine Gruppe, deren Mitglieder für eine Vielzahl von Gewalttaten verantwortlich, und zwar weniger unbedingt geplante Gewalttaten, sondern im Alltag verübte Gewalttaten. Wir haben es hier mit einem sehr hohen Gewaltpotenzial zu tun.“41 33 34 35 36 37 38 39 40 41 Zu vgl. Zweiter Teil C. I. Zu vgl. Zweiter Teil C. II. Zu vgl. Zweiter Teil B. I. Vermerk des LKA NRW mit Auszug Interneseite “Der Tagesspiegel” vom 17. September 2010, A12756 S. 491 (VS-nfD). Zu vgl. Zweiter Teil B. II. Schedler, APr 16/868 S. 7. Schedler, APr 16/868 S. 7 f. Vermerk des LKA NRW mit Auszug Interneseite “Der Tagesspiegel” vom 17. September 2010, A12756 S. 492 f. (VS-nfD). Schedler, APr 16/868 S. 8. 67 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Täter gehörte nach seiner Haftentlassung im Jahr 2010 zum „Nationalen Widerstand Dortmund“, der am 23. August 2012 durch das IIM NRW verboten wurde. Die Verbotsverfügung nahm auch auf den Mord am 28. März 2005 Bezug. So hieß es bzgl. der Gewaltbereitschaft des NWDO und der Verherrlichung des Mordes: „In einem weiteren Internetbeitrag wird auf den Tod des Punkers […] Bezug genommen: Dabei wird in diesem Beitrag der Tod des […] verharmlosend als ein ‚Unfall‘ bezeichnet. Tatsächlich wurde für den zu Tode gekommenen […]. das heutige Mitglied S.K. vom Landgericht Dortmund wegen Totschlags verurteilt. Dieses Beispiel zeigt durch die menschenverachtende Bewertung des begangenen Tötungsdeliktes und die damit einhergehende Rechtfertigung des Täters sowie die Verharmlosung der Tat den kämpferisch-aggressiven Stil der Vereinigung. Gewalt wird offenbar von den Mitgliedern der Vereinigung ‚Nationaler Widerstand Dortmund‘ als probates Mittel der Auseinandersetzung mit dem empfundenen Gegner gesehen und schwerwiegende Folgen werden dieser Logik folgend als Unfallgeschehen beschönigt. Auch mit der Unterstützung des verurteilten Straftäters S.K. und dessen Aufnahme in die Vereinigung nach Verbüßen seiner Strafhaft wird die kämpferisch-aggressive Gesinnung der Mitglieder offenbar. Eine Distanzierung von der Tat fand weder durch den Täter noch durch die Mitglieder statt. Im Gegenteil wird die Tat wie oben dargestellt euphemistisch verharmlost und im Ergebnis gerechtfertigt.“42 Ein Jahr nach dem Tod des 31-Jährigen verübte der NSU seine letzte Tat in NRW und ermordete am 4. April 2006 den 44-jährigen Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık in Dortmund.43 Angehörige der Neonazi-Szene verübten in den 2000er Jahren auch in anderen Städten und Landesteilen zahlreiche politisch motiviert Gewalttaten. 2. Rechtsterrorismus Die beschriebenen Gewalttaten stehen in einem Zusammenhang mit der Herausbildung einer aggressiv auftretenden, militanten Neonazi-Szene, die Gewalt und Terror ausübt und legitimiert. Für dieses Spektrum sind verschiedene ausgewählte Referenzpersonen und rechtsterroristische Konzepte und Strategien von Bedeutung, die Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sind. Insbesondere der Bezug nach NRW und die Bedeutung für den NSU-Komplex waren für die Berücksichtigung der unterschiedlichen Konzepte von Relevanz. Das BfV definierte Terrorismus im Jahr 2004 als „[…]nachhaltig geführter Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie die in § 129a I StGB genannt sind […].“44 Diese Definition hat weiterhin Gültigkeit und wird im Glossar auf der Internetseite des BfV verwendet. Eine eigene Rechtsterrorismus-Definition ist dort nicht aufgeführt.45 Auf die Frage, welche Strategie der Rechtsterrorismus verfolgt, hat der Sachverständige Tobias Bezler ausgeführt: 42 43 44 45 68 Schreiben des MIK NRW vom 10. August 2012, A10251 S. 132 f. Zu vgl. Zweiter Teil B. III. Powerpoint Präsentation des BfV „Rechtsextremismus in Deutschland. Ein Lagebild zur IGR am 13. / 14. Oktober 2004“, A14868 S. 348 (VS-nfD). Glossar auf der Internetseite des BfV, A95644. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Es gibt einfach unterschiedlichste Stoßrichtungen. Die einen wollen den Rassekrieg eskalieren lassen, hoffen also auf eine Eskalation dieser Situation. Andere nehmen den Staat als Ziel, und zwar nicht im Widerspruch dazu, sondern der Staat ist letztlich der Schuldige, der für ‚Überfremdung‘, ‚Rassenvermischung‘ oder für sonst etwas genommen wird. Er wird von vielen Neonazis als jüdisch dominiert angesehen und als ‚zionist occupied government‘ bezeichnet. Es gibt Neonazis, die militante Aktionen im Sinne der Kommunikation der Tat begangen haben, wie Andrea Röpke es geschildert hat. Es gibt die klassische Propagandawirkung einer Tat. Durch eine militante Aktion schaffe ich es, ein Thema medial oder in den öffentlichen Diskurs einzuspeisen. Das ist nicht immer klar von dem konkreten Wunsch zu trennen, einen Schaden anzurichten und den Feind auch tatsächlich zu treffen.“46 a. Referenzpersonen des Rechtsterrorismus Der Sachverständige Michael Sturm hat auf die Bedeutung von ausgewählten Neonazi-Aktivisten verwiesen, die innerhalb der Szene als wichtige Referenzpersonen gelten. So gab und gibt es für ihn, „[…]eine ganze Reihe von Figuren im Rechtsextremismus, die in den 1970er-/1980erJahren ihre politische Karriere begonnen haben, in den 1990er-Jahren auf Demonstrationen gesprochen haben und heute, wenn man so will, als Referenzfiguren, als Kronzeugen, als Zeitzeugen der Bewegung gelten. Sie werden immer noch eingeladen und prägen als Referenzfiguren, derer man sich vergewissert, gewissermaßen das historische Bewusstsein des heutigen Rechtsextremismus mit.“47 Als Beispiele hat der Sachverständige Michael Sturm unter anderem die Neonazis und Rechtsterroristen P. M. und M. R. genannt. Er hat hervorgehoben, dass diese Personen exemplarisch für den Tatglauben der neonazistischen Gewalt stehen würden: „Keiner von ihnen hat irgendein wichtiges Manifest, einen Text oder eine theoretische Abhandlung geschrieben. Alle diese Personen haben ihren Status allein durch ihr Handeln gewonnen.“48 P. M.49 und M. R.50 standen auch in Kontakt mit nordrhein-westfälischen Neonazis, nahmen an Veranstaltungen teil und traten als Redner auf. b. Konzepte und Strategien des Rechtsterrorismus In der neonazistischen Szene kursierten seit den 1970er Jahren verschiedene rechtsterroristische Konzepte und Strategien. 46 47 48 49 50 Bezler, APr. 16/872 S. 46. Sturm, APr 16/860 S. 9. Sturm, APr 16/860 S. 10. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21, A72476 S. 12 ff. (VS-nfD); E-Mail des LKA Hannover vom 18. Juli 2007, A10591 S. 94; Auszug aus „Antifaschistische Information“ vom 3. Dezember 2004, A10352 S. 332; Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 8. Juni 2007, A14785 S. 417 f. (VS-nfD); Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 6. Januar 2009, A12206 S. 3 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 20. April 1998, A15342 S. 72 ff.; Schreiben des PP Bonn vom 13. März 1998, A12264 S. 10 ff. (VS-nfD); Schreiben der KPB Herford vom 16. November 2004, A14942 S. 411. 69 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aa. „Werwolf“ und Kleinkrieg (1) Entstehung und zentrale Aussagen Das Terrorkonzept der „Werwolf“-Einheiten geht auf Strategien nationalsozialistischer Kleinkriegsführung gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zurück, wie sie in der Schrift „Werwolf – Winke für Jagdeinheiten“ publiziert wurden.51 In der Publikation BfV Spezial 21 „Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten - Entwicklungen von 1997 bis Mitte 2004“ heißt es hinsichtlich des „Werwolf“-Konzeptes: „Das „Werwolfkonzept“ fordert - in Anlehnung an eine gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von den Nationalsozialisten entwickelte Strategie des Partisanenkrieges - einen Kampf kleiner selbständig eingesetzter aber einheitlich geführter „Werwolfeinheiten“, die im Untergrund agieren und unter einer gemeinsamen Führung stehen. Die Bildung von Werwolfeinheiten wurde vor allem von rechtsterroristischen Gruppen der 70er Jahre und in der 1992 verbreiteten Schriftenreihe „Eine Bewegung in Waffen“ propagiert.“52 Der Sachverständige Tobias Bezler hat zur Attraktivität des Konzeptes auf die NeonaziSzene ausgeführt: „Es handelt sich auf der einen Seite um ein militärisches Konzept, aber auf der anderen Seite auch um die Entstehung eines Mythos für Neonazis als Einzelne, Vereinzelte. Als für ein klassisch militärisches Konzept eigentlich viel zu kleine Gruppe können sie durch Bewaffnung, militante Aktionen, Anschläge und Mord in einer politisch eher ausweglosen Situation das Ruder dennoch herumreißen. Das macht rechte Terroraktionen für die Neonaziszene so zwingend und attraktiv.“53 (2) Bezugnahmen auf die Kleinkriegsanleitung „Der totale Widerstand“ Die nicht aus dem rechtsextremen Spektrum stammende Schrift „Der totale Widerstand“ des Schweizer Majors von Dach enthält detaillierte Anleitungen, wie bewaffnete klandestine Zellen und der Kampf gegen eine militärisch überlegene Besatzungsmacht zu organisieren sind. Dargelegt wird beispielsweise wie Attentate oder Sprengstoffanschläge durchgeführt werden. Dem Verfassungsschutz NRW war spätestens seit 1994 bekannt, dass die Die Schrift „Der totale Widerstand“ unter Neonazis aus den Kreisen von FAP und NSDAP / AO kursierte.54 Der Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“, Tino Brandt, bestellte Mitte der 1990er Jahre dieses Buch.55 Als „Bibel des praktischen Widerstands“ wurde „Der totale Widestand“ im vermutlich Ende 2002 veröffentlichten Fanzine „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ angepriesen.56 (3) Bezugnahmen auf das Werwolf-Konzept Der Anführer der 1992 verbotenen „Nationalistischen Front“ vertrieb Anfang der 1990er Jahre mehrere Bücher, die sich mit Taktiken des Kleinkriegs befassten, darunter zwei Bücher zur „Gefechtstechnik“ des Schweizers Major von Dach sowie einen Nachdruck des Bu- 51 52 53 54 55 56 70 Bezler, APr 16/872 S. 5. BfV Spezial Rechtextremismus Nr. 21, A72476 S. 50 f. (VS-nfD). Bezler, APr. 16/872 S. 5. Auszug „Der totale Widerstand“, A14823 S. 34 ff. Schlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Landtags Thüringen, A95599 S. 1795. Fanzine „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 273. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ches „Werwolf – Winke für Jagdeinheiten“, dass als „Ausbildungsbuch der Werwolf-Kommandos“ beworben wurde. Dem Leser würden die „bis heute nahezu unverändert gültigen Grundregeln der Partisanenkriegsführung aufgezeigt“, hieß es im Versandkatalog.57 Im „Blood & Honour“-Magazin Nr. 9 aus dem Jahr 2000 erschien ein von einem „Geri für B&H NS“ gezeichneter Artikel, in dem der Kampf der nationalsozialistischen „Werwolf“-Einheiten verherrlicht und als Buchtipp unter anderem auf „Werwolf – Winke für Jagdeinheiten“ verwiesen wurde.58 Um wem es sich bei dem Autor dieses Textes handelt, ist nicht bekannt. Vermutet werden kann aufgrund des Zusatzes „NS“, dass der Autor möglicherweise aus Niedersachsen stammt. Uwe Böhnhardt nutzte den Alias-Namen „Gerri“, da er die Personalien des angeklagten NSU-Unterstützers Holger Gerlach verwendete.59 Im Sommer 2001 beantragte Gerlach, der 1997 von Jena ins niedersächsische Hannover gezogen war60, bei der Stadt Hannover einen auf seinen Namen ausgestellten und mit einem Foto von Uwe Böhnhardt versehenen Reisepass.61 Holger Gerlach, vielleicht auch Uwe Böhnhardt selbst, könnten also als Autoren des Artikels in Betracht kommen. In Bochum sollen 1992 Bombendrohungen und Sachbeschädigungen einer „Aktion Werwolf“ bzw. eines „Kommando Werwolf“ begangen worden sein.62 Die Gruppe firmierte auch unter dem Namen „Volkswille“. Kurz vor einem geplanten Treffen des „Volkswille“ mit Mitgliedern des Ku Klux Klan aus den USA im Dezember 1992, durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen und nahm fünf Personen vorläufig fest. Zehn Personen aus Bochum, Essen und Wattenscheid wurden vor dem Dortmunder Landgericht wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Dieser Vorwurf wurde vor Gericht nicht bestätigt. Im April 1995 ergingen Bewährungs- und Geldstrafen gegen die Angeklagten.63 bb. „Eine Bewegung in Waffen“ Die von deutschen Neonazis Anfang der 1990er-Jahre publizierte Schrift „Eine Bewegung in Waffen“ entwarf ein strategisches Konzept für eine über einen legalen wie illegalen Arm verfügende neonazistische Bewegung. Dabei wurden die Überlegungen zum „Werwolf“ aus den letzten Kriegsjahren aufgegriffen und die Herausbildung eines bewaffneten „Werwolf“-Kaders proklamiert, der zur Führung eines Kleinkriegs befähigt sein sollte. (1) Entstehung und zentrale Aussagen des Konzepts Ab Mai / Juni 1991 bis März / April 1993 erschien in den Ausgaben Nr. 89 bis 94 sowie 96 bis 100 der NSDAP / AO-Zeitung „NS Kampfruf“ der erste Teil der Schrift „Eine Bewegung in Waffen“ als mehrteiliger Druck.64 Die Schriftenreihe hat der Sachverständige Tobias Bezler als eine wichtige Quelle für neonazistische Terrorkonzeptionen benannt: „Es wird ein Organisationsmodell für legale und illegale Aktivitäten gleichermaßen entworfen. Es heißt: Wenn der Staat mittels seines Repressionsapparates die Bewegung zu zerschlagen versucht, dürfe der Werwolf den verdeckten Kampf beginnen und sich – Zitat – aller zur Vernichtung des Systems geeigneten Mittel bedienen. Dazu wird ein Netzwerk aus einer Reihe von Aktionsgruppen oder Einzelpersonen empfohlen, die Anlaufund Versorgungspunkte für Illegale unterhalten sollen.“65 57 58 59 60 61 62 63 64 65 Versandkatalog Meinolf Schönborn, A14877 S. 39. Fanzine „Blood & Honour Division Deutschland“ Nr. 9, A13709 S. 98. Vermerk des BKA vom 28. August 2012, A60758 S. 112 f. (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 68 (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 26 (VS-nfD). Artikel „Von Combat 18 zur NSU“ veröffentlicht auf Der Freitag vom 6. Juni 2013. Urteil des LG Dortmund vom 6. April 1995, A15066 S. 30 - 140. Versandliste der NSDAP / AO, Lincoln USA, A13854 S. 23. Bezler, APr 16/872 S. 6. 71 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Den Aspekt, dass sowohl ein legaler als auch ein illegaler, im Untergrund tätiger Flügel in „Eine Bewegung in Waffen“ propagiert wurde, hat der Sachverständige Tobias Bezler bezüglich des Netzwerkcharakters rechtsterroristischer Gruppen ausgeführt. Dieser Punkt sei insbesondere für die Frage eines möglichen Unterstützerkreises des NSU bzw. eines möglichen Wissens innerhalb der neonazistischen Szene über die Taten des NSU von Relevanz: „Wenn ich für den militanten terroristischen Teil von Netzwerken rede, gibt es andererseits kleine Zellen, sie sind nicht hierarchisch, sondern horizontal organisieren. Das ist aber kein Widerspruch, auch wenn unterschiedliche Hinweise und Erklärungen in den terroristischen Konzepten gegeben werden. In ‚Eine Bewegung in Waffen‘ wird ausführlich geschildert, dass es die militanten, im Untergrund lebenden Kämpfer sind, die eine legalistische Partei gründen, die straff nach dem Führerprinzip organisiert ist. Beides ist gleichzeitig vorhanden. Wann immer jemand eine terroristische Aktivität oder Attentate verüben will, braucht es logischerweise ein gewisses Maß an Abschottung. Sonst ist die Organisation viel zu schnell für die Ermittlungsbehörden zu zerschlagen. Deswegen gibt es für die militanten Aktionen eine netzwerkartige Zellenstruktur. Das ist wahrscheinlich mit den bisherigen Begriffen der abgeschlossenen Gruppe und der Unterstützerinnen und Unterstützer nur schwer zu fassen. Es mag sein, dass es dadurch auch juristisch schwieriger wird.“66 Der „Band I“ trug den Untertitel „Massenpsychologie, Propaganda und Revolution“ und erhielt lange Abhandlungen über die „Beeinflussung der Masse“ und die Propaganda-Arbeit der NSDAP. In der Schrift wird im Kapitel „Die nationalsozialistische Revolution“ ausgeführt, dass man sich in Deutschland derzeit in der Vorbereitungsphase einer Revolution befinde, in der Kader der Bewegung aufgebaut und eine Massenbasis erreicht werden müssten. Als Ziel werden der Umsturz und die Zerschlagung des Systems propagiert.67 Ab der Ausgabe 100, März / April 1993 des „NS-Kampfrufes“ erschien der „Band II“ der neonazistischen Schrift mit dem Untertitel „Strategie und revolutionärer Kleinkrieg“. Der Abdruck endete in der Nummer 109, September / Oktober 1994.68 In „Band II“ propagierte der Autor, dass die neonazistische Bewegung gleichermaßen aus einem legalen wie illegalen Arm bestehen soll. Die „(schein-)legalen Parteien und Vereinigungen“ müssten dabei von einer „illegalen Kaderorganisation“ organisiert und koordiniert werden. Dieser Kader solle den legalen Kampf mittelbar und den illegalen Kampf unmittelbar organisieren.69 Zweite Aufgabe des „illegalen Arms“ sei die „Organisation des bewaffneten Kampfes“70, auch als „Durchführung von Werwolfaktionen“ bezeichnet.71 Ziel sei die „Heranbildung eines geeigneten Werwolfkaders“, der geschult und ausgebildet sein soll.72 Ausführlich wird im „Band II“ der Kleinkrieg beschrieben. Ein verdeckter Kampf wird empfohlen, der Terror, Sabotage, Exekutionen und Überfälle beinhaltet. Der demokratische Staat soll moralisch und materiell geschädigt werden.73 In Hinblick auf das Vorgehen des NSU sind die Ausführungen zum Attentat von Belang: 66 67 68 69 70 71 72 73 72 Bezler, APr 16/872 S. 24. NS-Kampfruf Folge 99, A54707 S. 41 ff. Vermerk des BKA vom 8. Dezember 1994, A54722 S. 8. Eine Bewegung in Waffen, Band II, A14823 S. 89. Eine Bewegung in Waffen, Band II, A14823 S. 90. Eine Bewegung in Waffen, Band II, A14823 S. 91. Eine Bewegung in Waffen, Band II, A14823 S. 96. Eine Bewegung in Waffen, Band II, A14823 S. 101. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Beim Attentat ist die Vernichtung von Menschenleben eigentliches Ziel der Kampfhandlungen. Das Attentat ist für den Werwolf die einzige Möglichkeit einer Art von Rechtsprechung im weitesten Sinn: die Exekution von Verrätern, sowohl aus den eigenen Reihen, als auch aus den Reihen des Feindes, ist nach dem ‚Strafrecht‘ des demokratischen Staates ein Verbrechen, für den Werwolf aber unerlässlich und überdies legitim.“74 Als Ziele von Attentaten werden „Verräter“, „der Scherge des Repressionsapparats“, der „Systempolitiker“ und „derjenige, der unser Volk ausbeutet“ genannt. 75 Eine als „Band IIa“ veröffentlichte Schrift besteht lediglich aus einer am 23. März 1945 gehaltenen Rede eines Nationalsozialisten sowie dreier Flugblätter. 1992 wurde außerdem ein „Band IIb“ mit dem Titel „Handbuch für improvisierte Sprengtechnik“ verbreitet, der an die theoretischen Ausführungen des Bands II anschließt und das notwendige Wissen für die Umsetzung einer Terrorstrategie zur Verfügung stellt. Der von einem „Autorenkollektiv Werwolf“ herausgebende Band enthält eine Sammlung von Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff und zum Bau verschiedener Bomben und Zünder.76 Dem Verfassungsschutz NRW und dem PP Dortmund lag diese Schrift spätestens im Februar 1993 vor.77 (2) Hinweise auf Produzenten von „Eine Bewegung in Waffen“ Der GBA führte 1993 ein Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB wegen des Verdachts der Herstellung der Publikation „Eine Bewegung in Waffen“ gegen zwei Neonazis. Nach den durchgeführten Ermittlungen konnte das BKA den Ch. Sch. als Benutzer des Autoren-Pseudonyms Hans Westmar, unter dem die Schriftenreihe erschienen ist, identifizieren. 78 Weiter konnte ein dritter, aus NRW stammende Neonazi nach der Durchsuchung seiner Wohnung, in der Teile der Originalschrift mit handschriftlichen Anmerkungen aufgefunden worden sind79, als möglicher Miturheber und Produzent identifiziert und als Beschuldigter in dem Verfahren des GBA erfasst werden.80 Der Beschuldigte war seit den 1980er Jahren in diversen verbotenen neonazistischen Organisationen wie der NSDAP / AO, der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationale Aktivisten“, der FAP, der „Nationalen Offensive“ oder dem „Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers" aktiv und zählt zu den führenden Köpfen der Neonazi-Bewegung in Deutschland.81 (3) Hinweise auf die Verbreitung „Eine Bewegung in Waffen“ Bei zwei nordrhein-westfälischen Neonazis wurden 1992 und 1996 je ein Exemplar der Schriftenreihe „Eine Bewegung in Waffen“ beschlagnahmt. So stellte das PP Dortmund am 30. November 1992 bei einem damaligen FAP-Funktionär und späterem Anführer der „Kameradschaft Dortmund“ ein Exemplar des Bandes IIb „Improvisierte Sprengtechnik“ sicher.82 In der 60. Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags vom 30. November 2011, in dessen Rahmen eine Unterrichtung zur aktuellen Berichterstattung und zu dem Ermittlungsstand in Sachen Rechtsterrorismus durch das BMI, den Präsidenten des BKA sowie die Präsidenten der LKÄ Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein74 75 76 77 78 79 80 81 82 Eine Bewegung in Waffen, Band II, A14823 S. 103. Eine Bewegung in Waffen, Band II, A14823 S. 103. Eine Bewegung in Waffen. Band IIb, A14822 S. 18 - 37. Schreiben des PP Dortmund vom 10. Februar 1993, A14822 S. 17. Vermerk des BKA vom 2. Februar 1994, A54491 S. 410 f. (VS-nfD) Vermerk des PP Düsseldorf vom 28. Juni 1994, A10782 S. 83. (VS-nfD). Antrag des GBA vom 18. August 1995, A54491 S. 481 (VS-nfD). Personagramm, A10783 S. 203 ff. (VS-nfD). Übersicht Durchsuchungs- / Auffindeorte, A54707 S. 74. 73 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Westfalen, Sachsen und Thüringen erfolgte, gab der damalige Präsident des BfV, Heinz Fromm, bezüglich des ideologischen Hintergrundes des NSU zu Protokoll, dass eine Reihe von Empfehlungen existierten, an denen sich der NSU orientiert haben könnte. Dabei verwies er darauf, dass die Schrift „Eine Bewegung in Waffen“ weit verbreitet gewesen sei. Des Weiteren benannte er das Konzept des „leaderless resistance" als mögliches Orientierungsmuster.83 In der von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe genutzten Garage in Jena wurden unter anderem verschiedene rechtsextreme Publikationen gefunden, darunter auch der „NS-Kampfruf“ Nr. 102 von Juli / August 1993.84 In der Ausgabe sind Auszüge aus „Eine Bewegung in Waffen. Band II: Strategie und revolutionärer Kleinkrieg“ abgedruckt.85 Einen Bezug zu „Eine Bewegung in Waffen“ könnte auch die sogenannte NSU-CD aufweisen. Auf der Propaganda CD, die im August 2005 der als VP „Corelli“ für das BfV tätige Thomas Richter seinem VP-Führer übergab, finden sich zahlreiche nationalsozialistische Schriften, Publikationen, Grafiken und Fotos. In einer einführenden Textdatei wird ein Zitat, welches ebenfalls in der Schriftenreihe „Eine Bewegung in Waffen“ abgedruckt wurde, verwendet. In einem Vermerk des BfV zur Auswertung der „NSU-CD“ mit NSU-Bezug im Ordner "nscd" heißt es dazu: „Das im Kopf der als ‚index‘ bezeichneten Datei enthaltene angebliche Zitat des ‚Dr. Joseph Goebbels‘: ‚Wenn ich von meiner Schreibmaschine aufstehe, lege ich meine Maschinenpistole aus der Hand und lasse den Ratten freien Lauf!‘ entstammt mit großer Wahrscheinlichkeit der Publikation der NSDAP/AO, dem ‚NS-Kampfruf' Nr. 89 vom Mai/Juni 1991. Dem Ersteller des Textes der Datei ‚index‘ ist bei der Verwendung des angeblichen Zitats des ‚Dr. Joseph Goebbels‘ vermutlich ein Fehler unterlaufen. Durch das in dem Artikel von Hans Westmark in dem ‚NS-Kampfruf‘ verwendete Zitat (im Artikel Charles Bukowski zugeschrieben) und auf derselben Seite aufgeführte Zitate von Goebbels könnte bei oberflächlicher Betrachtung der Eindruck entstanden sein, das (Bukowski-)Zitat stamme ebenfalls von Goebbels.“86 Das BKA zog daraus den Schluss: „Die gleichlautend falsche Zitation Charles BUKOWSKIs im ‚NS Kampfruf‘ und in der Datei index.htm97 sowie die Verwendung des Mottos ‚Trotz: Verbot (sind wir) nicht tot‘ in selbiger Datei und auf Flyern der ‚NSDAP/AO‘ legen vielmehr einen Zusammenhang zwischen dem Begleitschreiben der ‚NS-CD‘ (index.htm) und der Organisation ‚NSDAP/AO‘ nahe. Die ‚NSDAP/AO‘ bezeichnet sich selbst als ‚die groesste nationalsozialistische Untergrundorganisation im heutigen Deutschland‘. Hierin zeigt sich, dass die Namenswahl ‚Nationalsozialistischer Untergrund‘ nicht exklusiv dem ‚NSU‘ zuzurechnen ist, sondern bereits durch die ‚NSDAP/AO‘ verwendet wurde.“87 Für das BKA blieb aber anhand des derzeitigen Kenntnisstandes nicht feststellbar, 83 84 85 86 87 74 Protokoll der 60. Sitzung des Innesausschusses des Deutschen Bundestags, A21696 S. 293, 305. Vermerk des BKA vom 10. April 1995, A54725 S. 91. Vermerk des BKA vom 8. Dezember 1994, A54722 S. 8. Schreiben des BfV vom 22. Dezember 2014, A65312 S. 96 f. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 30. März 2016, A65311 S. 73 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „ob es sich bei der ‚NS-CD‘ tatsächlich um ein Produkt der ‚NSDAP/AO‘ handelt, ob eine andere Person bzw. Gruppierung durch die ‚NSDAP/AO‘ inspiriert wurde oder ob gar kein Zusammenhang zwischen der ‚NSDAP/AO‘ und dem ‚NSU/NSDAP‘ besteht.“88 cc. „leaderless resistance“ Seit den 1990er Jahren wurde in der neonazistischen Szene in Deutschland ein Konzept verbreitet, das große Ähnlichkeit mit der „Werwolf“-Konzeption aufweist, weil es ebenfalls den bewaffneten Kampf von kleinen Gruppen bzw. Zellen propagiert. Die Inspirationsquelle dieses „führerlosen Widerstands“ („leaderless resistance“) sind allerdings nicht länger die nationalsozialistischen „Werwolf“-Einheiten aus dem Zweiten Weltkrieg, sondern Überlegungen aus dem US-amerikanischen militanten Rechtsradikalismus. (1) Entstehung und zentrale Aussagen des Konzeptes In der Publikation „BfV Spezial 21“ hieß es über das Konzept des „leaderles resistance“: „Hierunter ist eine Anfang der 90er Jahre von dem US-amerikanischen Rechtsextremisten Louis BEAM formulierte Strategie zu verstehen, nach der geheime Widerstandszellen auf gemeinsamer ideologischer Basis aber weder unter einer einheitlichen Führung noch untereinander organisatorisch verbunden oder vernetzt den Staat bekämpfen.“89 Der Sachverständige Tobias Belzer hat ausgeführt, dass Beam ab 1983 das Konzept des „leaderless resistance“ propagierte. Das Konzept basiere auf selbstständig agierenden Kleingruppen, die nicht durch eine hierarchische Befehlskette oder eine organisatorische Struktur, sondern lediglich durch die geteilte Ideologie verbunden seien. Die Struktur solle horizontal angelegt sein und jede Zelle müsse autark agieren, um einer Zerschlagung durch staatliche Ermittlungsbehörden zu entgehen.90 (2) Hinweise auf die Verbreitung des Konzeptes des „leaderless resistance“ Das Konzept des „leaderless resistance“ wurde von vielen Neonazis als Referenzpunkt genannt und in eigenen Schriften propagiert. „Über die Kriegsberichtsvideos beispielsweise oder Tom Metzgers Organisationen ‚White Aryan Resistance‘ – ‚Weißer arischer Widerstand‘ – ist dieses Konzept ganz massiv auch in die deutsche Neonaziszene getragen worden. […] Dabei darf man nicht vergessen: Es handelt sich von Anfang an um ein Konzept für rassistischen Terror, den sogenannten Race War, gegen Teile der eigenen Bevölkerung.“91 Besonders starke Bezugnahmen finden sich beim internationalen Netzwerk „Blood & Honour“, insbesondere in deren programmatischen Schriften „The way forward“ und „Blood & Honour Field Manual“.92 In der zweiten Ausgabe des Magazins der „Blood & Honour Division Deutschland“ aus dem Jahr 1996 wurde das Konzept des „leaderless resistance“ dargestellt.93 Diese Ausgabe wurde 1998 durch die Polizei in der von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe genutzten Garage in Jena sichergestellt.94 88 89 90 91 92 93 94 Vermerk des BKA vom 30 März 2016, A65311 S. 75 (VS-nfD). BfV Spezial Rechtextremismus Nr.21, A72476 S. 51 (VS-nfD). Bezler, APr 16/872 S. 5 ff. Bezler, APr 16/872 S. 5 ff. Zu vgl. Zweiter Teil A. I. 2. b. gg. Bezler, APr 16/872 S. 5 f. Asservatenverzeichnis des BKA vom 2. Juli 2012, A12497 S. 71. 75 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auch die zeitweise eng mit „Blood & Honour“ verwobene englische Organisation „Combat 18“ propagierte das Konzept. Nachdem „Combat 18“ seit Mitte der 1990er Jahre in der Szene als „bewaffneter Arm von Blood & Honour“ begriffen wurde, war „leaderless resistance“ die dazugehörige Strategie von „Combat 18“-Zellen. Die deutschsprachigen „Combat 18“-Magazine „Stormer“ und „Totenkopf Magazin“ erklärten ihren Lesern ebenfalls das Zellenkonzept des „leaderless resistance“. Die Dortmunder Rechtsrock-Band „Oidoxie“ veröffentlichte einen Song, in dem sie dazu aufrief, sich dem Kampfe im Sinne des „leaderless resistance“ anzuschließen.95 Darüber hinaus finden sich weitere positive Bezugnahmen von weiteren nordrhein-westfälischen Neonazis auf das Konzept, beispielsweise im Fanzine „Der Förderturm“ Nr. 5 sowie einem Aufruf zum „führerlosen Widerstand“ eines ursprünglich aus den Reihen der „Sauerländer Aktionsfront“ stammenden Neonazis bei einem Treffen von deutschen und niederländischen Neonazis in den Niederlanden 2001.96 dd. Roman „The Turner Diaries“ Der 1978 in den USA erstmals veröffentlichte Roman „Turner Diaries”97 thematisiert die auf dem Konzept des „ leaderless resistance” aufbauende Praxis einer bewaffneten Zelle in fiktiver Form, damit der Leser sich mit dem Romanhelden identifiziert. Der Roman hat zur Popularisierung des „leaderless resistance” in der Neonazi-Szene beigetragen. (1) Entstehung und zentrale Aussagen des Romans In der Publikation „BfV Spezial Nr. 21“ wurden die „Turner Diaries“ („Turner Tagebücher“) als bedeutende Inspirationsquelle für die neonazistische Szene benannt: „Die ‚Turner-Diaries‘, ein Roman des inzwischen verstorbenen US-amerikanischen Rechtsextremisten William Pierce, sind in der Szene weit verbreitet. In dem Roman kämpft eine fiktive Hauptperson Earl Turner, Mitglied einer extrem militanten und rassistischen Organisation, mit Mord- und Terroranschlägen gegen Farbige, Juden und das gesamte politische System der USA. Das Buch, das Pierce unter dem Pseudonym ‚Andrew MAC DONALD‘ verfasst hat, inspirierte die ‚White Power Bewegung‘ weltweit und diente möglicherweise als Vorlage für den Bombenanschlag in Oklahoma City im April 1995, bei dem 168 Menschen den Tod fanden. Seit Mitte der 90er Jahre unterhielt Pierce gute Kontakte zur NPD und ihrer Jugendorganisation JN.“98 Durch die vom Autor gewählte Romanform soll der Leser gewissermaßen mitgenommen werden auf einen Weg der Radikalisierung mit dem Ziel, Skrupel vor den Morden abzubauen.99 Dieser Wirkung war sich der Autor William Pierce offensichtlich bewusst, gab er doch in einem Interview mit dem schwedischen Nordland Magazin an, dass Fiktion und Drama häufiger für die Verbreitung der eigenen Inhalte genutzt werden sollten.100 (2) Hinweise auf die Verbreitung der „Turner Diaries“ Die „Turner Diaries“ wurden in der deutschen Naziszene vielfach rezipiert. William Pierce selbst pflegte auch gute Kontakte in die neonazistische Szene in Deutschland. So war er auf einem Kongress der „Jungen Nationaldemokraten“ anwesend und hatte enge Beziehungen 95 96 97 98 99 100 76 Zu vgl. Zweiter Teil A. I. 4. f. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das 1. Halbjahr 2001, A21672 S. 218. Beitrag „Turner Diaries“ auf wikipedia, A95645. BfV Spezial Rechtextremismus Nr.21, A72476 S. 51 (VS-nfD). Bezler, APr 16/872 S. 9. 9. Ausgabe des Magazins „Blood and Honour“, A13709 S. 183 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 zu Tino Brandt und dem „Thüringer Heimatschutz“.101 Der Sachverständige Tobias Bezler hat exemplarisch auf die Aussage des Neonazis A. G. in dem Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München verwiesen: „[A. G.], Platten-Online-Musiker, der im NSU-Prozess als Zeuge auftreten musste, schilderte eindrücklich, wie begehrt die Turner-Tagebücher auf deutschen Nazikonzerten waren. Er sagte: Das war total rar – nicht, weil das Buch so selten war, sondern weil alle es haben wollten. - Es ist in der deutschen Naziszene also offensichtlich stark rezipiert worden.“102 In Dortmund kursierten die „Turner Diaries“ ebenfalls innerhalb der dortigen rechtsextremen Szene.103 Im Jahr 2005 konnten die „Turner Diaries“ bei Szeneveranstaltungen in Dortmund käuflich erworben werden.104 Der „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ druckte in seiner Zeitschrift „Der Gegenangriff“ zum Tod von William Pierce, dem Autoren der „Turner Diaries“, eine Kondolenzadresse für den als „großen amerikanischen Nationalsozialisten“ Bezeichneten ab, die von der vierköpfigen Organisationsleitung unterzeichnet war.105 (3) Bezugnahmen auf die „Turner Diaries“ Die Kernaussage der „Turner Diaries“, dass Terror schockieren, willkürlich und unberechenbar sein soll, ist eine wichtige Inspirationsquelle für die internationale Neonazi-Szene gewesen. Einer der drei Täter, die am 19. April 1995 eine Autobombe vor einem Behördengebäude in Oklahoma City zur Explosion brachten, bei der 168 Menschen starben, berief sich ebenso auf die „Turner Diaries“ wie David Copeland. David Copeland verübte aus rassistischen und homophoben Motiven im Jahr 1999 innerhalb von 14 Tagen drei Nagelbombenanschläge in London. In einer Vernehmung stellte er unter Bezugnahme auf die „Turner Diaries“ sein Konzept wie folgt dar: „Im Jahr 2000 werde es rassistische Gewalt auf der Straße geben. Aus dem erhofften Gegenschlag durch die ethnischen Minderheiten würden alle weißen Leute losgehen und die British National Party wählen.“106 Auch deutsche Rechtsterroristen haben sich auf die „Turner Diaries“ bezogen. Ein Berliner Neonazi, der 1997 in Berlin einen linken Buchhändler mit einer Pumpgun verletzt und auf der Flucht einen Polizeibeamten erschossen hat, berief sich nach 1.407 Tagen in Haft auf die „Turner Diaries“ und forderte auf, diese in die Tat umzusetzen: „Jeder sollte erkennen, wie die Welt da draußen wirklich ist. Er kann sich letztendlich nur für unsere Sache entscheiden. Die Turner-Tagebücher sagen und zeigen alles, was von Wichtigkeit ist. Lasst sie uns in die Tat umsetzen.“107 Wenige Wochen nach Selbstenttarnung des NSU wies der Dortmunder Neonazi Sebastian Seemann den Polizeilichen Staatsschutz darauf hin, dass die Mordserie an den türkischen 101 102 103 104 105 106 107 Bezler, APr 16/872 S. 8. Bezler, APr 16/872 S. 8. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 39 ff. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 27. April 2005, A13736 S. 199 (VS-nfD) Kondolenzadresse, in „Der Gegenangriff“, Nr. 5 (2002), A12251 S. 28. Bezler, APr 16/872 S. 7. Schreiben des BfV an die Abteilung 6 vom 21. März 2001, A13725 S. 13 (VS-nfD). 77 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und griechischen Einzelhändlern den Beschreibungen aus den „Turner Diaries“ ähneln würde.108 Inwieweit der Roman von William Pierce die Taten des NSU inspiriert hat, bewertet das BfV in einem Schreiben vom 23. April 2012 wie folgt: „Die ‚Turner Tagebücher‘ sind zutiefst rassistisch, antisemitisch und ausgesprochen gewaltaffin. Gewalt und Gräueltaten werden hier als Notwehrreaktion gegenüber einem System beschrieben, das die weiße Rasse, (beschrieben als Gottes großartigster Versuch), mittels liberaler Gesetzgebung und erzwungener Integration vernichten will. Die Erhabenheit der weißen Rasse wird gebetsmühlenartig den minderwertigen, kriminellen Angehörigen anderer Rassen oder auch den als degeneriert beschriebenen Mischlingen gegenübergestellt. Demokraten und Liberale werden als ‚gehirnverdreht‘ beschrieben. Auch sie, werden bei der Machtübernahme getötet. Politischer Terror wird gezielt zur Disziplinierung durch Angst eingesetzt (dies wird im Text auch explizit betont!). Erschreckend ist insbesondere die Gleichgültigkeit, mit der hier Gräueltaten und Massenermordungen geschildert werden. Dies trifft auch auf unschuldige Opfer zu. Diese werden zwar bedauert, seien aber unumgänglich (das Bild des ‚Krebsgeschwürs‘). Der Kampf gegen den verhassten Feind schließt auch die Selbstopferung mit ein, um den Erhalt der weißen Rasse zu erzielen. Einzelne im Buch vorhandene Elemente wie Raubüberfälle zur Eigenfinanzierung, legale und illegale Widerstandsstrukturen, Leben im Untergrund unter Anwendung falscher Personalien, Beschaffung von Waffen, Anlegen von Dossiers und die Bereitschaft zum Töten bis hin zur Selbsttötung finden sich auch bei den Handlungsmustern des NSU wieder. Ob sich die Angehörigen des NSU von den ‚Turner Tagebüchern‘ in ihrer rassistischen Einschätzung haben bestätigen oder inspirieren lassen, kann aus der Lektüre allein nicht abgeleitet werden. Sollte sich ein Exemplar dieses Werkes bei den in der Frühlingsstraße in Zwickau aufgefundenen Asservaten befinden, kann dies jedoch nicht ausgeschlossen werden.“109 Dass die „Turner Diaries“ als eine Art Blaupause für die späteren Taten des NSU wirken, hat auch der Sachverständige Tobias Bezler verdeutlicht. Anhand von Zitaten aus dem Buch wies er auf zahlreiche Parallelen mit dem Vorgehen des NSU hin: „Darin geht es um eine Wohnungsanmietung unter falschem Namen, die Benutzung von Fahrrädern, darum, dass die Wände zu dünn sind, dass die Wohnung gedämmt werden muss. Das alles sind Parallelen zum NSU. Es geht auch darum, dass man bewusst stigmatisierte Menschen ermorden will, um die Ermittlungen nicht zwingend zu machen. Es geht auch darum, dass man keine Bekennerschreiben hinterlassen soll. In einer Passage des Buches will jemand am Tatort des Mordes Flugblätter hinterlassen, was von den anderen Mitgliedern der Einheit unterbunden wird. Am Ende steht ein Überfall auf einen geparkten Polizeiwagen als Rache für Fahndungsmaßnahmen, das Ausscheiden aus dem Leben und das Zerstören der eigenen Basis, im Roman eine Werkstatt, die beim Entdecktwerden durch die Polizei in die Luft gesprengt werden soll, damit die Suche in den Trümmern möglichst lange dauert, um Fluchtaktivitäten zu unterstützen.“110 Die Zeugin Jeanette Pflug, Polizeibeamtin beim BKA, hat ausgesagt, dass in der letzten Wohnadresse von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, der ausgebrannten Wohnung in der Frühlingsstrasse in Zwickau, eine selbstgebrannte DVD sichergestellt 108 109 110 78 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 39 ff. Schreiben des BfV vom 23.4.2012, A62157 S. 32 (VS-nfD). Bezler, APr 16/872 S. 9. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wurde, die neben anderer extrem rechter Literatur auch eine elektronische Version der „Turner Tagebücher“ enthielt.111 Im Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München sagte die Zeugin Jeanette Pflug aus, dass der Inhalt dieser DVD identisch mit Dateien sei, die auf der Festplatte von André Eminger ausgewertet wurden.112 Auch bei Ralf Wohlleben wurden die „Turner Diaries“ auf seinem PC gefunden.113 (4) Einschätzung der „The Turner Diaries“ bei den Sicherheitsbehörden Bei den Polizeibehörden des Landes sowie des Bundes waren die „Turner Diaries“ weitgehen unbekannt. So haben die Zeugen Dieter Kretzer, Leiter der BAO Trio des LKA NRW)114, Markus Weber, Ermittlungsleiter der EG Sprengstoff des PP Köln)115, Markus Schuh, Beamter beim BKA116 sowie Wolfgang Geier, Leiter der BAO Bosporus des PP Mittelfranken 117 auf Nachfrage verneint, die „Turner Diaries“ zu kennen. Gleiches gilt für die Mehrheit der aus dem Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes vernommenen Zeugen, auch für die mit der Bearbeitung von politisch motivierten Straftaten befassten Zeugen. Den Zeugen Günther Geber, ehemaliger stellvertretender Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln Köln118 und Georg Anders, ehemaliger Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund119 waren die „Turner Diaries“ unbekannt. Einzig dem Zeugen Robert Preuß, der bis 2004 beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund tätig war, war der Inhalt der „Turner Diaries“ bekannt, ohne diese selber gelesen zu haben. Weiter hat er ausgesagt, dass bei der täglichen Arbeit die Inhalte der „Turner Diaries“ beim Polizeilichen Staatsschutz in Dortmund keine Bedeutung gehabt hätten, sondern nur gelegentlich erwähnt worden seien.120 Beim Verfassungsschutz NRW waren die „Turner Diaries“ und das Konzept des „leaderless resistance“ bekannt. Die bis April 2006 als Gruppenleiterin beim Verfassungsschutz NRW tätige Zeugin Cornelia de la Chevallerie hatte nach eigener Aussage davon Kenntnis.121 Der von 2004 bis 2012 beim Verfassungsschutz NRW beschäftigte Sozialwissenschaftler Thomas Grumke122 publizierte bereits 1998 einen Aufsatz über die „Turner Diaries“123 und bezeichnete 1999 in einem weiteren Aufsatz den „leaderless resistance“ als Weiterentwicklung des in Deutschland propagierten „Werwolf“-Konzeptes. Er bezeichnete das „leaderless resistance“-Konzept als „effektive Alternative zur legalen Organisation“ und warnte davor, dass es auch in Deutschland in „naher Zukunft zu blutigen Anschlägen rechtsextremer Zellen“ kommen könne, da auch hier das „organisatorische Potential als auch die ideologische Anleitung“ vorhanden seien.124 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 Pflug, APr 16/1422 S. 51 f. Nicht amtliches Protokoll des 220. Verhandlungstages am 21. Juli 2015 im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München veröffentlicht auf www.nsu-watch.info, A95646. Bezler, APr 16/872 S. 8. Kretzer, APr 169/952 S. 80. Weber, APr 16/983 S. 64. Schu, APr 16/983 S. 146. Geier, APr 16/1142 S.77. Gebert, APr16/994 S. 34 f. Anders, APr16/1242 S. 33 Preuß, APr 16/1160 S. 29 f. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 65. Beitrag „Thomas Grumke“ auf wikipedia, A95648. Thomas Grumke „Die „Turner-Diaries“ und das „Oklahoma City Bombing“. Rechtsextremismus in den USA“ in Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte Band 45 Heft 7 1998, A95647. Thomas Grumke „Das Konzept des Leaderless Resistance im Rechtsextremismus“ in Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte Band 46 Heft 6 1999, A96504. 79 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutzes NRW, hat eingeräumt, dass die Ideologien des Rechtsextremismus, insbesondere auch die „Turner Diaries“, dem Verfassungsschutz NRW bekannt waren, aber aus den vorhandenen Kenntnissen nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen worden seien: „Auch unsere Quellen haben davon gesprochen, dass es so etwas gibt, das heißt also eine Ideologie, die darauf ausgerichtet ist, mit Gewalt quasi so einen Rassenkrieg durchzuführen und das System zu überwinden. Diese Dinge waren da. Diese Ideologie und diese Art und Weise sind den Verfassungsschutzbehörden bekannt gewesen. Was aber fehlte, war, daraus den Schluss zu ziehen, selbst wenn man keine konkreten Anhaltspunkte hat – und das war so für uns in Dortmund, dass wir keine konkreten Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Tat hatten –, trotzdem einen Schritt weiter zu gehen – das ist damals nicht passiert –, zu sagen, selbst wenn es solche ersten Anhaltspunkte nicht gibt … Die Ideologie war ja gerade darauf ausgerichtet, im Untergrund zu sein, und deswegen konnte ein Bekennerschreiben gar nicht erwartet werden. Und die Ideologie war auch darauf ausgerichtet, gerade eben nicht nach außen zu zeigen, was man tut, sondern quasi in die Szene hineinzugeben: Ihr versteht schon, was wir tun. Diese Philosophie war da; die war bekannt, und trotzdem ist der Schluss nicht gezogen worden: Das könnte ja hier genauso sein. Also, dass man aus einer bekannten Ideologie erkennt, aus einer bekannten Art und Weise den Schluss zieht: ‚Das könnten ja jetzt rechtsterroristische Rechtsextremisten sein‘, das ist nicht gewesen. Das ist fatal, und das ist ein großer Fehler auch des Verfassungsschutzes gewesen.“125 (5) Kritische Würdigung Obwohl also das Fachwissen theoretisch im Verfassungsschutz NRW vorhanden war, wurden weder die Bombenanschläge in der Probsteigasse und der Keupstraße noch die CeskaMordserie mit Rechtsterrorismus nach dem Vorbild der „Turner Diaries“ bzw. des „leaderless resistance“ in Verbindung gebracht. ee. Roman „The Hunter“ (1) Entstehung und zentrale Aussagen des Romans Der Autor der „Turner Diaries“, William Pierce, hat unter dem Pseudonym Andrew Macdonald ein zweites Buch mit dem Titel „The Hunter“ veröffentlicht. Der Roman ist nach Aussage des Autors eine Weiterentwicklung der „Turner Diaries“, in der die Hauptfigur eine charakterliche Entwicklung vollzieht.126 Im Mittelpunkt der Handlung stehen rassistisch motivierte Morde eines Einzeltäters. Zudem wird in dem Roman die Frage thematisiert, ob durch die Tätigkeit als VP einer Sicherheitsbehörde diese unterlaufen und für eigene Ziele nutzbar gemacht werden kann.127 (2) Hinweise auf die Verbreitung von „The Hunter“ In der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund, in der die „Turner Diaries“ ausgehändigt und gelesen wurden128, dürfte „The Hunter“ ebenfalls verbreitet gewesen und gelesen worden sein. Der Zeuge Sebastian Seemann nannte bei seiner Vernehmung am 25. November 2011 durch das PP Dortmund im Zusammenhang mit der Mordserie des NSU auch das Buch „The Hunter“, da dieses für den Aufbau einer Zelle von Nutzen wäre.129 Der Ausschuss 125 126 127 128 129 80 Freier, APr 16/1349 S. 6 9. Ausgabe des Magazins Blood and Honour, A13709 S. 184. Bezler, APr 16/872 S. 6 f. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A13324 S. 4 f. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A13324 S. 4 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 konnte nicht feststellen, dass dieser Hinweis auf „The Hunter“ seitens des PP Dortmund oder des BKA verfolgt wurde. Auch der Sachverständige Jan Raabe hat darauf verwiesen, dass innerhalb der belgischen „Blood & Honour / Combat 18“-Struktur „Bloed - Bodem - Eer - Trouw" (BBET), die eine enge Anbindung an die Dortmunder „Combat 18“-Gruppe pflegte, der Roman rezipiert wurde.130 ff. „The Order“ Kein Konzept im eigentlichen Sinne, sondern der Versuch der Umsetzung der literarischen Vorlage „The Turner Diaries“ stellt die Anfang der 1980er Jahre in den USA aktive Terrorgruppe „The Order – Brüder schweigen“ dar. Sie benannte sich nach der in dem Roman beschriebenen geheimen rassistischen Organisation - und wurde ihrerseits zu einem Vorbild für Neonazis in den USA und Europa. (1) Entstehung Robert Jay Mathews gründete im September 1983 mit acht weitere Personen die Gruppierung „The Order - Brüder schweigen“. Der Sachverständige Tobias Bezler hat ausgeführt, dass sich „Brüder schweigen“ auf das Treuelied der SS beziehe: „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu.“131 Die Gruppe hat in einer Art Ritualmord den jüdischen Radiojournalisten Alan Berg gezielt hingerichtet, aber auch Banken mit Waffen mit Schalldämpfern ausgeraubt. Das dabei erbeutete Geld wurde der neonazistische Bewegung gespendet.132 Zudem verfasste „The Order“ Todeslisten.133 (2) Bezugnahmen auf „The Order“ Die Gruppe wird von deutschen Neonazis bis heute glorifiziert. So posten sie am Todestag von Robert Mathews in ihren Facebook-Profilen ein Foto von ihm.134 Bei einem Konzertauftritt der nordrhein-westfälischen Band „Weisse Wölfe“ am 8. Dezember 2001 in Belgien, dem Todestag von Robert Mathews, hing ein Banner für Mathews auf der Bühne.135 Im Fanzine „Der Förderturm“ aus Oberhausen wurde 2000 / 2001 ein bewundernder Artikel über „The Order“ veröffentlicht.136 Der Dortmunder Neonazis Robin David Schmiemann trägt eine Tätowierung mit der Losung „Brüder schweigen – What ever it takes – C 18“.137 Auf entsprechende Fragen des Ausschusses, ob sich diese Tätowierung auf „The Order“ bezöge, hat er ausgesagt, dass er davon keine Ahnung habe.138 gg. Rechtsterroristische Konzepte von „Blood & Honour“ „Blood & Honour“ propagierte auf vielfältige Weise das Konzept des „leaderless resistance“.139 Sowohl die Schrift „The Way Forward“ als auch das „Blood & Honour Field Manual“ wurden von einem Autoren namens Max Hammer, ein Pseudonym des skandinavischen „Blood & Honour“-Aktivisten Erik Nilsen, verfasst.140 Der Sachverständige Tobias Belzer hat dazu ausgeführt: 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 9. Bezler, APr 16/872 S. 8. Bezler, APr 16/872 S. 8; Beitrag „The Order“ auf Wikipedia, A95630. Beitrag „The Order“ auf Wikipedia, A95630. Raabe, APr 16/1154 S. 30. Übersetzung eines Internetauszugs, A24752 S. 77. Bezler, APr 16/872 S. 9. Vermerk des PP Dortmund vom 16. März 2015, A10723 S. 13. (VS-nfD). Schmiemann, APr 16/1187 S. 51 f. Bezler, APr 16/872 S. 10. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 16. 81 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Max Hammer wirbt für die Organisierung in Zellen zur Ausübung militanter Aktionen. Man soll nicht mehr länger warten. Die Organisation soll zwingend als Netzwerk laufen, als führerloser Widerstand.“141 (1) „The way forward“ und „Blood Honour Field Manuel“ In der Schrift „The way forward“ wird der bewaffnete Kampf offen propagiert: "Ich habe mich bereits im ersten Kapitel von den Argumenten losgesagt. Doch wo führt es uns nun hin, und wo endet es? Es führt uns auf den Weg zu einer Revolution und endet bei 'illegalen' Aktionen (direct actions).“142 „Es interessiert dabei nicht, ob und wie sehr wir im Recht sind in Anbetracht der demokratischen Regeln und Gesetze. ln der Praxis gelten sie nicht für uns. Wir können uns nur untereinander vertrauen, und deswegen benötigen wir eine Schutzstaffel der gemeinsten und härtesten Kämpfer der Bewegung, um unsere natürlichen Rechte aufrechtzuerhalten und unsere Kameraden zu schützen.“143 „Nun stellt sich die Frage: Wann kommt es zum großen Knall? Wann werden Endlich genug weiße Leute aufhören, für die jüdische, multikulturelle Gesellschaft zu arbeiten? Je eher es geschieht, desto größer sind unsere Chancen für den Endsieg. Als Krieger des politischen Untergrundes sollten wir Anarchie und Chaos verbreiten. Falls einer der Leser immer noch an ‚Recht‘ und ‚Gesetz‘ glaubt, hat er bis jetzt absolut nichts verstanden und ist ohne Wert für uns oder unsere Rasse. ‚Recht‘ ist ein jüdisches Recht, und ‚Ordnung‘ ist die Ordnung von ZOG Zombies"144 Das „Blood & Honour Field Manual“ sei, so schreibt der Autor in seinem Vorwort, als Fortsetzung seiner Schrift „The way forward“ zu verstehen. Habe sich „The way forward“ eher mit generellen Absichten beschäftigt, so solle die neue Schrift als „vollwertiges Einsatzhandbuch für die B&H-Kämpfer“ genutzt werden.145 Im Vorwort schwört der Autor seine Leser und Leserinnen ein, endlich zu handeln. Es drohe die „pysische Auslöschung – und zwar in beiderlei Hinsicht, als Bewegung und als Rasse“, einen „kulturellen Hobbyismus“ könne man sich gegenwärtig nicht mehr leisten: „[…] mit Sicherheit steht bei uns an erster Stelle zu HANDELN und zu wissen WIE. Und der Zeitpunkt dafür ist JETZT.“ 146 Im „Field Manual“ wird der Nationalsozialismus als Ideologie von „Blood & Honour“ bezeichnet.147 Nach der Darlegung verschiedener Organisationsmodelle und der aus Sicht des Autors bestehenden Schwierigkeiten für offen agierende nationalsozialistische Organisationen folgen im Kapitel „Gewalt und Terror“ Überlegungen zum bewaffneten Kampf. Der Autor kritisiert, dass zu viele Neonazis ihre Waffen nicht genutzt, sondern nur gesammelt hätten. In 141 142 143 144 145 146 147 82 Bezler, APr 16/872 S. 10. “Der Weg vorwärts”, A54563 S. 81. “Der Weg vorwärts”, A54563 S. 81. “Der Weg vorwärts”, A54563 S. 85. Max Hammer, Blood & Honour Field Manual, Übersetzung aus dem Englischen durch das Bundessprachenamt, A54470 S. 62 (VS-nfD). Max Hammer, Blood & Honour Field Manual, Übersetzung aus dem Englischen durch das Bundessprachenamt, A54470 S. 62 (VS-nfD). Max Hammer, Blood & Honour Field Manual, Übersetzung aus dem Englischen durch das Bundessprachenamt, A54470 S. 64 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 den meisten Fällen seien Gewalttaten ohne sorgfältige Planung durchgeführt worden. Als positive Ausnahme hebt er „The Order“ und „Combat 18“ hervor. 148 Im Anschluss daran diskutiert „Max Hammer“ das Konzept des „leaderless resistance“. Speziell zur Situation in Deutschland heißt es in der Schrift: „Für einige Länder ist der führerlose Widerstand äußerst empfehlenswert, In anderen Ländern, wie z.B. in Deutschland, ist er aufgrund des diktatorischen Exzesse der ZOG149 zu einer absoluten Notwendigkeit für die hartnäckigen Nationalsozialisten geworden. (aus der Roten Armee-Fraktion wurde vor den frustrierten STASI-Offizieren eine Braune Armee-Fraktion!)“150 Neben dem führerlosen Zellenprinzip empfiehlt „Max Hammer“ auch Taten anonymer Einzelgänger, der so genannten „einsamen weißen Wölfe“, deren „einsame[r] Weg des individuellen Gegenterrorismus“ zu respektieren sei. 151 Der Sachverständige Tobias Belzer hat hervorgehoben, dass im „Field Manuel“ die rassistischen Mordanschläge des so genannten Laserman besprochen worden seien, die Ähnlichkeiten mit der Mordserie des NSU aufweisen.152 In einem Schreiben des BfV an das BKA und den GBA vom 23. Januar 2012 wird ebenfalls eine Verbindung zwischen den NSU-Taten und der Mordserie des Ausonius gezogen: „Es besteht die Möglichkeit, dass die Jenaer Rechtsextremisten durch die im Jahr 2000 veröffentlichte Publikation ‚Field Manual‘ Kenntnis von den durch Ausonius verübten Anschlägen auf Ausländer erhalten haben und dessen Vorgehensweise als ‚Blaupause‘ für die Taten des ‚Trios‘ diente. Zudem bestanden zwischen der deutschen und skandinavischen ‚Blood & Honour‘'-Bewegung insbesondere Ende der 1990er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends Kontakte, durch die das ‚Trio‘ möglicherweise über die Vorgehensweise und Taten des Ausonius informiert war.“153 In der Anklageschrift des GBA gegen Beate Zschäpe u. a. wird über die beiden „Blood & Honour“-Schriften ausgeführt: „ln operativer Hinsicht weisen die Angeschuldigte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos in ihrem Verhalten sowohl hinsichtlich der Organisation ihres Lebens im Untergrund als auch hinsichtlich der einzelnen Mordanschläge erhebliche praktische und konzeptionelle Übereinstimmungen mit den vom dem norwegischen ‚Blood & Honour‘' - Aktivisten Erik Nilsen unter dem Pseudonym „Max Hammer“ in den Publikationen ‚The Way Forward‘ (Der Weg vorwärts) und ‚Field Manual‘ (Kampf-/Felddienstvorschrift) befürworteten Strategie des ‚führerlosen Widerstands‘ auf, die eine hierarchiefreie und zellenorientierte Begehung militanter Aktionen empfiehlt. In der Publikation ‚Field Manual‘ wird unter anderem beispielhaft auf einen als ‚Lasermann‘ bekannten deutschstämmigen Rechtsextremisten aus Schweden verwiesen, der von August 1991 bis Januar 1992 in Stockholm und Uppsala (Schweden) unter Verwendung eines Lasergewehres und eines Revolvers zehn rassistisch motivierte Mordanschläge auf insgesamt elf Personen verübte. Das 148 149 150 151 152 153 Max Hammer, Blood & Honour Field Manual, Übersetzung aus dem Englischen durch das Bundessprachenamt, A54470 S. 96 (VS-nfD). Mit ZOG ist im Neonazi-Jargon die Vorstellung einer „jüdischen Weltregierung“ gemeint. Max Hammer, Blood & Honour Field Manual, Übersetzung aus dem Englischen durch das Bundessprachenamt, A54470 S. 101 (VS-nfD). Max Hammer, Blood & Honour Field Manual, Übersetzung aus dem Englischen durch das Bundessprachenamt, A54470 S. 101 f. (VS-nfD). Bezler, APr 16/872 S. 9. Schreiben des BfV vom 23. Januar 2012, A62156 S. 300 (VS-nfD). 83 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 operative Handlungsmuster dieses rassistisch motivierten Täters gleicht in eklatanter Weise dem des ‚NSU‘. Diese Übereinstimmungen beziehen sich auf die Begehung mehrerer rassistisch motivierter Mordanschläge auf Menschen mit Migrationshintergrund ohne Bestehen einer persönlichen Vorbeziehung, die Durchführung von bewaffneten Banküberfällen zur Finanzierung des Lebensbedarfs, die Nutzung von Fahrrädern als Fluchtmittel, die Nutzung von Falschidentitäten, die tatbezogene Nutzung von Mietfahrzeugen sowie die Auswahl Südafrikas als (möglichen) Fluchtpunkt.“154 Aus der nordrhein-westfälischen Neonaziszene hatten die Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ Verbindungen zu „Max Hammer“, der die beiden Bands als Combat 18-Bands bezeichnet.155 Wenigstens ein Bandmitglied von Oidoxie verfügte zudem über die telefonischen Kontaktdaten von „Max Hammer“.156 (2) „The National Socialist Political Soldiers Handbook” Eine weitere, den führerlosen Widerstand propagierende Schrift ist das im Namen von „Blood & Honour / Combat 18” verfasste „The National Socialist Political Soldiers Handbook”, dass die Verfassungsschutzbehörden im Oktober 2003 in Teilen ins Deutsche übersetzen ließen.157 Die Schrift propagiert ein gewaltsames Vorgehen, um eine nationalsozialistische Gesellschaft zu schaffen.158 Die gewaltsamen Aktionen sollen dabei entweder von Einzeltätern oder aktiven Zellen durchgeführt werden.159 Detaillierte Informationen zur Bildung und Organisierung dieser Zellen enthält dieses „C18 Handbook” nicht, es werden viel mehr praktische Ratschläge erteilt, wie Spuren vermieden werden können. Die Schrift enthält außerdem Informationen über die Arbeitsweise der britischen Sicherheitsbehörden.160 hh. Kritische Würdigung Seit den 1990er Jahren propagierten Neonazis den bewaffneten Kampf. Die Konzepte des „Werwolfs“ und des „leaderless resistance“ ähneln sich stark, da in beiden Fällen auf kleine bewaffnete Zellen gesetzt wird. Wurden Anfang der 1990er Jahre diese rechtsterroristischen Konzepte vor allem von Neonazis aus dem Umfeld der NSDAP / AO, der NF und der FAP verbreitetet, so war es ab Ende der 1990er Jahre vor allem das„Blood & Honour“-Netzwerk, was zur Popularisierung dieser Konzepte, nicht zuletzt durch die Romane „Turner Diaries“ und „The Hunter“, in der Neonazi-Szene beitrug. In den Schriften von „Blood & Honour“ steht weniger der Kampf gegen den Staat sondern ein „Rassenkrieg“,„race war“, im Vordergrund. Die rechtsterroristischen Konzepte legitimieren die Ausübung tödlicher Gewalt und willkürlichen Terrors. Den Sicherheitsbehörden lagen die beschriebenen rechtsterroristischen Konzpete bereits vor den Taten des NSU vor. Auch eine kleine interessierte Öffentlichkeit außerhalb der Neonazi-Szene hatte Kenntnis von diesen Schriften. 3. Unaufgeklärte Bombenanschläge in den 1990er Jahren in Köln Der Ausschuss stellt nachfolgend sehr umfangreich die Bombenanschläge 1992 und 1993 in Köln dar. Dabei hat der Ausschuss die wenigen noch verfügbarn Unterlagen insbesondere zur Tat 1992 aufbereitet und in einen Bezug zu den Sprengstoffanschlägen des NSU in Köln gebracht. 154 155 156 157 158 159 160 84 Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 122 (VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 9. Auswertung der im Handy gespeicherten Rufnummern vom 14. Mai 2003, A24753 S.176. Übersetzung des The National Socialist Political Soldiers Handbook, A13408 S. 67 ff. Übersetzung des The National Socialist Political Soldiers Handbook, A13408 S. 67 ff. Übersetzung des The National Socialist Political Soldiers Handbook, A13408 S. 70 ff. The National Socialist Political Soldiers Handbook, A13408 S. 75 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 a. Bombenanschläge 1992 / 1993 in Köln Unter dem Begriff „die alten Kölner Bomben“ wurden im Ausschuss drei, bislang nicht aufgeklärte Bombenanschläge im Dezember 1992 und im Frühjahr 1993 thematisiert. Am 22. Dezember 1992 fanden türkischstämmige Bewohner einer Wohnung in der Platenstraße in Köln-Ehrenfeld ein in Weihnachtspapier eingepacktes Paket vor ihrer Wohnungstür in der dritten Etage eines Mehrfamilienhauses. Das Paket war an den Wohnungsinhaber adressiert und mit einem Zettel versehen, auf dem stand: „Viel Gülük mit dem neuen Teppischreiniger. Heute Sie, morgen das ganze Haus!“ 161 Verwandte des Adressaten holten das Paket ins Wohnzimmer und schüttelten das offensichtlich mit einer Flüssigkeit gefüllte Paket. Beim Öffnen explodierte der Zündmechanismus, die entstehende Stichflamme verletzte zwei Personen schwer. Laut Feuerwehr bestand das Paket aus zwei Behältern mit insgesamt 6 Litern einer brennbaren Flüssigkeit und einem Abreisszünder. Durch das Schütteln des Pakets entzündete der Abreisszünder die brennbare Flüssigkeit wahrscheinlich jedoch nicht. Sonst wären die Folgen des Anschlags noch deutlich schwerwiegender gewesen.162 Am 12. Februar 1993 explodierte in der Geldernstraße in Köln-Bilderstöckchen, der Stadtteil grenzt unmittelbar an Ehrenfeld an, ein TNT-Sprengsatz getarnt in einem Winkelschleifer. Dieser wurde vorher auf dem Parkgürtel am Straßenrand abgelegt, von einem Mitarbeiter der Bundespost gefunden und mit nach Hause genommen. Beim Einschalten des Winkelschleifers kam es zur Detonation. Durch die Explosion wurde der Mann schwer verletzt. Einen guten Monat später, am 13. März 1993, explodierte in der Etzelstraße in Köln-Weidenpesch ein weiterer TNT-Sprengsatz, diesmal getarnt in einem Autostaubsauger. Auch der Autostaubsauger war vorher am Straßenrand abgestellt worden. Ein türkischer Arbeiter hatte ihn gefunden und wollte sein Auto mit dem Staubsauger reinigen. Der Arbeiter wurde schwer verletzt, sein Auto völlig zerstört. Die beiden mit den TNT gefüllten Sprengfallen verübten Anschläge wurden von der StA Köln am 18. März 1993 unter dem Aktenzeichen 91 UJs 229/93 zusammengeführt. Ermittelt wurde wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion gemäß § 311 StGB. Das Ermittlungsverfahren zum Anschlag in Köln-Ehrenfeld wurde allerdings nicht einbezogen.163 Im März 1993 lobte die StA Köln 3.000,- DM für sachdienliche Hinweise aus, die zur Ergreifung des oder der Täter führen würden.164 Am 22. November 1993 wurden die Ermittlungen nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte.165 Die StA Köln ordnete 1996 die weitere Aufbewahrung der Asservate zunächst für drei Jahre an.166 1997 wurde die Aufbewahrung bis voraussichtlich April 2013 angeordnet, womit die Verjährungsfrist von 20 Jahren umfasst war.167 Im März 2003 ordnete der zuständige Staatsanwalt die Vernichtung sämtlicher asservierten Gegenstände an.168 Die Asservatenvernichtung wurde 161 162 163 164 165 166 167 168 Artikel in der Kölner Rundschau vom 24. Dezmeber 1992, A72480 S. 6; Artikel im Kölner Stadtanzeiger vom 24. Dezember 1992, A72480 S.8. Artikel in der Kölner Rundschau vom 24. Dezember 1992, A72480 S. 6; WE-Meldung des PP Köln vom 22. Dezember 1992, A72480, S. 2 f. Verfügung der StA Köln vom 22. März 1993, A22061 S. 185 (VS-nfD). Auslobung der StA Köln vom März 1993, A22064 S. 5 f. (VS-nfD). Verfügung der StA Köln vom 22. November 1993, A22061 S. 320 (VS-nfD); Bericht des LOStA Köln vom 24. November 1993, A22066 S. 89 (VS-nfD). Verfügung der StA Köln vom 14. Juni 1996, A22061 S. 331 (VS-nfD). Verfügung der StA Köln vom 14. Januar 1997, A22061 S. 333 (VS-nfD). Verfügung der StA Köln vom 28. März 2003, A22061 S. 348 (VS-nfD). 85 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 von ihm damit begründet, dass die Taten zehn Jahre zurückliegen und die Asservate umfangreich fotografisch dokumentiert seien.169 Die Asservate wurden vernichtet, obwohl die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war. In einem Interview in der ZDF-Sendung „Drehscheibe“ vom 11. November 2014 mit dem Titel „Unbekannte Bombenserie“ beschrieb der Pressesprecher der StA Köln die Machart der TNT-Bomben als extrem professionell und die Bomben als potentiell tödlich. Daher sei damals auch wegen versuchten Mordes ermittelt worden.170 Schon der erste Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU war auf die Bombenanschläge 1993 in Köln-Bilderstöckchen und Köln-Weidenpesch aufmerksam geworden und musste feststellen, dass laut Mitteilung des PP Köln diese Anschläge im Jahr 2004 von der EG Sprengstoff im Rahmen der Ermittlungen zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße nicht verspurt wurden. Die Akten seien aber nunmehr dem BKA zur Verfügung gestellt worden.171 Ermittlungsergebnisse des BKA sind dem Ausschuss nicht bekannt.172 aa. Bombenanschlag in Köln-Ehrenfeld am 22. Dezember 1992 (1) Sachverhalt und Ermittlungsmaßnahmen Unterlagen des PP Köln und der StA Köln zu diesem Anschlag sind nicht mehr vorhanden.173 Im BfV existierte jedoch noch eine Vorgangsakte. 174 In dieser befindet sich eine WE-Meldung des PP Köln über den Anschlag am 2. Dezember 1992, in der es hieß: „hier: versuchte schwere brandstiftung / herbeifuehren einer sprengstoffexplosion am 22.12.92, gg. 21.30 uhr, kam es in der platenstrasze in koeln-ehrenfeld zu einer versuchten schweren brandstiftung. hausbewohner eines 6-familien-wohnhauses hatten im hausflur vor ihrer wohnungstuer ein verpacktes paket (30x30x50 cm) aufgefunden. in der annahme, es handelt sich um ein geschenk, verbrachten sie es in ihre wohnung und versuchten es zu oeffnen. hierbei kam es zu einer verpuffung und einer stichflamme, wodurch die 29jaehrige tuerkische staatsangehoerige, als wohnungsinhaberin, und ihr 24jaehriger bruder, brandverletzungen im gesicht erlitten. die brandvorrichtung bestand aus 2 gefuellten fluessigkeitsbehaeltern (1 und 5 liter), ein pyrotechnischer satz mit abreiszzuender und batterien. zu einer entzuendung der gefuellten fluessigkeitsbehaelter kam es nicht. ein politischer hintergrund fuer die straftat ist derzeit nicht erkennbar. die beiden verletzten personen befinden sich zur stationaeren behandlung im krankenhaus. taeterhinweise liegen derzeit nicht vor.“175 In den Akten des BfV sind zudem Artikel aus den Lokalzeitungen archiviert, die weitere Informationen zum Tathergang enthalten. So berichtete die „Kölner Rundschau“ am 24. Dezember 1992 unter der Überschrift „Türkische Familie entging bei Brandanschlag knapp einer 169 170 171 172 173 174 175 86 Vermerk der StA Köln vom 28.03.2002, A22061 S. 346 (VS-nfD. Beitrag „Unbekannte Bombenserie“ in ZDF Drehscheibe vom 11. November 2014, A95584. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 713 Antwortschreiben des BKA vom 19. Dezember 2016, A55665. Antwortschreiben des MIK NRW vom 5. November 2015, A15666. WE-Meldung des PP Köln vom 2. Dezember 1992, A72480, S. 2 f. WE-Meldung des PP Köln vom 2. Dezember 1992, A72480 S. 2 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Katastrophe – Die Bombe explodierte nicht“176 über den Anschlag. In dem Artikel wurde der Pressesprecher des PP Köln mit den Worten zitiert: „Wenn der eigentliche Brandsatz hoch gegangen wäre, hätte es Tote gegeben.“ 177 Das PP Köln wurde mit der Einschätzung zitiert, dass das Motiv noch im Dunkeln liege, aber von „Mordabsicht“ ausgegangen werden müsse.178 Weiter berichtete die Presse: „An dem vermeintlichen ‚Geschenkpaket‘, […] klebten eine Plastikrose und eine Weihnachtskarte. Sie enthielt ein paar Grußworte, die in fehlerhaftem Deutsch abgefaßt waren: ‚Viel Gülük‘. […] Sprengstoffexperten stellten fest, daß in dem Paket ein Kanister Benzin steckte, der offenbar über einen Abriß-Zünder zur Explosion gebracht werden sollte. Die Bombe wurde zur Untersuchung ins Landeskriminalamt Düsseldorf gebracht. Die Kripo hat bislang keinen Hinweis auf den Täter oder das Tatmotiv. Ein politischer Anschlag könne ebensowenig ausgeschlossen werden, wie ein Racheakt, so Polizeisprecher Selt. […] Zwei Zeugen beobachteten kurz nach dem Vorfall einen jungen Mann, der vom Tatort in Richtung Venloer Straße lief. Ob er etwas mit der Tat zu tun hat, ist unklar. Der Unbekannte ist etwa 25 Jahre alt, 1,65 Meter groß und hat kurze dunkle Haare.“ 179 Der „Kölner Stadtanzeiger“ berichtete am 24. Dezember 1992 wie folgt über die Tat, die in der Überschrift als „sadistischer Angriff“ bezeichnet wurde: „Das Motiv für den Anschlag liege noch im Dunkeln, hieß es gestern bei der Polizei. Sicher sei jedoch, ‚daß eine Mordabsicht‘ vorlag. Im Präsidium war zu erfahren: ‚Glücklicherweise ist nur der Zünder explodiert. Wäre die brisante Ladung hochgegangen, hätte es Tote gegeben‘. […] Die Familie C. glaubt, daß es sich bei der Tat um eine ausländerfeindliche Aktion handelt: ‚Auf diese Weise sind wir früher schon beschimpft worden. Und sonst haben wir keine Feinde.‘ […] Alitiza und seine Frau waren sicher, dies sei ‚eine liebe Weihnachtsüberraschung‘ für ihre beiden Söhne (3 und 5) – vielleicht vom Kindergarten. Auf einer angehefteten Karte war allerdings in fehlerhaftem Deutsch zu lesen. ‚Viel Glück mit dem neuen Teppischreiniger. Heute Sie, morgen das ganze Haus.‘ Fast ausschließlich türkische Familien leben in dem Mietshaus. Die ‚hinterhältige, sadistische Machart des Angriffs‘ erschreckt die Polizei und die Opfer gleichermaßen. Die meisten Kölner Türken gingen seit der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit ohnehin schon aus Angst nur noch zu mehreren auf die Straße...“180 In den Medienberichten wurde eine mögliche rassistische Motivation thematisiert, insbesondere die Opfer vermuteten einen entsprechenden Hintergrund der Tat. Das PP Köln wollte sich gegenüber der Presse nicht auf eine Motivation festlegen. Der mit der Aufklärung des Anschlags betraute Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln beschrieb am 30. Dezember 1992 den Aufbau der Bombe wie folgt: „beschreibung des paketes: es bestand aus einem 5l-kunststoffkanister und einer 1l-flasche aus kunststoff, beide offenbar mit einer brennbaren fluessigkeit befuellt. 176 177 178 179 180 Artikel in der Kölner Rundschau vom 24. Dezember 1992, A72480 S.6. Artikel in der Kölner Rundschau vom 24. Dezember 1992, A72480 S.6. Artikel im Kölner Stadtanzeiger vom 24. Dezember 1992, A72480 S.8. Artikel in der Kölner Rundschau vom 24. Dezember 1992, A72480 S.6. Artikel im Kölner Stadtanzeiger vom 24. Dezember 1992, A72480 S. 8. 87 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 daneben lag ein etui mit 6 1,5 volt-batterien. davon ging ein kabel zu einem etwa 10 mal 10 mal 15 cm großen kasten, der mit einem zuendgemisch und schrauben und muttern aus metall versehen war. ueber einen draht, der an einer teilweise in den karton heineinreichenden plastikdose befestigt war, wurde beim herausziehen dieser blume ein kontakt ausgeloest, der das zuendgemisch zuendete.“ 181 Zum möglichen Tatmotiv hieß es in dem Bericht: „hier liegen derzeit keinerlei hinweise auf eine fremdenfeindliche motivation des/der taeter vor. da diese zum derzeitigen ermittlungsstand aber auch nicht voellig ausgeschlossen werden koennen, wird der vorgang bei eg/ffs bearbeitet.“ 182 Im Anschluss an die WE-Meldung vom 22. Dezember 1992 findet sich in der Verfahrensakte des BfV der Entwurf eines Schreibens des BfV an den Verfassungsschutz NRW vom 28. Dezember 1992, welches laut Zeitstempel am 29. Dezember 1992 um 10:54 Uhr über das ELKOM gesichert gefaxt wurde. In dem Schreiben fragt das BfV explizit nach Erkenntnissen über eine mögliche rechtsextremistische Motivation des Anschlags: „Betr.: Gewalttaten mit tatsächlicher oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation hier: Anschlag auf eine türkische Familie am 22.12.1992 in Köln durch eine Brandbombe Bezug: Verschiedene Pressemeldungen vom 24.12.1992 (Kölner Rundschau, Kölner Stadtanzeiger, Express) Durch Pressemeldungen wurde hier bekannt, daß am 22.12.1992 in Köln ein Anschlag auf die türkische Familie […] verübt wurde. Der Anschlag wurde durch eine als Weihnachtsgeschenk getarnte Paketbombe, die aus Brandbeschleuniger und einer Zündvorrichtung bestand, ausgeführt. Beim öffnen des Paketes zündete lediglich der Zünder, wobei zwei Personen verletzt wurden. Es wird um Übermittlung näherer Erkenntnisse, insbesondere über eine mögliche rechtsextremistische Motivation, gebeten. Wegen hiesiger Berichtspflichten wird um vordringliche Bearbeitung gebeten.“183 Der Verfassungsschutz NRW sandte daraufhin am 30. Dezember 1992 dem BfV die dort bereits bekannte WE-Meldung des PP Köln vom 23.Dezember 1992.184 Erst gut zwei Wochen später, am 11. Januar 1993, beantworte der Verfassungsschutz NRW die Anfrage des BfV nach näheren Erkenntnissen, dass weitere Informationen, insbesondere über eine mögliche rechtsextremistische Motivation nicht vorlägen.185 Die beim Verfassungsschutz NRW vorhandenen Akten zum Bombenanschlag am 22. Dezember 1992 wurden am 21. September 2004 vernichtet.186 Aus den noch vorhandenen Löschungsvermerken ist ersichtlich, dass der Anschlag in dem für den Phänomenbereich Rechtsextremismus zuständigen Referat bearbeitet wurde.187 181 182 183 184 185 186 187 88 Bericht des PP Köln vom 30. Dezember 1992, A72480 S. 9 f. Bericht des PP Köln vom 30. Dezember 1992, A72480 S. 9 f. Schreiben des BfV vom 29. Dezember 1992, A72480 S. 4. Telex des Verfassungsschutzes NRW vom 30. Dezember 1992, A72480 S. 11 f. Telex des Verfassungsschutzes NRW vom 13. Januar 1993, A72480 S. 13. Rekonstruktion Tagebuchauszüge des Verfassungsschutz NRW zum Brandbombenanschlag am 22. Dezember 1992, A15110 S. 1 ff. Rekonstruktion Tagebuchauszüge des Verfassungsschutz NRW zum Brandbombenanschlag am 22. Dezember 1992, A15110 S. 1 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dem vorliegenden Aktenbestand des BfV ist lediglich zu entnehmen, dass der Verfassungsschutz NRW am 15. Januar 1993 eine Anfrage an das PP Köln sandte, welche diese am 9. März 1993 unter dem Betreff „versuchter bombenanschlag am 22.12.92 in koeln ehrenfeld“ beantwortete. Der Wortlaut der Antwort lautet: „der/die taeter konnten nicht ermittelt werden. aufgrund eines schriftgutachtens musz mit hoher wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dasz es sich beim taeter um einen tuerken handelt. eine fremdenfeindliche motivation konnte nicht erkannt werden.“188 Das vom Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln erwähnte Schriftgutachten ist nicht mehr vorhanden, so dass der Ausschuss keine Aussage darüber treffen kann, ob aus der Analyse eines einzigen Satzes eine Aussage über die Nationalität des Verfassers getroffen werden kann. Dies erscheint dem Ausschuss zumindest als zweifelhaft. (2) Einstellung des Ermittlungsverfahrens Da beim PP Köln und der StA auch keine Akten mehr über diesen Bombenanschlag vorlagen, hat der Ausschuss sich mit der Opferfamilie in Verbindung gesetzt und von dieser dankenswerterweise die noch vorhandenen Unterlagen erhalten. So konnte in Erfahrung gebracht werden, dass die StA Köln den Opfern am 12. Februar 1993 mitteilte, dass das Verfahren 121 Ujs 519/92 eingestellt worden ist, „[…]weil ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Weitere Nachforschungen versprechen zur Zeit keinen Erfolg. Sollten sich jedoch nachträglich Anhaltspunkte für die Klärung der Straftat ergeben, werden die Ermittlungen wieder aufgenommen.“189 Keine zwei Monate nach der Tat - und genau an dem Tag, an dem in Köln eine weitere Bombe explodierte - stellte die StA Köln das Verfahren ein. Und obwohl das PP Köln gegenüber der Presse von klaren Tötungsabsichten sprach und zwei Menschen schwer verletzt wurden, wurde bei der StA Köln nur „wegen Verdachts einer schweren Brandstiftung“190 ermittelt. (3) Umgang mit den Opfern Die Opfer werden zurzeit von der Opferberatung Rheinland (OBR) betreut. Die OBR schilderte dem Ausschuss, dass „[die] psychischen Wunden“ […] „bis heute prägend für das Leben und Erinnern der Betroffenen“ sind. […] Wir möchten ferner darauf hinweisen, dass die Tat bis heute für die Betroffenen sehr belastend ist. Besonders schwerwiegend ist hier die Erfahrung, dass die Polizei seinerzeit auch im Kreis der Betroffenen nach den Täter_innen suchte. Ferner war die Familie nach dem Anschlag nahezu ohne Unterstützung auf sich alleine gestellt. So wurde etwa keine Unterstützung durch die Beantragung von Opferentschädigung nach OEG eingeleitet. Heute, 24 Jahre nach dem Anschlag, gestaltet sich die Opferentschädigung nachvollziehbarerweise kompliziert, u.a. da sämtliche Dokumente aus dem Ermittlungsverfahren nicht mehr existieren. Dadurch, dass der Straftatbestand so gering bemessen wurde – und nicht etwa ‚versuchter Mord‘ als Straftatbestand festgehalten und zur Basis der Ermittlungen gemacht wurde – wurden die Ermittlungsakten nach Ende der Aufbewahrungsfrist vernichtet.“191 188 189 190 191 Telex des PP Köln vom 9. März 1993, A72480 S. 15. Einstellungsbescheid der StA Köln vom 12. Februar 1993, A95551 S. 2 ff. Einstellungsbescheid der StA Köln vom 12. Februar 1993, A95551 S. 2 ff. E-Mail der OBR an den Ausschuss vom 14. November 2016, A95551. 89 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (4) Kritische Würdigung Die Ankündigung auf der der Sprengfalle beigelegten Karte: „Heute Sie, morgen das ganze Haus“ schließt in einem vorwiegend von migrantischen Familien bewohnten Haus ein nichtrassistisches Motiv gegen die Opferfamilie mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Zu dem Datum des Anschlags ist noch anzumerken, dass genau an diesem Tag, dem 22. Dezember 1992 das am 21. Dezember 1992 vom Bundesinnenminister erlassene Verbot der „Nationalen Offensive“ (NO) vollzogen wurde.192 Außerdem wurde der „Deutsche Kameradschaftsbund Wilhelmshaven“ (DKB) verboten. Die NO und der DKB waren also nach den Verboten der NF am 26. November 1992, vollzogen am 27. November 1992 und der „Deutschen Alternative“ (DA) am 8. Dezember 1992, vollzogen am 10. Dezember 1992, die dritte und vierte Naziorganisation die Ende 1992 verboten wurden.193 Der Anschlag fiel zudem in einen Zeitraum, in dem Neonazis mit organisierter Gewalt gegen Asylsuchende und Zuwanderer vorgingen. Im August 1992 fanden in Rostock-Lichtenhagen bundesweit beachtete rassistische Pogrome statt, am 23. November 1992 starben bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag auf das Haus zweier türkischen Familien in Mölln / Schleswig-Holstein zwei Mädchen im Alter von 10 und 14 Jahren sowie deren 51-jährige Großmutter.194 Als Reaktion auf die Gewalttaten fand in Köln am 9. November 1992 ein viel beachtetes Konzert unter dem Titel „Arsch huh – Zäng ussenander!“ mit mehreren Tausend Besuchern und Besucherinnen statt.195 Die rassistisch motivierte Gewalt war somit in der Zeit vor dem Anschlag auch ein medial präsentes Thema. Zudem wurden 1992 auch im Raum Köln rassistisch motivierte Taten verübt. Die Sachverständige Heike Kleffner verwies in einem Artikel unter anderem auf einen Brandanschlag auf ein von Familien türkischer und osteuropäischer Herkunft bewohntes Haus in Köln-Worringen im Februar 1992 sowie auf einen Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim im benachbarten Rösrath am 8. September 1992 hin.196 Ob der Verfassungsschutz NRW weitere Maßnahmen durchführte, um weitere Erkenntnisse über den Anschlag zu erlangen, und um welche Maßnahmen es sich dabei gehandelt haben sollte, lässt sich nicht darstellen, da der Aktenbestand des Verfassungsschutzes NRW zu diesem Anschlag bereits gelöscht wurde. So ist auch nicht mehr nachvollziehbar, ob die Verfassungsschutzabteilung ihre VPen befragte. Bemerkenswert erscheint, dass diese Aktenvernichtung ausgerechnet drei Monate nach dem Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße durchgeführt wurde. bb. Bombenanschlag in Köln-Bilderstöckchen am 12. Februar 1993 Am 12. Februar 1993 wurde ein Mitarbeiter der Bundespost bei einer Explosion in seiner Wohnung schwer verletzt, als er einen am Straßenrand aufgefundenen Winkelschleifer ausprobieren wollte und dieser beim Einstecken des Netzsteckers explodierte.197 Aufgrund der Angaben der Ehefrau des Opfers, dass der Winkelschleifer zeitweise in der Garage gelagert worden sei, durchsuchte das PP Köln am 24. März 1993 diese mit einem 192 193 194 195 196 197 90 Schreiben des GBA vom 23. Dezember 1992, A54470 S.425 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 16. Juni 2003, A54492 S. 226 (VS-nfdD); Aufstellung des BKA „Verbote rechtsextremistischer Parteien und Vereine“ vom 16. Juni 2003, A54492 S.233 (VS-nfD). Beitrag „Mordanschlag von Mölln“ auf wikipedia, A95624. Ausdruck Internetseite www.arschhuh.de_1. Halbjahr 1993, A95625. Artikel „Der NSU und die rassistische Gewalt in den 1990er Jahren in NRW" veröffentlicht auf www.nsu-watch.de, A95626. Vermerk des PP Köln vom 15. Februar 1993, A22061 S. 221 (VS-nfD); Vernehmung des Geschädigten vom 15. Juli 1993, A22061 S. 281 ff. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Sprengstoffhund, um auszuschließen, dass dort Sprengstoffreste verblieben sind. An dieser Maßnahme war der Zeuge Edgar Mittler als Feuerwerker beteiligt.198 Der Zeuge Edgar Mittler leitete Jahre später die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse. Einen Monat später, am 13. März 1993, explodierte in der Etzelstraße 224, nur 1,5 Kilometer vom Tatort in der Geldernstraße entfernt, eine weitere Bombe. Dabei wurde ein türkischer Arbeiter schwer verletzt, als er den Stecker eines zuvor gefundenen Autostaubsaugers in die Buchse seines Auto-Zigarettenanzünders steckte.199 Nachdem die kriminaltechnische Untersuchung starke Hinweise auf ein übereinstimmendes Sprengmittel in beiden Fällen ergeben hatte und die erneute Befragung der beiden Geschädigten bestätigt hatte, dass die explodierenden Gegenstände jeweils am Straßenrand aufgefunden worden waren, zogen die ermittelnden Polizeibeamten am 16. März 1993 eine Verbindung zwischen den beiden Anschlägen.200 Aufgrund der festgestellten Parallelen wurden beide Verfahren mit Verfügung der StA Köln vom 18. März 1993 zu einem Verfahren verbunden.201 Das Ermittlungsverfahren wurde am 22. November 1993 eingestellt, weil ein Täter nicht ermittelt werden konnte.202 cc. Bombenanschlag in Köln-Weidenpesch am 13. März 1993 Am 13. März 1993 wurde ein türkischer Arbeiter durch eine Explosion auf einem Parkplatz an der Etzelstraße 226 in Köln-Weidenpesch schwer verletzt und sein Auto beschädigt.203 Der Tatablauf wurde seitens des PP Köln wie folgt beschrieben: „Der o.g. Geschädigte wollte zum Aussaugen seines PKW einen vermutlich von ihm zuvor gefundenen Autostaubsauger benutzen. Als er den Stecker in die Buchse des Zigarettenanzünders steckte, explodierte der Staubsauger, der dabei erheblich zerstört wurde. Der Geschädigte erlitt am ganzen Körper erhebliche Verletzungen. Am Fahrzeug war u.a. ein ca. 20 x 30 cm großer Durchschlag im Fahrzeugboden der Fahrerseite festzustellen.“204 Der Tatort wurde am 13. März 1993 durch die KTU Köln untersucht. Erst zwei Tage später, am 15. März 1993, erfolgte eine weitere Tatortuntersuchung auf Anordnung des Zeugen Tobias Clauer durch die Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW.205 Im Spurensicherungs- und Auswertungsbericht der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW vom 24. März 1993 wird der Tathergang wie folgt beschrieben: „Nach Angaben von EKHK […] habe der [G]eschädigte […], […] am Samstagmittag Reparaturen am Fahrersitz seines Fahrzeugs vornehmen wollen. Vor oder während der Reparaturarbeiten habe der Geschädigte einen ca. 50 m entfernt stehenden Pappkarton aufgefunden. In diesem Pappkarton sollen sich zwei Kanister mit Öl oder Benzin und eine Werkzeugtasche befunden haben. In der Werkzeugtasche habe sich neben diversen Werkzeugen auch ein Autostaubsauger befunden. 198 199 200 201 202 203 204 205 Vermerk des PP Köln vom 24. März 1993, A22061 S. 247 (VS-nfD). Antrag auf daktyloskopische Untersuchung vom 13. März 1993, A22062 S. 92 (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 16. März 1993, A22061 S. 235 f. (VS-nfD). Verfügung der StA Köln vom 22. März 1993, A22061 S. 185 (VS-nfD). Verfügung der StA Köln vom 22. November 2003, A22066 S. 89 (VS-nfD). Einsatzbericht des PP Köln vom 13. März 1993, A22061 S. 19 (VS-nfD). Antrag auf daktyloskopische Untersuchung vom 13. März 1993, A22062 S. 92 (VS-nfD). Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 24. März 1993, A22062 S. 109 (VS-nfD). 91 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Nachdem der Geschädigte den Fahrersitz ausgebaut habe, sei von ihm versucht worden, den Staubsauger in Betrieb zu nehmen. Dazu soll er den Stecker des Stromkabels in die Steckverbindung des Zigarettenanzünders gesteckt und den Staubsauger zu starten versucht haben. Nachdem dieser aber daraufhin nicht funktionierte, habe er die Zündung des Pkw eingeschaltet. In diesem Moment soll es zur Explosion gekommen sein.“206 (1) Tatmotivation Im Tatortbefundbericht vom Tattag heißt es, dass es zur Ursache der Explosion „keine konkreten Anhaltspunkte“ gibt: „Nach dem subjektiven Teil ist ein Unglücksfall in Folge eines technischen Defektes denkbar. Von der Kriminalwache ist uns bekannt, daß es über den Halter und Verletzten keinerlei Erkenntnisse gibt. Auch eine politische Betätigung scheint bisher nicht bekannt zu sein. Eine Durchsuchung der Wohnung hat in dieser Hinsicht auch keine Erkenntnisse ergeben.“207 Wenig später wurde dem PP Köln allerdings bekannt, dass die Explosion durch eine Bombe verursacht wurde, so dass ein technischer Defekt ausgeschlossen werden konnte. In der Abschlussbewertung der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW vom 24. März 1993 wird die Tötungsabsicht des Täters hervorgehoben: „Die beschriebene Zündvorrichtung in Verbindung mit dem Handstaubsauger läßt aufgrund der üblichen Anwendungsmöglichkeiten den Schluß zu, daß die Sprengvorrichung gezielt gegen eine Person (Benutzer) eingesetzt werden sollte. Da ein Anwender einen Handstaubsauger üblicherweise in der Hand hält und die Wirkungen der Vorrichtung täterseitig nicht zwingend vorhersehbar sind, ist zumindest billigend in Kauf genommen worden, daß der Benutzer des Staubsaugers durch die o. g. Wirkungen der Vorrichtung hätte getötet werden können. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß der Täter das ehemals 6 m lange Originalkabel des Saugers auf ca. 1,50 m verkürzt hat. Da weder Explosionsort noch -zeitpunkt für den Täter vorhersahbar waren, konnte er keinen Einfluß darauf nehmen wieviele Personen sich im Gefahrenbereich des sich umsetzenden Staubsaugers befinden würden.“208 Zu einem möglichen Anschlagsmotiv zum Anschlag am 13. März 1993 hält der Spurensicherungs- und Auswertungsbericht der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW fest: „Motiv Aufgrund des Ablageortes des Staubsaugers auf einer Parkfläche neben dort abgestellten Fahrzeugen, zusammen mit dem Werkzeug in der Werkzeugtasche und den beiden Öl- bzw. Benzinkanistern in dem Karton, kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich der Täter der Sachen als Abfall entledigen wollte. Vielmehr ist zu vermuten, daß er davon ausgegangen ist, daß solche an der Straße abgestellte, offensichtlich herrenlose Sachen, von Anwohnern/Passanten durchsucht und brauchbar erscheinende Teile mitgenommen und auf Funktionsfähigkeit hin überprüft werden. Ob der Täter in diesem Fall aus einer ausländerfeindlichen Gesinnung heraus gehandelt hat und eventuell die am 206 207 208 92 Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 24. März 1993, A22062 S. 110 (VS-nfD). Tatortbefundbericht des PP Köln vom 13. März 1993, A22062 S. 10 f. (VS-nfD). Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 24. März 1993, A22062 S. 126 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Tatort wohnenden überwiegend ausländischen Mitbürger schädigen wollte, läßt sich anhand der hier durchgeführten Spurensicherungsmaßnahmen nicht beurteilen.“209 Die Möglichkeit eines rassistischen Tatmotivs wurde durch die Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW in Betracht gezogen, konnte von ihr aber alleine anhand der gesicherten Spuren nicht beurteilt werden. Türkische Freunde des Opfers informierten das PP Köln spätestens am 15. März 1993 über ihren Verdacht, eines gezielt gegen Türken gerichteten Anschlags. In einen Vermerk hielt das PP Köln fest: „Die Türken würden annehmen, man habe den Karton mit dem präparierten Staubsauger erst spät dort abgestellt, weil samstags viele Türken an ihren Fahrzeugen arbeiten und sicher einer davon den Staubsauger finden und ausprobieren würde.“210 Die Verletzungen des Opfers waren so schwerwiegend, dass er fünfeinhalb Wochen im Krankenhaus behandelt werden musste und bleibende Schäden wie den Verlust der Sehkraft erlitt.211 Ein erstes Gespräch mit ihm konnte das PP Köln am 14. März 1993 führen, wo er berichtete, dass er den Autostaubsauger am Tattag in einem Karton in der Nähe seines Autos stehen gesehen habe. Als er ihn in den Zigarettenanzünder gesteckt und die Zündung betätigt habe, sei das Gerät explodiert. Weiter sagte er aus, dass er seine Arbeitsstelle zum 31. März 1993 gekündigt habe, weil er mit seiner Familie in die Türkei zurückkehren wolle. 212 Die zeugenschaftliche Vernehmung des Geschädigten konnte aufgrund der langwierigen Behandlung im Krankenhaus erst am 26. Juni 1993 durchgeführt werden. Dort äußerte er auf die Frage nach einem Tatverdacht, dass er keine Feinde habe und nicht wisse, wer so etwas mache.213 Zeugen aus dem Umfeld des Geschädigten wurde befragt, ob das Opfer Ärger mit „Landsmännern“ oder „Deutschen“ gehabt habe oder einer politischen Gruppe angehöre. Die Zeugen verneinten dies. Das Opfer habe keine Feinde gehabt. Auf die Frage, ob er einer religiösen Gruppe angehörte, antworteten einige Zeugen lediglich, dass er die Moschee besuche.214 (2) Spur Bombenbestandteile Die Bombe in dem Autostaubsauger bestand aus TNT in unbekannter Menge, zwei Momentzündern / Brückenzündern und einer Sprengkapsel. Zur Funktion der Vorrichtung vermerkte der Spurensicherungs- und Auswertungsbericht der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW: „Mit dem Einschalten der Zündung durch Drehen des Zündschlüssels im Zündschloß [Anm.: des PKW] wurde die Zündspannung der 12-Volt-Fahrzeugbatterie über die Zigarettenanzündbuchse mit eingestecktem Sicherheitsstecker auf die Zündmittel übertragen. Hierdurch setzte sich die Zündpille eines der beiden Momentzünder mit Stichflam- 209 210 211 212 213 214 Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 24. März 1993, A22062 S. 129 (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 15. März 1993, A22065 S. 39 (VS-nfD). Vermerk des PP Köln 14. März 1993, A22061 S. 63 (VS-nfD); Vernehmung des Geschädigten vom 26. Juli 1993, A22061 S. 290 (VS-nfD). Bericht des PP Köln vom 15.03.1993, A22061 S. 64 ff. (VS-nfD). Vernehmung des Geschädigten vom 26. Juli 1993, A22061 S. 291 (VS-nfD). Vernehmungen von Zeugen aus dem Umfeld des Geschädigten vm 13. März 1993, A22061 S. 45 (VS-nfD), 50 (VS-nfD), 55 (VS-nfD)und 61 (VS-nfD). 93 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 menbildung um und zündete unverzögert die eingeschobene Sprengkapsel. Diese initiierte den in den Staubsauger eingebrachten Sprengstoff TNT, ließ aber eine Sprengkapsel teilweise enthalten (Sekundärsprengstoff).“215 Im Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW heißt es über die verwendeten Momentzünder, dass diese ausschließlich von der Firma Sobbe in Dortmund hergestellt werden. Nach Angaben des Inhabers seien derartige Zünder bis 1972 in großer Stückzahl für gewerbliche Sprengbetriebe und danach nur an pyrotechnische Betriebe und das BMI verkauft worden, letzteres habe die Zünder an verschiedene Dienste wie Katastophenschutz, THW oder BGS weitergegeben, die den Zünder zum Teil heute noch verwenden würden.216 Bei der verwendeten Sprengkapsel handelte es sich um ein Produkt, das seit 1992 auch an die Bundeswehr ausgeliefert wurde und unter den Namen DM11 und DM12 AI geführt wurde.217 Spätesten seit Jahresbeginn 1995 wussten sowohl der Verfassungsschutz NRW als auch die Polizeibehörden Hagen und Dortmund, dass Neonazis aus den Reihen der NF und der SAF über TNT und Bundeswehr-Übungsgranaten DM12 verfügten. In einer Grillhütte in Erntebrück-Schameder fand am 31. Dezember 1994 die Silvesterfeier der SAF mit weiteren ca. 100 „geladenen“ Neonazis aus NRW statt.218 Dem Verfassungsschutz NRW wurde bekannt, dass Übungshandgranaten mit der Bezeichnung 12 und tnt-Sprengstoff von Duisburger Neonazis mitgeführt wurden sowie eine Probesprengung durchgeführt wurde. Dazu vermerkte der Verfasungsschutz NRW, dass die Übungshandgranaten bei der Bundeswehr verwendet werden und gefährlich seien. Bei einer beteiligten Person soll es sich um einen Skinhead aus Schwerte gehandelt haben.219 Die oben genannten Erkenntnisse wurden dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund und des PP Hagen vom Verfassungsschutz NRW in einer Art Behördenzeugnis wahrscheinlich am 7. März 1995 mitgeteilt.220 Eine Mitteilung an das PP Köln, das LKA NRW oder das BKA erfolgte nach Kenntnis des Ausschusses nicht. (3) Spur Inschrift in der Tasche Auf der Klappeninnenseite der schwarzen Tasche, in der der Autostaubsauger gefunden wurde, fanden die Beamten die handgeschriebenen Worte „Össal Güven“. Dies war für die Polizei eine wichtige Ermittlungsspur.221 Ein entsprechender Name kam bei einer Überprüfung im Einwohnermeldeamt der Stadt Köln nicht vor. Auch bundesweite polizeiliche Recherchen und eine Nachfrage beim türkischen Generalkonsulat brachten keine Hinweise auf die Wortkombination. Außerdem führte die Punktierung beim „Ö“ und „ü“ zu dem Verdacht, dass der Schreiber die türkische Sprache nicht kennt bzw. schreiben kann. Das Wort „Össal“ gibt es in der türkischen Sprache weder als Begriff noch als Vor- oder Nachnamen.222 Dies könnte darauf hindeuten, dass ein nicht türkischer Täter den Tatverdacht auf einen Konflikt 215 216 217 218 219 220 221 222 94 Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 24. März 1993, A22062 S.125 (VS-nfD). Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 24. März 1993, A22062 S.128 (VS-nfD). Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 24. März 1993, A22062 S.128 (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 23. Januar 1995, A13861 S. 85 ff. (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 23. Januar 1995, A13861 S. 86. (VS-nfD). Schreiben des MIK NRW vom 23. Januar 1995, A13861 S. 105 (VS-nfD). Erfassungsbeleg Spur „Schriftzug Össal Güven“, A22065 S. 2 ff. (VS-nfD). Vernehmungen von Zeugen, A22061 S. 96 (VS-nfD); S. 99 (VS-nfD); S. 110 (VS-nfD); S. 138 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 zwischen Türken lenken und von sich selber und seinen möglicherweise rassistischen Motiven ablenken wollte. So heißt es in einem Schreiben des PP Köln vom 17. März 1993 an eine wissenschaftliche Angestellte beim BKA in Wiesbaden: „Meine Bitte an Sie: In der abgebildeten Werkzeugtasche befand sich im Innenfutter ein Name, der handgeschrieben war. Der Name soll heißen: ‚Ö ss a l G ü v e n‘, wobei dieser Name in der türkischen Sprache und auch beim Einwohnermeldeamt Köln so nicht verzeichnet ist. Es könnte sich um den Namen ‚Özan und / oder Öcan‘ handeln. Nach Meinung eines Dolmetschers würde ein Türke den Namen und auch die Striche über dem ‚Ö‘ bzw. ‚ü‘ so nicht machen, sondern Pünktchen verwenden. Da wir keinen Täterhinweis bisher haben und auch keine ‚heiße Spur‘ verfolgen können, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir aufgrund Ihrer Erfahrung und wissenschaftlichen Tätigkeit mitteilen könnten, ob dieser Schriftzug/Namenszug von einem Deutschen oder Türken (oder andere Nationalität) gefertigt worden ist. Anm.: Wir können auch nicht ausschließen, daß der Name mit Absicht geschrieben worden ist, um eine falsche Spur zu legen! Für Ihre Bemühungen darf ich mich im voraus bedanken.“223 Die Fragen nach der Nationalität des Verfassers konnte jedoch nicht beantwortet werden. Am 4. Mai 1993 wurde dem PP Köln mitgeteilt, dass es in der Türkei keine einheitlichen Regeln für die Oberzeichensetzung gibt. Die Verwendung von Strichen statt Punkten könne jedoch aus Erfahrung einen türkischen Verfasser nicht ausschließen.224 Die Spur 1 „Össal Güven“ wurde am 5. Mai 1993 mit der Begründung geschlossen, dass keine weiteren Ermittlungsansätze aus der Spur abzuleiten seien.225 (4) Spur Kunststofftasche Die Spur 3 „schwarze Kunststofftasche“ hat den Hinweis eines Zeugen zum Gegenstand, welcher am 18. März 1993 mitteilte: „Bei der in der Kölner Rundschau abgebildeten schwarzen Kunststofftasche handelt es sich um eine Munitionstasche, wie sie Sportschützen gebrauchen. Er selbst habe die gleiche Tasche vor geraumer Zeit in Köln in dem Geschäft -Osker H a n k eHeumarkt gekauft.“226 In einem polizeilichen Vermerk vom 19. März 1993 heißt es: „Herr Hancke identifizierte die Tasche sofort als eine Munitionstasche eines Sportschützen oder Jägers. Diese Art Taschen wären typisch für Schützen. […] Ansonsten gab er gegenüber dem Unterzeichner sofort an, daß Jäger oder Sportschützen immer ihren Namen in den Deckel schreiben würden. Falls die sichergestellte Tasche einem Jäger oder Sportschützen gehört haben soll, so müßte auch sein Namen in- 223 224 225 226 Schreiben des PP Köln vom 17. März 1993, A22062 S. 60 f. (VS-nfD). Schreiben des BKA vom 4. Mai 1993, A22062 S. 62 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 5. Mai 1993, A22065 S.18 (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 18. März 1993, A22065 S. 42 (VS-nfD). 95 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nen in der Tasche stehen, da fast alle Jäger und Sportschützen über die gleiche Art Taschen verfügen würden. Damit es dann auf Schießständen nicht zu Verwechslungen kommen könne, schreibt jeder seinen Namen von innen auf den Deckel der Tasche.“227 Nach langwierigen polizeilichen Recherchen konnte als Hersteller der Tasche die Firma Goldkäfer aus Wuppertal ermittelt werden. Die Tasche wurde von 1965 bis 1970 produziert.228 Vertrieben wurde die Tasche von der Firma Knür aus Remscheid. Verkaufsunterlagen waren jedoch nicht mehr vorhanden, sodass eine Verkaufswegfeststellung nicht erfolgen konnte.229 Die Zeugenaussage, dass Jäger und Sportschützen die Angewohnheit haben, ihren Namen auf die Innenseite des Taschendeckels zu schreiben, blieb bei den weiteren Ermittlungen unberücksichtigt. dd. Ermittlungen in Hinblick auf ein mögliches rechtsmotiviertes Delikt (1) Feststellungen Ob und wie das PP Köln im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag vom 22. Dezember 1992 Ermittlungen zu einem möglichen rechtsmotivierten Hintergrund bzw. Täter durchführte, lässt sich aufgrund der nicht mehr vorhandenen Ermittlungsakten nicht nachvollziehen. Der Zeuge Norbert Trumm, der 1993 beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln in der täglichen Lagemeldung arbeitete und im selben Jahr zur Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW wechselte, hat ausgesagt, dass ihm der Fall nicht erinnerlich sei.230 Weder in der Hauptakte noch in den Spurenakten des Ermittlungsverfahrens über die beiden 1993 verübten Bombenanschläge sind Anfragen der Ermittlungsgruppe an den Verfassungsschutz NRW oder den Polizeilichen Staatsschutz dokumentiert. In den Akten des Verfassungsschutzes NRW sind Anfragen des PP Köln ebenfalls nicht vorhanden. (2) Kritische Würdigung In den Ermittlungen zu den beiden Bombenanschläge 1993 spielte ein mögliches rassistisches Motiv keine bedeutende Rolle. Dies ist auch aus dem Fehlen von dementsprechenden Anfragen und Korrespondenzen zwischen Ermittlungsgruppe, Polizeilichem Staatsschutz und Verfassungsschutz NRW zu schließen. Dem PP Köln lagen allerdings Anhaltspunkte vor, die Ermittlungen nach einem rechtsradikalen Täter möglich gemacht hätten: So war bekannt, dass der Täter sowohl über TNT als auch über professionelle Sprengkapseln und Zünder verfügte. Diese Sprengkapseln wurden vor allem von der Bundeswehr eingesetzt. Zudem ermittelte das PP Köln, dass es sich bei der vom Täter beim zweiten Anschlag verwendete Kunststofftasche um die Munitionstasche eines Sportschützen oder Jägers handelte. Dennoch wurde nicht gezielt nach Personen, die als Rechtsextremisten sowie als (ehemalige) Bundeswehrangehörige und Sportschützen bzw. Jäger bekannt waren, gesucht. Ebenso wenig wurde gezielt nach Personen, die wegen Sprengstoffdelikten polizeilich aufgefallen und als Bundeswehrangehörige und Sportschützen bzw. Jäger bekannt waren, gesucht. 227 228 229 230 96 Vermerk des PP Köln vom 19. März 1993, A22065 S. 46 (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 23. März 1993, A22065 S. 75 (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 23. März 1993, A22065 S. 75 f. (VS-nfD). Trumm, APr 16/952 S. 27. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Verfassungsschutz NRW wiederum übersandte seinerseits dem PP Köln keinerlei Informationen, obwohl ihr zumindest vage Hinweise auf die Beschaffung von TNT durch Neonazis vorlagen. Beim Verfassungsschutz NRW wurde der Anschlag vom 13. März 1993 nicht dem Phänomenbereich Rechtsextremismus, sondern dem Phänomenbereich Ausländerextremismus zugeordnet.231 Diese Zuordnung ist nicht nachvollziehbar, weil sich keinerlei Hinweise fanden, dass eine ausländische extremistische Organisation mit dem Anschlag in Verbindung gebracht wurde. Es gab auch seitens des PP Köln keinerlei Ermittlungen in diese Richtung. Vielmehr war das Opfer ein türkischer Staatsbürger, was eine Einordnung des Anschlags als Verdachtsfall für den Phänomenbereich Rechtsextremismus eher nahelegt. Die beim Verfassungsschutz NRW vorhandenen Akten, die lediglich aus einer WE-Meldung des PP Köln vom 13. März 1993 und einem weiteren Schreiben des PP Köln vom 16. März 1993 bestanden, wurden bereits am 28. Mai 1993, also knapp zweieinhalb Monate nach der Tat, vernichtet.232 Bezüglich des Anschlags am 12. Februar 1993 in Köln-Bilderstöckchen wurden keinerlei Aktenbestände oder Tagebuchaufzeichnungen beim Verfassungsschutz NRW aufgefunden. Dies überrascht sehr, da die Verbindung der Taten am 12. Februar 1993 und 13. März 1993 kriminalistisch durch die baugleichen Vorrichtungen der Bombe als erwiesen gelten kann und die StA Köln die Ermittlungen unter dem gemeinsamen Aktenzeichen Az.: 91 UJs 229/93 führte.233 ee. Hinweis auf Ankauf von TNT durch Neonazis im November 1992 (1) Feststellungen Beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Bonn ging Anfang November 1992 der Hinweis eines Journalisten ein, demzufolge dieser einen Anruf eines Anonymus mit der Ankündigung eines Briefes erhalten habe, dessen Inhalt er sehr ernst nehmen solle. Wenig später fand der Journalist ein Schreiben in seinem Briefkasten, das er dem PP Bonn übergab. In dem Schreiben hieß es, dass „Neonazis einen Anschlag in Bonn vorhaben“. Am 2. November 1992 sollen fünf Personen aus der „Nationalen Front“ aus Kiel, Hannover und Münster an einem Ort in der Nähe von Bonn 700 Gramm TNT im Verkaufswert von 1.100,- DM erworben haben. Die Neonazis würden planen, „zuerst eine kleinere Sprengladung“ zu deponieren und die Reaktion der Öffentlichkeit abzuwarten, um es später „richtig knallen zu lassen“. 234 Diesen Hinweis übersandte das PP Bonn am 5. November 1992 per Fax an den Verfassungs-schutz NRW und bat um weitere, zur Aufklärung des Sachverhalts dienliche, Erkenntnisse.235 Am 12. November 1992 vermerkte der Verfassungsschutz NRW als „vorläufiges Auswertungsergebnis“: „Für ein oben beschriebenes Vorhaben von Rechtsextremisten gibt es bis heute nicht den geringsten Hinweis. Für einen oben angesprochenen Anschlag kommen nach derzeitiger Erkenntnislage auch die im Raum Bonn erkannten Rechtsextremisten nicht in Betracht. 231 232 233 234 235 Rekonstruktion Tagebuchauszüge des Verfassungsschutz NRW zum Brandbombenanschlag am 22. Dezember 1992, A15110 S. 2 f. Rekonstruktion Tagebuchauszüge des Verfassungsschutz NRW zum Brandbombenanschlag am 22. Dezember 1992, A15110 S. 2 f. Vermerk des PP Köln vom 22. März 1993, A22061 S. 55 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 12. November 1992, A12244, S. 21 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 12. November 1992, A12244, S. 21 f. 97 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bei der anonymen Mitteilung könnte es sich um eine Desinformation ‚Linker‘ handeln. Weitere Ermittlungen bleiben zunächst abzuwarten.“236 Der damalige Leiter des Referats Beschaffung des Verfassungsschutz NRW hat verneint, dass diese Notiz von ihm stamme.237 Weiter hat er ausgeführt: „Also, der hat Mut gehabt, der das geschrieben hat, nicht? Der hat Mut gehabt. So kann man doch … Ich kann doch eine Information, die da kommt und weder zu widerlegen noch zu bestätigen ist, nicht ausschließen. Das würde ich also nicht machen.“238 Der Verfassungsschutz NRW teilte am 15. Januar 1993 dem PP Bonn und dem PP Münster mit, dass zum Sachverhalt bis heute keine Hinweise eingegangen seien.239 Erst am 26. März 1993 informierte das Auswertungsreferat des Verfassungsschutzes NRW das Beschaffungsreferat über den Hinweis von November. Dieses Schreiben schloss mit der Formulierung: „Bisher ist kein schädigendes Ereignis eingetreten. Es wird jedoch um Beschaffung von Erkenntnissen gebeten, die zur Klärung des Sachverhaltes beitragen können.“240 Anfang April 1993 übermittelte das Beschaffungsreferat des Verfassungsschutzes NRW daraufhin eine Fehlanzeige.241 (2) Kritische Würdigung Der Umgang mit diesem Hinweis im Verfassungsschutz NRW ist zu kritisieren. Auf welcher Grundlage, die frühe Einschätzung getroffen wurde, dass Neonazis aus dem Raum Bonn für einen Sprengstoffanschlag nicht in Frage kämen, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die Tatsache, dass das Referat Beschaffung erst vier Monate nach Eingang des Hinweises mit einer Quellenabfrage beauftragt wurde. Ferner ist unerklärlich, warum das Referat Auswertung am 26. März 1993 die Aussage treffen konnte, dass bislang kein schädigendes Ereignis eingetreten sei, obwohl bereits am 12. Februar und am 23. März 1993, im rund 25 Kilometer von Bonn entfernten Köln, zwei Anschläge mit TNT-Sprengstoff verübt worden waren. ff. Ermittlungen im Hinblick auf einen Zusammenhang zwischen den drei Taten (1) Feststellungen Der Anschlag am 22. Dezember 1992 wurde seitens des PP Köln und StA Köln nicht gemeinsam mit den TNT-Anschlägen von 1993 bearbeitet. In den Ermittlungsakten zu den beiden TNT-Bomben findet der Anschlag 1992 keinerlei Erwähnung. 236 237 238 239 240 241 98 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 12. November 1992, A12244 S. 22. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 35. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 36. Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 15. Januar 1993, A12244 S. 36 (VS-nfD). Internes Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 26. März 1993, A12244 S. 39 f. (VSnfD). Internes Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 01.04.1993, A12244 S. 45. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (2) Kritische Würdigung Dass der Bombenanschlag vom Dezember 1992 im Ermittlungsverfahren zu den Bombenanschlägen von Februar und März 1993 nicht erwähnt wird, verwundert stark. Schließlich liegen alle Tatorte im Norden Kölns in einem Radius von zirka 2,5 Kilometern. Ein enger räumlicher und zeitlicher Bezug der Taten ist also gegeben. Obwohl die im Dezember 1992 verwandte Bombe anders aufgebaut war - brennbare Flüssigkeit statt TNT, Abreisszünder statt professionellem Zünder und Sprengkapsel - weisen alle drei Fälle Ähnlichkeiten im Modus Operandi auf, so dass einiges dafür spricht, von einer Anschlagsserie auszugehen. Bei allen Bomben handelte es sich um Sprengfallen. Zu den Übereinstimmungen der Taten zählt zudem der Umstand, dass der Täter nach der Ablage keinen Einfluss mehr darauf hatte, wer die Bomben findet und wann sie ausgelöst werden. In zwei von drei Fällen wurden türkische Staatsbürger zum Opfer. Die Ablageorte des Winkelschleifers und des Autostaubsaugers in vor allem von türkischen Familien bewohnten Gegenden kann dahingehend interpretiert werden, dass der Täter türkische Menschen treffen wollte. Somit konnte der Fund des Winkelschleifers durch einen deutschen Staatsbürger vom Täter möglicherweise nicht intendiert gewesen sein. Bemerkenswert ist zudem, dass der Täter bei der Bombe vom 22. Dezember 1992 eine Karte mit einer Aufschrift in fehlerhaftem Deutsch, was wie eine Mischform aus Deutsch und Türkisch wirkt, hinterließ. Beim Anschlag am 13. März 1993 hinterließ der Täter eine Tasche, in der ein Name geschrieben stand, der zwar dem des Türkischen Unkundigen als Türkisch erscheinen mag, im Türkischen allerdings nicht gebräuchlich ist. gg. Bezüge zum Anschlag in der Probsteigasse (1) Feststellungen In den Ermittlungsakten zum Bombenanschlag in der Probesteigasse im Jahr 2001 werden die drei Bombenanschläge der Jahre 1992 / 1993 nicht erwähnt. Der Zeuge Edgar Mittler, der seit 25 Jahren beim Kommissariat für Brand- und Sprengdelikte des PP Köln tätig ist, war sowohl in die Ermittlungen 1993 als auch 2001 eingebunden. Er nahm am 24. März 1993 an einer Durchsuchung in der Garage des Geschädigten Ollig teil242 und verfasste den Spurensicherungsbericht zum Anschlag am 13. März 1993 in Köln-Weidenpesch.243 2001 leitete er die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse. Der Zeuge Edgar Mittler meldete sich zudem am 14. Juni 2004 bei der die Ermittlungen zum Anschlag in der Kölner Keupstraße leitenden EG Sprengstoff und teilte ausweislich eines Vermerks mit, „dass der Sprengstoffanschlag in der Keupstraße seiner Meinung nach deutliche Parallelen zu einem Anschlag auf eine iranische Familie in der Probsteigasse zeigt.“244 Der Zeuge Edgar Mittler hat sich bei seiner Aussage vor dem Ausschuss jedoch nicht erinnern können, auch die Anschläge 1992 / 1993 in einem Zusammenhang mit den Anschlägen in der Probsteigasse und der Keupstraße gesetzt zu haben.245 Den Verdacht, dass die Bombenserie 1993, der Anschlag in der Probsteigasse und der Anschlag in der Keupstraße zusammen hängen könnten, äußerte der Fernsehjournalist Oliver 242 243 244 245 Vermerk des PP Köln vom 24. März 1993, A22061 S. 247 (VS-nfD). Spurensicherungsbericht des PP Köln vom 13. März 1993, A22062 S. 13 ff. (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 14.Juni 2004, A12541 S. 368. Mittler, APr 16/949 S. 95. 99 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Köhler in seinem Beitrag für die WDR Lokalzeit Köln, der fünf Tage nach dem Anschlag in der Keupstraße, am 14. Juni 2004, ausgestrahlt wurde.246 Am selben Tag meldete sich der Zeuge Edgar Mittler bei der EG Sprengstoff, um seinen Hinweis auf Parallelen zur Probsteigasse zu melden. Der Journalist Oliver Köhler wies darauf hin, dass die Bomben 1993 in vorwiegend von Türken bewohnten Gegenden abgelegt wurden, der Anschlag in der Probsteigasse gegen eine iranische Familie gerichtet war und daher der Anschlag in der Keupstraße genau zu dieser Zielauswahl passte. Außerdem zeigte er in diesem Beitrag das Phantombild des Korbablegers aus dem Jahr 2001. Der Journalist Oliver Köhler muss mit den Ermittlungsbehörden über seinen Verdacht gesprochen haben. Anders lässt sich der abschließende Kommentar in seinem Beitrag nicht erklären. Er sagte: „In allen diesen Fällen wurden besonders heimtückische Bomben verwendet. Zusammenhänge zwischen den Anschlägen sieht die Polizei bisher trotzdem nicht“.247 Auch bei der StA Köln, die sämtliche Ermittlungsverfahren verantwortete, wurde ein Zusammenhang zwischen den Taten 1992 / 93 und dem Anschlag in der Probsteigasse 2001 nicht erkannt. So hat der damalige Leiter der Abteilung für Kapital- und Brandsachen248, der Zeuge Hans-Bernhard Jansen, auf die Frage, ob im Jahr 2001 die damals noch vorhandenen Akten der Anschläge von 1992 / 93 beigezogen und ausgewertet worden seien, geantwortet, dass ihm darüber nichts bekannt sei.249 Der Zeuge hat bekräftigt, dass er sich an das Verfahren nicht mehr erinnere, gleichwohl Sprengstoffanschläge in Köln nicht an der Tagesordnung waren.250 Weiter hat der Zeuge Hans-Benhard Jansen die Verantwortung für ein mögliches Fehlverhalten von sich gewiesen: „Ob das alles so okay gelaufen ist, wage ich im Nachhinein natürlich zu bezweifeln. Aber man ist im Nachhinein auch immer schlauer, als es vorher der Fall gewesen ist. Wenn hier tatsächlich ein Zusammenhang zwischen diesen Delikten in den Jahren 92/93 erkannt worden wäre, dann hätte man mit Sicherheit, wenn die StA das auch so gesehen hätte, die Polizei davon unterrichtet und um eine Zusammenführung gebeten. Aber Sie müssen bitte verstehen, dass man im Nachhinein schlauer ist als zu dem Zeitpunkt, als es bekannt wurde.“251 Und an anderer Stelle: „Konkret kann ich mich an dieses Verfahren, das Sie gerade ansprechen, überhaupt nicht erinnern. Wenn aber da ein Zusammenhang bestanden hätte, dann muss ich zurückfragen: Warum ist dann dieses Verfahren, das ja mit dem Verfahren ‚Probsteigasse‘ Ähnlichkeiten aufwies, nicht auch vom GBA im Nachhinein übernommen worden? Offenbar ist das aber nicht geschehen; denn sonst hätten wir diese Komplexe ja auch mit im Münchener NSU-Verfahren. Das ist aber nicht der Fall.“252 Der damals für die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse zuständige Dezernent der StA Köln konnte nicht vom Ausschuss befragt werden, da er bereits verstorben ist. 246 247 248 249 250 251 252 100 Beitrag in der „Lokalzeit Köln“ des WDR vom 14. Juni 2004, A95585. Beitrag in der „Lokalzeit Köln“ des WDR vom 14. Juni 2004, A95585. Verfügung der StA Köln aus Mai 1993, A22066 S. 77 f. (VS-nfD). Jansen, APr 16/949 S.13. Jansen, APr 16/949 S.13. Jansen, APr 16/949 S. 20, 36. Jansen, APr 16/949 S.19. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Dirk Spliethoff, der als Mitglied der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW sowohl mit dem Anschlag in der Probsteigasse im Jahr 2001 als auch mit dem Anschlag am 13. März 1993253 befasst war, hat ausgesagt: „Der erste Gedanke war, dass sowohl Probsteigasse – insbesondere Probsteigasse – ein sehr hinterhältiger Anschlag war; denn die Vorrichtung ruhte solange, bis sich eine Person in irgendeiner Art und Weise daran zu schaffen machte. Die Vorrichtung hätte auch vorher nicht zur Umsetzung kommen können. Und das Einzige, was letztendlich für solch eine Vorrichtung dann zwingend erforderlich ist, ist dass man eine entsprechend langanhaltende Energiequelle hat, sprich Batterie. Und da liegt im Grunde genommen in der Probsteigasse eine ruhende Sprengvorrichtung, die darauf wartet, dass irgendjemand kommt und den Deckel abmacht und darüber dann die Sprengvorrichtung zur Umsetzung kommt, was aus meiner Sicht sehr hinterhältig ist. Das waren so die ersten Gedanken, die mir zur Probsteigasse einfielen.“254 Auf die Frage, ob er Zusammenhänge zwischen dem Anschlag am 13. März 1993 und dem Anschlag in der Probsteigasse gesehen habe, hat er geantwortet: „Nein. Aus meiner Sicht habe ich da a) keine Tatzusammenhänge gesehen, und Analogien in dem eigentlichen Sinne auch nicht. Ich weiß im Moment auch gar nicht, wie die Vorrichtung in Köln damals mit diesem Handstaubsauger aufgebaut war. Aus meiner Sicht war es halt so, dass derjenige den Stecker in die Steckdose stecken musste, und dann auf ‚Einschalten‘, und dann ist die Vorrichtung zur Umsetzung gekommen. Aber, wie gesagt, ich habe da keine Zusammenhänge zu den beiden Taten Keupstraße oder Probsteigasse gesehen.“255 Weiter hat der Zeuge Dirk Spliethoff ausgesagt, dass er aufgrund der unterschiedlichen Tatmittel keinen Zusammenhang gesehen habe.256 (2) Kritische Würdigung Die Anschläge aus den Jahren 1992 und 1993 weisen Parallelen zum Anschlag in der Probsteigasse auf. Zwar unterschieden sich die Sprengvorrichtungen in allen Fällen, unter anderem durch die Verwendung jeweils verschiedener Sprengmittel (brennbare Flüssigkeit, TNT, Schwarzpulver). Allerdings wurden bei allen vier Anschlägen heimtückische Sprengfallen abgelegt, die durch Öffnen des Paketes / der Dose bzw. durch Anschalten der manipulierten elektrischen Geräte ausgelöst wurden. Alle Bomben waren so konstruiert, dass sie die Opfer töten sollten. Nach Ablage der Bombe hatte der Täter in allen Fällen keinen Einfluss mehr darauf, wer die Bombe zu welchem Zeitpunkt zur Zündung brachte. Die Ablageorte - in zwei Fällen wurden sie bei Familien mit Migrationshintergrund hinterlassen, in zwei Fällen in Wohngebieten mit einem hohen Anteil an ausländischer Bevölkerung abgelegt - lassen eine gegen Migranten gerichtete Zielrichtung und damit ein rassistisches Motiv des Täters als wahrscheinlich erscheinen. Besonders auffällig sind die Parallelen zwischen dem Anschlag am 22. Dezember 1992 in Köln-Ehrenfeld und dem Anschlag in der Probsteigasse. In beiden Fällen wurden die Bomben kurz vor Weihnachten, möglicherweise sogar am selben Tag, gezielt bei einer türkischen bzw. iranischen Familie hinterlassen. In beiden Fällen waren die Bomben in weihnachtlicher 253 254 255 256 Spurensicherungs- und Auswertebericht des LKA NRW vom 24. März 1993, A22062 S. 110 (VS-nfD). Spliethoff, APr 16/983 S. 116. Spliethoff, APr 16/983 S. 127 f. Spliethoff, APr 16/983 S. 134 ff. 101 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Verpackung als Geschenk getarnt. Und in beiden Fällen wurde ein mit sechs 1,5 Volt Mignon-Batterien versehener Abreisszünder verwendet.257 Beide Tatorte liegen weniger als drei Kilometer voneinander entfernt. Es verwundert, dass seitens des PP Köln die Anschläge 1992 / 1993 nicht mit dem Anschlag in der Probsteigasse 2001 in Verbindung gebracht wurden, obwohl hier dieselbe Behörde ermittelte und zum Teil die gleichen Sachverständigen beim LKA NRW in die Ermittlungen eingebunden waren. Wenn der Zeuge Edgar Mittler 2004 schon einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag in der Probsteigasse und dem Anschlag in der Keupstraße vermutete, so überrascht, dass die Ähnlichkeiten zwischen den Anschlägen 1992 / 1993 und dem Anschlag in der Probsteigasse polizeilicherseits nicht gesehen wurden. hh. Erkenntnisse nach der NSU-Selbstenttarnung 2011 (1) Bombenanschlag am 23. Juni 1999 in Nürnberg Der im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a vor dem OLG München Mitangeklagte Carsten Schultze gab im laufenden Verfahren einen Hinweis auf einen weiteren Bombenanschlag des NSU, der keine Erwähnung im Bekennervideo des NSU findet. Am 23. Juni 1999 explodierte in einer von einem Türken betriebenen Gaststätte in Nürnberg eine in einer Stabtaschenlampe versteckte Bombe. Diese Taschenlampe war am Abend zuvor wahrscheinlich von zwei Deutschen im Waschraum der Kneipe abgelegt worden. Ein 18-jähriger Mitarbeiter fand die Taschenlampe beim Putzen und betätigte den Schalter. Dies führte einige Sekunden später zu einer Detonation. Der Mitarbeiter wurde leicht verletzt. Das damalige Verfahren richtete sich ausschließlich gegen das Opfer.258 (2) Überprüfung durch den Verfassungsschutz NRW Der Zeuge Dirk Weinspach, der Anfang der 1990er Jahre drei Jahre im Bereich des Verfassungsschutzes NRW gearbeitet hat und von 2009 bis 2014 Leiter des Referats Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz NRW war259, hat verneint, dass sich der Verfassungsschutz NRW nach dem November 2011 mit den Anschlägen 1992 und 1993 befasst hat.260 Die Zeugin Mathilde Koller, bis Juni 2012 Leiterin des Verfassungsschutzes NRW, hatte keine Erinnerung, ob die Anschläge 1992 / 93 nach der Selbstenttarnung des NSU auf Parallelen zu dem Anschlag in der Probsteigasse geprüft worden sind.261 Nach Vorhalt der WEMeldung zum Anschlag am 22. Dezember 1992262 hat die Zeugin Mathilde Koller bestätigt, dass der Anschlag am 22. Dezember 1992 sehr stark dem Tathergang in der Probsteigasse ähnelt und dass es denkbar sei, dass es Verbindungen zwischen diesen Anschlägen gibt. Sie hat die Hoffnung geäüßert, dass diese Verbindungen nun von der Polizei überprüft würden.263 Auch ihr Nachfolger, der Zeuge Burkhard Freier, konnte keine verlässlichen Angaben machen, ob eine interne Prüfung der Anschläge erfolgt ist. Er hat aber sicher ausgeschlossen, 257 258 259 260 261 262 263 102 Spurensicherungs- und Auswertebericht des LKA NRW vom 4. April 2004, A60751 S. 102, 106; Schreiben des LKA NRW vom 20. Januar 2001, A60751 S. 126 f.; Telex des PP Köln vom 30. Dezember 1992, A72480 S.10. Artikel „Rätsel um Anschlag in Nürnberg“ auf Spiegel-online vom 12. Juni 2013. Weinspach, APr 16/1340 S. 50. Weinspach, APr 16/1340 S. 97. Koller, nöAPr 16/234 S. 28 ff. WE-Meldung des PP Köln vom 22.Dezember 1992, A72480 S. 2 f. Koller, nöAPr 16/234 S. 28 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dass die Vorgänge zu den Anschlägen 1992 / 93 dem GBA zur Prüfung von Tatzusammenhängen vorgelegt worden sind.264 (3) Überprüfung durch die BAO Trio des BKA Auch dem Zeuge Ernst Setzer, Beamter der Tatortgruppe ZD 32 des BKA, der für die Pflege und Auswertung des Tatmittelmeldedienstes verantwortlich ist, fielen die Übereinstimmungen der Bombenanschlägen von 1992 / 93 und den Anschlägen 1999 und 2001 nicht auf. Der Zeuge Ernst Setzter hat bejaht, dass er im Jahr 2004 auf ähnliche Sprengstoffanschläge aus 1992 hätte stoßen können.265 Weiter hat er ausgesagt, dass im Rahmen der Ermittlungen der BAO Trio des BKA mittels des Tatmittelmeldedienstes ein Vergleich der Anschläge in der Probsteigasse, der Keupstrasse und des Anschlags am Düsseldorfer Wehrhahn durchgeführt worden sei.266 Ein Abgleich mit den Anschlägen 1992 und 1993 in Köln sei jedoch nicht erfolgt. Bei den drei verglichenen Anschlägen habe es keine Treffer im Tatmittelmeldedienst gegeben, weil die Tatmittel zu unterschiedlich waren.267 Obwohl der dem NSU zugerechnete Anschlag in Nürnberg 1999 ebenfalls eine mit Schwarzpulver befüllte „opfergesteuerte Vorrichtung“ war, hat der Zeuge Ernst Setzer ausgesagt: „In den Fällen des NSU – angefangen von den ersten Sachen damals, Sicherstellungen in Thüringen oder den Attrappen bis dann hin zu den beiden Vorrichtungen, die dem NSU zugeordnet werden, Probsteigasse und Keupstraße – haben wir eben keine Übereinstimmungen in den Tatmitteln, sodass wir da natürlich auch mit dem Tatmittelmeldedienst keine Treffer erzielen können oder keine Hinweise geben können.“268 Auf die Frage, ob im Tatmittelmeldedienst auch Angaben zum Opfer eingegeben werden können, zum Beispiel eine Angabe wie „Opfer mit migrantischem Hintergrund“, hat der Zeuge Ernst Setzer geantwortet: „Ja, gut, es gibt ein – in Anführungszeichen – ‚Angriffsziel‘. Was wurde angegriffen? Da wird natürlich schon reingeschrieben: mit Migrationshintergrund. Oder wenn beispielsweise eine Botschaft angegriffen wird, ist es schon wichtig, dass ich nicht nur reinschreibe: ‚Botschaft‘, sondern welche Botschaft. Das wird schon aufgenommen im Angriffsziel. Opferpersonalien werden natürlich nicht aufgenommen, aber in dem Fall Probsteigasse standen der Migrationshintergrund und die iranische Familie schon drin, ja.“269 Auch die Überlegung, dass die Täter vorsätzlich unterschiedliche Tatmittel verwendet haben könnten, hat der Zeuge Ernst Setzer bestätigt.270 (4) Kritische Würdigung Nach der Selbstenttarnung des NSU ist auch der Verfassungsschutz NRW auf die Suche nach weiteren möglichen Taten des NSU gegangen. Der Frage, ob die Kölner Anschläge 264 265 266 267 268 269 270 Freier, APr 16/1349 S. 49. Setzer, APr 16/983 S. 9. Setzer, APr 16/983 S. 81 f. Setzer, APr 16/983 S. 81 f. Setzer, APr 16/983 S. 82. Setzer, APr 16/983 S. 105. Setzer, APr 16/983 S. 88. 103 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 von 1992 / 93 im Zusamenhang mit den späteren Taten des NSU stehen, ist der Verfassungsschutz NRW nicht nachgegangen. Auch wenn die Zeugin Mathilde Koller zuerst angegeben hat, „ganz vage“ über die Anschlägen 1992 / 93 informiert zu sein, macht ihre Vernehmung deutlich, dass der Verfassungsschutz NRW auch nach der Selbstenttarnung des NSU nicht sämtliche Anschläge in NRW auf mögliche Parallelen zu den bekannten Anschlägen untersucht hat. Hätten Polizei, Verfassungsschutz und GBA sich mit den Anschlägen von 1992 / 93 beschäftig, hätten damalige Spuren bei heutigem Wissen neu interpretiert werden müssen. Mögliche Parallelen der Bombenanschläge von 1992 / 1993 zu den Anschlägen von Nürnberg 1999 und dem Anschlag in der Probsteigasse 2001 sind dem Verfassungsschutz NRW bei einer Befassung mit dem Sachverhalt nicht aufgefallen. ii. Erkenntnisse nach der NSU-Selbstenttarnung 2011 Die Vorgänge über den mutmaßlichen Ankauf und Besitz von TNT-Sprengstoff durch Neonazis der „Nationalistischen Front“ wurde seitens des Verfassungsschutzes NRW nach SelbstEnttarnung des NSU nicht überprüft.271 4. Entwicklung einzelner Organisationen Neben der allgemeinen Entwicklung der rechtsradikalen Szene gibt auch die Entwicklung einzelner rechtsradikaler Organisationen Aufschluss zum einen über bedeutsame Ereignisse für die politische Sozialisation des späteren NSU und zum anderen über mögliche Unterstützungsnetzwerke sowie einzelne Unterstützerinnen und Unterstützer. Bedeutsam für die Betrachtung sind Organisationen  die dem militanten Neonazismus zuzuordnen sind und einen Bezug zu den Tatortstädten der dem NSU in NRW zugerechneten Taten aufweisen (Kameradschaft Köln, Oidoxie Streetfighting Crew sowie Kampfbund Deutscher Sozialisten) oder  die eine große Nähe zum Rechtsterrorismus (Nationalistische Front, Blood & Honour, Combat18, Racial Volunteer Force) aufweisen. a. Nationalistische Front (NF) aa. Gründung Die „Nationalistische Front“ (NF) wurde am 16. November 1985 im nordrhein-westfälischen Steinhagen als eine bundesweite Wahlpartei mit einem 10-Punkte-Grundsatzprogramm gegründet. Der Parteigründung ging eine Gründungsphase seit dem 08. Mai 1985 voraus.272 Die NF verstand sich selbst als: „[…] Zusammenschluss vieler autonomer nationalistischer Kader und Einzelpersonen […] Die NF ist die neue vereinigte Kraft aller revolutionärer Nationalisten in der BRD [...]“.273 271 272 273 104 Freier, APr 16/1349 S. 49. Telefax des PP Bielefeld vom 16. Juni 1992, A10307 S. 60 (VS-nfD). Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-,Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“: „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der ‘Nationalistischen Front‘ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 8 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Parteipublikation „Klartext“ wurde im parteieigenen „Klartext-Verlag“ produziert, der eigene Druckerzeugnisse und Merchandise-Artikel herstellte und vertrieb. Neben den Mitgliederbeiträgen stellte der Verlag eine wichtige Einnahmequelle der Partei dar. Der erste Vorsitzende, Kader verschiedener rechtsradikaler Organisationen, wurde nach internen Auseinandersetzungen Anfang 1986 durch Meinolf Schönborn abgelöst. Schönborn war als überzeugter Neonazi bekannt und wurde 1984 wegen seiner zu radikalen Einstellung aus der NPD ausgeschlossen.274 Bis zum Verbot der NF nach Vereinsrecht am 26. November 1992 formte Meinolf Schönborn die NF zu einer national-revolutionären Kader- und Kampfpartei in Anlehnung an die Ideologie von Gregor und Otto Strasser.275 Zum Selbstverständnis der NF hielt ihre Satzung auf Seite 2 fest: „Die Nationalistische Front ist Teil der weltweiten Bewegung des sozialrevolutionären Befreiungsnationalismus und erkennt die Notwendigkeit, den gemeinsamen Feind der Völker auch gemeinsam zu bekämpfen.“276 Um das Ziel der NF zu erreichen, sollte die Voraussetzung für eine „Volksgemeinschaft“ geschaffen werden. Hierfür galt es laut Organisationshandbuch der NF, Stand Februar 1990: „[…] die kapitalistischen multikulturellen Staatsordnungen östlicher und westlicher Prägung restlos zu zerschlagen, um damit der Herrschaft und Identität der Völker zum Durchbruch zu verhelfen.“277 Hierfür sah die NF das Kaderprinzip als notwendig an: „Wir haben erkannt, daß der lange Weg zum politischen Erfolg, (…), nur mit dem Kaderprinzip überwunden werden kann.“278 bb. Struktur (1) Kaderprinzip Der Sachverständige Jan Schedler hat zum Vergleich der beiden zu Beginn der 1990er Jahre bedeutsamsten Neonazorganisationen ausgeführt: „Der besondere Unterschied zwischen FAP und Nationalistische Front ist, dass die FAP eine Massenorganisation war und die Nationalistische Front als elitäre Kaderorganisation angelegt war.“279 Parteianwärter mussten eine halbjährige Probezeit und mindestens das NF-Grundseminar absolviert haben, um als vollwertige Mitglieder aufgenommen zu werden.280 Die Mitglieder 274 275 276 277 278 279 280 Personagramm des PP Bielefeld zu Meinolf Schönborn vom 04. Juni 2012, A10567 S. 281 (VSnfD). Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations-, und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der ‚Nationalistischen Front‘ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 21. „Organisationshandbuch der Nationalistischen Front (NF)“ Stand Februar 1990, A14874 S. 143. Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der ‘Nationalistischen Front‘ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 14. Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der ‘Nationalistischen Front‘ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 14. Schedler, APr 16/868 S. 3. Ablichtung einer Einladung zum NF-Grundseminar in Bayern 1992, A14870 S. 75. 105 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wurden regelmäßig weiter geschult281 und mussten ca. 5 Prozent ihrer Verdienste an die Partei abführen.282 Ende 1992 gab die Landesregierung NRW die Zahl der NF-Mitglieder in NRW mit 70, Stand 1. Halbjahr 1992, an.283 In der Verbotsverfügung, die sich ausschließlich gegen den sogenannten „Schönborn-Flügel“ der NF richtete, ging der Bundesinnenminister von 50 bis 80 Mitgliedern aus.284 Diese geringe Zahl muss bei der NF als Kaderpartei jedoch anders bewertet werden als bei rechtsradikalen Parteien / Organisationen, denen es um die Anwerbung möglichst vieler Mitglieder geht. Auf die Frage des Ausschusses zum Unterschied zwischen der FAP und der NF, zum Eliteanspruch der NF an sich und zu den möglichen Auswirkungen auf Nachfolgeorganisationen285, hat der Sachverständige Jan Schedler geantwortet: „Interessant ist die Frage zum Eliteanspruch der NF. Eigentlich hat sich das schon insofern stark verändert, als man sehr stark auf eine Breitenwirkung gesetzt hat. Wenn man sich die Bestrebungen früher und heute im Neonazismus anguckt, zum Beispiel der Autonomen Nationalisten, hat man sehr stark darauf gesetzt, die Masse anzusprechen. Die NF war insofern ein Gegenbeispiel, als sie wirklich versucht hat, den Kreis zu beschränken, diesen intensiv zu schulen und den militanten Kampf in den Vordergrund zu stellen. Das ist eine rein strategische Frage.“286 Bis zum Jahr 1989 baute die Partei vier organisatorische Einheiten, in der NF „Stützpunkte“ genannt, in Bielefeld, München, Bremen und Berlin, auf. Nach der Wiedervereinigung und unter dem Einfluss der Progrome von Hoyerswerda zwischen dem 17 bis 23. September 1991, Rostock zwischen dem 22. bis 26. August 1992 und den fast täglichen Angriffen auf Ausländer, Homosexuelle, als „links“ wahrgenommene Personen, Geflüchtete und deren Unterkünfte erhielt die NF starken personellen Zuwachs, besonders aus den Gebieten der ehemaligen DDR. Parteizentrale wurde der NF-Stützpunkt Bielefeld mit dem Hauptquartier in der Bleichstraße 143. Sie bestand von 1986 bis 1989. Im April 1989 kauften Meinolf Schönborn und fünf weiter Personen für die NF in Detmold-Pivitzheide die ehemalige Gaststätte „Haus Tanneneck“ in der Quellenstraße 20 und bauten diese zu ihrer neuen Parteizentrale mit Schulungszentrum und Versammlungsraum aus.287 (2) Vorfeldorganisationen Die Partei unterhielt als Vorfeldorganisation eine Jugendorganisation unter dem Namen „Jungsturm Deutschland“, die für Jugendliche ab 14 Jahren gedacht war. Bewährten sich die Jugendlichen im „Jungsturm“, wurden sie in die NF übernommen. Bereits im Aufnahmeantrag der NF verpflichteten sich spätere Mitglieder dazu, sich einem hierarchisch gegliederten Führerprinzip unterzuordnen: „Ich verpflichte mich, aktiv für die Durchsetzung der Ziele der NF zu kämpfen, ich bin mir im klaren darüber, daß bloße Lippenbekenntnisse nicht ausreichen, die nationalistische 281 282 283 284 285 286 287 106 Ablichtung einer Einladung zum kostenpflichtigen Seminar vom 29. Januar 1992, A14870 S. 76. Ablichtung „Finanzregelung für die Nationalistische Front“, A14870 S. 73. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das 1. Halbjahr 1992, A31620 S. 24. Verbotsverfügung des Bundesministers des Inneren vom 26. November 1992, A14871 S. 11. Schedler, APr 16/868 S 30. Schedler, APr 16/868 S. 31. Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der ‘Nationalistischen Front‘ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 9 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Idee voranzubringen. Ich bin bereit, Beschlüsse der NF auch dann zu tragen, wenn sie nicht immer meiner Vorstellung entsprechen.“288 Als weitere Vorfeldorganisation der NF diente der „Förderkreis Junges Deutschland“ (FJD). Hier waren Personen organisiert, die aus persönlichen Gründen nicht Mitglied der NF werden wollten oder konnten, der Zielsetzung der NF jedoch nahe standen und die NF finanziell unterstützten. Beide Vorfeldorganisationen waren vom NF-Verbot nicht betroffen.289 (3) Organisationsgliederung Die NF war hierarchisch gegliedert. An der Spitze stand der Parteitag und zwischen den Parteitagen der Parteivorsitzende. Die zweite Ebene bildete die sogenannte „Organisationsleitung“ der NF. Sie bestand aus dem Parteivorsitzenden, seinem Stellvertreter, Kassenwart und den drei Bereichsleitern. Die NF gliederte sich in 4 Bereiche: Nord, Süd, Mitte und Ost. Der Bereich Nord umfasste die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Im Bereich Süd waren die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern erfasst. Der Bereich Mitte entsprach dem Gebiet der ehemaligen DDR und der Bereich Ost umfasste in der Vorstellung der NF heute zum Staatsgebiet der Republik Polen gehörende Gebiete. Den Bereichen standen jeweils die Bereichsleiter vor. Laut Satzung der NF gehörte das Bundesland Nordrhein-Westfalen zum Bereich „Nord“ der NF.290 Bereichsleiter-Nord bis zur Spaltung der NF war St. H..291 Der Bereich Ost blieb personell unbesetzt. Den anderen drei Bereichen gliederten sich dann jeweils Ortsgruppen, Stützpunkte und Basisgruppen unter.292 Gerade weil es sich bei der NF um eine Kaderpartei handelte, spielte die Zusammenarbeit mit anderen neonazistischen Parteien, Vereinen und Organisationen eine große Rolle, da die NF selbst keine Massenorganisation war. Bei der Rekrutierung neuer Parteianwärter und Parteianwärterinnen spielte neben den NF-Vorfeldorganisationen „Jungsturm Deutschland“ und „Förderkreis Junges Deutschland“ auch die Organisation von politischen Veranstaltungen mit anderen neonazistischen Organisationen eine Rolle. cc. Aktivitäten (1) Beteiligung an Wahlen Zur Aufrechterhaltung ihres Parteienstatus trat die NF 1989 zur Europawahl an. Über die Beteiligung an der Wahl hieß es in der NF-Publikation „Nachrichten aus der Szene“ Nr. 3/1988: 288 289 290 291 292 Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der „Nationalistischen Front“ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 17. Verbotsverfügung des Bundesministers des Inneren vom 26. November 1992, A14871 S. 10 ff. Bestand des Verfassungsschutzes NRW, Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der ‘Nationalistischen Front‘ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 16. Infobroschüre der NF, A14874 S. 250. Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der ‘Nationalistischen Front‘ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 131. 107 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Wir sind realistisch genug zu wissen, daß wir nicht die erforderlichen 5% der Bundeskonsumbürgerstimmen erhalten werden […], aber dennoch ist es aus folgenden Gründen wichtig, daß wir an der Wahl teilnehmen: + durch die Teilnahme an der Wahl festigen wir unseren Parteienstatus.“293 Diese Gesichtspunkt bewertete auch der Bundesinnenminister in seiner späteren Verbotsbegründung: „Die NF ist keine Partei gem. Art. 21 des Grundgesetzes. Sie hat sich zwar an den Bürgerschaftswahlen in Bremen am 29. September 1991 beteiligt und dabei 0,03% (= 106 Stimmen) erlangt. Die Teilnahme an der Bürgerschaftswahl erfolgte jedoch unter Voraussetzungen, die jetzt nicht mehr vorliegen. […] Die NF verfügt daher über keine hinreichend umfangreiche und feste Organisation um ernsthaft und dauerhaft nach parlamentarischer Vertretung des Volkes zu streben. Darüber hinaus nimmt die NF nicht an Wahlen teil, um auf die politische Willensbildung Einfluß zu nehmen oder sich an der Vertretung des Volkes im Parlament zu beteiligen. Anläßlich der Europawahl im Jahre 1989 hat die NF ihre generelle Einstellung zu Wahlen offenbart, indem sie betont: ,Die NF ist sich absolut im klaren darüber, daß die zur Zulassung zum Europäischen Parlament notwendige 5% Hürde momentan nicht genommen werden kann. Die Teilnahme an der Wahl ist aber aus rechtlichen Gründen anzustreben, außerdem würde der Bekanntheitsgrad der NF enorm vergrößert, was der Verbreitung unserer revolutionären Ideen dienlich ist. Wir müssen uns jedoch darüber im klaren sein, daß mit Wahlen in diesem System nichts geändert werden kann.‘ (Publikation "Umsturz", Nr. 1/1989, S. 4).“294 Insgesamt trat die NF bei drei Wahlen an, namentlich anlässlich der Europawahl 1989, zur Bremer Bürgerschaftswahl 1991 und zur Bürgermeisterwahl in Kehlheim 1992. (2) Revisionistische Kampagne Im Juni 1991 begann die NF mit einer auch in NRW wahrnehmbaren revisionistischen Propagandaaktion unter dem Namen „Holocaust-Aktion“. Laut Eigenangaben wurden bei dieser Aktion über 400.000 Flugblätter und Hundertausende Aufkleber verteilt bzw. verklebt, um die angebliche „Unmöglichkeit der Gaskammermorde“ zu belegen.295 In NRW wurden eine Vielzahl von Sprüh-, Klebe- und Verteilaktionen polizeilich dokumentiert.296 Die Aktionen der NF erregten mediale Aufmerksamkeit. Auffällig sind die häufigen Aktionen an Schulen, vor allem an Gymnasien, die Verteilung der Aktionen über das gesamte Bundesland und die Häufung in bestimmten Regionen mit guter lokaler Verankerung der NF-Ortsgruppen. 293 294 295 296 108 Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der ‘Nationalistischen Front‚ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 10. Verbotsverfügung des BMI vom 26.11.1992, A14871 S. 13 f. Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der „Nationalistischen Front“ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 10 f. Polizeilicher Nachrichtenaustausch in Staatsschutzsachen, A14891 S. 11 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (3) Militanz Der Sachverständige Michael Sturm hat die NF zu denjenigen Gruppierungen gezählt, die er als Teil einer sich in den 1970er und 1980er Jahren herausbildenden „militanten Neonaziszene“ und nicht an parlamentarischer Repräsentation, sondern an einer „Straßenpolitik“ interessiert waren.297 Die Sachverständige Andrea Röpke hat ausgeführt, dass Wehrsportübungen und die Bildung militanter Gruppen Teil der NF-Strategie war: „An der Nationalistischen Front kommt man nicht vorbei, wenn man sich mit Wehrsportwaffen und Militanz298 in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Die Nationalistische Front hatte Ende der [19]80er-Jahre ein eigenes Zentrum erworben. Ihr Schwerpunkt lag in Detmold-Pivitsheide. Wie nicht selten gab es dort mehrere militante und terroristische Gruppierungen, die mit Waffen ausgestattet waren. Tatsächlich ist es Meinolf Schönborn gewesen, der das Zentrum in Detmold-Pivitsheide angeführt hat. Bei den Ermittlungen zum NSU ist klar geworden, es wird angedeutet, dass Uwe Mundlos als junger Neonazi aus Thüringen – später eben in Sachsen ansässig seit 1998 – Mitte der 1990er-Jahre Sympathien für die Nationalistische Front hatte. Sie sieht sich als Elite, als elitäre Kaderorganisation, sehr soldatisch, sehr militant, sehr streng hierarchisch organisiert und angeführt eben von Meinolf Schönborn. Tatsächlich weitete sie sich nach Thüringen aus und baute dort Strukturen auf, bereits bis nach Sachsen. Gerade junge, intelligente und fanatische Kameraden aus den neuen Bundesländern waren dieser Gruppierung aus Westfalen sehr willkommen, die ihren Schwerpunkt später nach Brandenburg verlegt hat. Ganz wichtig für die Nationalistische Front waren Nachwuchsschulungen, vor allen Dingen militärische Übungen. Das Bild, das Sie sehen, ist eines ihrer eigenen. Es gibt sehr harte Bilder, die später beschlagnahmt worden sind, auf denen sie tatsächlich mit Schnellfeuergewehren posieren, auf denen sie bei Wehrsportschießübungen zu sehen sind. Ihre eigenen Fotos zeigen immer wieder bewaffnete Trupps. Die Nationalistische Front war vordergründig eine Partei, die 1992 verboten worden ist, aber hintergründig war sie eine durch und durch militante Kampfbereitschaft.299 Bereits 1988 zeigte das das Nationalistische-Front-Mitglied Josef Saller, dass an oberster Stelle der rassistische Kampf stand. Er zündete ein von Migranten bewohntes Haus in Bayern an. Dabei kamen vier unschuldige Menschen ums Leben. Wie viele der Brandstifter wurde Saller im Gefängnis weiter betreut. Die Nationalistische Front gründete Unterorganisationen. Es war häufig so, dass sie zur Tarnung und zur Verwechslung immer wieder eigene kleine Ablegergruppen gründeten wie zum Beispiel die Liste 88, also die Liste HH, also Heil Hitler, oder die Nationalen Eingreifkommandos – NEKs. Das waren Versuche, tatsächlich handverlesene auserwählte junge Neonazis als Kämpfer aufzubauen, als schlagkräftige Gruppen, ganz im Sinne der Wehrsportgruppe Hoffmann. Einerseits sollten sie nach außen diszipliniert auftreten. Andererseits sollten sie die Militanz und den Kampf nach innen suggerieren. Die Aktivisten der Liste 88 waren etwas ganz Besonderes. Wir haben das natürlich kaum mitbekommen, weil das Ganze sehr intern und getarnt abgelaufen ist. Nach dem Verbot der Nationalistischen Front im Jahre 1992 machten sie weiter. 1994 wurde zum Beispiel wieder ein Waffenlager der Liste 88 der Nationalistischen Front in Bayern hochgenommen. Immer wieder wurde sie auch nach dem Verbot mit Waffen in Verbindung gebracht. Es ist ganz typisch für diese militanten und fast terroristischen Gruppierungen, dass sie mit einem Bein immer im Untergrund gestanden hat. 297 298 299 Sturm, APr 16/860 S. 8. Wahrscheinlich ein Protokollfehler. Gemeint sein dürfte: „Wehrsport, Waffen und Militanz“. Wahrscheinlich ein Protokollfehler. Gemeint sein dürfte: „Kampfgemeinschaft“. 109 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Denn diese Splittergruppen haben immer einerseits eine Ausbreitung, einen propagierten Rassenkampf gewünscht, andererseits aber nach innen gewirkt mit Zeitschriften wie „Angriff“ oder „Umbruch“. Darin hieß es 1995, also drei Jahre nach dem Verbot: Bildet kleine geheime Gruppen. Greift die feindlichen Strukturen an. – Im „Umbruch“ stand tatsächlich etwas, was ich ganz wichtig finde: Eine professionelle Vorbereitung sei wichtig. Dabei wurde klar gesagt, dass die Brandanschläge von Mölln und Solingen kontraproduktiv gewesen seien, weil sie nicht professionell genug durchgeführt worden seien. Es heißt dann weiter: Die Anschlagsziele sollten so ausgewählt sein, dass sie nicht die Gefühlsduselei als Bestandteil der liberalen Dekadenz wecken würden. – Das heißt tatsächlich: Mordopfer migrantische Kleinunternehmer sind sicher ein Anschlagsziel im Sinne der Strategie des „Umbruchs“ gewesen.“300 Im vorliegenden Aktenbestand findet sich kein einziger Hinweis auf die von der Sachverständigen Andrea Röpke genannte „Liste 88“. dd. Aufspaltung der NF in zwei Flügel Meinolf Schönborn fokussierte die Parteiausrichtung hin zu einer Kampfpartei nach dem Vorbild der Freikorps in der Weimarer Republik und der Waffen-SS im Nationalsozialismus. An der Frage des Aufbaus eines sogenannten „Nationalen Einsatzkommandos“ (NEK) kam es 1992 zum parteiinternen Konflikt. A. P., ehemaliger Schlagzeuger der Naziband „Kraft durch Froide“, Mitglied in der Organisationsleitung und stellvertretender NF-Parteivorsitzender301 nahm den Gegenpart zu Schönborn ein. A. P. lud für den 08. August 1992 zu einem außerordentlichen Parteitag ins brandenburgische Kremmen ein und wurde dort zum neuen Parteivorsitzenden ausgerufen. Gegen diesen „Putsch“ ging Meinolf Schönborn erfolgreich gerichtlich vor. A. P. und seine Anhänger verließen im November 1992, kurz vor dem Parteiverbot, die NF und gründeten die „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ (SrA), die im Mai 1995 durch das Brandenburger Innenministerium verboten wurde. Der Flügel der NF um A. P. und mithin die SrA waren explizit nicht vom späteren NF-Verbot betroffen.302 ee. Nationale Einsatz-Kommandos (NEK) (1) Gründung und Zielsetzung Im Herbst 1991 stellte der Parteivorsitzende der NF Meinolf Schönborn der Organisationsleitung erstmals sein Konzept für die Gründung eines „Nationalen Einsatzkommandos“ („NEK“) vor.303 Das NEK sollte nach seiner Vorstellung eine militärisch ausgebildete und strukturierte Einsatztruppe sein, die aus dem Untergrund heraus terroristische Aktivitäten entfalten sollte.304 Es wurde noch im Herbst 1991 gegründet und spätestens ab November 1991 im Mitgliederkreis beworben.305 Die Gründung des NEK und die sich darin widerspiegelnde Fokussierung der Parteiausrichtung zu einer Kampfpartei nach dem Vorbild der Freikorps in der 300 301 302 303 304 305 110 Röpke, APr 16/872 S. 13 f. Zusammenstellung des IM Brandenburg über den gegenwärtigen Stand des Rechtsextremismus vom 23. August 1993, A14872 S. 146. Zusammenstellung des IM des Landes Brandenburg über den gegenwärtigen Stand des Rechtsextremismus vom 23. August 1993, A14872 S. 146. Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der „Nationalistischen Front“ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 8. Erklärung des Innenministers vom 9. Juni 1994, A15307 S. 8. Gründungsaufruf des NEK von Meinolf Schönborn, A15063 S. 12; Schreiben des PP Bielefeld vom 29. November 1991, A15063 S. 16 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weimarer Republik und der Waffen-SS im Nationalsozialismus fand in der NF keine ungeteilte Zustimmung.306 Der GBA leitete im Frühjahr 1992 wegen des NEK gegen Meinolf Schönborn und 13 weitere Mitglieder der NF ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ein. Bei Hausdurchsuchungen im März 1992 in insgesamt 18 Objekten stellte die Polizei eine Schusswaffe, Munition, eine USBV, Molotow-Cocktails, ein Zielfernrohr und umfangreiches Schriftgut sicher.307 (2) Verbindungen zu Bernd Schmitt und der Kampfsportschule HAK-PAO in Solingen In den Räumen der Kampfsportschule HAK-PAO in Solingen residierte auch der „Deutsche Hochleistungs Kampfkunstverband“ (DHKKV) von Bernd Schmitt.308 Bernd Schmitt wurde vom Verfassungsschutz NRW im April 1992 verpflichtet, zunächst als Gelegenheitsinformant und später als VP.309 Nach Angaben eines ehemaligen Leiters des Referats Beschaffung des Verfassungsschutzes NRW, sei Bernd Schmitt auf den Hauptakteur der NF, Meinolf Schönborn, angesetzt gewesen. Er habe sich selber als VP angeboten und sei eine ganz gute Quelle gewesen.310 Bernd Schmitt gab an, im Frühjahr 1992 über Schönborn und eine weitere Person Kontakt zur NF bekommen zu haben, die mit seiner Erlaubnis in den Räumen der Sportschule eine Veranstaltung abgehalten hätten. Im Anschluss habe Schönborn ihn gefragt, ob er ihn sportlich ausbilden könne, was Schmitt zugesagt habe. Im Nachhinein habe er auch bei weiteren Veranstaltungen der NF einen Ordnerdienst gestellt und auch das Haus von Schönborn bewacht, wofür er jeweils bezahlt worden sei.311 Bernd Schmitt gestand gegenüber dem BKA ein, dass er Neonazis, darunter auch einige aus der NF, trainiere.312 Der ehemalige Innenminister von NRW, Dr. Herbert Schnoor, bestritt hingegen, dass es zu einer Ausbildung von Neonazis durch Bernd Schmitt gekommen sei und führte dazu aus: „Faktisch ist es niemals zu einer Ausbildung oder zu irgendwelchen Aktionen gekommen, da Herr SCHMITT weisungsgemäß die Angelegenheiten immer wieder herausgezögert hat.“313 Der Sachverständige Hans-Peter Killgus hat zur Bedeutung der Kampfsportschule von Bernd Schmitt für die Neonazi-Szene ausgesagt: „Er hat aber über diese Kampfsportschule eine Gelegenheitsstruktur geschaffen. Das heißt, einerseits war es ein Ort der Begegnung, wo rechte Jugendliche an ein organisiertes Spektrum herangeführt wurden, und andererseits ging es natürlich auch um das Training in Kampfsportarten. Da war er natürlich schon eine wichtige Figur, und zwar 306 307 308 309 310 311 312 313 Broschüre des „Antifaschistischen Bildungs-,Informations- und Dokumentationszentrums Nürnberg“, „Trotz Verbot nicht tot? - Eine Beschreibung der „Nationalistischen Front‚ und der Aktivitäten ihrer Nachfolgeorganisationen“ Stand 01.02.1995, A14780 S. 32 ff. Mitteilung des BKA vom 16. März 1992 A15063 S. 55 f.; Wöchentliche Information des BfV vom 27.Juni bis 6. Juli 1992 A15063 S. 86 (VS-nfD). Erklärung des Innenministers NRW vom 9. Juni 1994, A15307 S. 7. Erklärung des Innenministers NRW vom 9. Juni 1994, A15307 S. 6. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 11 f. Vernehmung des Bernd Schmitt vom 30. Juni 1992, A15063 S. 143 f. Vernehmung des Bernd Schmitt vom 05. Juli 1993, A15063 S. 161 ff. Erklärung des Innenministers vom 9. Juni 1994, A15307 S. 6. 111 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 weniger im ideologischen Sinne als vielmehr in der Schaffung solcher Treffpunktmöglichkeiten.“314 Das BKA hegte den Verdacht, dass Bernd Schmitt von Meinolf Schönborn für die Ausbildung des NEK vorgesehen war. Außerdem fiel in den Ermittlungen auf, dass der DHKKV dieselben Personalfragebögen benutzte wie Meinolf Schönborn für das NEK.315 ff. Verbot der NF Zur Vorbereitung des Verbots der NF bat das BfV im November 1992 unter anderem den Verfassungsschutz NRW um Mitteilung von Namen und Adressen von bedeutsamen NF-Mitgliedern. Anders als noch in dem entsprechenden Entwurf findet sich in dem Antwortschreiben des Verfassungsschutzes NRW der Name von Bernd Schmitt nicht mehr.316 Am 27. November 1992 wurde die NF durch den damaligen Bundesinnenminister wegen ihrer „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ und ihrer „aggressiv-kämpferischen“ Agitation verboten.317 Ursprünglich waren die Exekutivmaßnahmen im Rahmen des Verbotsverfahrens für den 28. November 1992 geplant. Jedoch erfuhren Medienvertreter und Medienvertreterinnen von den Verbotsplänen und durch diese die NF. Deswegen wurden die Exekutivmaßnahmen vorverlegt. Hierbei kam es zu Absprache- und Personalschwierigkeiten bei den Ermittlungsbehörden. Zusätzlich erschwerte den Beginn der Durchsuchungsmaßnahmen, dass im Vorfeld Unklarheit darüber herrschte, welches Gericht für die Erteilung der Durchsuchungsmaßnahmen zuständig war.318 Die Vorfeldorganisationen des NF, „Jungsturm Deutschland“ und „Förderkreis Junges Deutschland“, waren vom Verbot der NF nicht umfasst.319 Nach dem Verbot kam es zu weiteren Aktivitäten der NF. Der „Klartext-Verlag“ wurde in „Verlag & Versandhandel Meinolf Schönborn“ umbenannt und fortgeführt.320 Auch die ehemalige Parteizentrale in Detmold wurde weiterhin für Seminare und Schulungen genutzt. Der Verfassungsschutz NRW wertete am 13. August 1993 die mit dem Verbot der NF verfolgten Ziele, ein Zeichen für das Ausland zu setzen, die rechtsextremistische Szene zu verunsichern und Randpersonen von weiteren Kontakten abzuhalten, als erreicht. Zugleich stellte er aber fest, dass durch Verbotsverfügungen Personen nicht von ihrer rechtsextremistischen Gesinnung abgebracht werden könnten und Verbote die Gefahr mit sich brächten, besonders militante Personen in den Untergrund zu drängen.321 Meinolf Schönborn erklärte in einem Rundbrief, dass nach dem Verbot nunmehr kleine, unabhängige nationalistische Zellen gegründet werden sollten.322 314 315 316 317 318 319 320 321 322 112 Killgus, APr 16/868 S. 25 f. Vernehmung des Bernd Schmitt vom 30. Juni 1992, A15063 S. 148. Schreiben Verfassungsschutz NRW, A14871 S. 7 f. (VS-nfD). Verbotsverfügung des BMI vom 26.11.1992, A14871 S. 20. Beschluss des AG Minden vom 27. November 1992, A10260 S. 95; Schreiben des RP Detmold vom 17. Dezember 1992, A10260 S. 79. Verbotsverfügung des Bundesministers des Inneren gegen die „Nationalistische Front“ vom 26.11.1992, A14871 S. 10 ff. Ablichtung eines Kataloges vom „Verlag & und Versandhandel Meinolf Schönborn“, Katalog Nr. 4 Juli 1993, A14872 S. 59 - 80. Vermerk zu den Organisationsverboten vom 13. August 1993, A14872 S. 42. Rundschreiben des Meinolf Schönborn vom 30. Juni 1993, A14872 S. 52. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Frühjahr 2004 informierte der Verfassungsschutz NRW den Polizeilichen Staatsschutz des PP Bielefeld über die aktuelle Entwicklung der militanten bis terroristischen Neonaziszene in Ostwestfalen. Demnach habe G. U. einen Personenkreis um sich gebildet, bei deren Treffen es „überwiegend um wehrsportähnliche Übungen“ gehe.323 Er sei zudem bestrebt eine neue, überregionale Gruppe zu bilden. Es bestünden Kontakte dieses Personenkreises zur „Gruppe C 18 in Belgien, Holland und England“. Dem Verfassungsschutz NRW lägen keine Informationen vor, wonach diese „konspirative Gruppe“ in Besitz von Sprengstoff und Waffen sei. Es bestünden aber Kontakte zu E. H. (Niederlande), M. K. (Dortmund) und Marko Gottschalk. Meinolf Schönborn habe vor zusammen mit G. U. eine neue Gruppe zu initiieren, ob es sich dabei um die zuvor G. U. zugeschrieben Gruppe oder eine weitere Gruppe handelte, wusste der Verfassungsschutz NRW nicht.324 Die Sachverständige Andrea Röpke hat ausgeführt, dass in jüngster Zeit erneut gegen eine von Meinolf Schönborn angeführte Organisation wegen gefundener Waffen ermittelt worden sei und dass Schönborn auch weiterhin organisatorisch tätig sei.325 b. Kameradschaft Köln aa. Gründung Am 10. Oktober 1998 fand die Gründungsveranstaltung der „Kameradschaft Köln“ in Köln statt. Die Veranstaltung wurde vom PP Köln observiert, wobei Beamte des Polizeilichen staatschutzes des PP Köln die Anwesenheit mehrerer ehemaliger Funktionäre und Mitglieder der verbotenen FAP registrierten.326 In einem 2002 in der neonazistischen Zeitschrift „Der Gegenangriff“ veröffentlichten Porträt über Axel Reitz wurde ausgeführt, dass Axel Reitz die „Kameradschaft Köln“ im Oktober 1998 zusammen mit S. L. gegründet habe.327 Nach dem Tod des bisherigen Kameradschaftsführers S. L. habe Axel Reitz die Führung der Kameradschaft im Januar 1999 übernommen. Die Gruppe habe sich wenig später den „Ehrennamen Kameradschaft Walter Spangenberg“ verliehen.328 Auf der Internetseite der „Kameradschaft Köln“ wurde S. L. als „Gründungsvater“ der Gruppe bezeichnet.329 Der Gründung der „Kameradschaft Köln“ vorausgegangen waren Überlegungen unter Kölner Neonazis, wie sich die seit dem Verbot der FAP durch den Bundesinnenminister im Jahr 1995 aus ihrer Sicht darniederliegende Szene reaktivieren und organisieren lasse. Zwar trafen sich Teile der vormals in FAP-Kreisverbänden organisierten Personen auch nach dem Verbot zu „unregelmäßigen Stammtischen“, von denen aber nicht länger „gezielte politische Aktivitäten“ ausgingen, wie im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1995 festgehalten wurde.330 Das PP Köln stellte im Oktober 1998 bei einem ehemaligen FAP-Mitglied die von Axel Reitz verfasste Schrift „DER AUFBAU Schrift für alle Politischen Leiter des Gaues Rheinland/Köln“ sicher, in welcher der Autor bemängelte, dass „die Bewegung“ seit dem FAP-Verbot über keine Partei mehr verfüge, in Köln noch keine Kameradschaft be- 323 324 325 326 327 328 329 330 Vermerk des PP Bielefeld vom 26. März 2004, A12466 S. 282 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 26. März 2004, A12466 S. 282 f. (VS-nfD); Vermerk des PP Bielefeld vom 14. April 2004, A12466 S. 278 ff. (VS-nfD). Röpke, APr 16/872 S. 13 f. Mitteilung des PP Köln vom 14. Oktober 1998, A122231 S. 13 ff. Der Gegenangriff. Organ des Kampfbundes Deutscher Sozialisten, Heft 5 September 2002, A12251 S. 33. Der Gegenangriff. Organ des Kampfbundes Deutscher Sozialisten, Heft 5 September 2002, A12251 S. 33. Internetausdruck, A12229 S. 63. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1995, A21664 S. 107 f. 113 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 stünde und der „[…] Versuch mit Vorfeldorganisationen die Interessen der Bewegung zu Vertreten […]“331 fehlgeschlagen sei. Der Autor beklagte weiter eine „Zersplitterung“ der Szeneangehörigen.332 Er forderte die Gründung einer neuen „Freien und Unabhängigen Organisation von Radikalen Kräften“ als „Dachorganisation“.333 Axel Reitz formulierte einige „Grundsätze“ für diese zukünftige Organisation, die er als „Vorfeldorganisation der NSDAP“ bezeichnete.334 Organisatorisch wurde in der Schrift eine Doppelstruktur für die zu gründende Kameradschaft präferiert, die aus einer „Basis“, bestehend aus „Aktivisten die nicht regelmäßig Agieren“, sowie aus einem „Führerkorps“ bestehen sollte. „Drei Kader“, die Axel Reitz als Generalsekretär, dessen Stellvertreter sowie Sonderbeauftragter bezeichnete, sollten mit dem „Aufbau der Organisation“ betraut werden.335 Wie der Fund der Schrift bei dem ehemaligen Mitglied der FAP belegt, stellte Axel Reitz seine Überlegungen ehemaligen Kölner FAP-Aktivisten vor, welche sich später aktiv an der Gründung der „Kameradschaft Köln“ beteiligten und dabei auch organisatorische Aufgaben übernahmen. Aus einem vom PP Köln erstellten Videomitschnitt des zweiten offiziellen Treffens der „Kameradschaft Köln“ am 14. November 1998 geht hervor, dass das ehemalige FAP-Mitglied M. S. die Mitgliedsbeiträge in Höhe von 10,- DM einsammelte.336 Weiter könnte beobachtet werden, dass die ehemaligen FAP-Mitglieder Johann Helfer und R. G. Schriftmaterial bei der Versammlung auslegten.337 R. G. legte auf dem Treffen seine Idee einer Leihbibliothek dar.338 Johann Helfer stellte der „Kameradschaft Köln“ ein Postfach zur Verfügung, das bis zum Verbot von der FAP Köln genutzt wurde. In einem Brief vom 26. Oktober 1998 schrieb Axel Reitz an Johann Helfer: „Lieber „Helle“ (ich hoffe ich darf Dich so nennen), […] Geht es mit der Post klar wenn wir als Anschrift: „ ( ‚ ) Kameradschaft Köln, c/o Postfach 429 132, 50895 Köln “ angeben? Ich werde am besten mal einen Kontrollbrief abschicken. Zum Schluß möchte ich mich, auch im Namen aller anderen Kameraden, nochmals ganz herzlich dafür bedanken das Du uns Dein Postfach zur Verfügung stellst. Du tust uns damit wirklichen einen riesigen Gefallen und ersparst uns einige Mühen und Arbeit. <- ! […] “339 Das PP Köln sah in der Anwesenheit von ehemaligen Aktivisten der verbotenen FAP bei den ersten Versammlungen der „Kameradschaft Köln“ den Anfangsverdacht der Fortführung einer verbotenen Organisation erfüllt und leitete Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ein. Die Ermittlungsverfahren wurden zwischen Mai und August 1999 seitens der StA Köln eingestellt.340 Das PP Köln strebte zudem die Einleitung eines 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 114 Der Aufbau – Schrift für alle politischen Leiter des Graues Rheinland/Köln von Axel Reitz, A12227 S. 18. Der Aufbau – Schrift für alle politischen Leiter des Graues Rheinland/Köln von Axel Reitz, A12227 S. 18. Der Aufbau – Schrift für alle politischen Leiter des Graues Rheinland/Köln von Axel Reitz, A12227 S. 18. Der Aufbau – Schrift für alle politischen Leiter des Graues Rheinland/Köln von Axel Reitz, A12227 S. 18 f. Der Aufbau – Schrift für alle politischen Leiter des Graues Rheinland/Köln von Axel Reitz, A12227 S. 19 f. Vermerk des PP Köln vom 18. November 1998, A10427 S. 22. Undatierter Vermerk des PP Köln, A10427 S. 307. Vermerk des PP Köln vom 18. November 1998, A10427 S. 23. Schreiben von Axel Reitz vom 26. Oktober 1998, A10427 S. 378. (Fehler im Original) Schreiben des LOStA Köln vom 19. April 2000, A12231 S. 68 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Verbotsverfahrens gegen die „Kameradschaft Köln“ an, was seitens des IM NRW und des Verfassungsschutzes NRW abgelehnt wurde.341 Die aktive Mitarbeit der ehemaligen FAP-Aktivisten ermöglichte der „Kameradschaft Köln“ Zugang zu den bestehenden Netzwerken der Neonazi-Szene, die Nutzung von vorhandener Infrastruktur und die Teilhabe an den Erfahrungen aus der politischen Arbeit vergangener Jahre. Dass die „Kameradschaft Köln“ bereits bei ihrer Gründung auf langjährig bestehende Neonazi-Netzwerke zurückgreifen konnte, zeigt auch die Teilnahme von Führungskadern der Szene wie dem ehemaligen FAP-Funktionär C. M. an der Gründungsversammlung. Als Redner der Gründungsveranstaltung im Einladungsschreiben angekündigt wurden zudem Sven Skoda, Betreiber des „Nationalen Infotelefons Rheinland“342, sowie M. T., ein Aktivist der „Kameradschaft Duisburg“, bis 1989 FAP-Mitglied und zeitweise Vorsitzender der von Kühnen-treuen Neonazis aus den Reihen von FAP und GdNF gegründeten und 1992 verbotenen „Deutschen Alternative“ (DA).343 Die Einbindung der „Kameradschaft Köln“ in bestehende Vernetzungsstrukturen wurde auch deutlich in der Aufforderung von Axel Reitz an die Teilnehmenden der Versammlung am 14. November 1998, sie mögen alle beim „dritten Bereichstreffen West“ im „Ruhrgau“ erscheinen.344 Der Begriff „Bereichstreffen West“ verweist auf die von Michael Kühnen begründete „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF), die ebenfalls „Bereichstreffen“ abhielt, z. B. am 24. November 1990 in Duisburg.345 Es kann nicht nachvollzogen werden, ob das erwähnte „dritte Bereichstreffen“ in direkter Fortführung der GdNF-Treffen stand oder ob lediglich der Begriff adaptiert wurde. Auffällig ist aber, dass das „Bereichstreffen“ 1998 vom Kühnen-Anhänger M. T. organisiert wurde. Ausweislich eines Vermerks des Verfassungsschutzes NRW über das Treffen am 21. November 1998 nahmen ca. 60 Personen, darunter Führungspersonen der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene, an dem „Bereichstreffen der ‚Freien Nationalen‘“ in einer Duisburger Gaststätte teil.346 Unter den 19 dem Verfassungsschutz NRW namentlich bekannt gewordenen Teilnhemenden waren zwei Mitglieder der „Kameradschaft Köln“, darunter Axel Reitz. Vermerkt ist auch die Teilnahme eines Hamburger Neonazis. Über die Inhalte der Veranstaltung ist dem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW lediglich zu entnehmen, dass der Hamburger Neonazi eine kurze Rede in Gedenken an die verstorbenen Anführer der „Sauerländer Aktionsfront“ (SAF) hielt. Weiter heißt es in dem Bericht: „ […]Es wurden noch einige kurze, nach Meinung der Quelle unbedeutende Reden gehalten.[…] “347 bb. Struktur der Kameradschaft Die „Kameradschaft Köln“ verfügte über keine Rechtsform. So war sie nicht als eingetragener Verein registriert. Es liegen aber zahlreiche Hinweise vor, dass die Gruppierung seit ihrer Gründung über eine vereinsähnliche Organisationsstruktur verfügte. 341 342 343 344 345 346 347 Zu vgl. Zweiter Teil A. II 1. b. aa. Schreiben des PP Düsseldorf vom 30. August 2000, A13745 S.39 X-400 Meldung des PP Köln vom 23. September 1998, A12231 S. 6; Fernkopie des BfV vom 3. Juni 1999, A12231 S. 103. Vermerk des PP Köln vom 18. November 1998, A10427 S. 25. Bericht über Bereichstreffen in „Widerstand – Die Neue Front“ Nr. 76 November / Dezember 1990, A13782 S. 103. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 24. November 2016, A12258 S. 75 ff. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 24. November 2016, A12258 S. 77. 115 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (1) Satzung Das PP Köln stellte im November 1998 bei Axel Reitz eine von ihm unterzeichnete Satzung der „Kameradschaft Köln“ sicher, in der Fragen der Mitgliedschaft und des Selbstverständnisses niedergelegt waren. Die Satzung umfasste zehn Punkte, bei der sichergestellten Fassung fehlte der Satzungspunkt 1.348 In der Satzung hieß es beginnend mit Punkt 2: „2. Mitgliedsbeiträge Der Mitgliedsbeitrag beträgt für Erwerbstätige Kameraden 10-DM, für Schüler, Arbeitslose oder Wehrdienstleistende 5-DM pro Monat […] 3. Die Mitgliedschaft Die Kameradschaft ist keine Organisation, sondern ein Kreis von Gesinnungsgenossen und nationalen Aktivisten aus dem Raum Köln und Umland. Jeder Aktivist erhält eine „Übersichts- “ Karte mit seinen persönlichen Daten die er auf Verlangen vorzuzeigen hat. 4. Aufnahme von Mitgliedern Der Vorstand stimmt über Neuaufnahmen von Aktivisten ab. Zuvor werden potentielle Neuaufnahmen vom Vorstand geprüft. Neuaufnahmen werden auf dem Kameradschaftsabend im „offiziellen Teil “ Aufgenommen. 5. Unvereinbarkeitsbeschlüsse Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber Parteien oder Organisation existieren bei uns nicht ! Keine Gemeinsamkeiten gibt es allerdings beim Gebrauch von Schußwaffen, offener oder heimlicher Hetze gegen Kameraden sowie übermäßigen Alkoholkonsum ! 6. Satzung Die Satzung der Kameradschaft sowie ein Verhaltensmerkblatt werden jedem neuen Mitglied überreicht. Interne Angelegenheiten der Kameradschaft, sowie die Satzung und Verhaltensregeln sind keinem Außenstehenden zugänglich zu machen!“349 Die Punkte 7 bis 9 der Satzung befassten sich mit „Publikationen“, einer „Gefangenenhilfe“ und ernannten den NSDAP / AO-Führer G. L. zum „Ehrenvorsitzenden“ der Kameradschaft. Unter Punkt „10. Selbstverständnis“ der Satzung wurden die ideologischen Grundlagen der Gruppe festgehalten: „Endziel unseres Strebens ist die Aufhebung des NS-Verbotes und die Zulassung sämtlicher nationalsozialistischer Aktivitäten. Mittelfristige Ziele sind die Förderung der Kameradschaft, sowie die Herausgabe von eigenem Propagandamaterial. Wir werden uns an den Veranstaltungen und Demonstrationen im Bereich West genauso Beteiligen wie an bundesweiten Aktionen. Grundlagen unserer Kameradschaft sind „Mein Kampf“, das „25-Punkte Parteiprogramm der NSDAP“ aus dem Jahre 1925 sowie das „Lexikon der Neuen Front““350 Obwohl in der Satzung behauptet wurde, die Kameradschaft sei „keine Organisation“, so verweisen sowohl die Existenz einer Satzung als auch die in der Satzung formulierten Regelungen zu Mitgliedschaft, Mitgliedsbeitrag, Unvereinbarkeitsbeschlüssen sowie die Unterscheidung zwischen Aktivisten und Vorstand auf den vereinsähnlichen Charakter der Gruppierung. Die überlieferte Satzung enthält keine Angaben, wie sich der „Vorstand“ der Kameradschaft zusammensetzt. Axel Reitz unterzeichnete die Satzung mit dem Namenszusatz „Kameradschaftssekretär“. Das PP Köln stellte im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei Axel Reitz einen „handschriftlichen Zettel mit 13 Tagesordnungspunkten eines Kameradschaftsabends 348 349 350 116 Satzung der Kameradschaft Köln, A10427 S. 26 ff. Satzung der Kameradschaft Köln, A10427 S. 26 f. Satzung der Kameradschaft Köln, A10427 S. 27. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 am 14.02.99“ sicher. Der Punkt 3 dieser Tagesordnung habe die „Neuwahlen von – Kameradschaftsführer, - stellvertretendem Kameradschaftsführer, -Schatzmeister“ beinhaltet.351 (2) Kasse Das PP Köln beobachtete bereits beim zweiten Treffen der Kameradschaft am 14. November 1998, dass Mitgliedsbeiträge eingesammelt wurden.352 Die Existenz einer Kasse der Gruppierung und die Funktion eines Kassenwarts ergeben sich zudem aus den dem Verfassungsschutz NRW vorliegenden Informationen. Die Verantwortlichkeit für die Kasse wechselte im Laufe der Jahre mehrfach. In einem Vermerk des NRW-Verfassungsschutzes über einen Kameradschaftsabend im Jahr 2008 hieß es: „[…] HELLE sammelte die Beiträge ein und benannte einen derzeitigen Kassenstand von € 300,00. […] “353 Im Mai 2012 stellte das PP Köln bei Johann Helfer Kassenlisten aus den Jahren 2011 und 2012 sicher, in denen die Zahlungen der Kameradschaftsmitglieder festgehalten wurden. Aus den Dokumenten ergibt sich aus, dass unentschuldigtes Fehlen beim Kameradschaftsabend mit einer Strafgebühr in Höhe von 5,- Euro belegt war.354 (3) Mitgliedschaft Außerdem führte die „Kameradschaft Köln“ auch Mitgliedslisten. So enthalten die Akten des Verfassungsschutzes NRW eine „Mitgliederliste der „Kameradschaft Köln“auf dem Stand Juni 2004, die von gen. Helle erstellt worden ist“.355 Die Kameradschaft hatte zu diesem Zeitpunkt elf Mitglieder. In einem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 20. November 2009 über die Neuaufnahme von Mitgliedern im Rahmen der „Jahresabschlussfeier“ der „Kameradschaft Köln“ am 6. November 2009 in Erftstadt-Gymnich wurde das Ritual der Aufnahme von Neumitgliedern beschrieben: „Es folgte die Aufnahme von 6 neuen Mitgliedern […] in die Kameradschaft. Sie erhielten aus der Hand von REITZ ein Abzeichen […] und mußten die Hakenkreuzfahne berühren, ein Akt, der von vielen Anwesenden als eher peinlich empfunden wurde..“356 (4) Hierarchische Struktur / „Dienstliche Anweisungen“ Die „Kameradschaft Köln“ verfügte über eine hierarchische Struktur, die Mitglieder waren angehalten, den Weisungen der Führung Folge zu leisten. Die Teilnahme an den Kameradschaftsabenden und an von der Führung ausgewählten weiteren Versammlungen und Demonstrationen sowie die Zahlung des Mitgliedsbeitrags waren verpflichtend. Die „Kameradschaft Köln“ orientierte sich dabei auch begrifflich an der „Sturmabteilung“ (SA) der NSDAP. So wurden die Aktivitäten der Gruppe als „Dienst“ oder „dienstliche Aktivitäten“ bezeichnet, das Versammlungslokal firmierte als „Sturmlokal“ und bei einigen Versammlungen wurde eine „Uniformpflicht“ auferlegt.357 Die Uniform, wie sie von den Mitgliedern des KDS und der 351 352 353 354 355 356 357 Vermerk des PP Köln vom 26. August 1999, A12227 S. 127. Vermerk des PP Köln vom 18. November 1998, A10427 S. 22. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 21. April 2008, A12285 S. 87 (VS-nfD). Ablichtung des Kassenjournals, A13906 S. 104 - 133. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Juni 2004, A12238 S. 2 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 20. November 2009, A14913 S. 493 (VS-nfD). Terminliste der Kameradschaft Köln vom 15. März 2004, A12236 S. 150. 117 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Kameradschaft Köln“ getragen wurde, bestand aus einem Khaki-farbenen Armeehemd, das teilweise mit Aufnähern und militärisch anmutender Kordel versehen wurde. Optisch wies es eine große Ähnlichkeit zum „Braunhemd“ der SA auf.358 Als Beispiel für eine „Dienstliche Anweisung“ kann eine Mitteilung des „Kameradschaftsführers“ vom 1. November 2002 dienen, in der mitgeteilt wurde, dass vier namentlich genannte Personen neu als Aktivisten in die Kameradschaft aufgenommen seien und für sie „die Teilnahme am monatlichen Kameradschaftsabend künftig Pflicht“ sei, die Teilnahme an den monatlichen Treffen der „Vorfeldorganisation NSK“ ihnen fortan freigestellt sei.359 Wie weit die „Kameradschaft Köln“ versuchte auf das Verhalten ihrer Mitglieder einzuwirken zeigt sich ebenfalls in der Anweisung, in der auch der frauenfeindliche Charakter der Gruppierung deutlich wird: „[…] sind die weiblichen Anhänger unserer Gesinnungsgemeinschaft in einem Mädelbund zusammengefasst worden. Leider waren und sind viele Mädchen nicht gewillt sich an Aktivitäten des Mädelbundes (und damit an unserer Kameradschaft) zu beteiligen. Da es sich bei unserer Gemeinschaft nicht um einen Karnevalsverein und auch nicht um eine Institution zur Freizeitgestaltung der bundesrepublikanischen Weiblichkeit handelt sind künftig alle Mädel, welche nicht gewillt sind sich an Aktivitäten des Mädelbundes zu beteiligen, bei dienstlichen Aktivitäten unerwünscht! Die Partner der betroffenen Mädel haben für die Umsetzung dieser Anweisung Sorge zu tragen.“360 Zuletzt werden die Adressaten und Adressatinnen „nochmals an die Beitragspflicht erinnert“ und auf Termine hingewiesen.361 (5) Vorfeldorganisation und Personalunion mit dem KDS Die führenden Personen der „Kameradschaft Köln“ gründeten im Juli 1999 im Rahmen eines von der „Kameradschaft Walter Spangenberg“ in Köln abgehaltenen Treffens den nordrheinwestfälischen Ableger des am 1. Mai 1999 in Brandenburg gegründeten „Kampfbunds Deutscher Sozialisten“(KDS).362 Der Verfassungsschutz NRW vermerkte, dass die Gründung des KDS auf dem Treffen verkündet worden sei, ohne dass es Wahlen oder Mitgliederlisten gegeben habe.363 Der als „Gau Rheinland“ auftretende KDS-Ableger war weitestgehend personenidentisch mit der „Kameradschaft Köln“. Wie die Kameradschaft wurde er vom „Gausekretär“ Axel Reitz und vom „stellvertretenden Gausekretär“ Johann Helfer geführt. P. B. trat als Anmelder von Demonstrationen des KDS auf364 und ein von ihm bei der Postbank geführtes Konto diente als offizielles Konto des KDS.365 Axel Reitz wurde Mitglied der „Organisationsleitung“ des KDS, des obersten Gremiums der bundesweit ausgerichteten Organisation. Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat die „Kameradschaft Köln“ als „Motor des Ganzen [des KDS] in NRW“ bezeichnet, die „auch als lokale Sektion des Kampfbund Deutscher Sozialisten um Axel Reitz fungierte.“366 358 359 360 361 362 363 364 365 366 118 Killguss, APr 16/868 S. 14. Schriftsatz des Axel Reitz vom 1. November 2002, A12234 S.102. Schriftsatz von Axel Reitz vom 1. November 2002, A12234 S.102. Schriftsatz von Axel Reitz vom 1. November 2002, A12234 S.102. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 14. Juli 1999, A12231 S. 125 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 14. Juli 1999, A12231 S. 128 (VS-nfD). Erkenntnismitteilung des PP Köln vom 7. Juni 1999, A12231 S. 112. Auswertungsbericht des BKA vom 5. Mai 2006, A10515 S. 98 ff.. Killguss, APr 16/868 S 14. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ende 2001 fusionierte die Gruppe „Nationaler Sturm Köln“ (NSK) mit der „Kameradschaft Walter Spangenberg“, der NSK sollte fortan als „Vorfeldorganisation“ fungieren. Der Anführer des NSK wurde zugleich zum „Stützpunktleiter“ des „KDS-Stützpunkts Chorweiler“ ernannt.367 cc. Führungspersonen der „Kameradschaft Köln“ (1) Axel Reitz Nach dem Tod von S. L. im Jahr 1999 führte Axel Reitz die „Kameradschaft Köln“ an. Die Person Reitz verkörperte die „Kameradschaft Köln“ in der Öffentlichkeit, wobei sein offener Bezug auf den Nationalsozialismus auffällig war. Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat ausgeführt, dass Axel Reitz aufgrund der Tatsache, dass er für „hundert Prozent Nationalsozialismus“ stand und über ein „gewisses Redetalent“ verfügte, ihm Ansehen in der Szene verschafft habe.“368 Diese Einschätzung hat auch die Zeugin Mathilde Koller geteilt: „[…] Axel Reitz hat durch seine Art und durch sein forsches Auftreten es aus meiner Sicht sehr schnell geschafft, auch überregional eine Größe zu werden […]“369 Axel Reitz stand bereits als Jugendlicher in Kontakt mit neonazistischen Organisationen. Nach eigenen Angaben wurde er bereits 1997 Mitglied in der NSDAP / AO.370 1998 ermittelte das PP Köln gegen Axel Reitz wegen Einfuhr von Material der NSDAP / AO371. Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln notierte am 21. September 2000, dass im Rahmen Hausdurchsuchung bei Axel Reitz eine NSDAP / AO-Kennkarte aufgefunden worden sei. Zudem habe er in seinem Tagebuch den Eintritt in die NSDAP / AO als schönsten Tag seines Lebens bezeichnet. 372 Axel Reitz stand nach Erkenntnissen des PP Köln in einem regen Schriftwechsel mit dem inhaftierten NSDAP / AO-Führer G. L.373 Axel Reitz berichtete G. L. im Januar 1998 von der Gründung der „Kameradschaft Köln“.374 Im Frühjahr 2004 ordnete das AG Köln in einem Verfahren wegen Beleidigung u. a. gegen Axel Reitz Untersuchungshaft an und verschonte ihn vom Vollzug unter der Auflage, dass er keinen Kontakt zu Mitbeschuldigten des Verfahrens aus der „Kameradschaft Köln“ aufnimmt. Von Ende Juli 2006 bis April 2008 verbüßte Axel Reitz eine in anderer Sache gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe. Während der Zeit der Inhaftierung bzw. der Dauer des Kontaktverbotes von Axel Reitz übernahm Johann Helfer die Leitung der „Kameradschaft Köln“. (2) Johann Helfer Als Stellvertreter des Kameradschaftsführers Axel Reitz agierte während der gesamten Dauer des Bestehens der Gruppierung Johann Helfer. Dieser hat im Interview mit der KDSZeitschrift als Stationen seines politischen Werdegangs die NF, die FAP sowie eine Wehrsportgruppe aufgeführt.375 Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat ausgesagt, dass Johann Helfer als Kontaktperson für den „Heimatschutzverband“ fungiert habe.376 Das PP Köln 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 Artikel „Neonazismus in Köln“ in Lotta – antifaschistische Zeitung aus NRW Nr. 11 Winter 2002 / 2003, A12226 S.124. Killguss, APr 16/868 S. 15. Koller, APr 16/234 S. 11. Der Gegenangriff. Organ des Kampfbundes Deutscher Sozialisten, Heft 5 September 2002, A12251 S. 33. X-400 Mitteilung des PP Köln vom 19. August 1999, A12279 S. 33. Vermerk des PP Köln vom 21. September 2000, A12279 S. 55. Vermerk des PP Köln vom 21. September 2000, A12279 S. 55. Brief von Axel Reitz vom 11. Januar 1999, A12227 S. 207. Interview in „Der Gegenangriff“, A12252 S. 240. Killguss, APr 16/868 S. 18. 119 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 stellte 1990 im Rahmen von Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB bei einem mutmaßlichen Mitglied der „Wehrsportgruppe Landser“ ein von Johann Helfer unterschriebenes Einladungsschreiben vom „Jagdkommando NRW Heimatschutz“ sicher.377 Im Sommer 1990 nahm Johann Helfer an einem in Detmold abgehaltenen Ausbildungszeltlager der NF teil.378 Unmittelbar nach Gründung der „Kameradschaft Köln“ stellte Johann Helfer dieser das bis zu ihrem Verbot von der FAP Köln genutzte Postfach zur Verfügung, richtete ein E-Mailpostfach ein und leerte in der Folge das Briefpostfach und pflegte das E-Mailpostfach.379 Während der Dauer des Kontaktverbots sowie der Inhaftierung des Axel Reitz übernahm Johann Helfer die Leitung der „Kameradschaft Köln“. Überliefert ist ein zweiseitiger Brief von Axel Reitz vom 17. März 2004 an die „lieben Kameraden“, in dem er beklagte, dass ihm bis zu seinem Prozess ein Kontaktverbot auferlegt worden sei. Axel Reitz schrieb, dass er eine längere Haftstrafe befürchte, und forderte die Kameradschaftsmitglieder auf, die politische Arbeit fortzusetzen. Axel Reitz führte weiter aus: „Mein Stellvertreter und die Unterführer werden ihr möglichsten tun um meine Person zu ersetzen, aber das wird nur dann gelingen können, wenn ihr alle mithelft – es kommt auf Euch an, ob wir dem System einen großartigen Sieg über die Bewegung und insbesonders unsere Truppe in Köln erringen lassen werden, oder ob wir beweisen, daß unser Kampf sich nicht durch die Verfolgung und Inhaftierung der Führer beeinträchtigen läßt. […] Befolgt während meiner Abwesneheit gewissenhaft sämtliche Anweisungen und Beschlüsse, die der Helle euch vorgibt, damit wir auch künftig einen Weg beschreiten, der uns zum endgültigen Sieg führen wird und führen muß! Ich vertraue auf Euch Jungs, enttäuscht mich nicht! Heil Hitler!“380 Johann Helfer gab am 16. April 2004 auch eine „Dienstliche Anweisung“, in der den Mitglieder mitgeteilt wurde, dass Gespräche mit der Polizei „ohne vorherige Rücksprache und Genehmigung der Führungskameraden“ zum „sofortigen und unwiderruflichen“ Ausschluss aus der Gruppe führen. Da es „keine Zusammenarbeit mit den Feinden unseres Volkes“ geben dürfe, sei ein Kontakt „zur politischen Polizei nicht erlaubt und erwünscht“.381 Dem Verfassungsschutz NRW liegt auch ein mit der Grußfloskel „Mit treudeutschem Gruß, Heil und Sieg!“ und Unterschrift „Helle“ versehener Zettel mit Terminen vor, der an die Mitglieder der Kameradschaft verteilt wurde. Auf diesem Zettel gab Helfer unter anderem bekannt: „24.04: Führergeburtstag, Pflicht für alle, Uniformpflicht, Ort ist die bekannte Lokalität in Leverkusen.“382 Kurze Zeit nachdem Axel Reitz Ende Juni 2006 seine Haftstrafe antreten musste, wurde im August 2006 auch P. B. inhaftiert. Damit standen zwei der aktivsten Mitglieder nicht länger für Aktivitäten der „Kameradschaft Köln“ zur Verfügung. Der Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2006 berichtete über die „Kameradschaft Köln“: 377 378 379 380 381 382 120 Vermerk der StA Dortmund vom 4. September 1990, A13772 S. 288. Schreiben des niedersächsischen Ministeriums des Inneren vom 27. April 1990, A14889 S. 17 ff.; Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 4. September 1990, A14889 S. 118. Schreiben von Axel Reitz vom 26. Oktober 1998, A10427 S. 378; Schnieder, APr 16/160 S. 22. Schreiben von Axel Reitz vom 17 März 2004, A12236, S. 152 f. (VS-V-herabgestuft). Dienstliche Anweisung vom 16. April 2004, A12236 S. 148 (VS-nfD). Terminliste der Kameradschaft Köln vom 15. März 2004, A12236 S. 150. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Der dem Hamburger Neonazi [Ch. W.] sehr nahe stehende Kameradschaftsführer trat am 26. Juli 2006 eine mehrjährige Haftstrafe unter anderem wegen Volksverhetzung an. Da auch sein Stellvertreter wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde und seine Haft ebenfalls angetreten hat, ist die Kölner Kameradschaft auf längere Zeit führerlos. Ob sie sich in ihrer bisherigen Struktur erhalten wird, bleibt daher abzuwarten.“383 Entgegen der öffentlichen Verlautbarung des Verfassungsschutzes ergibt sich aus dem vorliegenden Aktenmaterial des Verfassungsschutzes NRW, dass nicht der erwähnte P. B., sondern Johann Helfer der Stellvertreter von Axel Reitz in der „Kameradschaft Köln“ war. Dass der politische Zusammenhang der „Kameradschaft Köln“ auch während der Inhaftierung von Axel Reitz und P. B. bestehen blieb, ist maßgeblich der Tätigkeit von Johann Helfer geschuldet, der weiterhin die Kameradschaftsabende organisierte und Kontakt zu Protagonisten der Szene hielt. Auch nach der Haftentlassung von Axel Reitz erteilte Johann Helfer Anweisungen an die Kameradschaftsmitglieder. So stellte das PP Köln im Mai 2012 bei Johann Helfer eine „Grundsätzliche Anordnung/GRUSA 02/09“ vom 8. Mai 2009 sicher, die dieser als „Geschäftsführender stellvertretender Kameradschaftsführer“ unterzeichnet hatte und in der angewiesen wurde, dass der Fahrpreis für die Anreise zum „Pflichttermin“ am 1. Mai von allen Mitgliedern zu zahlen sei - unabhängig davon, ob selbige an den Fahrten zu den jeweiligen Demonstrationen teilnehmen würden oder nicht.384 Der Zeuge Burkhard Schnieder, vormaliger Gruppenleiter beim Verfassungsschutz NRW, hat das Verhältnis von Axel Reitz und Johann Helfer in der „Kameradschaft Köln“ wie folgt bewertet: „Der Herr Helfer war ja teilweise auch ein Erfüllungsgehilfe des Reitz. Der Reitz spielte sich da ja als Oberfigur auf und hat ihn dann beauftragt, alles Mögliche für ihn zu erledigen. Diese Rolle hat der Helfer auch gespielt. Sie können sich ja selber noch mal ein Bild von ihm machen, von seiner Person – ein durch und durch bürgerlicher Mensch eigentlich. Ich habe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich irgendwas dahinter verborgen hat, was jetzt von einer Relevanz wäre, die aufgeklärt werden müsste.“385 Nach Vorhalt, dass Johann Helfer mindestens zweimal Kampfsporttrainings für Neonazis angeboten und eine „Anweisung“ unterschrieben habe, in der deutlich gemacht worden sei, dass Neonazis, die mit der Polizei kooperierten, aus der Kameradschaft ausgeschlossen würden und auf die sich daran anschließende Frage, „inwieweit er an der Stelle aufbauende Arbeit in der Neonazi-Szene geleistet hat“386, hat der Zeuge Burkhard Schnieder geantwortet: „Er war sicherlich eine Person, die Unterstützungsleistungen für die dortige Organisation, also zuletzt ‚Walter Spangenberg‘, erbracht hat. Er hat beispielsweise ein E-Mail-Postfach oder so für die gepflegt und eingerichtet. Aus unserer Sicht war das aber auch ganz nützlich, weil dann natürlich die ganzen Informationen da eingehen. Wenn man ihn sich als Person anguckt: Kampfsport, das kann nicht viel gewesen sein. Er ist ungefähr so groß wie ich. 383 384 385 386 Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2006, Landtag NRW Vorlage 14/1190 S. 60. Infoblatt der Kameradschaft Walter Spangenberg, A13906 S. 137. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 7. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 21. 121 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Anmerkung aus dem Ausschuss: Ich glaube, das hat damit tatsächlich nicht so viel zu tun; aber gut. Zeuge Burkhard Schnieder: Und es gibt keine Anhaltspunkte, dass er das in irgendeiner Form wirklich professionell gemacht hat. Sie müssen auch wissen, oder Sie wissen ja sicherlich, dass Rechte auch von allem Möglichen schwadronieren und dass man vorsichtig sein muss, was man da für bare Münzen nehmen muss. Ich habe nicht den Eindruck, dass Helfer in diesem Sinne dazu beigetragen hat, dass jetzt von diesen Rechten besondere Gefahren ausgehen. Er hat seine Rolle gehabt. Er war hinter Reitz immer jemand, der dafür gesorgt hat, dass das eine oder andere gelaufen ist. Er hat Veranstaltungen moderiert. Er hat Kasse oder so bei einer Veranstaltung gemacht, also Eintrittsgeld kassiert oder so etwas. Das ist alles passiert. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass er eine Führungsfigur in dem Sinne gewesen wäre, dass er maßgebend die Richtung vorgegeben hat. Das ist eben Reitz gewesen. Reitz hat – das ist schon sein Anspruch – insoweit niemanden neben sich geduldet. Er war eben die absolute Führungsfigur. Anmerkung aus dem Ausschuss: Ja. Aber so was wie eine „Dienstliche Anweisung“ – das steht da drüber –, die in dieser Kameradschaft verbreitet wird: Da steht er als Unterschrift drunter, nicht Axel Reitz. Zeuge Burkhard Schnieder: Ja. Anmerkung aus dem Ausschuss: Das spricht für mich nicht dafür, dass er an der Stelle nicht selbstständig gehandelt hat. Zeuge Burkhard Schnieder: Das wird er im Auftrag von Reitz gemacht haben. Das ist jemand, der auf solche Ideen gekommen ist, so was überhaupt zu machen. Das wird er, glaube ich, vermutlich dann ausgeführt haben – wie vieles andere auch. Der Reitz ist auch ein fauler Hund gewesen. Der hat andere für sich arbeiten lassen. Und er wird das dann gemacht haben.“387 Zur Person Johann Helfer befragt, hat der Zeuge Günther Gebert vom Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln geantwortet, dass er diese Person und ihren Namen nicht wahrgenommen habe.388 (3) P. B. Eine weitere wichtige Person in der Kameradschaft war P. B., welcher der Kameradschaft seit ihrer Gründung angehörte. Er repräsentierte die „Kameradschaft Köln“ nach außen, indem er Demonstrationen anmeldete oder als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts für die Druckerzeugnisse der Gruppierung fungierte.389 P. B. wurde wegen einer Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt.390 dd. Aktivitäten der „Kameradschaft Köln“ (1) Demonstrationen Zu den häufigsten Aktivitäten der „Kameradschaft Köln“ gehörte neben dem Erstellen und Verteilen von Propagandamaterial wie Aufklebern, Flugblättern und Plakaten die Anmeldung 387 388 389 390 122 Schnieder, nöAPr 16/160 S. 22. Gebert, APr 16/994 S. 41. Druckerzeugnisse der „Kameradschaft Köln“, A12235, S. 17 Verbotsverfügung des MIK NRW vom 25. April 2012, A13904 S. 358 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 von Demonstrationen. Am 22. Mai 1999 fand eine von P. B. als Versammlungsleiter durchgeführte und im Namen der NPD angemeldete Demonstration gegen die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ in Köln statt. 200 Neonazis versammelten sich auf dem Ebertplatz, der Aufmarsch musste aufgrund von Gegenprotest nach wenigen hundert Meter abgebrochen werden. Eine Verbotsverfügung des PP Köln war am Vorabend vom OVG Münster aufgehoben worden.391 P. B. und die „Kameradschaft Köln“ versuchten in der nächsten Zeit, weitere Demonstrationen in Köln durchzusetzen. Für den 5. Juni 1999 meldete P. B. im Namen des KDS eine Demonstration gegen den G8-Gipfel in Köln an, die von der Polizei verboten wurde.392 Für den 29. Juni 1999 meldete er im Namen der NPD eine Demonstration unter dem Motto „Keine deutschen Pässe für Ausländer! Ausländerrückführung statt Integration“ an, bei der Axel Reitz zeitweise als stellvertretender Versammlungsleiter genannt wurde.393 Am 2. Oktober 1999 zogen rund 600 Neonazis durch Köln. Die Demonstration hatte erneut P. B. im Namen der NPD angemeldet.394 In keiner anderen nordrhein-westfälischen Stadt fanden Ende der 1990er Jahre mehr angemeldete und durchgeführte Demonstrationen von Neonazis statt. Erst nachdem die NPD im Sommer 2000 im Zuge der Debatte um ein NPDVerbot einen „Demonstrationsstopp“ erlassen hatte, wurden die ersten Demonstrationen unter dem Label „Freier Kameradschaften“ durchgesetzt. Davon fanden alleine drei in Dortmund statt. In Köln scheiterte das PP mit dem Verbot einer von P. B. für den 9. Dezember 2000 unter dem Label „überparteiliche Bürgeraktion gegen Gewalt und Intoleranz“ angemeldeten Demonstration.395 (2) Kameradschaftsabende und Veranstaltungen Die „Kameradschaft Köln“ organisierte monatliche Kameradschaftsabende in einer Kölner Gaststätte, an denen Mitglieder sowie Gäste teilnehmen konnten. Die Kameradschaftsabende gliederten sich in einen offiziellen Teil, der die Bekanntgabe von Terminen und Berichte über erfolgte oder geplante Aktionen beinhaltete sowie einen Schulungsteil, in dem die Mitglieder - meist durch Verlesen von Artikeln neonazistischer Publikationen - zu Inhalten des Nationalsozialismus geschult worden sind.396 Der „Schulungsteil“ bestand meist aus dem Verlesen von Artikeln. Beispielhaft heißt es in einem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW über einen Kameradschaftsabend im Jahr 2003: „ […] Gen. Helle verlas aus einem Schulungsheft einen Beitrag über das Tagebuch der Anne Frank. Kern der Ausführungen war die Feststellung, das Tagebuch sei eine Fälschung. […] “397 Neben den Kameradschaftsabenden organisierte die „Kameradschaft Köln“ regelmäßig „Jahresabschlussfeiern“ und Vortragsveranstaltungen.398 Gedenkveranstaltungen zu Ehren des Namenspatrons Walter Spangenberg hatten ebenfalls eine große Bedeutung.399 Diese Veranstaltungen richteten sich nach innen in die Szene und waren nicht öffentlich. 391 392 393 394 395 396 397 398 399 Kommentar zur NPD-Demo am 22. Mai 1999, veröffentlicht auf www.hagalil.com, A95354. Erkenntnismitteilung des PP Köln vom 7. Juni 1999, A12231 S. 112. Schreiben des P. B. vom 29. Juni 1999, A12227 S. 133. Artikel „Nazidemo am 2.10. in Köln mit Großeinsatz der Polizei durchgesetzt“ in Lotta – antifaschistische Zeitung aus NRW Nr. 1 November 1999, A95357 S. 19. Verbotsverfügung des PP Köln vom 7. Dezember 2000, Mitteilung PP Köln vom 8. Dezember 2000, A12233 S. 102 ff., 129. Verbotsverfügung des MIK NRW vom 25. April 2012, A13904 S. 287 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 16. Juni 2003, A12236 S. 12 (VS-nfD). Verbotsverfügung des MIK NRW vom 25. April 2012, A13904 S. 287 ff. Undatierter Vermerk des Verfassungsschutzes NRW, A12252 S. 98. 123 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ee. Militanz Anfangs äußerten sich Mitglieder der „Kameradschaft Köln“ unverhohlen gewalttätig. So hielt Axel Reitz bei einer Versammlung des KDS am 4. Juli 1999 eine von einem Fernsehteam aufgezeichnete Rede, in der er über politische Gegner äußerte: „Denen wird irgendwann der Kopf abgeschlagen werden. Die kommen auf den Marktplatz…. [hier setzt im Bericht durch das anwesende Publikum Beifall ein, so daß Reitz seine Rede unterbricht] [Nach Abklingen des Beifalls] … Ja, die werden auf den Marktplatz gestellt und werden erschossen für das, was sie getan haben. In diesem Sinne. Sieg Heil (Reitz hebt dazu den Arm zum Hitler-Gruß).“400 In einem Brief vom 21. Juli 1999 wurde Axel Reitz daraufhin von seinem Mentor Th. B. kritisiert, dass er sich zu Gewaltaufrufen hinreißen lasse. Er dürfe, schon gar nicht in offizieller Funktion für den KDS, von „geplanten ‚Erschießungen‘ und ähnlichem Blödsinn“ sprechen.401 Diese angemahnte taktische Zurückhaltung in der öffentlichen Propagierung von Gewaltanwendung hielt die „Kameradschaft Köln“ weitestgehend ein. Sie versuchte die legalen Möglichkeiten zu nutzen, um eigene Aktivitäten, beispielsweise Demonstrationen, durchzuführen, wobei stets versucht wurde, insbesondere im Hinblick auf eine Propagierung nationalsozialistischen Gedankenguts und der positiven Bezugnahme auf die NSDAP, den Rahmen des legal Sagbaren auszureizen und, wenn möglich, zu verschieben. Zugleich waren Mitglieder der „Kameradschaft Köln“ immer wieder in gewaltsame Auseinandersetzungen, vor allem mit (vermeintlichen) politischen Gegnern, verwickelt. Auch die in ihrer Selbstdarstellung als militante Straßenkämpfer auftretenden Gruppen der ab 2003 entstehenden „Autonomen Nationalisten“ wurden von Axel Reitz und der „Kameradschaft Köln“ unterstützt. 2006 wurde P. B. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt. Er hatte im Anschluss an einen rechtsradikalen Aufmarsch in Koblenz auf einen antifaschistischen Gegendemonstranten in der Bahn eingeschlagen.402 Am 19. Februar 2011 sollen sich P. B. und das Kameradschafts-Mitglied S. Z. an einem Angriff auf ein linkes Wohnprojekt in Dresden beteiligt haben.403 In der Verbotsverfügung gegen die „Kameradschaft Walter Spangenberg“ vom 25. April 2012 führte das MIK NRW zudem aus, dass die Gruppierung 2010 mehrere Sportveranstaltungen durchgeführt habe, bei denen den Teilnehmenden Verteidigungs- und Angriffstechniken beigebracht worden seien. Dies wurde als Beleg dafür gewertet, dass die Mitglieder der Gruppierung „nicht nur verbal, sondern auch körperlich gezielt aggressiv gegen Gegner vorgehen.“404 Axel Reitz antwortete 2005 in einem TV-Interview, ob er oder seine Anhänger in den „Untergrund“ gehen würden, dass er selbst denkbar ungeeignet dafür sei: 400 401 402 403 404 124 Vermerk des PP Köln vom 24. November 1999, A12279 S. 25. Brief von Th. B. vom 21. Juli 1999, A12227 S. 226. Verbotsverfügung des MIK NRW vom 25. April 2012, A13904 S. 358 f.. Erkenntniszusammenstellung des LKA NRW zur „Kameradschaft Köln“ Stand April 2012, A13904 S. 156. Verbotsverfügung des MIK NRW vom 25. April 2012, A13904 S. 318. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ich bin auch nicht so der Straßenkämpfertyp. Nur, wenn der Staat uns jede Möglichkeit nimmt, für unsere Idee zu werben, gibt es sicherlich Kameradinnen und Kameraden, die ohne weiteres auch im Untergrund eine Spur und eine Gangart schärfer werden würden. Das wäre dann aber nicht unsere Angelegenheit, das hätten wir nicht zu verschulden, ich versuche es ja zu verhindern, das wäre Angelegenheit des Staates, der die Leute dann dazu treibt in den Untergrund zu gehen und dann vielleicht auch gewalttätig zu werden.“405 Der Zeuge Günther Gebert, ehemaliger Leiter des für Rechtsextremismus zuständigen KK 1 des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln, hat auf den Vorhalt, er habe keine Anzeichen sehen können, dass sich eine rechtsextreme terroristische Gruppe gebildet hat, geantwortet: „Also man hat schon gemerkt, dass die Szene natürlich – auch bei Demonstrationen usw. – in gewisser Weise ein bisschen, ja, frecher, ein bisschen auch radikaler wurde – radikal ist vielleicht der falsche Ausdruck –, sich immer mehr herausgenommen hat. Und Sie werden mich vielleicht mal nach einem Axel Reitz fragen beispielsweise. […] Das sind ja Personen, die über die ‚Kameradschaft Walter Spangenberg‘ oder auch dem KDS und alles was davor noch war, versucht haben, sich in gewisser Weise wichtig zu machen und auch Leute um sich zu scharen, um irgendwas auf die Beine zu stellen.“406 Befragt zu den Delikten der politisch rechtsmotivierten Kriminalität, mit denen er bei seiner beruflichen Tätigkeit beim Staatsschutz konfrontiert war, hat er geantwortet, dass er meist mit Propagandadelikten befasst gewesen sei. Ihm sei keine Person aus der „Kameradschaft Köln“ im Gedächtnis geblieben, die in der Lage gewesen sei, Sprengkörper zu bauen und diese einzusetzen.407 Bei Wohnungsdurchsuchungen habe man vor allem nach Schriftgut mit NS-Bezug gesucht. Weiter hat der Zeuge Günther Gebert ausgeführt: „Und ich bin heute der Meinung, dass die Leute, mit denen wir da zu tun hatten im Kölner Bereich, eben nicht Bombenbauer sind oder so Sachen da bewerkstelligen. […] Ich will die auch nicht reinwaschen. Also ich kann nur sagen: Ich weiß es nicht, was die gemacht haben. Nur, wenn wir mit Durchsuchungsaktionen kamen … Ich habe selbst zweimal beim Axel Reitz durchsucht, und da ist nichts in der Richtung gefunden worden.“408 ff. Überregionale Vernetzung Die „Kameradschaft Köln“ war Zeit ihres Bestehens intensiv mit anderen neonazistischen Gruppierungen vernetzt. Neben persönlichen Kontakten und Korrespondenzen wurde die Vernetzung auch durch in gewisser Weise institutionalisierte Treffen der Führungspersonen gepflegt. Dem Ausschuss ist durch die Aktenlage bekannt, dass es Mitte der 2000er Jahre Treffen der Rechtsextremen Szene gab, an denen unter anderem Sven Skoda, D. W., Vertreterinnen der „Kameradschaft Dortmund“, der NPD-Landesvorsitzende C. C. und Axel Reitz teilgenommen haben sollen.409 Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat ausgeführt, dass Axel Reitz in dem 2004 gegründeten „Aktionsbüro Westdeutschland“ (AB West) eine große Rolle gespielt habe.410 Im 405 406 407 408 409 410 Dokumentation „Nebenan der braune Sumpf“ der ARD aus 2005, veröffentlicht auf youtube, A95359. Gebert, APr 16/994 S. 30. Gebert, APr 16/994 S. 30 f. Gebert, APr 16/994 S. 30 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 17. Juni 2004, A12260 S. 325 (VS-nfD). Killguss, APr 16/868 S. 16. 125 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 von Axel Reitz und dem Dortmunder Pascal Zinn unterschriebenen Gründungspapier des „Aktionsbüro Westdeutschland“ wurde als dessen Ziel formuliert, „den freien Widerstand in Rheinland-Westfalen zu festigen und die regionalen Strukturen zu verbessern“, wobei das Augenmerk insbesondere auf die Vor- und Nachbereitung von Demonstrationen gelegt wurde.411 An der Vernetzung beteiligten sich Neonazi-Gruppen aus Dortmund, Köln, Wuppertal, Hamm, Leverkusen und dem westlichen Ruhrgebiet.“412 In internen Mails an die Mitgliedsgruppen des „Aktionsbüros“ hieß es, dass Axel Reitz viel Zeit und Energie in das AB West investiert habe. Nach seiner Inhaftierung würde sich niemand mehr um das AB West kümmern. Nach dem zusätzlichen Abgang des Webmaster würde auch die Website nicht länger aktualisiert werden.413 Wenig später stellte das AB West seine Arbeit ein. Vertreter der „Kameradschaft Köln“ nahmen in den Folgejahren an „Führer-Things“ teil, bei denen sich Führungspersonen von Neonazi-Gruppen aus dem nordrhein-westfälischen Rheinland sowie dem nördlichen Rheinland-Pfalz trafen. Daran maßgeblich beteiligt war das „Aktionsbüro Mittelrhein“ aus Rheinland-Pfalz. Die Kameradschaftsmitglieder Axel Reitz, P. B. und S. Z. wurden im März 2012 wegen Unterstützung der kriminellen Vereinigung „Aktionsbüro Mittelrhein“ verhaftet und zeitweise in Untersuchungshaft genommen.414 Befragt, ob es auch Verbindungen der Neonazi-Szenen aus Köln und Dortmund gebe, hat der Zeuge Günther Gebert geantwortet, dass er nicht wisse, ob es dazu Erkenntnisse gegeben habe. Die Neonazis hätten aber „immer irgendwelche Kontakte untereinander gehabt.“415 Die Zeugin Mathilde Koller hat zur überregionalen Vernetzung der „Kameradschaft Köln“ ausgeführt: „Wie waren die überregional unterwegs? Und die Antwort ist einfach: Die waren national aktiv. Also, die waren dann auch zu Treffen in anderen Ländern; und dann sicher auch in Thüringen. Das ergibt sich alles aus der Aktenlage.“416 Der Zeuge Günther Gebert hat Erkenntnisse über Kontakte von Mitgliedern der „Kameradschaft Köln“ nach Thüringen verneint.417 gg. Reaktionen auf die Anschläge in der Probsteigasse und Keupstraße und Bezüge zum Tatort (1) Bezüge zur Probsteigasse Vor der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 gibt es keine öffentlichen Äußerungen der „Kameradschaft Köln“ zu den Sprengstoffanschlägen in der Probsteigasse und der Keupstraße. Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat zu Reaktionen von Rechtsradikalen auf den Anschlag in der Probsteigasse ausgeführt, dass er bei seinen Recherchen keine Reaktion der extremen Rechten auf den Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse gefunden habe.418 411 412 413 414 415 416 417 418 126 Artikel „Auf gute Zusammenarbeit“ in Lotta Nr. 22 Frühjahr 2006, A14988 S. 12. Artikel „Auf gute Zusammenarbeit“ in Lotta Nr. 22 Frühjahr 2006, A14988 S. 12. E-Mail des AB West vom 7. September 2006, A12242 S. 312. Verbotsverfügung des MIK NRW vom 25. April 2012, A13904 S. 318. Gebert, APr 16/994 S. 32. Koller, APr 16/234 S. 11 f. Gebert, APr 16/994 S. 31 f. Killguss, APr 16/1044 S. 6. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Tatort in der Probsteigasse liegt in unmittelbarer Nähe zum Hansaplatz, dem Ort, wo 1933 der als „Blutzeuge“ verehrte Namenspatron der „Kameradschaft Köln“, der SA-Mann Walter Spangenberg, von einem Kommunisten erschossen wurde. In einer Parallelstraße der Probsteigasse befand sich zudem der Wohnort Spangenbergs.419 (2) Bezüge zur Keupstraße Die Keupstraße wurde von der „Kameradschaft Köln“ nicht als Agitiationsobjekt gewählt. Aufkleber oder Texte, die sich speziell mit der Keupstraße befassten, liegen nicht vor. Rassismus war aber für die „Kameradschaft Köln“ gleichwohl zentraler Bestandteil ihrer Programmatik und Agitation - auch im Jahr 2004. In einem Schreiben an die Mitglieder der Kameradschaft kündigte Axel Reitz im März 2004 eine Kampagne „gegen Überfremdung“ in Köln an: „[…] wir werden im Sommer in Köln eine propagandistische Durchbruchsschlacht führen, die diese Stadt noch nicht gesehen hat! Geplant ist die Herausgabe und Verbreitung einer eigenen Flugblattzeitung und Propagandamaterials, welches sich explizit gegen die Überfremdung richtet, sowie die Durchführung von Demonstrationen und Kundgebungen in Stadtteilen von Köln, die besonders Überfremdet und Verausländert sind. DEUTSCHLAND DEN DEUTSCHEN wird im Sommer die Parole des neuen Deutschlands sein, die der Kölner Bevölkerung mehr als nur ein mal zu Ohren kommen wird, das verspreche ich Euch.“420 In der ersten, auf Oktober 2004 datierenden Ausgabe dieser Flugblattzeitung mit dem Namen „Revolte. Mitteilungsblatt des nationalen Widerstandes in Köln“ fand sich ein von Axel Reitz verfasster Leitartikel unter dem Titel „Wir sind Braun weil es uns langsam zu Bunt wird!“, in dem gegen Zuwanderer polemisiert wurde.421 Zwar hob der Artikel die Bevölkerungsgruppe der „Türken“ explizit als Feindbild hervor und äußert sich ihnen gegenüber abwertend, die Keupstraße als „türkisch“ geprägte Einkaufsstraße oder der Stadtteil Köln-Mülheim wurden in dem Artikel aber nicht erwähnt. Als Negativbeispiel diente dem Autor stattdessen der Stadtteil Kalk, in dem „Deutsche“ bald in der „Minderheit“ sein würden. Der Autor rief zum Widerstand gegen diese von ihm als „verhängnisvoll“ bezeichnete Entwicklung auf.422 Der Text enthielt keine weiteren Aussagen dazu, welche Form der proklamierte „Widerstand“ annehmen soll. In der Flugblattzeitung wurde aber Werbung für eine Demonstration unter dem Motto „Deutschland uns Deutschen!“ am 16. Oktober 2004 in Köln-Kalk gemacht. An der Demonstration sollen ungefähr 150 Neonazis teilgenommen haben.423 Anlässlich des am 11. Juli 2004 veranstalteten Solidaritäts-Straßenfestes in der Keupstraße erschien eine Sonderausgabe der Zeitung „Marktplatz aktiv“, in der die Initiative „Mülheim gegen Rechts“ in einem Beitrag über rechtsradikale Aktivitäten im Umfeld der Keupstraße, wie Schmierereien rassistischer Parolen, Aufkleber der „Bürgerbewegung Pro Köln“ und Wahlplakate der NPD berichtete. Aktivitäten der „Kameradschaft Köln“ wurden in dem Artikel nicht erwähnt.424 Am 9. November 2002 hielt der KDS in einer Kleingartenanlage an der Berliner Straße 160 in Köln-Mülheim ein „Gautreffen“ ab,425 an dem nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes 419 420 421 422 423 424 425 Zu vgl. Zweiter Teil E. VII. Brief von Axel Reitz vom 17. März 2004, A12236 S. 153. (VS-V-herabgestuft) Mitteilungsblatt „Revolte“ – Ausgabe 1, Oktober 2004, A12238 S. 65 f. Mitteilungsblatt „Revolte“ – Ausgabe 1, Oktober 2004, A12238 S. 65 f. Lotta – antifaschistische Zeitung aus NRW Nr. 18 Herbst 2004, A95358 S. 40. Sonderausgabe der Zeitung „Marktplatz aktiv“, A12536 S. 325 f. Kapitel zur „Kameradschaft Köln“ aus Jugendclub Courage Köln e.V. (Hrsg.): Köln ganz rechts. Die extreme Rechte und die Braunzone in Köln, Köln 2008, A95355. 127 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 NRW 40 Personen teilnahmen.426 Die Kleingartenanlage befindet sich rund 1,2 Kilometer vom Anschlagsort entfernt und grenzt direkt an das zwischen Berliner Straße und Schanzenstraße gelegene Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Mülheim. Über die Schanzenstraße begaben sich die Täter des Nagelbombenanschlags zum Tatort, einer von ihnen flüchtete nach dem Anschlag mit seinem Fahrrad über die Schanzenstraße. Im Jahr 2006 und 2007 fanden die Kameradschaftsabende der „Kameradschaft Köln“ in der in unmittelbarer Nähe zur Keupstraße gelegenen Wohnung eines Mitglieds statt.427 (3) Unterspur 244/2 In den polizeilichen Ermittlungsakten zum Nagelbombenschlag in der Keupstraße finden sich zwei Spuren, die sich mit Personen befassen, die einen direkten Bezug zur „Kameradschaft Köln“ aufweisen. Die Unterspur 244/2 befasst mit einem Hinweis einer Mitarbeiterin eines Jugendzentrums auf einen ihr als „rechtsradikal“ bekannten B. S. vom 3. September 2004.428 Beamte des PP Köln suchten B. S. daraufhin zu Hause auf und schlossen ihn als Bombenleger aus, da er „keinerlei Ähnlichkeit mit den auf den Fahndungsplakaten abgebildeten Tätern“ habe.429 B. S. nahm 1998 an der Gründungsversammlung der „Kameradschaft Köln“ teil.430 B .S. bewegte sich später in der Rechtsrock-Szene. Das BKA führte ihn 2011 als Bandmitglied der Rechtsrockband „Non Plus Ultra“ (NPU).431 (4) Spur 104 Die Spur 104 befasst sich mit dem Hinweis eines Bürgers, der sich am Tag nach dem Bombenanschlag auf der Keupstraße mit einer Polizeibeamtin unterhielt. Der Bürger erklärte gegenüber dem PP Köln: „Der Typ war aufgeregt, interessiert und wirkte so, als ob er die Polizistin aushorcht. Ich kenne den von Nazidemos und halte ihn der Führungsebene zugehörig.“432 Aufgrund der Personenbeschreibung des Zeugen konnte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln der MK Sprengstoff den Hinweis auf P. B., damals wohnhaft im linksrheinischen Stadtteil Köln-Riehl, geben, der dem Polizeilichen Staatsschutz als Mitglied des KDS und der „Kameradschaft Walter Spangenberg“ bekannt war.433 Die MK Sprengstoff vermerkte zu dieser Spur: „Unter Berücksichtigung der gemachten Lichtbilder scheidet [B.] als Person, die eines der Fahrräder geschoben haben könnte, aus. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist die SPUR 104 für das hiesige Verfahren der MK Sprengstoff ohne weitere Relevanz.“ 434 Eine Ansprache des P. B. oder weitere Ermittlungsmaßnahmen erfolgte durch die MK Sprengstoff nicht. 426 427 428 429 430 431 432 433 434 128 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 29. November 2002, A12250 S. 29. Vermerk des Verfassungsshutzes NRW vom 11. August 2006, A12242 S. 236 (VS-nfD). Spurenakte 244/2 des PP Köln, A12557 S. 153 ff. Vermerk des PP Köln vom 15. September 2004, A12557 S. 162 f. Vermerk des PP Köln vom 25. November 1998, A10427 S. 10. Mitteilung des BKA vom 28. April 2004, A15204 S. 4 f. (VS-nfD). Vermerk des PP vom 18. Juni 2004, A12543 S. 172. Vermerk des PP Köln vom 25. Juni 2004, A12543 S. 174 f. Vermerk des PP Köln vom 25. Juni 2004, A12543 S. 174. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 hh. Kritische Würdigung Die „Kameradschaft Köln“ wurde mit Unterstützung von Aktivisten der verbotenen FAP gegründet und war deshalb von Beginn an gut vernetzt. Sie verfügte über eine feste, vereinsähnliche Struktur und eine nationalsozialistische Ausrichtung. Ideologische Bezugspunkte bildeten die NSDAP und die SA sowie der verstorbene Neonazi-Anführer Michael Kühnen und die von ihm gegründeten Gruppierungen. Die Bedeutung der „Kameradschaft Köln“ für die Neonazi-Szene zeigte sich unter anderem an dem maßgeblichen Anteil, den sie an der Entwicklung einer Demonstrationspolitik der Neonazi-Szene hatte. Axel Reitz wurde zu einem gefragten Anmelder und Versammlungsleiter von Demonstrationen sowie einem häufigen Redner. Er trieb ebenso die Zusammenarbeit der „Kameradschaften“ durch die Bildung des AB West voran. Die Gruppe verfügte über Kontakte in das gesamte Bundesgebiet, enge Verbindungen zu Neonazis aus Thüringen ergaben sich vor allem durch Tätigkeit der Führungspersonen der „Kameradschaft“ für den bundesweit ausgerichteten „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS). Eine Verbindung zum Anschlag in der Kölner Probsteigasse ergibt sich lediglich aus der Nähe des Tatorts zum Todesort ihres Namenspatrons „Walter Spangenberg“ sowie der zeitweisen Ähnlichkeit ihres stellvertretenden Kameradschaftsführers mit dem 2001 erstellten Phantombildes. Hinsichtlich des Anschlags in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004 ist bemerkenswert, dass die Gruppierung im selben Jahr ihre rassistische Agitation verstärkte. Die Keupstraße als bekannte „türkisch“ geprägte Geschäftsstraße erwähnte sie dabei allerdings nach Kenntnis des Ausschusses nicht. c. Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) Der „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) wurde am 1. Mai 1999 in Kremnitz / Brandenburg gegründet und bestand bis zur seiner Selbstauflösung im Jahr 2008. Inhaltliche Grundlage der neonazistischen Organisation war die sogenannte „Langener Erklärung“, die von den vier Gründungsmitgliedern unterzeichnet wurde.435 In einem Auswertungspapier des BKA vom 5. Mai 2006 heißt es über den KDS: „[Der] Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) versteht sich selbst als ein partei- und organisationsunabhängiger Zusammenschluss von Personen auf der Basis des Bekenntnisses zu Volk und Heimat. Dabei will sie die Unterscheidung in „rechts“ und „links“ überwinden und als „Gedankenschmiede und Kampfgemeinschaft“ für Andersdenkende verstanden werden. Langfristiges Ziel ist die Überwindung des "liberalkapitalistischen Systems" und die Errichtung eines "Nationalen Sozialismus.“436 In der ersten Ausgabe des Organisationsorgans „Der Gegenangriff“ wurden die Ziele des KDS wie folgt benannt: „Das langfristige Ziel: Das ist natürlich die Rettung der Nation, die Bewahrung unseres Volkes vor dem drohenden Untergang und die Sicherstellung seiner Existenz für die nächsten hundert Jahre. 2. Das mittelfristige Ziel: Das ist die Gewinnung, möglichst großer Massen dieses Volkes im Sinne des o.g. Zieles, denn wir wollen und werden nichts gegen das Volk erreichen können. 3. Das kurzfristige Ziel: Das ist die Schaffung der Infrastruktur zur Einbindung dieser Massen, also die Schaffung einer Organisation, die Heimat sein will, Heimat für die Entrechteten, die Enttäuschten, die verfolgten Angehörigen unseres Volkes und diese Volksgenossen müssen jetzt mobilisiert werden, dafür fällt heute der Startschuss.“437 435 436 437 Schreiben des BfV vom 3. Juni 1999, A12231 S. 101. Auswertungsbericht des BKA vom 5. Mai 2016, A10515 S. 99. Auswertungsbericht des BKA vom 5. Mai 2016, A10515 S. 99. 129 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der KDS propagierte eine sogenannte Querfrontstrategie, mit der eine Zusammenarbeit zwischen Linken und Rechten gemeint ist.438 Der Sachverständige Dr. Hajo Funke hat diese Querfrontstrategie in der Tradition des Nationalbolschewismus nach Ernst Niekisch verortet.439 Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat die Querfrontstrategie des KDS als nicht sehr relevant gewertet, da ihr die Praxis gefehlt habe.440 Tatsächlich gehörte nur ein Gründungsmitglieder zuvor verschiedenen kommunistischen Splittergruppen an441, alle anderen führenden Aktivisten entstammten dem organisierten Neonazismus, hier vor allem der Anhängerschaft des 1991 verstorbenen Michael Kühnen, der auch für den KDS eine besondere Rolle spielte. Insbesondere durch den langjährigen Kühnen-Weggefährten Th. B. wurde eine Art Personenkult betrieben. Michael Kühnen war in den 1980er Jahren einer der bekanntesten Neonazis in Deutschland. Nach dem Verbot der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ gründete er 1983 die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF). Innerhalb der neonazistischen Szene war Michael Kühnen wegen seiner angeblichen Homosexualität umstritten und es bildeten sich verschiedene Flügel heraus, die sich an der Positionierung zu Michael Kühnen spalteten.442 Das Auftreten und Selbstverständnis des KDS orientierte sich an der historischen SA und des propagierten Selbstbildes des „politischen Soldaten“, welches der Sachverständige Michael Sturm mit der historischen SA und den Freikorps während der Weimarer Republik in Verbindung gebracht hat. In den 1970er Jahre sei der Begriff dann in Westdeutschland von der militanten Neonaziszene um Kühnen aufgegriffen worden, die sich bewusst in die Tradition der SA stellte.443 Der Sachverständige Hans Peter Killguss hat zum SA-Bezug des KDS ausgeführt: „Dieser SA-Bezug wird nicht nur über diese fast schon karnevalesk anmutenden Uniformen deutlich, sondern das wird auch deutlich, wenn man sieht, was die Leute von sich geben. Als Reitz beispielsweise im Jahr 2006 unter anderem wegen Volksverhetzung ins Gefängnis muss – es gab auch noch andere Vorwürfe gegen ihn –, hat er sich mit den Worten verabschiedet, er habe stets versucht, seine Pflicht als politischer Soldat an vorderster Front des politisches Kampfes zu erfüllen. Also auch hier sehnt man sich in die Tradition des ideologischen gefestigten SA-Straßenkämpfers“ 444 aa. Struktur und Personal Der KDS hatte Ableger - sogenannte Sektionen - in Bayern, Berlin / Brandenburg, Thüringen, und NRW. Laut einer Bewertung des BKA mit dem Stand 2004 gingen die Behörden bundesweit von ca. 50 Mitgliedern des KDS aus.445 Die Zahl der Stützpunkte variierte im Laufe der Zeit immer wieder. In der KDS-Postille „Der Gegenangriff“ wurden regelmäßig Kontaktadressen verschiedener Stützpunkte veröffentlicht, die zum Teil nur kurz bestanden bzw. keine wirkliche Aktivitäten aufgewiesen haben. Der KDS war intern klar strukturiert. So existierte eine 24-Punkte umfassende „Dienstanweisung“, die für alle Mitglieder des KDS verpflichtend war, und in der Zeitschrift „Der Gegenangriff“ veröffentlicht wurde.446 Laut Dienstanweisung ist die Organisationsleitung das oberste 438 439 440 441 442 443 444 445 446 130 Infobroschüre des KDS, A12251 S. 60. Prof. Dr. Funke, APr 16/860 S. 35. Killguss, APr 16/868 S. 14 f. Beitrag „Michael Koth” auf wikipedia. E-Mail von Freier Widerstand vom 25. Januar 2005, A12239 S. 30. Sturm, APr 16/860, S. 50. Killguss, APr 16/868 S. 14 f. Auswertungsbericht des BKA vom 5. Mai 2016, A10515 S. 98. Presseberichte, A12250 S. 41 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Gremium des KDS. Die Anweisungen der Leitung sind für die Gesamtorganisation stets verbindlich. Unter Punkt 3 heißt es: „Der KDS gliedert sich in Stützpunkte, Gaue und die Bezirksleitung Berlin. Dem Stützpunkt steht ein Stützpunktleiter vor, dem Gau ein Gausekretär, der Bezirksleitung ein Erster Sekretär. Bei starkem Mitgliederzuwachs kann eine Unterteilung der Gaue in Kreise erfolgen. Dem Kreis steht dann ein Kreissekretär vor.“447 Die Stützpunktleiter und Gausekretäre werden von der Organisationsleitung ernannt. Die Dienstanweisungen umfassen etwaige Vorgehensweisen, Organisationsabläufe und Verhaltensweisen für Mitglieder des KDS. Auch die Uniformierung ist in den Dienstanweisungen geregelt: „Der derzeitigen Rechtslage Rechnung tragend, treten Mitglieder des KDS nur auf internen Veranstaltungen in Uniform auf. Diese besteht aus dunkler Hose mit khakifarbenem Pilotenhemd und schwarzem Langbinder. Im Bereich der Bezirksleitung Berlin gilt entsprechend weißes Hemd (bzw. weißer Uniformblouson) mit rotem Langbinder. Dazu wird das Mitgliedsabzeichen am Langbinder, das/die Ehrenabzeichen auf der linken Brusttasche getragen. Am linken Arm ist entweder, soweit vorhanden, die KDS-Armbinde zu tragen oder aber das Stoffabzeichen des KDS, das -wie zum Beispiel bei Polizeiabzeichen üblich- im oberen Drittel des linken Hemd- oder Jackenärmels aufgenäht wird.“448 Der hierarchische Aufbau des KDS zeigt sich ebenso in einem im „Gegenangriff“ veröffentlichten Vorschlag der Organisationsleitung für die Verwendung von Dienstgraden bzw. Dienstgradabzeichen. Diese staffelten sich wie folgt: Aktivist, Stellv. Stützpunktleiter, Stützpunktleiter / Stellv. Kreissekretär, Kreissekretär / Stellv. Gausekretär, Gausekretär und Mitglied der Organisationsleitung.449 Regelmäßig verlieh der KDS Auszeichnungen, sogenannte Ehrenabzeichen, an seine Mitglieder.450 (1) NRW Der „Gau Rheinland“ unter der Führung von Axel Reitz war einer von insgesamt elf KDSStützpunkten, die laut einer Auswertung des BKA im Jahr 2006 bundesweit bestanden. Neben dem bundesweit aktivsten Stützpunkt „Gau Rheinland“ existierte offiziell noch eine weitere Gruppe in Köln, die unter dem Namen „Stützpunkt Köln-Chorweiler“ firmierte und von U. P. geleitet wurde. U. P. war ebenfalls Mitglied der „Kameradschaft Walter Spangenberg“. Kölner Neonazis haben auch auf Bundesebene Funktionen innerhalb des KDS übernommen. So wurde Axel Reitz kurze Zeit nach der Gründung zum Mitglied der Organisationsleitung erhoben, U. P. war zeitweise verantwortlich für die Bundesgeschäftsstelle und P. B. betreute das Konto des KDS.451 In NRW bestanden darüber hinaus Stützpunkte in Essen, Mettmann und Wuppertal sowie die Gaue Ruhr und Westfalen. Der „Gau Westfalen“ wurde von dem aus Siegen stammenden M. Sch. angeführt. Dieser war führender Kopf der rechtsradikalen Hooligangruppe und Kameradschaft „Siegener Bärensturm“. Der gesamte „Siegener Bärensturm“ trat mit Wirkung vom 31. März 2003 aus dem KDS aus, M. Sch. legte zugleich die Leitung des Gau Westfalen nieder.452 Auch der Neonazi S. K. aus Hamm war zeitweise 447 448 449 450 451 452 Presseberichte, A12250 S. 41 ff. Presseberichte, A12250 S. 41 ff. Presseberichte, A12250 S. 41 ff. Presseberichte, A12253 S. 141. Auswertungsbericht des BKA vom 05.05.2006, A10515 S. 98 ff. Telefax des IM NRW vom 7. April 2003, A15301 S. 12 ff. (VS-nfD). 131 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 im KDS aktiv und fungierte ab Frühjahr 2007 als „KDS-Beauftragter-West“.453 S. K. war Führungsperson der 2012 durch den Innenminister des Landes NRW verbotenen „Kameradschaft Hamm“.454 (2) Bundesweit Bundesweit wurde der KDS maßgeblich durch die Person Th. B. aus dem hessischen Langen geprägt. Dieser war bis 2006 Chef der Organisationsleitung des KDS und Gausekretär Hessen. In einer Erkenntnisabfrage zu Th. B. des BfV vom 3. Juni 1999 hieß es: „[TH. B.] hatte 1982 die neonazistische Organisation "Nationale Aktivisten" (NA) gegründet. Ende 1982 schlossen sich die NA mit der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten" (ANS) des Michael KÜHNEN zur ANS/NA zusammen, die vom Bundesministerium des Inneren im November 1983 verboten wurde. [Th. B.] ist vielfach vorbestraft, zumeist im Zusammenhang mit neonazistischen Aktivitäten.“455 Nachfolger von Th. B. in der Organisationsleitung wurde Thomas Gerlach, Spitzname „ACE“. Thomas Gerlach war nach Informationen des LKA NRW Mitglied des neonazistischen „Freien Netz Altenburg“ aus Thüringen und unterhielt Kontakte zum „Thüringer Heimatschutz“ (THS). 456 Der erste Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags zum NSU stellte in seinem Abschlussbericht fest, dass „Thomas Gerlach […] heute einer der aktivsten Unterstützer der von Neonazis gestarteten Solidaritätskampagne für Ralf Wohlleben, ‚Freiheit für Wolle‘“ 457 ist. Thomas Gerlach war von 2006 bis zur Auflösung im Jahr 2008 Mitglied der Organisationsleitung, dem drei bis vier Personen umfassenden, höchsten Organ des KDS. In dem Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag, in dem die Ausführungen des Sonderermittlers des PKGr Jerzy Montag zur VP „Corelli“ in einer öffentlich zugänglich Form zusammengestellt sind, wird erwähnt, dass die VP „Corelli“ Fotomaterial von einem Gautreffen des KDS vom Februar 2006 geliefert habe, bei dem sich auch ein Foto von Thomas Gerlach findet.458 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Jerzy Montag nicht bestätigen können, dass somit auch die VP „Corelli“ an dem KDS-Treffen teilgenommen hat. Er gehe aber davon aus.459 In Thüringen war zudem M. K., der aus dem politischen Umfeld von Uwe Mundlos und Thomas Starke stammt460, für den KDS spätestens seit 2002 als „Gausekretär Thüringen“ aktiv.461 Thomas Gerlach war nicht der einzige bundesweit aktive Neonazi im KDS. „Gausekretär Süd“ war der aus NRW stammende462 bayrische Neonazi N. B.. In der Auswertung des BKA zum KDS wurde über N. B. festgehalten, dass dieser Kontakte zu Rechtsextremisten in ganz 453 454 455 456 457 458 459 460 461 462 132 E-Mail des S. K. vom 2. Februar 2007, A13375 S. 40. Personagramm des LKA NRW zu S. K. vom 9. Juli 2012, A13922 S. 322. Schreiben des BfV vom 3. Juni 1999, A12231 S. 102. Schreiben des LKA NRW vom 23. Mai 2012, A13114 S. 502. (VS-nfD). Bericht des Untersuchungsausschusses 5/1 des Thüringer Landtags zum NSU, A95415 S. 1816. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 19. Montag, APr 16/1344 S. 42. Zu vgl. Zweiter Teil A. II. 1. f. Kontaktadressen KDS veröffentlicht in “Gegenangriff, Ausgabe September 2002”, A12251 S. 40. E-Mail des LKA München vom 3. März 2005, A54278 S. 8 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Deutschland unterhalte und „als die (!) Führungsperson der rechten Szene Bayerns anzusehen“ sei.463 Nachdem N. B. wegen eines Angriffs am 13. Januar 2001 auf einen griechischen Staatsbürger in München am 1. März 2002 zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt wurde,464 übernahm Martin Wiese die Leitung der von N. B. geführten „Kameradschaft Süd“.465 Martin Wiese wurde 2003 bundesweit bekannt, weil er der Kopf einer Gruppe innerhalb der „Kameradschaft Süd“ gewesen sein soll, die einen Sprengstoffanschlag auf den Neubau des Münchener jüdischen Kulturzentrums geplant hatten.466 Laut BfV gehörte N. B. schon zu seinen NRW-Zeiten der „militanten Gruppierung ‚Siepensturm‘ an“467, welcher polizeilicherseits im Zeitraum 1996 bis Ende 1999 etwa 90 Straftaten zugerechnet wurden.468 In Berlin fungierte S. Sch. als „2. Gausekretär Berlin“.469 S. Sch. gehört aktuell dem Landesvorstand der Berliner NPD an und war deren Spitzenkandidat zur Abgeordnetenhauswahl 2016.470 Auch der langjährige bundesweit aktive Neonazi M. P. aus Bremen gehörte zum Kreis der KDS Mitglieder.471 bb. Aktivitäten Offizielles Organ des KDS war die Postille „Der Gegenangriff“, wo eigene Stellungnahmen, Mitteilungen und Berichte veröffentlicht wurden. Darüber hinaus existierte noch die Zeitschrift „Wetterleuchten“, welche als „theoretisches Organ“ des KDS betitelt war.472 In einer Erkenntnisanfrage vom 5. Mai 2006 hält die Verfassungsschutz NRW über den KDS fest: „Ihre Hauptaktivitäten erstrecken sich auf die Veranstaltung und Teilnahme an Demonstrationen, Durchführung von Schulungs- und Kameradschaftsabenden, die Veröffentlichung von Publikationen sowie das Verbreiten ihrer Ideologie mittels Plakaten/Flyern/Flugblättern. Die Aktivitäten der Gruppe erstreckten sich in der Vergangenheit zum Großteil auf das Gebiet um Köln.“473 Das BKA verweist in seiner Auswertung zum KDS darauf, dass neben den Veranstaltungen in der Region Köln einige Saalveranstaltungen in den Niederlanden, sowie am 25. September 2004 eine Schulungsveranstaltung im Raum Freudenstadt / Baden-Württemberg stattgefunden hat.474 Insbesondere im Rheinland organisierte der KDS regelmäßig Saalveranstaltungen. Diese waren zum Teil organisatorisch nicht von Veranstaltungen der „Kameradschaft Köln“ zu trennen. Vereinzelt nahmen an den Veranstaltungen aber auch Personen aus der neonazistischen Szene teil, die nicht im KDS organisiert waren. Nach Erkenntissen des Verfassungsschutzes NRW nahmen an dem „Gautreffen Rheinland“ in Leverkusen-Opladen am 8. November 2003 rund 65 bis 70 Personen teil. Redner waren Th. Br., ein aus Bayern stammender ehemaliger Aktivist von Michael Kühnens ANS sowie je eine Person aus Frankfurt und aus Leipzig. Anwesend war auch eine größere Gruppe aus Dortmund. Dies sei „[K.] aus 463 464 465 466 467 468 469 470 471 472 473 474 Schreiben des LKA NRW, A10515 S. 109 f. Vermerk des PP München vom 1. März 2002, A84225 S. 264. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21, A72476 S. 40 (VS-nfD). Beitrag zu „Martin Wiese“ auf wikipedia, A95621 BfV Spezial Nr. 21, A72476 S. 39 (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 28. August 2000, A72489 S. 8 f. (VS-nfD). Auswertung des Verfahrens gegen Siepensturm Stand Dezember 1999, A10407 S. 264. Auswertungsbericht des BKA vom 5. Mai 2006, A10515 S. 108. Internetausdruck zum Landesvorstand der NPD auf www.npd.de; Artikel „Kurzinterview mit dem NPD-Spitzenkandidaten zur Berliner Abgeordnetenhauswahl [S. Sch.] auf www.npd.de. Auswertungsbericht des BKA vom 5. Mai.2006, A10515 S. 107. Auswertungsbericht des BKA vom 5. Mai 2006; A10515 S. 101. E-Mail des BKA vom 5. Mai 2006, A13375 S. 16. (VS-nfD). Auswertungsbericht des BKA vom 5. Mai 2016, A10515 S. 101. 133 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dortmund“ zu verdanken, die laut Axel Reitz die Werbetrommel gerührt habe.475 Damit ist K. J. gemeint, die im Jahr 2003 / 2004, die Kameradschaft Dortmund leitete.476 Auch am 3. Juli 2004 fand in Leverkusen eine Veranstaltung des KDS statt, zu der bundeweit Neonazis angereist waren. Laut einer Meldung des PP Köln vom 6. Juli 2004 nahmen an dem Treffen rund 60 bis 70 Personen teil. Unter anderem stellte die Polizei Autos aus NRW, Bayern, Hessen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg Vorpommern fest.477 Im Rahmen der Veranstaltung wurden zahlreiche Bilder erstellt, die in dem Aktenbestand der Verfassungsschutzes NRW enthalten sind. Unter anderem auch ein Gruppenbild, welches der Sachverständige Hans-Peter Killguss bei seiner Anhörung durch den Ausschuss zeigte. Auf diesem ist neben den bekannten KDS-Aktivisten auch der bundesweit bedeutende Neonazi Th. W. zu sehen.478 Anfang der 2000er Jahre und kurz vor dem Irak-Krieg im Jahr 2003 rief der KDS zur Solidarität mit dem Irak und Saddam Hussein aus. In einem Artikel „Die Irak Connection“ aus der Jüdische Allgemeine Nr. 22/02 heißt es: „Axel Reitz (KDS) findet Saddam Hussein ‚groß und bewundernswert, weil er es geschafft hat, wie unser Führer Adolf Hitler, sein Volk hinter sich zu bringen, und sein Volk steht hinter ihm‘ und weil er ‚den Irak zu einer der orientalischen Art und Mentalität entsprechenden orientalischen Variante des nationalsozialistischen Volksstaates gemacht hat‘.“479 An einem Besuch einer Delegation des KDS in der irakischen Botschaft am 27. April 2002 nahmen neben M. K. auch die Axel Reitz und Johann Helfer teil. In einem Interview im „Gegenangriff“ führte Johann Helfer bezüglich des Besuches und der Irak-Solidarität des KDS aus: „Meine Eindrücke von dem Empfang waren außerordentlich positiv, es wurden interessante und offene Gespräche geführt. Ich selbst habe schon mehrere islamische Länder bereist. Und stets wurde mir auch dort das bestätigt was schon vorher bekannt war: Saddam Hussein ist ein Präsident hinter dem das irakische Volk steht, ein Präsident der viel für sein Land getan und erreicht hat und mutig genug ist, den US-imperialistischen Aggressoren die Zähne zu zeigen. Ein Problem ist die weltweit angelegte Lügenpropaganda und Hetze gegen den Irak und vor allem gegen Saddam Hussein; eine Methode wofür die USA ja bekannt sind. Schließlich haben wir Deutsche ja auch schlimmstens darunter gelitten und tun es auch heute noch. Doch so langsam dringt das wahre Gesicht der Wall Street, ich meine natürlich Washingtons, auch teilweise in den Massenmedien durch. Doch was nutzt es: In einem Jahr haben die Konsumenten (ich sage bewußt nicht Volk) wieder alles vergessen und glauben wieder alles was ihnen vorgelegt wird.“480 cc. Militanz Offiziell distanzierte sich der KDS in seinen Verlautbarungen von Militanz. Schon in der „Langener Erklärung“ heißt es unter Punkt 1: 475 476 477 478 479 480 134 Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 13. November 2003, A12252 S. 252 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 13. April 2004, A13735 158 ff. (VS-nfD). E-Mail des BKA vom 6. Juli 2004, A13374 S. 47 f. E-Mail des BKA vom 6. Juli 2004, A13374 S. 51. Artikel „Die Irak-Connection” in Jüdische Allgemeine Nr. 22/01, A12250 S. 48. Presseberichte, A12252 S.240 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „[…]die Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele wird aus tiefster Überzeugung abgelehnt.“481 Auch in der Broschüre „Was ist der KDS? Was will der KDS?“ wird betont: „Der KDS lehnt jedwede Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele strikt ab! Wir stehen zwar in Fundamentalopposition zum herrschenden System, arbeiten aber argumentativ und nicht in aggressiv, kämpferischer Weise! Unsere Waffe ist das Wort!“482 Der Sachverständige Dr. Hajo Funke hat darauf verwiesen, dass die propagierte Gewaltlosigkeit weder bei Michael Kühnen noch beim KDS zutreffend sei.483 Trotz der offiziellen Vorgabe der Gewaltdistanzierung fand sich in der KDS-Zeitschrift „Der Gegenangriff“ eine Kondolenzanzeige für den US-amerikanischen Neonazi William Pierce.484 William Pierce ist der Autor der Romane „Turner Diaries“ und „The Hunter“, als die zentrale Werke für die militante und rechtsterroristische Szene einzustufen sind. dd. Auflösung Die aus Th. B., Axel Reitz und Thomas Gerlach bestehende Organisationsleitung teilte im Juli 2008 die Auflösung des KDS mit, da ihnen die Bilanz der vergangenen Jahre als zu dürftig erschien.485 Lediglich in der Region Berlin stellte der KDS seine Aktivitäten nicht ein. Im Sommer 2007 wurde noch in Form eines „Revolutionären Manifest“ versucht den Niedergang der Organisation abzuwenden. Dort heißt es, dass sich „die starre Organisationsform, das selbstauferlegte Korsett einer anachronistisch anmutenden Dienstvorschrift und das daraus resultierende Auftreten des KDS als Hemmschuh und schier unüberbrückbares Hindernis zur Erreichung unserer selbst gesteckten Ziele“ erwiesen habe.486 ee. Kritische Würdigung Trotz des Umstandes, dass der KDS eine Splittergruppe mit nur geringer Mitgliederzahl und durch sein uniformiertes Auftreten und seinen Abzeichen und Orden teilweise einen skurrilen Eindruck hinterlässt, gehörten ihm zahlreiche relevante Führungspersonen der Szene an. Er war eine der weniger Neonazi-Gruppierungen, die ihrem Anspruch nach eine bundesweite Organisation darstellte. Der „Gau Rheinland“ zählte zu den aktivsten Untergliederungen des KDS, deren Führungsperson Axel Reitz über Jahre der „Organisationsleitung“ angehörte. Über den KDS verfügten Axel Reitz und die „Kameradschaft Köln“ über enge Kontakte zu den thüringischen Neonazis Thomas Gerlach und M. K. 2003, einige Zeit vor der Selbstauflösung des KDS, gab es von Seiten der Behörden Überlegungen den KDS zu verbieten. Trotz seiner nachweisbaren vereinsähnlichen Verfasstheit sowie seiner nationalsozialistischen Ausrichtung wurde kein Verbot vollzogen. d. Oidoxie Streetfighting Crew Die „Oidoxie Streetfighting Crew” ist eine Gruppierung, die sich um die Dortmunder Rechtsrock-Band „Oidoxie“ bildete und deren Mitglieder die Band bei Konzerten als Security begleitete. Mitglieder der Crew, bei der es sich nicht um einen gewöhnlichen „Fanclub“ handelte, betätigten sich auch an der Organisation und Durchführung von neonazistischen Musikveranstaltungen in NRW und dem Ausland. Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ waren Personen aus den Neonaziszenen in Dortmund und Kassel, mithin aus den beiden Städten, 481 482 483 484 485 486 Presseberichte, A12251 S. 59. Kurzer Leitfaden des KDS, A13375 S. 51. Prof. Dr. Funke, APr 16/860 S. 52. Kondolenzbekundung im „Gegenangriff“ Ausgabe September 2002, A12250 S. 34. „Der nationale Widerstand“ 40 Fragen an Th. B., A13376 S. 16 f. Revolutionäres Manifest des KDS aus Sommer 2007, A13375 S. 61 f. 135 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 in denen der NSU am 4. und 6. Mai 2006 die beiden letzten Morde der Ceska-Serie verübten. „Oidoxie“ ist nicht die einzige Rechtsrock-Band, die sich mit einer Gruppe unterstützender Personen umgab. Im Umfeld der Düsseldorfer Band „Barking Dogs“ bildete sich beispielsweise die „Road Crew“.487 Auch im Umfeld der Kasseler Band „Hauptkampflinie“ soll es Pläne gegeben haben, eine Crew zu bilden, womit die Band aber nicht einverstanden gewesen sei, so der Sachverständige Jan Raabe.488 Der Zeuge O. P. bezeichnete im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU die „Arische Bruderschaft“ des Thorsten Heise als eine ähnliche Truppe wie die „Oidoxie Streetfighting Crew“.489 Da es im finanziell lukrativen neonazistischen Musikbereich nicht nur zu Konkurrenzen, sondern zuweilen auch zu gewaltsam ausgetragenen Konflikten kommt - der Zeuge Sebastian Seemann hat beispielsweise Auseinandersetzungen zwischen „Blood & Honour / Combat 18“ und „Blood & Honour Midgard“ geschildert490- diente die Crew auch als schlagkräftige Schutzgruppe der Band bzw. des Konzertveranstalters. Neben dem in der neonazistischen Szene verwurzelten Leitbild der Kameradschaft können als weitere Inspirationsquellen zur Bildung solcher Crews die Organisationsformen von Rockerclubs und ebenso Crews im Umfeld nicht-rechter Hardcore-Punk-Bands491 vermutet werden. Der Personenkreis der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund rekrutierte sich ebenfalls aus den Reihen der „Oidoxie Streetfighting Crew“, wobei die Crew und die Gruppe nicht identisch waren, da nur ein kleiner Teil der Crew-Mitglieder zu der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ zählte.492 Die von Sebastian Seemann gegenüber dem BKA offenbarten fünf Mitglieder der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“493 sind auf dem Gruppenbild der „Oidoxie Streetfighting Crew“ aus dem Jahr 2006 zu sehen.494 Hinsichtlich der Suche nach möglichen Unterstützungsnetzwerken des NSU geriet die „Oidoxie Streetfighting Crew“ in das Interesse des Ausschusses, da die Gruppierung sich nicht nur im direkten Umfeld einer bekennenden „Combat 18“-Band bildete, sondern auch weil mehrere Neonazis aus Kassel der Crew, teils in führender Funktion, angehörten. aa. Gründung Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem für den Ausschuss erstatteten schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass Ende 2002 aus der „Oidoxie-Security“ die „Oidoxie Streetfighting Crew“ entstanden sei. Die Band habe ihr ein eigenes Lied gewidmet, in dem das Selbstbild der „Oidoxie Streetfighting Crew“ besungen wird: „Wir halten stets zusammen, Kameradschaft ist das, was uns verbindet. Der Glaube an die Sache ist das was niemals schwindet. Gemeinsam werden wir unseren Weg gehen. Zusammen siegen oder untergehen. Wir sind nationale Sozialisten. Und stehen auch dazu – Oidoxie Streetfighting Crew.“495 487 488 489 490 491 492 493 494 495 136 E-Mail des PP Düsseldorf vom 8. Juni 2010, A14892 S. 4 f. Raabe, APr 16/1154 S. 41. O. P., Protokoll der 36. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/36 S. 69. Seemann, nöAPr 16/230 S. 37. Beitrag „Hardcore Punk” auf wikepedia, Kapitel „Crews und Gangs“, A95552. Seemann, nöAPr 16/230 S. 31. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 58. Gruppenbild „Oidoxie Streetfighting Crew”, A94904. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund hielt seine Erkenntnisse über die „Oidoxie Streetfighting Crew“ im Jahr 2004 im Bericht der „Projektgruppe Skinbands“ fest: „Diese Gruppierung nannte sich zunächst Saalschutz Oidoxie und nennt sich jetzt Oidoxie Streetfighting Crew. Der Saalschutz Oidoxie ist hier erstmalig im Zusammenhang mit einem Skinkonzert zu Silvester 1998 in Dortmund bekannt geworden. Bei diesem Konzert wurde Sebastian Seemann erkannt, der ein schwarzes Hemd mit der roten Aufschrift Saalschutz Oidoxie trug. Bei dem Konzert am 05.07.2003 in Arnheim trugen Personen T -Shirts mit der Aufschrift Oidoxie Streetfighting Crew. Zu dieser Gruppe gehören auch Frauen.“496 Der Zeuge Sebastian Seemann, der selbst Mitglied der „Oidoxie Streetfighting Crew“ war, hat die Entwicklung der Gruppierung wie folgt beschrieben: „Das war eigentlich nur eine Clique von Menschen oder von Jugendlichen, die sich dann irgendwann zu dieser Crew entwickelt hat, um die Band ‚Oidoxie‘ rum halt. Die Band ‚Oidoxie‘ ist – ich weiß gar nicht –, ich glaube, auch so 95, 96 entstanden. Und darum hat sich halt so eine Clique gebildet mit Freunden, und der hat noch einen mitgebracht, und der hat noch einen mitgebracht. Und irgendwann war das halt so, dass dann irgendeiner gesagt hat: ‚Mensch, wir sind so viele, und die fahren immer mit zu den Konzerten.‘ Weil wenn auf einem Konzert eine Band spielt, dann darf diese Band auch immer so eine kleine Gruppe an Freunden mit reinbringen, ohne dass sie bezahlen müssen. […] Und, na ja, so hat sich das entwickelt, dass dann halt diese Band ‚Oidoxie‘ sehr viele Freunde hatte, weil dann immer zu den Konzerten gefahren wurde, und dann wurden Fahrgemeinschaften gegründet. Eigentlich gar nichts großartig ... Großartiges. Aber daraus hat sich dann irgendwann halt ... Das war so etappenweise. Also, irgendwann hieß es dann: Mensch, jetzt lass uns doch mal T-Shirts machen. Oder ... Nein, das fing anders an. Erst war das dann so, dass diejenigen, die um die Band rum waren, dass die dann auch mal an der Bühne standen und, ja, auf die Band aufgepasst haben, so türstehermäßig. Und dann hieß es irgendwann halt: ‚Ja, Mensch, die, die an der Bühne stehen, müssen auch mal die gleichen T-Shirts tragen.‘ Dann gab es dann ein ‚Oidoxie‘-T-Shirt. Ich glaube, da stand auch schon dieses ‚Crew‘ drauf. Und irgendwann war das dann halt die ‚Oidoxie Crew‘. Das ist so, nicht ... Also, das war nicht so, dass irgendwann einer gesagt hat: ‚So, wir müssen jetzt eine Crew machen, und die heißt so und so, und die macht das und das‘, sondern das ist so ein Entwicklungsprozess gewesen.“497 Die Gruppierung habe sich zuerst „Saalschutz“ genannt, irgendwann sei daraus dann die „Oidoxie Streetfighting Crew“ entstanden.498 Bereits einer der ersten Berichte über ein „Oidoxie“-Konzert, erschienen im Juli 1996 in der Zeitschrift „Rock Nord“, war illustriert mit einem „Oidoxie Security“ betitelten Foto, das sieben Personen in T-Shirts mit der Aufschrift „Oidoxie Saalschutz“ zeigte.499 Bei den Personen handelte es sich um Neonazis von Kameradschaften aus dem Ruhrgebiet und dem Sauerland, einer der abgebildeten Personen ist der Dortmunder C. J. der zeitweise eine führende Position innerhalb der „Kameradschaft Dortmund“ einnahm.500 496 497 498 499 500 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 254. Seemann, nöAPr 16/230 S. 7. Seemann, nöAPr 16/230 S. 64. Interview „Oidoxie“ in „Rock Nord“ Nr. 23 Juli 1996, A12262 S. 8. Seemann, nöAPr 16/230 S. 64. 137 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2005 wurde die „Oidoxie Streetfighting Crew“ neu organisiert.501 Dem Verfassungsschutz NRW war bekannt, dass Marco Gottschalk eine Gruppe von Personen zusammen stellen wollte, die die Sicherheit der Konzerte gewährleisten sollte.502 Mitglieder der neu organisierten „Oidoxie Streetfighting Crew“ waren neben Bandmitgliedern und Personen aus dem Bereich Dortmund und Hamm auch Teilnehmer aus dem Raum Osnabrück, ein S. in Gesellschaft von drei Personen von der „Arischen Bruderschaft“ sowie einen Neonazi aus Frankfurt / Oder.503 Bei dem als Mitglied der „Arischen Bruderschaft“ bezeichneten S. dürfte es sich um den Kasseler S. R. handeln, der spätestens nach der Neuorganisation der Crew deren Leitung übernahm. Der Zeuge M. F., ein vormaliges Mitglied der Crew, hat im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU ausgesagt, dass S. R. „Mitgründer“ der Crew gewesen sei.504 bb. Die Rolle der Band „Oidoxie“ Im Zentrum der „Oidoxie Streetfightung Crew“ stand die 1995 gegründete Band „Oidoxie505, die das verbindende Element und den zentralen Bezugspunkt der „Oidoxie Streetfighting Crew“ Mitglieder darstellte. Über die Jahre veränderte sich die Besetzung der Band immer wieder, so dass im Jahr 2005 von den frühen Bandmitgliedern nur noch Bassist D. L. und Marko Gottschalk aktiv waren. „Oidoxie“ erspielte sich schnell einen guten Ruf in der Szene, trat bei zahlreichen Konzerten auf und veröffentlichte mehrere CDs.506 Spätestens seit 2000 bewegte sich die Band im internationalen Netzwerk von „Blood & Honour / Combat 18“ und wurde in der Szene als „Combat 18“-Band wahrgenommen.507 2006 veröffentlichte sie auf dem Label von Thorsten Heise die CD „Terrormachine“, auf der erstmals die beliebte „Combat 18“-Hymne gleichen Namens enthalten war.508 „Oidoxie“ wies personelle Überschneidungen mit der ebenfalls die Ideen von „Combat 18“ propagierenden Band „Weisse Wölfe“ auf, deren erste CD zahlreiche gewaltverherrlichende und rassistische Lieder enthielt. Seit 2002 ermittelte das PP Dortmund gegen Mitglieder der „Weissen Wölfe“ und wenig später auch gegen Mitglieder von „Oidoxie“ wegen der Veröffentlichung von volksverhetzenden Liedern. Dabei prüfte die StA Dortmund auch, ob es sich bei den Bands um kriminelle Vereinigungen nach §129 StPO handelte, wofür jedoch kein hinreichender Tatverdacht bestand.509 Der Sachverständige Jan Raabe hat zur Bedeutung der Band in der neonazistischen Szene geschrieben: „Mit neun eigenen CD-Veröffentlichungen, Beteiligungen an mindestens 16 Split-CDs oder Samplern und ca. 150 Konzerten gehört Oidoxie eindeutig zu den produktiven und aktivsten Bands der Szene. Sie nimmt aber nicht allein dadurch eine besonders exponierte Position innerhalb der Szene ein. Bemerkenswert ist auch das Verhältnis der Inund Auslandskonzerte von 3 Inlandskonzerten zu 1 Auslandskonzert, welches wohl kaum eine andere deutsche Band vorweisen kann.“510 501 502 503 504 505 506 507 508 509 510 138 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 1. September 2005, A14088 S. 6 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 1. September 2005, A14088 S. 7 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 1. September 2005, A14088 S. 7 (VS-nfD). Friedrich, Protokoll der 36. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/36 S. 189. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. September 1995, A12262 S. 1 f. Zu vgl. Zweiter Teil A. II. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 14. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 14. Verfügung der StA Dortmund vom 1. Dezember 2004, A24755 S. 61 ff. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 14. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Seit August 2005 war D. L. habe nicht mehr Mitglied von „Oidoxie“.511 Er trat in der Folge nicht mehr mit „Oidoxie“ auf und wurde Mitglied der in der Szene ebenfalls sehr populären, nordrhein-westfälischen Rechtsrock-Band „Sleipnir“. Im April 2015 wurde bekannt, dass die Polizei den von ihm betriebenen „Wolfszeit-Versand“ in Werne an der Lippe durchsuchte, um eine dort angebotene CD der Band „Freilich-Frei“ zu beschlagnahmen. Die auf dem bayerischen Label „Oldschool Records“ erschienene CD enthielt ein Lied, das die Taten des NSU verherrlichte.512 Nach dem Austritt von D. L. stellte Marko Gottschalk die einzige personelle Konstante der Band dar. Marko Gottschalk und „Oidoxie“ waren in der Dortmunder Neonazi-Szene von Anbeginn an verwurzelt und insbesondere er verfügte über enge Kontakte zur „Kameradschaft Dortmund“, der er selbst lange Jahre angehörte. Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund hielt 2004 fest, dass aus dem Kreis der Bandmitglieder bzw. des Bandumfeldes Demonstrationen organisiert worden seien.513 Bei einer Demonstration am 12. Juli 2003 in Brechten trat Marko Gottschalk als Versammlungsleiter und Redner auf.514 Er sprach auch im Februar 2003 auf einer Kundgebung am Dortmunder Hauptbahnhof.515 Anfang der 2000er Jahre bildete sich im nördlichen Stadtteil Brechten, in dem Marko Gottschalk wohnte, eine Neonazi-Szene heraus, die eng mit Neonazis aus dem benachbarten Lünen verbunden war.516 Es war diese lokale Szene, die von Beobachtern mit der Organisation der beiden Aufmärsche in Verbindung gebracht wurde.517 Die Szene in Brechten verfügte über eigene Treffpunkte. 2004 erfuhr der Verfassungsschutz NRW, dass durch Marko Gottschalk ein zweiwöchentlich stattfindender Kameradschaftsabend in Dortmund-Brechten organisiert werde, der als „zusätzliches Angebot“ zum Mittwochstreffen der „Kameradschaft Dortmund“ verstanden werden solle.518 Die Aktivitäten der Band „Oidoxie“ lediglich auf eine „rechtsextreme Musikszene“ bzw. die Propagierung rechtsextremer Inhalte zu reduzieren, greift also zu kurz. Auch der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund hielt 2004 die Beobachtung fest, dass oft nicht mehr zwischen Politik und Musik unterschieden werden könne: „Die Band Oidoxie ist hierfür ein Beispiel. Oidoxie war die erste Band, die auf einer Demonstration als Live-Act auftrat.“519 Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem Gutachten geschrieben, dass aufgrund dieser Auftritte bei Demonstrationen der Band eine besondere Bedeutung zukomme. Gemeinsam mit Ch. W. haben sie seit 2001 die Strategie umgesetzt, Demonstrationen durch Auftritte von Bands attraktiver zu machen.520 511 512 513 514 515 516 517 518 519 520 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. August 2005, A12220 S. 48 (VS-nfD). Artikel „NRW: Durchsuchungen wegen NSU verherrlichender CD?" auf www.lotta-magazin.de, A95553. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 247. Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 14. Juli 2003, A14784 S. 265 f. (VS-NfD). Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 24. Februar 2003, A14784 S. 229 (VS-NfD). Preuß, APr 16/1160 S.12. Artikel "Alltag in NRW", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de, A95554. Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 19. August 2004, A14784 S. 413 (VS-nfD). Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 247. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 14. 139 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 cc. Struktur (1) Mitgliedschaft Die „Oidoxie Streetfighting Crew“ verfügte über eine feste Mitgliedschaft. Interessierte konnte sich der Crew nicht einfach anschließen, sondern mussten per Beschluss der Gruppe aufgenommen werden. Die Mitgliedschaft unterteilte sich in Vollmitglieder und Supporter. So vermerkte die Abteilung 6 in einem Bericht über „das bereits traditionelle Treffen der Streetfighting Crew“ am 16. Dezember 2006 im „Großraum Kassel“, dass mit „einstimmigen Beschlüssen“ drei zuvor als Supporter der Crew angehörige „Kameraden“ als Mitglieder sowie zwei Männer und zwei Frauen als Supporter aufgenommen worden seien. Zum Status der Supporter wurde vermerkt, dass diese „alles selbst bezahlen müssen“.521 Anhand dieses Treffens wird auch deutlich, dass der Status als Mitglied bzw. Supporter auch wieder aberkannt werden konnte. So vermerkte der Verfassungsschutz NRW im Dezember 2006, dass vier Personen als Mitglieder aus der Crew herausgefallen seien. Das als geschäftsschädigend gewertete Verhalten eines weiteren Mitgliedes aus dem Raum Osnabrück wurde mit einer Herabsetzung in den Status als Supporter sanktioniert.522 Spätestens seit der Neuorganisation der Crew im Jahr 2005 wurde die Mitgliedschaft durch das Tragen eines roten T-Shirts mit der Aufschrift „Oidoxie Streetfighting Crew“ symbolisiert. Ein Gruppenfoto aus dem Jahr 2006523 zeigt 43 Mitglieder, davon sechs Frauen.524 Auf dem Foto fehlen allerdings einzelne Personen, die zu diesem Zeitpunkt der Crew zugeordnet werden können, so dass die tatsächliche Mitgliederzahl etwas höher angesetzt werden muss. Von diesem Foto wurde auch ein Poster mit der Aufschrift „Oidoxie Streetfighting Crew forever“ erstellt.525 Der Zeuge Sebastian Seemann hat bestätigt, dass alle Personen auf dem Foto Mitglieder der Crew waren. Das Foto sei am Rande einer Geburtstagsparty im Dortmunder Süden in einer Halle oder in einem Clubhaus von irgendeinem Motorradclub gemacht worden.526 Weiter hat er ausgesagt, dass es aus seiner Sicht eine Phase gegeben habe, in der die Mitgliedschaft der Crew stark expandiert habe. Gottschalk habe auf „Masse gesetzt“.527 Der Sachverständige Jan Schedler hat anhand desselben Fotos über die Mitgliederstruktur der Crew ausgesagt: „Hier finden sich diverse bisher genannte Personen wieder, unter anderem nicht nur Bandmitglieder wie Herr Gottschalk, sondern auch […] Sebastian Seemann […]. Zudem sieht man auf dem Bild Pascal Zinn, der seines Zeichens für die NPD in Dortmund verantwortlich gewesen ist. Darüber hinaus war er aber auch an der Vernetzung des ‚Aktionsbüro West‘ beteiligt und eines der Gründungsmitglieder der Autonomen Nationalisten. Des Weiteren sind Mitglieder der Kameradschaft Aachener Land zu sehen. Daran erkennt man, dass sich das nicht allein auf den Raum Dortmund beschränkt.“528 Hervorzuheben ist, dass viele der in der „Oidoxie Streetfighting Crew“ zusammengeschlossenen Personen zugleich auch in den „Kameradschaften“, teilweise auch in der NPD organisiert waren und somit in der „Oidoxie Streetfighting Crew“ ein zweites Betätigungsfeld und 521 522 523 524 525 526 527 528 140 Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 28. Dezember 2006, A14088 S. 51 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 28. Dezember 2006, A14088 S. 53 f. (VS-nfD). Vermerk vom 26.7.2006, A14093 S. 9 (VS-nfD). Gruppenbild “Oidoxie Streetfighting Crew”, Lotta Ausgabe 56, A94904 S. 13. Poster Oidoxie Streetfighting Crew, A10542 S. 120 (VS-nfD). Seemann, nöAPr 16/230 S. 50. Seemann, nöAPr 16/230 S. 50. Schedler, APr 16/868 S. 9. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 eine weitere Gruppierung fanden, der sie sich zugehörig fühlten.529 Einige dieser Mitglieder nahmen in ihren Kameradschaften, beispielsweise der „Kameradschaft Dortmund“ oder der „Kameradschaft Aachener Land“, Führungsfunktionen ein. Darüber hinaus gehörten der „Oidoxie Streetfighting Crew“ Personen an, die im Vertrieb von neonazistischen Tonträgern und Kleidungsstücken tätig waren..530 Der Sachverständige Jan Raabe hat ausgeführt, dass der „Oidoxie Streetfighting Crew“ aufgrund der Mitgliedschaft von aus Aachen bis Hamm stammenden Personen eine Vernetzungsfunktion zugefallen ist.531 Diese Vernetzungsfunktion war nicht nur auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen beschränkt, weil der Crew auch Personen aus Niedersachsen, Hessen und Brandenburg angehörten. (2) Die Kasseler Fraktion der „Oidoxie Streetfighting Crew“ und der „Sturm 18“ Spätestens nach der Neuorganisation der „Oidoxie Streetfighting Crew“, vermutlich aber schon früher, gehörte ihr eine Fraktion von Kasseler Neonazis an, die von mehreren Quellen des Verfassungsschutzes NRW mit der „Arischen Bruderschaft“ in Verbindung gebracht wurden.532 Die Sachverständige Andrea Röpke hat vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU ausgesagt, dass es sich bei der „Arischen Bruderschaft“ um eine Gruppierung aus dem Umfeld des ursprünglich aus Niedersachsen stammenden, mittlerweile in Thüringen lebenden Neonazi-Führers und Rechtsrock-Produzenten Thorsten Heise handele. 533 Diese von ihr als Kameradschaft bezeichnete Gruppe sei auch in Hessen aktiv und habe äußerst militante Anhänger. Sie gelte als gefährlich und geheim. Es lägen aber nur wenige Informationen über sie vor.534 Als Kasseler Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ konnte der Ausschuss drei Personen namentlich identifizieren. Neben dem bereits erwähnten S. R. handelt es sich dabei um die auf dem Gruppenfoto zu sehenden M. F. und D. H.535 Die drei Personen sind wegen einschlägiger Delikte, darunter auch Gewaltstraftaten, polizeibekannt.536 Der Verfassungsschutz NRW konnte D. H. und S. R. bereits Ende 2005 auf Fotos identifizieren und bezeichnete sie als Mitglieder der „Arischen Bruderschaft.“537 Beim Treffen zur Neuorganisation der „Oidoxie Streetfighting Crew“ im August 2005 sollen insgesamt vier Personen aus der „Arischen Bruderschaft“ teilgenommen haben.538 Der Verfassungsschutz NRW erhielt im Dezember 2012 Kenntnis, dass die „Oidoxie Streetfighting Crew“ nach ihrer Gründung im Jahr 2002 zunächst von S. R. und M. K. in Personalunion geleitet worden sei. Beide seien nach vorherigen massiven Streitereien zwischen „Oidoxie“ und der „Arischen Bruderschaft“ um Thorsten Heise zu „Oidoxie“ übergelaufen. Ungefähr im Jahr 2006 / 2007 habe sich M. K. zurückgezogen und 529 530 531 532 533 534 535 536 537 538 Raabe, APr 16/1154 S. 9. Gruppenbild „Oidoxie Streetfighting Crew” in Lotta Ausgabe 56 S. 13, A94904; Namensliste Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ Stand 09.05.2006, A12220 S. 154 (VS-nfD). Raabe, APr 16/1154 S. 49. Vermerk des Verfassungsschutzes vom 3. August 2005, A12220 S. 46 (VS-nfD). Röpke, Protokoll der 11. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/11 S. 100. Röpke,Protokoll der 11. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/11 S. 100. Gruppenbild „Oidoxie Streetfighting Crew” in Lotta Ausgabe 56, A94904 S. 13. Schreiben des LfV Hessen vom 8. September 2004, A85350 S. 313 (VS-nfD); Erkenntnismitteilung des LfV Hessen vom 2. September 2004, A85350 S. 324 (VS-nfD); Erkenntniszusammenstellung des LfV Hessen vom 26. September 2013, A85350 S. 396 (VS-nfD). Vermerke und Fotos, A13399 S. 180 ff.(VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 1. September 2005, A14088 S. 7 (VS-NfD). 141 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 seither sei „[R.] unangefochtener alleiniger Leiter der Crew“.539 Welchen Hintergrund dieser Streit hatte und ob er zu einem anhaltenden Bruch zwischen S. R. und Thorsten Heise führte, konnte der Ausschuss nicht feststellen. Gegen eine andauernden Streit mit weitreichenden Folgen spricht allerdings die Tatsache, dass Thorsten Heise ab 2006 als Produzent der „Oidoxie“- und „Life of Pain“-CDs in Erscheinung trat.540 S.R., M. F. und D. H. waren in Kassel in der lokalen Neonaziszene aktiv. B. G. - VP des LfV Hessen, dessen VP-Führer Andreas Temme sich zur Tatzeit im Kasseler Internetcafè des vom NSU ermordeten Halit Yozgat aufhielt - berichtete nach Recherchen des BKA dem LfV Hessen ab 2002 / 2003 über eine Gruppierung mit dem Namen „Sturm 18“, als deren Anführer er M. F. und S. R. identifizierte.541 Dem BKA lagen Vermerke des LfV Hessen über Angaben des B. G. vor. Auf Grundlage dieser Unterlagen bewertete das BKA die von B. G. über den „Sturm 18“ gelieferten Informationen als „relativ oberflächlich“ und aus gelegentlichen Kontakten des B. G. zu Angehörigen des „Sturm 18“ resultierend. Informationen zum „Sturm 18“ habe er im Zeitraum 2002 bis 2005 geliefert.542 Dr. Iris Pilling, Mitarbeiterin des LfV Hessen, bestätigte im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, dass der B. G. auch Kontakt zu S. R. hatte, „dass aber in der Gesamtheit seine Verbindung zu ihm nicht derart war, dass wir ihn dorthin hätten einsteuern können.“543 B. G. erklärte in seiner Vernehmung durch das BKA am 26. April 2012 zum „Sturm 18“: „Meines Erachtens ist Sturm 18 gegründet worden von dem [B. T.]. Das weiß ich aber nur vom Hörensagen. Der [S.] hat sich immer damit gebrüstet, dass er den Sturm 18 gegründet hatte. Andere Leute von Sturm 18 haben mir dann aber erzählt, dass der [B. T.] auch dabei gewesen sei. Den Nachnamen von dem [S.] weiß ich nicht. […] Frage: Kennen Sie weitere Mitglieder von Sturm 18? Antwort: Ja, da war der [M. F.]. Soweit ich weiß, ist der [F.] aber bei Sturm 18 wieder ausgetreten, da er jetzt bei den Bandidos ist. Ich will noch anfügen, dass es jetzt zwei Gruppierungen gibt, die sich Sturm 18 nennen. Das ist einmal die Gruppe um den [S.], die aber aktuell nach meiner Kenntnis nicht mehr aktiv sind, und einmal eine Gruppe, die sich am Königsplatz bzw. in der Innenstadt von Kassel trifft und hauptsächlich säuft.“544 In einem Aktenvermerk wird B. G. als „Mitglied von Sturm 18“ bezeichnet.545 B. G. selbst sagte gegenüber dem BKA lediglich aus, er habe bis 2000 der von seinem Bruder Ch. W. angeführten „Kameradschaft Kassel“ angehört und sei, nachdem er zur Bundeswehr gegangen sei, dort nicht mehr aktiv gewesen.546 Vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU sagte B. G., er habe keinen Kontakt zum „Sturm 18“ gehabt, aber 539 540 541 542 543 544 545 546 142 Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Oktober 2013 zu den vom LfV Hessen angefragten Personen vom 9. Oktober 2013, A13396 S. 17. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 21. Vermerk des BKA vom 17. Februar 2012, A85346 S. 242 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 17. Februar 2012, A85346 S. 242 (VS-nfD). Dr. Pilling, Protokoll der 30. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/30 S. 96. Vernehmung des B. G. vom 26. April 2012, A64796 S. 4. Vermerk des LKA NRW vom 30. März 2012, A13105 S. 462 (VS-nfD). Vernehmung von B. G. vom 26. April 2012, A64796 S. 3. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sein früherer bester Freund M. F. habe sich dieser Gruppe angeschlossen.547 Die „Kameradschaft Kassel“ und der „Sturm 18“ seien zerstritten gewesen.548 Das BKA stellte den „Sturm 18“-Angehörigen D. H., M. F., S. R. und B. T. bei deren zeugenschaftlichen Vernehmungen keine Fragen zur Person B. G.549 Vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU hat M. F. ausgesagt, dass B. G. kein Mitglied des „Sturm 18“ gewesen sei.550 Aufgrund seiner Vermerke ist bekannt, dass B. G. bis mindestens 2005 in Kontakt mit einzelnen Mitgliedern des „Sturm 18“ stand. Die Aussage von B. G. über die Entstehung des „Sturm 18“ deckt sich mit der Zeugenaussage des S. R., der dem BKA mitteilte, er habe sich irgendwann vor seinem Geburtstag im März 2006 mit B. T. zerstritten, als dieser die Gruppe „Sturm 18“ alleine gemacht habe, womit er nicht einverstanden gewesen sei.551 M. F. bestätigte in seiner Zeugenaussage beim BKA, dass er selbst, S. R. und D. H. sowie ein Mario mit dem Spitznamen „Leverkusener“ zum „Sturm 18 Kassel“ zählten.552 Er sagte aus, dass die Gründung der Gruppe durch B. T. und S. R. vollzogen worden sei, B. T. allerdings vor 2004 „aufgrund seines asozialen Verhaltens rausgeflogen“ sei.553 Diese Angaben von M. F. wurden von D. H. bestätigt, der sich gegenüber dem BKA ebenfalls ein ehemaliges Mitglied des „Sturm 18“ nannte.554 Aus diesen Angaben ist zu schließen, dass es zeitweise zwei als „Sturm 18“ in Erscheinung tretende Gruppierungen in Kassel gab, die jeweils durch die ursprünglichen Gründer angeführt wurden. Der 2014 von B. T. in einen eingetragenen Verein transformierte „Sturm 18 Cassel“ wurde am 29. Oktober 2015 vom Hessischen Innenministerium verboten.555 Dr. Iris Pilling hat im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU bestätigt, dass sich B. T. und S. R. nach anderthalb bis zwei Jahren gemeinsamer Zeit im „Sturm 18“ zerstritten hätten. In der Szene sei danach mit „Sturm 18“ die Gruppe um S. R. gemeint gewesen, B. T. sei erst wieder ab etwa 2009 unter dem Rubrum „Sturm 18“ aktiv geworden.556 Die Mehrzahl der bekannten Mitglieder der „Sturm 18“-Gruppierung um S. R. war zugleich in der „Oidoxie Streetfighting Crew“ aktiv, was auch durch vorliegendes Foto- und Videomaterial belegt ist.557 Dieser Personenkreis organisierte auch selbstständig neonazistische Konzerte im Großraum Kassel.558 Es kann davon ausgegangen werden, dass er deshalb über zahlreiche Szenekontakte verfügte. Vieles deutet daraufhin, dass Kontakte und Aktivitäten 547 548 549 550 551 552 553 554 555 556 557 558 B. G., Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/35 S. 10. B. G., Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/35 S. 10 Vernehmungen von D. H., M. F., S. R. und B. T.: A64798, A64795, A64797 A64799. M. F., Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/35 S. 208 Vernehmung S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 5. Vernehmung Michel Friedrich vom 17. April 2012, A64795 S. 5. Vernehmung Michel Friedrich vom 17. April 2012, A64795 S. 6. Vermerk des BKA über Befragung des D. H. vom 18. Mai 2012, A64797 S.1. Artikel „Rechtsextremistischer Verein „Sturm 18“ verboten“ auf www.faz.net vom 27. Juni 2014, A95650. Dr. Pilling, Protokoll der 30. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/30 S. 128 Greven live – DVD, A64096 – In dem Video sind D. H., S. R. und M. F. bei Ordnertätigkeiten zu sehen. H. und Friedrich tragen die roten „Oidoxie Streetfighting Crew”-T-Shirts. Lichtbild von einem „Oidoxie“-Konzert, veröffentlicht auf www. antifainfoblatt.de A95597 – Dieses Foto eines „Oidoxie“-Auftritts in Tschechien zeigt . und H. im roten „Oidoxie Streetfighting Crew” T-Shirts beim Ordnerdienst vor der Bühne. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795, S. 3 f.; Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 3 f. 143 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der Personen aus der Kasseler Fraktion nicht an Landesgrenzen haltmachten, sondern dass sich diese Personen im Dreiländereck von Hessen, Niedersachsen und Thüringen bewegten. In der „Oidoxie Streetfighting Crew“ organisierten sie sich gemeinsam mit nordrhein-westfälischen Neonazis. Wie die nordrhein-westfälischen Kameradschaftsaktivisten der „Oidoxie Streetfighting Crew“ betätigten sich auch die Kasseler Crew-Angehörigen ebenfalls in anderen Gruppierungen bzw. führten von der „Oidoxie Streetfighting Crew“ unabhängige Aktivitäten durch. M. F. erwähnte in seiner Zeugenaussage beim BKA, dass es auch eine „Sektion Thüringen“ des „Sturm 18“ gegeben habe. Mit dieser Sektion brachte er Ma. M. in Verbindung, weil dieser ein T-Shirt mit einer solchen Aufschrift getragen habe.559 Der aus dem Raum Göttingen stammende Ma. M. wurde 2009 vom LG Göttingen verurteilt, weil er im November 2008 in einer Göttinger Table-Dance-Bar mit einer Pumpgun geschossen und später, zusammen mit dem aus dem Umfeld von Thorsten Heise stammenden D. N., zwei Brandsätze gegen das Gebäude geworfen hatte. Bei den Tätern beschlagnahmte die Polizei ein großes Waffenarsenal, bestehend unter anderem aus Pistolen, einem Scharfschützengewehr und einer Maschinenpistole. Bei weiteren Hausdurchsuchungen in Südniedersachsen stellte die Polizei weitere Waffen sicher.560 Vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU hat der Zeuge M. F. ausgesagt, dass der „Sturm 18 Thüringen“ eine Untersektion des „Sturm 18 Nordhessen“ gewesen sei.561 Seines Wissens habe es keine weiteren Sektionen neben der Thüringer gegeben.562 Er bezeichnete den „Sturm 18“ als „Musikding“, der Ma. M. sei für Thüringen zuständig gewesen, um dort Orte für Konzerte zu finden.563 Angaben zur Größe des „Sturm 18“ und zu den Mitgliedern hat der Zeuge weitestgehend verweigert.564 Mitglieder des „Sturm 18“ frequentierten in Kassel die als Szenetreff genutzte Gaststätte „Stadt Stockholm“, kurz „Stocki“, die einen Bezug zum Tod des SA-Blutzeugen Heinrich Messerschmidt aufweist.565 (3) Treffen Die Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ kamen regelmäßig zu internen Treffen zusammen, im Anschluss daran traten mehrfach Rechtsrock-Bands auf. Diese Konzerte waren für eine Szeneöffentlichkeit zugänglich. Hervorzuheben ist, dass diese Treffen oftmals in Räumlichkeiten des Rockerclubs „Bandidos“ bzw. deren Supporter-Gruppen stattfanden. dd. Führungspersonen Die „Oidoxie Streetfighting Crew“ verfügte über eine hierarchische Gliederung. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW führten bei einem Treffen der „Oidoxie Streetfighting Crew“, Marko Gottschalk und S. R. den Vorsitz.566 Dass Marko Gottschalk innerhalb der „Oidoxie Streetfighting Crew“ eine besondere Stellung innehatte, erklärt sich aus seiner Rolle als Bandleader von „Oidoxie“. Als Anführer der „Oidoxie Streetfighting Crew“ wurde 559 560 561 562 563 564 565 566 144 Zeugenvernehmung Michel Friedrich vom 17.04.2012, A64795 S. 5 Artikel „Waffenkammer der Bewegung – Göttinger Neonazis vor Gericht“ veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95598. M. F., Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/35 S. 182. M. F., Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/35 S. 184. M. F. Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/35 S. 182. M. F., Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/35 S. 183 ff. Zu vgl. Zweiter Teil E. VII. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 28.12.2006, A14088 S. 53 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aber, zumindest seit der Neuorganisation im Jahr 2005, übereinstimmend der Kasseler S. R. bezeichnet. Zeitweise soll er die „Oidoxie Streetfighting Crew“ in Personalunion mit M. K. geleitet haben.567 Im Booklet einer CD des Marko Gottschalk-Projekts „Straftat“ wurden Grüße an „K., S. und die Kasseler“ abgedruckt.568 Die herausgehobene Position von S. R. wird auch am Cover einer „Straftat“-CD aus dem Jahr 2011 deutlich, auf dem ein Foto von Marko Gottschalk und S. R. in ihren „Oidoxie Streetfighting Crew“-T-Shirts abgedruckt ist.569 (1) Marko Gottschalk Marko Gottschalk, Jahrgang 1972, ist seit seinen Jugendtagen in der neonazistischen Szene aktiv. Während seiner Bundeswehrzeit wurde er 1993 und 1994 durch den MAD befragt, wo er sich umfangreich570, aber vermutlich nicht wahrheitsgemäß äußerte. So gab er an, dass er keiner Partei oder Organisation angehöre und auf Aufforderungen, sich solchen anzuschließen, gesagt habe, dass er nur mit ihnen sympathisiere. Zugleich sei er aber seit gut vier Jahren mit Siegfried Borchardt bekannt, habe aber seit eineinhalb Jahren keinen weitergehenden Kontakt mehr zu ihm gehabt. Er habe einmal an einer FAP-Sitzung teilgenommen, halte die Partei aber nicht für wählbar.571 Marko Gottschalk berichtete dem MAD auch über seine bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kontakte zur neonazistischen Musikszene. So sagte er, dass er Ende August 1993 auf einem Konzert der Band „Noie Werte“ gewesen und mit deren Sänger gut bekannt sei.572 Weiter teilte er dem MAD mit, dass im Jahr 1993 in den alten Bundesländern ein großes Skintreffen stattfinden werde, bei dem nicht nur „Noie Werte“, sondern auch die britische Band „Screwdriver“ auftreten würden. Um Einzelheiten in Erfahrung zu bringen, brauche er nur dem Sänger von „Noie Werte“ zu schreiben. Auch den Sänger der Düsseldorfer Band „Störkraft“ kenne er gut.573 Obwohl Marko Gottschalk dem MAD hier Informationen weitergab, äußerte er wenig später gegenüber den MAD-Mitarbeitern, dass er nicht bereit sei, ihnen zukünftig Informationen mitzuteilen und niemanden „verpfeiffen“ würde.574 In einer Beurteilung des MAD wurde über Marko Gottschalk festgehalten, dass man ihn für geeignet halte, „eine Leitfigur in der organisierten Skinheadszene zu sein oder zu werden.“575 Der Verfassungssschutz NRW hatte Kenntnis, dass Marko Gottschalk 1994 an mindestens vier „Kameradschaftstreffen“ des FAP-Stützpunkts Essen teilnahm.576 Nach dem Verbot der FAP bildete sich in Dortmund die „Kameradschaft Dortmund“, die von dem ehemaligen FAPLandesvorsitzenden Siegfried Borchardt angeführt wurde. Marko Gottschalk nahm mindestens bis einschließlich 2005 regelmäßig an Kameradschaftsabenden der Gruppierung teil.577 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577 Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Oktober 2013 zu den vom LfV Hessen angefragten Personen vom 9. Oktober 2013, A13396 S. 14. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 19. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 19. Befragungsberichte des MAD vom 12. Oktober 1993 und 1. Februar 1994, A14827 S. 178 ff.(VS-nfD). Befragungsberichte des MAD vom 12. Oktober 1993 und 1. Februar 1994, A14827 S. 180 f. (VS-nfD). Befragungsberichte des MAD vom 12. Oktober 1993 und 1. Februar 1994, A14827 S. 180 ff. (VS-nfD). Befragungsberichte des MAD vom 12. Oktober 1993 und 1. Februar 1994, A14827 S. 185 (VSnfD). Befragungsberichte des MAD vom 12. Oktober 1993 und 1. Februar 1994, A14827 S. 186 (VSnfD). Vermerk des MAD vom 1. Februar 1994, A14827 S. 191 (VS-nfD). Vermerke des Verfassungsschutz NRW aus dem Jahr 1994, A14832 S. 108 f., A14832 S. 259 f., A14833 S. 1 f., A14833 S. 33 f. Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 16. Februar 2001, A13730 S. 153 (VS-nfD); Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 4. Juni 2004, A14784 S. 382 (VS-nfD); Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 12. April 2005, A14785 S. 37. 145 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ präsentierten sich selbst als „Combat 18“-Band. Ihr Bandleader Gottschalk hatte spätestens seit dem Jahr 2000 Kontakt zu Vertretern von „Blood & Honour / Combat 18“ aus Skandinavien und wenig später auch zu den englischen „Combat 18“Gründern. Der Ausschuss konnte zahlreiche Informationen zusammentragen, die zeigen, dass Marko Gottschalk Mitte der 2000er Jahre in der Szene als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland wahrgenommen wurde.578 Marko Gottschalk war Mitglied in der „Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene und deren Angehörige“ (HNG), weswegen im Zuge der Maßnahmen zum HNG-Verbot 2010 seine Wohnung von der Polizei durchsucht wurde.579 Seine Personalien wurden bereits im Rahmen einer Personenkontrolle bei der Jahreshauptversammlung der HNG am 31. März 2001 in Spiekershausen / Südniedersachsen festgestellt. Unter den 76 festgestellten Personen befanden sich verschiedene Neonazis aus NRW.580 Zur HNG-Versammlung waren auch Antje Probst und St. C. aus Sachsen angereist. P. geriet nach Selbstenttarnung des NSU in den Fokus der Behörden. Laut einer Übersicht der BAO Trio des BKA war sie für das flüchtige Trio tätig und wollte nach Erkenntnissen des LfV Brandenburg Beate Zschäpe ihren Pass zur Verfügung stellen.581 Antje Probst war seit 1995 bei „Blood & Honour Chemnitz“ aktiv. Ihr Ehemann führte zwei Szene-Läden in Chemnitz und Aue, in denen sie arbeitete.582 St. C. war laut einer Auswertung des BfV vom 18. Mai 2012 ab ca. 2000 verantwortlich für das Fanzine „Foier Frei“, welches vormals von den mutmaßlichen NSU-Unterstützern Jan Werner, ehemaliger Chef von „Blood & Honour“-Sachsen und Betreiber von „Movement Records“, und M. P. herausgegeben wurde. „Foier Frei“ war ein wichtiges Fanzine der sächsischen NeonaziSzene. Die Ausgaben Nr. 2, 3, und 9 wurden 1998 in der von Beate Zschäpe angemieteten Garage 5 sichergestellt.583 (2) S. R. S. R. wurde 1976 in Greifswald / Mecklenburg-Vorpommern geboren. Seit Jugendtagen bewegte er sich in der hessischen Neonazi-Szene.584 Im März 1995 nahm S. R. an der wenige Wochen nach dem Verbot der FAP stattfindenden Jahreshauptversammlung der HNG in einem Restaurant in Leun-Bissberg teil. Die Polizei stellte fest, dass er in einem Pkw mit der damals einem in Münster / Westfalen wohnenden Neonazi sowie zwei Neonazis aus Kassel anreiste.585 An dem Treffen sollen 150 Personen teilgenommen haben.586 2013 fasste das LKA Niedersachesen die vorliegenden Erkenntnisse zu S. R. zusammen. Demnach wurde er erstmals im November 1993 im Zusammenhang mit der FAP als Rechtsextremist bekannt und fand seit mehr als zehn Jahren seinen Aktivitätsschwerpunkt in der subkulturellen Skinheadszene. Das LKA Niedersachsen schrieb ihm eine „‚uneingeschränkte Führungsrolle‘ in der nordhessischen subkulturellen Szene“ und eine Mitgliedschaft in der „Oidoxie Streetfighting Crew“ zu.587 Der Zeuge O. P., der lange Jahre Sänger der Kasseler Rechtsrockband „Hauptkampflinie“ war, hat vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU über S. R. gesagt: 578 579 580 581 582 583 584 585 586 587 146 Zu vgl. Zweiter Teil A. I. 4. f. Lageabschlussmeldung des PP Düsseldorf vom 7. September 2010, A14847 S. 460. E-Mail des LKA Hessen vom 10. April 2001, A10344 S. 377 ff. Undatierte Personenerkenntniszusammentellung des LKA NRW, A12777 S. 14 (VS-nfD). Michael Weiss, Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 Teil 1, veröffentlicht auf www.nsu-watch.info, A95361. E-Mail der StA Düsseldorf vom 16. Oktober 2001, A13395 S. 9. E-Mail des LKA NRW vom 2. September 2004, A14978 S. 31 Schreiben des LKA Hessen vom 27. August 2001, A85350 S. 330 f. (VS-nfD). Vermerk des LfV Sachsen-Anhalt vom 3. April 1995, A14978 S. 50 (VS-nfD). Vermerk des LKA Niedersachsen aus dem Jahr 2013, A85350 S. 405 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „[S. R.] ist ja in Kassel ein sehr, sage ich jetzt mal, Unscheinbarer, aber der hat halt die Kontakte nach Dortmund zu Oidoxie, zu Streetfighting Crew und zu, ich sage jetzt mal, diesem C-18-Umfeld, also schon ziemlich gefährlich.“588 Befragt nach Combat 18 in Zusammenhang mit S. R. antwortete der Zeuge O. P.: „Das ist ja eins. Die Oidoxie-Band ist ja auch eine bekennende C-18-Band und diese ganzen Leute von der Streetfighting Crew gehören ja da wohl zu dem Umfeld. Die brüsten sich ja auch damit.“589 2013 verdächtigte die Polizei S. R., eine „wesentliche Position“ bei „Combat 18“ inne zu haben. Dieser Verdacht basierte auf Erkenntnissen einer im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der StA Augsburg durchgeführten Telekommunikationsüberwachung: „Zusammengefasst besteht nach hiesigen Erkenntnissen der Verdacht, dass es sich bei dem S. R. um den Deutschland – wenn nicht sogar den Europa-Chef von ‚Combat 18‘ handelt.“590 Der Zeuge Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutzes NRW, hat ausgesagt, dass fast alle Personen, die 2004 und 2006 vom Verfassungsschutz NRW in Zusammenhang mit „Combat 18“ erkannt worden seien, auch heute noch zu dieser Gruppe gehörten. Er habe aber zuletzt eine Verlagerung von Dortmund nach Kassel festgestellt, weil S. R. „jetzt auch so was wie ein Kopf“ von „Combat 18“ sei.591 Das LKA Niedersachsen schrieb 2013 über die mutmaßliche Nähe von S. R. zu „Combat 18“ und sein Verhältnis zur Gewalt: „Aktuelle Erkenntnisse lassen eine Nähe des Personenkreises um [R.] zu ‚Combat 18‘ (C18) als wahrscheinlich erscheinen, zumal sich die Band Oidoxie und die ‚Streetfightingcrew‘ in der Vergangenheit öffentlich im Internet zu C18 bekannten. Szeneintern wird [R.] als äußerst gewaltbereit beschrieben und gefürchtet, da er keine Skrupel haben soll, Gewalt gegenüber Szeneanhängern anzuwenden, welche sich seinen Ansichten nach falsch verhalten. Die Gewaltbereitschaft und -anwendung [R.] dient nachrichtendienstlichen Erkenntnissen zufolge nicht primär der Durchsetzung politischer Ziele oder der Einschüchterung des politischen Gegners, sondern an erster Stelle dem eigenen Machterhalt und -ausbau szeneintern. In seinem gesamten rechtsextremistischen Handeln legt [R.] ein Höchstmaß an Konspirativität an den Tag, was sich in seinem Agieren ohne jegliche Außenwirkung widerspiegelt. Konkrete Hinweise für eine durch ihn langfristig oder strategisch geplante Gewaltanwendung als politisches Mittel liegen aktuell nicht vor.“592 (3) Ma. K. Ma. K. wurde 1980 in Heiligenstadt in Thüringen geboren. Bis 2006 war er in seiner im Dreiländereck Thüringen, Hessen und Niedersachsen gelegenen Heimatstadt gemeldet.593 Ob 588 589 590 591 592 593 O. P., Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/36 S. 31. O. P., Protokoll der 35. öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum NSU, UNA/19/2/36 S. 32. Schreiben des LKA Hessen vom 2. Mai 2014, A85350 S. 364 (VS-nfD). Freier, APr 16/1349 S. 42. Vermerk des LKA Niedersachsen vom , A85350 S. 405 (VS-nfD). Schreiben des MIK NRW vom 30. Oktober 2013, A13396 S. 48 (VS-nfD). 147 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ma. K. dem „Sturm 18“ von S. R. angehörte, ist nicht bekannt. Spätestens im Januar 2007 war Ma. K. von Thüringen nach Nörvenich im Kreis Düren / NRW gezogen. Dort wurde er im Januar 2007 polizeibekannt, da gegen ihn als Beschuldigten wegen Körperverletzung ermittelt wurde. Er wurde in einer Gruppe von Mitgliedern der „Kameradschaft Aachener Land“ polizeilich festgestellt.594 Dafür, dass sich Ma. K. nach seinem Umzug nach NRW im Umfeld der KAL bewegte, spricht auch seine Teilnahme an der „Julfeier“ der KAL am 16. Dezember 2006 in Düren, an der nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW ca. 90 Personen teilnahmen und bei der neue Mitglieder in die KAL aufgenommen und der Kameradschaftsführer das „Verwundetenabzeichen in Silber“, die „Nahkampfspange in Bronze“ sowie das „Sportabzeichen“ der KAL an ausgewählte Mitglieder verlieh.595 Ma. K. kennt den Kameradschaftsführer und die ebenfalls der KAL angehörigen Brüder B. von ihrer gemeinsamen Mitgliedschaft in der „Oidoxie Streetfighting Crew“. Bereits am 26. November 2006 besuchte Ma. K. mit über 20 weiteren KAL-Anhängern die NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel.596 ee. Aktivitäten (1) Ordnerdienst Der Zeuge Robert Preuß, bis 2004 beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund tätig, hat ausgesagt, dass seiner Dienststelle bei Rechtsrock-Konzerten Personen in T-Shirts mit dem Aufdruck „Oidoxie Streetfighting Crew“ aufgefallen seien. Sie seien als „Begleitpersonen“ der Band eingeschätzt worden, die als Ordner bzw. Türsteher auftraten.597 Diese Funktion als Ordnerdienst der Band hat die „Oidoxie Streetfighting Crew“ seit ihrem Bestehen ausgefüllt, wie der Zeuge Sebastian Seemann bestätigt hat.598 Im Mitschnitt eines Konzertes im Februar 2005 in Greven ist zu sehen, dass eine Reihe in rote T-Shirts gekleidete Mitglieder der„Oidoxie Streetfighting Crew“ vor der Bühne steht und die Band abschirmt.599 Zeitweise existierte auch eine von C. K. geführte Gruppe namens „Frontline Security“, die Sicherheitsaufgaben bei Konzerten, beispielsweise am 09. Juli 2005 in Greven, übernahm und sich ebenfalls aus Mitgliedern der „Oidoxie Streetfighting Crew“ rekrutierte. Bei einem Konzert in Greven sollen die Ordner T-Shirts getragen haben, auf denen sowohl „Arische Bruderschaft“ als auch „Frontline Security“ aufgedruckt gewesen sei.600 (2) Durchführung von Konzerten Aus den Reihen der „Oidoxie Streetfighting Crew“ wurden zahlreiche neonazistische Konzertveranstaltungen organisiert. Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ stellten bei diesen Konzerten nicht nur den Ordnerdienst, sondern waren ebenso am Einlass, an der Technik oder in der Buchung der Bands tätig. Das bis dato größte, konspirativ organisierte Rechtsrock-Konzert in NRW fand am 16. März 2002 in Dortmund-Schüren statt. Nach Angaben von Beobachtern hörten dort 1.300 Neonazis die beiden US-amerikanischen „Blood & Honour“-Bands „Intimidation One“ und „Max Resist“ sowie die Bands „Hauptkampflinie“ aus Kassel, „Legion Thor“ aus Berlin, „Boots of Hate“ vom Niederrhein sowie die heimischen „Oidoxie“.601 Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund gab die Besucherzahl mit über 594 595 596 597 598 599 600 601 148 Merkblatt des PP Aachen vom 15. Mai 2007, A12467 S. 18 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. Januar 2007, A13379 S. 118 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 30. November 2006, A14911 S. 523 (VS-nfD). Preuß, APr 16/1160 S. 34. Seemann, nöAPr 16/230 S. 7. Greven live – DVD, A64096. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. August 2005, A14908 S. 29 (VS-nfD). Artikel „Polizei ermöglicht „Blood & Honour“-Konzert in Dortmund“ in Lotta Nr. 8 Frühjahr 2002, S. 28 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 1.000 an602 und identifizierte Marko Gottschalk, C. J. und S. J. als Organisatoren. Der Sicherheitsdienst wurde von Thorsten Heise geleitet. Der Staatsschutz vermutete deshalb einen „höheren Organisationsgrad“, der zur Durchführung dieses Konzertes notwendig war.603 Dieses Konzert zeigte sich, wie stark die Szene um „Oidoxie“ in die länderübergreifenden neonazistischen Netzwerke involviert war, ohne die ein solch großes Konzert mit internationaler Beteiligung nicht umzusetzen war. Auch die Kasseler „Sturm 18“-Gruppe um S. R. war vermutlich in die Organisation eingebunden. So berichtete die Zeitschrift „Lotta“ in einem Artikel über das Konzert, dass dieses im Vorfeld von der „Kameradschaft NordHessen – Sturm 18 Cassel“ auf ihrer Homepage für den Großraum Bochum angekündigt worden sei. Man habe „beschlossen, unsere Feier in Nordhessen mit den Kameraden im Ruhrgebiet zusammen zu gestalten“, zitierte die Zeitschrift den Internetbeitrag des „Sturm 18“.604 Die folgenden weiteren Konzerte aus den Jahren 2005 bis 2008 sind dem Ausschuss bekannt geworden: Am 3. Dezember 2005 fand im Clubhaus der „Bandidos“ in Holzwickede ein Konzert statt, für das die Bands „Oidoxie“, „Sturmwehr“, „Breakdown“, „Cherusker“, „Extressiv“, „Non Plus Ultra“ und „Underground Rebels“ angekündigt waren. Die Polizei schätzte die Anzahl der Gäste auf 300.605 Im westfälischen Greven sollen nach 2005 und 2006 nach Angaben einer lokalen Antifa-Gruppe fünf Konzerte stattgefunden haben.606 Der Ausschuss konnte in den offenen Akten zwei Konzerte identifizieren, an denen die „Oidoxie Streetfighting Crew“ mitwirkte. Am 9. Juli 2005 spielten dort unter anderem die Bands „Oidoxie“, „Cherusker“ und „Sleipnir“.607 Von einem Konzert am 25. Februar 2006 in Greven, bei dem unter anderem „Hauptkampflinie“, „Cherusker“, „Oidoxie“, „Extressiv“ und „Words of Anger“ auftraten, wurde von der „Streetfighting Crew Production“ ein Live-Mitschnitt produziert und in der Szene verkauft.608 Der Sachverständige Jan Raabe hat ein Konzert mit „Sense of Pride“, „Cherusker“, „Gegenschlag“, „Civil Disorder“, „Oidoxie“ und „Extressiv“ am 26. August 2006 in Dortmund angeführt.609 Am 16. Dezember 2006 spielten im Anschluss an ein Crew-Treffen im niedersächsischen Duderstadt die Bands „Oidoxie“, „Extressiv“ und eine unbekannte Band sowie ein Liedermacher.610 Die Polizei kontrollierte bei der Abreise die Personalien von rund 100 Besuchern. Die Teilnehmenden kamen mehrheitlich aus Niedersachsen, NRW, Hessen und Thüringen. Vier Besucher stammten aus Sachsen-Anhalt und zwei aus Sachsen. Auch die Lebensgefährtin des „Combat 18“-Führers William Browning befand sich unter den kontrollierten Personen.611 Am 30. April 2007 fand ein Konzert mit „Oidoxie“, „Extressiv“, „Non Plus Ultra“ und „Damage Inc.“ in einem Zelt bei Brilon statt. Den Einlass organisierten drei „Oidoxie Streetfighting Crew“ Mitglieder, unter ihnen der Zeuge Sebastian Seemann.612 Am 3. Mai 2008 spielten im Anschluss an ein Treffen der „Oidoxie Streetfighting Crew“ in Holzwickede 602 603 604 605 606 607 608 609 610 611 612 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 306. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 306. Artikel „Polizei ermöglicht „Blood & Honour“-Konzert in Dortmund“ in Lotta Nr. 8 Frühjahr 2002, S. 29. Vermerk des PP Dortmund vom 5. Februar 2015, A10404 S. 39. Pressemitteilung des Antifa-Archivs Münsterland zu Straftaten auf Rechtsrock-Konzerten in Greven vom 21. Januar 2009, A95603. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. August 2005, A14908 S. 29 (VS-nfD). Greven live – DVD, A64096. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 39. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 28. Dezember 2006, A14088 S. 54 (VS-nfD). Schreiben des LKA Niedersachsen vom 29 Dezember 2006, A12220 S. 170-184 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Mai 2005, A14908 S. 85 f.. 149 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 die Bands „Oidoxie“, „Extressiv“, „Jagdstaffel“ und eine namentlich nicht bekannte schwedische Band.613 Vermutlich am gleichen Ort, in den Räumen eines „Bandidos“-Supporter-Clubs in Holzwickede, traten am 5. Juli 2008 erneut „Oidoxie“ und „Extressiv“ auf.614 Am 6. Dezember 2009 spielten im Anschluss an ein Treffen der „Oidoxie Streetfighting Crew“ in Witten die Bands „Oidoxie“, „System Infarct“, „Damage Inc.“ und „Endless Pride“ vor zirka 120 Personen.615 Die „Oidoxie Streetfighting Crew“ war auch in die Organisation von Konzerten in Belgien involviert. „Oidoxie“ selbst stand zwischen 2006 und 2009 jedes Jahr beim „Ian Stuart Donaldson Memorial“-Konzert in Belgien auf der Bühne.616 Bereits 2004 war Sebastian Seemann, der zu dieser Zeit in Belgien bei Mitgliedern der dortigen „Blood & Honour / C18“-Gruppe lebte, in die Organisation eines „Blood & Honour“-Konzertes involviert.617 Er schrieb später, dass der Erlös dieses Konzertes in „deutsche und belgische politische und m….. Widerstandsdivisionen“ fließe.618 Der Journalist Thomas Kuban schilderte die bei diesem Konzert wahrgenommene Dominanz deutscher Neonazis wie folgt: „Bereits am Treffpunkt, einer Tankstelle, fiel mir aber auf, dass die Nazi-Schleuser Deutsch sprachen. Auch an der Eingangskasse zum Konzert saßen Deutsche. Und auch den Thekendienst versahen teilweise Deutsche. Sogar der Ansager auf der Bühne sprach Deutsch. Er teilte im Laufe des Abends mit, dass 90 Prozent des Publikums aus Deutschland kämen. Anwesend seien rund 2000 Leute, sagte der Sänger der deutschen Band ‚Kraftschlag‘. Angesichts solcher B&H-Umtriebe nach dem Verbot der deutschen Division bekam ein ‚Kraftschlag‘-Lied aus dem Jahr 1992 eine neue Bedeutung: ‚Denn trotz Verbot sind wir nicht tot, ja wir sind immer noch da. Trotz Verbot sind wir nicht tot, wir stehn zum Volk und zum Reich. Ist doch klar! Für die Reinheit unserer Rasse sind wir bereit, zu den Waffen zu greifen, es kommt unsere Zeit. Für Deutschland und Europa, so soll es diesmal sein, für die Wiedergeburt des Guten, stolz, weiß und rein.‘ Ein Text, der zu diesem deutschen Konzert in Belgien passte. Denn ausweislich der Banner hinter der Bühne war die Terrorgruppe Combat 18 Mitveranstalter. Ein Händler verkaufte außerdem T-Shirts mit dem Aufdruck ‚Combat 18 Deutschland‘. Und mit den ‚Weissen Wölfen‘ aus dem Sauerland und ‚Race War‘ von der Schwäbischen Alb standen zwei Bands auf der Bühne, die sich in ihren Liedern zum Combat 18 bekannten. Ebenfalls mit einem Bühnenbanner vertreten: die Kameradschaft Aachener Land.“619 Nach den Verhaftungen der belgischen „Blood & Honour / Combat 18“-Gruppe BBET im September 2006 übernahmen Dortmunder Neonazis die Organisation eines Konzertes im Oktober 2006. Der Zeuge Sebastian Seemann trat als offizieller Ansprechpartner auf den im Umlauf gebrachten Konzertflyern auf.620 Bei dem Konzert spielten u. a. die englischen „Combat 18“-Bands „Razors Edge“ und „Chingford Attack“ sowie „Oidoxie“.621 Nach Informationen des Verfassungsschutzes NRW trug die Security des Konzertes zuerst T-Shirts mit der Aufschrift „Terrormachine“, während des Auftritts von „Oidoxie“ zogen sie dann die bekannten „Oidoxie Streetfighting Crew“-Shirts an.622 Der Ordnerdienst sei von Personen aus NRW geleitet worden und der Eintritt in Höhe von 20,- Euro sei an C. K. zu entrichten gewesen. Der 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622 150 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 8. Mai 2008, A14912 S. 341 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Juli 2008, A14912 S. 382 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 14.Dezember 2009, A14908 S. 166 (VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 17. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 18. Internetbeitrag, A10380 S. 436. Thomas Kuban, Blut muss fließen. Undercover unter Nazis, Campus-Verlag S. 99 f. Konzertflyer, A14093 S. 6. Forumeintrag, A14093 S. 106. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom17. Oktober 2006, A14093 S. 77 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Saal sei mit „Blood & Honour“- und „Combat 18“-Fahnen geschmückt gewesen.623 Für die Neonazi-Szene war dieses im Nachgang als „Europe`s Main Event 2006“ bezeichnete Konzert mit seinen ca. 1.500 Gästen ein voller Erfolg.624 Darüber hinaus war es ein symbolischer Sieg über die erst einen Monat zuvor durchgeführte polizeiliche Zerschlagung der belgischen Gruppe BBET, die so scheinbar ins Leere lief. Auch nach der Verhaftung des Zeugen Sebastian Seemann im August 2007 bestand diese Belgien-Connection weiter fort. Einem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW ist zu entnehmen, dass Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ auch maßgeblich an der Organisation eines „Blood & Honour“-Konzertes am 8. März 2008 in Belgien beteiligt waren, bei dem neben „Oidoxie“ auch die englischen „Combat 18“-Bands „Razors Edge‘“ und „No Remorse“ spielten. Ausweislich des Vermerks wurde die Veranstaltungstechnik von einem Neonazi aus dem Ruhrgebiet aufgebaut und C. K. sowie die Lebensgefährtin von Will Browning betreuten zwei von insgesamt drei Verkaufsständen. Auch die Kasse und die Kontrollstelle im Eingangsbereich war danach von Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ besetzt.625 (3) Gewaltsame Angriffe auf politische Gegner Die Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ können als gewaltbereit bezeichnet werden. Etliche wurden wegen Gewaltstraftaten verurteilt. Personen aus der Gruppierung beteiligten sich immer wieder an gewaltsamen Angriffen. Am 28. Januar 2006 kam es in Dortmund, im Anschluss an eine angemeldete Demonstration626, zu einer gewaltsamen Attacke von Mitgliedern der „Oidoxie Streetfighting Crew“ auf mutmaßliche Gegendemonstranten und Gegendemonstrantinnen.627 Am 28. Januar 2006 beobachteten Mitarbeiter des Verfassungsschutz NRW Marko Gottschalk und den Zeugen Robin Schmiemann als Teil einer Neonazi-Gruppe von ca. 15 Personen, die an einem Imbiss in der Nähe der Kampstraße Linke tätlich unter Verwendung von Schlagwerkzeugen angriff. Diese Beobachtungen sind nach Aktenlage nicht an die Polizei weitergegeben worden.628 Der Zeuge Uwe Reichel-Offermann, Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW, hat angegeben, dass Erkenntnisse auf Straftaten, die während einer Observationsmaßnahme bekannt werden, nach Rücksprache mit dem zuständigen Referatsleiter frühzeitig an die Polizei weitergeben würden. Auf Vorhalt, dass die Erkenntnis zu der Tat am 28. Januar 2006 nach Aktenlage nicht an die Polizei weitergegeben worden sei, hat der Zeuge Uwe Reichel-Offermann sich weder erinnern können, auf diesen Vorfall von seinen Mitarbeitern angesprochen worden zu sein, noch hat er Gründe für die unterbliebene Weitergabe der Erkenntnisse nennen können.629 Genau drei Monate nach dem Angriff vom 28. Januar 2006 überfiel eine größere Gruppe Neonazis am 28. April 2006 in der Dortmunder Innenstadt die von einem linken Publikum frequentierte Kneipe „Hirsch-Q“.630 Im Rahmen einer Tatortbereichsfahndung nahm die Polizei in der Folge 18 Personen aus der Neonaziszene fest631, unter ihnen mehrere Mitglieder der 623 624 625 626 627 628 629 630 631 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW aus Oktober 2006, A14093 S. 140. Lotta Ausgabe 25 / Winter 2006, A14093 S. 202. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. März 2008, A14091 S. 7ff. (VS-nfD). Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe „Autonome Nationalisten“ des PP Dortmund aus November 2007, A10401 S. 133 (VS-nfD). Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe „Autonome Nationalisten“ des PP Dortmund aus November 2007, A10401 S. 134 (VS-nfD). Observationsbericht vom 27. Januar 2006, Ordner 4 S. 253 ff. (VS-V-herabgestuft). Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 84 f. Erstmeldung des PP Dortmund vom 3. Mai 2006, A13706 S. 136 f. Nachtrag des PP Dortmund zur Erstmeldung vom 3. Mai 2006, A13706 S. 147. 151 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Oidoxie Streetfighting Crew“ sowie der „Kameradschaft Dortmund“.632 Zwei geschädigte Gäste berichteten in ihren polizeilichen Zeugenvernehmungen übereinstimmend, dass die Neonazis aus Richtung der Kneipe „Spirit“ gekommen seien. Ihre Zahlenangaben divergieren allerdings zwischen 20 bis 30 und 40 bis 50.633 Der Verfassungsschutz NRW wertete diesen Angriff in einem Formulierungsvorschlag für die Antwort auf eine Presseanfrage als eine „klassische Rechts-Links-Konfrontation“ und als „Gegenreaktion von Angehörigen der rechten Szene auf vorangegangene Aktionen der linken Szene“, ohne allerdings einen konkreten vorangegangenen Vorfall zu nennen. Weiter schrieb der Verfassungsschutz NRW, dass derzeit „nicht abschließend beurteilt“ werden könne, „ob es zu weiteren gewalttätigen Folgeaktionen der rechten Szene kommt.“ Allerdings könne nicht gefolgert werden, „dass sich Dortmund zu einer Hochburg des Rechtsextremismus entwickelt hat.“634 Der Angriff im April 2006 war der Auftakt für zahlreiche in den folgenden Jahren verübte Sachbeschädigungen an der Kneipe und Schlägereien mit ihren Gästen. Die Betreiber der Gaststätte listen auf ihrer Internetseite, alleine für den Zeitraum April 2006 bis Februar 2008, zehn Gewalttaten und Sachbeschädigungen auf.635 Auch in den Folgejahren wurden dort weitere Angriffe verübt. Der Zeuge Sebastian Seemann, selbst Mitglied der „Oidoxie Streetfighting Crew“, hat ausgesagt, dass sie sich einen Spaß daraus gemacht hätten, einen Gullydeckel oder Ähnliches in die „Hirsch-Q“ reinzuschmeißen. Prügeleien mit Linken oder der Antifa seien aber eher zufällig entstanden.636 Der Zeuge Jörg Lukat, damaliger Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, hat im Zusammenhang mit den Übergriffen auf die „Hirsch-Q“ davon gesprochen, dass die Dortmunder Neonaziszene „überfallartige Gewaltaktionen“ umgesetzt habe.637 Der Sachverständige Jan Schedler hat ausgesagt, dass die „Oidoxie Streetfighting Crew“ sich „immer sehr positiv auf Gewalttaten bezogen hat.“638. (4) Kontakte zu Rockern Als Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion „Die Linke“ teilte die Landesregierung NRW am 16. März 2011 mit: „Ausgehend von der rechtsextremistischen Szene sind keine Bestrebungen bekannt, systematisch in Kontakt mit Rockervereinigungen zu treten. Dennoch gibt es einzelne, anlassbezogene vornehmlich mit wirtschaftlichen Interessen begründete Kontakte.“639 In der Antwort wurden keine Ausführungen zu den Kontakten zwischen Dortmunder Neonazis und dem Rockerclub „Bandidos“ gemacht, obwohl diese nach Einschätzung des Ausschusses seit Jahren bestanden. So traf sich die „Kameradschaft Dortmund“ ca. von Januar 2002 bis Januar 2003 zu ihren Kameradschaftsabenden in einer Herner Kneipe640, deren Betreiber der Polizeiliche Staatsschutz Herne dem kriminellen Rockermilieu, namentlich den „Bandidos“ und „Comancheros“, zuordnete.641 Das PP Dortmund hielt 2009 fest, dass es in 632 633 634 635 636 637 638 639 640 641 152 Erstmeldung des PP Dortmund vom 3. Mai 2006, A13706 S. 137 f. Vernehmungen der geschädigten Gästen vom 28. April 2006, A13706 S.106 ff. Interne E-Mail des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Mai 2006, A13706 S. 159. Ausdruck der Internetseite www.hirsch-q.de, A95605. Seemann, nöAPr 16/230 S. 44. Lukat, APr 16/1154 S. 88. Schedler, APr 16/868 S. 26. Antwort der LR NRW auf die Große Anfrage der Fraktion „Die LINKE“ vom16. März 2011Landtag NRW, Drs. 15/1505 S. 13. Exemplarisch: Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 13. Dezember 2002, A12224 S. 305 (VS-nfD. Vermerk des Polizeilichen Staatsschutzes Herne vom 18. Dezember 2002, A10373 S. 30. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der Vergangenheit Kontakte der „Kameradschaft Dortmund“ zur Rockerszene gegeben habe. Diese Kontakte bestünden über Siegfried Borchardt, den Zeugen Sebastian Seemann und Marko Gottschalk. Das Vereinsheim einer Untergruppierung der „Bandidos“ im Raum Unna sei für Treffen, insbesondere für „Veranstaltungen der Musikszene“ genutzt worden.642 Die „Oidoxie Streetfighting Crew“ nutzte ihre Kontakte zu Rockern, um Veranstaltungsräume zu erlangen, in denen sie ungestört Konzerte und Treffen abhalten konnte. Neben den bereits erwähnten Konzerten soll C. K. nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2007 eine „Szenefeier“ im Vereinsheim der „Bandidos“ durchgeführt haben.643 Der Zeuge M. hat ausgesagt, dass Dortmunder Neonazis als „Wasserträger“ der „Bandidos“ gearbeitet hätten.644 Der Zeuge Sebastian Seemann hingegen sei einer der besten Freunde des damaligen Präsidenten des Dortmunder „Bandidos“-Chapters gewesen.645 Im März 2005 wurden dem Verfassungsschutz NRW Verbindungen zwischen Neonazis und Rockern mitgeteilt. Namentlich erwähnt wurde auch eine Person aus dem Umfeld der „Oidoxie Streetfighting Crew“, die bereits im Jahr 2000 als Mitveranstalter eines Konzerts von „Oidoxie“ in Lotte aufgetreten sei.646 Weiter heißt es in dem dazu verfassten Vermerk des Verfassungsschutzes NRW: „Die Banditos sollen im nördlichen Münsterland ihr Unwesen treiben. Für ihre X-Teams (Schlägertruppen für das ‚Grobe‘) soll vermehrt unter den Skinheads geworben werden. Angeblich sei man bemüht, vor allem unbedarfte, dümmliche Personen anzuwerben, die dann für entsprechende Auftragsdienste missbraucht werden können. Gelockt werden sollen diese Personen vor allem mit Geld und Anerkennung.“647 Dem Verfassungsschutz NRW war bekannt, dass ein weiteres Mitglied der „Oidoxie Streetfighting Crew“ Supporter der „Bandidos“ sein soll.648 Auch die Kasseler Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ nutzten das Clubheim des Kasseler „Bandidos“ Chapters als Veranstaltungsort. Gegenüber dem BKA verweigerte S. R. weitere Aussagen zu seinen „Bandidos“-Kontakten.649 Dem vorliegenden Aktenmaterial ist nicht zu entnehmen, dass der Verfassungsschutz NRW, der über diese Aktivitäten informiert war, Maßnahmen ergriffen hat, um diese Veranstaltungen oder die Zusammenarbeit von Rockern und Neonazis zu unterbinden. ff. Bands im Umfeld der „Oidoxie Streetfighting Crew“ Für den Ausschuss waren personelle und organisatorische Verbindungen der rechtsextremen Szene von Dortmund und Kassel von großem Interesse, da die vom NSU verübten Morden an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006 in Dortmund und Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel zeitlich und räumlich nah beieinander liegen. Die „Oidoxie Streetfighting Crew“ entwickelte sich ab 2005 zum Mittelpunkt einer dynamischen Szene von Rechtsrockbands, was sich daran zeigte, dass aus Kreisen der „Oidoxie Streetfighting Crew“ nicht nur zahlreiche Konzerte durchgeführt wurden, sondern sich auch eine Reihe weiterer Bands bildete. Von 2005 bis 2010 existierte die Band „Extressiv“, deren Mitglieder allesamt Teil der „Oidoxie 642 643 644 645 646 647 648 649 Vermerk des PP Dortmund vom 4. April 2009, A10381 S. 130. Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Oktober 2013 zu den vom LfV Hessen angefragten Personen vom 9. Oktober 2013, A13396 S. 14. M., nöAPr 16/238 S. 6. M., nöAPr 16/238 S. 7. Schreiben des PP Münster vom 10.04.2000, A12262 S.180 (VS-nfD); Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 22. März 2005, A13722 S. 4 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 22. März 2005, A13722 S. 4 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 13. November 2007, A14908 S.99 (VS-nfD). Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 4 f. 153 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Streetfighting Crew“ waren. Zwei Mitglieder von „Extressiv“ spielten später auch bei „Oidoxie“.650 „Extressiv“ veröffentlichten ihre beiden, in den Jahren 2006 und 2008 erschienenen Alben auf dem Chemnitzer Label „PC Records“651, wobei das zweite Album „Weisse Brüder für Europa“ als jugendgefährend indiziert wurde.652 Das Label „PC Records“ wurde von H. L., einem Jugendfreund von Uwe Mundlos, gegründet und 2004 an Y. R. weitergegeben.653 Der Sachverständige Jan Raabe zählte ca. 20 Auftritte von „Extressiv“ in den Jahren 2005 bis 2010, wovon mindestens drei von „Blood & Honour“ organisiert worden seien.654 2005 erschien die Demo-CD der sich nach eigenen Angaben im November 2003 gegründeten Band „Cherusker“, deren Mitglieder im Osnabrücker Land lebten.655 Festes Mitglied der Band war der „Oidoxie“-Bassist St. S.656 Auf einem Mitschnitt eines „Cherusker“-Auftritts von Februar 2006 in Greven spielt Marko Gottschalk das Schlagzeug.657 „Cherusker“ veröffentlichten ihr erstes Album sowie eine Split-CD mit der nordrhein-westfälischen Band „Sturmwehr“ beim Chemnitzer Label „PC Records“.658 Mitglieder von „Oidoxie” bildeten auch die Projektbands „Life of Pain” und „Straftat”.659 Die einzige CD von „Life of Pain“ erschien auf dem Label „WB Records“ des Thorsten Heise. Die Band „Straftat“ wurde von Marko Gottschalk mit unbekannten Musikern gebildet und veröffentlichte 2009 die Debüt-CD „Hail C18“. 2011 erschien die CD „Steh wieder auf“.660 Der Sachverständige Jan Raabe hat darauf hingewiesen, dass sich auf dem 1997 erschienenen Sampler „Die besten Soldaten der Welt“ zwei Lieder einer gleichnamigen Band befänden, aber aufgrund fehlender weiterer Angaben nicht zu klären sei, ob es sich möglicherweise um dieselbe Band handelt. Der Sampler war bei „Movement Records“, dem von dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer Jan Werner geleiteten Hauslabel von „Blood & Honour Sachsen“, erschienen.661 Zwei Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ bildeten zeitweise die Band „Gruppenzwang“. Die Band war für ein - letztlich abgesagtes - „Blood & Honour“-Konzert am 8. August 2009 in Belgien angekündigt.662. Eines dieser Mitglieder soll auch der Frontmann der Band „Wutbürger“ sein, die 2013 eine Split-CD mit „Oidoxie“ bei „Front Records“ veröffentlichte.663 gg. Verhältnis zur „Kameradschaft Dortmund“ Die „Oidoxie Streetfighting Crew“ verfügte aufgrund von Doppelmitgliedschaften über direkte Verbindungen zur „Kameradschaft Dortmund“. In der Szene nahmen Außenstehende beide Gruppierungen fälschlicherweise sogar als identisch wahr. So hat der Sachverständige Jan Raabe über ein „Blood & Honour“-Konzert am 11. Dezember 2004 in Belgien festgehalten, 650 651 652 653 654 655 656 657 658 659 660 661 662 663 154 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. Ausdruck Beitrag "Unser Label" von www.pcrecords.net, A95611. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. Röpke, APr 16/872 S. 19. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. Interview mit Cherusker in „Rock Nord“, Nr. 114/115, A15069 S. 50 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. Januar 2006, A15069 S. 12 (VS-nfD). Greven live – DVD, A64096. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 19. Dezember 2006, A13400 S. 18 (VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 16. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 24. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 27. Februar 2013, A14908 S. 212 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dass die Veranstalter in einem Konzertbericht insbesondere „Wilf, Bart and the Kameradschaft Dortmund“ gedankt hätten.664 Daran sei deutlich zu erkennen, dass bei diesem Konzert nicht nur der Zeuge Sebastian Seemann und die aufgetretene Band „Weisse Wölfe“, sondern die Dortmunder Strukturen insgesamt involviert gewesen seien.665 Tatsächlich wurde das Konzert mit Unterstützung der „Oidoxie Streetfighting Crew“ durchgeführt. Ein Teil des Erlöses aus diesem Konzert wurde allerdings der „Kameradschaft Dortmund“ gespendet, die damit eine Lautsprecheranlage erwarb.666 Der Zeuge Robert Preuß, bis 2004 beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund, hat ausgesagt, dass Mitglieder von „Oidoxie“, beispielsweise Marko Gottschalk, an den Treffen der Kameradschaft in der Kneipe „Schützeneck“ teilgenommen hätten. Gleichwohl habe es aber innerhalb der Szene immer wieder Streitigkeiten und Animositäten zwischen den Angehörigen der „Kameradschaft“ und dem von dem Zeugen Robert Preuß als „Musikszene“ bezeichneten Umfeld von Gottschalk gegeben, „sodass es Phasen gab, wo man gemeinsam sich dort getroffen hat. Es wird aber auch immer Phasen gegeben haben, wo ‚Oidoxie‘ und gerade Marko Gottschalk da mit Sicherheit nicht gern gesehen waren.“667 Streitigkeiten sind beispielsweise im Nachgang des „Ian Stuart Memorial“-Konzertes im Oktober 2006 in Belgien dokumentiert. So soll Siegfried Borchardt auf einem Kameradschaftsabend geäußert haben, er glaube, dass bei dem Konzert sicherlich 10.000,- Euro Gewinn gemacht worden seien. 668 Von einem Teil des Gewinnes könne doch die „Kameradschaft Dortmund“ unterstützt werden. Marko Gottschalk habe sich daraufhin verteidigt und gesagt, dass 200 Personen als Security und Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ umsonst teilgenommen hätten und man auch zwei Lkw habe bezahlen müssen. Außerdem würden mit den Überschüssen Leute unterstützt, die inhaftiert seien. Viel Geld sei zudem: „zu C18 und Leuten bzw. deren Rechtsanwälten geflossen, weil die Kameraden aufgrund irgendwelcher dubioser Geschäfte und Waffenschieberein im Knast sitzen würden.“669 Mit diesen inhaftierten Kameraden dürften die im September 2006 festgenommenen Mitglieder von BBET, der belgischen „Blood & Honour / Combat 18“-Gruppe, gemeint sein. Zwischen den in der „Kameradschaft Dortmund“ großen Einfluss ausübenden „Autonomen Nationalisten“ und des Personenkreis um Marko Gottschalk sind Streitigkeiten bekannt. Ein Streit entzündete sich an dem Neonazi C. K., dem die „Autonomen Nationalisten“ Kontakte zum Verfassungsschutz bzw. Staatsschutz vorwarfen, zum anderen an einem „Ian Stuart Donaldson Memorial“-Konzert in Belgien, das zeitgleich mit dem Aufmarsch zum „Nationalen Antikriegstag“ in Dortmund stattfand.670 Der Ausschuss konnte nicht feststellen, ob sich C. K. tatsächlich vom Verfassungsschutz anwerben ließ oder Gespräche mit dessen Mitarbeitern 664 665 666 667 668 669 670 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 18. Mit „Wilf“ dürfte der „Combat 18“Gründer Will Browning gemeint sein, der diesen Spitznamen trug. Mit „Bart“ dürfte ein texanische „Blood & Honour / Combat 18“-Aktivist gemeint sein. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 18. Seemann, nöAPr 16/230 S. 37; Internetbeitrag, A10380 S. 436. Preuß, APr 16/1160 S.12. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 30. November 2006, A14785 S. 317 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 30. November 2006, A14785 S. 317 f. (VS-nfD). Artikel „Entweder die oder die“. Die Dortmunder Neonazi-Szene ist gespalten“ in: Lotta. Antifaschistische Zeitung aus NRW Nr. 33 Winter 2008/2009, S. 31 f. 155 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 geführt hat. In den dem Ausschuss vorliegenden Akten des Verfassungsschutzes NRW befindet sich allerdings ein Dokument mit dem Betreff „Carsten [K.]. Fragen (Abschöpfung)“, das als Indiz dafür gewertet werden kann, dass ein Abschöpfungsgespräch mit ihm zumindest angedacht war. Aufgrund der aufgeführten Fragekomplexe kann vermutet werden, dass dieser Fragekatalog bereits zu Beginn der 2000er Jahre verfasst wurde.671 Der Streit zwischen „Autonomen Nationalisten“ und „Oidoxie“ führte 2009 sogar dazu, dass „Oidoxie“ nach Protesten aus der Szene vom „9. Thüringentag der nationalen Jugend“, einer vom NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben initiierten Veranstaltung672, wieder ausgeladen wurde. Der Band wurde von Seiten Dortmunder Neonazis vorgeworfen, Konzerte in Konkurrenz zu Demonstrationen organisiert zu haben, eine VP in ihren Reihen geduldet und sich bereichert zu haben. Die Veranstalter des Thüringentages teilten mit, die Ausladung von „Oidoxie“ diene dazu, „wieder Bands, Redner und vor allem Ruhe in diese Veranstaltung zu bekommen“.673 Während „Oidoxie“ ausgeladen wurde, durften, dies ist durch Fotos belegt, die „Autonomen Nationalisten“ auf der Veranstaltung für ihre „Nationale Antikriegstags“-Demonstration werben. Einer ihrer Anführer hielt sogar einen Redebeitrag.674 „Oidoxie“ und „Oidoxie Streetfighting Crew“ sahen sich im Nachgang des „9. Thüringentags“ genötigt, eine Stellungnahme abzugeben, in der sie sich von dem namentlich nicht genannten ehemaligen Mitglied distanzierten und ankündigten, zukünftig Geld aus Konzerten wieder in die Bewegung zurückzuführen.675 Diese Streitigkeiten waren spätestens 2011 beigelegt, als „Oidoxie“ bei einer von den „Autonomen Nationalisten“ organisierten Vorabenddemonstration zum „Nationalen Antikriegstag“ in Dortmund auf der mobilen Bühne standen und somit ihren Beitrag „für die Bewegung“ leisteten.676 hh. Kritische Würdigung Die „Oidoxie Streetfighting Crew“ war ein gemeinsames Projekt von Neonazis aus dem Ruhrgebiet und anderen Teilen Nordrhein-Westfalens mit einer Gruppe von militanten Neonazis aus Kassel. Die Crew wurde viele Jahre durch ein Mitglied aus Kassel angeführt. Die Mitglieder der Crew, die oftmals auch diversen Kameradschaften angehörten, einte nicht nur ihr Bezug zur Band „Oidoxie“, sondern auch die Sympathie für „Combat 18“. Zugleich entstand mit der Crew ein Gravitationszentrum für neonazistische Rockmusik im Ruhrgebiet: Im Umfeld der Crew gründeten sich mehrere Bands und es wurden Konzerte organisiert. Dabei konnten sich die Crew-Mitglieder bei ihren in Belgien organisierten Konzerten des Labels „Blood & Honour“ bedienen. De facto wurde das „Blood & Honour“-Verbot durch die Dortmunder Neonazis unterlaufen. e. Blood & Honour aa. Gründung von „Blood & Honour“ Gegründet wurde das internationale Netzwerk „Blood & Honour“ Mitte der 1980er-Jahre in England. Es entwickelte sich zu einer der wichtigsten Organisationen des militanten Neonazismus. Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem für den Ausschuss erstellten Gutachten ausgeführt: 671 672 673 674 675 676 156 Fragenkatalog, A13720 S. 87. Schreiben der KPI Nordhausen vom 8. November 2012, A82335 S. 125 (VS-nfD). Artikel „Deftiger Sündenkatalog“ vom 1. Juli 2010 auf www.bnr.de, A95612. Artikel „Hattten Dortmunder Neonazis Kontakt zur rechten Terror-Gruppe NSU“ vom 29. November 2011 auf www.antifaunion.blogsport.de, A95613. Artikel „Viel Feind Viel Ehr für „,Oidoxie´“ in Lotta. Antifaschistische Zeitung aus NRW vom 3. Juli 2010, A95614. Artikel „DO – Tiefbraun – und für verbotene Symbole eine Pflaster“ in Lotta. Antifaschistische Zeitung aus NRW vom 3. September 2011, A95615. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Der Engländer Ian Stuart Donaldson, Sänger der Band Skrewdriver – einer der ersten und wichtigsten Rechtsrock-Bands –, gründete 1987 zusammen mit weiteren Aktivisten der englischen Musikszene die Organisation B&H. Ziel der Gründung war es, eine Organisation aus der neonazistischen Musikszene heraus zu entwickeln, die unabhängig von Parteien durch Musik die Ideen des Nationalsozialismus verbreiten sollte. Zu diesem Zweck sollten Konzerte organisiert, Tonträger produziert und vertrieben und mittels eines Magazins die Ideen und Informationen der Organisation verbreitet werden. Schnell entwickelte sich B&H zu einer internationalen Organisation mit sogenannten ‚Divisionen’ auf mehreren Kontinenten, vor allem im Europa, jedoch auch in Süd- und Nordamerika, Australien und Asien. Innerhalb der Rechtsrockszene fungierte B&H schnell als Label für einen offenen militanten Neonazismus mit elitärem Anspruch: Wer zu B&H gehörte, der hatte den Ruf, zu den Überzeugten und Wichtigen zu gehören.“677 Die Sachverständige Andrea Röpke hat die Intention von „Blood & Honour“ wie folgt beschrieben: „Damals wurde die Parole ausgegeben: Wir machen unser eigenes Netzwerk, aber das Geld kommt wieder der politischen Arbeit zugute. Schon Ian Stuart Donaldson hat gesagt – und das war viel wichtiger –: Wir können den propagierten Rassekrieg, wir können unseren Hass gegen Minderheiten, wir können unseren Hass auf diese Gesellschaft, auf die etablierte Politik, wie sie das nennen, tatsächlich über Musikinhalte viel besser transferieren, als wenn wir Vorträge halten. So kommen wir an die Jugendlichen ran. – Das war die Intention von ‚Blood & Honour‘.“678 Zur Bedeutung der neonazistischen Musik hat der Sachverständige Jan Raabe in seinem Gutachten ausgeführt: „Seit Mitte der 1980er und verstärkt seit Anfang der 1990er-Jahre verändert Musik mit extrem rechten Inhalten und die aus dieser Musik erwachsene Szene das Bild der extremen Rechten. Die Musik ist emotionaler Anknüpfungspunkt, die Texte politisieren, und die Szene bietet Gemeinschaft in Bezug auf soziale und politische Aspekte. Darüber hinaus ist damit die Möglichkeit verbunden, Geld zu verdienen; dieses finanziert sowohl politische Zwecke als auch den Lebensunterhalt mancher Aktivisten und Aktivistinnen. Die Organisation und das Netzwerk ‚Blood & Honour‘ (B&H) – beides existierte nebeneinander – professionalisierten und organisierten diese Szene in Deutschland spätestens seit Mitte der 1990er-Jahre. Ein verbindliches Personen-Netzwerk mit weitreichenden internationalen Kontakten organisierte nicht nur Konzerte und CD-Produktionen, sondern wollte die Szene auch im Sinne des Nationalsozialismus politisieren.“679 bb. Die deutsche Division von Blood & Honour Eine straffe Organisierung von „Blood & Honour“ in Deutschland erfolgte mit der Gründung der deutschen Division 1994. Sie verfügte über ein eigenes Clubhaus und brachte ein eigenes Magazin heraus, das eine Auflage von 3.000 Exemplaren erreichte. Nach Schätzung des Sachverständigen Jan Raabe verfügte die deutsche Division zum Zeitpunkt ihres Verbots über ungefähr 200 Mitglieder, zuvor gehörten ihr schätzungsweise zwischen 300 und 677 678 679 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 3. Röpke, APr 16/872 S. 16. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 2. 157 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 500 Personen an.680 Die Sicherheitsbehörden rechneten „Blood & Honour“ 200 Personen, der 1997 gegründeten Jugendorganisation „White Youth“ rund 100 Personen zu.681 Die deutsche Division propagierte in Anlehnung an das Parteiprogramm der NSDAP ein „25Punkte Programm“, das für alle Mitglieder bindend war. Das Mindestalter für Mitglieder betrug 21 Jahre. Es musste eine sechsmonatige Probezeit absolviert werden.682 Die „Blood & Honour Division Deutschland“ war nach Einschätzung der Sachverständigen Andrea Röpke sehr hierarchisch organisiert.683 Weiter hat sie ausgesagt: „Wie bei den Rockergangs gab es eine sechsmonatige Anwärterschaft. Es wurde nicht jeder genommen. Man musste sich behaupten.“ 684 In ihrem „25-Punkte Programm“ hielt „Blood & Honour“ zudem fest: „Blood & Honour Deutschland ist keine Partei oder Organisation im Sinne einer Partei. Demokratie hat keine Substanz innerhalb der Divisionsstruktur. Meinungen und Vorschläge sind einzig über die nächst höhere Instanz zu entrichten.“685 Die deutsche Division gliederte sich in die Bereiche Süddeutschland, Mitteldeutschland und Norddeutschland. Bis zu dem Verbot existierten regionale Sektionen in Bayern, Brandenburg, Süd-Brandenburg, Thüringen, Saar, Baden, Westfalen, Franken, Süd-Hessen, NordHessen, Weser-Ems, Nordmark und Sachsen. Die „Blood & Honour“-Sektionen wurden angehalten, gewinnorientierte Konzerte zu organisieren und dabei mit anderen Sektionen zu kooperieren.686 cc. Aktivitäten „Blood & Honour“ war mehr als ein Netzwerk zur Organisation von neonazistischen Konzerten. Der Sachverständige Tobias Belzer hat die Bedeutung von „Blood & Honour“ für die Verbreitung rechtsterroristischer Konzepte und Strategien in der Neonazi-Szene hervorgehoben. Aus dem „Blood & Honour“-Netzwerk wurden Schriften wie „The way forward“ oder „Blood & Honour Field Manual“ herausgegeben, welche die rechtsterroristische Strategie des „führenlosen Widerstands“ propagierten.687 In diesem Zusammenhang hat die Sachverständige Andrea Röpke betont, dass zum Zeitpunkt des Verbots im Jahr 2000 „Blood & Honour“ bereits „den Weg des Musiknetzwerkes mit internationalen Verbindungen verlassen“ habe: „Ich weiß von vielen Aussteigern, die das immer wieder gesagt haben, dass ganz klar war: Wenn du Waffen haben willst, geh‘ zu ‚Blood & Honour‘. Die haben Waffen. – Es war immer bekannt, dass diese Gruppierung für Militanz und Waffen, für Abrechnungen zuständig war. Sehr wichtig ist auch: Der propagierte Rassenkampf und die Pamphlete, die auch bei Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe 1998 beschlagnahmt wurden, die alle in der Asservatenkammer des LKA Thüringen gelandet sind, zeigten, wie sehr gerade ‚Blood & Honour‘, wie sehr die Musik gerade die Männer dieses Trios interessiert hat, wie sie selbst in den Handel involviert waren.“688 680 681 682 683 684 685 686 687 688 158 Raabe, APr 16/1154 S. 6. Verbotsverfügung des BMI vom 12. Septmeber 2000, A10033 S. 35 ff. 25 Punkte Programm, Division Deutschland, Blood & Honour, A10353 S. 116. Röpke, APr 16/872 S. 16 f. Röpke, APr 16/872 S. 16 f. 25 Punkte Programm, Division Deutschland, Blood & Honour, A10353 S. 116. 25 Punkte Programm, Division Deutschland, Blood & Honour, A10353 S. 117. Belzer, APr 16/872 S. 9 f. Röpke, APr 16/872 S. 16 f.. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Polizei stellte in der Garage des untergetauchten Trios aus Jena die 2. Ausgabe des Magazins der „Blood & Honour Division Deutschland“ aus dem Jahr 1996 sicher.689 In dem Heft war ein Artikel abgedruckt, der dazu aufrief, sich auf den „Rassenkrieg“ vorzubereiten und „geheime Strukturen“ aufzubauen. Der „leaderless resistance“ sei die Devise.690 Der Rechtsextremismusexperte Michael Weiss verwies darauf, dass „Blood & Honour“ nicht als homogene Gemeinschaft betrachtet werden konnte: „Auch wenn sich B&H in Deutschland als eine verschworene Gemeinschaft präsentierte, so gab es von Anfang an verschiedene Flügel, die unterschiedliche Ziele verfolgten. Die einen interpretierten B&H in erster Linie als ein Unternehmen, das das Millionengeschäft mit dem Rechtsrock organisieren sollte. Die Verfassungsschutzbehörden, die über ihre V-Leute doch so tiefe Einblicke hatten, stellten stets heraus, dass B&H vor allem eine »Musikorganisation« bzw. ein »Musiknetzwerk« sei. Sie spielten damit herunter, dass Zehntausende — darunter Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt — mit den Parolen vom neonazistischen Mord und Totschlag sozialisiert und radikalisiert wurden, die B&H über Zeitschriften, Booklets und Liedtexte verbreitete. Sie ignorierten, dass B&H denen, die den Kampf gegen System und Volksfeinde als »Untergrundgruppen« aufnehmen wollten, Terrorkonzepte lieferte und diese mit den Aufrufen koppelte, zur Tat zu schreiten — und dass B&H Personen zusammenführte, die schließlich auch zur Tat schritten.“691 Auch Jan Raabe hat in seinem Gutachten zwei Ausrichtungen innerhalb von „Blood & Honour“ benannt, die sich auch in NRW festmachen ließen: „Der ‚traditionelle’ Teil des sehr heterogenen, mitunter sogar verfeindeten B&H-Netzwerks orientierte sich mehr auf die Musik, andere propagierten einen ‚Rassenkrieg‘, welcher von kleinen, im Geheimen organisierten Zellen umgesetzt werden sollte. Dieser ‚Flügel‘ von B&H organisierte sich unter dem Banner von Combat 18 (C 18). Sowohl der ‚traditionelle’ B&H-Flügel als auch C18 waren (und sind) international gut vernetzt; vor allem C18- Aktivisten und Aktivistinnen waren dabei immer wieder in Angriffe und Anschläge involviert. In Nordrhein-Westfalen bestanden bis in das Jahr 2000, als B&H in Deutschland verboten wurde, Strukturen beider Flügel, wobei in Ostwestfalen der ‚traditionelle’ B&H-Flügel agierte, während im Raum Dortmund C18 aktiv war.“692 dd. Blood & Honour-Strukturen in NRW (1) „Sektion Westfalen“ von „Blood & Honour“ Als offizielle Ableger von „Blood & Honour“ in NRW existierte bis zu dem Verbot im Jahr 2000 die „Sektion Westfalen“. Im Zwischenbericht des Verfassungsschutzes NRW aus dem Jahr 2000 wurde darauf verwiesen, dass „Blood & Honour“ in mehrere Sektionen aufgeteilt sei und dass sich in Ostwestfalen eine Sektion mit einigen wenigen Personen gebildet habe.693 Die „Sektion Westfalen“ verfügte ausweislich einer Liste des BKA vom September 689 690 691 692 693 Asservatenliste zur Durchsuchung der Garage in Jena, A12497 S. 71. Michael Weiss: Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, in: Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Edition DISS Bd. 37, Münster 2015, A95356 S. 20. Michael Weiss: Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, in: Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Edition DISS Bd. 37, Münster 2015, A95356 S. 14. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 2. Auszug aus dem Zwischenberichts des Verfassungsschutz 2000, A13711 S. 149 f. 159 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2000 über fünf Mitglieder.694 Als Sektionsleiter fungierte D. F. Über D. F. hielt der der Polizeiliche Staatsschutz des PP Bielefeld im Jahr 2001 fest: „Er ist hier seit Jahren als Aktivist der rechtsextremistischen Szene bekannt. Er war bis August 2000 (Verbot der Vereinigung B & H) Leiter der Sektion Westfalen/Südliches Niedersachen in der BLOOD & HONOUR-Bewegung. In den Kellerräumen seiner Wohnung wurden bei der Durchsuchung umfangreiche Nazi-Devotionalien entdeckt, deren Besitz jedoch als Einzelstücke nicht strafbar waren. Ein Kellerraum war als ‘Schulungsraum‘ für den rechtsextremistischen Nachwuchs hergerichtet. Nach seinen Angaben und anhand der aufgefundenen Unterlagen muß davon ausgegangen werden, dass dort - meist am Wochenende - Schulungen in deutscher Geschichte im Sinne der Rechtsextremisten stattfanden.“ 695 Dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Bielefeld waren Verurteilungen des D. F. wegen gefährlicher Körperverletzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung bekannt. D. F. und B. S. wurden zu den „führenden Rechtsextremisten in Ostwestfalen“ gezählt.696 In einem Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 11. September 2000 wurde anlässlich des geplanten Verbotes der deutschen „Blood & Honour Divison“ hinsichtlich der Strukturen in NRW vermerkt: „Die beiden wichtigsten Führungsfiguren der dort erwähnten Sektion Westfalen von ‘Blood and Honour‘ sind zugleich Aktivisten einer Neonazigruppierung im Bereich Minden-Lübbecke. Bei der bedeutsameren der beiden Führungsfiguren sind im Zuge des zu erwartenden Verbotes Durchsuchungsmaßnahmen geplant. Hierbei handelt es sich um [D. F.]. Die genannte Neonazigruppierung im Raum Minden-Lübbecke hat engste Verbindungen zur Neonazigruppierung um [B. S.] in Bielefeld. Diese beiden Neonazigruppierungen, die teilweise und häufig auch zusammen auftreten, sind eine der aktivsten und nach der ‚Sauerländer Aktionsfront‘ auch die anhängerstärkste ‚klassische‘ Neonazigruppierungen in NRW. Sie verfügen auch über gute überregionale Verbindungen zu anderen Neonazigruppierungen in Nordrhein-Westfalen und in anderen Ländern. Sie besuchen zudem häufig von der NPD angemeldete Demonstrationen in NRW und in anderen Ländern. Auch bei überregionalen Neonazitreffen sind sie häufig vertreten.“697 (2) Kontakte der „Sektion Westfalen“ nach Thüringen Dass die „Sektion Westfalen“ bestens innerhalb der neonazistischen Szene vernetzt war, zeigt unter anderem die konspirative Mobilisierung zu den „Hess Aktionen“ im Jahr 1997. Schon im Jahr 1996 war der spätere Führer der „Sektion Westfalen“ D. F. in die konspirativen Vorbereitungen des „Rudolf Hess Marsches“ eingebunden. So nahm D. F. laut einem Schreiben des PP Dortmund vom 6. August 1996 an einem Vorbereitungstreffen am 3. August 1996 in Artfeld / Bad Berleburg teil. Am 16. / 17. August 1997 fanden anlässlich des Todestages des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess bundesweit Aktionen der extremen Rechten statt. Geplant war ein konspirativ organisierter Aufmarsch, für den Neonazis in den Raum Kassel mobilisiert wurden.698 Aufgrund behördlicher Verbote konnte dieser nicht stattfinden.699 694 695 696 697 698 699 160 Tabellarische Übersicht des BKA aus Septmeber 2000, A54688. Vermerk des PP Bielefeld vom 9. Februar 2001, A10353 S. 165. (Fehler im Original) Vermerk des PP Bielefeld vom 9. Februar 2001, A10353 S. 165. Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 11.September 2000, A13711 S. 173 ff. Artikel „Rudolf Heß „Gedenkmarsch” muss ausfallen“ veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95360. Artikel „Rudolf Heß „Gedenkmarsch” muss ausfallen“ veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95360. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In einem Vermerk des LfV Hessen bezüglich dieses Wochenendes werden 83 Personen aufgeführt, die am 16. August 1997 an verschiedenen Orten in Hessen verhaftet bzw. in Gewahrsam genommen wurden. Neben den Mitgliedern der „Blood & Honour Sektion Westfalen“ D. F. und K. S. wurden acht Personen aus NRW, drei Personen aus Thüringen und eine Person aus Bayern von der Polizei Eschwege (Regierungsbezirk Kassel) verhaftet. Zeitgleich wurde eine Gruppe Neonazis vornehmlich aus Thüringen und Niedersachsen von der Polizei Bad Hersfeld (Regierungsbezirk Kassel) verhaftet. Unter ihnen befanden sich auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.700 Am 13. November 1999 wurde der Pkw von D. F. im Zusammenhang mit einem Konzert in Schorba / Thüringen von der Polizei registriert.701 Der Rechtsextremismusexperte Michael Weiss bewertete das Konzert in Schorba als eines „der Konzerthöhepunkte des Jahres 1999 für die deutsche Neonaziszene“. Vor 1.200 Besuchern traten vier Bands aus den USA und aus Deutschland in der Kleinstadt bei Jena auf. 702 Weiter schreibt Michael Weiss über den Abend: „[M. D.] aus Gera, genannt ‚Riese‘, Chef der B&H-Sektion Thüringen, fand an diesem Abend – das ergab die Beweisaufnahme im Münchner NSU-Prozess – Zeit für ein Gespräch mit dem Chemnitzer Thomas Starke, der mit der beinahe kompletten Gruppe von B&H Chemnitz angereist war. [D.] bot Starke an, die ‚drei‘ mit Geld zu unterstützen, doch Starke lehnte dankend ab. Die drei, so bedeutete er [D.], seien versorgt, sie würden jobben. ‚Die drei‘, das meinte Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, die seit Januar 1998 untergetaucht waren, und die ‚Jobs‘, mit der sie ihren Lebensunterhalt bestritten, waren bis dato Überfälle auf zwei Postfillialen und einen Edeka-Markt gewesen. [D.] und Starke waren Freunde, trafen sich zu dieser Zeit circa alle zwei Wochen. In B&H-Kreisen in Sachsen und Thüringen wusste man, an wen man sich zu wenden hatte, wenn es um ‚die drei‘ ging.“703 Am 23. Juni 2000 fand nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW eine Veranstaltung von „Blood & Honour Thüringen“ mit 60 Teilnehmenden statt. Unter ihnen waren auch Mitglieder der „Sektion Westfalen“ um D. F. Die Polizei löste die Veranstaltung wegen eines Verbotes, in Thüringen „Blood & Honour“-Kleidungsstücke zu tragen, auf.704 ee. Verbot von „Bood & Honour“ und Nachfolgeaktivitäten (1) Verbot der „Blood & Honour Division Deutschland“ Am 12. September 2000 hat das BMI die deutsche Division von „Blood & Honour“ sowie deren Jugendorganisation „White Youth“ gemäß § 3 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) verboten. Im Rahmen des Verbotsverfahrens durchsuchten die Behörden bundesweit die Wohnungen von 37 führenden „Blood & Honour“-Mitgliedern. In NRW wurde die Wohnung des Sektionsführers Westfalen, D. F., der auch das Postfach der „Sektion Westfalen“ betreute, vom PP Bielefeld durchsucht. Dabei wurden unter anderem mehrere Unterlagen, Magazine, Kleidungsstücke mit „Blood & Honour“-Bezug sowie ein Banner mit der Aufschrift „Blood and Honour Westfalen“ beschlagnahmt.705 700 701 702 703 704 705 Schreiben des LfV Hessen vom 26. August 1997, A12209 S. 14 ff. Schreiben der KPI Jena vom 16. November 1999, A13708, S. 46. Michael Weiss, „Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 Teil 1“, veröffentlicht auf www.nsu-watch.info, A95361. Michael Weiss, Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 Teil 1, veröffentlicht auf www.nsu-watch.info, A95361. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 14. Juli 2000, A13708 S. 223 ff. Schreiben des PP Bielefeld vom 14. September 2000, A10033 S. 159. 161 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (2) Aktivitäten der „Sektion Westfalen“ nach dem Verbot Ehemalige Mitglieder der „Blood & Honour Sektion Westfalen“ haben ihre Aktivitäten insbesondere in der „Kameradschaft Minden" weitergeführt. Eine Zusammenstellung zu „rechtsextremistischen Kameradschaften" des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Bielefeld vom 20. Februar 2001 vermerkte, dass Mitglieder der seit ca. fünf Jahren bestehenden Kameradschaft teilweise Angehörige von „Blood & Honour Westfalen“ gewesen seien. Unter den 19 Mitgliedern befanden sich fünf ehemalige Angehörige der „Blood & Honour Sektion Westfalen“, darunter D. F. und K. S. Zudem wurden D. F. und der ebenfalls als ehemaliges „Blood & Honor“-Mitglied bezeichnete S. H. als Kameradschaftsführer benannt.706 Dass die Strukturen von „Blood & Honour“ mit dem Verbot nicht vollständig zerschlagen wurden, zeigt exemplarisch ein Rechtsrockkonzert am 31. März 2001 im westfälischen Vlotho. Neben der nordrhein-westfälischen Band „Sleipnir“ spielte die schottische „Blood & Honour“-Band „Nemesis“. Das PP Bielefeld prüfte einen möglichen Bezug zu „Blood & Honour“ und kam zu dem Ergebnis: „Hinweise, dass es sich um ein Blood und Honour-Konzert gehandelt hat, konnten nicht erlangt werden.“707 Auch in einer WE-Meldung über dieses Konzert wurde vermerkt, dass Aufklärungskräfte des Polizeilichen Staatsschutzes innerhalb der Konzerträumlichkeiten keine Hinweise auf „Blood & Honour“ feststellen konnten.708 In den Unterlagen des Verfassungsschutzes NRW findet sich hingegen ein längerer Bericht über das erwähnte Konzert, in dem die „Freie Kameradschaft Minden“ als Veranstalter des Konzertes bzw. K. S. als Organisationsleiter ausgewiesen werden. Danach wies K. S. einen Ordnerdienst ein, der aus 9 Personen bestand. Unter diesen befanden sich zwei Personen, deren Namen an anderer Stelle mit der Anmerkung „Raum Münster, ehemals B & H“ versehen worden waren, sowie drei Personen der ehemaligen „Blood & Honour Sektion Westfalen“.709 Dass die schottische Band „Nemesis“ im ostwestfälischen Vlotho aufgetreten ist, lässt sich mit den guten Verbindungen der „Sektion Westfalen“ zur schottischen „Blood & Honour Division“ erklären.710 Der ehemalige Sektionsführer Westfalen D. F. war auch nach dem Verbot von „Blood & Honour“ innerhalb der neonazistischen Szene aktiv und besuchte verschiedene RechtsrockKonzerte.711 Mitglieder der „Sektion Westfalen“ waren vor und nach dem Verbot von „Blood & Honour“ auch international auf Veranstaltungen anzutreffen. Am 17. Februar 2001 fand in Tschechien ein Rechtsrock-Konzert mit rund 700 Besuchern statt. Organisiert wurde das Konzert von einem tschechischen „Blood & Honour“-Aktivisten. Es spielten unter anderem die britische Band „Razors Edge“ und die slowakische Band „Juden Mord“. Unter den rund 400 deutschen Teilnehmern befanden sich, ausweislich eines Faxes der Deutschen Botschaft vom 28. Februar 2001, unter anderem auch K. S. sowie die aus NRW stammenden B. S. und T. L. Auch der ehemalige sächsische „Blood & Honour“-Aktivist Jan Werner sowie der Zwickauer R. M. hatten die Reise nach Tschechien angetreten.712 706 707 708 709 710 711 712 162 Schreiben des PP Bielefeld vom 20. Februar 2001, A10349 S. 15 ff. Schreiben des PP Bielefeld vom 18. April 2001, A15060 S. 60. WE Meldung des LR Herford vom 1. April 2001, A15060 S. 62. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 4. April 2001, A15060 S. 49 ff. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Juni 2000, A13708 S. 183 f. (VS-nfD). Vorgangskurzauskunft des PP Bielefeld vom 25. November 2011, A13211 S. 163. Telefax der BKA-Verbindungsbeamtin bei der Deutschen Botschaft in Prag/Tschechien vom 28. Februar 2001, A54716 S. 79 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (3) Nachfolgebestrebungen Nach dem Verbot von „Blood & Honour“ gab es verschiedene Flügel und Fraktionen, die für sich beansprucht haben, das Label weiterzuführen. Bereits kurz vor dem Verbot führten Streitigkeiten innerhalb von „Blood & Honour“ unter anderem zur Abspaltung der gesamten sächsischen Sektion aus der „Division Deutschland“. Sächsische „Blood & Honour“-Mitglieder bildeten das Unterstützernetzwerk des untergetauchten NSU-Trios in Chemnitz. In einem Artikel über „Nachfolgestrukturen“ der verbotenen Organisation heißt es: „Bis ins Jahr 1999 stellte Blood & Honour in Deutschland einen festen, klar strukturierten und elitären Zusammenhang, der es ermöglichte, die ‚besten‘ (und gewinnträchtigsten) Konzerte auf die Beine zu stellen und einen erheblichen Teil des Marktes insbesondere mit illegalen CDs zu kontrollieren. Doch schon ein Jahr vor dem Verbot setzten, wie man heute rekonstruieren kann, Auflösungserscheinungen ein: Konkurrenz und persönliche Antipathien prägten das Innenleben der Truppe, die sich nach außen hin weiter als verschworene Gemeinschaft präsentierte und unbeirrt an ihrem Mythos strickte.“713 Direkt nach den Verbotsmaßnahmen diskutierten ehemalige Angehörige von „Blood & Honour“ wie die Aktivitäten fortgesetzt werden könnten. Im Zeitraum vom 14. September 2000 bis 01. November 2002 fanden nach Erkenntnissen des BKA zwei Führungstreffen der verbotenen „Blood & Honour Division Deutschland“ statt. Ein erstes Treffen fand am 10. Februar 2001 in Höpfingen / Baden-württemberg, ein zweites Strategietreffen am 16. Juni 2001 in einer Gaststätte in Magdeburg statt.714 Die Polizei löste das erste Treffen in einer Grillhütte in Höpfingen auf und konnte die Personalien von 26 Personen feststellen. Unter den Teilnehmenden waren bekannte Personen des „Blood & Honour“-Netzwerkes aus Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, dem Saarland und Hessen. Auch zwei Personen aus Düsseldorf nahmen an dem Treffen teil.715 (4) „Division 28“ Eine der Strukturen, die nach dem Verbot für sich beanspruchte, die „wahren“ Vertreter von „Blood & Honour“ in Deutschland zu sein, organisierte sich unter dem Label „Division 28“. Der Rechtsextremismusexperte Michael Weiss bewertete Situation nach dem Verbot von „Blood & Honour“ wie folgt: „Für viele VerfechterInnen von ‚Kampfgemeinschaft‘ und ‚Untergrund‘ hatte das Verbot praktisch keine Auswirkung. Viele waren der Streitereien und der nicht erfüllten Anspruch überdrüssig geworden und hatten sich bereits aus der Organisation zurückgezogen oder sich eben - da das Verbot von B&H seit Längerem im Raum stand - aus Gründen der Sicherheit rechtzeitig abgesetzt. Viele Freundeskreise, Geschäftsverbindungen und Kampfgemeinschaften, die unter dem Dach von B&H entstanden waren, blieben nach dem Verbot bestehen. Manche machten namenlos weiter, andere versuchten, neue Labels zu installieren und mehr oder weniger dreist Nachfolgeorganisationen zu gründen. So entstanden Brotherhood 28, Pirates 28 oder die Division 28. Das erklärte Anliegen der knapp 50 Personen, die sich im November 2003 in einer Berghütte im österreichischen Vorarlberg trafen, war es B&H weiterzuführen. Division 28 war lediglich der Name, mit dem man in der Neonaziszene auftrat. Die 28 steht für die Buchstaben BH. 713 714 715 Artikel „Der Streit um das Erbe - Die Nachfolgestrukturen von Blood & Honour", veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95363. Schreiben des BKA vom 16. Dezember 2002, A53317 S. 34 (VS-nfD). Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 11. Februar 2001, A54580 S. 483 ff. 163 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Schon ab 2003 brachen in den einzelnen Sektionen bzw. zwischen den Sektionen der Division 28 die alten Streits aus: Business oder Untergrund? ‘Real-B&H‘ vs. Combat 18. Die Exponenten des Combat 18-Flügels waren Mitglieder aus Nürnberg und Thüringen, unter ihnen Ronny L. aus Weimar. L. war ein B&H-Aktivist der ersten Stunde (1995) und ein alter Bekannter des untergetauchten Trios. 1996 hatte die Polizei Fotos eines Treffens von 16 Neonazis gefunden, die in der Nähe von Jena eine Kreuzverbrennung im Stile des Ku-Klux-Klan inszeniert hatten. Daran beteiligt waren Ronny L., Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Spätestens 2006 hatte sich die Division 28 zerstritten und gespalten, ihre Reste wurden von der Polizei zerschlagen. Das BKA, das die Ermittlungen gegen die Division 28 wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen Vereinigung führte, tat sich zunächst schwer. Es wusste von einigen Beschuldigten nicht, ob diese zuvor B&H angehört hatten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ließ diesbezügliche Anfragen des BKA unbeantwortet.“716 In einem Artikel über Nachfolgestrukturen von „Blood & Honour“ wurde die „Division 28“ wie folgt eingeordnet: „Die ‚Politik‘ der Division 28 orientierte sich streng am Gebaren der Rockerszene: Zunächst wurde zielgerichtet der Mythos von B&H aufgegriffen, ausgesuchten Personen und Neonazi-Gruppen wurde der Anschluss an die Division 28 ‚angeboten‘ und das Gefühl vermittelt, von nun an in der ersten Liga mitspielen zu können. Darüber wurde beständig das Einflussgebiet erweitert, in dem die Division 28 immer ungenierter Führungsansprüche erhob.“717 Bebildert wurde der Artikel mit einem Foto, welches eine Person mit einer Jacke mit dem Aufdruck „Division 28 NRW“ zeigt, was auf organisatorische Bezüge dieser Strukturen nach NRW schließen lässt. Im Zuge der internen und gewalttätigen Auseinandersetzungen um die Weiterführung von „Blood & Honour“, meldeten sich 2006 verschiedene ehemalige Funktionäre in einem kurzen Statement zu Wort. Der Aufruf, der sich gegen die „Division 28“ richtete, wurde unter anderem in der Wochenrundpost „Der Weiße Wolf“ 3 / 2006 veröffentlicht: „H steht für Ehre! Wir die Unterzeichneten dieses Aufrufs sind seit Jahren im nationalen Widerstand und in verschiedensten politischen Gruppen, Vereinen, Kameradschaften oder Parteien aktiv, uns vereint die Liebe zu unserem Land und der stolz zu unserer Abstammung. Wir Unterzeichner, die wir bis zum Verbot im Oktober 2000 die Blood and Honour Bewegung mit Leben erfüllten sind entsetzt mit welchen kriminellen Mitteln in diesem Namen heute vorgegangen wird. Der brutale Raubüberfall auf ein Konzert am 5.11.05 in der Nähe von Heppenheim ist nur die Spitze des Eisbergs. Schlägereien, Schutzgelderpressungen und vieles mehr sind in Süddeutschland an der Tagesordnung. Dies ist nicht Blood and Honour dies hat nichts mit dem europäischen Gedanken Ian Stuarts zu tun. Denn das H steht für die Ehre! Wir fordern die gutwilligen und ehrbaren Kameraden auf sich von diesem Schmutz zu befreien und die Ehre wieder 716 717 164 Michael Weiss, Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, in: Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Münster 2015, A95356 S. 18 f. Artikel „Der Streit um das Erbe - Die Nachfolgestrukturen von Blood & Honour“, veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95363. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 herzustellen! Es muß klar sein, daß in unserer Bewegung keine mafiösen Unterdrückungsmethoden geben darf und dies nicht geduldet werden kann!“718 Unter den Unterzeichnern des Aufrufes befand sich neben D. R. und Ch. H. auch der ehemalige „Sektionsleiter Westfalen“, D. F. Bundesweit sind nach dem Verbot von „Blood & Honour“ im Jahr 2000 bis 2001 in Deutschland 21 dezentrale Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot geführt worden.719 Eine der größten Exekutivmaßnahmen wegen des Verdachts der Fortführung von „Blood & Honour“ in Deutschland erfolgte unter der Koordination des BKA. Am 7. März 2006 wurden in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen 122 Objekte durchsucht. Von den polizeilichen Maßnahmen waren 83 Beschuldigte und 29 weitere Personen betroffen.720 Laut Ergebnisprotokoll des BKA waren „Blood & Honour“-Strukturen zum Zeitpunkt der Exekutivmaßnahmen im März 2006 existent bzw. aktiv. Das BKA führte dies auf folgende Merkmale zurück: „Bekennerhaftes Auftreten I Kommunikation Führen gemeinsamer Kassen I Hinweise auf Mitgliedsbeiträge Hierarchischer Aufbau, Abhängigkeiten, Gebietshoheiten, Entscheidungskompetenzen Sektionsübergreifende Kooperationen und Unterstützungshandlungen Konspiratives Verhalten Offenkundiges Auftreten im Ausland als „B&H-Deutschland“.“721 „Blood & Honour“-typische Aktivitäten sah das BKA in den Bereichen Konzerte, Vertriebstätigkeiten (Tonträger, Textilien, Merchandising), Publikationen und Verbreitung von Ideologie der „Blood & Honour“-Bewegung. Darüber hinaus erstellte das BKA eine Liste mit Bands, deren Auftritte als Kriterien für die Erkennung und Bewertung von „Blood & Honour“-Veranstaltungen benannt wurden. Zu diesen Bands zählten auch die aus NRW stammenden Bands „Oidoxie“ und „Sleipnir“.722 Die „Division 28“ war insbesondere in dem Ermittlungsverfahren der StA Karlsruhe gegen H. K. und neun weitere Personen von Relevanz.723 Das BKA bescheinigte H. K. im November 2005 „eine herausragende Stellung innerhalb seiner Sektion“ und „überregionale Bedeutung“.724 Er verfüge laut BKA zudem über eine Vielzahl von Kontakten im Inland und Ausland, die ihn in seinen Aktivitäten für die „Blood & Honour“-Bewegung unterstützen.725 Nach Einschätzung des BKA war die zweite zentrale Figur der „Division 28“ der aus RheinlandPfalz stammende M. Z. Es bestünde der Verdacht, dass es sich bei M. Z. um eine überregionale Führungsperson handele. M. Z. solle ein Stimmrecht zur Aufnahme von Mitgliedern in die Vereinigung besessen haben.726 718 719 720 721 722 723 724 725 726 Aufruf von „Blood & Honour“ verfasst am 6. November 2005, A12241 S.98 f. (VS-nfD). Antwortsentwurf des BMI vom 21. Januar 2011 zur Kleinen Anfrage BT-Drs. 17/4397, A54356 S. 510 (VS-nfD). Ergebnisprotokoll des BKA vom 27. November 2000 zur Arbeitstagung am 9. und 10. Oktober 2006, A13713 S. 5 f. (VS-nfD). Ergebnisprotokoll des BKA vom 27. November 2000 zur Arbeitstagung am 9. und 10. Oktober 2006, A13713 S. 10 (VS-nfD). Ergebnisprotokoll des BKA vom 27. November 2000 zur Arbeitstagung am 9. und 10. Oktober 2006, A13713 S. 5 ff. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 8. Dezember 2005, A85364 S. 2 f. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 8. Dezember 2005, A85364 S. 8 f. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 8. Dezember 2005, A85364 S. 8 f. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 8. Dezember 2005, A85364 S. 26 f. (VS-nfD). 165 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (5) Bezüge der „Division 28“ nach NRW In einer Übersicht des BKA über die bundesweiten Maßnahmen im Rahmen der Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Fortführung von „Blood & Honour“ finden sich für NRW drei Personenvermerke. Neben Marko Gottschalk wurde als zweiter Verdächtiger aus NRW T. L. aufgeführt. Bei diesem führte die Polizei Krefeld am 7. März 2006 eine Durchsuchung durch. Die Durchsuchung war durch das LKA Baden-Württemberg angeregt worden.727 In einer Auswertung des BKA zur Fortführung der verbotenen Vereinigung „Blood & Honour Division Deutschland“ aus dem Jahr 2005 wurde explizit der Kontakt von M. Z. zum „Oidoxie“Sänger Marko Gottschalk benannt, der laut BKA gute Verbindungen zur britischen Gruppe „Combat 18“ unterhalte.728 Marko Gottschalk geriet aufgrund seiner Verbindungen zu H. K. und der „Division 28“ auch in den Fokus der Ermittler des LKA Baden-Württemberg, die bei Marko Gottschalk eine Zugehörigkeit zu „Blood & Honour“ vermuteten. In einem Schreiben vom 13. Februar 2006 ersuchte das LKA Baden-Württemberg das LKA NRW um eine Wohnungsdurchsuchung bei Marko Gottschalk. In der Begründung verwiesen die baden-württembergischen Ermittlungsbehörden auf Erkenntnisse, wonach Marko Gottschalk in Kontakt mit M. Z. und H. K. stand und in die Organisation von Konzerten eingebunden war.729 Aus dem Vermerk ergibt sich zudem, dass Marko Gottschalk von H. K. und M. Z. als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland wahrgenommen wurde.730 Ein Ermittlungsverfahren gegen Marko Gottschalk wurde abgelehnt, da die Erkenntnisse zu alt seien.731 Aus den vorliegenden Akten ergibt sich nicht, wie und durch wen es zu dieser Bewertung gekommen ist. In dem vorliegenden Aktenbestand finden sich immer wieder Bezüge des aus Rees stammenden T. L. in das Netzwerk von „Blood & Honour“ bzw. die Nachfolgestrukturen um die „Division 28“. T. L. trat mehrmals als Veranstalter von Rechtsrockkonzerten in Erscheinung. So fand am 9. Oktober 1999 in Moers-Rheinkamp ein Konzert der Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ statt. Daran sollen ca. 180 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet teilgenommen haben. Laut einer Meldung des PP Duisburg waren T. L. und eine weitere Person die Veranstalter.732 Am 28. Dezember 2001 trat T. L. als Veranstalter eines Rechtsrockkonzertes in Borken / NRW auf. Laut einer Meldung des PP Dortmund vom 7. Januar 2002 haben ca. 150 Personen aus der rechten Szene daran teilgenommen. Bei dem Konzert soll es sich um die dritte Anmeldung von T. L. gehandelt haben.733 Laut eines Vermerks des Verfassungsschutzes NRW vom 19. Dezember 2002 plante T. L. für Dezember 2002 ein Konzert im Raum Oberhausen: „Herr (geschwärzt) erhielt soeben eine Bestätigung für den geplanten Termin 31.12.2002. Es soll ein Konzert im Raum Bochum stattfinden, das durch einen [M.] organisiert werden soll. Der Nachname ist der Quelle nicht bekannt, es könnte sich jedoch hierbei um [M. L.] handeln, der bereits am 01.06.2002 als Strohmann für [T. L.] das Konzert in Herne organisierte.“734 Dass M. L. und T. L. gemeinsam in die Organisation von Rechtsrockkonzerten eingebunden waren, war auch dem PP Dortmund bekannt. Im Bericht der „Projektgruppe Skinbands“ des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, findet sich ein Hinweis auf ein geplantes 727 728 729 730 731 732 733 734 166 Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 13. Februar 2006 A14089, S. 128; 195 ff. Vermerk des BKA vom 8. Dezember 2005, A85364 S. 27 f. (VS-nfD). Auswertebericht des LKA Baden-Württemberg vom 11. Februar 2006, A14089 S. 198. Auswertebericht des LKA Baden-Württemberg vom 11. Februar 2006, A14089 S. 198. Verfahrensübersicht des BKA vom 2. März 2006, A54288 S. 493 (VS-nfD). Schreiben des PP Duisburg vom 12. Oktober 1999, A12262 S. 143 f. Schreiben des PP Dortmund vom 7. Januar 2002, A10797 S. 18 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 19. Dezember 2002, A14090 S. 6 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Konzert von T. L., M. L. und Marko Gottschalk im Juni 2002 in Soest, für das bereits eine Wiese als Veranstaltungsort angemietet worden sei.735 Die engen Verbindungen von H. K. und T. L. führten dazu, dass Letzterer von dem Ermittlungsverfahren wegen der Fortführung von „Blood & Honour“ im Jahr 2006 betroffen war. In einem Schreiben des LKA Baden-Württemberg an das LKA NRW vom 13. Februar 2006 wurde um die Übersendung eines Antrags auf Erwirkung eines Durchsuchungsbeschlusses samt Auswertungsbericht gegen den in Rees wohnhaften T. L. gebeten. In einem Erkenntnisvermerk heißt es als Begründung der Durchsuchung: „[L.] unterhält sich mit [K.] über ein Konzert in Belgien und dass man sich unterhalten müsse ob man Oidoxie (rechtsextremistische und bereits strafrechtlich in Erscheinung getretene Skinheadband) spielen lassen wolle, denn die würden laut [Z.] (Beschuldigter im Verfahren der StA Koblenz) spielen. Die Band von [V.] (Beschuldigter im Verfahren der StA München 1) würde auch spielen. […] Offensichtlich habe beide, [K.] und [L.], Einfluss darauf, wer bei diesem Konzert spielen darf und wer nicht.“736 Dass T. L. auch in das internationale Netzwerk von „Blood & Honour“ eingebunden war, verdeutlicht eine Informationszusammenstellung des Verfassungsschutzes über den belgischen „Blood & Honour“- und „Combat 18“-Aktivisten Joeri „Juri“ van der Plas. In dieser Zusammenstellung wird T. L. als dessen Geschäftspartner benannt. T. L. soll bei der Durchführung von Konzerten in Belgien eine Vermittlungsrolle zwischen Joeri van der Plas und H. K. eingenommen haben.737 Folgt man dem vorliegenden Aktenbestand, so ist T. L. neben der Organisation von Konzerten auch in die Produktion von Rechtsrock-CD’s eingebunden gewesen. So ergibt sich aus Protokollen der Telefonüberwachung des H. K., dass dieser mit T. L. die CD „Mittendurch- … statt dran vorbei“ der sächsischen Rechtsrock-Band „Selbststeller“ produzierte.738 T. L. hatte für die Produktion darüber hinaus den aus Lünen stammenden Betreiber von „Revolution Records“ eingebunden.739 Eine Durchsuchung der Wohnung von T. L. wurde am 7. März 2006 durch das PP Krefeld vollzogen.740 Einen Tag nach den bundesweiten Durchsuchungen verschickte das BKA eine Abschlussmeldung und einen vorläufigen Sachstand. Für NRW wurde vermerkt: „Im Rahmen eines eigenständigen Verfahrens des PP Krefeld wurde die Wohnung eines Beschuldigten durchsucht, der im Verdacht steht, die verbotene Vereinigung zu unterstützen. Es wurden mehrere CDs, ein Handy und ein PC sichergestellt. Nach bisherigem Erkenntnisstand dürfte sich die Verdachtslage der Unterstützung der verbotenen Vereinigung nicht bestätigen.“741 In dem Auswertungsbericht des LKA Baden-Württemberg vom 15. März 2005 über die Ermittlungen zum Fortbestand von „Blood & Honour“ in Deutschland wurde als Kontaktperson 735 736 737 738 739 740 741 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A10383 S.63. Auswertebericht des LKA Baden-Württemberg vom 11. Februar 2006, A14089 S. 131. Vermerk des BfV vom 22. Oktober 2004, A13409 S. 33 (VS-V-herabgestuft). Ermittlungsbericht des LKA Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2008, A54439 S. 483 ff. (VSnfD). Ermittlungsbericht des LKA Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2008, A54439 S. 483 ff. (VSnfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. Januar 2006, A15069 S. 6 ff. (VS-nfD) Schreiben des BKA vom 22. März. 2006, A54289 S. 135 (VS-nfD). E-Mail des BKA vom 7. März 2006, A14089 S. 93 (VS-nfD). 167 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 von H. K. nach NRW darüber hinaus ein aus Düsseldorf stammender Frontmann der Band „Barking Dogs“ genannt.742 Im Adressbuch des NSU-Helfers Thomas Starke fand sich der Eintrag einer Telefonnummer „Barking Dogs. Ingo“.743 ff. „Blood & Honour“ in Dortmund In Dortmund existierte bis zum Verbot von „Blood & Honour“ keine Sektion. Für den Raum Dortmund spielten insbesondere das Label und das Netzwerk von „Combat 18“ eine zentrale Rolle. Dortmunder Neonazis um die Bands „Oidioxie“ und „Weisse Wölfe“ waren seit Beginn der 2000er Jahre in das internationale Netzwerk von „Blood & Honour / Combat 18“ eingebunden.744 Der „Oidoxie“-Bandleader Marko Gottschalk galt spätestens ab 2003 innerhalb der Szene als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland.745 Die Dortmunder Neonazis um „Oidoxie“ zogen ihre Legitimität, als „Blood & Honour / Combat 18“ aufzutreten, lange Jahre aus ihren Kontakten zu den „Blood & Honour“ Divisionen Skandinavien und Flandern sowie ihrem Kontakt zum englischen „Combat 18“-Führer Will Browning.746 „Oidoxie“ trat auf dem ersten Konzert von „Blood & Honour Vlaanderen“, an dessen Organisation Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ beteiligt waren, im März 2001 sowie zwischen 2006 und 2009 auf den jährlich von „Blood & Honour Vlaanderen“ organisierten Ian Stuart Memorial-Konzerten in Belgien auf.747 Nach Einschätzung des Sachverständigen Jan Raabe trat keine Band so oft bei „Blood & Honour“ in Belgien auf, wie Oidoxie. 748 Dortmunder Neonazis waren auch in die Organisation von „Blood & Honour“Konzerten in Belgien involviert.749 Beginnend im Jahr 2005 gab es im Personenkreis um „Oidoxie“ Bestrebungen eine durch die Führungspersonen der „Division 28“ legitimierte Sektion von „Blood & Honour“ aufzubauen. Entsprechende Kontakte zwischen Marko Gottschalk und den beiden Führungspersonen der „Division 28“ bestanden spätestens seit 2004. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW vereinbarte Marko Gottschalk im September 2005 am Rande eines Konzerts in Belgien, dass sich die Dortmunder Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ „Blood & Honour“ anschließen soll, wie der Verfassungsschutz NRW in einem Vermerk festhielt.750 f. „Combat 18” aa. „Combat 18” in England (1) Gründung von „Combat 18“ Die Ursprünge von „Combat 18“ liegen in England, wo sich 1992 Neonazis und rechte Hooligans zu einer Gruppe gleichen Namens zusammenschlossen, die anfangs als Ordnerdienst der rechtsradikalen „British National Party“ (BNP) eingesetzt wurde. Die Neonazis schützten nicht nur Veranstaltungen der BNP, sondern suchten auch Straßenschlachten mit Antifaschisten und Antifaschistinnen und griffen Demonstrationen der Linken an. Zudem wurde die Gruppierung für Brandanschläge verantwortlich gemacht. Außer zu Hooligans knüpfte „Combat 18“ auch Kontakte zu loyalistischen, paramilitärischen Gruppen wie der „Ulster Defence Association“ oder der „Loyalist Volunteer Force“, mit denen sie der Hass auf 742 743 744 745 746 747 748 749 750 168 Auswertebericht des BKA vom 15. März 2005, A14089 S. 142. Auswertebericht des LKA Sachsen Anhalt vom 29. Januar 2001, A82308 S. 382 (VS-nfD). Zu vgl. Zweiter Teil A. I. 4. f. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 3 f. Zu vgl. Zweiter Teil A. I. 4. f. hh. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 17 f. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 17. Zu vgl. Zweiter Teil A. I. 4. d. Observationsauftrag vom 27. Oktober 2005, A15345 S. 3 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nordirische Republikaner und sozialistische Linke verband. Bereits 1993 trennten sich die Wege von BNP und „Combat 18“. Die Gruppe agierte fortan eigenständig. Aus den Reihen von „Combat 18“ wurden diverse Zeitschriften herausgebracht, die Namen wie „Redwatch“, „The Oak“, „Putsch“, „Combat 18“ oder „The Order“ trugen. Der Name des letztgenannten Magazins verwies bereits darauf, dass „Combat 18“ begann, sich mit den Geschichten von US-amerikanischen Rechtsterroristen wie der Gruppe „The Order“ von Robert Matthews und den Ideen des „leaderless resistance“, wie sie von Lois Beam oder im Roman „The Turner Diaries“ beschrieben wurden, zu beschäftigen. „Combat 18“ agierte auf der einen Seite wie eine Neonazi-Schläger-Gang, auf der anderen Seite wurde versucht, eine rechtsterroristische Strategie zu entwickeln. 751 Der britische Journalist Nick Lowles, der umfangreich zu „Combat 18“ recherchierte und dabei auch mit Aussteigern aus der Gruppe sprach, kam zu dem Schluss, dass „Combat 18“ seit 1995 den Terrorismus propagierte: „Nach und nach begann C18, eine eigene Ideologie zu entwickeln. Die Gruppe beschrieb sich selbst als revolutionäre, nationalsozialistische Terror-Organisation. Man sah nun nicht mehr einzelne Schwarze oder Asiaten als den Feind an, sondern vielmehr das politische, kulturelle und wirtschaftliche System, das, nach C18-Meinung, Weiße diskriminierte. Viele Ansichten übernahm die Gruppe einfach von amerikanischen Rechtsextremisten. Konzepte wie ZOG, der führerlose Widerstand und Rassenkrieg waren in den vergangenen zwanzig Jahren in den vereinigten Staaten entstanden, dort lehnten auch immer mehr Rechte freie Wahlen ab und wandten sich dem Terrorismus zu. 1995 fing C18 damit an, öffentlich einen Rassenkrieg zu propagieren. Charlie Sargent veranstaltete Treffen im ganzen Land, bei denen er die Zuhörer aufforderte, ihre politischen und ethnischen Feinde zu töten und zu brandschatzen; David Myatt instruierte die Leser seiner Publikationen, ‚das System‘ zu destabilisieren, sei es durch verdeckte oder offene Taten; und Will Browning veröffentlichte in dem Magazin Combat 18 Anleitungen zum Bombenbau und Listen mit potenziellen Anschlagszielen, dabei vergaß er auch nicht, die Leser zu ermahnen: ‚Jetzt habt ihr die Technik, jagt die Bastarde in die Luft!“.752 (2) Übernahme von „Blood & Honour“ Nach dem Tod von Ian Stuart Donaldson, dem einflussreichen Sänger der Rechtsrockband „Screwdriver“ und Gründer von „Blood & Honour“, im Jahr 1993 übernahm „Combat 18“ die Kontrolle über die 1987 von ihm gegründete britische „Blood & Honour“-Organisation. Der Sachverständige Jan Raabe hat dazu in seinem für den Ausschuss erstatteten Gutachten ausgeführt: „Kurze Zeit später übernahm die Organisation um die Führungskader Paul ‚Charlie‘ Sargent und William Browning die zu diesem Zeitpunkt durch den Tod von Ian Stuart und durch polizeiliche Repression geschwächte Organisation Blood & Honour. Allerdings gab es schon zu dieser Zeit bis heute andauernde Auseinandersetzungen über die Strategie von Blood & Honour und die Rolle von Combat 18. ‚C18 erwartet von Leuten, dass sie politisch sind und sich engagieren‘, formulierte es Browning. 1994 gründete dieser für C18 I.S.D.-Records, das sich zur damaligen Zeit zum führenden Musiklabel für offen neonazistische und zu Gewalt auffordernde Musik entwickelte.“753 Nach dem Tod von Ian Stuart Donaldson brachen Konflikte zwischen konkurrierenden Flügeln von „Blood & Honour“ aus, die teilweise gewaltsam ausgetragen wurden. Nicht alle 751 752 753 Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366. Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366 S. 381 f. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 5. 169 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bands und Aktivisten ordneten sich Paul Sargent und William Browning unter. Andere Bands schlossen sich einem konkurrierenden Flügel an. Die britische Kriminalpolizei erklärte ausweislich einer Powerpoint-Präsentation, die bei einer BKA-Arbeitstagung am 18. November 2003 gezeigt wurde, dass sich der „anti-C18“-Flügel aus Anhängern und Anhängerinnen der „British Movement“ und der „British Hammerskins“ zusammensetze und ihm Bands wie „English Rose“, „Celtic Warrior“ und „Brutal Attack“ angehörten. Die Bands „Chingford Attack“, „No Remorse“ und „Legion of St. George” zählten hingegen zu „ Combat 18” / ISDRecords.754 Der Sachverständigen Jan Raabe hat ausgesagt, dass sich zum Teil anhand von beteiligten Personen und Bands bestimmen lasse, welcher Flügel ein Konzert veranstaltet hat: „Und wenn jemand sagt: ‚Will Browning war da, ‚Razor`s Edge‘ haben gespielt‘, dann ist klar, welche Fraktion von ‚Blood & Honour‘ dieses Konzert organisiert hat, nämlich der ‚Combat 18‘-Flügel.“755 Der Zeuge Sebastian Seemann hat bestätigt, dass es Bands gegeben habe, die sich offen zu einem bestimmten Flügel gezählt hätten. Ideologische Unterschiede zwischen den Bands hätte es aber nicht gegeben.756 Die Spaltung in die unterschiedlichen Flügel bestehe fort, so der Sachverständige Raabe: „Sowohl in England als auch in anderen Ländern existierten unterschiedliche Fraktionen innerhalb von B&H, die zwar den Grundkonsens, dass der Nationalsozialismus das Ziel der Bewegung sei, teilten, jedoch unterschiedliche Strategien verfolgten. Dass konkurrierende Flügel bestanden, die teilweise miteinander kooperierten, sich aber gelegentlich auch offen bekämpften (…) Einige der Gruppierungen waren eher auf politisierte Musik, andere hingegen auch auf direkte politische Aktionen ausgerichtet. Nicht immer war klar, wer eine Gruppe autorisieren konnte und wann diese als B&H zu bezeichnen war.“757 (3) Interne Spaltung von „Combat 18“ Für die weitere Entwicklung bedeutsam war die sich 1996 / 1997 aufgrund von Streitigkeiten zwischen den Führungspersonen Charlie Sargent und William Browning manifestierende Spaltung von „Blood & Honour / Combat 18“ in England. Mit der gleichen Härte, wie sie zuvor die Konkurrenz auf dem Rechtsrockmarkt in England bekämpft hatten, gingen die verfeindeten Führungspersonen und ihre Anhängerschaft nun aufeinander los. Charlie Sargent gründete eine neue Gruppe, die fortan unter dem Namen „National Socialist Movement“ (NSM) auftrat. Der Streit eskalierte im Frühjahr 1997, als ein Getreuer von Charlie Sargent einen Vertrauten von William Browning tötete.758 In einer Erkenntniszusammenstellung des BfV aus dem Jahr 2004 oder 2005 zur Person des „Combat 18“-Anführers William Browning wird die Entwicklung von „Combat 18“ dargestellt und ihre Spaltung beschrieben: „Die ‚C 18‘, 1992 als kämpferischer Zweig der ‚British National Party (BNP)‘ gegründet, spaltete sich 1993 von ihr ab, da die BNP die gewaltsamen Aktionen und das damit verbundene negative Image ablehnte. Danach entwickelte sich die C 18 immer mehr zu einer Schlägertruppe, die Anti-Antifa-Arbeit betrieb und politische Gegner terrorisierte. Die 754 755 756 757 758 170 Powerpoint-Präsentation vom 13. November 2003, A54562 S. 95. Raabe, APr 16/1154 S. 36. Seemann, nöAPr 16/230 S. 39 f. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 3 f. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 8. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 C 18 propagiert den Aufbau eines nationalsozialistischen Staates, in dem weiße Arier auf eigenem Land frei von multikulturellen Einflüssen leben und arbeiten können. Sie befürwortete Gewalt als Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels und zählt alle Nichtweißen, Juden, Kommunisten und ‚Rassenschänder‘ zu ihren Feinden. […] Bis zum Jahreswechsel 1996/97 wurde C18 von Charlie SARGENT geleitet, der nach dem Tod des ‚Skrewdriver‘-Leadsängers lan Stuart DONALDSON auch die SkinheadMusikszene der ‚Blood and Honour‘-Gruppen (B&H) dominierte. Seit Ende 1994 waren die Aktivitäten von C 18 verstärkt auf die Vereinigung aller neonazistischen Organisationen in Großbritannien gerichtet. Dazu gründete Charlie SARGENT und BROWNING mit weiteren C 18-Mitgliedern die ‚National Socialist Alliance‘ (NSA). Auf Grund von Streitigkeiten zwischen Charlie SARGENT und seinem Stellvertreter BROWNING über die Aufteilung von Geldern aus B&H-Aktivitäten, zerfiel die C 18 Anfang 1997 in zwei Fraktionen, die sich von da ab erbittert bekämpfen.“759 Das BKA verfasste im November 2003 einen Auswertebericht über „Combat 18“, demzufolge „Combat 18“ „keine formale Struktur“ besitze: „Die Gruppe agiert nach Erkenntnissen der britischen Sicherheitsbehörden konspirativ, wobei die überwiegende Zahl der Anhänger in London und Umgebung lebt. Combat 18 besitzt offensichtlich keine formale Struktur und agiert nach dem System des ‚Führerlosen Widerstandes‘ (‚Leaderless Resistance‘). Sie stützt sich auf einen losen Verband von Rassisten, die zu dem unangefochten Anführer der Gruppierung, William Browning, Kontakt halten. Mitgliederlisten wurde bislang nicht sichergestellt. Zum engeren Kreis um Browning zählten Darren Wells, Nicholas Field und Mark Atkinson. Darren Wells hat sich nach derzeitigem Stand von der Vereinigung getrennt. Mark Atkinson steht im Verdacht 2003 die Splittergruppe ‚Racial Volunteer Force (RVF)‘ gegründet zu haben und für die Wiederherstellung des ‚Combat 18“-Fanzines STORMER verantwortlich zu sein. Zu ihren besten Zeiten besaß ‚Combat 18‘ etwa 200 Aktivisten. Nach Mitteilungen der britischen Behörden besitzt sie derzeit ca. 30 - 50 Mitglieder. Ihr Sympathisantenkreis dürfte sich bei ca. 60 - 80 Personen bewegen. Die Teilnehmerzahl der von ‚Combat 18‘ durchgeführten „Blood & Honour“-Veranstaltungen in Großbritannien beläuft sich auf ca. 200 - 250 Personen.“760 Weiter hielt das BKA fest: „In den letzten Jahren sind den britischen Behörden keine Aktionen/Straftaten durch die Organisation ‚Combat 18‘ bekannt geworden. Zwar gibt es gelegentlich Aufrufe zu Aktivitäten, die jedoch nicht aufgegriffen und umgesetzt werden. (Stand: Nov. 2003).“761 (4) Terroristische Bestrebungen Das BfV hingegen brachte in der bereits erwähnten Erkenntniszusammenstellung den von William Browning geleiteten Flügel von „Combat 18“ mit rechtsterroristischen Bestrebungen in Verbindung und beschrieb, wie sich „Combat 18“ unter seiner Führung zu einer an den Prinzipien des „leaderless resistance“ orientierten „Zellenorganisation“ mit internationaler Vernetzung entwickelte: „Seit Januar 1997 steht der BROWNING-Zweig der C 18 im Verdacht, einen Briefbomben-Versand via Schweden nach Großbritannien initiiert zu haben. Drei als Videokassetten getarnte Briefbomben wurden in Dänemark sichergestellt. Als Empfänger waren u.a. 759 760 761 Vermerk des BfV aus 2004 oder 2005, A13409 S. 35 f. (VS-nfD). Auswertebericht des BKA aus November 2003, A54258 S. 501 (VS-nfD). Auswertebericht des BKA aus November 2003, A54258 S. 502 (VS-nfD). 171 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der Anführer der schottischen B&H-Sektion sowie der Bruder von Charlie SARGENT, Stephen Robert, genannt Steve SARGENT vorgesehen. […] Nachdem nun BROWNING endgültig die Führung der C 18 übernahm, entwickelt sich diese zu einer Zellenorganisation, mit einem harten Kern von ca. 30 Aktivisten, die die Prinzipien des ‚Führerlosen Widerstands‘ vertreten. BROWNING verfolgt das Endziel, eine Terrororganisation aufzubauen, die in der Lage ist, Anschläge gegen die britische Regierung zu verüben. Er hat seine Gesinnungsgenossen angewiesen, europäische Kontaktpersonen für den Druck und Vertrieb von C18-Publikationen und CDs einzusetzen. Zu diesem Personenkreis dürfte der in Dänemark lebende, deutsche Staatsangehörige [M. Sch.] mit seinem ‚NS 88‘-Vertrieb und der Belgier [Y. P.] vom ‚Excalibur Services‘ gehören. Bis zu den Streitigkeiten bestanden auch Kontakte - über Steve SARGENT - zu dem deutschen Staatsangehörigen [C. S.].“ 762 Die von der Polizei in Dänemark abgefangenen Briefbomben sollten nach Angaben des britischen Journalisten Nick Lowles nicht nur Konkurrenten aus dem Rechtsrockgeschäft treffen, sondern hatten ebenso die englische Organisation „Anti-Fascist Action“ sowie eine mit einem Schwarzen verheiratete TV-Kommentatorin zum Ziel.763 Die vereitelten Briefbombenanschläge hatten also sowohl eine rassistische als auch eine gegen politische Gegner und Gegnerinnen gerichtete Dimension. Der zum innersten Zirkel von „Combat 18“ zählende D. W. äußerte nach seinem Ausstieg aus der Gruppierung in einem 2001 publizierten Interview mit dem britischen Magazin „Searchlight“, dass die Briefbomben das Ziel gehabt hätten, einen „Rassenkrieg“ in England zu initiieren: „Wir dachten, dass wir das Boot so zum Wanken bringen könnten, dass etwas passieren würde. Das waren natürlich alles nur Fantasien, aber wir begannen, in unserer eigenen surrealen Welt zu leben. Ich glaube nicht, dass irgendwer von uns wirklich dachte, dass wir tatsächlich die Kontrolle über das Land übernehmen würden. Aber wir dachten, wir könnten genügend Schaden verursachen, und dann diesen grandiosen Heldentod sterben, um Märtyrer wie die Leute von The Order zu werden. (…) Will wusste, dass er in den Knast kommen würde, deshalb wollte er ein Statement machen, dass eine Gruppe innerhalb von Combat 18 – unabhängig davon, ob sie als solche bekannt wäre oder nicht – einen Schritt weiter gehen würde. Ich glaube, das war seine Antwort auf die Kritiker, die behaupteten, C18 würde nur reden. Aber Dänemark sollte natürlich nur der Anfang sein. Es gab Gerede über eine zweite Bombenwelle einige Zeit später: Eine ganze Woche sollte mit der Produktion der Sprengsätze verbracht werden, hunderte davon, und dann sollten sie alle am gleichen Tag von verschiedenen Orten an unterschiedliche Ziele überall in Europa verschickt werden. Die Polizei würde vielleicht einige davon abfangen, aber viele würden durchgehen. Kannst Du Dir vorstellen, welche Konsequenzen es gehabt hätte, wenn in England 150 Briefbomben durchgekommen und an einem Tag explodiert wären? Es hätte Riots in den Straßen gegeben. Niemand hatte sich je zuvor überhaupt so etwas ausgedacht.“764 Zwei Jahre nach den gescheiterten Briefbombenanschlägen erschütterte eine Anschlagswelle, die in den Medien mit „Combat 18“ in Verbindung gebracht wurde, die britische Hauptstadt. Im April 1999 zündete der Neonazi David Copeland innerhalb von 13 Tagen drei Nagelbomben in London, bei denen drei Menschen getötet und 139 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden.765 David Copeland zündete die Bomben an Orten, an denen viele Schwarze 762 763 764 765 172 Vermerk des BfV aus 2004 oder 2005, A13409 S. 36 (VS-nfD). Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366 S. 275. Artikel „Combat 18 inside", veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95367. Vermerk von New Scotland Yard vom 14. Dezember 2000, A12573 S. 298 - 366. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und asiatische Einwanderer und Einwanderinnen lebten sowie an einem von Homosexuellen besuchten Club. Im Zusammenhang mit seinem zweiten Anschlag in der Brick Lane wählte David Copeland den Notruf und gab eine Art Bekennung ab: „He said before the Brick Lane bomb had exploded he used a telephone kiosk to call the 999 operator, he did not speak but he pressed 218-2 for C and 18 meanig C18 (Combat 18). „In order to make it look like they were doing it.“ (Xp 305). That was the only call he had made in relation to any of the bombs.“766 Die Gruppe „White Wolves C18“ hatte sich öffentlich zu den Londoner Anschlägen bekannt.767 In der Wohnung von David Copeland fand die Polizei neonazistische Literatur, darunter Korrespondenz mit dem NSM und eine „National Socialist membership card“.768 David Copeland sagte gegenüber der Polizei aus, dass er alleine gehandelt habe, weil er niemandem traue. Er bestritt jede Verbindung mit „Combat 18“ und behauptete, dass er auch seine Mitgliedschaft im NSM nicht besonders ernst genommen habe.769 Nach Angaben von Nick Lowles war David Copeland der Leiter des NSM von Hampshire und Surrey. Nach Verhaftung von David Copeland wurde das von Charlie Sargent gegründete NSM aufgelöst.770 Die Ermittler kamen zu dem Schluss, dass David Copeland die Bombenanschläge allein durchgeführt hatte. 1999 eskalierte die Neonazi-Gewalt auch in Schweden. Am 29. Mai 1999 überfielen Neonazis eine Bank in Kisa und schossen auf die sie verfolgende Polizei. Zwei Polizisten wurden regelrecht hingerichtet. Einen Monat später explodierte eine Bombe unter dem Auto zweier schwedischer Journalisten, die über die Neonaziszene berichtet hatten. Im Oktober 1999 wurde der linke Gewerkschafter B. S. vor seiner Wohnung erschossen.771 bb. „Combat 18“ in Deutschland (1) Erste Kontakte deutscher Neonazis zu „Combat 18“ Die britische Gruppierung „Combat 18“ und die sie umgebende Aura des „bewaffneten Kampfes“ und der Gewalt weckten früh das Interesse deutscher Neonazis. Erste persönliche Kontakte zu den britischen „Combat 18“-Mitgliedern entstanden spätestens Mitte der 1990er Jahre. 1995 nahmen die „Combat 18“-Kader Will Browning und Charlie Sargent an dem „Rudolf-Hess-Marsch“ im dänischen Roskilde teil, an dem sich auch deutsche Neonazis beteiligten. Laut dem britischen Journalisten Nick Lowles war eine der „engsten Kontaktpersonen“ in Deutschland Mitte der 1990er Jahre Thorsten Heise. Nick Lowles schreibt, dass sich die Verbindung zwischen William Browning und Torsten Heise bei einem Konzert von William Brownings Band „No Remorse“ am 21. Oktober 1995 auf dem Privatgelände von Thorsten Heise gefestigt habe.772 Bei dem Konzert kam es zu Ausschreitungen mit der Polizei, die William 766 767 768 769 770 771 772 Vermerk von New Scotland Yard vom 14. Dezember 2000, A12573 S. 337. Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366 S. 373. Vermerk von New Scotland Yard vom 14. Dezember 2000, A12573 S. 328 f. Vermerk von New Scotland Yard vom 14. Dezember 2000, A12573 S. 330. Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366 S. 374. Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366 S. 349 ff. Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366 S. 151; zum Datum des Konzerts vgl. auch Konzertbericht im Fanzine „Amok“ Nr. 3, A14949 S. 9. 173 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Browning wegen schweren Landfriedensbruch und schwerer Körperverletzung vorläufig festnahm.773 „No Remorse“ veröffentlichte 1996 das Rassismus propagierende Album „Barbecue in Rostock“, dessen Titel auf die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen anspielte, und das auch in der deutschen Neonaziszene sehr populär war. Die Band spielte mehrere Konzerte in Deutschland, im Herbst 1996 auch in Chemnitz.774 Der „Combat 18“-Anführer Charlie Sargent hatte enge Kontakte zu dem Neonazi C. S. aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen.775 Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem Gutachten Personen und Gruppierungen aufgeführt, die seit Ende der 1990er Jahre in Deutschland das Label „Combat 18“ benutzten: „Auch in der BRD gab es verschiedenste Ansätze, die unter dem Label C18 auftraten. So nutzte der V-Mann [C. S.] alias […] zeitweilig ein C18-Postfach in England für den Vertrieb seiner Zeitschrift ‚United Skins‘ und machte in dieser Werbung für deren Publikation ‚Stormer‘. In Franken war es der B&H-Kader [B. P.], welcher C18 propagierte, in Pinneberg eine Gruppe um [C. O.], den ehemaligen Leiter der B&H-Sektion Nordmark.“776 Der Rechtsextremismusexperte Michael Weiss beschrieb in einem 2015 veröffentlichten Buchbeitrag, wie sich die Spaltung des britischen „Combat 18“ auf die deutsche NeonaziSzene auswirkte: „1997 planten Neonazis aus Königs Wusterhausen, Oranienburg, dem sächischen Limbach-Oberfrohna und dem Sauerland (Nordrhein-Westfalen) die Herausgabe einer deutschen C18-Untergrundzeitung. Der Plan setzte sich offensichtlich nicht um, denn spätestens im Jahr 1997 erreichten die Konflikte des englischen C18 auch Deutschland und spalteten die Szene in einen Pro-Sargent, einen Pro-Browning und einen ‚neutralen‘ Flügel. United Skins stellte sich auf die Seite von Paul Sargent und dessen C18-Abspaltung National Socialist Alliance, die 1997 im National Socialist Movement aufging. Einige befreundete Personen und Gruppen rückten nun von den United Skins ab. Ihr Chemnitzer Freundeskreis blieb den Neonazis aus Königs Wusterhausen weitgehend erhalten. [T. S.] schrieb mehrfach für das United Skins und zur Ausgabe Nr. 13 im Jahr 1999 trug auch ‚Karline (Chemnitz)‘ einen Artikel bei. ‚Karline‘ ist der Szenename von Antje [P.]. Eingeleitet wird diese Ausgabe von United Skins mit einem Gruppenbild des englischen National Socialist Movement und einem Zitat von Earl Turner aus den ‚Turner Tagebüchern‘.“777 [T. S.] und Antje P. zählten zu den Chemnitzer Unterstützern des NSU-Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. C. S. wurde vom NSU-Unterstützer Jan Werner 1998 angefragt, ob er eine Schusswaffe besorgen könne. In dem bereits erwähnten Buchbeitrag von Michael Weiss heißt es weiter, dass sich der aus Franken stammende B. P. auf die Seite des C18-Flügels von William Browning und des mit 773 774 775 776 777 174 Vermerk des BfV aus 2004 oder 2005, A13409 S. 35 (VS-nfD). Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366 S. 152. Vermerk des BfV aus 2004 oder 2005, A13409 S. 36 (VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 6. Michael Weiss, Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, in: Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Münster 2015, A95356 S. 23. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ihm verbündeten skandinavischen „Blood & Honour“ geschlagen habe. B. P. habe versucht, das Label „Combat 18“ kommerziell zu nutzen, in dem er Bekleidung mit dem Slogan verkaufte, was von manch anderen Neonazis nicht geduldet worden sei. Während Neonazis wie B. P. den Name „Combat 18“ als frei verfügbar verstanden, sahen andere in „Combat 18“ eine exklusive Organisation. Nach Ansicht von Michael Weiss ist dieser Konflikt nie abschließend gelöst worden: „Der Streit, wer nun den ‚wahren‘ C18 repräsentierte, belastete das gesamte deutsche B&H-Netzwerk. Es setzte sich nie eine Ebene durch, die Kraft ihrer Autorität oder Authentizität hätte durchsetzen können, wer sich des Namens Combat 18 bedienen dürfe. Die einen machten damit Geschäfte, andere gingen damit ins allgemeinkriminelle Milieu, andere meinten es ernst mit dem politischen ‚Untergrundkampf‘ des C18 und andere verbanden alles miteinander.“778 Nach der Einschätzung von Michael Weiss wurde „Combat 18“ gleichwohl ab Ende der 1990er Jahre in Deutschland „zu einem Schlachtruf – vor allem, aber nicht nur im Kampf gegen Linke -, dem sich jede/r bedienen konnte.“779 (2) Treffen in Minden 1999 Im Juli 1999 – also gut zwei Monate nach den Bombenanschlägen des David Copeland in London – erhielt der Verfassungsschutz NRW Kenntnis davon, dass der Neonazi M. P. am 13. Juli 1999 in Minden eine als Wortführerin auftretende Frau in Begleitung zweier Männer getroffen habe und die drei Personen sich als „Gruppe Combat 88“ vorgestellt und angegeben hätten, über gute Kontakte zu der gleichnamigen Gruppierung in England zu verfügen, die bereits Bombenanschläge verübt habe.780 (3) Weitere deutsche Gruppierungen mit „Combat 18“-Bezug Im Mai 1999 erschien in dem Fanzine „Hamburger Sturm“, das von einer gleichnamigen Neonazi-Kameradschaft herausgebracht wurde, ein Interview mit einer „Nationalrevolutionären Zelle“. Die Interviewten verlautbarten, dass sie sich „im Krieg mit diesem System“ befänden. In dem Interview bezeichneten sie „Combat 18“ als einzige politisch akzeptable Organisation.781 Die Identität dieser „Nationalrevolutionären Zelle“ konnte nicht aufgedeckt werden. cc. Deutsche „Combat 18“-Bands Als wichtige Propagandisten der Ideen von „Combat 18“ traten früh verschiedene Rechtsrockbands auf, die in ihren Songs „Combat 18“ und den rechten Terror verherrlichten. Der Autor Michael Weiss bewertete in einem 2003 erschienenen Artikel die Bands „Race War“ aus Schwäbisch-Gmünd, das Projekt „Strength Thru Blood“ sowie die „Weissen Wölfe“ aus dem Sauerland als Bands, „die sich offen in den Dienst von C18 stellen“.782 Der Frontmann des Projekts „Strength Thru Blood“ spielte auch in der Band „Hate Society“, die sich im Text des Songs „Hail Blood & Honour“ ebenfalls zu „Combat 18“ bekannt haben.783 778 779 780 781 782 783 Michael Weiss: Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, in: Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Münster 2015, A95356 S. 24. Michael Weiss: Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, in: Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Münster 2015, A95356 S. 24. Zu vgl. Zweiter Teil E. V. 1. a. BfV Spezial Rechtextremismus Nr. 21, A72426 S. 53 (VS-NfD). Artikel „Terrormachine Combat 18“ in Lotta, Nr. 12 Frühjahr 2003, A13408 S. 120. Hate Society „Hail Blood & Honour“, A95370. 175 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (1) „Combat 18”-Bands aus Nordrhein-Westfalen Der Sachverständige Jan Raabe hat die Bedeutung der Bands „Weisse Wölfe“ und „Oidoxie“ betont: „Wir haben eine Konzertdatenbank, in der wir quasi die Rechtsrock-Texte bundesdeutscher Rechtsrock-Bands erfassen oder auch internationaler Rechtsrock-Bands. Wenn man da die Suchworte ‚Combat 18‘ oder ‚C 18‘ und ‚Leaderless Resistance‘ laufen lässt, dann findet man sehr wenig Bands. Es gibt ein paar Bands, die aus dem Untergrund kommen, die ich als wenig bedeutsam für die deutsche Szene bezeichnen würde, und dann gibt es ‚Oidoxie‘ und die ‚Weissen Wölfe‘, die schon sehr früh diese Begrifflichkeiten verwendet haben, die sich offen auf ‚Combat 18‘ bezogen haben. Also, es gibt danach noch ‚Straftat‘ und ‚Strafmaß‘ als zwei Bands, die auch zumindest teilweise eng mit ‚Oidoxie‘ verbunden sind.“784 In seinem Gutachten für den Ausschuss hat der Sachverständige Jan Raabe ausgeführt, dass dieser „sehr häufig[e] Bezug auf C18 und Konzepte des bewaffneten Rechtsterrorismus wie ‚Leaderless Resistance‘“ ein „besonders Alleinstellungsmerkmal“ von „Oidoxie“ sei.785 Die Songtexte der „Weissen Wölfe“ bewertete der Sachverständige Jan Raabe als „äußerst explizit“.786 Die Band „Weisse Wölfe“ wurde 1995 gegründet. Auf ihrer Debüt-CD, die mutmaßlich 2001 oder 2002 veröffentlicht wurde, bekannte sich die Band bereits im „Intro“, in dem mehrfach „C18 Terrormachine“ und „Sieg Heil“ gebrüllt wird, zu „Combat 18“.787 Weiter heißt es in dem Gutachten von Jan Raabe über die „Weissen Wölfe“: „Über die Wahl ihres Namens macht die Band selbst keine Aussage, die Berliner Zeitung thematisierte bereits 1999 den Begriff im Zusammenhang mit der neonazistischen britischen Terrorgruppe White Wolves. Diese traten 1994 mit einem Papier an die Öffentlichkeit, in dem sie das ‚leaderless resistance‘-Konzept propagierten. Festzustellen ist, dass im gleichen Zeitraum, in dem die Band sich diesen Namen gab, auch das Fanzine Der Weisse Wolf erstmals erschien, wobei sowohl die Band als auch das Fanzine die Schreibweise mit dem doppelten s verwendeten und damit wohl auf die historische SS anspielten. Die erste CD von Weisse Wölfe – ‚Weisse Wut‘ – erschien 2002 beim oben bereits genannten dänischen Label Celtic Moon, das als Teil des C18-Netzwerkes begriffen werden muss.“788 Bezüge zu „Combat 18“ finden sich auch auf späteren Veröffentlichungen der Band, zum Beispiel auf der 2007 veröffentlichten CD „Soundtrack zur Revolution“, die den Untertitel „Combat 18 is our choice – music is our voice“ trägt. Zwischen „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ bestanden personelle Überschneidungen, die sich in der Mitwirkung von Marko Gottschalk in beiden Bands ausdrückte. Zudem sind beide Bands ab 1998 fast ausschließlich zusammen aufgetreten.789 Die „Weissen Wölfe“ versuchten lange Zeit, die Identität ihrer Mitglieder zu verbergen, wohingegen „Oidoxie“ offener auftrat. Während die „Weissen Wölfe“ sich nach Einschätzung des Sachverständigen Jan Raabe „ein Image [gaben], das einen Mythos von Radikalität und Untergrund betont“ und „musikalische 784 785 786 787 788 789 176 Raabe, APr 16/1154 S. 30. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 14. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 13. Vermerk des PP Dortmund vom 19. März 2003, A24752 S. 194. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 12 f. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 13. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Defizite“ durch die „brutalen Liedtexte und einen entsprechenden Habitus kompensiert“ wurden790, verzichtete die 1996 gegründete Band „Oidoxie“ auf ihren in den ersten zehn Jahren veröffentlichten Tonträgern auf direkte Bezüge zu „Combat 18“. Allerdings ermittelte das PP Dortmund gegen die Mitglieder der Band, weil sie bei einem Konzert am 24. Mai 2003 in Donaueschingen / Villingen-Schwenningen das Lied „Combat 18“ der „Weissen Wölfe“ gespielt haben sollen. Die Ermittlungen wurden seitens der StA Dortmund mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, da keine Aufnahmen des Konzertes gefunden wurden oder Zeugen zu ermitteln waren.791 Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem Gutachten ausgeführt: „Die 2006 erschienene Oidoxie-CD ‚Terrormachine‘ enthält als erstes einen textlichen Bezug auf Combat 18 – und das sogar in gleich mehreren in diesem Kontext relevanten Liedern. Da heißt es: ‘Fighting for our nation, fighting against the scum, if you see the hate in our face you should better run, fighting for better nations, we want our cities clean, this is the terrormachine, this is combat 18.’ In dem Song ‘Fight together’ fordert Oidoxie die HörerInnen auf: 'Come on fight together, in the terrorteam. The leaderless resistance, Combat 18.‘ Von besonderem Interesse ist hier nicht nur der für die Band obligatorische Hass, sondern vor allem, dass die Gruppe hier das Konzept des Leaderless Resistance und der Zellenstruktur propagiert.“ 792 Die CD „Terrormachine“ wurde von dem von Thorsten Heise und N. H. betriebenen Label „WB Records“ veröffentlicht.793 Auch auf nachfolgenden Veröffentlichungen bekannte sich „Oidoxie“ nach Angaben des Sachverständigen Jan Raabe zu „Combat 18“: „Auch zwei Jahre später, auf der 2008 erschienenen CD ‚Drei für Deutschland. Teil 2’, sang Oidoxie in dem Lied ‘Ready for war’ die Textzeilen: ‘We are full of hate for you, C18 stands on our banner, a radical army for freedom, Aryan blood, pride and honour.“’794 Der Bandleader der „Combat 18“-Band „Hate Society“ B. P. gab in einer im Rahmen der Ermittlungen gegen Markus Wiese und andere Münchener Neonazis wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß §129 StGB durchgeführten polizeilichen Vernehmung im Jahr 2003 an, dass Personen aus dem Ruhrgebiet mit C18 sympathisieren würden. Er nannte die Mitglieder der Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“. Die Liste umfasste insgesamt elf Personen.795 Zur Band „Straftat“ hat der Sachverständige Jan Raabe in seinem Gutachten ausgeführt, dass diese sich aus Marko Gottschalk und weiteren Musikern zusammen setzte und als „Oidoxie-Solo-Projekt“ beworben wurde: „Bekannt wurden zwei CDs der Band: Das Debüt 2007 war ‚Hail C18‘; im Booklet der CD sind Bilder der Oidoxie Streetfighting Crew abgebildet, in dem Lied ‚Hail C18‘ heißt es: ‚With blood, pride and honour.“ Together in one Team. We fight the fucking system. With blood, pride and honour – C18.“796 790 791 792 793 794 795 796 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 13. Vermerk der StA Dortmund vom 1. Dezember 2004, A24755 S. 60 f. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 14. Vermerk des BKA vom 20. Januar 2011, A13225 S. 223 (VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 14. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Februar 2004, A12465 S. 34 (VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. 177 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Sachverständige Andrea Röpke hat über die Bezüge von „Oidoxie” zu „Combat 18” ausgeführt: „Wir hatten mit einem Aussteiger gesprochen, der gesagt hat: Wenn ich Oidoxie höre, weiß ich, das ist Combat 18, also der militante terroristische Ableger von Blood & Honour. Oidoxie ist also gleich Combat 18. Sie haben das Logo terror machine. Sie verwenden noch heute das Logo C 18 immer wieder. Auf dem Foto sehen Sie eine Selbstdarstellung aus dem Umfeld von Oidoxie. Man sah sich als kampfbereite vermummte bewaffnete Zelle. Sie sehen vielleicht, dass sie die Waffen im Anschlag haben.“797 Die Band „Strafmass“ wurde 2008 von Neonazis aus dem Großraum Bremen gegründet und warb in ihren Songs ebenfalls für „Combat 18“. „Strafmass“ verfügte über Verbindungen nach NRW: In der Anfangszeit spielte ein aus Hamm stammender Neonazi das Schlagzeug bei „Strafmass“. Dieser war Mitglied der „Oidoxie Streetfighting Crew“. Zuletzt spielten zwei ehemalige Mitglieder der aus dem Großraum Dortmund stammenden Band „Extressiv“ bei „Strafmass“.798 Der Sänger der Band zog im Januar 2013 nach Herne.799 (2) Einbindung der Dortmunder Bands in das internationale Netzwerk von „Blood & Honour / Combat 18“ Nach Ansicht des Sachverständigen Jan Raabe wurde die Einbindung von „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ in das internationale Netzwerk von „Blood & Honour/C18“ bei Konzerten im Herbst 2000 immer sichtbarer. Die Bands wurden im Zusammenhang mit diesen Konzerten von führenden Vertretern des „Blood & Honour/C18“-Flügels als „C18 Bands“ bezeichnet.800 „Am 24. Juni 2000 fand im schwedischen Kipplan das Sommer-Sonnenwende-Konzert von Blood & Honour statt. Im Bericht über das Konzert heißt es: ‚First out was a new German C18 band, Weisse Wölfe, among whom we recognized some of our good comrades from another great Teutonic music corps, Oidoxie.‘ Der Bericht wurde geschrieben von ‚Max Hammer‘ alias Erik Nilsen, dem Autor des ‚Field Manual‘ von B&H und der programmatischen, Terror-propagierenden Schrift ‚The Way Forward‘. Nilsen benennt die Band Weisse Wölfe deutlich als Combat 18-Band und weist auf die Überschneidung zu Oidoxie hin. Über den Auftritt berichtet er: ‘Weisse Wölfe may be new to the WP [White Power] scene, but I am certain they will eventually grow old on that very scene too. Our political soldiers just loved the hard-core message of brutal White might, Combat 18-style!’ Im Rahmen des Konzertes hielten ein Vertreter von B&H Sweden sowie Erik Nilsen für B&H Skandinavien Reden. Der Konzertbericht endet mit den Worten: ‚Hail Blood & Honour! Hail Combat 18! Heil Hitler!‘ Am 23.09.2000 traten Oidoxie und Weisse Wölfe dann am gleichen Ort auf einem von B&H Skandinavien organisierten Gedenkkonzert für den Gründer von Blood & Honour, Ian Stuart Donaldson, auf. Im Bericht zu dem Konzert heißt es: ‘Blood & Honour is the Hitler-Jugend of the new Millennium and its C18 cadres the gladiators of our race. We represent the idea of a reborn Aryan army of political soldiers in the spirit of the Waffen SS.’ Autor dieser Zeilen war wiederum Nilsen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt müssen enge Bezüge zwischen Oidoxie/Weisse Wölfe und dem zu C18 gehörenden skandinavischen B&H-Netzwerk bestanden haben.“801 797 798 799 800 801 178 Röpke, APr 16/872, S. 18 f. Artikel "Unschuldig?", veröffentlicht auf www.lotta-magazin.de, A95371. Erkenntniszusammenstellung des PP Bohum vom 21. April 2014, A10542, S. 291 (VS-NfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 14, 17. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 16 f. (Fehler im Original) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bei dem Auftritt am 23. September 2000 auf dem Bauernhof des Deutsch-Dänen Marcel Schilf in Klippan wurde mutmaßlich auch der Videomitschnitt aufgezeichnet, der „Oidoxie“ zeigt, wie sie das „Hakenkreuzlied“ spielen.802 Dieser Mitschnitt wurde auf dem Video „Kriegsberichter Vol. 5“ veröffentlicht, dass aus den Reihen von „Blood & Honour Scandinavia“ vertrieben wurde. Das „Kriegsberichter“-Video enthielt nicht nur Mitschnitte von Konzerten und Bandinterviews, sondern gewaltverherrlichende Sequenzen und Aussagen wie „We are armed. We are white. We shoot reds on sight“. 803 Am 10. März 2001 spielten „Oidoxie“ erstmals in England auf dem vom britischen „Blood & Honour / Combat18“ organisierten „Marcel Schilf Memorial Concert“ in Coventry, mit dem des zuvor verstorbenen Betreibers des Labels „NS88“ und wichtigen Kader von „Blood & Honour Scandinavia“, Marcel Schilf, gedacht wurde. Zusammen mit den Dortmunder Neonazis standen die britischen Bands „Blackshirt“ und „Chingford Attack“ auf der Bühne, die der Sachverständige Jan Raabe als „hochrangige Bands des britischen C18-Netzwerks“ bewertet hat.804 Als zweite deutsche Band trat mit „Hate Society“ eine Band auf, deren Frontmann sich ebenfalls zu „Combat 18“ bekannte.805 Beide Veranstaltungen wurden vom BrowningFlügel von „Blood & Honour / Combat 18“ organisiert. William Browning und Marcel Schilf arbeiteten seit 1995 zusammen. Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem Gutachten einen Szenebericht über das Konzert zitiert, in dem es heißt: „Next to enter were our German friends from Oidoxie. [...] The vocalist dedicated the song ‘Terrormachine’ to our fallen comrade Marcel: ‘White men stick together, we must fight our fight. Stick to your guns in the dark of the night. Fight against the fucking traitors scum. Fight for Combat 18! Terrormachine C18! Hail Combat 18!’“806 Der Sachverständige Jan Raabe ist davon ausgegangen, dass sich anhand der Teilnahme von „Oidoxie“ an dem „Marcel Schilf Memorial“ der „Insiderstatus der Bandmitglieder“ verdeutliche.807 Am 8. Dezember 2001 spielten die „Weissen Wölfe“ ein Konzert in Flandern. In einem Szene-Bericht über das Konzert wird die Band als „ultra C18-groep“ bezeichnet.808 Spätestens ab Frühjahr 2003 hatte Marko Gottschalk zahlreiche Kontakte zu den führenden Vertretern von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ aus Deutschland, England, Schweden, Spanien und Belgien, unter ihnen die Führungspersonen von „Blood & Honour Flandern“, der Herausgeber des britischen „Stormer“, Mark Atkinson, und der von „Blood & Honour Scandinavia“ Erik Nilsen, der unter dem Pseudonym „Max Hammer“, die den Rechtsterrorismus nach dem Konzept des „leaderless resistance“ propagierenden Schriften „The way forward“ und „Blood & Honour Field Manual“, verfasst hat. Dies wurde dem PP Dortmund durch die Auswertung der Mobiltelefone von Marko Gottschalk, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens sichergestellt wurden, bekannt.809 802 803 804 805 806 807 808 809 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 284. Kriegsverbrecher Volume 1 CD 5, A95374. Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010, A95366 S. 338; Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 17. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 17. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 17. Aritkel zum Konzert am 8. Dezember 2001, veröffentlicht auf vlaanderen.bloodandhonour.net, A24752 S. 72 ff. Vermerk des PP Dortmund vom 19. Juli 2004, A53317 S. 165 f. (VS-nfD). 179 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Robert Preuß, der als Sachbearbeiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund mit der Auswertung der Mobiltetelefone befasst war, hat ausgesagt, dass Marko Gottschalk „sehr breit aufgestellt“ gewesen und über ein „gutes Netzwerk“ verfügt habe, welches nach seiner Einschätzung, nur dazu gedient hat, Konzerte zu organisieren. Darüber hinausreichende Strukturen habe er nicht festgestellt.810 Auf die Frage, ob die internationalen Kontaktpersonen von Marko Gottschalk, beispielsweise „Max Hammer“, welcher „Combat 18“ als „bewaffneten Arm von ‚Blood & Honour‘“ verstand, die Dortmunder Neonazis unter Druck gesetzt habe, gewalttätige Aktionen durchzuführen, um weiterhin mit dem Label „Combat 18“ auftreten zu dürfen, hat der Zeuge Robert Preuß ausgesagt, dass er dies „damals aus polizeilicher Sicht nicht wahrgenommen“ habe, was aber „an mangelnder Erkenntnislage“ gelegen haben könne.811 Der Zeuge Sebastian Seemann hat behauptet, dass sich die Dortmunder als Teil von „Blood & Honour / Combat 18“ verstanden und das Geld aus den Konzerten von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ in die Dortmunder Szene geflossen sei.812 Der Zeuge Sebastian Seemann dürfte hier auf ein „Blood & Honour / Combat 18“-Konzert am 11. Dezember 2004 in Flandern anspielen. Im Nachgang des Konzertes veröffentlichte ein „Freier Nationaler Sozialist aus Dortmund“, der dieses Konzert veranstaltet hatte, einen Beitrag im Internet, in dem es hieß, dass der Erlös des Konzertes in „deutsche und belgische politische und m……. Widerstandsdivisionen“ fließe.813 Die Kameradschaft Dortmund bedankte sich für die Spende, mit der sie eine neue Lautsprecheranlage bezahlt habe.814 Nach Einschätzung des Sachverständigen Jan Schedler waren „vermutlich militärische bzw. militante Widerstandsdivisionen“ gemeint.815 Diese Einbindung der Dortmunder Neonazis um die Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ in das internationale Netzwerk vom „Blood & Honour / Combat 18“ blieb über Jahre bestehen. Der Sachverständige Jan Raabe hat betont, dass zahlreiche der Auslandskonzerte, bei denen „Oidoxie“ auftrat, von „Blood & Honour / Combat 18“-Gruppierungen organisiert worden seien. Er hat darin ein „Alleinstellungsmerkmal“ der Band gesehen. Keine andere deutsche Band könne Auftritte „in dem Organisationszusammenhang in dieser Häufigkeit“ aufweisen.816 Seit 2001 spielten „Oidoxie“ regelmäßig bei Konzerten von „Blood & Honour / Combat 18“ in Belgien. Das BfV vermerkte 2004, dass Marko Gottschalk auch einen privaten Kontakt mit dem belgischen „Blood & Honour“-Aktivisten Joeri van der Plas pflege, mit dem er gemeinsam den Urlaub verbracht habe.817 Ab 2004 waren Dortmunder Neonazis maßgeblich an der Organisation der „Blood & Honour“-Konzerte in Belgien beteiligt, wobei dem Zeugen Sebastian Seemann eine zentrale Rolle zukam.818 So war er im Oktober 2006 einer der maßgeblichen Organisatoren des „Blood & Honour. ISD-Memorial“- Konzertes in Belgien, bei dem „Combat 18“-Bands aus Deutschland, England und den USA spielten.819 810 811 812 813 814 815 816 817 818 819 180 Preuß, APr 16/1160 S. 31. Preuß, APr 16/1160, S. 28. Seemann, nöAPr 16/230, S. 37. Internetbeitrag veröffentlich auf www.autonom.biz, A10380 S. 436. Internetbeitrag veöffentich auf www.autonom.biz, A10380 S. 436. Schedler, APr 16/868, S. 9. Raabe, APr 16/1154 S. 28. Vermerk des BfV vom 22. Oktober 2004, A13409 S. 32 (VS-V-herabgestuft). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S.17 f. Konzertflyer, A14093 S. 6. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im März 2005 waren Mitglieder der Band „Oidoxie“ nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW zu einem internationalen „Blood & Honour“-Treffen eingeladen.820 Im Dezember 2005 wurde dem Verfassungsschutz NRW zudem bekannt, dass Marko Gottschalk TShirts der englischen C18-Band „No Remorse“ „eigenen Angaben zufolge persönlich vom ‚Chef von Combat 18-England‘“821 erhalten habe. Marko Gottschalks Lebensgefährtin solle eng mit der Lebensgefährtin des Engländers befreundet sein.822 dd. Deutsche „Combat 18“-Fanzines Nach der Jahrtausendwende erschienen mehrere, konspirativ hergestellte deutsche Fanzines, die in ihrer Aufmachung und in ihren gegen die §§ 85, 85a und 130 StGB verstoßenden Inhalten Ähnlichkeit mit den zahlreichen in Großbritannien herausgegebenen „Combat 18“-Magazinen aufwiesen. Der Sachverständige Jan Raabe hat zu den Publikationen von „Combat 18“ und der durch diese propagierten Ideen ausgeführt: „Wenn man sich die Publikationen anguckt aus diesem Bereich ‚Combat 18‘, der Organisation von ‚Combat 18‘, dann finden wir hier die Verbreitung von Terrorkonzepten. Hier finden wir die Beschreibung von Zellenstrukturen. Hier finden wir die Propagierung des sogenannten ‚Leaderless Resistance‘, also von Konzepten, die sagen: Wir müssen den Rassenkrieg lostreten; wir müssen anfangen zu morden; wir müssen anfangen, Waffen zu besorgen. All das war quasi in dieser „Combat-18“-Szene, die sich mit so einem Gewalthabitus umgeben hat. Das war die Szene, in der sich das gehäuft abspielte, wo das omnipräsent war. Also, da hatte man nicht nur Hakenkreuze, die da auch sind, sondern immer Waffen, Waffen, Waffen. Das war quasi das Label ‚Combat 18‘, wobei man sagen muss: Teilweise hatte man das Gefühl, dass ‚Combat 18‘ nicht nur eine Organisation ist, sondern dass dieses Bild, was ‚Combat 18‘ von sich selber vermittelte – also das des Rassenkrieges, das des Rechtsterrorismus –, auch genutzt wurde von Personen und kleinen Gruppierungen, die nicht im direkten Kontakt zu der Organisation „Combat 18“ standen, also in dem Sinne nicht authentifiziert waren von der Mutterorganisation ‚Combat 18‘.“823 (1) Das Fanzine „Combat 2000“ In den Jahren 2000 und 2001 wurden drei Ausgaben eines Heftes mit dem Namen „Combat 2000“ veröffentlicht, deren Herausgeber aus dem südlichen Brandenburg stammten.824 Das Logo des Fanzines zeigte ein Hakenkreuz, das teilweise von einem Totenkopf verdeckt wurde, wie er sowohl von der Totenkopf Division der Waffen-SS verwandt wurde als auch im Logo von „Combat 18“ zu finden ist. Im Editorial der ersten Ausgabe hieß es: „Wir haben den Namen Combat 2000 gewählt, weil der Kampf um unsere Sache im neuen Jahrtausend weiter gegen muss, stärker als je zuvor! Wir dürfen nicht eher ruhen, bevor unser Land aus den Krallen der Imperialistischen, Kommunistischen, Jüdischen, Deutschfeindlichen Herrschaft gerissen ist. Egal wieviele Opfer es kostet, wir müssen und werden kämpfen bis zum letzten Blutstropfen! Tod allen Feinden unseres Landes und unserer Rasse! […] Der Kampf geht weiter, absofort herrscht Krieg! Leistet Widerstand bis zum letzten!“825 820 821 822 823 824 825 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. März 2005, A13399 S. 138 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 19. Dezember 2005, A14088, S. 35 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRWvom 19. Dezember 2005, A14088, S. 36 (VS-nfD). Raabe, APr 16/1154 S. 7. Vermerk des BKA vom 10. September 2001, A54567 S 147. Fanzine „Combat 2000“, Nr. 1, A95372 S. 2. 181 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In der Erstausgabe wurden Anleitungen für den Bau einer mit Schwarzpulver gefüllten Rohrbombe, einer Kalzium-Karbid-Bombe sowie zur „Herstellung von berührungsempfindlichen Sprengstoff“ und zum „Bau einer Backpulverbombe“ abgedruckt.826 In dem Heft fand sich auch ein, laut Vorspann, nachgedruckter Artikel aus dem Jahr 1997 mit dem Titel „The rise and fall of Combat 18“, der die wechselhafte Geschichte des britischen „Combat 18“ mit großer Sympathie für das militante Vorgehen der Gruppe erzählte. Der Artikel endete mit den Worten: „Heutzutage wird der Name C18 von Leuten benutzt, welche niemals Bestandteil des orginalen C18`s waren. Ich meine, dass eine Combat Gruppe welche keine Aktionen macht sich zurückziehen sollte. Lasst uns an all die gute Arbeit von C18 denken, nicht an die Musikstreiterein und aus den Aschen wird eine neue jüngere Gruppe auferstehen.“ 827 Die erste Ausgabe enthielt auch einen Artikel zur Geschichte des Ku Klux Klan, die Rückseite des Heftes zeigte das Foto eines Erhängten, vor dessen Brust ein Schild mit einem Davidstern hing. In der zweiten Ausgabe von „Combat 2000“ aus dem Jahr 2001 veröffentlichten die Herausgeber des Heftes die Adressen von zehn jüdischen Einrichtungen in ost- wie westdeutschen Städten. Dass diese Veröffentlichung zu Anschlägen anregen sollte, zeigte die auf derselben Seite abgedruckte Aussage: „Man kann bei diesen Adressen auch was anderes machen, als sich zu informieren!!!“ 828 Unter dieser Handlungsaufforderung war ein Foto abgedruckt, das mit den Worten „Dies ist die Synagoge in Düsseldorf nach einem Anschlag“ kommentiert wurde.829 Der apabiz e.V. informierte die Öffentlichkeit in der Ausgabe 2/2001 seines Rundbriefes „monitor“ über das Heft und die darin enthaltenen Drohungen.830 Das BfV informierte 2001 das BKA über die in dem Fanzine verbreitete Liste, woraufhin dieses am 11. September 2001 dem LKA NRW wegen der betroffenen Einrichtungen aus Wuppertal und Bonn eine entsprechende Information zukommen ließ.831 Aus Quellenschutzgründen bestand das BfV darauf, dass die Liste in ihrer Gesamtheit ebenso wenig weitergegeben wurde wie die Tatsache, dass selbige im Fanzine „Combat 2000“ veröffentlicht worden war.832 Deshalb hieß es im Telefax an das LKA NRW lediglich, dass das BfV Erkenntnisse erlangt habe, dass in der rechtsextremistischen Szene eine Liste mit Anschriften jüdischer Einrichtungen kursiere, nähere Angaben aber nicht gemacht werden könnten. Eine konkrete Gefährdung der Einrichtungen sehe das BfV nicht, es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass „fanatisierte Einzeltäter sich möglicherweise ermutigt sehen, Anschläge gegen die Einrichtung zu begehen.“833 Auch in der zweiten und dritten Ausgabe von „Combat 2000“ wurden Anleitungen für den Bau von Sprengsätzen, Zündern und Molotow-Cocktails sowie zur Herstellung von explosiven Stoffen veröffentlicht. Der aus dem brandenburgischen Cottbus stammende und mit dem Herausgeber des Fanzines „United Skins“ und „Combat 18“-Sympatisanten C. S. bekannte Zeuge Toni Stadler hat Kenntnisse über die Herstellung des Fanzines „Combat 2000“ abgestritten.834 826 827 828 829 830 831 832 833 834 182 Fanzine „Combat 2000“, Nr. 1, A95372 S. 13 f. Fanzine „Combat 2000“, Nr. 1, A95372 S. 25. Fanzine „Combat 2000“, Nr. 2, A95373 S. 53. Fanzine „Combat 2000“, Nr. 2, A95373 S. 53. Rundbrief des apabiz e.V. in Monitor Ausgabe 2./2001, A95390. Telefax des BfV vom 11.September 2001, A54567 S. 155 (VS-NfD). Vermerk des BKA vom 10. September 2001, A54567 S. 147. Telefax des BfV vom 11.September 2001, A54567 S. 155 (VS-NfD) Stadler, APr 16/1263 S. 76 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (2) Das „Totenkopf Magazin“ Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt Anfang des Jahres 2003 erschien die als „Nummer 3“ gekennzeichnete Ausgabe eines weiteren deutschsprachigen Fanzines mit starken „Combat 18“-Bezügen. Das konspirativ hergestellte „Totenkopf Magazin“ warb bereits auf dem Cover mit dem Slogan „Aufrufe zur Gewalt“ und zeigte Hakenkreuze und SS-Symbolik.835 Im Heft fanden sich neben „Aktionsberichten“ über rechtsradikale Demonstrationen auch Artikel, welche die SS und den Nationalsozialismus verherrlichten, antisemitische Hetze verbreiteten oder sich über „Rassenschande“ ausließen. Die einzige Werbeanzeige im Heft warb für das „Blood & Honour Scandinavia“-Label „Celtic Moon“ aus Dänemark.836 Weiter enthielt die Ausgabe die Übersetzung eines in der zweiten Ausgabe des englischen „Stormer“ veröffentlichten Artikels, der Anweisungen enthielt, wie die die Strategie des „leaderless resistance“ durch die Bildung unabhängig voneinander agierender Zellen von „Combat 18“ umzusetzen sei.837 (3) Hinweise auf Produzenten des „Totenkopf Magazin“ Wie viele weitere Ausgaben des „Totenkopf Magazins“ erschienen sind, kann nicht gesichert festgestellt werden. Den vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass seitens des BKA lediglich die erwähnte Ausgabe Nr. 3 ausgewertet wurde. Allerdings wurden am 4. Februar 2004 bei einer Hausdurchsuchung des im schleswig-holsteinischen Neustadt wohnenden A. H. nicht nur zwei Exemplare des „Totenkopf Magazin Nr. 3“, sondern ebenfalls zwei Exemplare der zweiten Ausgabe sichergestellt.838 Bei der Auswertung des beschlagnahmten PC des A. H. fanden die Ermittler zudem ein Dokument mit dem Titel „Totenkopfmagazins Nr. IV winter“, dass die Titelseite einer vierten Ausgabe des „Totenkopf Magazins“ zeigte.839 Nach Erkenntnissen des Ausschusses ist keine vierte Ausgabe des Fanzines veröffentlicht worden. Das BKA wertete 2008 die Daten des PC im Rahmen eines anderen Strafverfahrens erneut aus und fand zahlreiche Indizien dafür, dass A. H. unter dem Pseudonym „Peter Pan“ aufgetreten war und das Layout des Booklets der CD „Geheime Reichsache“ der Band „Kommando Freisler“ erstellt hatte. Im Booklet der CD dankte die Band “Peter Pan & Totenkopf Zine“. Das BKA fand zudem zahlreiche weitere Hinweise auf eine Nähe von A. H. zu „Combat 18“.840 So fand sich auf dem PC auch ein WordDokument, das eine deutsche Übersetzung des Textes „How to build a Dave Copeland Special“ aus dem englischen C18-Fanzine „Stormer“ No. 2 enthielt. Der Text enthielt die Anleitung zum Bau einer Nagelbombe.841 Anlass für die Ermittlungen gegen A. H. und zwei Mitbeschuldigten war der Verdacht, dass diese einen Versandhandel gegründet hätten, der gewaltverherrlichende und volksverhetzende CDs von Skandinavien nach Deutschland einführen wolle und die Stellung des dänischen Versandes „Celtic Moon“ einnehmen solle.842 Dieses Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung wurde durch dieStA Lübeck am 3. März 2005 gemäß § 170 StPO eingestellt.843 Die polizeilichen Errmittlungen ergaben, dass die Tatverdäch- 835 836 837 838 839 840 841 842 843 Totenkopf Magazin, Nr.3, A54562 S. 200 (VS-nfD). Totenkopf Magazin, Nr.3, A54562 S. 212 (VS-nfD). Totenkopf Magazin, Nr.3, A54562 S. 208 f. (VS-nfD). Zwischenbericht der Bezirkskriminalinspektion Lübeck vom 23. April 2004, A54585 S. 100. Zwischenbericht der Bezirkskriminalinspektion Lübeck vom 23. April 2004, A54585 S. 104. Vermerk des BKA vom 10. Juli 2008, A54584 S. 216 f. Vermerk des BKA vom 10. Juli 2008, A54584 S. 203, 225 ff. Schlussbericht des LKA Schleswig-Holstein vom 28. Dezmeber 2004, A54585 S. 115. Einstellungsverfügung der StA Lübeck vom 3. März 2005, A54585 S. 135 ff. 183 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 tigen persönlichen Kontakt zu den dänischen Betreibern des „Celtic Moon“ hatten. Sie standen auch in Kontakt zu dem Betreiber des Rhein-Ruhr-Versands aus Bochum, von dem sie größere Mengen CDs bezogen.844 Eine weitere Verbindung dieses Personenkreises aus Schleswig-Holstein nach Dortmund ergibt sich über die Band „Rassenhass“, in welcher nach Erkenntnissen der Polizei Lübeck der Mitbeschuldigte K. S. spielte. Bei „Rassenhass“, die ihre 2004 indizierte CD über „Celtic Moon“ vertrieben, spielte zum gleichen Zeitpunkt auch M. E.845, welcher nach Aussage der Sachverständigen Andrea Röpke mittlerweile als Gitarrist bei „Oidoxie“ eingestiegen sein soll.846 Am 8. November 2003 war „Oidoxie“ für ein Konzert mit „Kommando Freisler“ und „Rassenhass“ im niederländischen Eindhoven angekündigt.847 Aus „Rassenhass“, die 2002 und 2004 auf zwei indizierten „Blood & Honour“-Samplern vertreten waren, ging die Band „Words of Anger“ hervor.848 Die Liedtexte von „Rassenhass“ enthielten rassistische und antisemitische Inhalte.849 In einem Interview mit dem Fanzine „Unsere Welt“ bekannte sich der Mitbeschuldigte M. E. 2004 als Sympathisant von „Combat 18“.850 (4) Das Fanzine „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ Vermutlich Ende des Jahres 2002 erschien ein deutschsprachiges Magazin, das sogar den Namen des britischen „Combat 18“-Magazins übernahm und sich „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ nannte. Auch das schlichte schwarze Cover mit einem großen SS-Totenkopf kopierte den britischen „Stormer“, welcher zunächst als Magazin von „Combat 18“ erschienen war und dann durch die „Combat 18“-Abspaltung „Racial Volunteer Force“ (RVF) herausgegeben wurde. Das BKA vermerkte in einem Auswertebericht zur Gruppierung „Combat 18“, dass der Brite Mark Atkinson, der als Vertrauter des „Combat 18“-Führers Will Browning und als mutmaßlicher Gründer der „Racial Volunteer Force“ bezeichnet wird, mutmaßlich für die Herstellung und Verbreitung des Fanzines verantwortlich sei, das über ein von einem belgischen Neonazi angemeldetes Postfach in Brügge vertrieben worden sei. Mark Atkinson wurde nach Erkenntnissen des BKA 1997 wegen der Herstellung und Verbreitung des Fanzines zu einer Haftstrafe von 21 Monaten verurteilt.851 Die britische Tageszeitung „The Guardian“ berichtete, dass ein britisches Gericht im November 2005 fünf Neonazis wegen der Herstellung und Verbreitung des „Stormer“ zu Haftstrafen zwischen neun Monaten und fünf Jahren verurteilt habe. Die höchste Strafe erhielt Mark Atkinson. Das Gericht urteilte, dass der „Stormer“ seine Leser und Leserinnen zur Gewalt gegen Menschen mit einem nicht-weißen Hintergrund aufstachele.852 In der zweiten Ausgabe hatten die Herausgeber nicht nur die Bombenanschläge von David Copeland verherrlicht, sondern auch eine Anleitung zum Bau einer Nagelbombe veröffentlicht, die mit dem Hinweis versehen war, dass die Nägel in Pferdedung getaucht werden sollten, damit sie infektiöse Verletzungen verursachen.853 844 845 846 847 848 849 850 851 852 853 184 Zwischenbericht der Bezirkskriminalinspektion Lübeck vom 23. April 2004, A54585 S. 103. Zwischenbericht der Bezirkskriminalinspektion Lübeck vom 23. April 2004, A54585 S. 102 f. Röpke, APr 16/872 S. 21. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 19. Erkenntniszusammenstellung „Words of Anger“ 2012, A10390 S. 23. Erkenntniszusammenstellung „Words of Anger“ 2012, A10390 S. 22. Erkenntniszusammenstellung „Words of Anger“ vom 30. Oktober 2012, A10390 S.13, 22. Auswertebericht des BKA vom 16. September 2015, A54259 S. 496 f. (VS-nfD). Artikel „Five jaikled for race hate crimes“ in The Guardian vom 4. November 2005, A95391. Auszug „How to build a Dave Copeland Special“ aus „Stormer“ Nr. 2, A12283 S. 17. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Vorwort des deutschsprachigen „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ führten die unbekannten Herausgeber aus: „Unser Leitbild ist die englische Ausgabe, aus der wir deshalb auch einige Artikel übernommen haben. Wir wollen allerdings mehr als nur eine bloße Kopie sein, deshalb befinden sich überwiegend eigene Artikel in diesem Heft. Der Sinn unseres Heftes ist aber derselbe, welcher auch schon unsere englischen Kameraden beseelte: Unsere Länder werden regiert von denselben jüdischen Untermenschen, deren einziges Ziel es ist die weiße Rasse zu zerstören und den letzten Tropfen arischen Blutes versiechen zu lassen. Die jüdischen Ratten und ihre demokratischen Marionetten machen sich jeden Tag aufs Neue schuldig, am der fortschreitenden Vernichtung unserer Rasse. Es liegt an uns, die jüdische Demokratie und alle ihre Auswüchse zu vernichten. Egal wo egal wie. Es ist Zeit für Taten!“854 Inhaltlich ähnelte das Heft dem „Totenkopf Magazin“ und „Combat 2000“. Es fanden sich ein antisemitischer Artikel, der „Tot dem Weltjudentum“ forderte, ein Aktionsbericht über den „Rudolf-Hess-Marsch“ in Wunsiedel, Tipps wie die „Anti-Antifa“-Arbeit durchgeführt werden kann und eine Anzeige des dänischen Labels „Celtic Moon“. Zudem wurden CDs von „Combat 18“-nahen Bands besprochen, darunter auch die CD „Weisse Wut“ der nordrhein-westfälischen Band „Weisse Wölfe“, die als „C18 Hausband“ bezeichnet wurde.855 Nicht nur die im Heft abgedruckten martialischen Bilder von Waffen oder Bewaffneten belegen die militante Ausrichtung der Herausgeber, auch mehrere Artikel befassen sich mit den Möglichkeiten eines gewaltsamen Vorgehens. Im Artikel „Aktivismus“ rät ein unbekannter Autor den Lesern und Leserinnen, mit kleineren Aktionen zu beginnen, an denen eine Gruppe und ihr Umfeld wachsen könne: „Eine Sprühaktion an den Haustüren der hiesigen Lokalpolitiker verbreitet Angst und das Gefühl der Verantwortlichkeit für ihre Taten. Mit solchen Aktionen könnt ihr mehr erreichen als mit dem normalen sprühen von Hakenkreuzen an Asylantenheimen.“856 Gelängen diese Aktionen, werde die ausführende Gruppe bald in der Lage sein, weitere ausgereifte Aktionen folgen zu lassen, folgerte der unbekannte Autor des Artikels.857 Die im wenige Seiten später abgedruckten Artikel „Whatever it takes“ formulierten Handlungsempfehlungen wiesen über diese Ausführungen hinaus: Hier wurde eine gewaltsame Strategie entwickelt, die reflektierte, dass „ein ‚militantes und bewaffnetes Vorgehen‘ gegen diesen Staat und seine Vassallen keinerlei Erfolgsaussichten hätte“, da ein „Hinterland“ für kämpfende Gruppen fehlen würde und folglich „Knast oder der Opfertod […] vorprogrammiert“ seien.858 Auf diese Analyse der aktuellen Situation aufbauend, entwickelten die Autoren eine Strategie, die große Ähnlichkeit mit der Mordserie des NSU aufweist: „Dennoch braucht man nicht untätig zuzuschauen. Die Zeit für Aktionen ist längst gekommen. Allerdings greift man nicht ZOG direkt an! Gegner und Volksfeinde gibt es genug. Um die Risiken aber überschaubar zu halten und dennoch die richtigen Schweine zu treffen, werden die Prioritäten ganz niedrig angesetzt. Nicht mehr die Staatsanwälte, Richter oder Systempolitiker sind das Ziel. Antifas, Drogendealer, ausländische Zuhälter 854 855 856 857 858 „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 271. „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 276. „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 272. „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 272. „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 279. 185 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und Kriminelle, sowie der ein oder andere Kleinunternehmer der vorwiegend billige ausländische Arbeitskräfte beschäftigt, werden und sollten von nun an ins Visier genommen werden. Der Vorteil wäre auch, das niemand darum heulen würde wenn es ab und an mal einen Zuhälterkanacken oder Dealer treffen würde. Auch der Fahndungsdruck durch ZOG wäre nicht sehr groß.“859 Die Autoren empfehlen ausländische „Drogendealer“ und „Zuhälter“ zu erschießen, denen zusätzlich noch das Bargeld entwendet werden könnte. „Antifas“ sollten aufgrund befürchteter Ermittlungen der Polizei nach „Rechts“ nur „gelegentlich geplättet“ werden.860 Als „Bibel des praktischen Widerstands“ preist der „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ die Schrift „Der totale Widerstand“ des Schweizer Majors von Dach an, die Anleitungen für einen Guerillakrieg gegen eine Besatzungsmacht gibt und Hinweise zu Sprengstoffanschlägen und Erschießungen bereithält.861 (5) Verbreitung des „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ in NRW Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW kursierte der „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ ab 2003 in der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene. Dem Verfassungsschutz NRW lag die deutsche Ausgabe des „Stormer“ spätestens im November 2003 vor.862 Im April 2003 wurde beim Kameradschaftsabend der „Kameradschaft Dortmund“ das Magazin „C18-Stormer“ verteilt.863 Auch in der „Kameradschaft Aachener Land“ kursierte das Heft.864 Am 15. Mai 2004 wurde im Hausflur eines Mehrfamilienhauses in Duisburg, in dem der Duisburger NPD-Kreisvorsitzende wohnte, die deutsche Fassung des „C18-Stormer“ gefunden.865 Zum Verbreitungsgrad des Fanzines hat der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname) aus Sicht des BfV ausgeführt: „Nach damaliger Erkenntnis hat das innerhalb der Szene keinen großen Verbreitungsgrad gehabt. Also, es hatten verschiedene Personenzirkel, wie auch immer, gehabt. Es war auch relativ schwer dranzukommen. Ich kann Ihnen jetzt keine Zahlen nennen, wie viele Exemplare da innerhalb der Szene kursierten. Es kann aber nicht viel gewesen sein, weil die Streuung relativ gering war.“866 Über die Verbreitung des Heftes in NRW konnte er keine Angaben machen.867 (6) Hinweise auf Produzenten des „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ Den vorliegenden Akten ist nicht zu entnehmen, dass das PP Dortmund oder der Verfassungsschutz NRW Ermittlungen betreffend der Urheber des Fanzines „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ geführt haben, obwohl ihnen bekannt war, dass Marko Gottschalk Kontakt zu Mark Atkinson, dem Herausgeber des englischen „Stormer“, hatte und von diesem in einer Textnachricht im April 2003 aufgefordert worden ist, ihm einen Kontakt zu dem Herausgeber der deutschsprachigen Ausgabe zu vermitteln.868 859 860 861 862 863 864 865 866 867 868 186 „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 279 f. „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 280. „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 273. De la Chevallerie, APr. 16/1184 S. 53; Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. November 2003, A14909 S. 4 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 8. April 2003, A13731 S. 124. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. November 2003, A14909 S. 4 f. (VS-nfD). Mitteilung des PP Köln vom 1. Juli 2004, A13409 S. 17 f. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 52. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 53. Auswertung des Mobiltelefons des Marko Gottschalk, A24753 S. 166 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Trotz dieser Kenntnis ist nach Aussage des Zeugen Robert Preuß, der die Ermittlungen in dem Verfahren geleitet hat, in dem diese Hinweise bekannt geworden sind, kein gesondertes Ermittlungsverfahren gegen die Herausgeber des „Stormer“ ausgetrennt und eingeleitet worden. Ihm hätten keine Hinweise vorgelegen, dass dieses Magazin aus der Dortmunder Szene gekommen sei und die Hersteller oder Vertreiber des Heftes seien ihm nicht bekannt geworden.869 Der Zeuge Robert Preuß konnte nicht angeben, ob ihm der „Stormer“ für die Arbeit der von ihm geleiteten Projektgruppe „Skinbands“ vorgelegen habe.870 Im Abschlussbericht des Projektes wird das Fanzine nicht erwähnt. Der Zeuge Sebastian Seemann hat ausgesagt, dass er nicht wisse, wer die Hersteller und Vertreiber des Fanzines waren.871 Der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname), Mitarbeiter des BfV, hat ausgesagt, er glaube, das Heft sei im Ausland, vermutlich in Dänemark, hergestellt worden.872 Das Erscheinen des „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ wurde auch in der Öffentlichkeit registriert. So wandte sich ein Journalist am 9. August 2003 in einer Anfrage an den Verfassungsschutz NRW, in der er auf die deutsche Fassung des „Stormer“ und eine ebenfalls neue Rubrik „Combat 18 Deutschland“ auf der C18-Website hinwies und nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW über „Combat 18“-Strukturen in NRW sowie nach Neonazis aus NRW mit Kontakten zu „Combat 18“-Aktivisten fragte.873 Die antifaschistische Zeitschrift „Lotta“ berichtete in ihrer Frühjahrsausgabe 2003 ebenfalls über das deutschsprachige „Stormer“-Fanzine, das als „Blatt des deutschen ‚Combat 18‘“ bezeichnet wurde.874 (7) Bewertung der Fanzines „Stormer“ und „Totenkopf Magazin“ durch den Verfassungsschutz Die Verfassungsschutzbehörden maßen den Fanzines keine große Bedeutung für die Neonaziszene zu. Nach mehreren Besprechungen im Verfassungsschutzverbund veröffentlichte das BfV in seiner Publikation „BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21“ die folgende Bewertung: „Die an C18 orientierten Schriften ‚Stormer‘ und ‚Totenkopf Magazin‘, die das Prinzip des ‚Ieaderless resistance‘ propagieren, sind zwar in der deutschen rechtsextremistischen Szene bisher nicht in großem Umfang verbreitet. Entsprechende Aufrufe, die C18 in Form eines ‚Ieaderless resistance‘ propagieren, finden sich allerdings auch auf allgemein zugänglichen, von Briten betriebenen Homepages von C18 und der ‚Racial Volunteer Force‘ (RVF). Diese Aufrufe vermitteln den Adressaten allerdings keine Handlungsanweisungen für gezielte Aktionen. Ebenso enthält auch das im Internet abrufbare C18Handbuch kaum Anleitungen zur Umsetzung der Strategien. Die ‚Ausarbeitung ‚Practical Revolution - Guidelines For White Survival‘, die im ‚Totenkopf-Magazin‘‘ übersetzt wurde, bleibt gleichfalls weitestgehend im Allgemeinen verhaftet.“875 Das „BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21“ wurde sowohl den Verfassungsschutzbehörden der Länder als auch interessierten Polizeibehörden zur Verfügung gestellt.876 869 870 871 872 873 874 875 876 Preuß, APr 16/1160 S. 25. Preuß, APr 16/1160 S. 25. Seemann, nöAPr 16/230 S. 59. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 52. Anfrage eines Journalisten vom 9. August 2003, A13408 S. 3 ff. Artikel „Terrormachine Combat 18“ in Lotta Nr. 12 Frühjahr 2003, A13408 S. 120. BfV Spezial Rechtextremismus Nr.21, A72476 S. 37 (VS-nfD). Appenroth (Arbeitsname), nöAPr. 16/210 S. 36 f. 187 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname), der als BfV-Mitarbeiter das Kapitel über „Combat 18“ im „BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21“ verfasst hatte, hat zum Inhalt des „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ ausgesagt: „Das ist reine ‚Combat-18‘-Diktion. Das ist ja nicht nur in dem Fanzine ‚Stormer‘, also der deutschen Ausgabe; diese Diktionen finden Sie in den englischsprachigen Ausgaben auch, teilweise noch krasser. Das ist ja das, was ich eingangs erwähnte, dieses militante Gerieren. Das findet natürlich auch in den Veröffentlichungen Niederschlag.“877 ee. Straftaten und Ermittlungsverfahren mit C18-Bezug (2002-2005) Im zeitlichen Zusammenhang mit den Veröffentlichungen der „Combat 18“-Fanzines mehrten sich in Deutschland Straftaten, die unter Bezugnahme auf das Label „Combat 18“ begangen wurden. Das BKA hielt in einem Auswertebericht fest: „Seit dem Berichtsjahr 2002 sind dem BKA – 128 – polizeiliche Meldungen mit mutmaßlichen Combat 18 Bezug in Deutschland bekannt. Es handelt sich dabei um Sachverhalte in den Bundesländern Baden-Württemberg (34), Bayern (11), Berlin (6), Brandenburg (8), Hamburg (3), Hessen (4), Mecklenburg-Vorpommern (7), Niedersachsen (5), Nordrhein-Westfalen (15), Rheinland-Pfalz (2), Saarland (3), Sachsen (7), Sachsen-Anhalt (4), Schleswig-Holstein (15) und Thüringen (4) [Stand: 28. September 2005].“878 Bei den Straftaten handelte es sich laut BKA überwiegend um Sachbeschädigungen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie um Drohungen.879 Das BKA wertete die Straftaten in Pinneberg und Backnang nicht als Belege auf eine Zugehörigkeit der Täter zu „Combat 18“ und für die Existenz eines deutschen C18-Netzwerks: „Bislang herausragend waren die Sachverhalte zu den Feststellungen in Backnang/BW in 2003 und das Ermittlungsverfahren gegen die Gruppierung ‚Combat 18 Pinneberg‘ in Pinneberg/SH in 2002-04. Die Ermittlungen zu Straftaten in Raum Backnang/BadenWürttemberg richten sich gegen Angehörige der dort aktiven regionalen rechten Szene. Eine Straftatenserie im Raum Backnang/BW konnte im Rahmen der Ermittlungen zu einem Brandanschlag auf einen türkischen Kultur- und Jugendverein in Murrhardt/BW am 17.10.2003 aufgeklärt werden. Die Ermittlungen dauern an. Überregionale Verbindungen der Tatverdächtigen zu anderen Gruppierungen sind bisher nicht erkennbar. Die Bezeichnung ‚Combat 18‘ wurde offenbar aus taktischen Gründen genutzt. Sie wurde nicht als Name einer bestehenden Organisation ausgewählt.“ 880 (1) Straftaten mit „Combat 18“-Bezug in NRW Genauere Informationen zu den 15 in Nordrhein-Westfalen verübten Straftaten mit „Combat 18“-Bezug sind dem vorliegenden Aktenmaterial nicht zu entnehmen. Aus den Akten ergeben sich lediglich Hinweise auf einzelne Taten in NRW. So regte ein Schreiber im Forum von „combat18.org“ 2004 einen Sprengstoffanschlag auf die Synagoge in Bochum an.881 Zur gleichen Zeit wurden in demselben Forum Adressen von linken Einrichtungen und Kulturzentren aus dem Ruhrgebiet gesammelt.882 877 878 879 880 881 882 188 Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 52. Auswertebericht des BKA vom 16. September 2015, A54258 S. 500 (VS-nfD). Auswertebericht des BKA vom 16. September 2015, A54258 S. 500 (VS-nfD). Auswertebericht des BKA vom 16. September 2015, A54258 S. 507 (VS-nfD). Schreiben des PP Bochum vom 2. November 2004, A13409 S. 27 f. Schreiben des BfV vom 27.Juli 2004, A13409 S. 20 ff. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Juni 2004 gab es Hinweise darauf, dass sich in Waltrop „eine rechtsextremistische Jugendgruppe unter der Bezeichnung ‚Combat 18‘ gebildet habe“, die eine „Aktion gegen den jüdischen Friedhof in Waltrop“ plane.883 Im Februar 2004 meldete der Polizeiliche Staatsschutz des PP Recklinghausen eine Website einer Sektion „Combat 18 Kirchhellen“, deren Betreiber nicht ermittelt werden konnte. Der Polizeichliche Staatsschutz des PP Recklinghausen teilte mit, dass der Dienststelle keine Person bekannt sei, „die für die Einstellung der Seite ins Netz in Frage kommt.“884 (2) „Combat 18 Pinneberg“ Die größte öffentliche Aufmerksamkeit erregten die Ermittlungen gegen die „Combat 18 Pinnenberg“, deren Mitglieder seitens der schleswig-holsteinischen Behörden u. a. verdächtigt wurden, eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB gebildet zu haben. Am 28. Oktober 2003 durchsuchte die Polizei in Schleswig-Holstein die Wohnungen mehrerer mutmaßlicher Mitglieder. Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem Gutachten zu „Combat 18 Pinneberg“ ausgeführt: „Die Kameradschaft Pinneberg um […] trat ab etwa 2002 auch als „Combat 18 Pinneberg“ auf. Die Gruppe organisierte Konzerte, handelten mit CDs und sammelte Namen, Anschriften und Fotos von AntifaschistInnen, PolitikerInnen und GewerkschafterInnen. Zumindest ein Teil der Mitglieder hatten eine Billardkugel mit einer „28“ tätowiert, in der Szene ein Code für BH / Blood & Honour. Im Rahmen der Durchsuchungen gegen die Gruppe wurde nicht nur ein C18-Transparent, sondern u.a. eine scharfe Waffe mit 100 Schuss Munition und Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff gefunden […] Außerdem lassen sich Verbindungen der C18-Gruppe in Pinneberg zur dänischen B&HSektion nachweisen.“885 Im Zusammenhang mit „Combat 18 Pinneberg“ ermittelte die Polizei auch gegen den in Schleswig-Holstein wohnhaften P.B., der unter anderem die Waffen für die Gruppe besorgt haben soll und auch über Kontakte nach Dortmund verfügte. Er trat am 16. Dezember 2000 auf einer Demonstration unter dem Motto „Gegen Polizeiwillkür und Medienhetze“ als Redner auf und war auf einer neonazistischen Demonstration gegen die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ am 18. Oktober 2003 in Dortmund als Redner angekündigt.886 Die Nummer dieses Mitglieds von „Combat 18 Pinneberg“ war zudem im Telefonbuch eines Mobiltelefons von Marko Gottschalk abgespeichert.887 Die StA Flensburg ermittelte im Zusammenhang mit „C18 Pinneberg“ insgesamt gegen 52 Beschuldigte aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen. Bei 23 Beschuldigten wurden am 28. Oktober 2003 Wohnungsdurchsuchungen durchgeführt: „Es wurden u.a. umfangreiche schriftliche Unterlagen und Personalcomputer, insgesamt 5 scharfe Revoler, dazugehörige Munition und eine Pumpgun sichergestellt.“888 Das LKA Schleswig-Holstein führte auf einer vom BKA veranstalteten Arbeitstagung im November 2003 zu „Combat 18 Pinneberg“ aus: 883 884 885 886 887 888 Schreiben des BfV vom 23. Juni 2004, A13409 S. 11. Schreiben des PP Recklinghausen vom 17. Februar 2004, A13408 S. 64. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 6 f. Schreiben des PP Dortmund vom 15. Oktober 2003, A13734 S. 57 (VS-nfD); Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 6 f. Auswertung eines Mobiltelefon von Marko Gottschalk, A24753 S. 177. Schreiben des BKA vom 28. Oktober 2003, A54567 S. 206. 189 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Bei ‚C18 Pinneberg‘ handelte es sich um eine lokale Gruppierung, die sich aus der Kameradschaft Pinneberg entwickelt hatte, ein Teil der Mitglieder war zuvor bereits in der ‚Sektion Nordmark‘ der verbotenen Organisation ‚B&H Divison Deutschland‘ aktiv. Die Aktionsfelder von ‚C 18 Pinneberg‘ lagen in Erpressungen von Tätowierstudios und rechtsextremistischen Versandhandeln, Aktionen gegen Aussteiger, der Sammlung von Informationen im Zusammenhang mit der ,Anti-Antifa‘, dem Einsatz als Ordnungs- und Sicherheitskräfte, gemeinsamen Treffen und Veranstaltungen sowie dem CD-Verkauf bei Konzerten. Die Straftaten umfassten Verstöße gegen das WaffG, räuberische Erpressung, Anleitung zu Straftaten, Volksverhetzung, Gewaltdarstellung sowie Propagandadelikte. ,C18 Pinneberg‘ zeichnete sich durch eine hohe Gewaltbereitschaft aus. Die Gruppierung hatte sich die Idee von ‚C18‘ im Hinblick auf Militanz und Bewaffnung zu Eigen gemacht, um in der Szene und gegenüber politischen Gegnern eine Drohkulisse aufzubauen. Die Strukturen der ‚B&H Sektion Nordmark‘ sollten aufrechterhalten werden. Über einzelne Mitglieder bestanden Verbindungen in andere Bundesländer und in das Ausland. Hinweise auf bundesweite Strukturen bzw. ein ,C 18‘-Netzwerk liegen nicht vor. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens zeigten insbesondere die Führungspersonen ein stark konspiratives Verhalten.“889 Dem Beschuldigten P. B., bei dem die Polizei die Mehrzahl der aufgefundenen Schusswaffen sicherstellte, wurde Handel mit Waffen vorgeworfen. Das BfV vertrat auf dieser Arbeitstagung die Auffassung, das P. B. kein Mitgleid von „Combat 18“ sei: „Auf Nachfrage führte BKA aus, dass bei […] dem Anführer von ‚Combat 18 Pinneberg‘ lediglich ein Revolver mit entsprechender Munition gefunden wurde. Die restlichen Waffenfunde sind dem [P. B.] und dem allgemein-kriminellen Personenkreis zuzurechnen. Darüber, dass [P. B.] kein Mitglied von Combat 18 ist, sondern lediglich persönliche Kontakte zu […] und […] hatte, bestand bei allen Teilnehmern Einvernehmen. Ebenso sind keine Verbindungen zwischen dem Umfeld des Club 88 und C 18 bekannt.“890 (3) Reaktionen auf die Polizeiaktion gegen „Combat 18 Pinneberg“ Auf der Website „combat18.org“ wurden die Polizeimaßnahmen gegen „Combat 18 Pinneberg“ in einem deutschsprachigen Beitrag als Angriff auf eine „autonome Zelle“ des „Combat 18“-Netzwerks dargestellt und zugleich deutlich gemacht, dass die Zerschlagung einer Zelle nicht gleichbedeutend mit einer Zerschlagung der Strukturen insgesamt ist.891 Die unbekannten Autoren stellten die Polizeiaktionen in Schleswig-Holstein in einen Kontext mit Ermittlungen gegen die „Racial Volunteer Force“ (RVF) in England. Die Verfasser konstatierten, dass „nach dem Erscheinen der ersten Deutschen C18 Hefte (Totenkopf & Stormer)“ der Verfassungsschutz und die Antifa alarmiert und dass in der Folge eine „Medien-Hysterie“ zu verzeichnen gewesen sei.892 Der Artikel schloss mit den Worten: „C18 ist keine englischer Import mehr, C18 ist Deutsch, etabliert und in der logistischen Vorbereitung für den Kampf um unser Volk.“893 Die zur Illustration des Artikels genutzten Grafiken weisen einen Bezug zu NRW auf. Neben zwei Ausschnitten aus „Spiegel TV“ sowie den Logos der „Bild“-Zeitung und von „Report München“, wurde auch das Logo der nordrhein-westfälischen Zeitschrift „Lotta“ benutzt. Die 889 890 891 892 893 190 Ergebnisprotokoll des BKA vom 14. November 2003 in Meckenheim, A54499 S. 7 f. (VS-nfD). Ergebnisprotokoll des BKA vom 7.November 2003, A54567 S. 349 f. (VS-nfD). Beitrag auf combat18.org, A54562 S. 63 (VS-nfD). Beitrag auf combat18.org, A54562 S. 63 (VS-nfD). Beitrag auf combat18.org, A54562 S, 63 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zeitschrift aus dem Antifa-Spektrum berichtete 2003 ausschließlich über NRW und erschien nur in einer kleinen Auflage. Das BKA schrieb in einem Auswertungsvermerk zu diesem Interneteintrag, dass seit 2002 insgesamt zwei deutschsprachige Beiträge auf der Website „combat18.org“ festgestellt worden seien, die als „Stellungnahmen einer mutmaßlichen Gruppierung ‚Combat 18 Deutschland‘ bewertet werden könnten.“894 Der oben erwähnte Beitrag sei zwischen dem 18. Dezember 2003 und dem 2. Januar 2004 ins Internet gestellt worden, Informationen über die Urheber des Beitrags lägen nicht vor. Gleichwohl vermutete das BKA, dass die Verfasser „mutmaßlich Kontakte zu den Betreibern der britischen Internetseite besitzen [dürften], die sie in die Lage versetzen, deutschsprachige Beiträge selbst einzustellen oder einstellen zu lassen.“895 Der Artikel enthielt nach Einschätzung des BKA aber keine Details, die eine Zugehörigkeit oder Verbindungen der Verfasser zu „Combat 18 Pinneberg“ belegten. Die Gruppierung „C18 Pinneberg“ sei nach derzeitigem Verfahrensstand „gänzlich zerschlagen“, so die Bewertung des BKA.896 (4) Reaktionen auf die Friedhofsschändung in Neustadt / Schleswig-Holstein Bereits im Mai 2003 war auf der Website „combat18.org“ ein Text mit dem Titel „Aktionsrapport 05/03“ erschienen, der über eine Schändung eines jüdischen Friedhofs in Neustadt / Schleswig-Holstein berichtete. In der Nacht auf den 4. Mai 2003 war dort, vor eine Gedenktafel für KZ-Häftlinge, ein aufgeschlitztes Ferkel abgelegt worden. Auf der Tafel wurde mit Schweineblut das Kürzel „C18“ hinterlassen.897 In dem Text wurde die folgende Bekennung abgegeben: „Combat 18 Deutschland übernimmt für diese Tat die volle Verantwortung.“898 Neben dem Text waren die Fotos von drei Männern abgebildet, die als „Der Bürgermeister“, „Der Staatsanwalt“ und „Der Landrat“ bezeichnet wurden. Den Abgebildeten wurde mit den Worten „Wer dem Juden dient, ist Feind. Ihr seid die Nächsten“ gedroht. Dazu war neben den Wörtern „Die Antwort“ die Zeichnung eines mit einer Pistole bewaffneten Vermummten abgebildet.899 Das BKA hielt in einem Sprechzettel für einen an der „ND-Lage vom 15.07.03 im Bundeskanzleramt“ teilnehmenden Beamten des BKA über die Friedhofsschändung und die Bekennung durch „Combat 18 Deutschland“ fest, dass die Polizei in Lübeck vier deutsche Tatverdächtige ermittelt habe, von denen einer seinen ersten Wohnsitz und seine Arbeitsstelle in Schweden habe: „Nach Einschätzung der KPI Lübeck handelt es sich bei den Tatverdächtigen um Einzeltäter aus der regionalen rechten Szene, die sich vermutlich des Labels ‚C18‘ bedienten um eine Drohkulisse aufzubauen. Die Existenz einer Gruppierung ‚C18‘ in Deutschland bzw. ‚Combat 18 Deutschland‘ ist weder dem LKA Kiel noch dem Bundeskriminalamt bekannt. Des Weiteren gibt es keinen Zusammenhang mit der Gruppierung ‚C18 Pinneberg‘ […].“900 894 895 896 897 898 899 900 Vermerk des BKA vom 10. Februar 2002, A54562 S. 61. Vermerk des BKA vom 10. Februar 2002, A54562 S. 61. Vermerk des BKA vom 10. Februar 2002, A54562 S. 61. Sprechzettel des BKA vom 14. Juli 2003, A54562 S. 25; Internetausdruck, A13408 S. 2. Internetausdruck, A13408 S. 2. Internetausdruck, A13408 S. 2. Sprechzettel des BKA vom 14. Juli 2003, A54562 S. 25 f. 191 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Obwohl die Schändung des jüdischen Friedhofs in Neustadt noch nicht die Schwelle zum Terrorismus überschritt, stand die Aktion nicht in Widerspruch zum Vorgehen von „Combat 18“. Im Fanzine „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ wurde „Combat 18“-Zellen ausdrücklich empfohlen, mit kleineren Aktionen, wie Sachbeschädigungen und Bedrohungen von Lokalpolitikern, zu beginnen.901 Dem BKA wurde Ende November 2003 eine Ausgabe des deutschsprachigen „Stormer“ durch das BfV ausgehändigt. Ob dem BKA beriets im Juli 2003 eine Ausgabe des deutschsprachigen „Stormer“ vorlag, lässt sich aus den vorleigenden Akten nicht sicher feststellen.902 (5) Kritische Würdigung Parallel mit dem Erscheinen der Aufrufe zu Aktionen in den deutschen „Combat 18“-Fanzines mehrten sich auch Straftaten mit „Combat 18“-Bezug. In Schleswig-Holstein bestanden 2003 Gruppierungen, die sich selbst als Teil von „Combat 18“ begriffen. Wie die deutschsprachigen Texte auf der englischen Internetseite belegen, verfügte dieser Personenkreis über Kontakte zu britischen „Combat 18“-Vertretern. In den Texten ist auch die Rede von einem Netzwerk von autonomen Zellen in Deutschland, von denen die Gruppierung „Combat 18 Pinneberg“ nur eine Zelle sei. Einzelne Protagonisten dieser Gruppierungen verfügten auch über Kontakte nach Dortmund. Seitens des BKA und des BfV wurden weder die Texte auf der englischen „Combat 18“Website noch die bewaffnete Gruppierung „Combat 18 Pinneberg“ als Ausdruck von deutschen „Combat 18“-Strukturen gesehen. Die Friedhofsschändung in Neustadt ist eine der wenigen Taten, zu denen sich „Combat 18“, abweichend zu dem in den rechtsterroristischen Schriften empfohlenen Praxis der Nicht-Bekennung, offiziell bekannte. Weder dem BfV noch dem BKA ist ausweislich des vorliegenden Aktenbestands aufgefallen, dass mindestens zwei der im „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“ verwendeten, auffälligen Schriftarten identisch mit den in der Tatbekennung zur Friedhofsschändung in Neustadt sind. Diese Übereinstimmung in den verwendeten Schriftarten ist als Indiz für Verbindungen zwischen den Produzenten des deutschsprachigen „Stormer“ und den Verfassern des Tatbekenntnisses im Namen von „Combat 18 Deutschland“ zu werten. ff. Die Anfänge von „Combat 18“ in Dortmund Die ersten Verbindungen Dortmunder Neonazis zu „Combat 18“ wurden um die Jahrtausendwende sichtbar. Der Zeuge Sebastian Seemann hat ausgeführt, dass die Gründung von „Combat 18“ in Dortmund ein „fließender Prozess“ gewesen sei.903 St. S. habe 1998 als erster in Dortmund von „Combat 18“ gesprochen: „Der hat anderthalb Jahre oder zwei Jahre wegen irgend…, also nichts Besonderem gesessen und kam raus und hat dann ziemlich rumgetönt: ‚Mensch, hier, ich habe Briefkontakt zum‘ – ich weiß nicht – ‚Charlie Sargent aus England‘ – oder dem anderen ‚Michael Cross‘. Einer, der hat den anderen umgebracht in England und saß da im Knast. Und der hat dann Briefkontakt mit ihm gehabt. Und: ‚Hier, die machen ‚Combat 18‘.‘ Und der fing eigentlich mit diesem ‚Combat 18‘ an. Und das war dann … Irgendwann ist das dann in die Lieder eingeflossen. (…) Und dann kam der aus dem Knast, hat dann ein halbes Jahr, glaube ich, bei mir gewohnt und ist dann immer wieder, hat überall erzählt: ‚Hier, ‚Combat 18‘‘, und hat auch so kleine Flyer mitgehabt. Das hieß NSM, National Socialist 901 902 903 192 „C18-Stormer. Die deutsche Fassung“, A10442 S. 272. Vermerk des BKA vom 21. November 2003, A54562 S. 80 (VS-nfD). Seemann, nöAPr 16/230 S. 19. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Movement. Und dann war der [S.] aber auf einmal weg. Der war 99 oder Anfang 99 auf einmal wieder einfach irgendwo, einfach weg.“904 Aus der Aussage des Zeugen Sebastian Seemann ist zu schließen, dass [St. S.] Kontakt zu Paul „Charlie“ Sargent oder Martin Cross hatte, die beide den mit William Browning konkurrierenden C18-Flügel „National Socialist Movement“ repräsentierten. Der Rechtsterrorist David Copeland war ebenfalls Mitglied des „National Socialist Movement“.905 St. S. war Gründungsmitglied der Band „Oidoxie“, verließ die Band aber nach einiger Zeit wieder.906 Bei der Auswertung des eigenen Aktenbestands nach der Selbstentarnung des NSU stieß der Verfassungsschutz NRW auf einen Vermerk, der [St. S.] mit Sprengstoff und Bombenbau in Verbindung brachte. In einem Vermerk vom 2. Februar 1998 heißt es, dass die Polizei weiterhin nach dem Sprengstoff suche, der aus der Bundeswehr-Kaserne von St. S. verschwunden sei. St. S. und eine weitere Person wüssten, wo sich der Sprengstoff befinde und wollten diesen auch einsetzen.907 Bereits im September 1996 hatte dieses „Oidoxie“-Gründungsmitglied, nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW, auf einem Kameradschaftstreffen in Essen, andere Neonazis im Bau von Sprengsätzen geschult, um so einem erweiterten Personenkreis sein Wissen zu vermitteln und zu gegebener Zeit Punkern einen Denkzettel verpassen zu können. Das erforderliche Zubehör stand ihm, nach eigenen Angaben, zur Verfügung.908 Auch nach Aussage des Zeugen Patrick Dittmann ist in der Dortmunder Neonaziszene oftmals über „Combat 18“ gesprochen worden.909 Die erste polizeilich bekannt gewordene Aktion mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund fand am 11. September 2000 statt. Das PP Dortmund vermerkte dazu: „An der Tatörtlichkeit wurden der beschuldigte [F.] und der [L.] als Mittäter in einem PKW (…) angehalten und überprüft. Im Nachbereich der Autobahnbrücke konnten Kabelbinder und 4 weiße Spannbettlaken sichergestellt werden. Auf diesen waren folgende Äußerungsbestände zu lesen: ‚Juden raus‘ mit Hakenkreuzsymbol und ‘Es geht los, Combat 18‘. In diesem Schriftzug waren die Buchstaben ‚o‘ als Keltenkreuz und der Buchstabe ‚s‘ als Sigrune dargestellt.“910 Die Beschuldigten D. L. und D. F. bewegten sich beide in den Neonazi-Szenen in Dortmund und Lünen und hatten Kontakt zu anderen „Combat 18“-Sympathisanten aus Dortmund. Der Ausschuss konnte keine Belege dafür finden, dass sich der Neonazi Michael Berger, der am 14. Juni 2000 drei Polizisten in Dortmund und Waltrop erschoss und eine Polizistin schwer verletzte, als Teil von „Combat 18“ verstand. Michael Berger hatte aber nachweislich Kontakt zu zahlreichen Personen aus der „Kameradschaft Dortmund“, die mit „Combat 18“ 904 905 906 907 908 909 910 Seemann, nöAPr 16/230 S. 19. Vgl. Zweiter Teil A. 4. f. aa. (4). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Septmeber 1995, A12262 S. 1 f. Undatierte Vorauswertung von Vermerken des Verfassungsschutzes NRW, A13390 S. 22. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 20.12.1996, A14833 S. 122 ff.; Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 19. September 1996, A13767 S. 184 (VS-nfD). Dittmann, APr 16/1249 S. 30. Merkblatt des PP Dortmund vom 16. Oktober 2000, A13802 S. 97 (VS-nfD). 193 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sympathisierten. Mit dem Zeugen Sebastian Seemann führte er Schießübungen mit Pistolen und einem Sturmgewehr in den Rieselfeldern bei Datteln durch.911 gg. Marko Gottschalk als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland Mehrere seit 2003 bei der Abteilung 6 eingegangene Quellenmeldungen enthielten die Information, dass Gottschalk eine wichtige Führungsperson von „Combat 18“ in Deutschland ist.912 Marko Gottschalk wurde innerhalb Neonazi-Szene als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland angesehen. Im Frühjahr 2004 kam es in der Szene zu Streitigkeiten mit einer Gruppierung „MSC 28“ in deren Verlauf die Führungspersonen der „Blood & Honour“-Nachfolgeorganisation „Division 28“ Hinweise erhielten, dass sie wegen der Streitigkeiten erschossen werden sollten und dass „die“, gemeint ist „MSC 28“, einen auf „Combat 18“ machen wollen. Darauf erkundigte sich eine Führungsperson der „Division 28“ bei Marko Gottschalk, ob er solche Leute kennen würde. Dieser verneinte, sagte aber zu, sich ergänzend zu erkundigen.913 Marko Gottschalk galt bei den Führungspersonen der „Division 28“ damit als Person, die Aussagen darüber treffen kann, wer zu „Combat 18“ zählt und wer nicht. Diese Stellung als wichtiger Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland behielt Marko Gottschalk auch in den Folgejahren. Der Sachverständige Jan Raabe hat sich hier auf einen Artikel des Rechtsextremismusexperten Michael Weiss berufen, der aus einer internen E- Mail des M. R. an die Mitglieder der „Hammerskin Nation“ vom 5. Juli 2011 zitiert hat.914 M. R. berichtete danach in der E-Mail über ein Gespräch zwischen ihm und „den deutschen Combat 18 Leuten“, namentlich nennt er Marko Gottschalk. Dieses Gespräch sei ihm von „Gottschalk und einigen Streetfighting Crew Leuten gedrückt“ worden. Im Gespräch wurde das lange Zeit angespannte Verhältnis zwischen „Combat 18“ und „Hammerskins“ geklärt. Michael Weiss zitierte aus der E-Mail wie folgt: „Das Gespräch war sehr aufschlussreich und verlief in guter Atmosphäre. Es gibt keinen einzigen C18 Mann in Deutschland, der keine gute Beziehung zur HSN [Anm.: Hammerskin Nation] möchte. Wir müssen es jetzt ja nicht überstürzen mit Verbrüderungen, etc. Aber ist grundsätzlich mal gut zu hören, dass unser ‚Friedensangebot‘ mehr als willkommen geheissen wird. Schauen wir also mal, dass wir die Oidoixe Jungs irgendwo mal spielen lassen.“915 Der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname), der als Mitarbeiter des BfV mit „Combat 18“ befasst war, hat hingegen ausgesagt: „Und soweit mir das jetzt noch in Erinnerung ist, kam es zu verschiedenen Äußerungen Gottschalks, er sei eben auch der offizielle Ableger von „Combat 18 Deutschland“. Das ist aber nur eine Eigendarstellung von Gottschalk.“916 911 912 913 914 915 916 194 Vernehmung des Sebastian Seemann vom 16. Juni 2000, A21830 S. 121 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 13. November 2003, Ordner 153 S. 147 (VS-Vherabgestuft). Vermerk des LKA Baden-Württemberg vom 11. Febraur 2006, A14089 S. 198. Michael Weiss: Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, in: Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Münster 2015, A95356 S. 25. Michael Weiss: Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, in: Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Münster 2015, A95356 S. 25 Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 43. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 hh. Hinweise auf Bestrebungen zur Bildung einer „Combat 18“-Zelle in Dortmund (1) Aussagen des Zeugen Sebastian Seemann Am 25. November 2011 suchte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund das Gespräch mit dem Zeugen Sebastian Seemann.917 Der Zeuge Seemann sollte zu seinen Erkenntnissen zum „Thüringer Heimatschutz“ und dem NSU befragt werden. In diesem Zusammenhang machte er Aussagen zur Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund. Im Vermerk über das Gespräch ist als Aussage des Zeugen Sebastian Seemanns festgehalten: „GOTTSCHALK wollte zu der Zeit, vor ca. 5 Jahren, eine Zelle, Combat 18, aufbauen. Diese Zelle sollte 7 Personen umfassen, u.a. Sebastian SEEMANN. Den potentiellen Mitgliedern der Zelle wurde die ‚Turner Tagebücher‘ ausgehändigt. ln diesen Tagebüchern wird der Aufbau einer Terrorzelle beschrieben. Die Mordserie an den türkischen und dem griechischen Einzelhändlern gleicht Beschreibungen aus den Tagebüchern. ln Deutschland seien die Tagebücher indiziert, möglicherweise sind diese in Belgien erhältlich. Ursprünglich stammen diese Tagebücher aus Amerika. Er erwähnte darüber hinaus das Buch HUNTER, welches nicht näher verifiziert wurde, allerdings auch für den geplanten Aufbau einer Zelle von Nutzen wäre.“918 Ausweislich des Vermerks des PP Dortmund gab der Zeuge Sebastian Seemann außerdem Hinweise auf Thorsten Heise sowie auf Joeri van der Plas und M. H. von BBET / „Blood & Honour“ Flandern: „Herr SEEMANN sprach von den Personen HEISE, möglicherweise aus Ostdeutschland, und JURI, von B&H aus Flandern. Diese Personen haben ebenfalls über Kontakte zu GOTTSCHALK verfügt. Nicht näher beschriebene Kontakte des GOTTSCHALK sollen nach Cottbus bestehen. Er nannte ebenfalls einen MICHA, lang dunkelhaarig, […], als Kontakt zu GOTTSCHALK. (…) Als mögliche weitere Kontaktpersonen nannte er [S. A.] und [M. H.] aus Antwerpen. Seide Personen haben sich möglicherweise von der rechten Szene gelöst.“ 919 Bei einem weiteren Gesprächen im Dezember 2011 äußerte der Zeuge Sebastian Seemann, dass er möglicherweise Angaben zur Herkunft der vom NSU benutzten Tatwaffen Tokareff TT33 und Bruni machen könne, sofern diese umgebaut und scharf gemacht worden seien. Er benannte den F. S. als Person, die für den Umbau von Schusswaffen in Betracht käme.920 Den Sohn des F. S. benannte der Zeuge Sebastian Seemann später gegenüber den BKA als Mitglied der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund. 921 Der Zeuge Sebastian Seemann berichtete in einer polizeilichen Vernehmung im Dezember 2011, dass belgische Neonazis von „Blood & Honour“ möglicherweise mit Schusswaffen nach Deutschland gekommen seien. Die Verteilung und Vermittlung dieser Waffen solle über Marko Gottschalk erfolgt sein.922 Die bis April 2006 beim Verfassungsschutz NRW als Gruppenleiterin tätige Zeugin Cornelia de la Chevallerie hat, nach Vorhalt der Aussagen des Zeugen Sebastian Seemann aus 2011, ausgesagt, dass während ihrer Dienstzeit dem Verfassungsschutz NRW dieser von 917 918 919 920 921 922 Seemann, nöAPr 16/230 S. 29. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 39 ff. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 40. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 41. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 58. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 41 f. 195 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Sebastian Seemann geschilderte Sachverhalt, inklusive Hinweisen auf die genannten Namen und die „Turner Diaries“, bekannt gewesen sei.923 Erst am 9. Dezember 2014 wurde der Zeuge Sebastian Seemann im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegen unbekannte Personen wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung NSU durch das BKA vernommen. Diese Vernehmung wurde erst durchgeführt, nachdem Nebenklagevertreter der Angehörigen von Mehmet Kubaşık am 6. November 2014 zwei umfangreiche Beweisanträge eingereicht hatten, in denen die Zeugenvernehmungen von Marko Gottschalk und Sebastian Seemann mit Verweis auf die im Jahr 2011 getätigte Aussagen des Sebastian Seemann in Bezug auf die eine „Combat 18“Gruppe gefordert wurden.924 In Bezug auf die „Combat 18“-Gruppe machte Seemann am 9. Dezember 2014 weitere Aussagen: „Da war mal diese Wehrsportgeschichte in den Köpfen, aber so akribisch wie die ZSCHÄPE Gruppe war in Dortmund keiner. Der GOTTSCHALK hat versucht eine Terrorszene in Dortmund zu etablieren. Der hat 7 Leute um sich geschart, aber die waren nicht gefestigt genug. Heike GOTTSCHALK war als Frau dabei und das hat nicht jedem gepasst. Aufgrund dessen ist die Geschichte mit der Terrorszene im Sande verlaufen.“925 Am 28. Januar 2015 wurde Sebastian Seemann erneut vom BKA vernommen. Befragt zu den Mitgliedern der Zelle sagte er aus: „Das war zum einen der Gottschalk. Seine Frau […] war zwar nicht direkt dabei, hat aber alles gewusst. Dann der [R. Sch.]. Ich meine der [St. G.], der [B. S.] und ich. Sonst weiß ich nicht mehr.“926 Die von dem Zeugen Sebastian Seemann genannten Personen waren ausweislich eines Gruppenfotos Teil der „Oidoxie Streetfighting Crew“.927 Gegenüber dem PUA bestätigte der Zeuge Sebastian Seemann, dass sich die Mitglieder der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ aus Personen der „Oidoxie Streetfighting Crew“ rekrutierten.928 Bei seiner Vernehmung vor dem Ausschuss hat der Zeuge Sebastian Seemann nur über sich und Marko Gottschalk als Mitglieder der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ gesprochen. Auf sämtliche ihm vorgehaltenen Namen von Dortmunder Neonazis hat er geantwortet, dass diese Personen keine Mitglieder der „Combat 18“-Gruppe gewesen seien. Unter den vorgehaltenen Namen befanden sich auch die vier Namen, die der Zeuge Sebastian Seemann in seiner Vernehmung durch das BKA am 28. Januar 2015 als Gruppenmitglieder bezeichnete. Mit diesem Widerspruch konfrontiert, hat der Zeuge geantwortet, es seien „da auch immer Mutmaßungen direkt auf die goldene Waage gelegt“ worden. Aber die genannten Personen „wären mit Sicherheit alles Leute, die in so eine Zelle gepasst hätten“.929 Gegen die Aussage des Zeugen Sebastian Seemann, das BKA habe seine Aussagen am 28. Januar 2015 falsch niedergeschrieben, spricht, dass er die Seite mit der protokollierten Aussage unterschrieben hat.930 923 924 925 926 927 928 929 930 196 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 66. Beweisanträge der Nebenklage im Verfahren gegenBeate Zschäpe u. a. vor dem OLG München vom 6. November 2014, A62171 S. 9 ff. und A62171 S. 29 ff. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 9. Dezember 2014, A62171 S. 49. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 58. Poster der Oidoxie Streetfighting Crew, A10542 S. 120 (VS-nfD). Seemann, nöAPr 16/230 S. 32 Seemann, nöAPr 16/230 S. 61. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 58. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Vom BKA zu den konkreten Zielen der Gruppe befragt, antwortete der Zeuge Sebastian Seemann: „Zunächst mal sich Waffen zu beschaffen, zu trainieren und sich fit zu halten. Danach wollte mal dann mal weiterschauen. Konkrete Ziele gab es noch keine. Wahrscheinlich hätten wir gewartet, bis andere losgelegt hätte. Ich weiß auch nicht, wie ich gehandelt hätte, wenn es geheißen hätte, jetzt geht es los. Heute halte ich das für Wahnsinn. (…)“931 Befragt, ob die Gruppe bereits ein Waffendepot oder einen Rückzugsort gehabt habe, antwortete der Zeuge Sebastian Seemann, dass jeder für sich die Waffen deponieren sollte. Er glaube aber, dass er der einzige in der Gruppe mit einer Schusswaffe gewesen sei.932 Diese Aussage des Zeugen Sebastian Seemann steht in Widerspruch zu seinen gegenüber dem Verfassungsschutz NRW im Jahr 2005 gemachten Angaben, wonach er Schusswaffen an Neonazis verkauft habe und bei drei Neonazis insgesamt drei Pump-Action-Schrotflinten, eine Maschinenpistole und eine Pistole gelagert habe.933 Vor dem Ausschuss zog der Zeuge Sebastian Seemann den für die „Combat 18“-Gruppe genutzten Begriff der „Kampfgruppe“ in Zweifel, indem er nunmehr angab, früher sei er dafür gewesen, Waffen zu beorgen und Wehrsportübungen durchzuführen. Die anderen hätten aber nicht mehr gewollt. Das seien „Maulhelden“ gewesen.934 Befragt, ob innerhalb der „Combat 18“-Gruppe in Dortmund über Straftaten diskutiert worden sei, hat der Zeuge Sebastian Seemann geantwortet: „Hören Sie sich die Lieder an“.935 Der Zeuge Sebastian Seemann hat bejaht, dass es in Dortmund zum guten Ton gehört habe, die „Turner Diaries“ zu besitzen. Er hat aber eingeschränkt, dass er nicht glaube, dass alle Personen das Buch gelesen hätten: „Ja, ich denke nicht, dass jeder dieses Buch gelesen hat, der es hatte. Also, das ist so ... Ich hatte auch ‚Mein Kampf‘ im Regal stehen und habe es nie gelesen, weil es mir zu kompliziert ... war nicht kompliziert, aber zu langweilig war.“ Ausweislich eines Vermerks des Verfassungsschutzes NRW wurden die „Turner Diaries“, ebenso wie CD`s von „Blood & Honour“ bei einer Veranstaltung der Neonazi-Szene in Dortmund-Brechten verkauft.936 Auf die Frage, welche Rolle Thorsten Heise beim Aufbau von „Combat 18“-Zellen in Deutschland gespielt habe, hat der Zeuge Sebastian Seemann ausweichend geantwortet, dass „Combat 18“ eigentlich führerloser Widerstand besage: 931 932 933 934 935 936 Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 59. Seemann, nöAPr 16/230 S. 33. Behördenzeugnis Sebastian Seemann aus Oktober 2005, A12223 S. 52 f. Seemann, nöAPr 16/230 S. 24. Seemann, nöAPr 16/230 S. 26. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 27. April 2005, A13736 S. 198 f. (VS-nfD). 197 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Eigentlich sollte man da nicht irgendwie eine Dachorganisation haben. Das war ja der Gedanke von dieser ‚Combat 18‘-Geschichte: Besorg‘ dir Knarren, bunker die, und wenn das irgendwann losgeht, dann leg los.“937 Konkret nach seinem Kontakt zu Thorsten Heise befragt, hat der Zeuge Sebastian Seemann ausgesagt, dass er ihn gegrüßt habe, er aber ansonsten „großartig keinen Kontakt“ zu ihm gehabt habe.938 Befragt, ob es Kontakte nach England, speziell zu William Browning, gegeben habe, hat der Zeuge Sebastian Seemann geantwortet: „Ja, aber das war echt…. Man hat sich auf Konzerten getroffen.“939 In der Vernehmung durch das BKA vom 28. Januar 2015 antwortete er auf die Frage, ob es Kontakte anderen Gruppen gegeben habe, die sich ähnlich organisieren wollten: „Nein, andere Kontakte gab es mehr aufgrund der Musikszene. Die NSU Gruppierung ist mir erst 2011 durch die Presse bekannt geworden.“940 Weiter sagte er aus, dass die Gruppe vor 2005 bestanden habe: „Das war so eine Idee. Man hat sich zweimal getroffen, beim dritten Treffen hat sich herausgestellt, dass einer schon keinen Bock mehr hatte, der andere war saufen, ein anderer war mit einer ‚Perle‘ unterwegs. Das ging nur wenige Wochen, dann hatte sich die Idee schon erledigt gehabt.“ 941 Der Zeuge Sebastian Seemann erklärte gegenüber dem BKA weiter, dass irgendwann nur noch die Hälfte dabei gewesen sei und er dann gesagt habe, „ich mache auch nicht mehr mit, das hat keinen Zweck.“ Marko Gottschalk habe das auch nicht mehr mit Konsequenz weiterverfolgt, weil er Angst gehabt hätte, inhaftiert zu werden.942 Im Frühjahr 2004 wurde dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund zugetragen, dass Kontakte der Dortmunder Neonazis zu einem belgischen „Combat 18“-Vertreter bestünden.943 In einem Vermerk dazu heißt es: „• Ein ‚Juri van Plaas‘ aus Belgien soll am 18.04.2004 im ‚Schweriner Haus‘ erwartet werden. – keine Feststellungen durch UASt Recklinghausen. (Hinweis: IMV an UASt Recklinghausen) • ‚Juri van Plaas‘ soll ein guter Freund des M. Gottschalk sein […].“944 Weiter findet sich dort die Aussage: „• S. Seemann, M. Gottschalk, [J.], [F.] und [M.] sollen alle ‚der Organisation‘ angehören. Aus diesem Grunde hat man in der Szene große Angst vor diesen Leuten, insbesondere vor deren Kontakten nach Flandern. Die gehörten angeblich auch ‚der Organisation‘ an und seien noch viel gefährlicher.“945 937 938 939 940 941 942 943 944 945 198 Seemann, nöAPr 16/230 S. 36. Seemann, nöAPr 16/230 S. 36. Seemann, nöAPr 16/230 S. 19 ff. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 59. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 59. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 59. Vermerk des PP Dortmund vom 3. Februar 2015, A10383 S. 80. Vermerk des PP Dortmund vom 3. Februar 2015, A10383 S. 80. Vermerk des PP Dortmund vom 3. Februar 2015, A10383 S. 80. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Mitte 2004 tauchte der Zeuge Seemann in Belgien unter und stellte sich im Februar 2005 den deutschen Behörden. Im Jahr 2004 hatte er ein falsches Ausweisdokument beschafft, das ihm ein Leben im Untergrund ermöglichte. Die von Seemann angewandte Methode der Beschaffung dieses Reisepasses wurde ebenso durch die Mitglieder des NSU benutzt. Der Zeuge Sebastian Seemann bediente sich dazu der Personalien eines Szenemitglieds, der eine entfernte Ähnlichkeit mit ihm aufwies. 946 Der Zeuge Jörg Lukat, damaliger Leiter des Polizeilichen Staatschutzes des PP Dortmund hat ausgesagt, sich nicht an die Ermittlungen zum falschen Pass erinnern zu können. Auf die Frage, was er glaube, dass ein gewaltbereiter Neonazi wie der Zeuge Sebastian Seemann mit einem falschen Pass vorhabe, hat er die Antwort gegeben: „Es könnte in alle Richtungen gehen. Von daher, es ist eine Mutmaßung, ob es auch im Bereich von Eigentumsdelikten ist, Betrügereien oder dergleichen oder tatsächlich sich bei entsprechenden Kontrollen als jemand anders auszugeben.“947 Am 9. November 2005 verurteilte das AG Kamen Sebastian Seemann wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit mittelbarer falscher Beurkundung und Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Geldstrafe. 948 Im März 2005 erhielt das PP Dortmund von einer Zeugin den Hinweis, dass der Zeuge Sebastian Seemann einen Reisepass auf den Namen von Michael G. besitze. Ermittlungen der Polizei führten zu einem Mann aus Kamen, der sich nach Polizeierkenntnissen bis 2002 in der rechten Szene bewegte. Ermittlungen beim Bürgerbüro Kamen ergaben, dass ein Michael G. am 7. Januar 2005 einen vorläufigen Reisepass beantragt hatte: „Eine Überprüfung der Kopie des vorläufigen Reisepasses beim Bürgerbüro der Stadt Kamen ergab, dass in dem vorläufigen Reisepass die Personaldaten des Michael [G.] eingetragen wurden, jedoch dazu das Lichtbild des Sebastian Seemann verwandt wurde.“949 In seiner verantwortlichen Vernehmung sagte Michael G. aus, dass er mit dem Zeugen Sebastian Seemann bekannt sei, er aber nicht wisse, wie dieser an seinen Bundespersonalausweis gekommen sei. Er habe diesen nicht an Seemann weitergegeben. Anfang Februar habe er seinen Bundespersonalausweis unter der Fußmatte des Beifahrersitzes seines Autos gefunden.950 Am 9. November 2005 verurteilte das AG Kamen Sebastian Seemann wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit mittelbarer falscher Beurkundung und Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5,- Euro. 951 Der Zeuge Jörg Lukat, damaliger Leiter des Polizeilichen Staatschutzes des PP Dortmund ausgesagt, sich nicht an die Ermittlungen zum falschen Pass erinnern zu können. Auf die Frage, was er glaube, dass ein gewaltbereiter Neonazi wie der Zeuge Sebastian Seemann mit einem falschen Pass vorhabe, hat er die Antwort gegeben: 946 947 948 949 950 951 Vermerk des PP Dortmund vom 13. April 2005, A10385 S. 156. Lukat, APr 16/1154 S. 89. Urteil des AG Kamen vom 9. November, A21513 S. 289. Vermerk des PP Dortmund vom 13. April 2005, A10385 S. 156. Vernehmung des Michael G. vom 18. April 2005, A10385 S. 152. Urteil des AG Kamen vom 9. November, A21513 S. 289. 199 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Es könnte in alle Richtungen gehen. Von daher, es ist eine Mutmaßung, ob es auch im Bereich von Eigentumsdelikten ist, Betrügereien oder dergleichen oder tatsächlich sich bei entsprechenden Kontrollen als jemand anders auszugeben.“952 (2) Hinweise auf Sprengstoff im Umfeld von „Combat 18“ in Dortmund Das PP Dortmund nahm am 30. Oktober 2003 eine nicht sprengfähige USBV (unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung) in amtlichen Gewahrsam, die im Wendehammer der Werkmeisterstraße in der Dortmunder Nordstadt gefunden wurde.953 Untersuchungen dieser USBV durch das LKA NRW führten zu dem Ergebnis, dass es sich um eine mit Nitrocellulose, einem explosionsgefährlichen Stoff im Sinne des Sprengstoffgesetzes, befüllte Rohrbombe ohne Zünder handelte, und dass mit dieser Rohrbombe bereits ein Zündversuch unternommen worden war: „Die sichtbare Beschmauchung an der Rohrbombe und das Fehlen von wasserlöslichen Schwarzpulverumsetzungsprodukten deutete darauf hin, dass der Rohrkörper nach einem erfolgten Zündversuch gereinigt wurde.“954 Nachdem die Rohrbombe vom PP Dortmund sichergestellt worden war, teilte der Verfassungsschutz NRW dem PP Dortmund in einem Schreiben vom 4. November 2003 Informationen über die letzten Gewahrsamsinhaber mit: „Zum Zeitpunkt der Sicherstellung durch den polizeilicher Staatsschutz, KK ST 1, in Dortmund, war der letzte Gewahrsamsinhaber nicht bekannt. Der Gegenstand wurde an das SG 61 .3 beim LKA Düsseldorf übergeben. Mit Schreiben vom 04.11.2003 (Eingang in Dortmund am 10.11.2003) teilt das Innenministerium, Abteilung 6, mit, dass die Verfassungsschutzbehörde das Landes NRW durch eine nachrichtendienstliche Operation eine nicht sprengfähige USBV (mit Nitrozellulose gefülltes Kupferrohr ohne Zündvorrichtung) erlangte. Als letzte Gewahrsamsinhaber wurden Sven Oliver [A.] […] und Martin [M.] […] benannt. Zum Zeitpunkt der Ermittlungen ging man davon aus, dass es sich bei dieser USBV um den gleichen Gegenstand gehandelt hat, der durch den polizeilichen Staatsschutz, KK ST1, am 30.10.2003 in der Werkmeisterstraße in 44145 Dortmund sichergestellt wurde.“955 Untersuchungen konnten an der Rohrbombe lediglich DNA-Spuren von [Ma. M.] sichern.956 Woher die Verfassungsschutz NRW diese Information über die letzten Gewahrsamsinhaber hatte und seit wann sie Kenntnis über die Rohrbombe hatte, lässt sich dem vorliegenden Aktenmaterial nicht entnehmen. In den vorliegenden Akten des Verfassungsschutzes NRW findet sich kein Vorgang zu dieser Rohrbombe. Das Verfahren gegen den Tatverdächtigen S. O.A. wurde nach § 170 StPO durch die StA Dortmund eingestellt. Das Verfahren gegen den Tatverdächtigen Ma. M. wurde am 13. Oktober 2004 nach § 154 Abs. 2 StPO durch das AG Dortmund eingestellt.957 S. O. A. zählte 2003 ein Mitglied der „Oidoxie Streetfighting Crew“.958 2011 erwähnte der Zeuge Sebastian 952 953 954 955 956 957 958 200 Lukat, APr 16/1154 S. 89. Vermerk des PP Dortmund vom 17. November 2011, A13050 S. 70 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. November 2011, A13050 S. 71 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. November 2011, A13050 S. 70 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. November 2011, A13050 S. 71 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. November 2011, A13050 S. 71 (VS-nfD). Poster der Oidoxie Streetfighting Crew, A10542 S. 120 (VS-nfD) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Seemann seinen Namen im Zusammenhang mit der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund.959 Der Zeuge Jörg Lukati hat auf die Frage, ob ihm Bewaffnung mit Sprengstoff in der Dortmunder Neonazi-Szene bekannt geworden sei, geantwortet: „Wir haben unter anderem auch Hinweise auf eine Rohrbombe gehabt. Das ist mir noch erinnerlich, dass wir da entsprechend auch in Ermittlungsmaßnahmen eingetreten sind, also von daher auch die Verfügbarkeit über Sprengmittel. Ich spontan habe sie unterstellt. Aber die Frage ist: Haben wir so viel Informationen dranbekommen, dass wir darüber hinaus noch weitere Ermittlungsmaßnahmen haben? – Das ist mir nicht erinnerlich. Aber konkret unter anderem auch eine Rohrbombe ist mir erinnerlich, ja.“ 960 Der Zeuge Sebastian Seemann hat ausgesagt, keine Kenntnis von dieser Rohrbombe gehabt zu haben.961 Im Februar 2005 vermerkte der Verfassungsschutz NRW, dass Marko Gottschalk sich damit gebrüstet habe, TNT besorgen zu können. Er sei von anderen Neonazis dabei beobachtet worden, wie er auf Schießplätzen versuchte, Pulverreste einzusammenln. Der Verfassungsschutz NRW vermerkte zugleich, dass niemand in der Szene Marko Gottschalk ernsthafte Bestrebungen in Sachen Waffenhandel zutraue.962 Bereits im Januar 2004 stellten Beamte des Staatsschutzes Dortmund im Rahmen einer Internetrecherche fest, dass der Zeuge Sebastian Seemann im Forum von „Oidoxie“ einen Vorderlader, Kaliber .45 mit Schusspflaster und Zündhütchen zum Verkauf anbot. Zwei Tage später nahm der Zeuge Sebastian Seemann das Verkaufsangebot zurück. Er schrieb, dass er erfahren habe, dass nach dem geänderten Waffengesetz der Verkauf solcher Waffen verboten sei. Aufgrund seiner Äußerung „Das Ding macht echt Laune!!“ ging der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund davon aus, dass er mit dieser Waffe auch geschossen hatte.963 Eine waffenrechtliche oder sprengstoffrechtliche Erlaubnis besaß er nicht, weswegen ein Strafverfahren eingeleitet wurde.964 Im Frühjahr 2004 wurde dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund bereits Hinweise zugetragen, dass Sebastian Seemann möglicherweise Schusswaffen besitze und damit auch handele. Nach diesen Hinweisen sollten er und weitere Person zudem in der Lage sein, erlaubnisfreie Schusswaffen dementsprechend umzubauen, dass diese als „scharfe Waffen“ benutzt werden konnten.965 Der Polizeiliche Staatsschutz vermittelte darauf einen Gesprächskontakt zwischen dem Verfassungsschutzes NRW und dem Zeuge Sebastian Seemann.966 In einem Vermerk über das Gespräch am 25. August 2005 führt der Verfasungsschutz NRW zum Inhalt des Gesprächs aus: „Wegen der vordringlichen Waffenfrage wurde SEEEMANN direkt darauf angesprochen. 959 960 961 962 963 964 965 966 Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 40. (Fehler im Original) Lukat, APr 16/1154 S. 94 f. Seemann, nöAPr 16/230 S. 34.. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. März 2005, A14783 S. 6 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 16. Januar 2004, A10384 S. 396. Vermerk des PP Dortmund vom 8. April 2004, A10385 S. 36. Vermerk des PP Dortmund vom 3. Februar 2015, A10383, S. 79 f.. (Fehler im Original) Vermerk des Verfassungsschutzes NRW über ein Gesprach am 25. August 2005, A12223 S. 51. 201 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 SEEMANN gab an, vor seinem Haftantritt über folgende Waffen verfügt zu haben: die aus dem ‚Berger-Verfahren‘ vermisste Kalaschnikof (U.A.-St.-) wurde durch die Polizei auf Hinweis des SEEMANN im ersten Gespräch im Gartenhaus der Mutter des Berger gefunden. 1 Maschinenpistole der Marke ‚Stan‘ – evtl. beschaffbar – bei [Spitzname] gebunkert ([F.], Dortmund) 4 im Versandhandel gekaufte türkische Pump-Guns, die schussfertig gemacht wurden. Eine habe die Polizei bei [Spitzname] sichergestellt. Dessen Lebensgefährtin habe die Polizei gerufen, nachdem ‚[Spitzname] sie mit dem Vorderlader-Revolver bedroht hatte. Die drei anderen Pump-Guns sind bei bekannten Personen gebunkert. SEEMANN will versuchen sie zurück zu erhalten: 2 bei [S. M.] und 1 bei [F. P.] 1 scharfe amerikanische Militärpistole Kal. 45 und 1 belgischer MG-Lauf mit Patronenschloss sollen bei Lünen in den Kanal geworfen worden sein. Den Ort, an dem SEEMANN auch schon vergeblich getaucht hat, wolle er zeigen. SEEMANN gibt an, Waffen aus Belgien eingeführt und an [S. M.], der auch eigenständig mit Waffen gehandelt haben soll, weitergegeben zu haben. [S. M.] soll im Besitz der Pistole sein, mit der SEEMANN den [K.] bedroht hatte. Weiterhin habe [M.]1 Vorderlader-Revolver, 2 der umgebauten Pump Guns (siehe o.) und 1 Pistole der Marke Bernadelli. Einen in Eigenbau von SEEMANN hergestellten Schießkugelschreiber mit einer KK-Patrone sowie den gefälschten Reisepass und 3 Schachtel Schrotmunition habe er selbst.“ 967 Der Zeuge Sebastian Seemann war im Oktober 2005 inhaftiert, hatte aber am 1. und 2. Oktober 2005 Hafturlaub.968 Von den aufgelisteten Waffen übergab der Zeuge Sebastian ausweislich eines Vermerks des Verfassungsschutzes NRW vom 1. Oktober 2005 lediglich die drei Schachteln Schrotmunition sowie den Schießkugelschreiber an zwei Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW.969 Alle anderen Waffen wurden ausweislich der vorliegenden Akten nicht übergeben. Entgegen dem Inhalt des Vermerks des Verfassungsschutzes NRW wurde das Sturmgewehr AK 47 (Kalaschnikow) vom PP Dortmund nicht im Anschluss des Gesprächs im August 2005 sichergestellt. Vielmehr war diese AK 47 bereits am 20. Juni 2000 durch das PP Dortmund im Elternhaus des Michael Berger sichergestellt worden.970 Der damalige Ermittlungsleiter des PP Dortmund, der Zeuge Michael Schenk, hat ausgesagt, dass sie keine Hinweise auf eine zweite AK 47 gehabt hätten.971 Der Zeuge Sebastian Seemann hat auf die Frage, ob Michael Berger eine oder zwei AK 47 besessen habe, geantwortet, es habe nur eine AK 47 gegeben und diese sei nach dem Tod von Michael Berger Tod auch gefunden worden.972 In dem Vermerk über das Gespräch am 25. August 2005 wurde weiter ausgeführt, dass der Zeuge Sebastian Seemann am 1. Oktober 2005 die Übergabe des Schießkugelschreibers und des gefälschten Reisepasses telefonisch vorbereitet habe und im Anschluss die Wohnung eines Bekannten aus der rechtsextremen Szene aufgesucht habe, dem er nach eigenen Angaben die Maschinenpistole zur Verwahrung übergeben hatte. Das Geschehen in der Wohnung wird wie folgt geschildert: 967 968 969 970 971 972 202 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW über ein Gespräch am 25. August 2005, A12223 S. 52 f. Vermerk des PP Dortmund vom 2. Oktober 2005, A10383 S. 120. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW über ein Gespräch am 25. August 2005, A12223 S. 53. Vermerk des PP Dortmund vom 20. Juni 2000, A21829 S. 198 ff. (VS-nfD). Schenk, APr 16/1216 S. 25. Seemann, nöAPr 16/230 S. 46. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „[F.] soll sich nach Angaben des SEEMANN geweigert haben, die Maschinenpistole herauszugeben. Es kam nach Darstellung des SEEMANN zu einer Auseinandersetzung; schließlich wurde verabredet, dass [F.] und seine Freundin die MP, die angeblich im Spind des [F.] an seiner Arbeitsstelle […] versteckt sei, dort abholen und um 16.00 Uhr ins Dortmunder Rock-Cafè bringen und dort an SEEMANN übergeben wolle. In der Zwischenzeit konnten der Schießkugelschreiber und der gefälschte Reisepass – wie von SEEMANN telefonisch vorbereitet – am vereinbarten Ort (Elternhaus) durch die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Empfang genommen werden. Zu diesem Zeitpunkt war von […] noch nichts bekannt und die Durchsuchung in SEEMANN`s Elternhaus hatte noch nicht stattgefunden.“973 In einem Schreiben an das PP Dortmund vom 4. Oktober 2005 stellte der Verfassungsschutz NRW den Sachverhalt den Sachverhalt knapper dar: „Im Rahmen einer operativen Maßnahme des IM NRW wurde bekannt, dass Sebastian SEEMANN am Samstag, den 01.10.2005 bei [F.] eine Maschinenpistole der Marke Sten abholen wollte. ln der Wohnung der Freundin von [F.] kam es deswegen zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen SEEMANN und [F.]. Zu einer Übergabe der MP kam es nicht. Diese soll sich aktuell (01.10.2005) in einem Spind an der Arbeitsstelle des [F.] […] befinden. Darüber hinaus wurde ebenfalls aus der operativen Maßnahme bekannt, dass aktuell zum einen [S. M.] über 2 Pump-Guns, 1 Vorderladerpistole und 1 Pistole Bernadelli und zum anderen [F. P.] über 1 Pump-Gun verfügen sollen. Bei allen Waffen soll es sich um schussfertige Waffen handeln.“974 Am 1. Oktober 2005 ging um 13:55 Uhr bei beim PP Dortmund eine Anzeige gegen Sebastian Seemann wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Diebstahl eines Mobiltelefons.975 Beamte des PP Dortmund suchten die Geschädigten am 1. Oktober 2005 zu Hause auf. In der Strafanzeige ist vermerkt, dass diese vermuteten, dass der Zeuge Sebastian Seemann in Besitz von Handgranaten und scharfen Schusswaffen sei.976 Der Geschädigte sagte weiter aus, dass die Waffen beim Vater des Zeugen Sebastian Seemann in Lünen versteckt seien.977 Auf Antrag der Polizei erließ das AG Dortmund am 2. Oktober 2005 einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Sebastian Seemann in Dortmund sowie die elterliche Wohnung in Lünen.978 Bei der Durchsuchung des Elternhauses am 3. Oktober 2005 fanden die Polizeibeamten ein „Nostalgiegewehr“, einen Lauf aus silbernem Metall, eine PTB-Waffe sowie ein in vier Teile zerlegtes Kleinkalibergewehr mit Schalldämpfer und Zieloptik, außerdem ein Magazin und 9mm-Munition.979 Die Waffen und Waffenteile wurden sichergestellt.980 973 974 975 976 977 978 979 980 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW über ein Gespräch am 25. August 2005, A12223 S. 53 f. Scheiben des Verfassungsschutzes NRW vom 4. Oktober 2005, A13722 S. 44. Strafanzeige vom 1. Oktober 2005, A10383 S. 100. Strafanzeige vom 1. Oktober 2005, A10383 S. 101. Vernehmung des F. F. vom 1. Oktober 2005, A10383 S. 108. Beschluss des AG Dortmund vom 2. Oktober 2005, A10383 S. 115, 119. Vermerk des PP Dortmund vom 2. Oktober 2005, A10383 S. 127 f.; Lichtbild, A10383 S. 137. Durchsuchungs- / Sicherstellungsprotokoll des PP Dortmund vom 2. Oktober 2005, A10383 S. 140. 203 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ausweislich eines Vermerks des PP Dortmund wurde nach dem Auffinden der Waffen die JVA, in der der Zeuge Sebastian Seemann zu dieser Zeit inhaftiert war, informiert, die ihn in den geschlossenen Vollzug verlegte und seine Zelle durchsuchte.981 Bei weiteren Durchsuchungen des PP Dortmund im Oktober 2005 konnten weder die Maschinenpistole noch die drei Pumpguns sichergestellt werden. 982 Erst am 13. September 2006 konnte die Polizei aufgrund eines anonymen Hinweises in der Wohnung der ehemaligen Ehefrau des Bekannten in Dortmund die „Sten“-Maschinenpistole mit 2 Magazinen und insgesamt 33 Patronen des Kalibers 9 mm sicherstellen.983 Das Landeskriminalamt NRW untersuchte den von dem Zeugen Sebastian Seemann am 1. Oktober 2005 an den Verfassungsschutz NRW übergebenen Schießstift sowie das in seinem Elternhaus am 2. Oktober 2005 sichergestellte halbautomatische Kleinkalibergewehr sowie das Vorderladergewehr („Nostalgiewaffe“). Alle Waffen waren funktionsfähig.984 Für die Durchsuchungsmaßnahmen am 3. Oktober 2005 wurde eine „BAO unter Führung von KOR Lukat mit den entsprechenden EA aufgebaut“, wie es in der WE-Meldung vom gleichen Tag hieß.985 Der damalige Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, der Zeuge Jörg Lukat, hat angegeben, sich an diese Ermittlungen gegen den Zeugen Sebastian Seemann nicht mehr erinnern zu können.986 Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie, die als Gruppenleiterin beim Verfassungsschutz NRW das Schreiben vom 4. Oktober 2005 verfasst hatte, hat zu den Ereignissen ausgesagt, sich mit einer Person wegen Waffengeschäften in Dortmund befasst zu haben.987 Auf die Fragen, welche anderen Dienststellen sie informiert habe, ob Strafverfahren eingeleitet worden seien und ob man konkret versucht habe, den Waffenhandel und das Kursieren von Waffen innerhalb der Dortmunder Neonaziszene zu unterbinden, hat die Zeugin Cornelia de la Chevalerie geantwortet: „Ja, es hat ja am Ende zu einer Verhaftung geführt. Aber ich würde Ihnen das gerne im Kontext schildern, damit man es versteht, und auch vor welchem Hintergrund dieses Behördenzeugnis gemacht worden ist. Es hat Gespräche gegeben, es hat Observationen gegeben. Dann hat man festgestellt ... hat man also bestimmte Feststellungen gemacht, hat die ganzen Ermittlungen an den Staatsschutz abgegeben – in Absprache damals mit mir und dem Abteilungsleiter; wir haben das beide so gesehen –, und die Person, die in Haft war, war Freigänger, und als sie dann zurückkam, hat es dann dazu ein Verfahren gegeben. Aber mehr… […] Das ist alles von Beginn an mit dem Staatsschutz besprochen worden. Also, das ist kein Alleingang von uns gewesen.“988 981 982 983 984 985 986 987 988 204 Vermerk des PP Dortmund vom 2. Oktober 2005, A10383 S. 143. Merkblatt des PP Dortmund vom 3. Oktober 2005, A12464 S. 83 (VS-Nfd); WE-Meldung vom 3. Oktober 2005, A10383 S. 216. Merkblatt des PP Dortmund vom 13. September 2006, A12461, S. 196 (VS-Nfd) Untersuchungsbefund des LKA NRW vom 3. April 2006, A10383 S. 203 ff. WE-Meldung des PP Dortmund vom 3. Oktober 2005, A13772 S. 39. Lukat, APr 16/1154 S. 90. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 62. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 63. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 8. Dezember 2006 verurteilte das AG Lünen Sebastian Seemann wegen der am 1. Oktober 2005 begangenen Körperverletzung und des Hausfriedensbruchs sowie wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten.989 Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Zeugen Sebastian Seemann am 14. August 2007 stellte die Polizei neben Munition, mehreren Schwertern, Messern, Säbel und einer Armbrust mit Zielfernrohr auch zwei Vorderladerpistolen Kal. 45, ein Vorderladergewehr sowie fünf Gewehre, darunter eine Pumgun, sicher.990Bei den Schusswaffen handelte es sich um unbrauchbar gemachte Dekorationswaffen. Bei einem sichergestellten Repetiergewehr (Karabiner) des Kaliber 7,92 x 57 mm waren die Umbauten rückgängig gemacht worden, so dass es sich wieder um eine „scharfe“ Waffe handelte.991 Für diese begangenen Verstöße gegen das Waffengesetz wurde der Zeuge Sebastian Seemann im März 2008 verurteilt.992 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Sebastian Seemann die Einfuhr von Waffen aus Belgien als „Theorie“ bezeichnet: „Das war so eine Theorie. Dass verschiedene Belgier in Dortmund Waffen gekauft haben, das kann ich mit Sicherheit sagen, weil die Tante aus dem Waffenladen in Dortmund hat, meine ich, da auch mal irgendwann ganz offen darüber gesprochen, dass die Belgier immer kommen und irgendwie alles an Pfefferspray aufkaufen, was man aufkaufen kann. Ich meine, ich habe mich irgendwann mit irgendeinem unterhalten. Der hat mir erzählt, dass eine Pfefferspray-Dose, die hier 2,50 € und, wenn die mehrere größere Abnahmen haben, ich glaube, 2 € pro Dose bezahlen, das können die, glaube ich, für 15 oder für 30 € in Belgien weiterverkaufen, weil in Belgien Pfefferspray als illegale Waffe gilt. Und andersherum …“993 Auf die Frage, ob die Belgier Waffen in Deutschland gekauft hätten oder es umgekehrt gewesen sei, hat er geantwortet: Zeuge Sebastian Seemann: Nein, die haben hier das Pfefferspray gekauft. Andersrum, könnte ich mir gut vorstellen, dass die nach hierhin auch mal den einen oder anderen Revolver mitgebracht haben oder sonst was, weil in Belgien das Besorgen von Waffen eigentlich viel einfacher ist als in Deutschland. Das belgische Waffenrecht ist ziemlich locker. Da kriegt man auf den Waffenbörsen auch ziemlich schnell scharfe Waffen.“994 Fragen zu seiner eigenen Einbindung in den Waffenhandel hat der Zeuge Seemann nicht beantworten wollen.995 Aus dem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW über das Gespräch am 25. Augsut 2005 ergibt sich demgegenüber, dass der Zeuge Sebastian Seemann dem Verfassungsschutz NRW mitgeteilt hatte, dass er Waffen aus Belgien eingeführt und an einen Waffenhändler weitergegeben habe.996 989 990 991 992 993 994 995 996 Urteil des AG Lünen vom 8. Dezember 2006, A25123 S. 265 ff. Asservatenliste vom 20. August 2007, A25138 S. 96 f. Urteil des LG Bielefeld vom 18. März 2008, A25139 S. 157. Urteil des LG Bielefeld vom 18. März 2008, A25139 S. 151 f. Seemann, nöAPr 16/230 S. 62. Seemann, nöAPr 16/230 S. 62. Seemann, nöAPr 16/230 S. 34. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW über ein Gespräch am 25. August 2005, A12223 S. 51. 205 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie hat bestätigt, dass der Zeuge Sebastian Seemann mit Waffen gehandelt habe997 und dazu ausgeführt: „Na ja, er hatte ja Waffen, also teilweise Waffen. Ob er die jetzt alle … Er ist ja auch in Belgien gewesen – das wissen Sie ja auch – eine Zeit lang. Inwieweit zu dieser Gruppierung, die der Ausschuss gerade nannte [Anm.: BBET aus Belgien], die ebenfalls über viele Waffen verfügte, die auch immer wieder welche beschafft haben … Also, von daher war das nicht aus der Welt. Ob er das aber dann … Zu diesem Zeitpunkt war er ja Freigänger. Das ist ja kein Zeitpunkt gewesen … Deswegen haben wir dann noch manches observiert, aber ich habe jetzt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das tatsächlich stattgefunden hat.“998 Der Zeuge Sebastian Seemann hat ausgesagt, er sei in der C18-Gruppe der einzige gewesen, der gesagt habe, dass er Schusswaffen besorgen könne: „Die anderen haben dann so gesagt: Ja, besorg mir mal. – Das hat irgendwie nicht so richtig hingehauen.“999 Eine Gruppe von Mitgliedern der „Oidoxie Streetfighting Crew“, unter ihnen Marko Gottschalk, fuhr bis 2003 mehrfach zu Schießübungen in die Niederlande ab diesem Zeitpunkt nach Dänemark oder Schweden. Die gleiche Gruppe veranstaltete zudem, bis etwa 2011, Gotcha-Spiele.1000 Im November 2005 führte Marko Gottschalk anlässlich einer Moskau-Reise der Gruppe „Oidoxie“ Gespräche über die Möglichkeiten paramilitärischer Ausbildung und vereinbarte für Anfang Januar 2006, mit dem „Blood & Honour“-Leiter der Polen-Sektion, paramilitärisches Training.1001 (3) Aussagen des Robin Schmiemann Der Zeuge Robin Schmiemann wurde durch den Zeugen Sebastian Seemann gegenüber dem BKA als Mitglied Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund benannt.1002 Der Zeuge Robin Schmiemann hat auf die Frage, ob es eine „Combat 18“-Gruppe in Dortmund gegeben habe, die Aussage verweigert. Durch seinen Rechtsbeistand ließ er mitteilen, dass er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache, weil er sich bei einer ordnungsgemäßen Beantwortung möglicherweise der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetze.1003 Mit derselben Begründung hat der Zeuge Robin Schmiemann ebenso die Antwort auf die Frage, ob er Mitglied dieser „Combat 18“-Gruppe gewesen sei, verweigert.1004 Auch auf die Frage, ob Marko Gottschalk eine „Combat 18“-Zelle habe gründen wollen und ob er mit ihm darüber gesprochen hat, verweigerte der Rechtsbeistand mit Verweis auf eine mögliche Drohung von Strafverfolung eine Aussage seines Mandanten.1005 997 998 999 1000 1001 1002 1003 1004 1005 206 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 69. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 70. Seemann, nöAPr 16/230 S. 47 f.. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 12. März 2003, A13724 S. 119 (VS-nfD). Auswertungsvermerk vom 15. November 2011, A13390 S. 14 (VS-nfD). Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 58. Schmiemann, APr 16/1187 S. 34. Schmiemann, APr 16/1187 S. 34 f. Schmiemann, APr 16/1187 S. 45. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Robin Schmiemann trägt auf dem Bein eine Tätowierung mit dem Schriftzug „C18“ sowie „Brüder schweigen“ und „Whatever it takes“.1006 Befragt zu dieser Tätowierung wollte der Zeuge Robin Schmiemann erneut die Aussage verweigern, da dieses Tattoo verboten sei. Sein Rechtsbeistand Hendrik Schnelle verwies auf eine möglicherweise bestehende Gefahr der Strafverfolgung nach § 86a StGB. Da es sich bei der Tätowierung nicht um ein Kennzeichen einer verbotenen oder verfassungswidrigen Organisation handelt, musste der Zeuge Robin Schmiemann die Fragen beantworten.1007 Er hat aber weitere Angaben verweigert. Auf die Frage zur Bedeutung des Spruchs hat er geantwortet: „‘Brüder – Schweigen – Whatever it takes – Combat 18‘ Soll ich ihnen jetzt Englisch übersetzen oder…“1008 Auf die Frage, ob ihm bekannt sei, dass der Spruch „Brüder schweigen“ von der US-amerikanischen Terrororganisation „The Order – Brüder schweigen“ genutzt worden sei, die sich nach dem Vorbild der „Turner Diaries“ benannt habe, hat der Zeuge Robin Schmiemann geantwortet: „Da habe ich keine Ahnung von. Ich bin zu doof dafür.“1009 Der Zeuge Robin Schmiemann hat ausgesagt, dass er die „Turner Diaries“ zwar „vom Hören“ her kenne, sie aber nicht, auch nicht auszugsweise, gelesen habe.1010 Er hat verneint, an Schulungsveranstaltungen oder Lesungen über dieses Werk teilgenommen zu haben: „Ich habe an keinen Schulungsdingern teilgenommen. Ich bin doof, ich weiß von nichts, und mich interessiert auch politische Bildung überhaupt nicht.“1011 (4) Aussagen des Marko Gottschalk zur Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund Marko Gottschalk wurde am 6. März 2015 durch Beamte des BKA in Düsseldorf zeugenschaftlich vernommen. Sein Rechtsanwalt machte für seinen Mandanten unmittelbar ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht geltend. Ein Vermerk des BKA hielt fest, dass dem Zeugen Marko Gottsschalk dargelegt worden sei, dass der GBA die Prüfung des Aussageverweigerungsrechtes vornehmen werde und im Anschluss ggf. eine staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung in Karlsruhe erfolgen könnte.1012 (5) Aussagen von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes NRW zur Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund Während des fraglichen Zeitraums des Bestehens der Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund wurde der Verfassungsschutz NRW von Dr. Hartwig Möller geleitet. Direkt dem Abteilungsleiter unterstellt war bis zum 31. März 2006 die Zeugin Cornelia de la Chevallerie, die als Gruppenleiterin die Aufsicht über die Referate Auswertung Rechtsextremismus und Beschaffung hatte.1013 Ihr Nachfolger als Gruppenleiter wurde der Zeuge Burkhard Freier, der in dieser Funktion bis Ende des Jahres 2011 beim Verfassungsschutz NRW tätig war. Von Januar bis Juli 2012 war er stellvertretender Leiter der Abteilung 4 / Polizei des MIK NRW. Seit August 2012 ist er Leiter des Verfassungsschutzes NRW. Der Ausschuss hat 1006 1007 1008 1009 1010 1011 1012 1013 Lichtbilder, A10723 S. 11 ff. (VS-nfD). Schmiemann, APr 16/1187 S. 49. Schmiemann, APr 16/1187 S. 50. Schmiemann, APr 16/1187 S. 51. Schmiemann, APr 16/1187 S. 31. Schmiemann, APr 16/1187 S. 52. Vermerk des BKA vom 10. März 2015, A62171 S. 95. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 4. 207 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 diese drei Mitarbeiter zeugenschaftlich vernommen. Die beiden in diesem Zeitraum verantwortlichen Referatsleiter für die Referate „Auswertung Rechtsextremismus“ und „Beschaffung“ konnten nicht vernommen werden. Der ab Mitte 2003 tätige Leiter des Auswertungsreferats ist bereits verstorben. Der Referatsleiter der Beschaffung hat mit amtsärztlichen Attest nachgewiesen, dass er nicht vernehmungsfähig ist. Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat sich festgelegt, dass während seiner Amtszeit keine Strukturen von „Combat 18“ in NRW bestanden hätten: „Was ich aber genau weiß, ist, dass – das hätte ich erfahren –, wenn es bei uns Strukturen im wahrsten Sinne des Wortes gegeben hätte, die über Tätowierungen hinausgehen, mit denen manche da angegeben haben, oder Bekennerschreiben allgemeiner Art ohne Substanz, wenn es darüber hinaus Strukturen gegeben hätte, dann hätte ich das gewusst.“1014 Weiter hat er bekräftigt, dass es seiner Ansicht nach keine Struktur von „Combat 18“ in Dortmund gegeben habe. Nach dem Vorhalt, dass es in Dortmund sowohl militante Neonazis gab als auch theoretische Konzepte des Rechtsterrorismus kursierten und Sprengstoff wie Waffen gefunden worden seien, ist der Zeuge Dr. Hartwig Möller aus dem Ausschuss gefragt worden: „Man muss sagen: Das alles war vorhanden, und trotzdem kommen Sie nicht zu dem Ergebnis: ‚Da können terroristische Strukturen vorliegen‘, oder zumindest: Da bereitet sich eine Gruppe darauf vor. – Was hat denn noch gefehlt?“1015 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat auf diese Frage geantwortet: „Zum einen, dass diese verschiedenen Aktivitäten sozusagen nicht mehr oder weniger zufällig nebeneinanderher gelaufen sind, sondern Teil eines Plans waren und dass es Teile, Aktionsäußerungen einer bestimmten Organisationsform waren. Sie finden natürlich irgendwo ideologische Konzepte, die mal jemand gelesen hat. Der hatte auch Waffen, und der hatte dies. Aber das ist keine Gruppe in dem Sinne, wie Sie sich einen Verein vorstellen müssen, die jetzt sozusagen bestimmte Zwecke verfolgen mit arbeitsteiligem Auftreten usw. Das sind hier zufällige Aktivitäten, wo die Zusammenführung zu einer Struktur in dem Sinne einer verfestigten sozialen Gemeinschaft mit bestimmten Handlungen und Zielen fehlt. Und ein weiterer wichtiger Punkt – das ist ja auch in dem Vermerk gesagt worden – war ja immer, dass die dann auch gar nicht in der Weise aufgetreten sind. Die RAF ist als solche – das war ja die Parallele – unter dem Kürzel ‚RAF‘ aufgetreten. Ich kenne keine öffentliche Äußerung: Hier ist ‚Combat 18 Dortmund‘ und wir machen dies und dies und dies. – Wir stülpen jetzt einen Begriff über verschiedene Aktivitäten, über eine Gruppe, die das Selbstverständnis, als eine solche aufzutreten, nach meinem Wissen gar nicht hatte. Deswegen haben wir gesagt: So eine Struktur gibt es nicht. Man kann natürlich im Nachhinein sagen: ‚Einzelne Merkmale habe ich da gesehen oder so‘, aber die haben sich selbst nicht so verstanden nach unserer Einschätzung.“1016 Der Ausschuss hielt dem Zeugen Dr. Hartwig Möller daraufhin die Aussagen des Zeugen Sebastian Seemann aus dem Jahr 2011 vor, wonach vor ca. fünf Jahren eine „Combat 18“- 1014 1015 1016 208 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 118. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 142. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 142 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zelle in Dortmund gebildet werden sollte. Dem Zeugen Dr. Hartwig Möller wurde vorgehalten, dass man nun entweder sagen könne, diese Zeugenaussage sei falsch oder aber dem Verfassungsschutz NRW sei diese Entwicklung nicht bekannt gewesen. Daraufhin hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller erwidert: „Ja, oder: Das ist 2006 eben noch nicht realisiert worden. – Sie haben ja selber vorgelesen oder gesagt, die hätten das vorgehabt. Natürlich ist die Überschrift ‚Combat 18‘ attraktiv gewesen für Rechtsextremisten. Das war ja ein Vorbild. An dem Vorbild wollten sich alle messen, und dem Vorbild haben viele auch gedanklich nachgeeifert. Deswegen ist das natürlich auch ein Begriff gewesen, der in der Szene für Anerkennung gesorgt hat und für Aufruhr oder für Bedeutung, für Relevanz in der Szene, wenn ich so etwas habe. Aber zwischen dem Willen und diesem imaginären Ziel und einer konkreten Struktur, da fehlt noch etwas. Sie haben Recht, es kann natürlich sein, dass es das 2006 weiter gegeben hat, als ich das jetzt beurteilen kann. Aber für mich hat es das nicht gegeben. Mein Kenntnisstand ist, dass das zwar die Ideologie war, Leute, die das gerne machen wollten, die auch vielleicht bereit dazu gewesen wären, aber dass das nicht konkret umgesetzt wurde in dem Sinne, dass eine strukturierte Organisation dahintersteht, die sagt: Wir heißen jetzt ‚Combat 18‘, wir haben vielleicht sogar eine Satzung, und wir machen dies und dies und dies und gehen damit auch an die Öffentlichkeit usw. – Diese Phase ist meines Erachtens nicht erreicht worden.“1017 Die Zeugin de la Chevallerie hat ausgesagt, dass sich der Verfassungsschutz NRW die Frage gestellt habe, ob „Combat 18“ ein „Hirngespenst“ gewesen sei oder ob es „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine solche Struktur gegeben habe.1018 Die Fragestellung sei gewesen, ob Anhaltspunkte bestanden, dass sich „eine neue Zelle im Rahmen von „Combat 18“ bildet oder nutzen die das Symbol „C18“, um es für Marketing zu verwerten?“1019 Dazu hat sie weiter ausgeführt: „Gerade in 2003 mehrten sich mehrfach Hinweise darauf, ob man eine solche Struktur in Dortmund haben könnte. Und man war sich aber sehr unsicher, in welche Richtung ich das einzusortieren habe. Es ist einerseits so – so wurde uns das auch immer wieder nicht nur vom Bundesamt, sondern auch von anderen Diensten geschildert –, dass es – ich sage mal –- so viele gab, die sich einfach dieses Labels ‚Combat 18‘ bedient haben, weil es ihnen genutzt hat in der Szene – ich kann mich noch mal so an den Satz erinnern, dass mir gesagt wurde, eine CD verkauft sich umso besser, wenn sie mit ‚Combat 18‘ in Verbindung gebracht wird –, und dass natürlich auch diese Menschen, die in dieser Welt leben, die sich so als eine kämpferische Gruppe sehen und ein neues Reich vielleicht schaffen wollen oder die weiße Rasse reinhalten wollen … Da passte das natürlich auch, sich mit diesem Hintergrund, den es ja von ‚Combat 18‘ oder auch entsprechenden Interneteinstellungen gab, zu identifizieren.“1020 Das Ergebnis der Prüfung des Verfassungsschutzes NRW sei gewesen, dass man keine Hinweise erhalten habe, „dass Combat 18 auch wirklich gelebt wurde.“1021 In Bezug auf Marko Gottschalk hat die Zeugin Cornelia de la Chevalerie ausgeführt: 1017 1018 1019 1020 1021 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 143 f. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 41 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 54. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 41. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 42. 209 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Die Einschätzung war, dass er selber dieses Label nutzte, aber wir keine konkreten Anhaltspunkte hatten, dass er eine solche Gruppe da hochgezogen hat.“1022 Zugleich hat sie bestätigt, dass ihr bekannt gewesen sei, dass Marko Gottschalk in Kontakt zum „Combat 18“-Anführer William Browning und dessen Lebensgefährtin stand.1023 Die Zeugin Cornelia de la Chevalerie hat ausgesagt, dass ihr das Konzept des „leaderless resistance“ und der Zellenbildung bekannt gewesen sei.1024 Befragt, ob sich eine solche „Combat 18“-Zelle in Dortmund gebildet habe, hat sie ausgeführt: „Das Ergebnis ist gewesen, dass, jedenfalls soweit ich das dann noch mitbekommen habe, keine Anhaltspunkte dazu geführt haben. Ich sagte ja, es gab G-10-Maßnahmen, es gab Observationen, es gab eben halt diese diversen Besprechungen und auch Kontakte. Also, wir hatten Kontakte, es gab auch Kontakte zu anderen Nachrichtendiensten, auch mit Großbritannien und Holland zusammen, und danach ist man zu der Einschätzung gekommen: Das ist hier auf diese Gruppe nicht zu übertragen.“1025 Nach Vorhalt des Inhalts der Aussage, die der Zeuge Sebastian Seemann im November 2011 gegenüber dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund gemacht hat, wonach Marko Gottschalk vor ca. fünf Jahren in Dortmund eine sieben Personen umfassende Zelle von „Combat 18“ habe aufbauen wollen und den Gruppenmitgliedern die „Turner Diaries“ ausgehändigt worden seien, ist die Zeugin Cornelia de la Chevallerie gefragt worden, ob ihr 2005 / 2006 diese Pläne bekannt gewesen seien. Daraufhin hat sie geantwortet: „Ja, das Ganze ist ja … Das wussten wir. Also, das ist uns bekannt gewesen; nicht ganz so, wie Sie es jetzt vorgelesen haben, aber mit Hinweisen auf die Namen, und es sind auch die ‚Turner Diaries‘ gefallen als Stichwort. Und das hat ja dann auch den Anlass gegeben für die weiteren Maßnahmen. Aber alles andere kann ich Ihnen nicht in öffentlicher Sitzung sagen.“1026 Der Zeuge Burkhard Freier hat ausgesagt, dass es immer Hinweise gegeben habe, dass Personen um Marko Gottschalk „diese Organisation ‚C18‘ gründen wollten“. Die Kontakte dieses Personenkreis zu „Blood & Honour“ aus England und Belgien seien ebenfalls bekannt gewesen.1027 „Zu dieser Szene um Gottschalk gehörte nicht nur die Musik, sondern es gehörten auch Personen dazu, die sehr gewaltbereit waren. Die Kontakte nach Belgien deuteten auch auf eine gewaltbereite Szene hin. Und immer wieder ist davon gesprochen worden – deswegen haben wir auch versucht, in diese Szene Quellen reinzusetzen –, erstens eine eigene Zelle innerhalb von ‚C18‘ zu gründen. Die Rede war zum Beispiel davon, dass sich sieben Personen um Gottschalk zusammenschließen und eine solche Szene gründen, alles in der Zeit zwischen 2000 und 2006. Und es ist auch immer davon gesprochen worden, dass man sich Waffen beschaffen möchte. Und diese Waffenbeschaffung sollte zum Beispiel über Brüssel erfolgen, aber auch über andere Quellen. Und das ist deswegen eine große Gefahr gewesen ... Und deswegen hat der Verfassungsschutz da ver- 1022 1023 1024 1025 1026 1027 210 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 42. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 43. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 65. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 66. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 66. Freier, APr 16/1349 S. 11. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sucht, tief reinzugucken, weil sich diese Szene eben nicht nur ‚C18‘ nannte, sondern immer wieder auch von Leaderless Resistance philosophiert hat: Man will eine Szene aufbauen, um gegen das System zu kämpfen.“1028 Der Zeuge Burkhard Freier hat weiter ausgeführt, dass der Verfassungsschutz NRW aufgrund der Aussagen der eigenen VPen und des BfV zu der Einschätzung gekommen sei, dass von diesem Personenkreis dennoch nicht die Gefahr terroristischer Taten ausgegangen sei: „Unsere Quellen und die Hinweise des BfV haben uns dann aber immer wieder mitgeteilt und deuteten darauf hin: Obwohl die darüber reden und obwohl die über Gewalt reden – auch darüber reden, Waffen zu beschaffen – und obwohl die enge Kontakte nach England, nach Schweden, auch nach Belgien haben und auch Schießübungen in den Ostblockländern durchführen wollten oder durchgeführt haben, sieht es eher so aus, als wenn es Leute sind, die zwar drüber reden – also Maulhelden –, es aber nicht wirklich tun.“1029 Weiter hat der Zeuge Burkhard Freier zur Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund ausgeführt: „Oder, wir haben Quellenberichte, wo gesagt worden ist: Gottschalk versucht in Dortmund – und zwar war das so 2004/2003 – innerhalb der ‚C18‘-Strukturen, die es zumindest auf dem Papier gab, eine Zelle zu gründen: sieben Personen. Was damals gesagt worden ist, was heute auch noch gilt, ist Folgendes: Diese ‚C18‘Strukturen waren in den Köpfen – eine Ideologie war auch vorhanden, es gab sogar Personen –, aber sie haben nie etwas in Dortmund – jedenfalls konnten wir das nicht belegen (…) Die Frage: ‚Gab es ‚C18‘-Strukturen, wo man sagen würde: Die sind terroristisch unterwegs, sie haben sich Waffen besorgt, und sie versuchen, mit den Waffen tatsächlich etwas zu tun“? – so etwas gab es nicht. Es gab zwar immer wieder die Idee und die Philosophie; jedenfalls bei ‚C18‘, oder bei dem, was Gottschalk einrichten wollte ... Und heute ist das so, dass wir immer noch als Verfassungsschutz versuchen, diese ‚C18‘-Strukturen aufzudecken. Und wir erkennen heute: Es gibt so was wie eine Gruppenstruktur; das war damals nicht. Also, wir haben diese sieben Leute, oder zehn Leute, die der Gottschalk und unsere Quellen genannt haben, … die hatten wir als Person. Aber man konnte jetzt nicht sagen: Das ist eine feste Gruppe. Einige unserer Quellen haben auch gesagt: Die haben sich einmal getroffen und dann sind sie auseinandergegangen. Die haben viel geredet, das waren Maulhelden. Die haben diese ‚C18‘ genommen, um böse auszusehen, um damit Marketing zu betreiben, aber sie haben es nicht getan. – Heute beobachten wir die „C18“-Gruppe immer noch und stellen fest: Sie reden immer noch mehr, aber sie haben immerhin eine Gruppenstruktur, und sie treffen sich klandestin – was immerhin ein Mehr ist. (…) Wir haben keine terroristische Organisation als „C18“ gesehen, obwohl die Ideologie vorhanden ist.“1030 1028 1029 1030 Freier, APr 16/1349 S. 11 f. Freier, APr 16/1349 S. 12. Freier, APr 16/1349 S. 38. 211 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ii. „Racial Volunteer Force” (1) Gründung Im Jahr 2002 gründete Mark Atkinson in Großbritannien aus Verärgerung über die Inaktivität von William Browning die „Racial Volunteer Force“ (RVF) als Abspaltung von „Combat 18“.1031 Nach Auffassung eines Rechtsextremismusexperten wurden nach der Gründung der RFV, die meisten in England mit „Combat 18“-Bezug verübten Taten, im Namen der RVF organisiert. Die englischen Behörden seien daher zunehmend besorgt über die RVF, von der sie annehmen, dass sie Waffen bunkern und heimlich Bombenbauanleitungen mit anderen Nazis austauschen.1032 Die RVF verfügte seit ihrer Gründung über einen aktiven Ableger in den Niederlanden, der neben Mark Atkinson, der niederländische Neonazi E. H. und der deutsche Neonazi M. K., als Führungspersonen vorstanden.1033 (2) Führungspersonen E. H. und M. K. verfügten bereits vor der Gründung des RVF-Ablegers seit vielen Jahren über gefestigte Beziehungen in die militante Neonazi-Szene Nordrhein-Westfalens. E. H. ist ein Weggefährte des Neonazi-Führers Michael Kühnen und führte in den 1980erJahren den niederländischen Ableger von Michael Kühnens „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS), die „ANS – Nederland“.1034 Bereits im Februar 2001 hatte er versucht, eine „politische Kadertruppe“ aufzubauen.1035 Nach Erkenntnissen des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund vom September 2000 hatte E. H. sehr gute Kontakte zu dem Führer der NSDAP / AO in den USA und konnte als Verteiler von Propagandamaterial im größeren Rahmen von Holland nach Deutschland nicht ausgeschlossen werden. Er hatte eine Bindegliedfunktion für das rechtsextreme Spektrum in Deutschland zur NSDAP / AO, verfügte über sehr gute Kontakte zu deutschen Rechtsradikalen/ -extremisten und war über Personen, Aktionen und Veranstaltungen in Deutschland sehr gut informiert. Seit 1987 ist er immer wieder als Teilnehmer von Demonstrationen und Veranstaltungen verschiedener rechtsextremistischer Organisationen in Deutschland in Erscheinung getreten.1036 Die gewachsenen Verbindungen von E. H. zu Neonazis in NRW bestanden auch in den 2000er Jahren fort und zeigten sich beispielsweise bei zahlreichen gemeinsamen Demonstrationen in Deutschland und den Niederlanden, die sowohl von niederländischen als auch deutschen Neonazis besucht wurden. Organisatorin dieser Demonstrationen war zumeist die Partei „Nederlandse Volks-Unie“ (NVU), in der die von E. H. geführte ANS-NL Ende der 1990er Jahre aufging.1037 1031 1032 1033 1034 1035 1036 1037 212 Powerpoint-Präsentation von New Scotland Yard, A54499 S. 29. Artikels „Combat 18 in England. Ein kurzer Überblick“, A13408 S. 118. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 10. Lexikoneintrag „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF), in: Jens Mecklenbuurg: Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996, A95414 S. 269 ff. Ergebnisprotokoll der Dienstbesprechung im Innenministerium NRW vom 7. Februar 2001, A12256 S. 23. Erkenntnismitteilung des PP Dortmund vom 28. September 2000, A13858 S. 301. Artikels „Endstation Rotterdam“ aus „Blick nach rechts“, Februar 2001, A12256 S. 31. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die aus dem Hochsauerland stammende Führungskraft M. K. hat lange Jahre in Dortmund gelebt und war einer der Freunde des Dortmunder Polizistenmörders Michael Berger, der drei Beamte in Dortmund und Waltrop erschoss, bevor er sich selbst richtete. In der Dortmunder Wohnung des M. K. wurden anschließend Flyer beschlagnahmt mit dem Text: „Berger war ein Freund von uns! 3:1 für Deutschland“. 1038 Nach Angaben des Sachverständigen Jan Schedler war M. K. eine zentrale Person der SAF, eine Führungspersönlichkeit in der Kameradschaft Dortmund und früher Befürworter von Terrorismus. Bei einer Veranstaltung in den Niederlanden im Jahr 2001 habe er sich dafür ausgesprochen, die Methoden der ETA zu übernehmen, „zu den Waffen zu greifen, Staatsanwälte anzugreifen etc.“1039 In dieser Rede rief er zudem dazu auf, Zellen nach dem Vorbild des führerlosen Widerstandes zu bilden und die national-revolutionären Zellen zu unterstützen.1040 Dieser Aufruf fand bei nordrhein-westfälischen Neonazis Widerhall, wie ein Redebeitrag einer Sauerländer Neonaziaktivistin auf einer Demonstration am 26. April 2003 in Dortmund belegt. In ihrer dort gehaltenen Rede zitierte sie den Aufruf unter Verzicht auf die Aufforderung, Zellen nach Vorbild des führerlosen Widerstandes zu bilden und die national-revolutionären Zellen zu unterstützen.1041 Der Sachverständige Jan Schedler hat angegeben, dass M. K. immer noch sehr eng mit Neonazis aus NRW vernetzt sei. Es gebe noch immer einen engen Austausch und man habe häufig Delegationen aus den Niederlanden hier. Neonazis aus NRW besuchen Veranstaltungen in den Niederlanden.1042 Sowohl der Zeuge Hans Peter Lüngen als auch der Zeuge Robert Preuß haben M. K. als gewaltbereit und gefährlich eingeschätzt.1043 Nach Einschätzung des Zeugen Robert Preuß war er derjenige Neonazi, aus dem Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, dem er am ehesten rechtsterroristische Taten zugetraut habe.1044 Nach Aussage des Zeugen Patrick Dittmann war M. K. auch in der Neonaziszene für seine Gewaltbereitschaft bekannt.1045 (3) Hinweise auf Terroristische Bestrebungen der RVF Das BfV stellte in seiner Broschüre „BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21“ fest, dass die RVF den bewaffneten Kampf propagiere: „In ihren teilweise in deutscher Sprache veröffentlichten Schriften propagieren sowohl C18 als auch deren Abspaltung ‚Racial Volunteer Force‘ (RVF) den bewaffneten Kampf. So finden sich derartige Gewaltaufrufe auf den einschlägigen C18 bzw. RVF nahestehenden Hompages, auf denen unter den Bezeichnungen ‚Ieaderless resistance‘ und ,Ione wolf'-Taktik für militante Aktionsformen geworben wird.“1046 Außerdem teilte das BfV in der erwähnten Broschüre mit, dass die deutschsprachigen „Combat 18“-Fanzines „Stormer“ und „Totenkopf Magazin“, die das Prinzip des „leaderless restistance“ propagieren würden, auch auf den „allgemein zugänglichen, von Briten betriebenen Homepages, von „Combat 18“ und der RVF, zu erhalten seien.1047 1038 1039 1040 1041 1042 1043 1044 1045 1046 1047 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 10. Schedler, APr 16/868 S. 9. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das 1. Halbjahr 2001, A21672 S. 218. Artikel „Daniela Wegener“ in Lotta, Nr.14 Herbst 2003, A12254 S. 265. Schedler, APr 16/868 S. 9. Lüngen, nöAPr 16/200 S. 3; Preuß, APr 16/1160 S. 28. Preuß, APr 16/1160 S. 28. Dittmann, nöAPr 16/251 S. 11. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21, A72476 S. 52 (VS-nfD). BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21, A72476 S. 37 (VS-NfD). 213 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Sachverständige Jan Raabe hat insbesondere den 2003 gegründeten niederländischen Ableger der Gruppe für sehr gewalt- und waffenaffin und führt als Beleg an, dass bei einem Aktivisten der Gruppe 2007 mehrere Schusswaffen, darunter ein Maschinengewehr inklusive Munition und mehrere Nagelbomben gefunden worden sind.1048 (4) Kontakte der RFV nach NRW Ein Mitglied der RVF verfügte über langjährige Kontakte nach Köln, nahm bereits an der zweiten Versammlung der „Kameradschaft Köln“, am 14. November 1998, teil und hielt dort eine Rede.1049 Weiter bestand ein Kontakt zwischen der RVF und einem Dortmunder Neonazi, der unter anderem am 27. Januar 2005 auf einem Treffen der niederländischen RVF als Redner auftrat.1050 In einer Pressemitteilung der Zeitschrift „Lotta“, in der diese Veranstaltung erstmals öffentlich gemacht wurde, die kurz nach der Tötung eines Angehöriger der Punkszene durch den Dortmunder Neonazi S. K. am 28. März 2005 in Dortmund verbreitet wurde, heißt es: „Wie LOTTA bekannt wurde, war Borchardt einer der Redner bei einer Veranstaltung, zu der Neonazis auf Einladung der holländischen Sektion der in der Bundesrepublik verbotenen Gruppierung ‚Blood & Honour‘ und der noch militanteren ‚Racial Volunteer Force‘ (RVF) am 27. Januar in die Niederlande gereist waren. Fotos, die der LOTTA vorliegen (siehe Anlage), zeigen Borchardt (ganz links) als Redner der Veranstaltung - auf einem Podium, das mit großer Hakenkreuzfahne, Reichsadler und SS-Totenkopf geschmückt ist. Borchardt, der zunächst als Kandidat der so genannten ‚Freien Kameradschaften‘ auf der NPD-Liste für die anstehende nordrhein-westfälische Landtagswahl vorgesehen war, dann aber offenbar aus eigenem Antrieb verzichtete, gedachte bei dem Treffen in seiner Rede des 80. Jahrestags der Wiedergründung der NSDAP und des 75. Todestages des als SA-Heroen gefeierten Horst Wessel. Die Veranstaltung endete mit dem Absingen des SA-Liedes ‚Die Fahne hoch‘ und mit einem dreifachen ‚Sieg Heil‘. Verhindert an der Teilnahme an der Veranstaltung - weil derzeit in einer bundesdeutschen JVA einsitzend – war der vor seiner Flucht in die Niederlande in Dortmund lebende Neonazi [M. K.].“1051 Das Foto der Veranstaltung zeigt, dass E. H. bei der Veranstaltung ein „Combat 18“-Sweatshirt trug.1052 Der Verfassungsschutz NRW erhilet Kenntnis, dass die Veranstaltung in Arnheim stattgefunden habe. Laut der niederländischen Internetseite „blood en eer“ hätten 70 Personen teilgenommen, wobei als Redner G., E. T. aus den Niederlanden, Siegfried Borchardt und ein B. aus Deutschland sowie Vertreter von „Blood & Honour Niederlande“ und RVF aufgetreten seien. Ein Brief des inhaftierten M. K. an seine niederländischen Gesinnungsgenossen sei verlesen worden.1053. Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem Gutachten zu Kontakten der RVF nach Dortmund ausgeführt: 1048 1049 1050 1051 1052 1053 214 Gutachten Jan Raabe, A95351 S. 10. Meldung des PP Köln vom 20. November 1998, A12231 S. 39, 41. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 10 f. Pressemitteilung der Zeitschrift Lotta vom 6. April 2005, A21683 S. 278. Lichtbild zum Artikel „Dortmund ist unsere Stadt“ veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95419. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. April 2005, A12261 S. 82. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Am 10. Oktober 2004 kam es in Selm zu einem Treffen von niederländischen AktivistInnen der RVF […] mit deutschen Neonazis. […]. Selm, zwischen Münster und Dortmund gelegen, war Wohnort von Mitgliedern der „Oidoxie Streetfihting Crew“; alle anwesenden niederländischen Akteure gehörten zu diesem Zeitpunkt der Struktur der RVF oder C18 an, so dass anzunehmen ist, dass hier eine Verbindung besteht, die näher beleuchtet werden sollte. In das Bild miteinzubeziehen ist auch Mark Atkinson, der ein wichtiger Verbindungsmann zuerst innerhalb der britischen C18-Strukturen, später dann zwischen der RVF und dem Ausland war. Atkinson war schon 2002 eines der Gründungsmitglieder des RVF […] Mit hoher Wahrscheinlichkeit bestanden zwischen Atkinson und der Dortmunder Szene Kontakte. So sprach Atkinson am 21. Februar 2009 im niederländischen Amersfoort auf einem Aufmarsch, an dem sich auch AktivistInnen der RVF beteiligten. Auch ‚ein Kamerad des „Nationalen Widerstandes Dortmund“ […] hielt dort einen Redebeitrag.“1054 Bei einer Durchsuchung im Zuge des Verbotsverfahrens gegen die „Kameradschaft Aachener Land“ im August 2012 wurde eine deutschsprachige Broschüre mit dem Titel „Bist du Faschist? Bedeutung und Hintergrundbeleuchtung des Begriffes ‚Faschismus‘ und Gegenüberstellung zum Nationalsozialismus“ sichergestellt.1055 In der Broschüre ist vermerkt: „Die Broschuere wird euch zu schulungszwecken angeboten durch: Racial Volunteer Force. Divisie Nederland. www.bloodandhonour-rvf.com.“1056 Anlässlich des Geburtstages von Adolf Hitler veranstaltete die niederländische „Blood & Honour-Divison“ im April 2014 eine Saalveranstaltung, an der auch nordrhein-westfälische Neonazis, sowie der RVF-Aktivist M. K. teilgenommen haben.1057 II. Verbindungen der rechtsradikalen Szene in NRW mit den rechtsradikalen Szenen anderer Bundesländer Die nordrhein-westfälische Neonaziszene ist seit jeher mit den Szenen in anderen Bundesländern durch länderübergreifende Organisationen, Vernetzungen von Gruppierungen und gemeinsame Aktivitäten, aber auch durch persönliche Bekanntschaften verbunden. Nach der Wiedervereinigung warben auch nordrhein-westfälische Neonazis in den neuen Bundesländern. Die „Nationalistische Front“ mit Sitz in Detmold weitete sich nach Thüringen und Sachsen aus, um dort Strukturen aufzubauen und verlegte später ihren Schwerpunkt nach Brandenburg.1058 Über eine bundesweite Ausrichtung verfügte auch der von 1999 bis 2008 bestehende „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS), in dem der Kölner Axel Reitz als Mitglied der Organisationsleitung eine führende Rolle einnahm.1059 Zudem waren nordrhein-westfälische Neonazis in der 2011 verbotene „Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG), welche sich bundesweit und strömungsübergreifende um die Betreuung von Inhaftierten sorgte aktiv und füllten auch Funktionen wie „Schriftleiter“ der Vereinszeitschrift, Vorsitzende oder deren Stellverteter aus.1060 1054 1055 1056 1057 1058 1059 1060 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 10. Vermerk des PP Aachen vom 13. August 2013, Auswertung von Asservaten, A14010, S. 309. Vermerk des PP Aachen vom 13. August 2013, Ablichtung Broschüre, A14010, S. 316 f. Schreiben des MIK NRW vom 16. Juli 2014, A14008 S. 74 (VS-nfD). Röpke, APr 16/872 S. 13. Koller, nöAPr 16/234 S. 11; Schedler, APr 16/868 S. 18. Verbotsverfügung des BMI vom 30. August 2011, A14847 S. 629 ff. 215 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Nach den Vereins- und Parteiverboten Mitte der 1990er Jahre organisierte sich die neonazistische Szene verstärkt in den „Freien Kameradschaften“. Auch diese lokal bzw. regional verankerten Gruppierungen waren miteinander vernetzt. Der Sachverständige Jan Schedler hat dazu ausgeführt: „Es gab zwar zum Teil regionale Aktionsbündnisse, aber mit dem Kameradschaftskonzept ging einher, dass man eigenständige Vereinigungen hatte und diese dadurch vernetzt hat, dass sich die zentralen Personen – wir haben das gesehen, dass Leute über 20 Jahre aktiv waren – natürlich kannten. Natürlich gibt es im engen Kreis zum Beispiel Treffen vor Demonstrationen, die bundesweit vorbereitet werden. Zu diesem Zweck treffen sich die relevanten Personen aus den Regionen vorher zu Absprachen. Insofern ist es schwer, abzugrenzen, welche Treffen einen rein organisatorischen Hintergrund haben; denn man hat nicht unbedingt die Struktur einer bundesweiten Organisation mit Landesverbänden. Nichtsdestotrotz gibt es aber eine sehr enge Zusammenarbeit.“1061 Der Sachverständige Prof. Dr. Hajo Funke hat in diesem Zusammenhang von einer „kadermäßigen Vernetzung“ gesprochen.1062 Bei „Führungstreffen“ oder „Führerthings“ kamen die Führungspersonen von Gruppierungen aus verschiedenen Bundesländern zusammen, um politische Aktivitäten und Strategien absprachen. Auf einem solchen Treffen am 27. Dezember 2008 im sächsischen Borna nahmen führende Neonazis aus Nordrhein-Westfalen, Berlin, Sachsen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Berlin teil, darunter auch ein Mitglied des „Thüringer Heimatschutzes“.1063 Verbindungen in andere Bundesländer entstanden darüber hinaus aus persönlichen Bekanntschaften von einzelnen Szenemitgliedern. Besonders langjährig aktive, einflussreiche und Schlüsselfunktionen innehabende Neonazis, beispielsweise Anführer von Kameradschaften, verfügten oftmals über ein weites und gewachsenes Kontaktnetz. Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat dazu ausgeführt: „Die Szene in NRW lässt sich im Zeitraum der 1990er-Jahre bis heute sicherlich auch über Personen erschließen, die deswegen wichtig sind, weil sie überspitzt gesagt als sogenannte rechte Role Models dienen, die die ideologischen und strategischen Richtungen vorgeben. Diese Führungsfiguren gewährleisten Kontinuität, über sie wird Wissen vermittelt und an eine jüngere Generation weitergegeben, und über diese erfolgt auch die Vernetzung.“1064 Führende Vertreter der nordrhein-westfälischen Neonaziszene traten auf Demonstrationen oder Veranstaltungen in anderen Bundesländern auf.1065 Die „Kameradschaft Dortmund“ verfügte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW über „engere Kontakte“ nach Niedersachsen, Sachsen und Thüringen, aber auch nach Belgien und in die Niederlanden.1066 Die „Kameradschaft Köln“ nahm nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW an Treffen in anderen Bundesländern, möglicherweise auch in Thüringen teil und wurde als „national aktiv“ eingeschätzt.1067 1061 1062 1063 1064 1065 1066 1067 216 Schedler, APr 16/868 S. 18. Prof. Dr. Funke, APr 16/860 S. 17. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. Februar 2009, A14913 S. 178. Killguss, APr. 16/868 S. 11. Röpke, APr. 16/872 S. 20. Freier, APr. 16/1349 S. 35. Koller, APr. 16/234 S. 11. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Vernetzung kann darüber hinaus auch über das Internet vermittelt sein1068, wobei das Internet als solches nicht die Vernetzung schafft, sondern vielmehr ein Kommunikationsinstrument darstellt, das schon bestehende Ansätze verstärkt bzw. die Kommunikation erleichtert.1069 Die Sachverständige Andrea Röpke hat die Mitglieder neonazistischer Musikbands als „die wirklich Vernetzten“ bezeichnet.1070 Beliebte nordrhein-westfälische Bands wie „Oidoxie“, „Sleipnir“ oder „Stahlgewitter“ spielen bundesweit, oftmals auch im Ausland, auf Konzerten, bei denen sie Mitglieder anderer Bands und Konzertveranstalter kennenlernen und Zufallsbekanntschaften schließen können.1071 Einzelne, in anderen Bundesländern wohnende Bandmitglieder, können ebenso ihre Kontakte in die Band einbringen. Die Band „Oidoxie“ verfügte zeitweise über ein Mitglied, das von Thüringen nach Dortmund gezogen war. Ein anderer, noch heute mit der Band auftretender Musiker, wohnt in Schleswig-Holstein, wohin er vor vielen Jahren wiederum aus Hessen verzogen ist.1072 Die Vernetzung von Neonazis, welche die Organisation von neonazistischen Musikveranstaltungen sowohl als eigenständiges Mittel als auch zur Finanzierung ihrer politischen Arbeit verstanden, schuf bis zum Verbot im Jahr 2000 die „Blood & Honour Division Deutschland“ mit den ihr angeschlossenen regionalen Sektionen. Nach dem Verbot wurden die entstandenen Netzwerke informell weitergeführt. 1. Thüringen a. In der Garage des Trios in Jena sichergestellte Fanzines Bei der Durchsuchung der von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe genutzten Garage in Jena am 26. Januar 1998 wurden eine Bombenwerkstatt mit Rohrbomben und Sprengstoff sowie zahlreiche schriftliche Unterlagen, darunter auch diverse Flugblätter und Fanzines unter anderem aus NRW, gefunden.1073 Das Durchsuchungsprotokoll vermerkt die Sicherstellung des Magazins „Amok“, der Ausgabe 2/1994 von „Freies Wort Südwestfalen“ sowie die Ausgabe 9 und die Ausgabe 2. Jahrgang 1995 der „Freien Stimme“.1074 Außerdem fand sich ein Flugblatt vom „Verlag und Agentur Werner Symanek“ (VAWS).1075 Der Verlag mit Postfach in Duisburg vertreibt Literatur, darunter auch Werke mit rechtsradikalem Inhalt, und Musik.1076 aa. Fanzine „Amok“ Bei dem sichergestellten Fanzine „Amok“ handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um das Fanzine „Amok – Texte für terminale Täter“, das Mitte der 1990er-Jahre von einem aus dem Kreis Steinfurt stammenden Neonazi herausgegeben wurde. Welche Ausgabe in der Garage des Trios sichergestellt wurde, ist nicht bekannt. Die 1995 erschienene 1. Ausgabe enthielt laut dem Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1995 neben Interviews mit verschiedenen Skinheadbands auch die Wiedergabe von Presseberichten, die sich mit dem rechtsextremistischen Spektrum im Raum Rheine befassen. Die Auswahl des Untertitels „Texte für terminale Täter“ des Fanzines „Amok“ lässt den Eindruck entstehen, dass der Herausgeber vom Leserkreis generell eine zielgerichtete, finale Entschlossenheit zu Gewalt- 1068 1069 1070 1071 1072 1073 1074 1075 1076 Schedler, APr 16/868 S. 24 f. Killguss, APr 16/868 S. 25. Röpke, APr 16/872 S. 20. Raabe, APr 16/1154 S. 48 f. Röpke, APr 16/872 S. 21. Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 26. Januar 1998, A12497 S.60. Asservatenverzeichnis vom 2. Juli 2012, A12497 S. 71. Asservatenverzeichnis vom 2. Juli 2012, A12497 S. 71. Impressum www.vaws.de, A95593. 217 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 handlungen erwartet. Eine Aufforderung zu derartigen Straftaten beinhaltet zumindest ein Artikel der „Anti-Antifa Rheine“, in dem unmissverständlich zu Aktionen gegen einen „Aussteiger“ aus der rechtsextremistischen Szene und namentlich genannten Personen aus der „Antifa“-Szene in Rheine aufgerufen wird.1077 Der Herausgeber arbeitete in der Redaktion des Magazins „RockNord“ in Düsseldorf. Von seinem Fanzine „Amok“ erschienen insgesamt fünf Ausgaben.1078 Das PP Münster führte den Herausgeber im Jahr 1992 als jemanden auf, der durch die Verbreitung von Aufklebern der NF bekannt sei.1079 Wie das Fanzine an das Jenaer Trio gelangte, ist nicht bekannt. Hinweise auf einen persönlichen Kontakt des Herausgebers zum Trio fanden sich nicht. bb. Fanzine „Freies Wort Südwestfalen“ Die in unregelmäßigen Abständen erschienene Publikation „Freies Wort Südwestfalen“ wurde von einem Neonazi aus Hagen herausgegeben. Der Vertrieb wurde u. a. wegen Unwirtschaftlichkeit mit der Ausgabe 4/95 eingestellt. Der Herausgeber gehört seit 1969 der rechten Szene an und unterhält zahlreiche Kontakte zu rechtsextremistischen Parteien / Organisationen, u. a. zur NPD, FAP, HNG und DLVH sowie zu einzelnen bekannten Neonazis. Unter der Bezeichnung „RK-Druck“ vertrieb er rechtsextremistische Aufkleber und Schriften und war vereinzelt für den Druck von einschlägigen Publikationen der rechten Szene, z. B. „Der schwarze Drache“, „Unabhängige Nachrichten“ verantwortlich.1080 Wie die Zeitung an das Jenaer Trio gelangte, ist nicht bekannt. Hinweise auf einen persönlichen Kontakt des Herausgebers zum Trio fanden sich nicht. cc. Fanzine „Freie Stimme“ Das Fanzine „Freie Stimme“ wurde aus dem Kreis der SAF herausgegeben. Die 1994 erschienene zweite Ausgabe gibt im Impressum ein Postfach in Siegen an. Im Editorial bezeichneten die Herausgeber ihr Fanzine als „deutsches, patriotisches Jugendmagazin aus der Provinz voll Leben (Siegen)“.1081 Die enthaltenen Texte sind zumeist kurze Kommentare mit offen rassistischem und antisemitischem Inhalt. Außerdem sind einige Texte enthalten, in denen Repressalien gegen die Neonaziszene beklagt werden. Diese Texte handeln von Hausdurchsuchungen in Ostdeutschland, einer Polizeiaktion gegen die SAF in Winterberg sowie über das Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß 1994 in Luxemburg. Bereits die ebenfalls 1994 erschienene, dritte Ausgabe der „Freien Stimme“, laut Impressum herausgegeben durch die FAP Siegen, enthielt deutlich umfangreichere Texte sowie Werbung für zahlreiche neonazistische Organisationen wie die FAP, die HNG, das „Nationale Infotelefon Rheinland“ oder den Lüdenscheider „Donner Versand“. Die Zeitschrift enthielt neben rassistischen Texten wie jenem über „Rassenlehre“ auch konkrete Hinweise, wie die gewaltsame Auseinandersetzung mit durch Schutzschilden bewaffnete Polizisten geführt werden kann. Der Text endet mit der Aufforderung „Sei wehrhaft und liebe den Kampf“.1082 1077 1078 1079 1080 1081 1082 218 Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1995, A21664 S. 137. Auszug aus „Lokalpolitik und die extreme Rechte in Düsseldorf“, herausgegeben vom RechtsSchutzInstitut, A13410 S. 487. Schreiben des PP Münster vom 5. November 1992, A12244 S. 23. Schreiben des IM NRW aus Juni 1996, A15034 S. 301 (VS-nfD). „Freie Stimme“, Nr. 2/1994, A13861 S. 7. „Freie Stimme“, Nr. 3, A12861 S. 41 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bei der in der Garage in Jena aufgefundenen „Freien Stimme. 2. Jahrgang, 1995“1083 könnte es sich um die Ausgabe Nr. 4 handeln.1084 In der Ausgabe fanden sich erneut zahlreiche rassistische und antisemitische Beiträge, zudem wurde zur internationalen Vernetzung mit Neonazis aus Dänemark oder Schweden aufgerufen. Die Band „Auf eigene Gefahr“ (AEG), in der mit Antje Probst, Michael Probst und Andreas Graupner drei Personen aus dem Unterstützerumfeld des NSU-Kerntrios spielten, bezog als Abonnentin über ihr Postfach 20 Exemplare des Fanzines.1085 b. „Aktionskomitee Rudolf-Heß“ Nach dem Tod des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß im Jahre 1987 entwickelten sich die sogenannten „Rudolf Heß Aktionstage“ und „Märsche“ zu einem zentralen Aktionsfeld der neonazistischen Szene in Deutschland. Insbesondere die Aufmärsche im bayerischen Wunsiedel, wo sich das Grab von Rudolf Heß bis in das Jahr 2011 befand, waren ein Anziehungspunkt für Neonazis aus ganz Europa. Nachdem 1991 ein Aufmarsch in Wunsiedel von den Behörden verboten worden war, wichen die neonazistischen Teilnehmer ins bayerische Bayreuth aus und führten eine Demonstration mit ca. 2.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen durch. In den folgenden Jahren waren die zentralen „Rudolf Heß-Aufmärsche“ durch konspirative Mobilisierungen geprägt. Durch ein Demonstrationsverbot in Wunsiedel fanden die Aufmärsche in verschiedenen Städten im gesamten Bundesgebiet, z. B. 1992 in Rudolstadt / Thüringen, 1993 in Fulda und 1996 in Worms sowie auch im benachbarten Ausland, z. B. 1994 in Luxemburg und 1995 in Roskilde / Dänemark, statt.1086 Von 2001 bis 2004 fanden die Aufmärsche wieder in Wunsiedel statt, bis diese im Jahr 2005 verboten wurden.1087 Auch für den späteren NSU waren die Heß-Märsche ein wichtiger Bezugspunkt. Für die Jahre 1996 und 1997 lässt sich sowohl eine Teilnahme des späteren Kerntrios als auch des direkten Unterstützungsumfeldes an den bundesweiten Heß-Aktionen nachzeichnen. In einer Auswertung diverser Briefwechsel von Uwe Mundlos ist festgehalten, dass Uwe Mundlos im Rahmen eines Briefverkehrs im September 1996 mit einem anderen Inhaftierten zum Gedenken an Rudolf Heß aufgerufen hatte.1088 Schon am 7. August 1996 übermittelte dieser Inhaftierte die Telefonnummer des „Nationalen Infotelefons Rheinland“ an Uwe Mundlos mit der Bemerkung „Ich denke doch, das Ihr an diesem Tag wieder was vorhabt“.1089 Gemeint war der bevorstehende Rudolf-Heß-Marsch. Eine Struktur, die Mitte der 1990er Jahre für die Organisation der Heß-Aktionen verantwortlich zeichnete und für die konspirativen Mobilisierungen insbesondere die „Nationalen Infotelefone“ nutzte, war das sogenannte „Aktionskomitee Rudolf Heß“. In dem Aktionskomitee arbeiteten nordrhein-westfälische Neonazis mit Neonazis aus dem „Thüringer Heimatschutz“ zusammen. aa. Aktionskomitee Rudolf Heß 1996 Im Jahr 1996 veröffentlichte das „Aktionskomitee Rudolf Heß“ einen Aufruf zur Beteiligung an den Aktionen für das Jahr 1996. In dem mit der Überschrift „Jahr der Entscheidung“ betitelten Flugblatt hieß es: 1083 1084 1085 1086 1087 1088 1089 Asservatenverzeichnis vom 2. Juli 2012, A12497 S. 71. „Freie Stimme“, Nr. 4, A12861 S. 112 ff. Abo-Liste „Freie Stimme“, A13861 S. 146; Artikel „Der Soundtrack zum Töten“, veröffentlicht auf www.freiepresse.de, A95594. Entscheidung des BverfG - 1 BvQ 25/05 -. Artikel „25 Jahre Mythos Rudolf Heß“ veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95595. Vermerk des BfV von Juni 2012, A12385 S. 800 (VS-nfD). Vermerk des BfV von Juni 2012, A12385 S. 799 (VS-nfD). 219 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Wiederum fordern wir die Teilnehmer aus Sicherheitsgründen auf, sich an den inzwischen europaweit koordinierten Gruppenfahrten zu beteiligen. Auch sehr jungen bzw. sehr älteren Teilnehmern soll ermöglicht werden, am Trauermarsch teilzunehmen. In den letzten Jahren folgten unserem gemeinsamen Aufruf tausende Personen. Nach den kleineren Demonstrationen in Fulda - Luxemburg - Roskilde (Dänemark) und Schneverding ist es dringend an der Zeit, in Deutschland ein Fanal für Rudolf Heß zu setzen. Jetzt muß jeder, der in den letzten Jahren dabei war, dafür sorgen, daß er mindestens einen neuen Kameraden mitbringt. Kommt alle, überwindet Trennendes, es geht um Ehre und Gerechtigkeit für unser Vaterland! Aufgrund der bekannten Probleme mit den Behörden hat das Aktionskomitee Rudolf Heß zwei Nationale Info-Telefone autorisiert, aktuelle Informationen für den Rudolf Heß Aktionstag bekanntzugeben.“1090 Bei den benannten Infotelefonen handelte es sich um die von nordrhein-westfälischen Neonazis betriebenen „Nationalen Infotelefone“ Rheinland und Sauerland, die aus den Reihen der „Kameradschaft Düsseldorf“ bzw. der SAF betreut wurden. In der bundesweiten Struktur des „Aktionskomitees Rudolf Heß“ haben sowohl Neonazis aus NRW als auch aus Thüringen eine zentrale Rolle eingenommen. Für die Neonazi-Szene in Thüringen als auch in NRW waren die Aktivitäten zum Heß-Marsch 1996 ein wichtiges Aktionsfeld. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Thüringen für das Jahr 1996 führte hinsichtlich der Aktivitäten der „Anti-Antifa Ostthüringen“ (später „Thüringer Heimatschutz“) im Zuge des Rudolf Heß-Gedenkens aus: „Die Aktionen anlässlich des Todestages von Rudolf Heß am 17. August gehörten auch in diesem Jahr zu den wichtigsten Unternehmungen der Thüringer Anti-Antifa. Anlässlich des 9. Todestages des Hitler-Stellvertreters wurden von der rechten Szene wieder öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen durchgeführt. Nachdem in den vergangenen Jahren Aktionswochen angestrebt wurden, beschränkten sich die Organisatoren dieses Mal auf die Planung eines Aktionstages. Ziel war es, eine zentrale Kundgebung des ‚nationalen Spektrums‘ zu veranstalten. Zu diesem Zweck wurde das ‚Aktionskomitee Rudolf Heß 1996‘ gegründet. Unabhängig davon plante die JN auf der Basis des Konzeptpapiers ‚Aktion 96‘, das von einem bekannten norddeutschen Neonazi erarbeitet wurde, eine zusätzliche Großveranstaltung. Die vom ‚Aktionskomitee Rudolf Heß‘ in Thüringen geplante Veranstaltung fand nicht statt. Circa 50 Personen der Anti-Antifa Ostthüringen orientierten sich so auf eine eventuell stattfindende Großveranstaltung im Bundesgebiet. Diese fand als eine von drei zentralen Veranstaltungen in Worms (Rheinland-Pfalz) statt. An dem unangemeldeten Aufmarsch beteiligten sich ca. 250 Rechtsextremisten. Sie führten Naziembleme, Fahnen und Aufkleber mit sich. Im Verlauf der Veranstaltung wurden 174 Personen, darunter ca. 25 Thüringer, in Gewahrsam genommen.“1091 Auch der Verfassungsschutzbericht des Landes NRW verwies für das Jahr 1996 auf die Heß-Aktionen und die damit verbundene Demonstration am 17. August 1996 in Worms: „Bereits im Vorfeld des 9. Todestages von Rudolf Heß plante ein ‚Aktionskomitee Rudolf Heß‘ aus führenden Neonazis und Jungen Nationaldemokraten (JN) einen zentralen Aufmarsch und die Öffentlichkeitsarbeit unter streng konspirativen Bedingungen. Ziele waren: a) den Staat lächerlich zu machen b) enorme Kosten zu verursachen c) die Justiz zu entlarven 1090 1091 220 Flugblatt aus dem Jahr 1996, A10601 S. 406. Schlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Landtags Thüringen, A95599 S. 171 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 d) die Öffentlichkeit zu erreichen’. Am 17. August 1996 führten Neonazis in Worms eine Kundgebung durch, an der sich rund 200 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligten. Für Worms hatten sich die Veranstalter kurzfristig entschieden und die anreisenden Teilnehmer entsprechend über Mobiltelefone dirigiert. Etliche Teilnehmer wurden von der Polizei an der Anfahrt nach Worms gehindert. Die Polizei löste die Veranstaltung in Worms auf und nahm 60 Neonazis in Gewahrsam, darunter 28 Personen aus NRW. Mit Billigung und Unterstützung der NPD-Parteiführung beteiligten sich die JN 1996 erstmals an Vorbereitung und Durchführung der Heß-Gedenkaktivitäten. Das Medienecho blieb begrenzt. Dennoch wertete die Neonazi-Szene die Aktion als Erfolg.“1092 bb. Vorbereitungstreffen in Artfeld / Bad Berleburg Zur Vorbereitung dieses Gedenkmarsches hatten sich am 3. August 1996 im nordrhein-westfälischen Artfeld / Bad Berleburg ca. 60 Neonazis aus NRW, Hessen, Bayern, RheinlandPfalz, Hamburg, Berlin, dem Saarland und den Niederlanden getroffen. Auch der spätere Sektionsführer „Blood & Honour Westfalen“, D. F., befand sich unter den kontrollierten Teilnehmern.1093 Aus Reinland-Pfalz zählte hierzu unter anderem ein aus Andernach (bei Koblenz) stammender Neonazi, dessen Telefonnummer sich sich auf der 1998 beschlagnahmten Kontaktliste von Uwe Mundlos befand.1094 cc. Mitglieder des Aktionskomitees Rudolf Heß 1996 (1) Mitglied K. D. Einer der führenden Köpfe des Aktionskomitees Rudolf Heß im Jahr 1996 war K. D. Der bundesweit aktive K. D. pflegte zu dieser Zeit eine enge Anbindung an den „Thüringer Heimatschutz“ und bewegte sich nah am späteren NSU-Trio und dessen Umfeld. Im Bericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU wird dazu ausgeführt: „Am 14. November 1995 übersandte das LKA Thüringen, Soko ‚REX‘, der StA Gera einen Bericht über das eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB gegen zunächst elf Personen. Diese Personen sollten mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung ‚Anti-Antifa Ostthüringen‘ bzw. ‚Thüringer Heimatschutz‘ sowie deren Untergruppierungen mit der Bezeichnung ‚Kameradschaften‘ in Jena, Gera und Saalfeld sein. Als Anführer oder Organisatoren vermutete das LKA Tino Brandt und Mario B. Bei der ‚Kameradschaft Jena‘ war als einzige Person André Kapke aufgeführt. Ziel dieser mutmaßlichen kriminellen Vereinigung sei u. a. die gewaltsame Beseitigung des bestehenden Staatsgefüges und die Übernahme der Macht. Am 23. August 1996 wurde das Verfahren auf die Person [K.] D. erweitert. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren nicht Beschuldigte in diesem Verfahren.“1095 K. D. wurde laut des Berichtes des Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags zum NSU von 1987 bis 1998 als VP des LfV Bayern geführt.1096 Die Zeitschrift „Der Spiegel“ veröffentlichte in der Ausgabe 45 / 2012 einen Artikel mit dem Titel „Der Brandstiftereffekt“, 1092 1093 1094 1095 1096 Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1996, A21665 S. 221 f. Telefax des PP Dortmund vom 6. August 1998, A13850 S. 260 ff. Schreiben des BKA vom 28. Februar 2013, A92194 S. 21 u. 32. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386, S. 103. Schlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags zum NSU vom 10. Juli 2013, Drs 16/17740 S. 53. 221 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der die Tätigkeiten von K. D. und dessen Rolle bei den Vorbereitungen des Heß Marsches 1996 thematisierte.1097 (2) Mitglieder T. K. und A. Z. Eine weitere führende Rolle innerhalb des Aktionskomitees spielten die aus NRW stammenden Neonazis T. K. und A. Z.. In einem Schreiben des PP Dortmund wurden beide als Hautakteure der SAF und als Mitorganisatoren der Heß Aktionen 1996 und 1997 bezeichnet.1098 Nach Angaben des Verfassungsschutzberichtes des Landes NRW für das Jahr 1996 gehörten der 1991 gegründeten SAF rund 60 Personen an, die zum Teil schon in der verbotenen FAP aktiv waren. Einige Führungspersonen der SAF waren zudem in bundesweite Neonazisstrukturen eingebunden.1099 In einem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 11. September 1996 findet sich ein Mailboxausdruck eines Berichtes der „Antifa Sauerland“ über die Aktivitäten der SAF im Rahmen des „Aktionskomitees Rudolf Heß“. Darin wurde auf Presseberichte verwiesen, wonach rund 40 der bei dem Heß-Marsch in Worms Festgenommenen aus dem Umfeld der SAF stammten.1100 A. Z., D. K. und H. M. kamen im Jahr 1997 bei einem Autounfall ums Leben. In einem Nachruf der Erstausgabe der Zeitschrift „Zentralorgan“ wurde die Betätigung der beiden für das Aktionskomitee gewürdigt. Die Zeitschrift „Zentralorgan“ war ein Zeitungsprojekt der „Freien Kameradschaftsszene“ und ging aus den neonazistischen Publikationen „Widerstand“ sowie den aus dem Kreis der SAF erstellten Fanzines „Freie Stimme“ und „Moonstomp“ hervor. Das „Zentralorgan“ wurde nach dem Tod von A. Z., D. K. und H. M. von norddeutschen Neonazistrukturen um T. W. fortgeführt. Der Sachverständige Jan Schedler hat ausgesagt, das „Zentralorgan“ sei einige Jahre lang das „zentrale Medium des Neonazismus in der Bundesrepublik“ gewesen.1101 (3) Mitglied Tino Brandt Dass der führende Kader des „Thüringer Heimatschutzes“ und NSU-Unterstützer Tino Brandt Teil des „Aktionskomitees Rudolf Heß“ im Jahr 1996 war, geht aus einem Bericht der Evaluierungsgruppe ARP des GBA vom 20. Dezember 2011 hervor. Der Vorgang wurde im Rahmen einer Prüfung des GBA nach Bekanntwerden des NSU geführt, da neben der Mitgliedschaft von Tino Brandt im Aktionskomitee bei der Demonstration in Worms im Jahr 1996 Uwe Mundlos, Holger Gerlach, André Kapke, Ralf Wohlleben und Beate Zschäpe anwesend waren. Im Nachgang der Aktivitäten zum Heß Gedenken prüfte der GBA im Jahr 1996, ob bei der Organisationsstruktur eine kriminelle Vereinigung vorliegen würde.1102 Tino Brandt wurde von 1994 bis Mai 2000 als V-Person des LfV Thüringen geführt.1103 (4) Mitglied Siegfried Borchardt Der Verfassungsschutzbericht des Landes NRW über das Jahr 1996 verweist auf die Tätigkeiten des Siegfried Borchardt im Aktionskomitee. Dort hieß es: 1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103 222 Artikel „Der Brandstifter-Effekt“ in „Der Spiegel“ Ausgabe 45/2012, A95284. E-Mail des PP Dortmund vom 23. November 1997, A13856 S. 8. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1996, A21665 S. 84. Mailboxausdruck, A13863 S. 56. Schedler, APr 16/868 S. 5. Bericht des GBA vom 20. Dezember 2011, A92395 S. 13. Schlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Landtags Thüringen, A95599 S. 512 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Der ehemalige Landesvorsitzende NRW der FAP, Siegfried Borchardt aus Dortmund, unterhält weiterhin engen Kontakt zu führenden Neonazis auf Bundesebene und arbeitete im ‚Aktionskomitee Rudolf Heß‘ an den Vorbereitungen der Heß-Gedenkveranstaltung 1996 mit.“1104 (5) Mitglied T. D. Aufgrund seines öffentlichen Ausschlusses aus dem „Aktionskomitee Rudolf Heß” lässt sich eine Zugehörigkeit des Thüringer Neonazis T. D. in diesem nachvollziehen. Im Namen des Aktionskomitees erklärte K. D. in den „Nachrichten der HNG“ 18. Jahrgang Nr. 187 aus dem Jahr 1996, T. D. zur „unerwünschten Person“.1105 Vorausgegangen war ein Verdacht, dass T. D. Gelder der HNG veruntreut habe. In einem weiteren Artikel in der oben genannten Ausgabe der HNG-Nachrichten wurde T. D. für politisch „tot“ erklärt: „Sie haben von ihm gehört, haben ihn sogar gesehen. Ja, das war nicht jener Thomas D., der als energiegeladener Aktivist den Rudolf-Heß-Gedenkmarsch Rudolfstadt an entscheidender Stelle mitgestaltete. Der als glühender Patriot an den Säulen des Lügentempels der Besatzungsmächte rüttelte. Dieser Thomas D. ist tot.“1106 Auch der sogenannte „Gasser Bericht“, ein im Jahr 2000 erstellter „Untersuchungsbericht über in den Medien dargestellte Vorgänge in dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz und deren Auswirkung auf die Funktionsweise des Amtes“ verweist auf die Tätigkeit von D. im Aktionskomitee Rudolf Heß im Jahr 1996.1107 D. war Anfang der 1990er-Jahre Vorsitzender der neonazistischen „Deutsch Nationalen Partei“ (DNP). Zusammen mit Christian Worch zeichnete er maßgeblich verantwortlich für den Rudolf Heß-Marsch am 15. August 1992 in Rudolstadt, an dem rund 2.000 Neonazis teilnahmen.1108 Bundesweites Aufsehen erlangte D. durch ein Interview mit Reportern von „Der Spiegel TV“ im September 1992. Die Aufnahme zeigten unter anderem Wehrsportübungen und die militante Ausbildung von DNP-Anhängern mit selbstgefertigten Sprengmitteln, Nebelwurfkörpern und Waffen. Aufgerufen wurde, diese gegen Asylbewerber und Ausländer einzusetzen. Gegen D. und andere Thüringer DNP-Mitglieder wurde daraufhin ein Verfahren des Verdachtes der Bildung einer kriminellen Vereinigung und des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz eingeleitet.1109 Laut Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen war Thomas D. von Januar 1996 bis Juli 1997 als V-Person des Landesamtes für Verfasungsschutz in Thüringen eingesetzt.1110 (6) Mitglied F. Sch. Der Berliner Neonazi F. Sch. gehörte laut einem Schreiben des BKA vom 26. Februar 1997 im Jahr 1996 ebenso zum „Aktionskomitee Rudolf Heß“: 1104 1105 1106 1107 1108 1109 1110 Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1996, A21665 S. 225. Nachrichten der HNG, August 1996, A14979 S. 208. Nachrichten der HNG, August 1996, A14979 S. 213 Schreiben Dr. Grasser vom 23. August 2000, A13141 S. 412. (VS-nfD). Telefax des LKA Thüringen vom 13. August 1992, A13774 S. 37 f. Telefax des LKA NRW vom 25. September 1992, A13774 S. 65. (VS-nfD). Schlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Landtags Thüringen, A95599 S. 568. 223 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Im Zusammenhang mit den diesjährigen Rudolf-Heß-Gedenkmärschen in Worms und Merseburg sind Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen § 26 VersG bei der StA Mainz bzw. StA Halle anhängig. [Sch.] war Mitglied des ‚Aktionskomitees Rudolf Heß‘ 1996. [Sch.] nahm an der Veranstaltung in Merseburg teil.“1111 Der mehrfach vorbestrafte F. Sch. war unter anderem der Vorsitzende der Gruppierung „Die Nationalen e.V.“, die im November 1997 aufgelöst wurde. In der Publikation „BfV aktuell“, Nr.47/97 wurde die Entwicklung der „Nationalen e.V.“ unter Schwerdt wie folgt beschrieben: „Die Nationalen e.V. gingen aus der im September 191 gegründeten ‚Freien Wählergemeinschaft – Wir sind das Volk‘ hervor. Die Umbenennung und die Eintragung in das Vereinsregister erfolgten nach der erfolglosen Wahl zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen im August 1992. […] Der Schwerpunkt der ‚Nationalen‘, die über rund 150 Mitglieder verfügen, liegt in Brandenburg. Der Jugendverband ‚Jungnationale‘ (JNA) mit etwa 40 Mitglieder, der sich bis Ende 1996 ‚Junges Nationales Spektrum‘ nannte, war besonders in Sachsen aktiv. Nachdem [Sch.] Vorsitzender geworden war, gerieten die ‚Nationalen‘ zunehmend unter den Einfluß von Neonazis, die nach den Verboten neonazistischer Organisationen eine neue politische Heimat suchten. In den letzten beiden Jahren konzentrierte sich der Verein auf den Aufbau autonomer Strukturen. So konnte in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein Netzwerk selbständiger Kameradschaften errichtet werden, die personell und organisatorisch eng mit den ‚Nationalen‘ verbunden waren.“1112 Einen engen Kontakt pflegte F. Sch. zu Tino Brandt.1113 Einer der Hauptakteure des „Thüringer Heimatschutzes“ und mutmaßlicher NSU-Unterstützer, André Kapke, sagte in dem Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG Münchner aus, dass er kurz nach Abtauchen des Trios auf Empfehlung von Tino Brandt 1998 bei F. Sch. um Unterstützung von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angefragt hat.1114 Frank Schwerdt ist am 22. Oktober 2016 verstorben. dd. Rudolf-Heß-Gedenken 1997 1997 plante die Neonazi-Szene erneut Aktionen zum Todestag des von ihnen verehrten Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Die Hauptprotagonisten des „Aktionskomitees“ aus dem Jahr 1996 stellten auch ein Jahr später die Struktur für das Heß-Gedenken. (1) Mitglieder des „Aktionskomitees Rudolf Heß“ 1997 In einem Vermerk des BKA vom 28. November 2011 zur Entwicklung des „Thüringer Heimatschutzes“ hieß es: „Insbesondere bei den Aktionen anlässlich des 10. Todestages von Rudolf Heß im Jahr 1997 nahmen die Mitglieder des THS teil. Kontakte des Tino BRANDT zum damaligen ‚Aktionskomitee Rudolf Heß 1997‘ bestanden zumindest in koordinierender Hinsicht für die Thüringer Teilnehmer“. 1111 1112 1113 1114 224 Schreiben des BKA vom 26. Februar 1997, A53686 S. 203 (VS-nfD). BfV aktuell Nr. 47/97, A53686 S. 7. Vermerk des BKA vom 28. November 2011, A13234 S. 361. (VS-nfD). Artikel „NPD-Bundesvize [F. Sch.] hatte Kontakte zu Mitgliedern des späteren NSU“ veröffentlich auf nsu-watch.info, A95652. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weiter wurden der Hamburger Neonazis Thomas W. sowie die SAF-Führungskader K. und Z. als Mitglieder für das Jahr 1997 benannt. Insbesondere die Führungskader T. K. und A. Z. nahmen, wie im Vorjahr, eine zentrale Rolle in der Organisation des Heß-Marsches ein.1115 (2) Aktionstag 1997 Im Jahr 1997 rief das „Aktionskomitee Rudolf Heß 1997“ aus Anlass des 10. Todestages von Rudolf Heß für den Zeitraum vom 9. bis 23. August 1997 „Heß-Aktionswochen“ aus. Wie bereits in den Vorjahren sollte eine zentrale Demonstration, der sogenannte „Heß-Gedenkmarsch“ veranstaltet werden. Zusätzlich sollten während der „Aktionswochen“ die „Kameraden“ in eigener Regie regionale, öffentlichkeitswirksame Plakat- und Flugblattaktionen, Saalveranstaltungen etc. durchführen. Die dazu erforderlichen Materialien wie Flugblätter, Plakate und Aufkleber wurden zentral hergestellt und innerhalb der Szene in großen Stückzahlen zum Kauf angeboten. Eine zu diesem Anlaß produzierte „Heß-CD“ enthielt einen Redebeitrag des früheren Vorsitzenden der verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) und mehrere einschlägige Liedtexte. Eines der Vorbereitungstreffen des „Aktionskomitees“ fand Mitte Juli 1997 in Winterberg (Hochsauerlandkreis) statt.1116 Aufgrund behördlicher Verbote konnte kein zentraler Aufmarsch stattfinden. In Hessen wurden 83 Personen, die zu dem Gedenkmarsch anreisen wollten, an verschiedenen Orten in Gewahrsam genommen. Neben zwei Führungspersonen der „Blood & Honour Sektion Westfalen“ wurden weitere acht Personen aus NRW durch die Polizei Eschwege (Regierungsbezirk Kassel) verhaftet. Zeitgleich wurde eine Gruppe Neonazis vornehmlich aus Thüringen und Niedersachsen in Bad Hersfeld (Regierungsbezirk Kassel) verhaftet, darunter Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.1117 ee. Kritische Würdigung In den dem Ausschuss vorliegenden Akten ließen sich nur punktuelle Hinweise zum „Aktionskomitee Rudolf Heß“ finden. Eine umfassende Darstellung zur personellen und organisatorischen Struktur lag nicht vor. Nichtsdestotrotz lässt sich für den Zeitraum 1996 / 1997 über das „Aktionskomitee Rudolf Heß“ eine Vernetzung neonazistischer Kader aus NRW und Thüringen nachweisen. Das Aktionskomitee bestand nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ aus einem kleinen Kreis von elf Personen, die zu dieser Zeit eine wichtige und zentrale Rolle in dem Spektrum der militanten Freien Kameradschaftsszene gespielt haben. So muss von einem Kennverhältnis beispielsweise von späteren Unterstützern des NSU wie Tino Brandt, der kurz nach dem Untertauchen des Trios versuchte, gefälschte Reisepässe und Spendengelder zu besorgen, zu führenden nordrhein-westfälschen Neonazis wie Siegfried Borchardt ausgegangen werden. c. Konzerte von „Oidoxie“ und „Extressiv“ in Thüringen Der Sachverständige Jan Raabe hat in seinem Gutachten festgestellt, dass es nur sehr wenige Kontakte des „Oidoxie“-Netzwerkes zu „Blood & Honour“ Sachsen und Thüringen gegeben habe. Dies sei dadurch zu erklären, dass sie einer konkurrierenden Fraktion innerhalb von „Blood & Honour / Combat 18“ angehört hätten. Der Sachverständige hat aber auf ein durch die thüringische „Blood & Honour“-Sektion organisiertes Konzert im Dezember 1997 in Heilsberg verwiesen, bei dem die „Oidoxie“-Mitglieder möglicherweise Kontakt zu dem Jenaer Trio gehabt haben könnten.1118 1115 1116 1117 1118 Vermerk des BKA vom 28. November 2011, A13234 S. 183 (VS-nfD). Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1997 (Zwischenbericht), A31632 S. 22 f. Schreiben des LfV Hessen vom 26. August 1997, A12209 S. 14 ff.; Artikel “Rudolf Heß “Gedenkmarsch” muss ausfallen, veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de, A95360. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 20. 225 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aa. Konzerte 1996 und 1997 (1) Feststellungen Am 1. Juni 1996 und am 27. Dezember 1997 spielte „Oidoxie“ auf zwei vom Anführer der „Blood & Honour Sektion Thüringen“ organisierten Konzerte in Thüringen.1119 Das Konzert am 27. Dezember 1997 fand in einer Gaststätte in Heilsberg statt, die bis Ende April 1998 der zentrale Versammlungsort des „Thüringer Heimatschutzes“ war, an dem dieser seine regelmäßigen Treffen und Schulungen sowie mehrere Konzerte veranstaltet hat.1120 Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags zum NSU hat zur Gaststätte „Heilsberg“ festgestellt: „Im März [Anm.: 1997] gelang es einem Angehörigen des THS in Heilsberg eine Gastwirtschaft gleichen Namens anzumieten. Seit April finden die regelmäßigen ‚Mittwochstreffs’ in diesem Lokal statt. Der THS veranstaltet in dem Berichtszeitraum ein Fußballturnier und fünf Konzerte. Die Veranstaltungen verliefen störungsfrei. Am 11. Oktober durchsuchte die Polizei die Gaststätte Heilsberg (…).1121 Nach Angaben der Journalisten Dirk Laabs und Stefan Aust hielten sich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe seit April 1997 regelmäßig in der Gaststätte „Heilsberg“ auf. Dem BfV sei zugetragen worden, dass das Trio dort Ende September ein Nazirock-Konzert besucht habe.1122 Ob das Jenaer Trio auch das Konzert mit „Oidoxie“ Ende Dezember 1997 besuchte, ist nicht bekannt. (2) Kritische Würdigung Dass „Oidoxie“ 1996 und 1997 bei zwei von „Blood & Honour Thüringen“ organisierten Konzerten aufgetreten ist, belegt, dass die Bandmitglieder Kontakt zu einer Führungsperson der thüringischen „Blood & Honour“-Sektion hatten. Aus den vorliegende ergibt sich nicht, dass der Verfassungsschutz NRW im Zuge der Aufarbeitung der NSU-Taten die Informationen über das „Odioxie“-Konzert in Heilsberg an den GBA weitergegeben hat. Aus welchem Grund dieser Hinweis auf die Möglichkeit eines Kennverhältnisses zwischen Mitglieder der Band „Oidoxie“ und dem Jenaer Trio nicht weitergegeben wurde, konnte der Ausschuss nicht in Erfahrung bringen. bb. „Thüringentag der Nationalen Jugend“ 2008 Die eng mit „Oidoxie“ verbundene Band „Extressiv“ trat im Jahr 2008 bei dem Festival „Thüringentag der Nationalen Jugend“ auf. Der Sachverständige Jan Raabe hat dazu in seinem Gutachten ausgeführt: „Der im NSU-Prozess angeklagte Ralf Wohlleben war zeitweise in die Organisation des Thüringentages der Nationalen Jugend involviert, einer Veranstaltung mit einem Programm aus RednerInnen und Bandauftritten. Im Rahmen des Thüringentags der Nationalen Jugend 2008 trat die Band Extressiv auf. Auch bei dieser Gelegenheit könnten 1119 1120 1121 1122 226 Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, A13712 S. 189; Schreiben des LfV Thüringen vom 6. Juni 1996, A12262 S. 5 (VS-nfD); Schreiben des LfV Thüringen vom 21. Januar 1998, A12262 S. 54 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 28. November 2011, A13234 S. 182; Schreiben des LfV Thüringen vom 21. Januar 1998, A12262 S. 54 (VS-nfD). Schlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Landtags Thüringen, A95599 S. 174. Stefan Aust/Dirk Laabs: Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU. 1. Auflage, München 2014, S. 248. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Kontakte zwischen den Bandmitgliedern und dem Angeklagten Ralf Wohlleben entstanden sein, vor allem, da Wohlleben auch als Redner auftrat.“1123 Nach Erkenntnissen der thüringischen Polizei besuchten ca. 180 Personen die vom NPD Kreisverband Kyffhäuserkreis angemeldete Veranstaltung in der Stadt Sondershausen. Als Redner traten neben Ralf Wohlleben auch ein ehemaliges Mitglied des „Thüringer Heimatschutzes“ und der im thüringischen Altenburg wohnende Thomas Gerlach auf.1124 Der erste „Thüringentag“ war im Jahr 2002 von Ralf Wohlleben in Jena organisiert worden.1125 d. Kontakte zur Rechtsrock-Band „Blutorden“ Dortmunder Neonazis aus dem Umfeld der Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ hatten Kontakt zur Thüringer Rechtsrockband „Blutorden“, die am 15. April 2000 ein Konzert im nordrhein-westfälischen Lotte spielte.1126 Die von 1999 bis 2001 aktive Band spielte insgesamt sechs Konzerte in Thüringen, Niedersachsen und NRW. Mindestens zwei der Musiker von „Blutorden“, die sich nach einer vor allem an „Alte Kämpfer“ der NSDAP verliehenen nationalsozialistischen Auszeichnung benannte, gehörten dem „Thüringer Heimatschutz“ an. Das Thüringer Innenministerium schrieb in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Katharina König (Die LINKE) vom 18. Dezember 2013:1127 „Die rechtsextremistische Musikgruppe ‚Blutorden‘ (vormals ‚Saalepiraten‘) aus dem Raum Saalfeld-Rudolstadt war in den Jahren 1999 bis 2001 aktiv. Die Bandmitglieder wohnten zum damaligen Zeitpunkt in Saalfeld bzw. im Raum Saalfeld-Rudolstadt. Zwei gehörten dem neonazistischen ‚Thüringer Heimatschutz‘ an. Bekannt geworden sind sechs Konzertauftritte in den Jahren 1999 bis 2001 in Thüringen, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen.“1128 In der Kleinen Anfrage zur Band „Blutorden“ hatte die Abgeordnete Katharina König (Die LINKE) zudem ausgeführt, dass die Band „Blutorden“ auf dem „Blood & Honour“-Sampler „Voices of Solidarity Vol. 2“ vertreten war.1129 Der Sampler wurde 2008 wegen jugendgefährdenden Inhalten indiziert.1130 Das LKA Thüringen ordnete in einer undatierten Erkenntnissammlung die beiden aus Saalfeld stammenden Mi. E. und Ma. E. als Mitglieder der Band zu.1131 In der Kleinen Anfrage heißt es zudem, dass einer der damaligen Musiker Mitte November 2013 wegen eines Raubüberfalls auf einen Geldtransporter in Pößneck im Jahr 1999 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.1132 Das LKA Thüringen vollstreckte am 11. September 2012 drei Haftbefehle und ermittelte insgesamt gegen fünf Beschuldigte wegen des 1123 1124 1125 1126 1127 1128 1129 1130 1131 1132 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 20. Schreiben der KPI Nordhausen vom 8. November 2012, A82335 S. 124 (VS-nfD). Schreiben der KPI Nordhausen vom 8. November 2012, A82335 S. 125 (VS-nfD). Chronologische Auflistung rechtsextremistischer Skinhead-Konzerte in Deutschland im ersten Halbjahr 2000 des BfV, A12262 S. 240 (VS-NfD). Kleine Anfrage und Antwort des Thüringer Innenministeriums vom 18. Februar 2014, Landtag Thüringen Drs. 5/7336, A95588 S. 3. Kleine Anfrage und Antwort des Thüringer Innenministeriums vom 18. Februar 2014, Landtag Thüringen Drs. 5/7336, A95588 S. 3. Kleine Anfrage und Antwort des Thüringer Innenministeriums vom 18. Februar 2014, Landtag Thüringen Drs. 5/7336, A95588 S.1. Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 2. Februar 2009 eingegangenen Antworten der Bundesregierung. 76. Abgeordnete Petra Pau (Die Linke.), BT Drs. 16/11845, A95590 S. 3. Bandübersicht, A85640 S. 15 (VS-NfD). Kleine Anfrage und Antwort des Thüringer Innenministeriums vom 18. Februar 2014, Landtag Thüringen Drs. 5/7336, A95588 S.1. 227 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Überfalls auf den Geldtransporter im Jahr 1999, bei dem 72.842,22 DM und die Dienstwaffe eines Mitarbeiters erbeutet wurden. Zu den Beschuldigten zählten die Brüder E. sowie ein Mitglied des „Thüringer Heimatschutzes“.1133 Die Tat wurde zusammen mit litauischen Kriminellen begangen, die tatbeteiligten deutschen Neonazis sollen ihre Beute in die Übernahme eines Bordells investiert haben. Die Angeklagten wurden 2014 zu Bewährungsstrafen verurteilt.1134 Nach Informationen des BfV trat „Blutorden“ am 15. April 2004 in Lotte-Halen zusammen mit „Oidoxie“ und der aus Kassel stammenden Band „Hauptkampflinie“ vor 250 Besuchern auf.1135 Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund hatte ebenfalls Erkenntnis von 250 Besuchern, nicht sicher war sich der Staatsschutz hingegen, ob auch die Band „Weisse Wölfe“ bei dem Konzert auftrat. Zwar seien Personen festgestellt worden, die Jacken mit der Aufschrift „Weisse Wölfe“ trugen, die Band habe aber wohl nicht gespielt.1136 Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes war „Blutorden“ auch für ein Konzert am 24. April 2001 in Nordrhein-Westfalen angekündigt, sei aber nicht aufgetreten.1137 Die Organisatoren dieses Konzertes sollen aus dem Umfeld von „Oidoxie“ stammen.1138 Ausweislich eines anderen Vermerks des Verfassungsschutzes NRW fand das Konzert in einem Vereinshaus neben einem Fußballplatz in Gevelsberg statt. Es traten die Bands „Oidoxie“, „Boots of Hate“, „Razor`s Edge“ und „Weiße Wölfe“ auf.1139 Ausweislich eines Beweisantrags von Nebenklagevertretern im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München soll der Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“ und V-Mann des LfV Thüringen, Tino Brandt, dem LfV Thüringen mitgeteilt haben, dass Siegfried Borchardt für den 31. Dezember 1999 ein Konzert mit der Saalfelder Band „Blutorden“ im „Ruhrpott“ organisiert haben. Diese Information stützt sich auf ein Dokument aus den Verfahrensakten des Generalbundesanwalts.1140 Der Untersuchungsausschuss hat keine Erkenntnisse erlangt, dass dieses geplante Konzert stattfand. Nach Erkenntnissen des Staatsschutzes der Polizei Dortmund spielten die aus dem Raum Dortmund stammenden Rechtsrock-Bands „Weisse Wölfe“ und „Oidoxie“ am 31. Dezember 1999 ein Konzert im baden-württembergischen Rot-Ellwangen, bei der eine Gruppe mit dem Namen „Schutzstaffel 2000“ den Ordnerdienst durchgeführte. Erkenntnisse über weitere dort aufgetretene Bands lagen der Polizei nicht vor. 1141 Weitere geplante oder durchgeführte Konzerte der selten live aufgetretenen Band „Blutorden“ in Nordrhein-Westfalen sind nicht bekannt geworden. 1133 1134 1135 1136 1137 1138 1139 1140 1141 228 Ergänzte Tagesordnung des Besprechung des GAR vom 13. September 2012, A10543 S. 332 f. (VS-NfD). Artikel „Ex-Saalfelder erhält nur Bewährung nach Überfall auf Geldboten in Pößneck“ in Ostthüringer Zeitung vom 8. ami 2014, A95591. Chronologische Auflistung rechtsextremistischer Skinhead-Konzerte in Deutschland im ersten Halbjahr 2000 des BfV, A12262, S. 240 (VS-NfD). Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 283. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. Mai 2001, A12262 S. 320 (VS-NfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. Mai 2001, A12262 S. 320 (VS-NfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 3. Mai 2001, A12262 S. 313. Beweisantrag der Nebenklage im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vom 6. November 2014, A62171 S. 32. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A10400 S. 132. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 e. Thomas Gerlach aa. Werdegang Thomas Gerlach trat 1998 in die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG) ein. 2001 begann er während seiner Inhaftierung wegen zahlreicher Körperverletzungsdelikte, Texte für die Zeitschrift der HNG zu verfassen. Während seiner Haftzeit gründete er außerdem einen „Kameradschaftsverbund für Thüringer POW's“ (prisoners of war).1142 Im Verlauf des Jahres 2005 wurde Thomas Gerlach die Führungsfigur der rechten Szene im thüringischen Altenburg. Er gründete die Kameradschaft „Nationale Sozialisten Altenburger Land“, aus welcher später das „Freie Netz Altenburg“ hervorging, und war im „Freundeskreis Halbe“ aktiv.1143 Letzterer unterhielt Kontakte zum „Aktionsbüro Westdeutschland“. Ihm gehörten auch Mitglieder der NPD an.1144 Der „Freundeskreis Halbe“ organisierte regelmäßig Gedenkmärsche für die auf dem Soldatenfriedhof in Halbe liegenden deutschen Soldaten.1145 Insgesamt war Thomas Gerlach, der oft unter dem Namen „Ace“ auftrat, als eine Führungsfigur der „Freien Kräfte“ im Ostthüringer Raum anzusehen.1146 Im Jahr 2004 trat Thomas Gerlach dem „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) bei1147 und war ab Februar 2006 Mitglied der dreiköpfigen Organisationsleitung, der auch der Kölner Axel Reitz angehörte. Thomas Gerlach wurde Nachfolger von T. B.1148 Im Frühjahr 2006 starteten Neonazis eine Kampagne „gegen den globalen Kapitalismus“. Die Auftaktversammlung dieser nach eigenen Angaben „deutschlandweiten Antikapitalismuskampagne“ fand am 18. März 2006 in Südthüringen statt.1149 Danach folgte eine Demonstration im thüringischen Arnstadt am 1. April 2006.1150 Nach Einschätzung eines Autors der antifaschistischen Zeitschrift „Lotta“ sei die Kampagne vor allem von Kameradschaften aus Thüringen und Sachsen getragen worden, während der KDS für den Großteil der Kampagnen-Schriften verantwortlich gewesen sei.1151 Thomas Gerlach setzte sich dafür ein, dass auch der KDS die „Antikap-Kampagne“ unterstützte.1152 Bereits im Jahr 2001 hatte der KDS in seinem „theoretischen Organ“ mit dem Namen „Wetterleuchten“ mit der Veröffentlichung einer Artikelreihe zum „Antikapitalismus von rechts“ begonnen.1153 Thomas Gerlach beteiligte sich ebenso wie Ralf Wohlleben an der Kampagne.1154 Sitz der Kampagne war das so genannte „Braune Haus“ in der Jenaischen Straße 25 in Jena. Dort befand sich ebenfalls der Sitz des NPDKreisverbandes Jena.1155 Bei einer Demonstration im Rahmen dieser Kampagne am 1. Mai 1142 1143 1144 1145 1146 1147 1148 1149 1150 1151 1152 1153 1154 1155 Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 1 (VS-nfD). Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 2 (VS-nfD), Dossier, Thomas „Ace“ Gerlach, Antifarechercheteam Dresede, A12385 S. 399. E-Mail des Freundeskreis Halbe, A12241 S. 94. Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 2 (VS-nfD). Vermerk des LKA Thüringen vom 16. Dezember 2008, A82343 S. 12 (VS-nfD). „Der Gegenangriff“ aus März 2004, A12253 S. 126. Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 2 (VS-nfD); „Der Gegenangriff“ aus März 2004, A13375 S. 23 E-Mail des Aktionsbüro Thüringen vom 26. Februar 2006, A12241 S. 252. Email des Aktionsbüro Thüringen vom 26. Januar 2006, A12241 S. 162 f. Artikel „Antikapitalismus“ von rechts“ veröffentlicht auf www.akweb.de, A95600. „Rundbrief: Zielsetzung des KDS für das Jahr 2006“ von Thomas Gerlach, A13375 S. 8. „Wetterleuchten. Theoretisches Organ des Kampfbundes Deutscher Sozialisten“ März 2001, A12249 S.1 ff. Dossier Thomas „Ace“ Gerlach: führender Neonazi und „NSU“-Helfer, herausgegeben von Antifa Rechercheteam, Stand 03.12.2011, A12385 S. 399. Lagebild der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd vom 11. April 2011, A54453 S. 12 (VS-nfD). 229 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2006 in Magdeburg unter dem Motto „Zukunft statt Globalisierung“ trat unter anderem Sven S. aus Düsseldorf als Redner auf.1156 Auch bei einer Demonstration in Dortmund am 2. September 2006 wurde auf die „Antikap-Kampagne“ Bezug genommen.1157 Anfang 2007 war Thomas Gerlach gemeinsam mit einer weiteren Person an der Gründung des „Freien Netzes“ beteiligt.1158 In einem Interview beschrieb Thomas Gerlach die Organisation und Funktion dieses Netzes: „Das Freie Netz als solches beinhaltet ja mehrere Landkreise und für diese die dazugehörigen Infoportale im Netz. Das Freie Netz Mitteldeutschland ist ein offenes Netzwerk Nationaler Sozialisten, die ohne feste Struktur sich informell und logistisch bei der politischen und gesellschaftlichen Arbeit unterstützen. […] Ziel ist weiterhin die Landkreise logistisch möglichst autonom und unabhängig zu machen, damit die Regionen und Kreise alleine schnellstmöglich reagieren können, wenn es tagespolitisch notwendig wird. Auf Demonstrationen und Veranstaltungen unterstützen wir uns gegenseitig und haben derzeit auch ca. 300 Aktivistinnen und Aktivisten, die wir intern und recht schnell einsetzen können.“1159 Ab 2010 zog sich Thomas Gerlach aus öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten zurück. Das IM Thüringen bewertete diesen Rückzug wie folgt: „Trotz seines, mutmaßlich aus familiären Gründen, stattgefundenen Rückzugs, ist GERLACH nach wie vor ein ideologisch gefestigter Rechtsextremist durch und durch. Im Internet kursieren Bilder aus denen geschlossen werden kann, dass er noch aktives Mitglied des Hammerskinchapters Westsachsen/Sachsen ist und die Veranstaltungen der Hammerskins besucht. Des Weiteren wurde er an einer Vorkontrollstelle zu einem rechtsextremistischen Konzert am 03.12.2011 in Gerstenberg (Landkreis Altenburger Land) durch die Polizei festgestellt.“1160 Die Sachverständigen Prof. Dr. Hajo Funke1161 und Andrea Röpke1162 haben Thomas Gerlach den „Hammerskins“ zugeordnet. Thomas Gerlach sei einer der Administratoren eines Schweizer „Hammerskin“-Forums gewesen.1163 Thomas Gerlach hatte auch Kontakte zu der Schweizer Partei PNOS (Partei National Orientierter Schweizer), auf deren Parteitag er im Jahr 2006 als Redner auftrat. Aufgrund dieser Rede verhängte die Schweiz ein dreijähriges Einreiseverbot gegen Thomas Gerlach.1164 Das LKA Thüringen hielt über diese Kontakte fest: „Mit dem PNOS-Funktionär Mario Friso – er gehört zum militanten Flügel der dortigen Naziszene und leitet im Berner Oberland ‚Freie Kräfte‘ nach deutschen Vorbild an – besteht ein freundschaftliches Verhältnis: Auf Einladung Gerlachs referierte Friso im Oktober 2008 bei einer Neonazi-Veranstaltung in Zwickau. Dazu eingeladen hatte Gerlach im 1156 1157 1158 1159 1160 1161 1162 1163 1164 230 Weitergeleitete E-Mail von „Antikap MD“ vom 1. Mai.2006, A12242 S. 36. E-Mail vom 3. September 2006, A12242 S. 333. Dossier Thomas „Ace“ Gerlach: führender Neonazi und „NSU“-Helfer, herausgegeben von Antifa Rechercheteam Stand 03.12.2011), A12385 S. 400. Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 2 f. (VS-nfD). Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 5 (VS-nfD). Prof. Dr. Funke, APr 16/860 S. 15. Röpke, APr 16/872, S. 42 f. Undatierter Vermerk des BKA, A54428 S. 243 (VS-nfD). TIAZ-Lagebericht Nr.33 aus 2007, A54413 S. 32 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Namen des ‚Freien Netzes Zwickau‘ sowie der ehemalige NPD-Landtagsabgeordnete Peter Klose.“1165 Thomas Richter, alias VP „Corelli“ des BfV, berichtete 2006, dass Thomas Gerlach erzählt habe, er sei von einem gemeinsamen Bekannten aus der Schweiz per E-Mail gefragt worden, ob er sich einen bewaffneten Kampf der Szene vorstellen könne. Thomas Gerlach habe sich darauf keinen Reim machen können, aber gleichwohl beabsichtigt, in die Schweiz zu reisen.1166 Ende 2011 wurde Thomas Richter befragt, wem er Anschläge zutrauen würde. Daraufhin nannte er elf Personen, darunter auch Thomas Gerlach. Im öffentlichen Bericht des Sachverständigen Jerzy Montag an das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages heißt es dazu: „Zur Erläuterung führte er aus, Gerlach sei bis 2008/2009 sehr aktiv in der Kameradschaftsszene gewesen und pflege gute Kontakte zu den ‚Hammerskins‘. Bei vier weiteren von insgesamt elf Personen (einschließlich Gerlach), denen er ebenfalls gewalttätige Anschläge zutraute, erläuterte er seine Einschätzung unter anderem damit, dass sie gute Kontakte zu Gerlach hätten.“1167 bb. Kontakte zu Personen aus NRW Thomas Gerlach hatte auch über den KDS hinaus Kontakt zu Axel Reitz. Dieser trat 2005 und 2008 in Altenburg als Redner bei Demonstrationen auf, die von Thomas Gerlach angemeldet worden waren.1168 Axel Reitz bestätigte in einer Vernehmung am 29. November 2011 seine Bekanntschaft mit Thomas Gerlach.1169 Thomas Gerlach beteiligte sich 2006 und 2008 als Redner an dem seit 2002 jährlich stattfindenden „Thüringentag der nationalen Jugend“. 2008 spielte dort auch die Band „Extressiv“ aus NRW. 2009 wurde diese Veranstaltung u. a. von Ralf Wohlleben organisiert und D. G. aus Dortmund trat als Redner auf.1170 2008 soll Thomas Gerlach nach Angaben des Thomas Richter, der als VP „Corelli“ für das BfV tätig war, an einer Demonstration in Dortmund teilgenommen haben.1171 Nach Angaben des Sachverständigen Jan Schedler war Thomas Gerlach über ein Forum des „Freien Widerstands“ eng mit Neonazis aus Dortmund vernetzt.1172 Ebenfalls 2008 nahm Thomas Gerlach an einem bundesweiten Treffen der Führungspersonen der „Freien Kräfte“ in Borna teil, bei dem auch zahlreiche Personen aus NRW anwesend waren.1173 1165 1166 1167 1168 1169 1170 1171 1172 1173 Vermerk des LKA Thüringen vom 22. Februar 2012, A82336 S. 259 (VS-nfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 19. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 20. Nachricht des LKA Thüringen vom 13. August 2008, A54419 S. 30 (VS-nfD); Nachricht des LKA Thüringen vom 13. August 2008A13751 S. 21 (VS-nfD). Vernehmung des Axel Reitz vom 29. November 2011, A13361 S. 208 (VS-nfD). TIAZ-Lagebericht Nr. 22/2011, A54428 S. 180 (VS-nfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 20. Schedler, APr 16/868 S. 24. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 6. Januar 2009, A14913 S. 104 ff.; Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. Februar 2009, A14913 S. 178 (VS-nfD). 231 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 cc. Verbindungen zum NSU und dessen Umfeld Neben dem engem Kontakt von Thomas Gerlach zu Ralf Wohlleben gibt es weitere Indizien, die ihn in die Nähe des NSU-Unterstützerumfeldes rücken. Unbekannte hackten zwischen 2005 und 2008 verschiedene Internet-Foren, in welchen Thomas Gerlach aktiv war. Darunter befanden sich die Foren des „Freien Netzes Mitteldeutschland“, der „Freien Kameradschaften Mitteldeutschland“ und des „Aktionsbüros Rhein-Neckar“. Nach Angaben der Hacker nutzte Thomas Gerlach dort als Passwort jeweils „struck-mandy“.1174 Mandy Struck zwar zeitweise mit M. F. B. liiert und quartierte Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach deren Untertauchen im Februar 1998 für zwei Monate in dessen Wohnung ein. In der Frühlingsstraße in Zwickau wurden mehrere Dokumente gefunden, die auf ihren Namen ausgestellt waren. Sie räumte selber ein, Unterstützungsleistungen für die drei Untergetauchten geleistet zu haben.1175 In den Akten des Verfassungsschutzes NRW befindet sich ein Dossier über Thomas Gerlach, was im Dezember 2011 von zwei antifaschistischen Gruppen erstellt worden war und dessen Kenntnisstand zu den Aktivitäten Gerlachs enthält. Demnach soll Mandy Struck ebenso wie Thomas Gerlach Mitglied der HNG gewesen sein.1176 Weiter heißt es in dem Dossier, dass Thomas Gerlach bereits in den 1990er-Jahren beim „Thüringer Heimatschutz“ aktiv gewesen sein soll.1177 Nach Informationen des IM Thüringen befand sich die E-Mail-Adresse von Thomas Gerlachs zumindest im Jahr 2007 im Verteiler des „Thüringer Heimatschutzes“.1178 Laut dem bereits erwähnten Dossier soll Gerlach im Jahr 2000 zu den Herausgebern des Fanzines „Ace of Spades“ gehört haben, das „klare Bezüge zur neonazistischen Skinhead- und Rechtsrock-Szene in Westsachsen“ aufwies.1179 Insbesondere zu zwei Aktivisten des „Thüringer Heimatschutzes“, Ralf Wohlleben und André Kapke, die beide zum engen Umfeld des Jenaer Trios gehörten, hatte Thomas Gerlach intensiven Kontakt. Das IM Thüringen hielt zu diesem Kontakt fest: „Ralf WOHLLEBEN, André KAPKE und Thomas GERLACH gehören zu den herausragenden Führungspersonen der Thüringer Neonaziszene. Thomas GERLACH verfügt über umfassende Kontakte, die sich Bundes- und sogar Europaweit ausdehnen. Selbstverständlich bestehen daher auch Kontakte zwischen Thomas GERLACH und Ralf WOHLLEBEN sowie André KAPKE, welche auch durch gemeinsame Verantwortlichkeiten bei rechtsextremistischen Veranstaltungen ihre Ausprägung fanden. [...] Es wird hier davon ausgegangen, dass WOHLLEBEN regen KONTAKT zu GERLACH hatte und sie sich als die zeitweise zwei bedeutendsten neonazistischen Führer in Thüringen oft abstimmten. WOHLLEBEN dürfte GERLACH auch als intellektuell ebenbürtig geachtet haben. Es liegt nahe, dass WOHLLEBEN mit GERLACH vertrauensvoll genug zusammengearbeitet und ihn für ausreichend zuverlässig gehalten haben dürfte, dass er ihn potentiell in die vertraulichsten Vorgänge der rechtsextremistischen Szene einge- 1174 1175 1176 1177 1178 1179 232 Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 4 (VS-nfD). Lagebericht Nr. 15 der BAO Trio des BKA vom 18. dezmeber 2001, A13197 S. 14 f. (VS-nfD). Dossier Thomas „Ace“ Gerlach: führender Neonazi und „NSU“-Helfer, herausgegeben von Antifa Rechercheteam Stand 03.12.2011, A12385 S. 399. Dossier Thomas „Ace“ Gerlach: führender Neonazi und „NSU“-Helfer, herausgegeben von Antifa Rechercheteam Stand 03.12.2011, A12385 S. 399. Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 4 (VS-nfD). Dossier Thomas „Ace“ Gerlach: führender Neonazi und „NSU“-Helfer, herausgegeben von Antifa Rechercheteam Stand 03.12.2011, A12385 S. 399. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 weiht haben könnte. Informationen, die eine konkrete Verbindung GERLACHS zum Fallkomplex Nationalsozialistischer Untergrund belegen, liegen dem TLfV allerdings nicht vor.“1180 Anfang 2012 sendete Thomas Gerlach eine Textnachricht an eine männliche Person, die mit den Worten „Heil Beate“ endete.1181 Diese Person kümmerte sich nach der Inhaftierung von Ralf Wohlleben um dessen Ehefrau und Kinder und unterstützte Ralf Wohlleben finanziell.1182 Auch Thomas Gerlach selbst ist einer der aktivsten Unterstützer der Solidaritätskampagne für Ralf Wohlleben, die unter der Bezeichnung „Freiheit für Wolle“ geführt wird.1183 Im Februar 2012 war Thomas Gerlach gemeinsam mit André Kapke für vier Wochen in Genf, um dort eine Messe aufzubauen. Am 12. Februar 2012 erhielt er eine SMS von einer Schweizer Nummer mit der Frage, ob er bereits in der Schweiz sei. Daraufhin antwortete er ebenfalls per SMS: „Olla. Ne ca ne halbestunde vor der grenze mein guter :-) mal schauen ob die nsu gruppe rüber kommt. Haha.“1184 Die Zeugin Anette Greger hat angegeben, dass im Zusammenhang mit dem NSU nicht gegen Thomas Gerlach ermittelt worden sei: „Aber auch Thomas Gerlach spielt in unserem engeren Raum, also innerhalb der terroristischen Vereinigung – die gilt es für uns immer im Auge zu haben –, keine Rolle.“1185 Aus dem vorliegenden Aktenbestand ist ersichtlich, dass der Verfassungsschutz NRW in einer Dienstlichen Erklärung vom 22. Dezember 2011 dem GBA die vorliegenden Erkenntnisse zum Führungstreffen der „Freien Kräfte“ am 27. Dezember 2008 in Borna mitteilte, an dem neben Neonazis aus Nordrhein-Westfalen auch Thomas Gerlach teilgenommen hatte.1186 Weitergehende Recherchen zur Verbindung von Thomas Gerlach und nordrheinwestfälischen Neonazis wurden, ausweislich des vorliegenden Aktenbestands, von Seiten des Verfassungsschutzes nicht durchgeführt. f. M. Kr. M. Kr. wurde 1972 in Erfurt geboren. Der „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ verfügte spätestens seit 2002 über einen „Gau Thüringen“, der von dem „Gausekretär“ M. Kr. geführt wurde. Als Kontaktadresse war ein Postfach in Erfurt angegeben.1187 In einem Rundschreiben der KDS-Organisationsleitung teilte T. B. mit, dass im Rahmen der „Besprechung der Organisationsleitung vom 3.11.2001“ M. Kr. zum Gausekretär Thüringen ernannt worden sei.1188 Wie lange M. Kr. im KDS tätig war, ist nicht bekannt. 1180 1181 1182 1183 1184 1185 1186 1187 1188 Erkenntniszusammenstellung des TMIK zu Thomas Gerlach vom 13. November 2011, A82347 S. 4 (VS-nfD). Vermerk des LKA Thüringen vom 19. Januar 2012, A82336 S. 100 (VS-nfD). Vermerk KPI Saalfeld vom 13. Dezember 2001, A82336, S. 84. (VS-nfD). Schlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Landtags Thüringen, A95415 S. 1816. Vermerk des LKA Thüringen vom 22. Febraur 2012, A82336 S. 258 (VS-nfD). Greger, APr 16/1353 S. 81. Dienstliche Erklärung des Verfassungsschutzes NRW vom 22. Dezember 2011, A14003 S. 7 f. Kontaktadressen des KDS in „Der Gegenangriff“, Heft 5 September 2002, A12251 S. 40. Rundschreiben an die KDS-Mitglieder im Januar 2002, A12249 S. 159. 233 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bereits am 7. September 2001 bat Axel Reitz Johann Helfer eine VHS-Kassette mit der Aufnahme einer Saalveranstaltung am 14. Juli 2001 in Köln an M. Kr. zu schicken. Weiter hieß es in der Vermerk: „REITZ erklärte zu [Kr.], dieser sei ein guter Freund von [B.] und ein KDS-Mitglied der ersten Stunde.“1189 Das BfV wertete 2012 einen Ordner mit Briefwechseln von Uwe Mundlos aus und stellte die Ergebnisse auch dem Verfassungsschutz NRW zur Verfügung. In der Auswertung stellte das BfV fest, dass in einem Brief von Thomas Starke an Uwe Mundlos ein „M. Kr.“ in einer Form erwähnt wurde, „dass von einem gegenseitigen Kennverhältnis ausgegangen werden muss.“1190 In einer tabellarischen Auswertung der Briefe vermerkte das BfV über den Brief von Thomas Starke vom 10. November 1995, das in selbigen „[M. K.]. (Mglw. identisch mit [M. Kr.] […])“ erwähnt werde.1191 Der betreffende Brief des Thomas Starke an Uwe Mundlos liegt dem ausschuss in Ablichtung vor. Darin teilte der inhaftierte Thomas Starke mit, mit welchen Neonazis aus Thüringen er sich Briefe schreibe und zu welchen Inhaftierten er Kontakt habe. Thomas Starke schrieb, dass aktuell nur noch Kontakt zu T. D. bestehe.1192 Weitere Ausführungen über „M. K.“ finden sich in dem Brief nicht. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass Thomas Starke den Namen des Betreffenden falsch schrieb und tatsächlich den M. Kr. meinte, allerdings lassen die weiteren Umstände dies als durchaus wahrscheinlich erscheinen. Aus den vorliegenden Akten ist ersichtlich, dass M. Kr. erstmals auf der Gefangenenliste der HNG vom Januar / Februar 1994 mit dem Zusatz, dass er ein neuer Gefangener sei und Briefkontakt wünsche, aufgeführt wurde.1193 In der Ausgabe der HNG-Nachrichten vom 25. Juli 1994 wird berichtet, dass dem Inhaftierten M. Kr. die Aushändigung eines Fotos des verstorbenen Neonazi-Anführers Michael Kühnen, Leitfigur des KDS, von der Anstaltsleitung verweigert worden sei.1194 M. Kr. stammte aus dem politischen Umfeld des Uwe Mundlos und Thomas Starke bekannten T. D. Bereits 1992 ermittelte das LKA Thüringen gegen ihn u. a. wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß §129 StGB. Hintergrund war ein Beitrag im RTL-Fernsehen, der Anhänger der von Dienel angeführten „Deutsch Nationalen Partei“ (DNP) auf einem Truppenübungsplatz bei Erfurt zeigte. Laut Polizei wurden dabei „selbstgefertigte Sprengmittel, Nebelwurfkörper und Waffen vorgestellt, die gegen Leben und Gesundheit von Ausländern und Asylbewerbern zum Einsatz gebracht werde sollen bzw. gebracht wurden.“1195 Bei Durchsuchungsmaßnahmen wurden bei den Beschuldigten Waffen, Munition und Sprengstoff sichergestellt.1196 Gegen M- Kr. wurde nicht als Beschuldigter ermittelt, die Polizei stellte aber fest, dass er nach kriminalpolizeilichen Ermittlungen „zum engsten Kreis“ des 1189 1190 1191 1192 1193 1194 1195 1196 234 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. September 2001, A12249 S. 123. Vermerk des BfV vom 18. Juni 2012, A12385, S. 792 ff. (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 18. Juni 2012, A12385 S. 810 (VS-nfD). Brief von Thomas Starke vom 10. November 1995, A65306 S. 4. Nachrichten der HNG, 16. Jahrgang, Nr. 158, Januar/Februar 1994, A14977 S. 4. Nachrichten der HNG, 16. Jahrgang, Nr. 165, Oktober 1994, A14977 S. 383 f. Mitteilung des LKA Erfurt vom 24. September 1992, A13374 S. 69. Mitteilung des LKA Erfurt vom 24. Septmeber 1992, A13374 S. 70 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Beschuldigten T. D. zählte.1197 Die Beschuldigten Sv. R. und A. R. können als Kontaktpersonen des NSU-Trios bezeichnet werden. A. R. war ab Mitte der 1990er Jahre als „Gewährsperson“ des Thüringer LfV tätig1198 und soll die als Treffpunkt des „Thüringer Heimatschutzes“ genutzte Gaststätte „Heilsberg“ betrieben haben.1199 Berührungspunkte existierten auch zwischen M. Kr. und weiteren Kontaktpersonen des NSU-Trios. Am 18. Februar 1998 kontrollierte die Polizei in Gera einen Reisebus, der von dem Anführer der „Blood & Honour Sektion Thüringen“ angemietet worden war. Unter den 39 Insassen befanden sich auch M. Kr. sowie der Chemnitzer M. F. B.1200, in dessen Wohnung das NSU-Trio etwa ab Mitte Februar bis August 1998 lebte1201 und dessen Identität seit Herbst 1998 von Uwe Mundlos genutzt wurde.1202 Ein Kennverhältnis muss auch zwischen M. Kr. und dem wegen NSU-Unterstützung angeklagten Ralf Wohlleben angenommen werden. Unterlagen des LKA Thüringen ist zu entnehmen, dass M. Kr. der Anmelder des „10. Thüringentag der Deutschen Jugend“ am 4. Juni 2011 in Nordhausen war.1203 Der Thüringentag fand erstmals 2002 in Jena statt und wurde von Ralf Wohlleben begründet, der oftmals als Versammlungsleiter und Redner in Erscheinung trat.1204 M. Kr. war zu diesem Zeitpunkt - wie auch Wohlleben - Funktionär der NPD Thüringen. Im Juni 2011 trat er aus der NPD aus.1205 2. Sachsen a. Konzerte von „Oidoxie“ in Sachsen „Oidoxie“ spielten deutlich mehr Konzerte in Sachsen als in Thüringen; bis einschließlich 2011 sind dem Ausschuss acht Konzerte in Sachsen bekannt geworden. Bereits kurze Zeit nach der Gründung der Band im Jahr 1996 spielte „Oidoxie“ dreimal in Sachsen. Möglicherweise könnte dies auf einen Kontakt der Band zu dem führenden sächsischen „Blood & Honour“-Mitglied Thomas Starke zurückzuführen sein. Kontakte bestanden zudem zum Zwickauer Rechtsrockmusiker Ralf Marschner. Am 19. Juli 1996 traten „Oidoxie“ zusammen mit der nordrhein-westfälischen Band „Ruhrstörung“ vor 80 Zuhörern und Zuhörerinnen in Dresden auf, am 31. August 1996 spielten sie mit den Bands „Sturmwehr“ (NRW), „Spreegeschwader“ und „Boot Brothers“ vor 300 Zuhörenden in Golderstedt sowie am 5. Oktober 1996 in Wildenfels mit den Bands „Ruhrstörung“, „Mad Corps“, „Legion Ost“ und „Westsachsengesocks“.1206 Sänger und Kopf von „Westsachsengesocks“ war der Zwickauer Ralf Marschner. Nach Erkenntnissen des Sachverständigen Jan Raabe spielten „Oidoxie“ am 27. November 2004 ein Konzert mit ca. 1.000 Teilnehmern in Mücka, bei dem „Oidoxie“ u. a. mit „Die Lunikoff Verschwörung“ auf der Bühne stand.1207 Ein Konzert am 12. Oktober 2005 in Döbeln, bei der unter anderem „Gigi & Die braunen Stadtmusikanten“ auftreten sollten, wurde von der Polizei aufgelöst.1208 1197 1198 1199 1200 1201 1202 1203 1204 1205 1206 1207 1208 Mitteilung des LKA Erfurt vom 24. September 1992, A13374 S. 70. Schlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Landtags Thüringen, A95599 S. 1056 ff. Schlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Landtags Thüringen, A95599. S. 1800 Vermerk des BKA vom 12. Dezember 2014, A62170 S. 144 ff. Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 143 f. (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 127 (VS-nfD). E-Mail des LKA Erfurt vom 13. April 2011, A54453 S. 24 (VS-nfD) . Schreiben der KPI Nordhausen vom 8. November 2012, A82335 S. 125 (VS-nfD). Steckbrief M. Kr., A95608. Liste mit Konzerten rechtsextremer Bands BfV Stand Januar 2007, A12262 S. 13 ff.(VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 42. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 40. 235 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Laut einem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW fand ein „Oidoxie“ Konzert nicht wie geplant in Zwickau, sondern im sächsichen Dohna statt.1209 Nach Erkenntnissen des BKA hörten bei diesem Konzert ca. 300 Personen die Rechtsrockbands „Oidoxie“, „Moshpit“, „Eternal Bleeding“, „Frontalkraft“ und „Braune Brüder“.1210 Die sächsische Polizei erlangte Kenntnis von dem Konzert und kontrollierte 48 Fahrzeuge und insgesamt 111 Besucher der Veranstaltung.1211 Unter den Kontrollierten befanden sich elf Personen aus dem Umfeld der „Oidoxie Streetfighting Crew“, darunter drei Bandmitglieder.1212 Ein für den 23. Juni 2007 im sächsischen Krauschwitz geplantes Konzert mit ca. 150 Teilnehmenden wurde von der Polizei aufgelöst.1213 Im Juni 2011 trat „Oidoxie“ auf dem von der NPD organisierten „Deutsche Stimme Pressefest“ in Quitzendorf auf.1214 b. Kontakt von „Oidoxie“ zu Ralf Marschner und Zwickauer Neonazis Der unter dem Szenenamen „Manole“ bekannte Ralf Marschner führte in Zwickau einen Laden für rechte Bekleidung und hatte enge Kontakte zu „Blood & Honour“.1215 Er war auch in den Handel mit Rechtsrock-CDs involviert. So stellte das LKA Berlin in seinem Schlussbericht zum „Komplexverfahren ‚Landser‘ des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof“ vom 15. Januar 2001 fest, dass Ralf Marschner 200 CDs der maßgeblich von Jan Werner und Thomas Starke produzierten „Landser“-CD „Ran an den Feind“ bezogen hatte.1216 Eine persönliche Bekanntschaft von Ralf Marschner und dem „Oidoxie“-Bandleader Marko Gottschalk kann nicht nur aufgrund eines gemeinsamen Konzertes im Oktober 1996, sondern vor allem aufgrund eines Eintrags der Telefonnummer eines „Manole“ im Kontaktbuch eines bei Marko Gottschalk im Jahr 2003 in einem Ermittlungsverfahren vom PP Dortmund sichergestellten Mobiltelefon festgestellt werden.1217 Nach Erkennntissen des LfV Rheinland-Pfalz, welches diese an den Verfassungsschutz NRW steuerte, reiste die personell eng mit „Oidoxie“ verbundene Band „Weisse Wölfe“ bei einem Konzert am 31. Dezember 2000 im rheinland-pfälzischen Dreisen „in Begleitung von 15 Glatzen an, die alle ein Sweatshirt mit der Aufschrift ‚Weißer Widerstand Zwickau‘ trugen“.1218 Am 17. April 2013 bat das BfV den Verfassungsschutz NRW um vorliegende Erkenntnisse zu Ralf Marschner. Dieser antwortete bereits am Folgetag in einem Schreiben: „Zu der angefragten Person liegen mir keine Erkenntnisse vor.“1219 Auf die Frage, wie die Antworten auf solche Anfragen recherchiert worden seien, ob die vorliegenden Vermerke überprüft oder ob lediglich im System NADIS nach Treffern zur Person gesucht worden sei, hat der Zeuge Dirk Weinspach, damals Referatsleiter beim Verfassungsschutz NRW, geantwortet, man habe den Anspruch gehabt, beides zu tun. Der erste 1209 1210 1211 1212 1213 1214 1215 1216 1217 1218 1219 236 Vermerk des Verfassungsschutzes vom 28. August 2006, A14911 S. 430 (VS-nfD). Undatierte Auflistung des BKA, A54575 S. 197. Schreiben des LKA Sachsen vom 10. Oktober 2006, A12223 S. 65 (VS-nfD). Schreiben des LKA Sachsen vom 10. Oktober 2006, A12223 S. 62 (VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 37. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 35. Artikel “Das Netzwerk des NSU zwischen Chemnitz und Zwickau” veröffentlicht auf www. antifainfoblatt.de, A95610. Schlussbericht des LKA Berlin vom 15. Januar2002, A83413 S. 193 (VS-nfD). Auswertung der im Mobiltelefon des Marko Gottschalk gespeicherten Rufnummern, A24753 S. 175. Vermerk des LfV Rheinland-Pfalz, A12262, S. 272 ff. (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 18. April 2013, A13385 S. 1 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Schritt sei die Abfrage der Dateien gewesen, wobei man sich bewusst gewesen sei, dass es unterschiedliche Schreibweisen der Namen gebe. Dann habe man sich auch an das Studium der Akten begeben.1220 Auf die Frage, ob der Verfassungsschutz NRW auch nach möglichen Kontakten in den 1990er Jahren geschaut habe, hat der Zeuge Dirk Weinspach geantwortet: „Das war unterschiedlich in den verschiedenen Stufen. Also, erst mal haben wir nur in dem zeitlichem Umfeld von – was weiß ich – ein paar Monaten nach den Anschlagszeiten geguckt, an den Anschlagsorten, und dann haben wir das immer weiter ausgedehnt.“1221 Zur konkreten Recherche nach Ralf Marschner hat sich der Zeuge Weinspach nicht geäußert. c. Kontakt von „Oidoxie“ zu Thomas Starke aa. Feststellungen Der Sachverständige Jan Raabe hat den sächsischen „Blood & Honour“-Aktivisten Thomas Starke als einen der wichtigen Organisatoren der sächsischen „Blood & Honour“-Szene bezeichnet, der direkt in die Unterstützung des NSU involviert gewesen sei, weil er unter anderem Sprengstoff für das NSU-Trio besorgt habe.1222 In der Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. ist festgehalten, dass der anderweitig als Beschuldigter verfolgte Thomas Starke dem Trio Ende 1996 zwei Kilogramm TNT-Gemisch übergab.1223 Weiter heißt es dort, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Thomas Starke nach ihrem Untertauchen gebeten haben, ihnen eine vorläufige verdeckte Unterkunft zu beschaffen. Thomas Starke vermittelte die drei an den Zeugen Th. R., der sie zwei Wochen lang in seiner Wohnung in Chemnitz aufnahm. Im Anschluss daran habe Starke dann über Achim Fiedler und Mandy Struck weitere Wohnungen in Chemnitz als Unterschlupf vermittelt.1224 Auf Vermittlung von Starke mietete im August 1998 Carsten Richter ein Einzimmerappartment für das Trio in Chemnitz an.1225 Thomas Starke wurde 2000 als V-Person des LKA Berlin angeworben.1226 Die Sachverständige Andrea Röpke hat Thomas Starke als einen der „ersten Helfer von Blood & Honour Chemnitz‘“ und als „Vizechef der Sektion von Blood & Honour in Chemnitz“ bezeichnet: „Er hat sofort dafür gesorgt, dass dem Trio Wohnungen angeboten worden sind. Ab 1998 wohnte er in Neuenrade in einer Pension, weil er in Dortmund gearbeitet hat. Zwischen 1998 und etwa 2001 ist er zwischen Neuenrade, Dortmund und Chemnitz gependelt, während sich die drei in seinem Umfeld von Blood & Honour versteckten. Er hatte also einen direkten Draht zu allen dreien und war sogar mit Beate Zschäpe liiert. Von Thomas Starke sind in den Medien nur SMS bekannt geworden. So schrieb er, in Dortmund – er meinte zwar Neuenrade, hat aber Dortmund geschrieben – gebe es zu viele Türken, zu viele Ausländer. Daraufhin hat ihm ein Kamerad aus Chemnitz sinngemäß geantwortet: Ja, da müsste mal aufgeräumt werden. – Solche Dinge sind bekannt geworden. Es gab auch einen Neonazi aus Neuenrade, der nach Chemnitz gezogen ist. 1220 1221 1222 1223 1224 1225 1226 Weinspach, APr 16/1340 S. 83. Weinspach, APr 16/1340 S. 83. Raabe, APr 16/1154 S. 10. Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153, S. 139 (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153, S. 143 (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 145 (VS-nfD). Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zum NSU, Drs. 17/14600, A92386 S. 300. 237 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In wieweit Bekanntschaftsverhältnisse vorliegen, ist nicht bekannt. Thomas Starke hat in seinem Telefonregister die Telefonnummer von Oidoxie gehabt. Starke war einfach der Hauptorganisatoren aus Chemnitz für Konzerte. Er war ein Helfer des Trios und gehört noch immer zu den Verdächtigen. Dass er die Nummer von Oidoxie in seinem Speicher hatte, ist nicht so ungewöhnlich, weil, wie ich schon betont habe, sich die Musiknetzwerke kannten.“1227 In einer im Jahr 2000 durch die sächsische Polizei sichergestellten Adressdatenbank von Thomas Starke befand sich eine mit dem Zusatz „Oidoxie“ versehene Mobiltelefonnummer.1228 Die mit dem Zusatz „Oidoxie“ gekennzeichnete Telefonnummer wurde nach Erkenntnissen des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund aus dem Jahr 2003 als „Kontakttelefonnummer für Oidoxie Records“ verwandt.1229 Das PP Dortmund vermutete im Juli 2000, dass hinter „Oidoxie Records“ der Sänger Marko Gottschalk steht, und teilte dies dem LKA NRW, dem BKA, dem Verfassungsschutzschutz NRW sowie dem BfV mit. Zudem verwies das PP Dortmund darauf, dass sich auf der 1997 erschienen Debüt-CD der Aufdruck „Oidoxie Records, Postlagernd, 44339 Dortmund. Exklusiv im Vertrieb von F.T.V., Fax: 02173/77938“ befindet.1230 Auch die nachfolgenden beiden „Oidoxie“-Veröffentlichungen erschienen unter der Bezeichnung „Oidoxie Records“, den Vertrieb übernahm hingegen der „Freie Tonträger Vertrieb“, der zum Label „Funny Sounds“ eines Düsseldorfer Rechtsrockproduzenten und Herausgeber des Fanzines „RockNord“ gehörte.1231 Aus einem Interview mit „Oidoxie“ im Fanzine „RockNord“ ist ersichtlich, dass es sich bei „Oidoxie Records“ um das bandeigene Label handelte und die bei Thomas Starke festgestellte Telefonnummer zur Kontaktaufnahme mit der Band vorgesehen war.1232 Welches Bandmitglied die Telefonnummer betreute, ist nicht bekannt. In den 2003 bei den „Oidoxie“-Bandmitgliedern beschlagnahmten Mobiltelefonen befand sich keine eingetragene Telefonnummer, die Thomas Starke zugeordnet werden konnte. Nach Recherchen des Journalisten David Schraven wurde Thomas Starke aber „als Kontaktmann Dortmunder Neonazis aus dem späteren C18-Umfeld geführt.“1233 Der Sachverständige Jan Raabe hat dazu ausgesagt: „Im Adressbuch von Thomas Starke findet sich die Telefonnummer von ‚Oidoxie‘ als Ansprechpartner, und es gibt auch andersrum Funde von einem Adressbuch von jemandem aus dieser – meines Erachtens – „Combat-18“-Zelle, die der Dortmunder Journalist David Schraven beschrieben hat, wo dann wiederum die Telefonnummer von Thomas Starke veröffentlicht ist.“1234 Das Adressbuch des Dortmunder Neonazis mit dem Eintrag von Thomas Starke hat der Sachverständige Raabe nach eigenen Angaben mit eigenen Augen gesehen. Bei dem Besitzer dieses Adressbuchs soll es sich um jemanden aus dem direkten Umfeld von Marko Gottschalk und der Band „Oidoxie“ handeln, dessen Namen der Sachverständige Raabe nicht 1227 1228 1229 1230 1231 1232 1233 1234 238 Röpke, APr 16/872 S. 48 f. Ausdrucke zur Datenbank „Casio“ des Thomas Starke, LKA Sachsen, A82308 S.395 ff. (VSnfD). Vermerk des PP Dortmund vom 9. Juli 2003, A24754, S. 48. Erkenntnismitteilung des PP Dortmund vom 18. Juli 2000, A12262 S. 197 f. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A10383 S. 50. Interview mit „Oidoxie“ in RockNord, Nr. 29/30, Nov./Dez. 1997, A24753 S. 120 f. Artikel „Verfassungsschutz. Terrorgefahr durch Rechtsradikale wurde unterschätzt“ auf www.derwesten.de vom 19. Februar 2013, A13792 S. 2 f. Raabe, APr 16/1154 S. 11. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 hat mitteilen können. Er verwies zur Beantwortung dieser Frage auf den Journalisten David Schraven.1235 In dem Adressbuch des namentlich nicht bekannten Dortmunder Neonazis befand sich auch die Telefonnummer des Zeugen Sebastian Seemann.1236 Der Zeuge Sebastian Seemann, der sich damals im Umfeld der Band „Oidoxie“ bewegte, hat als Zeuge vor dem PUA auf die Frage nach Thomas Starke ausgesagt, dass ihm dieser Name etwas sage, aber auch weil er schon oft nach ihm gefragt worden sei. Weitere Angaben machte der Zeuge nicht.1237 Der Verfassungsschutz NRW teilte am 9. Dezember 2011 der BAO Trio des BKA und dem BfV mit, dass keine Erkenntnisse zur Person Thomas Starke vorlägen.1238 bb. Kritische Würdigung Es kann als gesichert gelten, dass Thomas Starke im Jahr 2000 die Kontakttelefonnummer von „Oidoxie“ besaß. Ob ein persönliches Kennverhältnis zwischen ihm und einzelnen Bandmitgliedern vorlag, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, erscheint aber vor dem Hintergrund der drei Konzerte in Sachsen im Jahr 1996 als nicht unwahrscheinlich. d. Kontakte von „Oidoxie“ zur Band „Blitzkrieg“ aus Chemnitz aa. Feststellungen Die Sachverständige Andrea Röpke hat zur Band „Blitzkrieg“ ausgeführt: „Blitzkrieg aus Chemnitz ist kaum bekannt; wir haben sie bisher wenig beachtet. Aber ihre Bandmitglieder sind direkt aus dem Zentrum von Blood & Honour Chemnitz, das den dreien auf der Flucht geholfen hat. Diese Bandmitglieder gehören tatsächlich zu den Helferstrukturen. Sie gehörten zu Blood & Honour. Blitzkrieg ist tatsächlich die Band, die den nächsten Kontakt zum NSU gehabt hat. Es ist nicht verwunderlich, dass sie heute bei allen Solidaritätsaktionen mitmacht wie ‚Freiheit für Wolle‘ usw. Sie gestalten Sampler mit, sie kennen diese militanten Strukturen.“1239 Als feste Bandmitglieder führte die thüringische Polizei J. R., K. R. und P. M. auf, gegen welche die StA Dresden im November 2005 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Fortführung der verbotenen Organisation „Blood & Honour“ einleitete. Die Wohnungen der Bandmitglieder wurden am 7. März 2006 im Zuge der bundesweiten Exekutivmaßnahmen wegen des Verdachts der Fortführung von „Blood & Honour“ durchsucht.1240 Die Band verfügte nach Einschätzung der thüringischen Polizei über „enge Beziehungen“ zum Rechtsrock-Label „PC Records“ aus Chemnitz und stand der Gruppierung HOONARA („Hooligans, Nazis, Rassisten“) nahe.1241 Dem BKA war bereits im Juli 2005 bekannt, dass zur Band nicht nur P. M. und J. R. und K. R. zählten, sondern ebenso T. R.1242 T. R. stellte - vermittelt über Thomas Starke - dem untergetauchten NSU-Trio ihren ersten Unterschlupf in seiner Wohnung in Chemnitz zur Verfügung.1243 Thomas Starke gab am 14. November 2000 in einer verantwortlichen Vernehmung 1235 1236 1237 1238 1239 1240 1241 1242 1243 Raabe, APr 16/1154 S. 22. Raabe, APr 16/1154 S. 23. Seemann, nöAPr 16/230 S. 69 f. Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 9. November 2011, A12385 S. 483 (VS-nfD). Röpke, APr 16/872 S. 20. Erkenntnismitteilung der KPI Gera vom 12. Mai 2009, A84739 S. 8 f. (VS-nfD). Erkenntnismitteilung der KPI Gera vom 12. Mai 2009, A84739 S. 9. (VS-nfD). Schreiben des BKA vom 1. Juli 2005, A54653 S. 401. Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 143 (VS-nfD). 239 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 im Verfahren wegen Vertriebs der „Landser“-CD „Ran an den Feind“ gegenüber dem LKA Sachsen an, dass er zusammen mit T. R.und anderen das Fanzine „White Supremacy“ erstellte1244, in dem Uwe Mundlos zwischen 1998 und 2001 vermutlich drei Artikel beisteuerte.1245 Ein als Zeuge im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München vernommener Chemnitzer berichtete, dass die bei „Blitzkrieg“ spielenden Brüder zum engsten Kreis der „Chemnitzer Gruppe“ gezählt hätten - neben den mutmaßlichen NSU-Unterstützern Jan Werner, Thomas Starke, Gunnar und Armin Fiedler sowie H. L.1246 P. M. spielte nach Informationen des BKA auch in Ralf Marschners Band „Westsachsengesocks“.1247 Das BfV zählte „Blitzkrieg“ ebenso wie „Oidoxie“ zu denjenigen langjährig aktiven deutschen Bands, die sich in der Szene aufgrund ihrer strafrechtlich relevanten Tonträgerveröffentlichungen und ihrer Auftritte eine hohe Popularität erworben haben und als „zugkräftig“ gelten.1248 Belegbar ist ein gemeinsamer Auftritt von „Oidoxie“ und „Blitzkrieg“ bei einem „Blood & Honour“-Konzert am 14. Juli 2001 in Belgien.1249 Das BfV informierte den Verfassungsschutz NRW am 13. Juni 2001 über das geplante Konzert der beiden Bands am Folgetag in Belgien, wobei das BfV auch die Personalien der vier Mitglieder von „Blitzkrieg“ übermittelte.1250 Über den gemeinsamen Auftritt von „Oidoxie“ und „Blitzkrieg“ berichtete das Fanzine „Foier Frei“ in seiner Ausgabe 14.1251 An dem Fanzine haben, nach Aussage von Michael Probst im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, verschiedene mutmaßliche NSU-Unterstützer wie Jan Werner und Thomas Starke, aber auch Michael Probst selbst mitgewirkt.1252 In dem Konzertbericht wurde beschrieben, dass zusammen mit der Band „Blitzkrieg“ weitere, ungenannte Personen aus dem Umfeld der Band mitreisten. Über den Auftritt von „Oidoxie“ schrieb das Fanzine, dass sie zwei Songs von „No Remorse“ coverten, die Stimmung aufrechterhalten konnten und einen „hörenswerten C18-Song“ vortrugen. Nach den Auftritten habe es noch eine Party gegeben, in deren Rahmen sich ein zweiter Auftritt von „Blitzkrieg“ angeschlossen habe.1253 bb. Kritische Würdigung Es kann als gesichert angesehen werden, dass die Mitglieder von „Oidoxie“ mindestens einmal mit dem NSU-Unterstützer T. R. zusammen trafen. Inwiefern darüber hinaus ein Kennverhältnis bzw. weitere Kontakte vorliegen, konnte der Ausschuss nicht feststellen. 1244 1245 1246 1247 1248 1249 1250 1251 1252 1253 240 Vernehmung des Thomas Starke vom 14. November 2000. A82303 S. 349 f. (VS-nfD). Artikel „Bekennerschreiben vor den Morden“ veröffentlicht auf www.blog.zeit.de, A95616. Artikel „Mundlos, der humorvolle Herrenmensch“ vom 17. Juni 2015, veröffentlich auf www. freipresse.de, A95617. Übersicht des BKA Stand Dezember 2002, A53673 S. 40. Broschüre „Rechtsextremistische Musik“, herausgegeben vom BfV Stand: Juli 2007, A95618 S. 17. Gutachten Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 17; Schreiben des IM Schleswig-Holstein vom 18. Juli 2001, A12262 S. 354 f. Schreiben des BfV vom 13. Juli 2001, A12262 S. 351 (VS-nfD). Foier Frei, Nr. 14, A12262, S. 431 f. Nicht amtliches Protokoll des 171. Verhandlungstag vom 16. Dezember 2014 im Verfahren gegn Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlicht auf nsu-watch-info, A95619. Foier Frei, Nr. 14, A12262 S. 431. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 III. Ergriffene Maßnahmen der Behörden in Bezug auf die rechtsradikale Szene in NRW Im Folgenden werden ausgewählte Maßnahmen nordrhein-westfälischer Behörden in Bezug auf die rechtsradikale Szene in NRW dargestellt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Jahren 1998 bis 2006, beginnend mit dem Untertauchen des NSU-Trios und endend mit den letzten beiden Morden der Ceska-Serie an Mehmet Kubaşık in Dortmund und Halit Yozgat in Kassel. 1. Erlassene Vereinsverbote, Verbotsversuche und Verhältnis zu Verboten a. Verbot von „Blood & Honour“ im Jahr 2000 Am 12. September 2000 hat das Bundesinnenministerium die deutsche Division von „Blood & Honour“ sowie deren Jugendorganisation „White Youth“ gemäß § 3 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) verboten.1254 Im Rahmen des Verbotsverfahrens durchsuchten die Behörden bundesweit die Wohnungen von 37 führenden „Blood & Honour“-Mitgliedern. Sichergestellt wurden überwiegend Tonund Bildträger, Propagandamaterial, schriftliche Unterlagen der Organisationen, Kontounterlagen, Bekleidungsgegenstände, Aufkleber, Aufnäher und Computer.1255 In NRW wurde nur die Wohnung des Sektionsführers Westfalen von der Polizei Bielefeld durchsucht. Dabei wurden unter anderem mehrere Unterlagen, Magazine, Kleidungsstücke mit „Blood & Honour“-Bezug sowie ein Banner mit der Aufschrift „Blood and Honour Westfalen“ beschlagnahmt.1256 Der damalige Innenminister von NRW, Dr. Fritz Behrens, hat auf die Frage, inwiefern das IM NRW in das Verbot von „Blood & Honour“ einbezogen gewesen sei, er könne sich nur noch dunkel erinnern, wisse aber, dass auch in NRW in diesem Punkt sehr konsequent gegen den Rechtsextremismus vorgegangen worden sei.1257 b. Verbotsmöglichkeiten von Kameradschaften aa. Angestrebtes Verbot der „Kameradschaft Köln“ 1998 / 1999 Bereits bei ihrer Gründungsveranstaltung am 10. Oktober 1998 in einem Vereinsheim im Stadtteil Humboldt / Gremberg erweckte die „Kameradschaft Köln“ die Aufmerksamkeit des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln, der in einem Schreiben vom 25. November 1998 dazu ausführte: „Einige Tage vor dem Treffen wurden im Bereich Düsseldorf zwei Skinhead`s durchsucht, nachdem sie eine Straftat begangen hatten. Bei dieser Durchsuchung wurde die Einladung zu dem Treffen aufgefunden. Das Treffen sollte durch Beamte des Staatsschutzes Köln beobachtet werden. In der Einladung war jedoch nicht der genaue Veranstaltungsort angegeben, sondern es war ein Parkplatz als Treffpunkt genannt. Dieser Parkplatz wurde dann zur relevanten Zeit beobachtet. Es wurde festgestellt, dass der ehemalige Ortsgruppenleiter der FAP-Köln, [...], mit einem Fahrzeug auf den Parkplatz fuhr. […] Herr [….] wurde durch den Unterzeichner angesprochen und nach dem Treffen befragt. Er war sichtlich unangenehm überrascht, daß die Polizei von dem Treffen Kenntnis hatte. Er gab an, von einem ehemaligen Kameraden angerufen worden zu sein. Die- 1254 1255 1256 1257 Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, A10033 S. 36 ff. Erkenntnismitteilung des BKA vom 18. Oktober 2000, A10033 S. 209 (VS-nfD). E-Mail des PP Bielefeld vom 14. September 2000, A10033 S. 159. Dr. Behrens, APr 16/1004 S. 21. 241 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ser habe ihm erzählt, daß es ein Treffen geben würde. Näheres wüsste er nicht. Gleichzeitig gab er an, daß es auch gefälschte Einladungen gebe. In diesen Einladungen würden die Teilnehmer des Treffens aufgefordert in ‚Braunhemden‘ zu erscheinen.“1258 Das PP Köln konnte zwölf Personen als Teilnehmer der Gründungsveranstaltung identifizieren, unter ihnen befanden sich neben dem ehemaligen Kölner FAP-Ortsgruppenleiter vier weitere Personen, die vom PP Köln als ehemalige FAP eingeordnet wurden. Zudem wurde der Pkw der Ehefrau des ehemaligen Mitglieds der FAP-Mitglied Johann Helfer festgestellt. Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln schloss daraus, dass „Helfer ebenfalls an der Veranstaltung teilgenommen hat.“1259 Unter den Teilnehmenden befanden sich auch der spätere Anführer der „Kameradschaft Köln“, Axel Reitz sowie S. L. Insgesamt haben nach Erkenntnissen der Polizei ca. 45 Personen teilgenommen. Kurze Ansprachen hielten Axel Reitz und R. T.1260 Die StA Köln leitete aufgrund des Verdachts, dass es sich bei der „Kameradschaft Köln“ um eine Ersatzorganisation der verbotenen FAP handeln könnte, ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ein. Neben der Anwesenheit der ehemaligen FAP-Aktivisten wurden als weitere Indizien für eine FAP-Nachfolgetätigkeit ein im Spätsommer 1998 bei Axel Reitz aufgefundenes Heft der in den Niederlanden herausgegebenen, deutschsprachigen Zeitung „Widerstand - Die neue Front“, die vom Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln als „FAP-Kaderzeitung“ bezeichnet wurde, gewertet. Als weiteres Indiz dafür, dass die „Kameradschaft Köln“ als Ersatzorganisation der FAP zu werten sei, führte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln die Tatsache an, dass das bis zu ihrem Verbot von der FAP Köln genutzte Postfach nun als Kontaktmöglichkeit der „Kameradschaft Köln“ genutzt wurde.1261 Die Nutzung des Postfaches war der „Kameradschaft Köln“ von Johann Helfer ermöglicht worden, wie ein bei Axel Reitz durch die Polizei sicher gestellter Brief an Johann Helfer belegt, aus dem auch hervorgeht, dass Johann Helfer die Leerung des Postfaches weiterhin betreuen sollte.1262 Durch einen anonymen Hinweis erfuhr der Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln, dass am 14. November 1998 ein weiteres Treffen der „Kameradschaft Köln“ angesetzt war. Daraufhin wurden umfangreiche polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet. So bewilligte das AG Köln die Überwachung der Veranstaltung mittels einer versteckten Videokamera. Das PP Köln stellte die Personalien sämtlicher 42 Teilnehmenden fest und durchsuchte die Wohnungen von sieben Personen, die seitens der Polizei der Führung der „Kameradschaft Köln“ zugeordnet wurden.1263 Bei den Teilnehmenden der Versammlung wurden vier Totschläger, einen Schlagring und eine Schreckschusspistole sichergestellt.1264 Diese Maßnahmen erbrachten zahlreiche Hinweise auf die ideologische Verortung der neu gegründeten Gruppierung. Die zentrale Rede der Veranstaltung am 14. November 1998 hielt Axel Reitz. Laut polizeilichem Transkript der Rede grenzte er sich stark von der NPD ab und charakterisierte die Kameradschaft als nationalsozialistisch: 1258 1259 1260 1261 1262 1263 1264 242 Vermerk des PP Köln vom 25. November 1998, A10427 S. 8 f. Vermerk des PP Köln vom 25. November 1998, A10427 S. 9 f. Mitteilung des PP Köln vom 14. Oktober 1998, A122231 S.13 ff. Vermerk des PP Köln vom 25. November 1998, A10427 S. 10 f. Brief von Axel Reitz vom 26.10.1998, A10427 S. 378. Bericht des PP Köln vom 16. November 1998, A10427 S. 145 f. Durchsuchungsbericht des PP Köln vom 16. November 1998 S. 151. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Und wenn die NPD es nicht lernt, daß wir sie nicht brauchen, dann schaffen wir eine freie, radikale, nationalsozialistische Kameradschaften. Mit Kameraden wie [C. W., T. B]. In Tradition und Geist der SA und der NSDAP. […] Nein Kameraden, wir stehen in Tradition und Geist der NSDAP und SA, und wir fordern auch künftig das vierte, großdeutsche sozialistische Reich. Das ist es und nicht irgendeine angepaßte Demokratie und ‚wir sind ja auch Demokraten, die mit dem System konform gehen. […] wir müssen immer das bleiben, was wir sind: nämlich Nationalsozialisten und keine Nationaldemokraten oder Nationale Demokraten oder gar Nationalkonservative. Nein, wir fordern die zweite Revolution, wie sie auch von unserem Chef Michael Kühnen gefordert worden ist.“1265 Im weiteren Verlauf der Rede führte Axel Reitz aus, dass man heute der für Deutschland gefallenen „Kameraden“, wie „SA, wie SS-Kameraden, wie Leute der HJ“ gedenke. Axel Reitz erwähnte ebenso die erschossenen Teilnehmer des Hitler-Ludendorff-Putsches, die er als „die 16 ersten Toten unserer Bewegung“ bezeichnete, sowie „Ernst Röhm und de[n] revolutionären Flügel der NSDAP.“1266 Er beendete seine Rede mit den Worten „Auf die nationalsozialistische Bewegung, auf unseren Führer Adolf Hitler ein dreiffaches: Sieg Heil, Sieg Heil, Sieg Heil.“1267 Außer Axel Reitz erhoben vier weitere Teilnehmer den rechten Arm zum Hitlergruß, darunter Johann Helfer.1268 Im Zuge der Ermittlungsmaßnahmen stellte das PP Köln auch ein Flugblatt der „Kameradschaft Köln“ sicher, in dem die Buchstabenfolge „NSDAP AO“ hervorgehoben worden war.1269 Die Ermittlungsmaßnahmen des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln erbrachten auch verschiedene Belege für die organisatorische Verfasstheit der „Kameradschaft Köln“. So stellte das PP Köln bei R. G. im Zuge einer auf die Veranstaltung folgenden Wohnungsdurchsuchung eine von Axel Reitz verfasste Schrift mit dem Titel „Der Aufbau. Schrift für alle politischen Leiter des Gaues Rheinland/Köln“ sicher, in dem der Autor ein Zitat Michael Kühnens („Nationalsozialisten gehören in eine Nationalsozialistische Organisation!“) vorangestellt hatte. In der offenbar vor Gründung der „Kameradschaft Köln“ verfassten Schrift hieß es: „Seit dem Verbot der FAP verfügt die Bewegung über keine Partei mehr. […] Deshalb ist es an der Zeit das es in Köln eine neuen Freie und Unabhängige Organisation von radikalen Kräften gegründet wird.“1270 In einer bei Axel Reitz aufgefundenen Pressemitteilung wurde die Gründung der „Kameraschaft Köln“ bekannt gegeben. Ungefähr 60 „Kameraden aus Köln, Bonn, Düsseldorf und Duisburg“ hätten an der Gründungsversammlung am 10. Oktober 1998 teilgenommen.1271 Ebenso konnte bei ihm eine Ausfertigung der Satzung der „Kameradschaft Köln“ beschlagnahmt werden, die von „Axel Reitz, Kameradschaftssekretär – Ausgefertigt im Auftrage des Vorstands“ gezeichnet worden war und deren 10 Punkte die Organisationsform der Gruppierung detailliert darlegen.1272 Zum Selbstverständnis der Gruppe heißt es in der Satzung: 1265 1266 1267 1268 1269 1270 1271 1272 Vermerk des PP Köln vom 18. November 1998, A10427 S. 24. Vermerk des PP Köln vom 18. November 1998, A10427 S. 24. Vermerk des PP Köln vom 18. November 1999, A10427 S. 25. Bericht des PP Köln vom 16. November 1998, A10427 S. 147. Flugblatt der „Kameradschaft Köln“, A10427 S. 394. Schrift „Der Aufbau“, A12227 S.18. (Fehler im Original) Pressemitteilung der „Kameradschaft Köln“, A10427 S. 28. Satzung der Kameradschaft Köln, A10427 S. 26 f. 243 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Endziel unseres Strebens ist die Aufhebung des NS-Verbotes und die Zulassung sämtlicher nationalsozialistischer Aktivitäten. Mittelfristige Ziele sind die Förderung der Kameradschaft sowie die Herausgabe von eigenem Propagandamaterial. Wir werden uns an den Veranstaltungen und Demonstrationen im Bereich West genauso Beteiligen wie an bundesweiten Aktionen. Grundlagen unserer Kameradschaft sind ‚Mein Kampf‘, das ‚25Punkte Parteiprogramm der NSDAP‘ aus dem Jahre 1925 sowie das ‚Lexikon der Neuen Front.‘“1273 Bei der Versammlung der „Kameradschaft Köln“ am 14. November 1998 sammelte eine Teilnehmerin von den Teilnehmenden 10,- DM Mitgliedsbeitrag ein.1274 Zudem wurde vom PP Köln eine Liste sichergestellt, auf der die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen am 14. November 1998 dokumentiert ist.1275 Bereits am 25. November 1998 legte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln seine Erkenntnisse der Hausspitze in einer mehrseitigen Zusammenfassung dar und regte die Beantragung eines Verbotes gemäß § 3 VereinsG an: „Sollte man sich der hiesigen Auffassung, daß es sich bei der ‚Kameradschaft Köln‘ um eine Nachfolgeorganisation [der verbotenen FAP] handelt, nicht anschließen können, so wäre zu prüfen, die ‚Kameradschaft Köln‘ als verfassungsfeindliche Vereinigung mit einem Verbot zu belegen.“1276 Die Leitung des PP Köln schloss sich der Einschätzung seines Polizeilichen Staatsschutzes an, dass die Gründung des Vereins „Kameradschaft Köln“ lediglich mit dem Ziel geschehen sei, die Tätigkeit der verbotenen FAP wieder aufleben zu lassen und beantragte deshalb am 6. April 1999 beim IM NRW ein Vereinsverbot der Gruppierung. Zur Untermauerung dieser Einschätzung wurden die in den Ermittlungen erhobenen Erkenntnisse angeführt und das Fazit gezogen: „Es bestehen somit eine Vielzahl von Verknüpfungen zwischen der Kameradschaft Köln und der verbotenen FAP, die sich vor allem durch die Nutzung von logistischen Mitteln der FAP (Postfach, Info-Telefon, Publikationen) sowie der bei der Gründung der Kameradschaft Köln anwesenden hochrangigen Kader der FAP verfestigen.“1277 Innerhalb des IM NRW wurde der Verfassungsschutz NRW unter Vorlage aller Erkenntnisse des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln um kurzfristige Mitteilung gebeten, ob die Einschätzung des PP Köln geteilt wird.1278 In seiner Stellungnahme vom 15. April 1999 bescheinigte der Verfassungsschutz NRW dem PP Köln „realtiv bruchstückhafte Kenntnisse“ über die „Kameradschaft Köln“ und wies die Einschätzung, dass es sich um eine Nachfolgeorganisation der FAP handelt, zurück. Begründet wurde dies unter anderem mit Axel Reitz offener Verehrung von Michael Kühnen, der zu keiner Zeit Mitglied der FAP gewesen ist, sowie einem Schreiben von Axel Reitz an die Redaktion des „Kölner Stadtanzeigers“, in dem er abstritt, dass es sich bei der „Kameradschaft Köln“ um eine Nachfolgeorganisation der FAP handelt.1279 1273 1274 1275 1276 1277 1278 1279 244 Satzung der Kameradschaft Köln A10427, S. 27 f. Vermerk des PP Köln vom 18. November 1998, A10427 S. 22. Mitgliedsliste der „Kameradschaft Köln“, A12227 S. 51. Schreiben des PP Köln vom 25. November 1998, A10427 S. 18. Schreiben des PP Köln vom 6.April 1999, A12227 S. 2 f. Internes Schreiben des IM NRW vom 7. April 1999, A12227 S. 27. Stellungnahme des Verfassungsschutzes NRW vom 15. April 1999, A10427 S. 33 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW verfügte die „Kameradschaft Köln“ weder über eine erkennbar festgefügte Struktur noch lägen Erkenntnisse vor, dass bei der Gründungsveranstaltung eine Satzung verabschiedet, Personen in Funktionen gewählt und Mitgliedsbeiträge erhoben worden sind.1280 Der Verfassungsschutz NRW vermutete, dass die von der Polizei übersandte Satzung lediglich ein Entwurf sei, der „möglicherweise von dem zu Selbstüberschätzung neigenden Axel Reitz stammt.“1281 Weiter hieß es in der Stellungnahme des Verfassungsschutzes NRW: „Die ‚Kameradschaft Köln‘ verfügt nach hiesigem Erkenntnisstand nicht über eine völlig einheitliche, von allen involvierten Personen akzeptierte, politische Ausrichtung. Innerhalb des betroffenen Personenkreises gibt es durchaus unterschiedliche Strömungen und persönliche Rivalitäten, was für westdeutsche Neonazi-Cliquen nicht untypisch ist. Kaum findet sich ein loser Kreis zusammen, beginnt häufig schon der Spaltungs- und Verfallsprozess. Ansatzweise zeichnen sich solche Prozess auch bei der ‚Kameradschaft Köln‘ ab. Gemeinsam ist dem betroffenen Personenkreis allerdings eine rechtsextremistische – zumindest teilweise nationalsozialistisch gefärbte – Grundhaltung. Auch die Teilnahme einzelner NPD-Mitglieder an den wenigen stattgefundenen Veranstaltungen belegt, dass der Personenkreis unterschiedliche politische Strömungen und Organisationsverständnisse umfasst.“1282 Auf der Grundlage dieser Stellungnahme erteilte das IM NRW dem PP Köln mit Schreiben vom 20. April 1999 eine ablehnende Antwort: „Ihrer Anregung, die „Kameradschaft Köln“ gemäß § 3 VereinsG zu verbieten, vermag ich nicht zu folgen. Fraglich ist, ob die „Kameradschaft Köln“ die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt. Nach den bisherigen Erkenntnissen kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der „Kameradschaft Köln“ um einen freiwilligen Zusammenschluss von Personen handelt, die sich einer organisierten Willensbildung unterwerfen. An den bisherigen Treffen haben nach Auskunft der Abt. VI meines Hauses neben ehemaligen FAP-Mitgliedern auch Mitglieder anderer rechtsextremistischer Parteien und Gruppen teilgenommen. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die „Kameradschaft Köln“ eine Nachfolgeorganisation der verbotenen FAP ist. Die Tatsache, dass sich ein offensichtlich zur Selbstüberschätzung neigender Sechzehnjähriger als „Kameradschaftssekretär“ bezeichnet, lässt ebenfalls keine Rückschlüsse auf eine Organisation i.S. des § 2 A Eine Einschätzung zur Rolle der bei den Treffen der „Kameradschaft Köln“ anwesenden ehemaligen FAP-Aktivisten gab der Verfassungsschutz NRW nicht ab. Dabei lagen ihm über die Erkenntnislage des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln hinausgehende Informationen vor. So war dem Verfassungsschutz NRW bekannt, dass auch der von der Polizei Köln bei der Gründungsversammlung festgestellte S. L., ebenfalls von 1989 bis 1993 als FAP-Aktivist in Erscheinung getreten war.1283 Obwohl der Verfassungsschutz NRW seit der Gründung der „Kameradschaft Köln“ eine VP in der Organisation hatte, ergibt sich aus dem vorliegenden Aktenbestand nicht, dass diese 1280 1281 1282 1283 Stellungnahme des Verfassungsschutzes NRW vom 15. April 1999, A10427 S. 35 ff. Stellungnahme des Verfassungsschutzes NRW vom 15. April 1999, A10427 S. 36. Stellungnahme des Verfassungsschutzes NRW vom 15. April 1999, A10427 S. 36 f. Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 29. April 1996, A12226 S. 136 (VS-nfD). 245 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Quelle zur Frage der Verabschiedung der Satzung sowie der Strukturen der Kameradschaft befragt worden ist. Am 26. August 1999 faxte das PP Köln einen neuen, überarbeiteten Entwurf eines Verbotsantrags für die „Kameradschaft Walter Spangenberg Köln“ mit der Bitte um Prüfung.1284 In dem Entwurf eines Verbotsantrags nahm das PP Köln die Kritikpunkte des Verfassungsschutzes auf und verwies unter anderem auf einen im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei Axel Reitz sichergestellten „handschriftlichen Zettel mit 13 Tagesordnungspunkten eines Kameradschaftsabends am 14.02.99“.1285 Der Punkt 3 dieser Tagesordnung hatte die „Neuwahlen von – Kameradschaftsführer, - stellvertretendem Kameradschaftsführer, - Schatzmeister“ zum Gegenstand.1286 Die Polizei argumentierte zudem nicht länger, dass die „Kameradschaft Köln“ die Funktion einer Nachfolgeorganisation der FAP erfüllte, sondern betonte vielmehr die nationalsozialistische Ausrichtung der Gruppierung: „Bei der Vereinigung handelt es sich eindeutig um eine Organisation die verfassungsfeindliche Bestrebungen zum Ziel hat.“1287 Zudem regte das PP Köln eine Prüfung an, ob es sich bei der Kameradschaft „um eine Nachfolgeorganisation der am 7. Dezember 1983 verbotenen ANS / NA handelt, da vieles darauf hindeutet, dass man sich in Tradition und Geist der SA bzw. der ANS / NA sieht.“1288 Die ANS / NA war bis zu ihrem Verbot eine bedeutsame Neonazi-Gruppe, die von dem 1991 verstorbenen Michael Kühnen geleitet wurde. In den Akten des Verfassungsschutzes NRW findet sich eine handschriftliche Notiz einer Besprechung von drei Mitarbeitern des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln und vier Mitarbeitern der Verfassungsschutzes NRW am 15. September 1999 zum Thema „Verbot der Kameradschaft Köln“.1289 Welche Inhalte diese Besprechung hatte, ergibt sich aus dem vorliegenden Aktenmaterial nicht. Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat betont, dass es „nicht vordringliche und vornehmliche Aufgabe des Verfassungsschutzes“ sei „für Organisationsverbote von Kameradschaften zu sorgen.“1290 Dass der Verfassungsschutz NRW stark in die Bewertung eines möglichen Verbotes der „Kameradschaft Köln“ nach dem Vereinsgesetz eingebunden war und dass die Entscheidung des IM NRW, das Mittel des Vereinsverbots bei der „Kameradschaft Köln“ nicht einzusetzen, sich auf die Einschätzung seiner Abteilung stützte, hat der Zeuge HansPeter Lüngen nicht erwähnt. Weiter hat der Zeuge Hans Peter Lüngen, der einer der Teilnehmer der Besprechung am 15. September 1999 war, ausgeführt, dass Vereinsverbote mit dem Verlust von Quellenzugängen abgewogen werden müssten: „Wenn man die verbietet – man hat diese Erfahrung ja in den 1980er-Jahren und 1990er-Jahren gemacht –: Ein Verbot kriegen Sie dann vielleicht noch hin. Dann haben Sie die verboten. Die Menschen sind weiter da und sind weiter tätig, nur werden Sie dann in der Regel kein Ohr mehr dran haben. Das ist die alte Diskussion: Ist es sinnvoll 1284 1285 1286 1287 1288 1289 1290 246 Schreiben des PP Köln vom 26. August 1999, A12227 S. 125 ff. Vermerk des PP Köln als Anlage zum Schreiben vom 26. August 1999, A12227 S.127. Vermerk des PP Köln als Anlage zum Schreiben vom 26. August 1999, A12227 S.127. Vermerk des PP Köln als Anlage zum Schreiben vom 26. August 1999, A12227 S. 127. Vermerk des PP Köln als Anlage zum Schreiben vom 26. August 1999, A12227 S. 128. Handschriftlicher Vermerk vom 15. September 1999, A12227 S. 124. Lüngen, APr 16/1097 S. 49. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 – das ist ja keine neue Diskussion –, in solchen Bereichen primär nur auf das Verbot hinzuzielen, und danach ist man in dem Bereich völlig blind? Das ist dann die Alternative. Das ist immer eine Abwägung. Was ist wichtiger? Wenn man ein Ohr dran hat, kann man sich entwickelnde gefährliche Tendenzen eher erkennen, als wenn Sie dann ein Verbot haben für eine Gruppierung, wo Sie – sage ich mal – jetzt nicht unmittelbar terroristische Strukturen und Entwicklungen erkennen können. So haben Sie immer noch die Möglichkeit, eben solche gefährlichen Entwicklungen und Tendenzen zu erkennen. Wenn Sie die verboten haben – mit Verbrennen der Quelle ist diese Möglichkeit nicht mehr gegeben. Wie gesagt, das ist eine Abwägung. Das kann man immer so und so sehen.“1291 Dass kein Verbot der „Kameradschaft Köln“ ergangen ist, sei nach Ansicht des Zeugen Hans-Peter Lüngen „auch im Nachhinein“ keine „grobe Fehleinschätzung“ gewesen.1292 Befragt, ob „es irgendeinen Auftrag, die Kameradschaft zu gründen“ oder „ein Interesse, dass diese Kameradschaft besteht“ gegeben habe, hat der Zeuge Burkhard Schnieder, vormals Gruppenleiter des Verfassungsschutzes NRW, geantwortet: „Nein. Aber es gab ein Interesse, dabei zu sein und zu verfolgen, was daraus wird, und von vornherein zu wissen, wie sich das entwickelt. Das hätte man ja, wenn er nicht dabei gewesen wäre, nicht verhindert.“1293 bb. Verbotsbestrebungen ab 2000 Nach dem Bombenanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf und weiteren rechtsmotivierten Gewalttaten entwickelte sich im Spätsommer 2000 eine Debatte über die Gefahr des Rechtsradikalismus, als deren Folge das erste NPD-Verbotsverfahren auf den Weg gebracht sowie die „Division Deutschland“ von „Blood & Honour“ verboten wurde. Die Innenbehörde des Bundeslandes Hamburg verbot am 11. August 2000 zudem die Neonazi-Gruppe „Hamburger Sturm“, in deren Fanzine im Mai 1999 ein Interview mit den „Nationalrevolutionären Zellen“, die den bewaffneten Untergrundkampf propagierten, erschienen war.1294 In den Akten des Verfassungsschutzes NRW findet sich ein Ausschnitt eines Pressespiegels mit einem Zeitungsartikel vom 12. August 2000 über das Verbot des „Hamburger Sturms“ und die (SAF). Auf dem Presseartikel findet sich ein Postit-Zettel, auf dem ein für den Ausschuss nicht zuzuordnender Mitarbeiter am 14. August 2000 vermerkte: „Herrn Dr. Möller, sollten wir nicht bei der SAF ein Verbot überlegen?“1295 Der Verfassungsschutz NRW positionierte sich im weiteren Verlauf eindeutig gegen ein Verbot von Kameradschaften in NRW, nachdem der Verfassungsschutz NRW bereits im Jahr 1999 den Verbotsanregungen der Polizei Köln hinsichtlich der „Kameradschaft Köln“ eine Absage erteilt hatte. Wenige Tage nach dem Verbot des „Hamburger Sturms“ schrieb das Referat Auswertung des Verfassungsschutzes NRW anlässlich einer Anfrage der Pressestelle einen auf den 16. August 2000 datierten Vermerk an den Abteilungsleiter mit dem folgenden Wortlaut: 1291 1292 1293 1294 1295 Lüngen, APr 16/1097 S. 49. Lüngen, APr 16/1097 S. 75. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 23. Artikel “Nationaler Widerstand in Waffen", veröffentlicht auf www.antifainfoblatt.de, A95394. Presseartikel mit Post-it, A13858, S. 254. 247 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ein Verbot der ‚Sauerländer Aktionsfront‘, die sich zwischenzeitlich in ‚Nationaler Widerstand Siegerland/Sauerland‘ umbenannt hat, wird nicht für erfolgversprechend erachtet. Es handelt sich hier um eine Gruppierung ohne erkennbare Strukturen im Vereins- oder parteirechtlichen Sinne. Ihre Publikation (Sprung auf, marsch, marsch) erscheint nur sporadisch, dieses Jahr ist noch keine erschienen. Es wird seitens des Fachreferates dringend vor weiteren Überlegungen in diese Richtung gewarnt.“1296 In einem von dem Zeugen Hans-Peter Lüngen als Leiter des Referats Auswertung verfassten und vom Zeugen Dr. Hartwig Möller als Leiter des Verfassungsschtzes NRW unterzeichneten Schreiben vom 16. November 2000 an den Innenminister stellte der Verfassungsschutz NRW seine ablehnende Haltung gegenüber Kameradschaftsverboten dar, die im Wesentlichen auf drei Argumenten beruhte: a) den rechtlichen Vorgaben des Vereinsgesetzes, denen zu Folge den Kameradschaften eine „organisierte Willensbildung“ und eine „aggressiv-kämpferische Haltung“ nachgewiesen werden müssen, sei mit offen zugänglichem Material nicht möglich, b) der Wirkungslosigkeit von Verbotsmaßnahmen gegen Kameradschaften, c) der Gefahr der Enttarnung von Quellen des Verfassungsschutzes im Zuge von Verbotsmaßnahmen.1297 In dem Schreiben mit dem Betreff „Ihre Anfrage nach Verbotsmöglichkeiten hinsichtlich von Kameradschaften und ähnlich strukturierter Grupperierungen“ hieß es dazu weiter: „Unabhängig von Opportunitätsüberlegungen dürften Vereinsverbote nach dem Vereinsgesetz (VereinsG) in Nordrhein-Westfalen zur Zeit schon an rechtlichen Hürden scheitern. Nach § 2 des VereinsG ist Voraussetzung für das Eingreifen des VereinsG das Vorliegen einer Vereinigung, ‚zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.‘ Bei den zumeist nur sehr lose strukturierten nordrhein-westfälischen Kameradschaften und vergleichbaren Strukturen dürfte schon der Nachweis ‚einer organisierten Willensbildung‘ in den meisten Fällen kaum gelingen, zumindest nicht aus offenem gerichtsverwertbarem Material.“1298 Weiter führte der Verfassungsschutz NRW in dem Schreiben aus, dass ein Verbot des „Hamburger Sturms“ „kaum auf nordrhein-westfälische Verhältnisse übertragen werden“ kann: „Auch von einzelnen nordrhein-westfälischen Kameradschaften werden mitunter ebenfalls Publikationen herausgegeben („Düsseldorfer Beobachter“ von der Kameradschaft um das „NIT-Rheinland“, „Sprung auf Marsch Marsch“ und „Sauerländer Stürmer“ aus dem Bereich der „Sauerländer Aktionsfront“ sowie neuerdings auch eine Publikation aus dem Bereich der Dortmunder- bzw. Ruhrgebiets-Neonazi-Szene), was Indiz für das Vorliegen einer organisierten Willensbildung sein kann. Bisher gibt es jedoch nur sehr wenige - zum Teil nur eine - Ausgaben dieser Publikationen, die zudem in der Regel bei weitem nicht so „harte“ Aussagen enthalten wie der seit mehreren Jahren erschienene „Hamburger Sturm“ der gleichnamigen Gruppierung. Dies macht es erheblich schwerer als im Fall des „Hamburger Sturm“ mit offenem und gerichtsverwertbarem Material nicht nur eine verfassungsfeindliche Zielsetzung, sondern auch eine aggressiv- kämpferische Haltung zu belegen (auch bei Vereinsverboten ist dieses Element erforderlich so die h. M., siehe hierzu GG - Kommentar von Jarass/Pieroth, 4. Auflage, Rd.Nr. 17 zu Art. 9 mit 1296 1297 1298 248 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 16. August 2000, A13858 S. 253. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 16. November 2000, A12256 S. 54. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 16. November 2000, A12256 S. 54. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerwG's und der Literatur). Des Weiteren könnte es gerade im Bereich Sauerland/Siegerland schwierig werden nachzuweisen, ob und inwieweit die nur sehr lose und in Untergruppen agierende „Sauerländer Szene“ insgesamt für diese Publikationen verantwortlich ist.“1299 Zudem vertrat der Verfassungsschutz NRW in dem Schreiben die Auffassung, dass es sich bei den Kameradschaften in NRW um strukturlose Kameradschaften1300 handelt, die keine ins Gewicht fallenden Vermögensgegenstände und keine nennenswerte Organisations- oder Logistikstruktur aufwiesen, die bei einem Verbot beschlagnahmt bzw. zerschlagen werden könnten. Die Kameradschaften seien mehr als lose Cliquen, die stark auf persönlichen Kontakten beruhen, organisiert.1301 Daher sei davon auszugehen, dass nach einem Verbot die zum Teil nur recht kleinen Kameradschaften sich eine Woche später unter einem anderen Namen oder unter Fehlen jeglicher Bezeichnung in einer anderen Gaststätte oder Privatwohnung treffen werden.1302 Zu möglichen Auswirkungen von Verboten auf die Quellenlage hieß es in dem Schreiben: „Zwar bestehen hinsichtlich etlicher Neonazi-Kameradschaften auch quellengeschützte Informationen, die eine verfassungsfeindliche Zielsetzung und eine aggressive Haltung belegen, doch könnten sie in einem Gerichtsverfahren nur durch die Enttarnung von Quellen eingebracht werden. Angesichts der zur Zeit schon nicht optimalen Zugangslage zu diesen Szenen ist von einem solchen Vorgehen dringend abzuraten. Man würde in der Folgezeit hinsichtlich der Neonazi-Szene recht ‚blind‘ werden.“1303 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat zur Frage der Verbotsmöglichkeiten von Kameradschaften während seiner Dienstzeit als Leiter des Verfassungsschutzes NRW ausgeführt, dass für Verbote die Polizei zuständig sei. Der Verfassungsschutz gebe lediglich Informationen weiter. Verbote seien eine politische Entscheidung, die Innenminister unterschiedlich bewerteten. Außerdem ziehe ein Verbotsverfahren die Gefahr eines Rechtsstreits nach sich, so dass selbiges nur angestrebt werde, wenn man sich sicher sei, dass die Vorraussetzungen für ein Verbot gegeben seien.1304 Wörtlich hat er erklärt: „Das heißt, ich muss schon Strukturen vorfinden, nicht nur lose Verbindungen, wo sich Leute mal treffen, mal wieder nicht treffen. Ich muss möglichst eine Satzung haben. Ich muss irgendein Konstrukt haben, an dem ich ein Verbot festmachen kann. Das ist die erste Frage. Da hat es schon bei vielen gefehlt, weil die einfach viel zu lose verbunden waren, viel zu willkürlich, volatil durch die Gegend gegangen sind und überhaupt nicht Strukturen hatten. Das Zweite ist, dass man natürlich überlegen muss: Hat man Quellen an diesen Organisationen dran, die einem Nutzen bringen, die nutzbringende Informationen bringen? Ist es sinnvoller, wenn man die Informationen weiter bekommt und die nicht verbietet? Und das Dritte ist – das ist ja nun auch die Diskussion beim NPD-Verbotsverfahren –: Bringen Verbote überhaupt irgendetwas? […] 1299 1300 1301 1302 1303 1304 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Dr. Möller, APr 16/1263 S.122 f. vom 16. November 2000, A12256 S. 55. vom 16. November 2000, A12256 S. 54. vom 16. November 2000, A12256 S. 56. vom 16. November 2000, A12256 S. 56. vom 16. November 2000, A12256 S. 54 f. 249 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 So ein Verbot ist ja in den meisten Fällen erst mal eine politische Aktion, die eine gewisse Öffentlichkeitswirkung hat. Ob die wirklich in allen Fällen der Sicherheitspolitik dient, da habe ich meine Zweifel.“1305 Auf die Frage, ob einer der Begründungszusammenhänge für ein Nichtverbot von Kameradschaften darin lag, dass der Verfassungsschutz seine VPen nicht verbrennen wollte, hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller geantwortet, dass könne durchaus so sein1306 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat über die Abwägung zwischen Quellenschutz und Verbot ausgesagt: „Das ist immer eine Abwägung. Was ist wichtiger? Wenn man ein Ohr dran hat, kann man sich entwickelnde gefährliche Tendenzen eher erkennen, als wenn Sie dann ein Verbot haben für eine Gruppierung, wo Sie – sage ich mal – jetzt nicht unmittelbar terroristische Strukturen und Entwicklungen erkennen können. So haben Sie immer noch die Möglichkeit, eben solche gefährlichen Entwicklungen und Tendenzen zu erkennen. Wenn Sie die verboten haben – mit Verbrennen der Quelle ist diese Möglichkeit nicht mehr gegeben.“1307 Nachdem im Jahr 2005 durch die Bundesländer Berlin und Brandenburg die „Kameradschaft Tor“ bzw. die „Kameradschaft Hauptvolk“ nach dem Vereinsgesetz verboten wurden und die rheinland-pfälzische Justiz gegen die „Kameradschaft Westerwald“ vorgegangen war, äußerte sich der Verfassungsschutz NRW im „Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2005“ zu den Verbotsmöglichkeiten hiesiger Kameradschaften. Die in den Vorjahren vertretende Position, dass Kameradschaften in NRW nicht zu verbieten seien, behielt weiterhin ihre Gültigkeit: „Demgegenüber dürfte ein Verbot von nordrhein-westfälischen Kameradschaften derzeit wenig Erfolg versprechen da bei ihnen die Merkmale einer Vereinsstruktur fehlen: Es gibt keine Satzung; Broschüren oder Ähnliches wurden nicht herausgegeben, und es werden auch keine Gewalttaten verabredet oder ausgeführt. Gerade der letzte Punkt ist eine Gemeinsamkeit aller Kameradschaften in NRW: in den bekannten Kameradschaften wird – zumindest aus taktischen Gründen – von den jeweiligen Führungspersonen bereits die Diskussion über einen organisierten Gewalteinsatz unterbunden.“1308 Der bis Mitte 2005 als Innenminister für Verbote nach dem Vereinsrecht zuständige Zeuge Dr. Fritz Behrens hat auf die Anmerkung, dass 2012 Kameradschaften verboten worden seien, die auch schon in der Amtszeit des Zeugen existierten, geantwortet: „Heute haben wir auch Rockergruppen verboten, die wir damals nicht verbieten konnten. Also: Es müssen entsprechende Erkenntnisse da sein, die ein Verbot rechtfertigen. Und das Verbot muss dann ja auch vor Gericht halten.“1309 1305 1306 1307 1308 1309 250 Dr. Möller, APr 16/1263 S.122 f. Dr. Möller, APr 16/1263 S.123. Lüngen, APr 16/1097 S. 49. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2005, Landtag NRW Vorlage 14/363 S. 36. Dr. Behrens, APr 16/1004 S. 55. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 cc. Verbote von Kameradschaften in NRW ab 2012 13 Jahre nach den ersten Anregungen des PP Köln in den Jahren 1998 / 1999, die „Kameradschaft Köln“ zu verbieten, verfügte Innenminister Ralf Jäger am 10. Mai 2012 ein Vereinsverbot der „Kameradschaft Walter Spangenberg“.1310 Dieses erste Verbot einer rechtsradikalen Kameradschaft in NRW ist nach Aktenlage in relativ kurzer Zeit auf den Weg gebracht worden. So forderte das MIK NRW am 4. April 2012 von der Staatsschutzabteilung des LKA NRW Informationen über die Mitglieder der „Kameradschaft Walter Spangenberg“.1311 Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln übermittelte mit Antwortschreiben vom 10. April 2012 die dort vorliegenden Informationen, ohne die bereits 1998 übermittelten Erkenntnisse zur „Kameradschaft Köln“ erneut zur Kenntnis zu geben.1312 Am 16. April 2012 übersandte der Verfassungsschutz NRW dann eine umfangreiche Erkenntniszusammenstellung über die „Kameradschaft Walter Spangenberg“, deren Inhalte zu einem großen Teil „nachrichtendienstlich erlangt“ worden waren.1313 Der Verfassungsschutz NRW führte in der Erkenntniszusammenstellung auch die bereits 1998 von der Polizei erlangten Informationen wie die sichergestellte Satzung an, um die Vereinseigenschaft nachzuweisen.1314 Insoweit heiß es in der Erkenntniszusammenstellung: „Bereits Ende des Jahres 1998 lagen der Polizei Köln Hinweise auf die Kameradschaft Walter Spangenberg (KWS) - auch als ‚Kameradschaft Köln‘, ‚Freie Kräfte Köln‘ oder ‚Freie Nationalisten Köln‘ (FN-Köln) bekannt, im folgenden KWS genannt - vor. Hiernach wurde sie am 10.10.1998 zunächst als Kameradschaft Köln gegründet. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehörten damals die noch heute aktiven und der Führungsebene der Kameradschaft angehörenden • Axel REITZ, […] • Johann HELFER, […] sowie • [P. B.] geb. […].“1315 Weiter hieß es unter Bezug auf die bereits 1998 / 1999 erlangten Erkenntnisse: „Schon kurz nach ihrer Gründung legte die Kameradschaft in einer Satzung die Voraussetzungen für eine geregelte Mitgliedschaft fest. So wurden u. a. Mitgliedsbeiträge und Aufgaben des Vorstandes bestimmt. Aktuell werden monatlich Mitgliedsbeiträge in Höhe von 20,- € entweder anlässlich der regelmäßig stattfindenden Kameradschaftstreffen gezahlt oder gar von einzelnen Mitgliedern auf ein Konto der Kameradschaft überwiesen. […] Es gibt anerkannte Sanktionen innerhalb der Kameradschaft. So werden undiszipliniertes Verhalten und unentschuldigtes Fehlen bei den Vereinstreffen u. a. als Gründe für den Ausschluss von Mitgliedern angesehen. ‚Fehlverhalten‘, wie z. B. Unpünktlichkeit, wird außerdem mit Geldstrafen belegt. Zuletzt wurde so im Jahr 2011 verfahren. Interessenten können zunächst als Gast an den Treffen teilnehmen, bevor sie sich für eine Mitgliedschaft entscheiden. Die neuen Mitglieder werden offiziell durch Übergabe des Kameradschaftsabzeichens in einer Zeremonie mit Hakenkreuzfahne in die Gemeinschaft aufgenommen. Für vorbildliches Verhalten werden Urkunden und Kameradschaftsabzeichen verliehen. […] Ihr Selbstverständnis beschrieb die Kameradschaft bei 1310 1311 1312 1313 1314 1315 Verbotsverfügung des MIK NRW vom 10. Mai 2012, A10485, S. 139 ff. E-Mail des MIK NRW vom 4. April 2012, A10565 S. 155 (VS-nfD). Schreiben des PP Köln vom 10. April 2012, A10565 S. 321 (VS-nfD). Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 16. April 2012, A10227 S. 37 (VS-nfD). Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 16. April 2012, A10227 S. 39 f. (VS-nfD). Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 16. April 2012, A10227 S. 37 (VS-nfD). 251 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ihrer Gründung wie folgt: ‚Endziel unseres Strebens ist die Aufhebung des NS-Verbots und die Zulassung sämtlicher nationalsozialistischer Aktivitäten. [ ... ] Grundlagen unserer Kameradschaft sind 'Mein Kampf', das '25 Punkte Parteiprogramm der NSDAP' aus dem Jahr 1925 sowie das 'Lexikon der neuen Front'.“1316 Zum Nachweis des gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Charakters der „Kameradschaft Walter Spangenberg“ bezog der Verfassungsschutz ebenfalls bereits 1998 erlangte Erkenntnisse mit ein: „Anlässlich des Gründungstreffens im Jahr 1998 äußerte REITZ sich wie folgt: ‚Wir stehen in der Tradition und Geist der nationalsozialistischen Bewegung, der Sturmabteilung. Wir stehen in der Tradition und Geist der NSDAP und der SA und wir fordern auch künftig das vierte großdeutsche sozialistische Reich.‘ Vor allem sehen sich die Mitglieder der KWS in der Tradition der SA.“1317 Diese Erkenntnisse fanden Eingang in die Verbotsverfügung, mit der die „Kameradschaft Walter Spangenberg“ mit der Begründung, dass sich die Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und in Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufe, am 10. Mai 2012 verboten wurde.1318 Die Verbotsverfügung wurde zwölf Mitgliedern zugestellt. Der Zeitpunkt des Verbots wurde nach einer in der Presse zitierten Äußerung des zuständigen Innenministers Ralf Jäger aufgrund der bevorstehenden Entlassung von Axel Reitz aus der Untersuchungshaft gewählt.1319 Diesem ersten Verbot einer Kameradschaft in NRW folgten im August 2012 die Verbote der „Kameradschaft Aachener Land“, des „Nationalen Widerstandes Dortmund“ und der „Kameradschaft Hamm“ gemäß Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit § 3 Vereinsgesetz (VereinsG). Den Kameradschaften konnte der Charakter von Vereinen im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 GG und § 2 Absatz 1 VereinsG zugesprochen werden. Mit offen zugänglichem Material konnte zudem nachgewiesen werden, dass die Kameradschaften gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung verstießen und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Damit erfüllten die Kameradschaften die im Vereinsgesetz formulierten Voraussetzungen für ein Verbot. Der „Kameradschaft Hamm“ wurde bescheinigt, dass sie sich „gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung“ richtete und sie nach „Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen“ zuwiderlief.1320 Die verfassungsfeindliche Ausrichtung wurde anhand von zumeist im Internet und in Flugblättern getätigten Äußerungen der „Kameradschaft Hamm“ belegt. Weiter wurde bescheinigt, dass sie eine „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ auch insofern aufweise, „als sie sich in Haltung und Handlung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wendet, wobei ein kämpferisch-aggressives Vorgehen propagiert und auch praktiziert wird.“1321 1316 1317 1318 1319 1320 1321 252 Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 16. April 2012, A10227 S. 39 f. (VS-nfD). Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 16. April 2012, A10227 S. 45 (VS-nfD). Verbotsverfügung des MIK NRW vom 10. Mai 2012, A10485, S. 139 ff.. Artikel “Kameradschaft Köln verboten” in Kölner Stadtanzeiger vom 10. Mai 2012, A95396. Verbotsverfügung des MIK NRW vom 6. August 2012, A13922 S. 60. Verbotsverfügung des MIK NRW vom 6. August 2012, A13922 S. 87. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 c. Angestrebtes Verbot des „Kampfbunds Deutscher Sozialisten“ Im Frühjahr 2003 prüfte das Bundesinnenministerium ein Verbot des „Kampfbundes Deutscher Sozialisten“ (KDS). Im Zuge der Verbotsprüfungen wurden alle Landesämter für Verfassungsschutz seitens des mit den Verbotsvorbereitungen beauftragten BfV eingebunden. Die Landesämter sollten auf Bitte des BfV eine Prüfung veranlassen, inwiefern V-Leute oder verdeckte Ermittler der Polizei im KDS eingesetzt sind.1322 Die Vorbereitungen eines Verbotes waren 2003 bereits weit fortgeschritten. So ist einem Vermerk des BfV vom 14. August 2003 zu entnehmen, dass „im Rahmen eines möglichen Vereinsverbotes voraussichtlich bei 16 Personen Durchsuchungsmaßnahmen vollzogen werden.“1323 Diesen 16 Personen, allesamt Funktionsträger des KDS, sollte auch die Verbotsverfügung zugehen. Es handelte sich bei ihnen um die Mitglieder der Organisationsleitung des KDS, die „Stützpunktleiter“, „sonstige Funktionsträger“ sowie fünf weitere Personen, die Aufgaben für den KDS übernommen hatten, unter ihnen sieben Personen aus NRW.1324 Aus welchem Grund das vorbereitete Verbot des KDS durch das BMI nicht vollzogen wurde, ist nicht ersichtlich. Die Befragung von Zeugen durch den Ausschuss erbrachte keine Erkenntnisse. Der damalige Innenminister des Landes NRW, der Zeuge Dr. Fritz Behrens, hat auf die Frage, ob es Überlegungen gab, den KDS zu verbieten, geantwortet, dass er dies nicht mehr wisse.1325 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat auf die Frage nach einem möglichen Verbot des KDS ausgeführt: „Jetzt nicht konkret. Solche Diskussionen habe ich jetzt nicht mehr so konkret vor Augen. Dass es solche Überlegungen gegeben haben mag, ist durchaus möglich. Dann wäre das aber eine Entscheidung gewesen, die nicht von NRW zu fällen ist, weil es ja ein länderübergreifender Zusammenschluss war. Der KDS war ja nicht nur in NRW tätig. Und das hätte dann nur vom Bund erfolgen können.“1326 2. Strafverfahren gegen „Weisse Wölfe“ und „Oidoxie“ 2002 bis 2007 Am 22. August 2002 nahm der Zeuge Robert Preuß, zu der Zeit beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund tätig, Ermittlungen gegen die Mitglieder der Band „Weisse Wölfe“ wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen § 20 Nummer 5 des VereinsG auf. Den Ermittlungen lag zugrunde, dass auf einer US-amerikanischen rechtsradikalen Internetseite das Cover der CD „Weisse Wut“ der Band festgestellt worden war, auf dem eine Fahne der verbotenen FAP zu sehen war.1327 Die Personen auf dem Cover der CD waren vermummt, dem Staatsschutz war allerdings bekannt, dass in Arnsberg eine Skinband um S. J. existierte, die sich „Weisse Wölfe“ nannte.1328 Im Zuge weiterer Recherchen im Internet verdichteten sich die Hinweise, dass die CD von einer Band aus dem Sauerland eingespielt worden war. Internetrecherchen förderten zu 1322 1323 1324 1325 1326 1327 1328 Antwortschreiben Verfassungsschutzes NRW vom 22. April 2003, A15301 S. 17 (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 16. August 2003, A15301 S. 37 (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 16. August 2003, A15301 S. 38 ff. (VS-nfD). Dr. Behrens, APr 16/1004 S. 55. Lüngen, nöAPr 16/200 S. 10 f. Strafanzeige vom 22. August 2002, A24752 S. 1 f. Vermerk des PP Dortmund vom 22. August 2002, A24752 S. 3. 253 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Tage, dass bei „Front Records“ die CD „Weisse Wölfe – Jahrzehnte der Dekadenz“ veröffentlicht worden war und die CD als zweite Veröffentlichung der „Sauerländer Jungs“ bezeichnet wurde, die nun erstmals auf deutschem Boden erhältlich sei.1329 In einem Bericht von „Blood & Honour Vlaanderen“ über ein Konzert am 8. Dezember 2001 in Flandern mit „Brigade M“, „Race War“, „Weisse Wölfe“ und „Vinland Warriors“ hieß es, dass „Marko (Zanger von Oidoxie, drummer van Weisse Wölfe)“ bei einigen Songs gesungen habe. Der Internetbericht charakterisierte die “Weissen Wölfe“ als „ultra-C18-groep“.1330 Im März 2003 erhielt der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund im Rahmen einer Strafanzeige der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten“ gegen Mitglieder der Bands „Weisse Wölfe“ und „Oidoxie“ wegen der CD „Weisse Wut“ sowie einem Aufrtitt von „Oidoxie“ im Video „Kriegsberichter Volume V“, in dem „Oidoxie“ einen Adolf Hitler verehrenden Song spielte, eine Kopie der CD „Weisse Wut“.1331 Eine weitere Ausfertigung der CD erhielt der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund am 12. März 2002 mit einem anonymen Schreiben.1332 Der Verfassungsschutz NRW übergab eine ihm vorliegende Ausfertigung der CD im November 2002 der GStA Düsseldorf mit der Bitte um Kenntnisnahme und Weiterleitung an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden.1333 Die CD „Weisse Wut“ wurde vom Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund ausgewertet. Auf der CD sind mehrfach „Sieg Heil“-Rufe zu vernehmen, zahlreiche Texte sind extrem gewaltverherrlichend, rassistisch, antisemitisch, verherrlichen die Gewaltherrschaft und die Verbrechen der Nationalsozialisten und verharmlosen die Shoah.1334 In dem Song „Hail C18“ bezieht sich die Band positiv auf „Combat 18“ (C18). Im Song „Outro“ nutzte die Band ein Erdbeben in Ismit in der Türkei (wahrscheinlich handelt es sich um das Erbeben am 17.08.1999) als Anlass für hasserfüllte und zynische Aussagen gegen Türken.1335 Durch weitere Ermittlungen konnten bis März 2003 acht Personen identifiziert werden, die einer Mitgliedschaft in einer der beiden Bands verdächtigt wurden. Im Mai 2003 wurden die Wohnungen dieser Personen durchsucht, in denen Unterlagen mit Bezug zu den Bands, aber keine größere Anzahl der CD „Weisse Wut“ aufgefunden wurden. Die Proberäume der Bands konnten nicht durchsucht werden, weil nicht bekannt war, wo diese sich diese befanden.1336 Die Hausdurchsuchungen bei Marko Gottschalk, S. J. und D. L. förderten jedoch diverse „Combat 18“-Devotionalien zu Tage.1337 Soweit sich Beschuldigte einließen, gaben sie an, dass die CD „Weisse Wut“ 1997 oder 1998 aufgenommen worden sei, womit des Vergehens der Volksverhetzung verjährt gewesen wäre. Obwohl diese Einlassungen mit dem Aufdruck der CD übereinstimmten, bestanden Zweifel an dem behaupteten Erscheinungsdatum. Diese beruhten insbesondere auf Bezugnahmen in den Liedtexten und im Kontext auf Ereignisse zwischen 1999 und 2001.1338 1329 1330 1331 1332 1333 1334 1335 1336 1337 1338 254 Ausdruck Internetseite www.front-records.com, A24752 S. 69. Artikel zum Konzert am 8. Dezember 2001, veröffentlicht auf vlaanderen.bloodandhonour.net, A24752 S. 72 ff. Strafanzeige der VVN/BdA gegen Bandmitglieder, A24752 S. 123 ff.; Ausdruck Songtext, A24752 S. 165. Schreiben des IM NRW vom 22. November 2002, A24752 S. 108. Schreiben des IM NRW vom 22. November 2002, A24752 S. 108. Auswertung CD, A24752 S. 176, 180. Auswertung der CD, A24752 S. 180. Asservatenauswertungen, A24754 S. 183, 189 f.; Preuß, APr 16/1160 S. 33. Preuß, APr 16/1160 S. 33. Vermerk des PP Dortmund vom 20. August 2003, A24754 S. 241. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auch durch weitere Ermittlungen konnte das Herstellungsdatum der CD nicht sicher festgestellt werden.1339 Am 17. November 2004 bewertete die StA Dortmund in einer Verfügung die Ermittlungsergebnisse der Polizei1340 und stellte fest, dass der zunächst gegebene Anfangsverdacht der Unterstützungshandlung für die verbotene FAP nicht bestätigt werden konnte, da sich nicht ergeben hat, dass „der organisatorische Zusammenhalt der verbotenen Organisation bestärkt werden sollte.“1341 Die auf dem Cover abgebildete FAP-Fahne wurde als „Mittel der Provokation und Verherrlichung der rechtsradikalen Gesinnung“ gedeutet.1342 Dass die Beschuldigten an der Produktion und Verbreitung des Videos „Kriegsberichter Volume 5“ beteiligt waren, konnte durch die Ermittlungen ebenfalls nicht bestätigt werden. Der Mitschnitt des Auftritts von „Oidoxie“ wurde seitens der StA Dortmund als nicht ausreichend für eine Beteiligung an der Produktion des Videos gewertet. Dass „Oidoxie“ das „Hakenkreuzlied“ spielten, erfüllte nach deutschem Strafrecht den Straftatbestand des § 86a StGB, allerdings soll der Auftritt im Ausland erfolgt sein, weswegen keine verfolgbare Straftat im Inland vorlag.1343 Hinsichtlich der „Weisse Wölfe“-CD „Weisse Wut“ stellte die StA Dortmund fest, dass die auf der CD enthaltenen Verstöße gegen § 86a StGB gemäß § 25 Pressegesetz NRW bereits verjährt waren. Allerdings erfüllten einzelne Texte die Straftatbestände der §§130 StGB (Volksverhetzung) und 131 StGB (Gewaltdarstellung), die aus den presserechtlichen Verjährungsfristen herausgenommen sind. Die StA Dortmund folgte der Feststellung des PP dortmund, dass diese Straftaten noch nicht verjährt waren, weil „als Tatzeitraum für die Aufnahme der CD […] sich vielmehr der Zeitraum von Oktober 2000 bis spätestens Sommer 2002 eingrenzen“1344 lasse. Die darauf von der StA Dortmund am 3. Januar 2005 gegen drei Angeschuldigte erhobene Anklage wurde am 12. Juli 2005 zur Hauptverhandlung zugelassen.1345 Bis zum Urteilsspruch am 7. November 2007 vergingen zwei Jahre, weil zum Hauptverhandlungstermin am 19. Oktober 2005 alle drei geladenen Zeugen nicht erschienen, einzig der Zeuge Robert Preuß hatte sich als krank entschuldigt.1346 Bei den beiden anderen Zeugen handelte es sich um ehemalige Bandmitglieder der „Weissen Wölfe“. Einer dieser ehemaligen Bandmitglieder hatte gegenüber der Polizei erklärt, die CD „Weisse Wut“ sei während seiner Haftzeit, die vom 4. Oktober 2000 bis zum 21. Januar 2002 dauerte, aufgenommen worden. Über ein Jahr lang gab es keine neuen Entwicklungen hinsichtlich des Prozesses gegen die drei Neonazis. Auf Drängen der StA Dortmund wurde der zweite Hauptverhandlungstermin für den 6. Dezember 2006 angesetzt.1347 Diesem Hauptverhandlungstermin blieb der Zeuge Robert Preuß ebenfalls fern, da das IM NRW eine Aussagegenehmigung für ihn verweigerte. In einem Schreiben vom 15. November 2006 teilte das IM NRW dem AG Dortmund mit: „Herr Preuß ist Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen. Seine Aussage in dem oben angegebenen Verfahren würde entsprechend des § 96 StPO dem Wohl des Landes Nordrhein-Westfalen Nachteile bereiten und die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben 1339 1340 1341 1342 1343 1344 1345 1346 1347 Durchsuchungsbericht des PP Dortmund vom 17. Dezember 2003, A24754 S. 325 ff.; Durchsuchungsvermerk des PP Dortmund, A24754 S. 297. Verfügung der StA Dortmund vom 17. November 2004, A24755 S. 48 ff. Verfügung der StA Dortmund vom 17. November 2004, A24755 S. 51. Verfügung der StA Dortmund vom 17. November 2004, A24755 S. 51. Verfügung der StA Dortmund vom 17. November 2004, A24755 S. 50. Verfügung der StA Dortmund vom 17. November 2004, A24755 S. 68, 75. Eröffnungsbeschluss des AG Dortmund vom 12. Juli 2005, A24755 S. 121 f. Eröffnungsbeschluss des AG Dortmund vom 12. Juli 2005, A24755 S. 121 f. Sachstandsanfrage der StA Dortmund und Terminierung des AG Dortmund, A24755 S. 177 f. 255 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ernstlich gefährden bzw. erschweren. Die Gründe hierfür sind aktenkundig, müssen aber gesperrt werden. Sie können nicht vorgelegt werden, da es sich hierbei um geheimhaltungsbedürftige Informationen handelt, deren Kenntnisnahme nur einem engen Personenkreis innerhalb der Verfassungsschutzbehörde vorbehalten sein muss und deren Bekanntgabe dem Land Nordrhein-Westfalen ebenfalls zu erheblichem Nachteil gereichen würde und Persönlichkeitsrechte gefährden. Auch in Abwägung des berechtigten Interesses des Gerichts, möglichst umfassende Beweismittel zur Verfügung gestellt zu bekommen, kann ich mithin die für den Beamten erforderliche Aussagegenehmigung nach §§ 64, 65 LBG nicht erteilen.“1348 Das Protokoll des Verhandlungstages am 6. Dezember 2006 vermerkt zudem, dass die beiden als Zeugen geladenen ehemaligen Bandmitglieder erneut nicht erschienen waren und sich einer der Angeklagten krankgemeldet hatte. Die Hauptverhandlung wurde daraufhin vertagt.1349 Der dritte Hauptverhandlungstag wurde für den 28. März 2007 angesetzt. Mit einem Schreiben vom 22. Februar 2007 verweigerte das IM NRW erneut und mit gleichlautender Begründung die Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Zeugen Robert Preuß. Eine Aussage des Beamten würde dem „Wohl des Landes Nordrhein-Westfalen Nachteile bereiten und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden bzw. erschweren.“1350 Die Verweigerung der Aussagegenehmigung für den Zeugen Robert Preuß fand Niederschlag in der Lokalpresse. So schrieb die „Westfälische Rundschau“ in einem Artikel mit der Überschrift „NRW-Innenministerium blockiert Nazi-Prozess“ vom 7. Dezember 2006: „Nicht alltäglich aber dürfte die Haltung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums sein, das dem wichtigsten Zeugen in diesem Prozess eine Aussagegenehmigung versagte – angeblich um Schaden vom Land abzuwenden. Welchen Schaden aber könnte wohl ein Beamter des Staatsschutzes anrichten, wenn er wahrheitsgemäß vor Gericht aussagt? Um seine Enttarnung kann es dabei wohl kaum gehen, denn der ehemalige Ermittler beim Dortmunder Staatsschutz ist ohnedies so bekannt, dass die Nazi-Band ‚Oidoxie‘ ihn sogar namentlich auf ihren Internet-Seiten grüßt.“1351 Der „Gruß“ von „Oidoxie“ an den Zeugen Robert Preuß ist auf einem Ausdruck der „Oidoxie“Internetseiten in der Akte des Ermittlungsverfahrens dokumentiert.1352 In einem Vermerk vom 28. Februar 2007 legte die StA Dortmund dar, dass aus ihrer Sicht auf den Zeugen Robert Preuß im Prozess wegen der CD „Weisse Wut“ nicht verzichtet werden kann, die Vernehmung jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden könne. Außerdem wies die StA Dortmund darauf hin, dass die Verweigerung einer Aussagegenehmigung nicht das Erscheinen des Zeugen Robert Preuß vor Gericht tangiere, sondern lediglich die Zeugenaussage an sich.1353 Mit Schreiben vom 13. März 2007 teilte der Leiter des Verfassungsschutzes NRW, der Zeuge Dr. Hartwig Möller, mit, dass er der „Vernehmung des Zeugen Preuß nunmehr unter 1348 1349 1350 1351 1352 1353 256 Sperrerklärung des IM NRW vom 15. November 2006, A24755 S. 187. Hauptverhandlungsprotokoll vom 6. Dezember 2006, A24755 S. 191 f. Sperrerklärung des IM NRW vom 22. Februar 2007, A24755 S. 207. Artikel „NRW-Innenministerium blockiert Nazi-Prozess“ in Westfälische Rundschau vom 7. Dezember 2006, A14794 S. 54. Internetausdruck zu Oidoxie, A24754 S. 157. Vermerk der StA Dortmund vom 28. Februar 2007, A24755 S. 209 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der Maßgabe [zustimme], dass sowohl die Öffentlichkeit wie auch die Angeklagten von der Vernehmung ausgeschlossen werden und Herr Preuß einen geschützten Zugang zum Gerichtssaal erhält.“1354 Der nächste Hauptverhandlungstermin fand am 7. November 2007 statt. Die StA Dortmund hatte weitere, bei den Hausdurchsuchungen und Vernehmungen involvierte Polizeibeamte des PP Dortmund als Zeugen geladen. Die beiden als Zeugen geladenen, ehemaligen Bandmitglieder waren wieder nicht erschienen.1355 Der Zeuge Robert Preuß macht seine Aussage über eine Video-Schaltung, weil dies Voraussetzung für die Erteilung der Aussagegenehmigung war.1356 Am 7. November 2007 sprach das Gericht nach Vernehmung des Zeugen Robert Preuß die drei Angeklagten frei und führte zur Urteilsbegründung aus: „Durch die ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vernommenen Zeugen, insbesondere den Zeugen Preuß, lässt sich eine Vielzahl von Indizien gegen die Angeklagten zusammentragen, zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht die Angeklagten im Sinne der Anklage zweifelsfrei überführen. […] Aus allem lässt sich nur die Existenz der CD mit strafbaren Liedtexten nachweisen. Es lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei nachweisen, dass die Angeklagten zur Tatzeit in der genannten Band gespielt haben, dass sie diese CD in Dänemark hergestellt haben bzw. haben herstellen lassen bzw. bei ihrer Herstellung mitgewirkt haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Angeklagten die CD in Deutschland angeboten und vertrieben haben, in der Absicht, diese CD Rechtsradikalen zugänglich zu machen. Indizien alleine reichen nicht aus. Das Gericht muss sämtliche vernünftige Zweifel ausräumen. Dieses konnte jedoch das Gericht nicht. Demzufolge waren die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen mit der Kostenfolge aus § 467 StPO freizusprechen.“1357 3. Projektgruppe „Skinmusik“ Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund richtete von August 2003 bis April 2004 eine Projektgruppe unter der Leitung des für diese Arbeit von seinen sonstigen Aufgaben weitestgehend freigestellten Zeugen Robert Preuß ein, die mit der Analyse der rechtsradikalen Skinbands und Konzerte im Bereich der Kriminalhauptstelle Dortmund beauftragt war. Neben dem Zeugen Robert Preuß arbeiteten zweitweise vier weitere Kriminalbeamte in der Projektgruppe mit.1358 Der Zeuge Jörg Lukat, damals Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, hat ausgeführt, dass zu diesem Zweck drei Kollegen in „Analysearbeiten mit besonderen Techniken und Computerunterstützung“ fortgebildet worden seien.1359 a. Entstehung und Auftrag Im Mittelpunkt der Arbeit der Projektgruppe standen die Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“, deren Aktivitäten Anlass für die Einrichtung der Projektgruppe waren. In dem zum Projektabschluss verfassten „Analyse- und Auswertebericht“ hieß es dazu: „Oft kann nicht mehr zwischen Politik und Musik unterschieden werden. Die Band Oidoxie ist hierfür ein Beispiel. Oidoxie war die erste Band, die auf einer Demonstration als Live-Act auftrat. Mittlerweile ist Oidoxie dreimal bei Demonstrationen aufgetreten. Auch 1354 1355 1356 1357 1358 1359 Schreiben des IM NRW vom 13. März 2007, A24755 S. 219. Hauptverhandlungsprotokoll des AG Dortmund vom 7. November 2007, A24755 S. 273. Hauptverhandlungsprotokoll des AG Dortmund vom 7. November 2007, A24755 S. 275. Urteil des AG Dortmund vom 7. November 2007, A24755 S. 296 f. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 248. Lukat, APr 16/1154 S. 83. 257 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 werden aus dem Kreis der Bandmitglieder bzw. des Bandumfeldes Demonstrationen organisiert. Gerade in den Jahren 2001 und 2002 kam es im Bereich der KHSt Dortmund, rund um die beiden, auch europaweit sehr aktiven Bands, Oidoxie und Weisse Wölfe, zu einer Häufung von Konzerten. Auch bei der Ausrichtung der Konzerte konnte ein Professionalisierung vermutet werden, die in dem Skinkonzert am 16.03.2002 in den Eventhallen Dortmund ihren Höhepunkt fand.“1360 Als Auftrag der Projektgruppe war festgelegt worden: „Auftrag der Arbeitsgruppe war es, die Strukturen der Skinheadbands Oidoxie und Weisse Wölfe aufzuhellen, strukturelle Verbindungen, sofern diese vorhanden sind, zwischen den im KHSt-Bereich Dortmund durchgeführten oder geplanten Konzerte zu erkennen und zu beschreiben und geeignete Maßnahmen zu erarbeiten, die den polizeilichen Umgang mit Skinkonzerten im KHSt-Bereich Dortmund vereinheitlichen und effektiver werden lassen. Neben diesem Auftrag, sollte die Projektgruppe, die eigene Projektarbeit reflektieren und für den Fall, dass diese Form der Analyse, für die UASt Dortmund praktikabel ist, Voraussetzungen für zukünftige Analyseprojekte beschreiben.“1361 Der Zeuge Robert Preuß hat zum Hintergrund der Einrichtung der Projektgruppe ausgesagt: „Also, das Ganze hat letztendlich eine Vorgeschichte aus dem Alltagsgeschehen. Wir sind ja immer wieder mit Skinhead-Konzerten in Berührung gekommen und meist sehr kurzfristig, sodass immer wieder die Überlegung war: Wie kann man da rechtzeitig drauf reagieren? Gibt es Möglichkeiten, Skinhead-Konzerte auch zu verhindern, also als Polizei Skinhead-Konzerte zu verhindern? Dann gab es permanent Anfragen, wenn bei irgendwelchen Durchsuchungen CDs von Rechtsrock-Bands gefunden worden sind, wie damit umzugehen ist, ob das strafbar ist, ob der Besitz strafbar ist, ob das Hören zu Hause strafbar ist, ob das öffentliche Hören oder Abspielen strafbar ist. Und da haben wir im Vorfeld dieser Projektgruppe schon mal eine Datenbank einfach angelegt, um einfach zu sammeln und zu gucken, was es für Gerichtsurteile zu verschiedenen CDs gibt, um das ein bisschen professioneller zu handhaben, dass wir nicht permanent in CDs reinhören müssen, ob da strafbare Inhalte drin sind.“1362 b. Vorgehensweise Die Projektgruppe stützte sich in ihrer Arbeit auf die Auswertung von vorhandenen Informationen aus Ermittlungs- oder Aufklärungsmaßnahmen der Polizei, Medien sowie gezielten Anfragen und Experteninterviews. Während die Fragebögen für die Mitarbeiter anderer Polizeidienststellen, die Ordnungsämter und für „szenekundige Personen“ im Anhang des Analyseund Auswerteberichts dokumentiert sind, sind die Fragebögen für die Interviews von Mitarbeitern der „Verfassungsschutzbehörde des Landes NRW“ nicht dokumentiert.1363 Zudem wurde im Abschlussbericht vermerkt, dass „mit ausgewählten Personen, die über Kenntnisse im Zusammenhang mit der örtlichen rechtsextremistischen Musikszene verfügen“ gesprochen wurde, deren Angaben aber nicht protokolliert wurden, weil diese Personen nur unter 1360 1361 1362 1363 258 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 248. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 248. Preuß, APr 16/1160 S. 6. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 250. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dieser Bedingung zu einer Aussage bereit gewesen seien. Diese Angaben seien im Nachhinein „anonymisiert in katalogisierten Fragebögen erfasst“ worden.1364 Auf die Frage, ob die Projektgruppe externe wissenschaftliche Quellen herangezogen habe, hat der Zeuge Robert Preuß geantwortet, dass sie keine Experteninterviews mit Wissenschaftlern durchgeführt, aber die Fachliteratur zur Kenntnis genommen hätten.1365 Die Arbeit der Projektgruppe orientierte sich an Hypothesen. Hinsichtlich der Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ lauteten diese: „Hypothese 1: Oidoxie und Weisse Wölfe sind kriminelle Vereinigungen im i.S.v. § 129 StGB“1366 „Hypothese 2: Oidoxie und Weisse Wölfe sind Teil der B&H- bzw. Combat 18-Bewegung“1367 „Hypothese 3: Von den Bands geht eine Gefahr aus“.1368 c. Erkenntnisse und Einschätzungen zu „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ Die Projektgruppe trug sämtliche Erkenntnisse zu den Mitgliedern und zu den mit Aufgaben im Zusammenhang mit der Band betrauten Personen sowie den CD-Veröffentlichungen und Konzerten der Bands zusammen. Aufbauend auf den Ergebnissen aus dem Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder von „Weisse Wölfe“ wegen der Veröffentlichung der CD „Weisse Wut“ und gegen Mitglieder von „Oidoxie“ wegen eines Auftritts im Video „Kriegsberichter Volume 5“ gelang es der Projektgruppe die aktuellen wie die vormaligen Mitglieder beider Bands zu identifizieren.1369 Die Projektgruppe vertrat die Einschätzung, dass es sich bei den Bands um Vereinigungen im Sinne des § 129 StGB handelt, vermerkte allerdings, dass mit der StA Dortmund die Absprache bestünde, erst mit Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung im Verfahren gegen die Band „Landser“ in die konkrete inhaltliche Prüfung einzusteigen, ob ein Verfahren nach §129 StGB gegen die Bands erfolgsversprechend sei.1370 Im November 2004 verfügte die StA Dortmund, dass die „Weissen Wölfe“ und „Oidoxie“ nicht die Kriterien für Ermittlungen nach § 129 StGB erfüllten.1371 d. Erkenntnisse und Einschätzungen zu „Combat 18“ Die Projektgruppe trug die vorliegenden Erkenntnisse zusammen, die die Mitglieder der beiden Bands mit „Combat 18“ und „Blood & Honour“ in Verbindung bringen: 1364 1365 1366 1367 1368 1369 1370 1371 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 250. Preuß, APr 16/1160 S. 7. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 252. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 294. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 300. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 253 f., 268. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 294. Verfügung der StA Dortmund vom 17. November 2004, A24755 S. 61 ff. 259 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Oidoxie wird in der Szene als Combat 18 bzw. B&H-Band bezeichnet. Dies begründet sich durch die Eigenbekundungen einzelner Bandmitglieder, aber auch durch die Auftritte bei B&H-Konzerten im europäischen Ausland. In einem Interview bezeichnete [L.] Ian Stuart und Rudolf Heß als Bandvorbilder. […] Die Band Weisse Wölfe zeigt ihre Sympathie mit Combat 18 deutlich in ihren Liedern ‚C18 Terrormachine‘ und ‚Hail C18‘. [...] Die Auswahl des Bandnamens Weisse Wölfe deutet ebenfalls auf eine bewusst gewählte Nähe zu C18 hin. In der B&H-Schrift ‚The way forward‘ werden die kämpferischen Teile von C18 als hungry white wolves bezeichnet. Darüber gibt es in England eine Absplitterung von C18, die sich selber White Wolves nennt und sich Ende der 90er Jahre zu mehreren rassistisch motivierten Bombenattentaten bekannte.“1372 Weiter führte der Analyse- und Auswertungsbericht der Projektgruppe Skinmusik aus, dass „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ bei mehreren Konzerten der „internationalen B&H-Bewegung“ in Schweden, Spanien, Belgien und den Niederlanden auftraten. Zudem wurden Fotos von Konzerten der „Weissen Wölfe“ dokumentiert, auf denen die Security-Gruppe T-Shirts von „Blood & Honour“ trug und bei denen die Bühnen mit Fahnen von „Combat 18“ oder „Blood & Honour“ dekoriert waren.1373 Auch der Auftritt im Video „Kriegsberichter Volume 5“ und die Produktion der CD „Weisse Wut“ wurden als Verbindungen zu „Blood & Honour“ bewertet.1374 „Die CD ‚Weisse Wut‘ der Gruppe Weisse Wölfe ist nach derzeitigem Ermittlungsstand in einem Tonstudio in Kopenhagen aufgenommen und durch Celtic Moon angeboten worden. Der Kontakt zu dem Tonstudio soll von Gottschalk über den mittlerweile verstorbenen B&H-Aktivisten Marcel Schilff hergestellt worden sein. Marcel Schilff verstarb im Januar 2001 und führte bis 1999 die Firmen ‚NS-Records‘ und ‚NS88‘. Er organisierte die Einspielung von CDs in Skandinavien oder den USA. Als Verbindungspersonen in Deutschland agierte u.a. Torsten Heise. Wahrscheinlich aufgrund des Drucks dänischer Behörden musste Schilff 1999 den Vertrieb ‚NS88‘ aufgeben. Sein enger Freund [E. B.] leitet seit 2001 mit zwei dänischen Staatsangehörigen die Division ‚B&H Scandinavia‘. B&H Scandinavia ist Herausgeber des Bestellkatalogs ‚Celtic Moon‘. Celtic Moon ist nach Aussage des BKA der eigens für den deutschen Markt vergebene Name des Kataloges. In dem Ermittlungsverfahren wegen der Produktion und Verbreitung dieser CD wurde festgestellt, dass Gottschalk umfangreiche Kontakte zu verschiedenen Personen von B&H Flandern, aber auch zu Personen von B&H Scandinavia und B&H Spain unterhält. Darüber hinaus verfügt er über einen Kontakt zu dem britischen C18- bzw. RVF-Aktivist Atkinson. Atkinson ist einer der Hauptvertrauten des derzeitigen Anführers der britischen Gruppierung C18. Desweiteren verfügen Marko Gottschalk und [C. T.] über Kontakte zu [P. B.]. Bei [L.] und [J.] wurden jeweils ein Kontakt zu Personen der B&H-Szene festgestellt. Die übrigen CDs der Gruppen Weisse Wölfe und Oidoxie wurden durch innerdeutsche Produktionsfirmen hergestellt und auch durch innerdeutsche Versandhandel vertrieben. Hinweise auf eine Zugehörigkeit dieser Firmen zu der internationalen B&H-Bewegung liegen nicht vor.“1375 1372 1373 1374 1375 260 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 296 f. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 298. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 299. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 299. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Projektgruppe zog daraus das Fazit, dass zwar festgestellt wurde, dass „Gottschalk über umfangreiche Kontakte und J. und L. über einen Kontakt zu Personen in ausländischen B&H- bzw. Combat 18-Gruppierungen verfügen“ und auch die „insgesamt 7 festgestellten Auftritte bei B&H-Konzerten“ auf eine „Einbindung“ hindeuten1376, diese Kontakte beschränken sich nach Ansicht der Projektgruppe aber nur auf das Ausland und nicht auf Deutschland: „Durch die Informationserhebung innerhalb der Projektarbeit wurden keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines innerdeutschen Netzwerkes gefunden. Dies deckt sich mit der Erkenntnislage des BKA, wonach keine B&H- bzw. Combat 18-Strukturen in der Bundesrepublik existieren. […] Tatsächlich kann derzeit aber nur festgehalten werden, dass Oidoxie/Weisse Wölfe Kontakte zu ausländischen B&H- bzw. Combat 18-Gruppierungen aufweisen. Über eine organisatorische Einbindung bzw. Mitgliedschaft liegen keine Erkenntnisse vor.“1377 In der Einschätzung, dass es keine innerdeutschen Strukturen von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ gebe, stützte sich die Projektgruppe maßgeblich auf Angaben des BKA und auf die Annahme, dass das 2000 ergangene Verbot der deutschen „Blood & Honour“-Division sämtliche Strukturen zerschlagen habe und seitdem keine Nachfolgestrukturen aufgebaut worden seien. Der Zeuge Robert Preuß hat dies in seiner Aussage bekräftigt.1378 Die Frage, ob es richtig sei, dass die Einschätzung zu „Combat 18“ vom BKA übernommen wurde, hat er bejaht.1379 Zudem hat der Zeuge Robert Preuß ausgesagt, dass er nicht glaube, dass Marko Gottschalk mit dem Bezug auf „Combat 18“ eine Strategie verfolgt habe: „Ich glaube nicht, dass Gottschalk strategisch da rangegangen ist. Dass er das gemacht hat und dass er auf den Konzerten sich bewusst für ‚C18‘ in Pose geworfen hat, das ist klar. Dass man in den Liedtexten sich für Rudolf Hess engagiert hat oder da Loblieder drauf gesungen hat, auch das. Das hat natürlich alles eine Wirkung in die Szene. Die Frage ist immer nur – und das ist so –, ob Marko Gottschalk oder ‚Oidoxie‘ das bewusst so gemacht haben oder ob die nur einfach das, was sie erwartet haben, was die Konzertzuschauer hören wollen, auch mitgemacht haben.“1380 Auf die Frage, ob es in Dortmund Neonazis gegeben habe, die das Konzept des „Führerlosen Widerstands“, wie es beispielsweise im „Totenkopf Magazin“ propagiert worden sei, umsetzen wollten, hat der Zeuge Robert Preuß erwidert: „Dadurch, dass sich die Bandmitglieder zumindest verbal als auch über Tätowierungen zu ‚C18‘ bekannt haben, gehe ich davon aus, dass sie sich auch Gedanken gemacht haben, was dahintersteckt, und sie werden sich auch Gedanken gemacht haben über den ‚Führerlosen Widerstand‘. Gerade wenn man rückblickend guckt in den Verfahren, gerade Berger, dass es da Schießübungen gab im Bereich des Dortmunder Umlandes, dann kann man sich dazu Gedanken machen, ob es so etwas gegeben haben könnte, ja, zumindest Gedanken.“1381 1376 1377 1378 1379 1380 1381 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 300. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 300. Preuß, APr 16/1160 S. 13. Preuß, APr 16/1160 S. 20. Preuß, APr 16/1160 S. 19. Preuß, APr 16/1160 S. 26 f. 261 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Umsetztung von terroristischen Anschlägen hat der Zeuge Robert Preuß der Dortmunder Szene aber nicht zugetraut. 1382 Über die Kontakte von Marko Gottschalk hat er ausgesagt, dass diese „sehr breit aufgestellt“ gewesen seien, dessen „gutes Netzwerk“ aber dazu gedient habe, Konzerte zu organisieren: „Aber darüber hinaus nichts, wo ich sagen würde, da gibt es Strukturen.“1383 Auf die Frage, ob die internationalen Kontaktpersonen von Marko Gottschalk, beispielsweise der Schwede Erik Nielsen, der als Verfasser von Schriften wie „The way forward“ ein terroristisches Vorgehen propagierte und „Combat 18“ als „bewaffneten Arm von ‚Blood & Honour‘“ verstand, die Dortmunder Neonazis unter Druck gesetzt habe, gewalttätig zu werden, um weiterhin mit dem Label „Combat 18“ auftreten zu können, hat der Zeuge Robert Preuß ausgesagt, dass er dies „damals aus polizeilicher Sicht nicht wahrgenommen“ habe, was aber „an mangelnder Erkenntnislage“ gelegen haben könne.1384 e. Erkenntnisse zur Organisation von rechtsradikalen Konzerten Die Projektgruppe ging auch der Hypothese nach, dass bei den im Bereich der Kriminalhauptstelle Dortmund durchgeführten Skinheadkonzerten „strukturelle Verbindungen“ existierten.1385 Seit dem Jahr 1998 wurden in diesem Bereich elf durchgeführte und sechs geplante Konzerte festgestellt, das größte fand am 16. März 2002 in Dortmund statt. Bei diesen Konzerten traten in der Regel „Oidoxie“ oder „Weisse Wölfe“ auf. Auftritte der hessischen Bands „Hauptkampflinie“ und „Gegenschlag“ wurden fünfmal bzw. dreimal festgestellt.1386 Die Projektgruppe identifizierte einige Organisatoren der Konzerte, darunter einen Aktivisten der SAF, ein aus Marco Gottschalk und zwei weiteren Neonazis bestehendes Organisationsteam sowie Veranstalter aus dem Umfeld eines Mitglieds der Band „Weisse Wölfe“.1387 Keine Berücksichtigung in der Analyse der Projektgruppe fand der zur Jahreswende 2002 / 2003 eröffnete Laden „Bye or Die“ in der Rheinischen Straße 135 in der westlichen Innenstadt von Dortmund. Der Laden, der von einem Neonazi aus dem Umfeld der Band „Oidoxie“ betrieben wurde, bot neben Kleidung auch Rechtsrock-CDs an. Die Zeitschrift „Lotta“ schrieb im Sommer 2003, dass der Laden „mittlerweile ein wichtiger Baustein der rechten Szene“ geworden sei. Der Laden erfülle die Bedürfnisse rechter Jugendlicher nach Szene-Kleidung und -Musik und schaffe einen „Freiraum, in dem man Gleichgesinnte trifft.“1388 Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund schrieb über das Ladenlokal „Bye or Die“ in der „5. Fortschreibung. Strukturlagebild Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit (2. Halbjahr 2003)“ für den Regierungsbezirk Arnsberg, dass der Laden weiterhin geöffnet sei, aber keine über den Verkauf hinaus gehenden Aktivitäten feststellbar seien.1389 Am 11. September 2003 wurden die Räumlichkeiten wegen des Verdachts, dass dort „Kleidungsstücke mit nationalsozialistischen Kennzeichen und CDs mit inkriminierten Texten verkauft würden“ durchsucht und Bekleidungsstücke und Tonträger beschlagnahmt.1390 1382 1383 1384 1385 1386 1387 1388 1389 1390 262 Preuß, APr 16/1160 S. 26 f. Preuß, APr 16/1160 S. 31. Preuß, APr 16/1160 S. 28. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 304. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 305. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 249. Artikel „Der Nazis neue Kleiderkammer“ in Lotta Nr. 13, Sommer 2003, A95397 S. 24. 5. Fortschreibung Strukturlagebild des PP Dortmund für das 2. Halbjahr 2003, A14994 S. 47. 5. Fortschreibung Strukturlagebild des PP Dortmund für das 2. Halbjahr 2003, A14994 S. 53. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 f. Ordnungsbehördliche Maßnahmen gegen rechtsradikale Konzerte Die Projektgruppe befasste sich damit, wie rechtsradikale Konzerte verhindert werden können. Als Fazit hat die Projektgruppe festgehalten, dass die Bewältigung von Skinheadkonzerten nicht ausschließlich Aufgabe der Polizei sei, sondern ebenso Aufgabe der örtlichen Ordnungsbehörden. Plädiert wurde für eine gemeinsame Vorgehensweise von Ordnungsbehörden und Polizei, um rechtsradikale Konzerte zu unterbinden. Dazu wurde es als notwendig erachtet, dass die Polizei im Rahmen der Möglichkeiten des Polizeigesetzes Informationen sammelt. Im Vorfeld soll die Polizei an Vermieter und Getränkehändler herantreten, um diese vor Anmietungen durch Strohleute zu sensibilisieren. In der Vergangenheit habe dies zur Stornierung von Anmietungen geführt.1391 Weiter hieß es in dem Fazit: „Gerade durch das Zusammenwirken der zuständigen Behörden und der privaten Betreiber von Veranstaltungsörtlichkeiten lässt sich die Ausrichtung von Skinkonzerten verhindern oder zumindest der Gestaltungsspielraum der Veranstalter einschränken. Wirksam erscheinen der Projektgruppe insbesondere die Maßnahmen der Behörden, die im Vorfeld bzw. zu Beginn der Veranstaltungen getroffen werden können. Als eine Taktik sollten gemeinsame Maßnahmen der OB und der Polizei während einer Veranstaltung in Erwägung gezogen werden.“1392 g. Projektergebnisse Der Zeuge Jörg Lukat hat auf die Frage, was mit den Projektergebnissen geschehen ist, ausgeführt: „Wir haben zum einen für uns natürlich die Auswertung gemacht, inwiefern wir daraus unter anderem auch ein Strafverfahren generieren können im Sinne von ‚krimineller Vereinigung‘. Das ist uns nicht gelungen. Gleichwohl haben wir das nicht beiseitegelegt, sondern gesagt: Sollten sich andere Möglichkeiten ergeben, dann hat man hier unter Umständen auch eine umfängliche Ermittlungsbasis. Meiner Erinnerung nach haben wir alle unsere Erkenntnisse, die wir dort gesammelt haben, auch weitergegeben, unter anderem auch an den Verfassungsschutz mit der Frage: Könnt ‚ihr‘ – in Anführungszeichen – da unter Umständen weiter was anfangen? – Wobei, es ist Aufgabe der Polizei, auch hier den Verfassungsschutz entsprechend mit Informationen zu versorgen und die Frage … Oder mit gleicher Intensität muss nicht – in Anführungsstrichen – der ‚Informationsaustausch‘ zurückkommen.“1393 4. Maßnahmen und Einschätzungen des Verfassungsschutzes zu „Combat 18“ a. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2000 Nach den Morden des Michael Berger in Dortmund erstellte der Zeuge Hans-Peter Lüngen als Referatsleiter für die Auswertung Rechtsextremismus beim Verfassungssschutz NRW einen an den Leiter des Verfassungsschutz NRW adressierten Vermerk, in dem er sich aus Sicht des Verfassungsschutzes NRW zur „Verschärfung des Rechtsextremismus (Gefahr von terroristischen Anschlägen)“ äußerte. Anlass für das Verfassen des Vermerks war eine Interviewanfrage eines Journalisten. Der Zeuge Hans-Peter Lüngen vermerkte zur Frage „Unterhalten NRW-Rechtsextremisten Kontakte zu rechtsterroristischen Kreisen im Ausland (Combat 18, Schweden-Szene)?“: 1391 1392 1393 Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 319. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 319. Lukat, APr 16/1154 S. 84. 263 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Nordrhein-westfälische Rechtsextremisten unterhalten durchaus Kontakte ins Ausland. Dies betrifft sowohl die rechtsextremistische Parteienszene als auch die Neonazi-/Skindheadszene. Konkrete Erkenntnisse über Verbindungen zu rechtsterroristischen Kreisen im Ausland (z.B. Combat 18, Schweden-Szene) liegen hier allerdings nicht vor. Über solche Verbindungen kann nur spekuliert werden.“1394 Weiter schrieb er, dass es keine Anhaltspunkte für „unmittelbar bevorstehende terroristische Aktivitäten“ gebe, dass aber in der Neonazi-Szene eine „zunehmende verbale Militanz“ festzustellen sei. Es gebe zwar „Anti-Antifa-Veröffentlichungen“, diese hätten aber bekanntermaßen keine Gewalttaten nach sich gezogen. Hinweise auf einen „rechtsextremistischen Untergrund“ oder auf Versuche von Rechtsextremen aus NRW, „ein aggressives Sympathisantenumfeld auch für illegale/terroristische Aktionen aufzubauen“, lägen zurzeit ebenfalls nicht vor.1395 b. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2003 Die Ermittlungen gegen „Combat 18 Pinneberg“, das Erscheinen des deutschsprachigen „Stormer“-Fanzines und die Gründung der Gruppe „Racial Volunteer Force“ (RVF) unter Beteiligung englischer, niederländischer und deutscher Neonazis setzten das Thema „Combat 18“ im Jahr 2003 erneut auf die Tagesordnung der Verfassungsschutzbehörden. Hinzu kam, dass aufgrund des vereitelten Bombenanschlags auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München durch Neonazis aus der „Kameradschaft Süd“ die mögliche Gefahr eines Rechtsterrorismus sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Verfassungsschutzverbund diskutiert wurde. Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie, bis 2006 als Gruppenleiterin beim Verfassungsschutz NRW für die Referate Auswertung und Beschaffung Rechtsextremismus verantwortlich, hat ausgesagt, dass sich 2003 die Hinweise mehrten, dass es eine „Combat 18“-Struktur in Dortmund geben könnte.1396 Die Zeugin de la Chevallerie berichtete, dass unter Federführung des BfV eine Arbeitsgruppe zum Bereich „Combat 18“ gebildet worden sei. „Combat 18“ sei wiederholt Gegenstand von speziellen Tagungen sowie von den Auswerter- und Beschaffertagungen der Verfassungsschutzbehörden gewesen.1397 Am 10. und 11. September 2003 fand in Xanten die „Norddeutsche Amtsleitertagung“ der Verfassungsschutzbehörden statt. Auf Wunsch des LfV Schleswig-Holstein wurde ein Tagesordnungspunkt zu „Combat 18“ aufgenommen, der die Schändung eines jüdischen Friedhofs im Mai 2003 in Schleswig-Holstein zum Thema hatte, zu der sich „Combat 18 Deutschland“ im Internet bekannt hatte.1398 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen schrieb über den Hintergrund des Tagesordnungspunktes: „Nach Ansicht des LfV Schleswig-Holsteins könnte dem Vorfall eine Übernahme schwedischer rechtsextremistischer Handlungsmuster zugrunde liegen (gemeint sein dürften rechtsextremistische Aktivitäten mit terroristischem Einschlag). Weiterhin sieht das LfV Schleswig-Holstein in diesem Vorfall ein Anzeichen dafür, dass sich Combat 18-Strukturen möglicherweise verfestigen. Schleswig-Holstein ist ebenfalls daran interessiert zu erfahren, ob ähnliche offensichtlich an der Combat 18-Broschüre ‚Stormer‘ ausgerichtete Aktionen in anderen Ländern bekannt geworden sind.“1399 1394 1395 1396 1397 1398 1399 264 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 41. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 49. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 29. Juni 2000, A12246 S. 110. vom 29. Juni 2000, A12246 S. 110 ff. vom 4. September 2003, A13408 S. 7. vom 4. September 2003, A13408 S. 7. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zur Vorbereitung der Amtsleitertagung formulierte er das folgende Votum für seinen Vorgesetzten: „Der Sachvortrag des schleswig-holsteinischen Vertreters ist zur Kenntnis zu nehmen. In Nordrhein-Westfalen sind allerdings bisher keine Aktionen bekannt geworden, die sich an der Combat 18-Broschüre ‚Stormer‘ ausrichten oder einen terroristischen Einschlag aufweisen. Zu sich möglicherweise verfestigenden Combat 18-Strukturen gibt es hier keine konkreten Hinweise. Es liegen lediglich vage Indizien dafür vor, dass sich ein kleiner Personenkreis für Combat 18-Strukturen interessieren könnte bzw. sie sich selbst Combat 18-Strukturen zurechnen. So gibt es u. a. in der nordrhein-westfälischen Neonazi-/Skinhead-Szene einige wenige Personen, die Tätowierungen mit C 18-Bezug tragen, was für sich genommen, allerdings noch nicht besonders aussagekräftig ist.“1400 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller, damaliger Leiter des Verfassungsschutzes NRW, hat zu dieser Amtsleitertagung ausgeführt: „Es ist ja nicht so, dass diese ideologischen Papiere nicht bekannt waren, also als Papiere, als Konstrukte, natürlich. Natürlich hatte ich schon was davon gehört, dass es in Schweden und Großbritannien Vorbilder gab mit ‚Combat 18‘ und dass es immer wieder im Gespräch war, auch in den Amtsleitersitzungen. Ich glaube, in Schleswig-Holstein war irgendwann mal ein Fall, das hat dann der dortige Amtschef auf die Tagesordnung gesetzt. […] Und dann wird zur Vorbereitung der Sitzung recherchiert: Haben wir in Nordrhein-Westfalen so etwas? Was kann ich in der Sitzung dazu beitragen? Und da kann ich nur sagen: ‚Combat-18‘-Strukturen in Nordrhein-Westfalen sind mir zu meiner Zeit nicht auf den Tisch gekommen. Die hat es – jedenfalls nach unserer Bewertung – nicht gegeben. Ob man das mit heutiger Kenntnis anders sieht, weiß ich nicht. Aber diese Ideologie, da haben die Auswerter sich ja schon mit den geistigen Hintergründen des Rechtsextremismus auseinandergesetzt und natürlich auch solchen Dingen. Das ist schon Gegenstand der Befassung gewesen, natürlich.“1401 c. Tagung der Verfassungsschutzbehörden am 9. Oktober 2003 Am 9. Oktober 2003 führten die Verfassungsschutzämter eine Arbeitstagung durch, die sich mit der Gefahr von Rechtsterrorismus und mit „Combat 18“ befasste. Das Ergebnis dieser Besprechung aus Sicht des Verfassungsschutzes NRW ist einem Vermerk zu entnehmen, den das Auswertungsreferat anlässlich der Vorbereitung der AK IV-Sitzung der IMK am 14. und 15. Oktober 2003 erstellte. In diesem Vermerk heißt es: „Möglicherweise wird vom Präsidenten des BfV auch über die beiden weiteren TOPs der Besprechung am 9. Oktober 2003 berichtet. Der TOP 2 befasste sich mit dem Thema ‚Mögliche Strukturen und Aktivitäten von ‚Combat‘ (C18) in Deutschland. Hierzu wurde einvernehmlich festgestellt, dass zwar Hinweise auf Personen vorliegen würden, die mit dem ‚Markenzeichen‘ C18 arbeiteten: dies diene jedoch eher der Hervorhebung der eigenen Bedeutung. Vom Vertreter Nordrhein-Westfalens wurde vorgetragen, dass Hinweise auf C18-Strukturen bezogen auf eine bestimmte Person (GOTTSCHALK, Dortmund, Sänger ‚Oidoxie‘) vorlägen. NRW würde diese Hinweise auch sehr intensiv verfolgen und alle zulässigen Maßnahmen durchführen. Ein Ergebnis läge derzeit jedoch noch nicht 1400 1401 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 4. September 2003, A13408, S. 7 f. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 97. 265 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 vor. Dies könnte unter Umständen daran liegen, dass ein Teil der Telekommunikation mit den derzeitigen technischen Mitteln nicht überwacht werden könne.“1402 Weitere Informationen, welche Hinweise auf „Combat 18“-Strukturen bei Marko Gottschalk vorlagen, sind dem Vermerk nicht zu entnehmen. Dass Marko Gottschalk zu diesem Zeitpunkt bereits intensive Kontakte zu „Combat 18“-Vertretern aus Skandinavien und England pflegte, wurde in dem Vermerk nicht erwähnt. Der Vermerk endet mit der Aussage, dass sofern das am 9. Oktober 2003 erarbeitete Papier vom BfV zur Abstimmung vorgestellt wird, diesem zugestimmt werden könne.1403 Der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname), Mitarbeiter des BfV, hat ausgesagt, dass sich die Arbeitstagung am 9. Oktober 2003 mit der Möglichkeit der Bildung weiterer terroristischer Strukturen durch Neonazis innerhalb Deutschlands beschäftigt habe. „Combat 18“ sei nur ein Teilthema gewesen.1404 Das Ergebnis der Tagung sei gewesen, dass mit Ausnahme der Gruppe Münchener Neonazis um Martin Wiese, keine „terroristische Struktur“ festgestellt worden sei.1405 Auf die Frage, wie „Combat 18“ in dieser Tagung eingeordnet worden sei, hat der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname) geantwortet: „Als mögliche Thematik oder als mögliches Label, wo sich gewaltbereite Rechtsextremisten versammeln könnten und unter Verwendung dieser Konzepte, die von ‚Combat 18‘ angeboten werden, eben schwerste Straftaten begehen könnten – die Möglichkeit. Da stand die Möglichkeit im Vordergrund.“1406 Die Tagungsteilnehmer kamen laut seiner Aussage zu dem Ergebnis: „Die Aussage zu ‚Combat 18‘ war folgende: Es existieren keine zusammenhängenden ‚Combat-18‘-Strukturen in Deutschland. – Wenn ich sage ‚Deutschland‘, dann ist damit auch NRW gemeint.“1407 „Gravierende Dissense“ zwischen dem BfV und dem Verfassungsschutz NRW in Bezug auf die Einschätzung von „Combat 18“ hat es nach Erinnerung des Zeugen Jörg Appenroth (Arbeitsname) nicht gegeben.1408 d. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21 Die zwischen BKA und BfV sowie dem BfV und den Verfassungsschutzbehörden der Länder abgestimmte Bewertung von „Combat 18“ fand Eingang in die im Juli 2004 fertiggestellte Schrift „BfV Spezial. Rechtsextremismus. Nr. 21. Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten – Entwicklungen von 1997 bis Mitte 2004“. Der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname) hat ausgesagt, dass das BfV sich über Jahre hinweg den Hintergrund über „Combat 18“ erarbeitet habe und dieser Hintergrund in die Publikation eingeflossen sei.1409 Er verfasste das Kapitel über „Combat 18“, das die folgende Einschätzung enthält: „Die britische rechtsextremistische Gruppierung C 18 genießt insbesondere unter gewaltbereiten Rechtsextremisten in Deutschland hohe Anerkennung. Vor diesem Hintergrund 1402 1403 1404 1405 1406 1407 1408 1409 266 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 9.Oktober 2003, A12213 S. 5. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 9.Oktober 2003, A12213 S. 6. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 53. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 54. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 54. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 57. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 54. Appenroth (Arbeitsname), nöAPr 16/210 S. 5. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wurde in der Vergangenheit bereits wiederholt die Existenz von deutschen C18-Strukturen suggeriert. Dabei diente der szeneinterne Bezug auf C18 in der Regel der eigenen Aufwertung und·sollte nach außen den Eindruck einer gewissen Gefährlichkeit und Entschlossenheit vermitteln. Seit Ende 2002 kam es wiederholt zu Ereignissen, bei denen Rechtsextremisten Bezüge zu C18 herstellten, die Anlass gaben, die bisherige Bewertung, C18-Strukturen seien in Deutschland nicht erkennbar, zu überprüfen. Im Einzelnen handelte es sich dabei um: • Erscheinen der ersten Ausgabe einer deutschen Fassung der britischen C18-Publikation ‚Stormer‘ Ende 2002. • Erscheinen der 3. Ausgabe des ‚Totenkopf-Magazins‘ mit starken Bezügen zu C18. • Schändung einer Gedenkstätte für jüdische Opfer des 2. Weltkrieges in Neustadt/Schleswig-Holstein am 4. Mai 2003 und die später bekannt gewordene Selbstbezichtigung von ‚Combat 18-Deutschland‘ auf einer britischen C 18-Hompage. • Angehörige der neonazistischen Szene - die sich auch als ‚C18 Pinneberg‘ bezeichneten - versuchten, den regionalen Tonträgern mit rechtsextremistischen Tonträgern zu kontrollieren und Konkurrenten einzuschüchtern. • Rechtsextremistische Straftaten mit C18-Bezug im Rems-Murr-Kreis/BW von Januar bis Oktober 2003. • Einrichtung eines ‚deutschen Forums‘ auf der englischsprachigen Homepage ‚combat18.org‘ Anfang 2004 mit derzeit mehreren hundert Beiträgen deutscher Teilnehmer. Nach diversen Besprechungen mit Vertretern von Verfassungsschutzbehörden der Länder, des BKA und befreundeter Dienste im vierten Quartal 2003 ergibt sich folgendes Lagebild: • Von der britischen Organisation C18 gehen aktuell keine terroristischen Aktivitäten aus. (vgl. zur Geschichte von C18 und ihrer fortwirkenden Bedeutung als Vorbild für eine gewaltorientierte Strategie Ziffer 5.2) • Auch in Deutschland gibt es keine Terrororganisation C18 und insbesondere kein bundesweites terroristisches Netzwerk. • Zielsetzung der ‚Kameradschaft Pinneberg‘ war im Wesentlichen, den rechtsextremistischen Musikmarkt in Norddeutschland zu beherrschen, Anschläge waren nicht geplant. • Das Ermittlungsverfahren wegen der Schändung der jüdischen Gedenkstätte am 4. Mai 2003 in Neustadt/Schleswig-Holstein steht mit den Ermittlungen gegen die Pinneberger Gruppierung nicht im Zusammenhang. • Im Falle der Gruppierung in Backnang/Baden-Württemberg handelt es sich um Mitglieder der regionalen Szene, die keine Verbindungen in andere Bundesländer unterhielten. Die Bezeichnung ‚Combat 18‘ wurde lediglich in der Absicht verwendet, eine Drohkulisse aufzubauen. • Die an C18 orientierten Schriften ‚Stormer‘ und ‚Totenkopf Magazin‘, die das Prinzip des ‚Ieaderless resistance‘ propagieren, sind zwar in der deutschen rechtsextremistischen Szene bisher nicht in großem Umfang verbreitet. Entsprechende Aufrufe, die C18 in Form eines ‚Ieaderless resistance‘ propagieren, finden sich allerdings auch auf allgemein zugänglichen, von Briten betriebenen Homepages von C18 und der ‚Racial Volunteer Force‘ (RVF). Diese Aufrufe vermitteln den Adressaten allerdings keine Handlungsanweisungen für gezielte Aktionen. Ebenso enthält auch das im Internet abrufbare C18Handbuch kaum Anleitungen zur Umsetzung der Strategien. Die Ausarbeitung ‚Practical Revolution - Guidelines For White Survival‘, die im ‚Totenkopf-Magazin‘ übersetzt wurde, bleibt gleichfalls weitestgehend im Allgemeinen verhaftet.“1410 1410 BfV Spezial Rechtextremismus Nr. 21, A72476 S. 35 ff. (VS-nfD). 267 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 e. „Combat 18“ in den Verfassungsschutzberichten des Landes NRW Die Durchsicht sämtlicher im Untersuchungszeitraum veröffentlichter Verfassungsschutzberichte des Landes NRW ergab, dass „Combat 18“ bis zum Jahr 2006 keine Erwähnung fand. Erstmals in dem 2007 veröffentlichten „Verfassungsschutzbericht des Landes NordrheinWestfalen über das Jahr 2006“ wurde „Combat 18“ überhaupt erwähnt. Dort heißt es: „Insgesamt ist der Skinhead-Szene eine straffe Organisationsstruktur fremd. Auch die Versuche von ‚Blood & Honour‘, ‚Combat 18‘ oder den ‚Hammerskins‘ haben nicht zur Ausbildung und festen Etablierung von Strukturen geführt.“1411 Zur Bedeutung von „Combat 18“ in Nordrhein-Westfalen führte der Verfassungsschutz NRW in seinem Bericht aus: „Einzelne Angehörige der rechtsextremistischen Szene in Nordrhein-Westfalen zeigen zwar eine gewisse Faszination für ‚Combat 18‘, erkennbare Strukturen liegen aber nicht vor. Die Verwendung des Begriffs ‚Combat 18‘ ist offensichtlich mit einem hohen Ansehen in der rechtsextremistischen Skinhead-Szene verbunden, und es ist daher wahrscheinlich, dass dessen Verwendung mit dem Ziel erfolgt, das eigene Ansehen aufzuwerten.“1412 Weitere Ausführungen zu „Combat 18“ wurden in dem Bericht nicht gemacht. In den Verfassungsschutzberichten über die Folgejahre bis einschließlich 2013 wurden stets die oben zitierten Satzbausteine zu „Combat 18“ unverändert abgedruckt. 5. Maßnahmen des Verfassungsschutzes NRW im Zusammenhang mit einer Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie, bis April 2006 Gruppenleiterin beim Verfassungsschutz NRW, hat ausgesagt, dass der Verfassungsschutz NRW während ihrer Dienstzeit zahlreiche Maßnahmen in Bezug auf die Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund durchgeführt hat: „Also wir hatten damals G-10-Maßnahmen laufen und haben daraus keine Erkenntnisse gewonnen. Das ist so gewesen. […] Aber die Frage war – und deswegen waren wir auch so besorgt und haben da sehr viel unternommen –: Findet das irgendwie eine Konkretisierung? – Ich kann das jetzt nur so abstrakt sagen. Es hat dann Besuche gegeben im Gefängnis, also von Leuten, die in Haft saßen, die dann befragt worden sind seitens der Beschaffung. Es hat Quellenfragen, es hat auch Überlegungen gegeben, weil das Bundesamt uns dazu auch immer aufgefordert hat, also alle Länder aufgefordert hat: Wir brauchen mehr Quellen, wir brauchen mehr Zugang in diesem Bereich. Man hat auch versucht, ob man denn darüber noch mal Zugang bekommen kann. Es gab Observationen, und das alles hat im Moment – so ist mein Erkenntnisstand damals gewesen – zu keinen Hinweisen geführt, dass ‚Combat 18‘ auch wirklich gelebt wurde, sondern die Einschätzung war, wenn Sie jetzt zum Beispiel auf Gottschalk anspielen, also auf den Sänger der ‚Oidoxie‘ […].“1413 1411 1412 1413 268 Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2006, Landtag NRW Vorlage 14/1190 S. 67. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2006, Landtag NRW Vorlage 14/1190 S. 68. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 41 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zudem habe es diverse Besprechungen und Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten in dieser Sache gegeben.1414 a. G10-Maßnahmen In den dem Ausschuss vorliegenden Unterlagen fanden sich keine Akten über eine von der Zeugin de la Chevallerie erwähnte Telekommunikationsüberwachung - G10-Maßnahme des Verfassungsschutzes NRW, die in den Jahren 2005 und 2006 gegen Neonazis aus Dortmund durchgeführt wurde, die der Mitgliedschaft in der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ verdächtigt wurden. Einem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW ist aber zu entnehmen, dass im Jahr 2003 Überwachungsmaßnahmen gegen Marko Gottschalk liefen, bei denen allerdings ein Teil der Telekommunikation - Internetzugang - mit den technischen Mitteln nicht überwacht werden konnte.1415 b. Observationsmaßnahmen Der Verfassungsschutz NRW führte 2006 eine Observationsmaßnahme durch, die Informationen über die Dortmunder Neonazi-Szene beschaffen sollte. Anlass für die Observationsmaßnahme waren die bekannt gewordenen Kontakte des Marko Gottschalk zu Aktivisten wie William Browning und Joeri van der Plas sowie die Pläne zur Bildung einer sieben Personen umfassenden Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“.1416 Als Ziel der Maßnahme wurde aufgeführt, mehr Informationen über die Kontakt-Personen des Marko Gottschalk zu erlangen sowie „Erkenntnisse über die mögliche Identität der weiteren Mitglieder der sog. ‚Kampfgruppe‘ zu gewinnen.“1417 Das BfV sollte über die Observationsmaßnahme unterrichtet werden. Die Beobachtung von Konzerten im Ausland sollte in Abstimmung mit dem BfV abgedeckt werden.1418 Am 28. April 2006 wurde der Observationsauftrag seitens des Verfassungsschutzes erweitert. Als Zielperson stand nicht länger Marko Gottschalk im Fokus, sondern es sollten zukünftig ebenso die „Personenzusammenschlüsse“ um die Dortmunder „Autonomen Nationalisten“, deren führende Protagonisten zum damaligen Zeitpunkt eine Wohngemeinschaft in der Wittener Straße im Stadtteil Dorstfeld bildeten, sowie die Szene um das Geschäft „Donnerschlag“ aufgeklärt werden. Zwar wurde vermerkt, dass die „im ursprünglichen Auftrag dargestellten Ziele“ weiterhin gültig seien, zugleich war aber in der Folge eine Verschiebung der Zielsetzung festzustellen.1419 Im Mittelpunkt des Interesses standen nicht länger die Strukturen von „Blood & Honour“ und die Dortmunder Gruppe in Bezug auf „Combat 18“, sondern die Verbesserung der Erkenntnislage über die gesamte Dortmunder Neonazi-Szene. So hieß es in dem erweiterten Observationsauftrag, das Ziel sei es, die „Erkenntnislage zu rechtsextremistischen Strukturen und Aktivitäten in Dortmund ausserhalb der rechtsextremistischen Parteien und der Kameradschaft um Siegfried BORCHARDT zu verbessern“.1420 Konkret sollten die Angehörigen der „Oidoxie Streetfighting Crew“, die mit den „Autonomen Nationalisten“ zusammenarbeitenden 1414 1415 1416 1417 1418 1419 1420 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 66. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Oktober 2003, A12213 S. 6. Observationsauftrag vom 28. Oktober 2005, A15345 S. 3 (VS-nfD). Observationsauftrag vom 28. Oktober 2005, A15345 S. 4 (VS-nfD). Observationsauftrag vom 28. Oktober 2005, A15345 S. 4 (VS-nfD). Erweiterung des Observationsauftrag vom 28. April 2006, A13715 S. 90 (VS-nfD). Erweiterung des Observationsauftrag vom 28. April 2006, A13715 S. 91 (VS-nfD). 269 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Personen, deren Trefforte und Treffhäufigkeiten sowie Überschneidungen zwischen den Gruppen festgestellt werden. Der Auftrag wurde bis Ende des Jahres 2006 verlängert.1421 Der Leiter des für Observationen zuständigen Referats des Verfassungsschutzes NRW, der Zeuge Uwe Reichel-Offermann, hat auf die Frage, was er zu den Observationsmaßnahmen gegen die Dortmunder Neonazi-Szene im Jahr 2006 sagen könne, geantwortet: „Die 2006er-Observation, auf die Sie vermutlich anspielen, war ja gerichtet gegen eine Szene, die wir im Verdacht haben, dass sie sich gegebenenfalls nicht nur militant bewegt, sondern gegebenenfalls gewalttätig wird, gegebenenfalls terroristische Strukturen aufbaut.“1422 Diese Informationen seien - wie üblich - an den Auftraggeber, hier das Auswertungsreferat Rechtsextremismus weitergeleitet worden.1423 Danach befragt, ob bei den Observationen auch versucht worden sei, Informationen über Waffenlager, Schießübungen und Waffenhandel zu erlangen, hat er geantwortet, dass sie im Rahmen von Observationsmaßnahmen im gewaltaffinen Bereich stets versuchen würden, solche Informationen zu erlangen.1424 Der Zeuge Uwe Reichel-Offermann konnte keine Angaben dazu machen, ob es am Tattag des Mordes an Mehmet Kubaşık bzw. an den Tagen vor und nach dem Mord Observationsmaßnahmen des Verfassungsschutzes NRW in Dortmund gab.1425 Weiter war ihm erinnerlich, dass ihnen bei den Observationen in Dortmund Neonazis aus Ostdeutschland aufgefallen waren.1426 c. Einsatz von „Risikoquellen“ Nach Aussage des Zeugen Burkhard Freier habe der Verfassungsschutz NRW versucht, in die Szene um Marko Gottschalk und „Oidoxie“ „Quellen reinzusetzen“: „Das war aber etwas, wo wir damals gesagt haben: Diese Szene aufzuklären, ist von hoher Bedeutung für den Verfassungsschutz – Und deswegen haben wir, wenn wir da Quellen eingesetzt haben, auch riskante Quellen eingesetzt, um so zu versuchen diese Gewaltbereitschaft in der Szene aufzudecken.“1427 d. Zurückfahren der Beobachtung Der damalige Gruppenleiter Beim Verfassungsschutz NRW, der Zeuge Burkhard Freier, hat ausgesagt, dass nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW keine „Gruppenstruktur“ der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ erkennbar gewesen sei. Zudem hätten einige der VPen mitgeteilt, dass es sich bei dem genannten Personenkreis um „Maulhelden“ handeln würde, die sich zum Zwecke des Marketings auf „Combat 18“ bezögen.1428 Weiter hat er ausgesagt, dass der Verfassungsschutz NRW sich daraufhin nicht mehr für die Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ interessiert habe: 1421 1422 1423 1424 1425 1426 1427 1428 270 Erweiterung des Observationsauftrag vom 28. April 2006, A13715 S. 91 (VS-nfD). Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 83. Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 84. Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 84. Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 84. Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 86. Freier, APr 16/1349 S. 12. Freier, APr 16/1349 S. 38. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ich würde heute nicht den Schluss ziehen wie damals, dass man sagt: ‚Deswegen gucken wir da nicht weiter rein‘, sondern ich würde heute sagen: Solche Strukturen mit einer solchen Philosophie und Idee müssten von den Verfassungsschutzbehörden so lange beobachtet werden, bis man wirklich alles ausschließen kann. Und, ich weiß nicht, es ist damals schnell immer gesagt worden: Okay, Quellen haben gesagt: Die reden nur, das sind Maulhelden. – Das weiß ich noch, das habe ich auch in den Vermerken gelesen. Deswegen muss man trotzdem dranbleiben. Wir bleiben jedenfalls heute enger dran. Auch da muss ich sagen: 2012 oder 2013 war auch meine Philosophie noch anders. Ich würde heute viel deutlicher sagen, dass eine Ideologie wie diese Ideologie der ‚C18‘ so gefährlich ist, dass man so lange dranbleiben muss als Verfassungsschutz, bis man wirklich alles ausschließen kann, und nicht – nur weil man im Moment keine deutliche Struktur erkennt – die Beobachtung zurückfährt. Und deswegen bleiben wir heute auch daran.“1429 e. Weitergabe von Informationen an die Strafverfolgungsbehörden Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie hat ausgesagt, dass die 2005 vorliegenden Hinweise auf die Bildung einer Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund an die Polizei weitergegeben wurden.1430 Nähere Angaben hat sie dazu aber nicht getätigt. Auf den Einwand, dass mit der Bildung einer Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ „die Frage, ob das eine Gründung einer terroristischen Vereinigung wäre“ verbunden sei, hat die Zeugin schlicht mit „Ja“ geantwortet.1431 Der Zeuge Jörg Lukat, vormals Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, hat auf die Frage, ob ihm bekannt sei, dass es in Dortmund Versuche gegeben habe, aus dem „Oidoxie“-Umfeld heraus eine „Combat 18“-Gruppe zu gründen, lediglich geantwortet: „Das wurde mir so mitgeteilt. Wir haben keine Hinweise nachher ermitteln können, dass tatsächlich das auch so umgesetzt wurde als feste Struktur.“1432 Weitere Angaben dazu, von wem er diese Informationen erhalten habe und in welcher Weise das PP Dortmund konkret ermittelte, hat der Zeuge Lukat nicht gemacht. In einer umfangreichen, die Jahre 1991 bis 2006 umfassenden Zusammenstellung von Erkenntnissen des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund über Marko Gottschalk fanden sich keinerlei Informationen zur Bildung einer Gruppe in Bezug auf „Combat 18“.1433 Erst am 15. Dezember 2014 erhielt das PP Dortmund eine über das LKA NRW gesteuerte Erkenntnisanfrage des BKA nach „Strukturen von -Combat 18- und die Verbindungen zur Band -Oidoxie-.“1434 Das LKA NRW bat das PP Dortmund, die „bereits angelieferten Personenerkenntnisse zu den drei Personen zu überprüfen und zu ergänzen.“1435 Im Schreiben des BKA hieß es, dass der Hintergrund der Anfrage, eine im Auftrag des GBA durchgeführte Internetrecherche / Presseauswertung gewesen sei, bei der Erkenntnisse erlangt wurden, dass „Oidoxie“ und die „Streetfighting Crew“ als deutscher Ableger von „Combat 18“ gelten. Zudem verwies das BKA auf einen Artikel von „Der Westen“ vom 15. Februar 1429 1430 1431 1432 1433 1434 1435 Freier, APr 16/1349 S. 39. De la Chevallerie, APr 16/1097 S. 62. De la Chevallerie, APr 16/1097 S. 62. Lukat, APr 16/1154 S. 86. Erkentnisse des PP Dortmund Stand 17. Januar 2006, A10383, S. 282 ff., 286 ff. Erkenntnisanfrage des BKA vom 15.Dezember 2014, A10402 S. 201 f. (VS-nfD). Erkenntnisanfrage des BKA vom 15.Dezember 2014, A10402 S. 202 (VS-nfD). 271 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2012, in dem über die Bildung einer „Combat 18“-Zelle in Dortmund und Waffenbeschaffungsaktivitäten berichtet wurde.1436 Erst im Anschluss an diese Anfrage wurde seitens des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund am 19. Januar 2015 ein Vermerk verfasst, in dem die Fragen des BKA beantwortet wurden.1437 In dem Vermerk findet sich keine Information, dass der Verfassungsschutz NRW bereits im Jahr 2005 oder 2006 das PP Dortmund über die Bestrebung zur Bildung einer „Combat 18“-Gruppe in Kenntnis setzte. Aufgeführt wurden lediglich durch das PP Dortmund im November 2011 erhobene Aussagen des Sebastian Seemann zu den Bestrebungen der Bildung einer Zelle1438 sowie die Zeugenaussagen des B. P. aus dem Jahr 2004, in der dieser von elf „Combat 18“-Sympathisanten aus dem Großraum Dortmund, darunter die Mitglieder der Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“, sprach.1439 Das PP Dortmund zog in dem Vermerk vom 19. Januar 2015 das Fazit: „Konkrete Anhaltspunkte für das tatsächliche Vorhandensein einer oben beschriebenen Zelle im Jahr 2006 in Dortmund haben sich nicht ergeben. Ferner haben sich auch keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, die auf die Gründung einer solchen Zelle nach dieser Zeit schließen lassen. Demzufolge ist nach hiesigen Erkenntnisstand naheliegend, dass eine ‚Combat 18-Zelle‘ in Dortmund nicht zur Gründung kam.“1440 6. Die Gruppe mit Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund und der Mord an Mehmet Kubaşık a. Aussagen des Zeugen Sebastian Seemann Der Zeuge Sebastian Seemann sagte im Dezember 2014 gegenüber dem BKA aus, dass er während des Mordes an Mehmet Kubaşık inhaftiert gewesen sei. Nach seiner Einschätzung hätte Marko Gottschalk ihm aber „zu 100% erzählt“, wenn Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe oder Uwe Mundlos Kontakte nach Dortmund und / oder Kassel unterhalten hätten.1441 Diese Aussage hat der Zeuge Sebastian Seemann in ähnlicher Form vor dem Ausschuss wiederholt. Er habe nichts über den Mord an Mehmet Kubaşık in der Neonazi-Szene gehört.“1442 Der Zeuge betonte allerdings, dass er aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen den Morden in Dortmund und Kassel zu dem Schluss gekommen sei, dass es durchaus Helfer in Dortmund gegeben haben könnte. Er schloss aber mit großer Wahrscheinlichkeit aus, dass Marko Gottschalk ein Unterstützer gewesen sein könnte. Er gehe davon aus, dass ihn Marko Gottschalk auf der Telefonzelle in der JVA angerufen oder bei einem späteren Treffen erzählt hätte, dass er die Täter kennen gelernt habe.1443 b. Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Mord in Kassel Der Zeuge Burkhard Freier hat ausgeführt, dass der Verfassungsschutz NRW nach seiner Erinnerung im Zusammenhang mit dem am 8. April 2006 verübten Mord an Halit Yozgat nicht eingebunden gewesen sei.1444 In der vorliegenden, 39 Seiten umfassenden Sachakte 1436 1437 1438 1439 1440 1441 1442 1443 1444 272 Erkenntnisanfrage des BKA vom 15.Dezember 2014, A10402 S. 202 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 19. Januar 2015, A10403 S. 164 ff. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 19. Januar 2015, A10403 S. 165 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 19. Januar 2015, A10403 S. 168 f (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 19. Januar 2015, A10403 S. 169 (VS-nfD). Vernehmung des Sebastian Seemann vom 9. Dezember 2014, A62171 S. 49. Seemann, nöAPr 16/230 S. 49. Seemann, nöAPr 16/230 S. 27. Freier, APr 16/1349 S. 10. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „BAO Bosporus – Mordanschlag Dortmund“ aus dem Bestand des Verfassungsschutzes NRW befinden sich allerdings Zeitungsartikel zum Mord an Halit Yozgat sowie eine Lagemeldung der BAO Bosporus vom 10. April 2006, in der der Mord als 9. Tat der Serie verortet wurde. In der Lagemeldung hieß es: „An der grundsätzlichen Lagebewertung seit dem 07.04.2006 hat sich nichts geändert, lediglich die Intervalle zwischen den einzelnen Taten haben sich möglicherweise Tatortbedingt verkürzt.“1445 Zudem hieß es: „Das Motiv für diese neun Verbrechen ist derzeit noch unklar.“1446 Diese Lagemeldung der BAO Bosporus ging beim Verfassungsschutz NRW am 11. April 2006 ein. Das Dokument weist zahlreiche Bearbeitungsspuren durch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes auf. Im vorliegenden Aktenbestand finden sich aber keinerlei Dokumente, aus denen zu schließen ist, dass der Verfassungsschutz sich weitergehend mit dem Mord an Halit Yozgat und dem engen, zeitlichen wie räumlichen Zusammenhang der beiden Taten in Dortmund und Kassel befasst hat. Es finden sich beispielsweise keine Hinweise darauf, dass Quellen befragt worden sind oder dass es einen Austausch mit dem LfV Hessen gab. Dem Verfassungsschutz NRW war im April 2006 bekannt, dass „überregionale Bezüge nach Kassel“ bei Marko Gottschalk und Mitgliedern der „Oidoxie Streetfighting Crew“ festgestellt wurden: „Einzelne Mitglieder [Anm.: der „Oidoxie Streetfighting Crew“] aus dem Raum Kassel sind als ehemalige Mitglieder der Arischen Bruderschaft identifiziert worden.“1447 Am 24. und 25. März 2006 observierte der Verfassungsschutz NRW die Fahrt Dortmunder Neonazis aus der „Oidoxie Streetfighting Crew“ zu einer durch den Kasseler Neonazi S. R. organisierten Feier in einer Grillhütte in Braunatal, einem Nachbarort von Kassel.1448 c. Fehleinschätzung Der Zeuge Burkhard Freier hat es als Fehler bezeichnet, dass der Verfassungsschutz die Ideologie des „leaderless resistance“, wie sie beispielsweise in den „Turner Diaries“ beschrieben wurde, nicht mit dem Mord an Mehmet Kubaşık in Beziehung setzte: „Auch unsere Quellen haben davon gesprochen, dass es so etwas gibt, das heißt also eine Ideologie, die darauf ausgerichtet ist, mit Gewalt quasi so einen Rassenkrieg durchzuführen und das System zu überwinden. Diese Dinge waren da. Diese Ideologie und diese Art und Weise sind den Verfassungsschutzbehörden bekannt gewesen. Was aber fehlte, war, daraus den Schluss zu ziehen, selbst wenn man keine konkreten Anhaltspunkte hat – und das war so für uns in Dortmund, dass wir keine konkreten Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Tat hatten –, trotzdem einen Schritt weiter zu gehen – das ist damals nicht passiert –, zu sagen, selbst wenn es solche ersten Anhaltspunkte nicht gibt … Die Ideologie war ja gerade darauf ausgerichtet, im Untergrund zu sein, und deswegen konnte ein Bekennerschreiben gar nicht erwartet werden. Und die 1445 1446 1447 1448 Lagemeldung der BAO Bosporus vom 10. April 2006, A12282 S. 28. Lagemeldung der BAO Bosporus vom 10. April 2006, A12282 S. 29. richtig muss es heißen: Die Motivlage Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 28. April 2006, A13715 S. 90 (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 30. Oktober 2013, A13396 S. 46 ff. (VS-nfD). 273 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ideologie war auch darauf ausgerichtet, gerade eben nicht nach außen zu zeigen, was man tut, sondern quasi in die Szene hineinzugeben: Ihr versteht schon, was wir tun. Diese Philosophie war da; die war bekannt, und trotzdem ist der Schluss nicht gezogen worden: Das könnte ja hier genauso sein. Also, dass man aus einer bekannten Ideologie erkennt, aus einer bekannten Art und Weise den Schluss zieht: ‚Das könnten ja jetzt rechtsterroristische Rechtsextremisten sein‘, das ist nicht gewesen. Das ist fatal, und das ist ein großer Fehler auch des Verfassungsschutzes gewesen.“1449 Und weiter: „Und ich glaube, der größte Fehler war, dass man nicht den Schluss von der Ideologie zu den tatsächlichen Taten gezogen hat, und gesagt hat: dann mit Fantasie dran und mit einer anderen Methode. – Und heute ist das so, dass wir auch intern überlegt haben: ‚Was muss man denn tun, damit das nicht noch mal passiert, damit man diese Zusammenhänge erkennt?‘ Und es reicht eben nicht, wenn man operativ arbeitet und sich einfach auf das Erfahrungswissen stützt, was man in der Vergangenheit hat und daraus dann den Schluss zieht. Und, was auch, glaube ich, ein Fehler ist, dass in der Zusammenarbeit mit der Polizei häufig – wenn dann aus den Polizeibehörden kam: ‚Das ist organisierte Kriminalität‘ oder ‚Ausländerextremismus‘ oder was auch immer – die Verfassungsschutzbehörden zu schnell gesagt haben: ‚Ja, dann ist das so‘, und nicht alleine weiterermittelt haben.“1450 Der Zeuge Burkhard Freier hat weiter ausgeführt, dass der Verfassungsschutz nicht nach Anhaltspunkten für einen rechtsmotivierten Hintergrund des Mordes an Mehmet Kubaşık gesucht habe: „Wie erkennt man denn, wie aus einer Ideologie eine Tat wird, selbst wenn man erst mal keine Anhaltspunkte hat? Das ist ja auch genau der Knackpunkt in Dortmund gewesen. Wir hatten diese Anhaltspunkte nicht. Wir haben sie aber auch ehrlicherweise nicht gesucht. Und hätten wir sie gesucht, hätten wir aus dieser Ideologie mehr gemacht, glaube ich, dass man diese schlimmen Taten möglicherweise hätte erkennen können.“1451 7. Einschätzungen von BKA und LKÄ zu „Combat 18“ Das BKA führte am 13. November 2003 eine Arbeitstagung zum Thema „Combat 18“ durch, an der Verbindungsbeamte der britischen Polizei sowie sämtliche Landeskriminalämter mit Ausnahme des LKA Bremen teilnahmen. Der Tagung vorangegangen war eine Besprechung zwischen BfV, MAD und BKA. Ausweislich eines Ergebnisprotokolls wurde auf der Tagung über das „Totenkopf Magazin“ und die darin publizierten Ausführungen zur Zellenstruktur und des „leaderless resistance“ gesprochen sowie der Spiegel TV-Beitrag „Braune Seilschaft: Die schmutzigen Geschäfte von Combat 18“ vorgeführt.1452 Die britische Polizei referierte ihre Erkenntnisse zu „Combat 18“. Die Vertreter der LKÄ stellten ihre Erkenntnisse zu Vorfällen mit „Combat 18“-Bezug dar. Das LKA NRW führte ausweislich des Ergebnisprotokolls aus: „Im Kontext eines zunächst nach § 129 StGB geführten Ermittlungsverfahrens gegen die Skinheadbands ‚Oidoxie‘ und ,Weisse Wölfe‘ ergaben sich Bezüge zu ‚C 18‘. Die Beschuldigten Bandmitglieder waren an der Herstellung des Videos ,Kriegsberichter V‘ beteiligt, in welchem u.a. die Idee von ‚C 18‘ propagiert wird. Die CD ‚Weisse Wut‘ der 1449 1450 1451 1452 274 Freier, APr 16/1349 S. 6. Freier, APr 16/1349 S. 6 f. Freier, APr 16/1349 S. 7. Ergebnisprotokoll der Arbeitstagung am 13. November 2003, A54499 S. 7 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Band ‚Weisse Wölfe‘ beinhaltet u.a. den Titel ‚Hail C18‘. Ein Bandmitglied gab gegenüber der Polizei an, C18 Mitglied zu sein. Eine ‚C 18‘-Gruppierung wurde nicht festgestellt.“1453 Das BKA hielt in einem Vermerk die Ergebnisse der Diskussion feste: „Aus Großbritannien sind keine festen Regeln bekannt, an die Verwendung sind keine weiteren Bedingungen geknüpft; es handelt sich um einen ,Führerlosen Widerstand‘ (,Leaderlees resistance‘),. Ein Rückschluss von dem Begriff ‚C18‘ auf bestimmte Strukturen ist nicht zulässig. Es kann sich um Gruppen oder Einzelpersonen handeln, die sich dem Namen ‚C18‘ mehr oder weniger verbunden fühlen. Es liegen keine Hinweise auf eine bundesweite Struktur vor. Die Annahme, es gäbe Verbindungen zu ‚B&H‘, begründet sich aus der Entwicklung in Großbritannien. In dem Verfahren in Schleswig-Holstein wurden mehrere ehemalige ,B&H‘-Aktivisten festgestellt. […] Die Verwendung des Namens ‚C 18‘ (Nachahmungen) durch beliebige Personen außerhalb Großbritanniens dürfte von den dortigen ‚C 18‘- Anhängern begrüßt werden. Eine strategische Planung existiert nicht. 1454 Weiter heißt es, dass keine Verbindungen zwischen „Combat 18“ in Großbritannien und „Combat 18“ in Deutschland bestünden, überdies gebe es weder „Combat 18“-Strukturen noch ein bundesweites Netzwerk von „Combat 18“ in Deutschland. Die Gruppe „Combat 18 Pinneberg“ sei vielmehr eine von Mitgliedern von „Blood & Honour“ und der „Kameradschaft Pinneberg“ gebildete lokale Gruppierung gewesen. 1455 8. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch den Verfassungsschutz NRW In den Jahren 1999 und 2000 mehrten sich in der Bundesrepublik Deutschland schwere Gewalttaten, die als Ausdruck von Rechtsterrorismus zu werten sind. In diese Zeit fiel auch die Radikalisierung des untergetauchten NSU-Trios. Nach Aussage des Angeklagten Carsten Schulze im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München platzierten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 23. Juni 1999 eine als Taschenlampe getarnte Bombe in einer Gaststätte in Nürnberg1456, am 9. September 2000 wurde Enver Şimşek als erstes Opfer der Ceska-Mordserie ermordet. Bereits im Dezember 1998 wurde bei einem Sprengstoffanschlag auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Charlottenburg das Grab des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland zerstört. Im März 1999 verübten unbekannte Täter in Saarbrücken einen Sprengstoffanschlag auf das Gebäude, in dem die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ gezeigt wurde. 1457 Im „Verfassungsschutzbericht des Landes NRW über das Jahr 1998“ hieß es zum Anschlag auf diese Ausstellung: 1453 1454 1455 1456 1457 Ergebnisprotokoll der Arbeitstagung am 13. November 2003, A54499 S. 10 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 13. November 2003, A54499 S. 12. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 13. November 2003, A54499 S. 12 ff. (VS-nfD). Schreiben des BKA vom 14. Juni 2013, A13385 S. 9 f. (VS-nfD). Bezler, APr. 16/872 S.10. 275 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ob der oder die Täter des Sprengstoffanschlags auf die ‚Wehrmachtsausstellung‘ in Saarbrücken am 9. März 1999 unten den Neonazis zu suchen ist (sind), ist zur Zeit ungeklärt. Es ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass es auch in Zukunft zu ähnlichen Anschlägen kommen könnte.“1458 Im Mai 1999 erschien dann in dem Fanzine „Hamburger Sturm“ ein Interview mit einer „nationalrevolutionären Zelle“, die den Untergrundkampf propagierte.1459 In NRW wurden im Jahr 2000 mehrere schwere Gewalttaten verübt, die entweder von bekannten Neonazis begangen wurden oder bei denen Neonazis als Täter vermutet wurden, obwohl die Hintergründe der Tat nicht aufgeklärt werden konnten. Am 14. Juni 2000 erschoss Michael Berger in Dortmund und Waltrop drei Polizeibeamtinnen und -beamte. Am 27. Juli 2000 explodierte eine Bombe am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn. Am 23. September 2000 verübten Neonazis aus den Reihen des „Nationalen Forums Niederberg“ einen Brandanschlag auf ein Wuppertaler Füchtlingswohnheim, bei dem mehrere Menschen schwer verletzt wurden. Die Täter wurden wegen vierfachen Mordversuchs und versuchter schwerer Körperverletzung zu hohen Haftstrafen verurteilt.1460 Am 15. Oktober 2000 stellt die Polizei bei Neonazis aus Bocholt eine wahrscheinlich zündfähige Rohrbombe mit Schwarzpulver sicher. Die Neonazis wollten in ein Lokal eindringen, um sich an Türken zu rächen.1461 a. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2000 Die erste zusammenfassende, verschriftlichte Einschätzung zur Gefahr rechtsterroristischer Gewalt in NRW durch den Verfassungsschutz NRW, die sich im vorliegenden Aktenbestand findet, stammt aus dem Juni 2000. Nach den Morden des Michael Berger in Dortmund und Waltrop erstellte der Zeuge Hans Peter Lüngen als Referatsleiter beim Verfassungsschutz NRW anlässlich einer Interviewanfrage einen an den Leiter des Verfassungsschutzes NRW adressierten Vermerk, in dem er sich zur „Verschärfung des Rechtsextremismus (Gefahr von terroristischen Anschlägen)“ äußerte. Darin führte er aus: „Konkrete Anhaltspunkte für unmittelbar bevorstehende terroristische Aktivitäten von Rechtsextremisten in Nordrhein-Westfalen liegen dem Verfassungsschutz nicht vor. Allerdings ist auch in Nordrhein-Westfalen eine zunehmende verbale Militanz – insbesondere der Neonaziszene – zu beobachten. Diese verbale Militanz bezieht sich vornehmlich auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und Aktionen der sogenannten (linken) ‚Antifa‘.“1462 Weiter wird dargelegt, dass zwar Kontakte nordrhein-westfälischer Neonazis ins Ausland bestünden, allerdings lägen keine konkreten „Erkenntnisse über Verbindungen zu rechtsterroristischen Kreisen im Ausland z. B. „Combat 18“ oder Schweden-Szene vor.1463 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen schrieb als Beantwortung der Frage, ob dem Verfassungsschutz Erkenntnisse über einen „rechtsextremistische[n] Untergrund“ oder Versuche von Rechtsextremen aus NRW, „ein aggressives Sympathisantenumfeld auch für illegale/terroristische Aktionen aufzubauen“, vorlägen, dass dazu „z.Z. keine Hinweise“ vorlägen.1464 1458 1459 1460 1461 1462 1463 1464 276 Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1998, Landtag NRW, Vorlage 12/2722 S. 61. Bezler, APr. 16/872 S.10. Verfügung vom 8. Mai 2009 zu einer Großen Anfrage der Linken im Bundestag betreffend die Entwicklung rechtsextremer Tötungsdelikte, A21682 S. 305. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21, A72476 S. 28 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 29. Juni 2000, A12246 S. 109. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 29. Juni 2000, A12246 S. 111. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 29. Juni 2000, A12246 S. 111. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zur Frage, ob es in der Neonazi-Szene eine Diskussion über bewaffnete Aktionen gegen politische Gegner gebe, vermerkte er, dass zwar Anti-Antifa-Veröffentlichungen existierten, diese aber „überwiegend nicht von nordrhein-westfälischen Rechtsextremisten“ verfasst würden und sie bekanntermaßen keine Gewalttaten nach sich gezogen hätten und führte weiter aus: „Solche Veröffentlichungen dürften vornehmlich propagandistischen Zwecken und der Einschüchterung des politischen Gegners, mit dem Ziel diesen von weiteren Aktivitäten gegen Rechtsextremisten abzuhalten, dienen. Natürlich besteht bei solchen Veröffentlichungen immer die Gefahr dass sich hierdurch einzelne Personen oder Kleinstgruppe zu Gewalttaten bewegen lassen, wenn sich diese Gefahr bisher auch noch nicht realisiert hat.“1465 Der Vermerk vom 29. Juni 2000 schloss mit der Bewertung: „In rechtsextremistischen Kreisen, insbesondere der Neonaziszene, gibt es gelegentlich immer mal wieder Äußerungen und Diskussionen, die die Zulässigkeit von Gewaltaktionen gegen den Staat und politische Gegner zum Inhalt haben; bisher ist jedoch nicht erkennbar, dass solche Äußerungen und Diskussionen, das unmittelbare Bevorstehen von terroristischen Aktionen signalisieren. Allerdings muss man in dieser Hinsicht sehr achtsam sein und eventuelle neue Entwicklungen aufmerksam beobachten.“1466 Am 27. Juli 2000 explodierte an der Düsseldorfer S-Bahn-Station „Wehrhahn“ eine Bombe und verletzte zehn Menschen zum Teil schwer. Eine Frau verlor ihr ungeborenes Baby. Bei den Opfern handelte es sich vorwiegend um Migranten und Migrantinnen aus der ehemaligen Sowjetunion, von denen sechs jüdischen Glaubens waren. In der Öffentlichkeit wurde schnell über einen möglichen rechtsterroristischen Hintergrund des Anschlags diskutiert. Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat erklärt, dass man aufgrund der Opfergruppe des Anschlags nicht habe ausschließen können, dass ein rechtsextremer Hintergrund vorliegen könnte: „Nur, wir hatten keine Erkenntnisse zu diesem Zeitpunkt, die das bestätigen würden.“1467 Theoretisch habe der Anschlag aber auch „aus einer ganz anderen Ecke kommen“ können, so der Zeuge Hans-Peter Lüngen weiter.1468 In einem Vermerk vom 18. August 2000 - zur Vorbereitung einer Teilnahme des Innenministers Dr. Fritz Behrens an einer Fraktionssitzung der SPD im Landtag NRW kam der Verfassungsschutz NRW erneut zu der Einschätzung, dass bislang keine Entwicklungen zu erkennen sind, die auf bevorstehende rechtsterroristische Aktivitäten hindeuten. Der Bombenanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn führte nicht zu einer Neubewertung der Gefahr rechtsterroristischer Gewalt.1469 Weiter hieß es in dem Schreiben: „Der Eindruck eines dramatischen Anstiegs rechtsextremistisch motivierter Straftaten mag sich in der Öffentlichkeit aufgrund der verstärkten Presseberichterstattung eingestellt haben, findet bislang aber trotz der nicht schön zu redenden Steigerungsraten nur eine partielle Bestätigung in den Statistiken. Dies mag sich im zweiten Halbjahr 2000 schon deshalb ändern, weil aufgrund des starken medialen und politischen Interesses 1465 1466 1467 1468 1469 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 29. Juni 2000, A12246 S. 112. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 29. Juni 2000, A12246 S. 112. Lüngen, APr 16/1097 S. 71. Lüngen, APr 16/1097 S. 72. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. August 2000, A10321 S. 38. 277 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ein geändertes Anzeigen- und Meldeverhalten entstehen dürfte. Im Klartext bedeutet dies, dass anzunehmen ist, dass viel mehr entsprechende Straftaten in die Statistik Eingang finden, auch wenn sich das Niveau eigentlich nicht geändert hat. Was sich im Bereich des Rechtsextremismus allerdings drastisch geändert hat ist die öffentliche Wahrnehmung. Wenn auch schon zuvor die rechtsextremistischen Einstellungen von Teilen der Bevölkerung und das Niveau rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten besorgniserregend war, so ist es doch erst seit wenigen Wochen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt und hat den adäquaten Stellenwert erhalten.“1470 Vielmehr wurde zum Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn festgestellt, dass „insbesondere ein rechtsextremistischer Hintergrund bis heute nicht feststeht.“1471 Unter der Überschrift Rechtsterrorismus führte der Verfassungsschutz NRW in dem Vermerk weiter aus: „Vor dem Hintergrund anhaltender Gewalttaten von Rechtsextremisten vor allem in Ostdeutschland und von Waffenfunden (u.a. Rohrbombenfund in Berlin am 10.06.00), wobei insbesondere die Waffenfunde bei Angehörigen der recht kopfstarken und relativ straff organisierten ‚Skinheads Sächsische Schweiz‘ besorgniserregend sind, wurde in der medialen Öffentlichkeit (u.a. Interview des BfV-Präsidenten Fromm in der ‚Welt am Sonntag‘ vom 11.06.00), die Gefahr der Herausbildung rechtsterroristischer Strukturen thematisiert. In NRW sind allerdings bislang keine Entwicklungen zu erkennen, die auf bevorstehende rechtsterroristische Aktivitäten hindeuten.“1472 Über die medial diskutierten Taten des dreifachen Polizistenmörders und dessen Kontakte zur rechtsradikalen Szene stellte der Verfassungsschutz NRW fest: „Vereinzelt in der Presse wiedergegebene Vermutungen, dass die Amoktaten Bergers in Verbindung mit der Vorbereitung terroristischer Aktivitäten stünden, wurden nicht belegt. Bislang deutet nichts auf die Einbindung Bergers in rechtsterroristische Aktivitäten hin. Die in der Presse ebenfalls wiedergegebene Behauptung Berger sei V-Mann von Polizei / Verfassungsschutz gewesen, ist gleichfalls unzutreffend.“1473 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat, befragt zu diesem Vermerk, ausgesagt: „Die Formulierungen sind ja auch immer etwas vorsichtiger. Wir schließen nie etwas völlig aus. Das können wir auch nicht. Deswegen heißt es dort auch ‚zu erkennen‘; das heißt, der Verfassungsschutz hat keine Erkenntnisse darüber, dass solche Aktivitäten bevorstehen. Das ist natürlich immer eine subjektive Einschätzung.“1474 b. Quellenbefragung zu gesteigerter Gewaltbereitschaft im Jahr 2000 Am 10. August 2000 verbot die Innenbehörde des Landes Hamburg die neonazistische Gruppe „Hamburger Sturm“. In dem gleichnamigen, von der Gruppierung herausgebrachten Fanzine war im Mai 1999 ein Interview mit einer „nationalrevolutionären Zelle“ veröffentlicht worden, die den Untergrundkampf propagierte und „Combat 18“ als einzig politisch akzeptable Organisation bezeichnete.1475 1470 1471 1472 1473 1474 1475 278 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. August 2000, A10321 S. 37. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. August 2000, A10321 S. 37. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. August 2000, A10321 S. 38. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. August 2000, A10321 S. 39. Lüngen, APr. 16/1097 S. 71. BfV Spezial Rechtextremismus Nr. 21, A72426 S. 53 (VS-NfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In dieser Zeit befragte der Verfassungsschutz NRW seine Quellen vermehrt nach deren Einschätzung, ob in den Neonaziszenen in NRW eine gesteigerte Gewaltbereitschaft festzustellen sei. Auf Basis der Rückmeldungen verfassten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW ein Schreiben an das BfV. Im Vermerk vom 13. November 2000 wurde das Fazit gezogen, dass „innerhalb der rechtextremen, insbesondere neonazistischen Szenen […] keine Struktur terroristischer Art nach Vorbild der RAF“ in NRW erkennbar sei. Es fehlten in NRW zudem die logistischen Strukturen, um Kameraden im Untergrund zu unterstützen.1476 Mit Bezug auf die Aussage einer V-Person stellte der Verfassungsschutz NRW fest, dass die Verhältnisse in NRW nicht mit denen in Hamburg zu vergleichen sind. In dem Vermerk wurde zudem von einer Hochstilisierung verbaler Äußerungen gewarnt: Auf der örtlichen Ebene käme es „naturgemäß, insbesondere nach einem Vorgehen gegen die Szene, zu verbalen Hassausbrüchen“. Diese auf Geschehnisse in örtlichen Szenen begrenzten Äußerungen dürfte man aber „nicht zu Äußerungen mit mittelbarem terroristischen Bezug hochstilisieren.“ 1477 Weiter heißt es, dass die „grundsätzliche Haltung“ innerhalb der Neonaziszene aus NRW, die ein gewaltsames Vorgehen ablehne, „besonders deutlich“ in einem Aufruf „Nationalen Widerstands Hagen / Lüdenscheid“ zum Ausdruck gebracht werde. Im Vermerk zitiert der Verfassungsschutz NRW dann zwei Sätze eines im Internet veröffentlichten Textes: „Für viele Kameraden ist der Begriff nationaler Widerstand zu ungenau erklärt. Sie verwechseln Widerstand mit Gewalt und schwelgen in einer romantischen Barrikadenstimmung mit zerfetzten Fahnen und Pulverdampf.“1478 Der Text des „Nationalen Widerstands Hagen/Lüdenscheid“ wurde vom Verfassungsschutz NRW allerdings fehlinterpretiert und die Aussage des Textes durch die Zitation von zwei Sätzen außerhalb ihres Kontextes in dem Vermerk verzerrend dargestellt. Der Text setzte sich nicht mit der Frage des gewaltsamen Kampfes auseinander, sondern forderte von den Kameraden ein an den Idealen der eigenen Weltanschauung ausgerichtetes Verhalten im Alltag.1479 c. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2002 Im August 2002 legte der Referatsleiter G., der zu diesem Zeitpunkt das Referat Auswertung Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz NRW in einer Doppelspitze mit dem Zeugen Hans-Peter Lüngen führte, eine weitere Analyse zum Thema „Rechtsextremistischer Terrorismus“ vor, die an den Abteilungsleiter Dr. Hartwig Möller adressiert war. Das Schreiben begann mit der Einschätzung, dass es in NRW derzeit keinen Rechtsterrorismus gebe: „Es gibt zur Zeit keine Anhaltspunkte für rechtsextremistische terroristische Aktivitäten. Zwar kommt es immer wieder - auch aus/in Gruppen - zu Gewaltaktionen aus dem Bereich der Neonazis und der rechtsextremistischen Skinheads. Eine terroristische Zielsetzung, d. h. der Versuch, auf diesem Weg ‚das System‘ zu überwinden oder zu destabilisieren, ist jedoch nicht zu erkennen.“1480 1476 1477 1478 1479 1480 Aktenbestand der Abteilung 6, Ordner 73 S. 120 ff. (VS-V-herabgestuft). Aktenbestand der Abteilung 6, Ordner 73 S. 120 ff. (VS-V-herabgestuft) . Ablichtung der Internetseite des Nationalen Widerstands Hagen / Lüdenscheid, A12244 S. 134. Ablichtung der Internetseite des Nationalen Widerstands Hagen / Lüdenscheid, A12244 S. 134. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 27. August 2002, A12244 S. 1. 279 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Hierin sah der Referatsleiter G. einen Unterschied zur Situation Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre, als die „Deutschen Aktionsgruppen“ Sprengstoffanschläge verübten. Erwähnt wurden zudem der Oktoberfestanschlag und eine Wehrsportgruppe aus Hamburg aus dem Umfeld des Michael Kühnen, die Raubüberfälle in Köln begangen habe.1481 Daran anschließend hieß es in dem Vermerk: „Andererseits besteht auch heute kein Grund zur Entwarnung. Terroristische Anschläge von Anschläge von Rechtsextremisten sind weit weniger kalkulierbar als solche von linksextremistischen Terroristen. Linksextremisten handeln auf der Grundlage von Konzepten, diskutieren Strategien und prüfen die ‚Vermittelbarkeit‘ von Anschlägen. So war z. B. bei den Antiimperialistischen Zellen ein wesentlicher linker Kritikpunkt die fehlende Vermittelbarkeit der Anschläge. Bei rechtsextremistischen Tätern können die Anschlagsziele nicht in gleicher Weise kalkuliert werden. Die weit verbreitete Affinität von Rechtsextremisten zu Waffen und Sprengstoff führt dazu, dass derartige Gegenstände (ebenso wie eine militärische oder paramilitärische Ausbildung) häufig vorhanden sind. Der Einsatz erfolgt dann teilweise aus nichtigem Anlass oder sogar aus dem Affekt heraus. Überspitzt formuliert: Bei den rechtsextremistischen Terroristen ist zuerst die Handlung, der Anschlag vorhanden, die theoretische Begründung folgt erst später, wenn überhaupt.“1482 Der Referatsleiter G. beschrieb hier ein Charakteristikum des Rechtsterrorismus, wie es in der Parole „Taten statt Worte“ zum Ausdruck kommt. Er formulierte explizit, dass mit einer Bekennung, beispielsweise in Form eines Bekennerschreibens, bei rechtsterroristischen Anschlägen nicht zu rechnen ist. Im Weiteren hielt er fest, dass vor allem „mit rechtsextremistischen Einzeltätern zu rechnen [ist], die u.U. vorher gar nicht als Rechtsextremisten bekannt sind.“1483 Eine Gefahr ging nach der Einschätzung des Referatsleiters G. in erster Linie von Einzeltätern und nicht von neonazistischen Terrorzellen aus. Eine Gefahr von neonazistischen Gruppen hielt er nicht für besonders groß, weil anders als bei den sich bereits in einem frühen Stadium abschottenen linksterroristischen Gruppen, neonazistische Gruppen derartige Ansätze zur Abschottung, welche die Zugangslage des Verfassungsschutzes verschlechterten, nicht zeigen: „Einen vergleichbaren Aufbau hat es im rechtsextremistischen Bereich auch in der Vergangenheit nicht bzw. nur in Ansätzen gegeben. Auch für die Zukunft ist davon auszugehen, dass in der Regel bei entsprechenden Entwicklungen eine ausreichende Personenkenntnis vorliegt - immer bezogen auf Gruppen, nicht auf Einzeltäter!“1484 Der Zeuge Hans Peter Lüngen hat ebenfalls geäußert, dass man damals glaubte, terroristische Strukturen im Vorfeld erkennen zu können: „Wir hatten damals die begründete Hoffnung, großflächigere Strukturen mit vielen Personen, also Strukturen à la RAF, im Vorfeld mitzubekommen. Wir haben aber damals auch gewusst – das ist ja auch gesagt worden –, dass man natürlich, wenn es ganz kleinteilige Strukturen anbelangt, etwas Glück braucht, um das im Vorfeld mitzubekommen.“1485 1481 1482 1483 1484 1485 280 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Lüngen, APr 16/1097 S. 73. vom 27. August 2002, A12244 S. 1 f. vom 27. August 2002, A12244 S. 1 f. vom 27. August 2002, A12244 S. 2. vom 27. August 2002, A12244 S. 2. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weiter hat er angegeben, dass man auch hinsichtlich des Anschlags am Wehrhahn die Hoffnung gehabt habe, dass im Falle einer Beteiligung von Rechtsradikalen an der Tat, die Quellen Informationen liefern würden, „weil die dann nicht stillhalten können und dann noch damit strunzen und angeben“.1486 Der Vermerk des Referatsleiters G. schloss mit der Warnung: „Die grundsätzliche Einstellung von Neonazis und vergleichbaren Gruppen zu Gewaltaktionen und Waffen kann also auch in Zukunft zur Bildung rechtsterroristischer Gruppen führen. Sammeln von Waffen und Sprengstoff und zur Organisierung. Wie das Beispiel der verbotenen ‚Skinheads sächsische Schweiz‘ zeigt besteht die Bereitschaft Organisierung zum Sammeln von Waffen und Sprengstoff und zur. Eine Unterstützerszene in der Bevölkerung ist jedoch zum Glück nicht zu sehen.“1487 d. Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW nach der Verhaftung von Neonazis in München im 2003 Im Sommer 2003 befassten sich die Verfassungsschutzbehörden erneut mit der potentiellen Gefahr des Rechtsterrorismus, nachdem die bayerische Polizei gegen Mitglieder der „Kameradschaft Süd“ vorgegangen war. Die bayrischen Neonazis sollen einen Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums in München geplant haben. Innerhalb der Kameradschaft soll sich eine abgeschlossene Zelle gebildet haben, die den Anschlag vorbereitete. Die Polizei stellte bei Durchsuchungsmaßnahmen ein umfangreiches Waffen- und Sprengstoffarsenal sicher. Nach Angaben des Bayerischen LKA wurden unter anderem 1,7 Kilogramm TNT und 425 Gramm Treibladungspulver sowie Zünder, drei Maschinengewehre MG 43, vier Maschinenpistolen, drei Faustfeuerwaffen sowie eine Handgranate und Panzergranate sichergestellt.1488 Das Auswertungsreferat des Verfassungsschutzes NRW beklagte, dass die „Einbindung der Behörden des Verfassungsschutzes in die Ermittlungen bezüglich der Münchener Gruppe […] gegen Null“ gehe.1489 Zugleich nahm aber der Leiter des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW am 25. September 2003 an einer Telefonschaltkonferenz der AG Kripo als Zuhörer teil.1490 Dem von dem Beschaffungsleiter erstellten Vermerk über diese Telefonschaltkonferenz ist zu entnehmen, dass die AG Kripo von den Leitern der LKÄ und des BKA gebildet wurde. An der besagten Telefonkonferenz nahm der Beschaffungsleiter des Verfassungsschutzes NRW in den Räumen des LKA NRW teil. An der Telefonschalte beteiligten sich zudem Vertreter des BfV und des BMI.1491 In der Telefonkonferenz wurde der Sachstand der Ermittlungen weitergeben und über das Gefährdungspotential der Neonazi-Szene diskutiert. Anhand der Ausführungen im Vermerk des Beschaffungsleiters des Verfassungsschutzes NRW wird deutlich, dass eine erhebliche Differenz in der Gefährdungseinschätzung seitens des BKA auf der einen Seite und seitens des BfV auf der anderen Seite existierte. Der Beschaffungsleiter des Verfassungsschutzes NRW nahm die Position des BfV ein. So ist im Vermerk notiert, dass laut BKA in den bundesweit 172 Kameradschaften „überwiegend gewaltbereite Personen“ zusammengeschlossen seien. Weiter hieß es über die Einschätzung des BKA: 1486 1487 1488 1489 1490 1491 Lüngen, APr 16/1097 S. 72. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW 2003, A12213 S. 13 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW Vermerk des Verfassungsschutzes NRW 2003, A12213 S. 13. vom 27. August 2002, A12244 S. 2 f. über eine Telefonschaltkonferenz am 24. September vom 9. Oktober 2003, A12213 S. 5. vom 9. Oktober 2003, A12213 S. 5. über eine Telefonschaltkonferenz am 24. September 281 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „- BKA stellte die Frage. Sind (somit) Kameradschaften organisierte Zellen von Gewalt? - Aus den Kameradschaften wird Logistik gestellt - Strukturen wie zu Zeiten einer RAF seien noch nicht erkennbar“.1492 Zur „Gefährdungseinschätzung des BfV“ hieß es in dem Vermerk: „- hohes Gewaltpotenzial, - hohe Affinität zu Waffen, - keine Hinweise, dass Waffen vorhanden - keine Hinweise auf Anschlagsplanungen - München ist singulares Ereignis - gewaltbejahende Äußerungen rückläufig. Auf Einwand des Pras BKA, München stehe im Gegensatz zu diesen Ausführungen sagte [C.] [BfV] deutlich: Das ist ein singulares Ereignis! Auf Nachfragen führte [C.] aus - Kontakt von ‚Rechten‘ nach Jugoslawien gebe es. Planungen erstreckten sich bis hin zu Hirngespinsten, in einem Fall sei dies der Polizei bekannt. - Das BfV hat keine Erkenntnisse, dass Rechte bereit sind, in illegale Strukturen abzutauchen.“1493 Der Leiter des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW notierte in dem Vermerk unter der Überschrift „Meine Bewertung“: „Trotz der besonnenen Ausführungen des BfV (und einiger LKA) will Präs BKA das singulare Ereignis dahingehend aufwerten, dass ein terroristisches Szenario im Entstehen ist. Dies zeigt sich schon in der Diktion im Einladungs-FS „Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus“, während zum Beispiel der gültige Maßnahmenkatalog aus dem Jahr 2000 noch von ‚rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitistischer Kriminalität‘ spricht.“1494 Weiter hieß es in dem Vermerk, sofern auf Bundesebene neue Gremien geschaffen würden, die sich mit der Analyse der terroristischen Bedrohung von Rechtsradikalen beschäftigten, dann sollte der Verfassungsschutz NRW in diesen Gremien vertreten sein: „Ich befürchte sonst, dass vom BfV Informationen unserer Abteilung ohne unser Wissen an die Polizei weitergeleitet werden.“1495 Aus dem Vermerk wird deutlich, wie sehr es dem Leiter der Beschaffung des Verfassungsschutzes NRW widerstrebte, eine Gefahr des Rechtsterrorismus zu sehen. Der mutmaßliche Autor dieses Vermerks, der damalige Beschaffungsleiter konnte vom Ausschuss nicht zu diesem Sachverhalt gehört werden. Er ist ausweislich eines amtsärztlichen Attestes nicht vernehmungsfähig. 1492 1493 1494 1495 282 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW 2003, A12213 S. 13 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW 2003, A12213 S. 14 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW 2003, A12213 S. 16. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW 2003, A12213 S. 16. über eine Telefonschaltkonferenz am 24. September über eine Telefonschaltkonferenz am 24. September über eine Telefonschaltkonferenz am 24. September über eine Telefonschaltkonferenz am 24. September LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bereits am 15. September 2003 hatte der Referatsleiter Auswertung Rechtsextremismus, der Zeuge Hans-Peter Lüngen, einen Vermerk über „Anschlagspläne bayerischer Neonazis und Gefahr durch rechtsterroristische Strukturen bzw. die verstärkte Herausbildung solcher rechtsterroristischer Strukturen“ verfasst, der, unterzeichnet vom Zeugen Dr. Hartwig Möller als damaligen Leiter des Verfassungsschutzes NRW, dem Innenminister zur Kenntnis vorgelegt wurde.1496 Darin hielt er fest, dass es in der „Historie der Bundesrepublik“ durchaus „rechtsterroristische Aktivitäten“ gegeben habe und nannte beispielhaft die „Wehrsportgruppe Hoffmann“, den „Oktoberfestanschlag“ und die „Deutschen Aktionsgruppen“. Weiter hieß es: „Auch in jüngerer Vergangenheit kam es zu besorgniserregenden Entwicklungen. Es seien hier nur der bis heute unaufgeklärte Sprengstoffanschlag vom 19. Dezember 1998 in Berlin auf das Grab von Heinz Galinski, des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie der ebenfalls bis heute ungeklärten Sprengstoffanschlag vom 9. März 1999 auf ein Gebäude in Saarbrücken genannt, in dem damals die sog. ‚Wehrmachtsausstellung‘ gastierte. Bei beiden Anschlägen steht ein rechtsterroristischer Hintergrund durchaus zu vermuten. Besorgniserregend sind zudem auch die immer wieder vorkommenden Waffenfunde bei Rechtsextremisten, wobei insbesondere die Waffenfunde bei Angehörigen der personell starken und relativ straff organisierten ‚Skinheads Sächsische Schweiz‘ (im Jahre 2001 verboten) berechtigte Sorge vor dem Wiederaufkommen rechtsterroristischer Strukturen hervorrief. Die Aktivitäten der ‚Skinhead Sächsische Schweiz‘ wiesen durchaus einen terroristischen Einschlag auf. Ebenfalls auf besorgniserregend hohem Niveau sind seit vielen Jahren die Gewalttaten von Rechtsextremisten, insbesondere fremdenfeindlicher Art (u.a. Anschläge auf Asylbewerberheime).“1497 Daran anschließend wurden in dem Vermerk Aussagen zur Situation in Nordrhein-Westfalen getroffen: „Im Zusammenhang mit den Anschlagsplänen in München sind hier bisher allerdings keine Personen bekannt geworden, die nähere Verbindungen nach NRW hatten. Zwar gab es in der Vergangenheit und gibt es wohl noch immer gewisse Kontakte zwischen nordrhein-westfälischen und bayerischen Neonazis, doch sind die entsprechenden Personen bisher nicht in Verbindung mit den aktuellen Eimittlungen in München genannt worden. Soweit sich die bisherigen Eimittlungen einschätzen lassen, bestehen aktuell eher Querverbindungen nach Ostdeutschland.“1498 Weiter hieß es zur Gefahr des Rechtsterrorismus, dass in NRW nicht mit einem Rechtsterrorismus zu rechnen sei, ausgenommen davon seien nur „Gewaltakte mit terroristischem Einschlag von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen“: „In NRW sind bislang allerdings keine Entwicklungen erkennbar, die auf einen organisierten Rechtsterrorismus hindeuten. Nach bisheriger Einschätzung dürften in NRW für eine „braune RAF“ vor allem Konzepte, Infrastrukturen und strategische Köpfe fehlen (so z.B. die Ausführungen im NRW-Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2000 auf den Seiten 13 und 93). An dieser Einschätzung wird bei aller gebotenen Vorsicht und der selbstverständlichen ‚Binsenweisheit‘, das es keine hundertprozentige Sicherheit geben kann, 1496 1497 1498 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. September 2003, A31652 S. 2 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. September 2003, A31652 S. 3 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. September 2003, A31652 S. 3 (VS-nfD). 283 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 vorerst festgehalten. Dies umfasst allerdings nicht Gewaltakte mit terroristischem Einschlag von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen, deren Planungen naturgemäß im Vorfeld nur sehr schwer zu erkennen sind. Die vorgenannte Einschätzung bezieht sich nur auf die Herausbildung über Einzeltäter oder Kleinstgruppen hinausgehender terroristischer Organisationsgeflechte, wie sie möglicherweise in München oder ansatzweise auch im Bereich der ‚Skinhead Sächsische Schweiz‘ vorlagen.“1499 Als „beunruhigend“ bezeichnete der Verfassungsschutz NRW die „starke Affinität nicht weniger militanter Rechtsextremisten - auch in NRW - zu Waffen und eine zu vermutende Dunkelziffer von illegalem Waffenbesitz“, was als „potenzielle Gefahr anzusehen“ sei.1500 Dem Zeugen Dr. Hartwig Möller wurde die in dem Vermerk enthaltene Feststellung, dass die starke Affinität von Neonazis zu Waffen und die vermutete Dunkelziffer von illegalem Waffenbesitz eine potenzielle Gefahr darstelle, vorgehalten. Dazu hat er ausgeführt: „‚Dunkelziffer‘ heißt ja, man weiß nicht, was los ist, sondern man vermutet etwas. Wenn, ist das auch wieder eine Polizeiaufgabe, dafür zu sorgen, dass kein unerlaubter Waffenbesitz stattfindet. Das ist eine Straftat. Also, das ist ja nur eine Zustandsbeschreibung. Wir haben – das hatte ich ja vorhin auch schon gesagt – schon die Erfahrung gemacht, dass Rechtsextreme und Waffen ein besonderes Kapitel sind. Wir haben Fälle gehabt, wo die sich heimlich Waffen besorgt hatten. Jeder Fachmann weiß, dass es überhaupt kein Problem ist, auch heute noch, sich via Internet Waffen jeglicher Art zu besorgen. Das ist schon richtig. Aber es ist nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes, sagen wir mal, nicht zugelassene oder verbotene oder rechtswidrig geführte Waffen aufzuspüren. Das ist eine reine Polizeiaufgabe.“1501 Abschließend versicherte der Verfassungsschutz NRW dem Innenminister, dass „die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden nicht erst seit den Anschlagsplänen in München ein besonderes Augenmerk auf die militanten rechtsextremistischen Strukturen in NRW“ gelegt hätten und aktuell eine „intensive Aufklärungstätigkeit“ stattfände. Wie bereits im Vermerk aus dem Jahr 2002 gab sich der Verfassungsschutz NRW zuversichtlich, dass er die Bildung von „rechtsterroristischen Strukturen“ rechtzeitig erkennen werde: „Dies begründet die Hoffnung, kann aber keinesfalls eine hundertprozentige Gewissheit bieten, dass ein Umschlagen der auch in NRW zu beobachtenden verbalen Militanz in terroristische Aktivitäten - ähnlich wie in München - rechtzeitig erkannt wird. Jedenfalls dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass die Herausbildung über Kleinstgruppe hinausgehender rechtsterroristischer Strukturen in NRW rechtzeitig erkannt wird, nicht nur minimal seien. Dies darf aber kein Grund sein, Entwarnung zu geben oder sich gar ‚entspannt zurückzulehnen‘. Vielmehr sind die bereits bisher sehr intensiven Aufklärungsbemühungen in diesem Bereich unvermindert fortzusetzen und soweit erforderlich, noch zu intensivieren. Im Kampf gegen den Rechtsextremismus - und zwar in allen seinen Varianten, also nicht nur in den militanten und rechtsterroristischen Strukturen - darf nicht nachgelassen werden. Dies bedarf bekanntermaßen eines langen Atems.“1502 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat in Bezug auf diesen Vermerk und den Wissensstand des Verfassungschutzes NRW im Jahr 2003 ausgeführt: 1499 1500 1501 1502 284 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. September 2003, A31652 S. 3 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. September 2003, A31652 S. 3 f. (VS-nfD). Dr. Möller, APr 16/1263 S. 131. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. September 2003, A31652 S. 4 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ich habe - das liegt Ihnen ja wahrscheinlich vor - 2003 darüber auch mal einen längeren Vermerk verfasst, der meinen damaligen Wissensstand wiedergegeben hat. Ich habe da ausgeführt, dass wir davon ausgegangen sind – wie wir heute wissen, war das falsch; das sage ich ganz deutlich –, dass es eine … Vorbild war ja immer die RAF. Und so hatten wir die Frage: Gibt es so etwas auf der rechten Seite? Gibt es eine ‚rechte RAF‘? Und da haben wir gesagt – andere Parallelen hatten wir ja nicht, es gab ja so etwas noch nicht –, uns also vorgestellt: Gibt es so etwas sozusagen von links auf rechts gestrickt? Die Analyse war: Dazu fehlt es denen an Köpfen und an Strukturen und an intellektueller Potenz, und die sind auch gar nicht in der Lage – weil wir glaubten, wir hätten den rechtsextremistischen Bereich ganz gut durchleuchtet –, das geheim zu halten. Drittens fehlten vor allem – was es bei der RAF ja gab – Bekennerschreiben. Die gab es also auch nicht. Was uns klar war, ist, dass Rechte eine starke Affinität zu Waffen und Gewalt haben und dass es immer wieder Einzeltaten gegeben hat. Es gab den Anschlag auf der Oktoberfestwiese, es gab ‚Wehrsportgruppe Hoffmann‘ und andere Fälle. Also, es hat immer wieder Vorfälle gegeben, die mit rechts und Gewalt zu tun hatten, aber es waren keine größeren Einheiten, sondern es waren allenfalls Kleinstgruppen, wie wir das genannt hatten. Das ist jetzt – aus meiner Sicht – das Tragische an dieser ganzen Geschichte, dass wir gesagt haben: ‚Vorstellbar sind solche Kleinstgruppen‘, und dass wir nicht gemerkt haben, dass eine solche Kleinstgruppe diese zehn Morde begangen hat. Das ist ja das Schlimme an der Geschichte. Das haben wir eben nicht gesehen. Abstrakt war uns das klar, dass es so was geben könnte, aber wir haben es leider nicht gesehen.“1503 Auf den Vorhalt, dass der NSU in seiner Arbeitsweise nicht mit der RAF verglichen werde könne, weil es sich um einzelne Zellen gehandelt habe, die nicht über eine Struktur wie die RAF verfügt hätten, hat der Zeuge Dr. Möller erwidert: „Ja, wir hatten ja kein anderes Vorbild. Wenn es schon Muster gegeben hätte, dann hätte ich gesagt: So etwa müsste es aussehen. – Aber wir hatten ja nur die Überlegung: RAF wissen wir. So etwas zu übertragen auf den rechten Bereich, wie würde das aussehen? Das war die Fragestellung. Und daraus sind die Schlussfolgerungen gezogen worden, die ich da niedergelegt habe, zu denen ich heute nach wie vor stehe. Das war der damalige Erkenntnisstand.“1504 Zu dieser Aussage im Widerspruch steht die folgende Antwort des Zeugen Dr. Hartwig Möller auf einen Vorhalt aus dem Ausschuss: „Vorhalt aus dem Ausschuss: Heute wissen wir, dass es zumindest die Ideologie gab, also diese Ideen, die ‚Turner Diaries‘ oder auch das, was Copeland in Großbritannien als Taten begangen hat. Das heißt, es gab diese Idee ‚keine Bekennung, kleine Zellen, keine Hierarchien‘ schon. Zeuge Dr. Hartwig Möller: Das war uns auch bekannt. Es ist ja nicht so, dass diese ideologischen Papiere nicht bekannt waren, also als Papiere, als Konstrukte, natürlich. Natürlich hatte ich schon was davon gehört, dass es in Schweden und Großbritannien Vorbilder gab mit ‚Combat 18‘ und dass es immer wieder im Gespräch war, auch in den Amtsleitersitzungen. […] 1503 1504 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 96. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 96 f. 285 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Und da kann ich nur sagen: ‚Combat-18‘-Strukturen in Nordrhein-Westfalen sind mir zu meiner Zeit nicht auf den Tisch gekommen. Die hat es – jedenfalls nach unserer Bewertung – nicht gegeben. Ob man das mit heutiger Kenntnis anders sieht, weiß ich nicht. Aber diese Ideologie, da haben die Auswerter sich ja schon mit den geistigen Hintergründen des Rechtsextremismus auseinandergesetzt und natürlich auch solchen Dingen. Das ist schon Gegenstand der Befassung gewesen, natürlich.“1505 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat zudem ausgesagt, dass ihn jeder Innenminister gefragt habe, ob es etwas Neues auf dem Gebiet des Rechtsterrorismus gebe: „Und wenn wir das gehabt hätten, hätten wir das natürlich sofort auch an den Minister weitergegeben, und wir hätten unsere Verfassungsschutzberichte entsprechend geändert. Es gab aber leider nichts.“1506 Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie hat ausgesagt, dass sich der Verfassungsschutz NRW seit der „Welle von Gewalttätigkeiten“ Ende des Jahres 2000 intensiv mit dem Gewaltpotenzial im Rechtsextremismus befasst habe.1507 Sie hat ausgeführt: „Gerade auch in 2003 hat man sich ganz intensiv damit befasst, weil ja der Fall Wiese hochgekommen war, und das Thema ‚Rechtsterrorismus‘ ist in 2003 ein ganz intensives Thema gewesen. Da kann ich mich auch noch durchaus dran erinnern. Man hat deswegen auch schon bis Ende 2003 in mehreren Besprechungen – die es auch mit dem Bundesamt gegeben hat, aber auch, soweit ich mich erinnern kann, mit den Nachrichtendiensten auch anderer Länder – sich durchaus über Erkenntnisse ausgetauscht, sodass man eigentlich einen fortwährenden Überblick über die Beobachtungsobjekte hatte. Auch Ende 2003, als das in dieser Auswerter- und Beschaffertagung noch mal zusammengetragen worden ist, ist jedenfalls das Fazit gewesen für Nordrhein-Westfalen, dass wir natürlich Personenkreise kannten oder einzelne Personen kannten, die durch Gewalttaten aufgefallen waren. Und man spricht auch immer von dieser Affinität gerade bei Neonazis zu Waffen – das haben die sehr stark verinnerlicht –, aber wir hatten keine konkreten Hinweise, auch nicht aus unseren Vermerken, aus denen wir hätten entnehmen können: Hier könnte es Hinweise geben auf diesen Anschlag [Anm.: gemeint ist der Anschlag in der Keupstraße].“1508 e. Einschätzung der Mordtaten des Thomas Adolf in Overath (2003) Am 7. Oktober 2003 erschoss der 45-jährige Neonazi Thomas Adolf in einer Anwaltskanzlei in Overath einen Rechtsanwalt, dessen Ehefrau und die 26-jährige Tochter. Das LG Köln verurteilte Thomas Adolf zu lebenslanger Haft.1509 Weiter ordnete das Landgericht Sicherungsverwahrung an und führte zur Begründung u. a. aus: „Aus dem nach alledem feststehenden Hang des Angeklagten Adolf ergibt sich nach Auffassung der Kammer klar die Erwartung, dass von ihm ernsthaft weitere gleichartige gegen das menschliche Leben gerichtete und damit als erheblich im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 anzusehende rechtswidrige Taten zu besorgen sind und er deshalb für die Allge- 1505 1506 1507 1508 1509 286 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 97. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 97. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 7. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 8. Urteil des LG Köln vom 15. Dezember 2004, A12323 S. 84 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 meinheit gefährlich ist. Hierauf weisen zunächst schon die beiden in bewusster und aktiver Identifikation mit der nationalsozialistischen Ideologie begangenen Straftaten hin, mit denen Adolf gezeigt hat, dass er bereit ist, aus ideologischer Verblendung heraus unschuldige Menschenleben zu opfern. Auch darüber hinaus ist auch schon zuvor eine deutlich ideologisch begründete Gewaltbereitschaft des Angeklagten insoweit auszumachen, als er es noch Anfang 2003 unternahm, in Alsdorf und im grenznahen Selfkantgebiet junge Menschen für seinen bewaffneten Kampf zu rekrutieren und mit ihnen „Kampftruppen“ aufzubauen, und er noch zuletzt gemeinsam mit seinen Bekannten S. […] und P. […] Raubüberfälle zur Finanzierung seines bewaffneten Kampfes ins Auge gefasst und es in zumindest einem Fall – […] - auf eigene Faust durchzuführen versucht hat, sich aber letztlich noch nicht zur Tat durchringen konnte.“1510 Im Urteil des LG Köln finden sich zahlreiche Hinweise auf die nationalsozialistische Gesinnung des Thomas Adolf, seine Mitgliedschaft in der rechtsradikalen Szene sowie über seine Bestrebungen, junge Rechtsradikale für eine „Kampfgruppe“ zu rekrutieren und auszubilden. So führte das LG Köln in seinem Urteil u. a. aus, dass Thomas Adolf, der bereits seit 1979 in der „Wiking Jugend“1511 und 1994 in der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ organisiert war, ab 1994 Treffen mit Rechtsradikalen auf seinem Hof bei Overath durchführte. Zwischen 1995 und 1999 habe er zwei- oder dreimal Sommersonnenwendefeiern abgehalten.1512 Zu Beginn des Jahres 2002 verstärkte er seine politischen Aktivitäten, wobei sich sein Auftreten und die Inhalte seiner Ziele radikalisierten. Regelmäßig äußerte er sich in Hasstiraden gegen „Hochverräter“ wie Journalisten, Rechtsanwälte, Richter und Politiker.1513 Thomas Adolf führte 2002 mehrere Wehrsportübungen zum Aufbau einer „Kampfgruppe“ im Siebengebirge und in Rösrath durch.1514 Anfang 2003 führte er eine weitere Übung im Selfkantgebiet mit etwa fünf bis sieben Teilnehmern durch.1515 Obwohl die von Thomas Adolf verübten Morde sich in das Muster der vom Verfassungsschutz NRW beschriebenen „Gewaltakte mit terroristischem Einschlag von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen“1516 einfügten, findet sich in dessen vorliegendem Aktenbestand keine Analyse der Morde und des neonazistischen Umfeldes von Thomas Adolf. Vor dem Hauptausschuss des Landtags NRW berichtete der Zeuge Dr. Hartwig Möller als Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes NRW am 8. Juli 2004 anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes: „Wegen der drei Morde in Overath im Oktober 2003 wird zurzeit vor dem Kölner Landgericht gegen Thomas Adolf verhandelt. Das Verfahren ist bis zum 11. November 2004 terminiert. Die bisherige Verfolgung des Prozesses hat keine neuen Erkenntnisse zum rechtsextremistischen Umfeld des Adolf gebracht. Insbesondere für die von Adolf behauptete Bildung einer terroristischen Vereinigung (die angebliche 39. SS-Division Götterdämmerung) gibt es bisher keine Anhaltspunkte.“1517 1510 1511 1512 1513 1514 1515 1516 1517 Urteil des LG Köln vom 15. Dezember 2004, A12323 S. 357 f. Urteil des LG Köln vom 15. Dezember 2004, A12323 S. 93 f. Urteil des LG Köln vom 15. Dezember 2004, A12323 S. 100 ff. Urteil des LG Köln vom 15. Dezember 2004, A12323 S. 107. Urteil des LG Köln vom 15. Dezember 2004, A12323 S. 112 f. Urteil des LG Köln vom 15. Dezember 2004, A12323 S. 113 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. September 2003, A31652 S. 3 (VS-nfD). Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses des Landtags NRW vom 8. Juli 2004, APr 13/1278, A30632 S. 162. 287 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weiter erklärte er in derselben Sitzung: „Zu dem Prozess gegen Thomas Adolf in Köln: Die Einlassung des Angeklagten Adolf, er gehöre einer politischen Organisation an, die eine SS-Schutzstaffel betrieben habe, und verlange deshalb die Verlegung des Verfahrens zum Staatsschutzsenat, bewerte der Verfassungsschutz ähnlich wie die Staatsanwaltschaft als Versuch, sich einem gewöhnlichen Mordprozess zu entziehen. Die Beurteilung des Vorgangs durch das Gericht stehe noch aus.“1518 Im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW über das Jahr 2003 finden sich keine Ausführungen zum Dreiffach-Mord von Overath.1519 Auch in späteren Berichten wurde der Fall nicht erwähnt. f. Einschätzung der Entwicklung bis 2003 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen, Referatsleiter „Auswertung Rechtsextremismus“ beim Verfassungsschutz NRW zwischen 1998 und 20031520, führte zur Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus in NRW während seiner Amtszeit aus, dass der Verfassungsschutz NRW zu seiner Zeit die Wahlparteien wie NPD und Republikaner sowie die neonazistische Szene und die Skins beobachtet hat. Ein „besonderer Schwerpunkt“ habe der „intellektuelle Rechtsextremismus, der sich hauptsächlich publizistisch bemerkbar machte“, gebildet. Die Schwerpunkte seien von der Leitung des Verfassungsschutzes NRW festgelegt worden.1521 Terroristische Strukturen von nordrhein-westfälischen Neonazis hat der Verfassungsschutz NRW nicht erkennen können: „Direkte terroristische Strukturen haben wir nicht beobachtet. Schlicht und ergreifend deswegen – hinterher ist man natürlich immer klüger –, weil wir keine erkannt haben, weil wir keine gesehen haben. Und ob es in diesem Zeitraum terroristische Strukturen in NRW gab – ich weiß es nicht. Wir haben zumindest keine erkannt.“1522 Auf die Frage, ob es während seiner Zeit Veränderungen im gewaltbereiten Rechtsextremismus gegeben habe, hat er geantwortet: „Keine signifikanten. Das gewaltbereite Spektrum setzte sich in der Regel zusammen aus Skinheadszenen, Neonaziszenen, Mischszenen, teilweise dann auch vermischt mit allgemeinen kriminellen Szenen oder manchmal auch so Ausläufer ins Rockermilieu oder sogar in die Fußballfanszene. Es waren teilweise diffuse Mischgruppen, wo es so etwas dann gab, die Gewaltbereitschaft. Die war konstant – ich sage es mal so – auf einem zu hohen Niveau. Signifikante Sprünge nach oben in der Masse der Szene habe ich jetzt so nicht in Erinnerung. Es gab natürlich mal zeitweise ein Ansteigen, ein explosionsartiges Ansteigen von Straftaten aus diesem Bereich. Das hat teilweise dann aber auch manchmal andere Gründe, nicht unbedingt die Anzahl der Gewalttaten. Es war einfach schlicht und ergreifend, wenn irgendwas Schlimmes wieder vorgefallen war, eine größere Sensibilität, es gab ein anderes Anzeigeverhalten. Es wurden mehr Dinge zur Anzeige gebracht und von der Polizei dann als politisch motivierte Straftaten eingeschätzt […].“1523 1518 1519 1520 1521 1522 1523 288 Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses des Landtags NRW vom 8. Juli 2004, APr 13/1278, A30632 S. 168. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2003, Landtag NRW, Vorlage 13/2932. Lüngen, APr 16/1097 S. 8. Lüngen, APr 16/1097 S. 11. Lüngen, APr 16/1097 S. 11. Lüngen, APr 16/1097 S. 11. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat ausgesagt, in den fünf Jahren seiner Tätigkeit beim Verfassungsschutz NRW keine Veränderungen in der Neonazi-Szene hinsichtlich der Militanz und Gewaltorientierung, sondern stets eine gleichbleibende Gefahr, wahrgenommen zu haben.1524 Weiter hat er ausgesagt, dass der Verfasungsschutz NRW vor allem eine „verbale Bereitschaft“ bzw. einen „Verbalradikalismus“ sowie eine „große Affinität gerade mancher rechtsextremistischer Kreise zu allem Militärischen und auch zu Gewalt und auch zu Waffe“ festgestellt habe, was eine „potenzielle Bedrohung“ dargestellt habe.1525 Befragt, ob in der Auswertung auch externe Publikationen gelesen worden seien, die 1999 und 2000 beispielsweise im Zusammenhang mit dem Interview der „nationalrevolutionären Zellen“ im „Hamburger Sturm“ vor einer größeren Gefahr des Rechtsterrorismus warnten, hat der Zeuge Hans-Peter Lüngen ausgeführt, dass diese Publikationen von seinen Kollegen durchaus auch gelesen wurden. Zugleich hat er ausgesagt, dass der Verfassungsschutz NRW „primär“ das gelesen habe, „was von der Szene selbst geäußert worden ist, und die Berichte, die aus dem Bereich kamen, aber natürlich immer nur ein Segment abbilden können.“1526 Befragt, was er gedacht habe, als er vom Bekanntwerden des NSU erfahren habe, hat der Zeuge Hans-Peter Lüngen geantwortet, er sei vom Umstand, dass es eine Terrorzelle gegeben habe, nicht überrascht gewesen. Man habe nie ausschließen können, dass es terroristische Strukturen in Deutschland geben könne: „Was ich bis dato nicht möglich gehalten hatte – und das war eine neue Qualität –: dass Menschen gezielt in Einzeltaten umgebracht werden nur aufgrund ihrer ethnischen Herkunft. Das war neu. Dass Rechtsextremisten natürlich starke Aversionen haben, häufig gegen alles waren, was nicht in ihr deutsches Weltbild passt, auch von der ethnischen Herkunft, das war nicht neu. Es gibt ja dann häufig auch entsprechende Taten, Anschläge auf Asylbewerberheime oder Unterkünfte, wo viele Ausländer leben. Dass man aber gezielt Einzelpersonen umgebracht hat – was ja dann noch einen politischen Sinn gemacht hätte, um bestimmte Bevölkerungsteile einzuschüchtern –, ohne das publik zu machen, das hatte ich eigentlich auch bei Kenntnis der Gewaltneigung, Gewaltbereitschaft einzelner Personen nicht für möglich gehalten, weil bei diesen Taten sofort das politische Fanal fehlte, was man sonst machte, oder um Beunruhigung zu stiften. Und das kann man, wenn man einzelne Menschen abschlachtet, eigentlich nicht erreichen, wenn man es nicht publik macht. Insofern war ich etwas überrascht.“1527 g. Einschätzungen des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2004 Dem vorliegenden Aktenbestand sind keine Vermerke zu entnehmen, in denen sich der Verfassungsschutz NRW im Jahr 2004 mit dem Rechtsterrorismus und der potenziellen Gefahr von Anschlägen befasste. Den Bombenanschlag am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße analysierte der Verfassungsschutz NRW nicht hinsichtlich eines möglichen rechtsterroristischen Hintergrunds. Das BfV erstellte eine solche Analyse, in der auf Parallelen des Nagelbombenanschlags mit den Taten des Rechtsterroristen David Copeland 1999 in London und zu dem proklamierten Vorgehen von „Combat 18“ hingewiesen wurde. Dieses Schreiben vom 9. Juli 2004 ging beim Verfassungsschutz NRW ein und wurde von Mitarbeitern des 1524 1525 1526 1527 Lüngen, APr 16/1097 S. 73. Lüngen, APr 16/1097 S. 73. Lüngen, APr 16/1097 S. 73. Lüngen, APr 16/1097 S. 42 f. 289 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auswertungsreferats und der Zeugin Cornelia de la Chevallerie gelesen. Eine Weiterleitung an das PP Köln erfolgte nicht. Der Zeuge Dr. Hartwig Möller, damaliger Leiter des Verfassungsschutzes NRW, hat ausgesagt, dass er keine Kenntnis von diesem Schreiben erlangte.1528 h. Einschätzungen des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2006 Dem vorliegenden Aktenbestand sind keine Vermerke zu entnehmen, in denen sich der Verfassungsschutz NRW im Jahr 2006 mit dem Rechtsterrorismus und der potenziellen Gefahr von Anschlägen befasste. Auch im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2006 finden sich dazu keine Ausführungen. In dem Bericht wurde lediglich über den „islamistischen“ bzw. „internationalen Terrorismus“ geschrieben.1529 Der Zeuge Burkhard Freier, zu der Zeit als Gruppenleiter beim Verfassungsschutz NRW verantwortlich für die Aufsicht über die Referate Auswertung Rechtsextremismus und Beschaffung, hat ausgesagt, dass dem Verfassungsschutz NRW durch Berichte von Quellen zwar die Ideologie des „Rassenkrieges“ bekannt gewesen sei, man aber keinen „Schluss von der Ideologie zu den tatsächlichen Taten“ gezogen habe.1530 In Bezug auf den Mord an Mehmet Kubaşık am 6. April 2006 hat der Zeuge ausgeführt, dass sie diese Tat nicht nach Anhaltspunkten für einen rechtsterroristischen Hintergrund untersucht hätten. Insoweit hat er ausgeführt: „Wie erkennt man denn, wie aus einer Ideologie eine Tat wird, selbst wenn man erst mal keine Anhaltspunkte hat? Das ist ja auch genau der Knackpunkt in Dortmund gewesen. Wir hatten diese Anhaltspunkte nicht. Wir haben sie aber auch ehrlicherweise nicht gesucht. Und hätten wir sie gesucht, hätten wir aus dieser Ideologie mehr gemacht, glaube ich, dass man diese schlimmen Taten möglicherweise hätte erkennen können.“1531 Weiter hat er ausgeführt: „Also, der Fehler war einfach: Man hat ja nicht weitergedacht. Das Erfahrungswissen, was bisher vorlag, ist genutzt worden: Wir haben einen Anschlag. Es gibt keine Bekennung, also ist es kein Terrorismus. – Ich verkürze das jetzt auch ein bisschen. Aber so was liegt eben daran, dass man niemanden hat, der sagt: Lasst uns jetzt mal querdenken.“1532 Zum gleichen Zeitpunkt lagen dem Verfassungsschutz NRW allerdings umfangreiche Informationen zu „Combat 18“ in Dortmund vor. Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie hat die Einschätzung vertreten, dass keine „Strukturen“ von „Combat 18“ in Dortmund vorhanden gewesen seien, sondern nur Einzelpersonen, die sich des Labels „Combat 18“ bedienten.1533 Der Zeuge Burkhard Freier hat ausgesagt, dass nach Ansicht des Verfassungsschutzes NRW „Combat 18“ „keine terroristische Organisation“ war, obwohl die Ideologie vorhanden gewesen sei.1534 1528 1529 1530 1531 1532 1533 1534 290 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 97. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2006, Landtag NRW, Vorlage 14/1104. Freier, APr 16/1349 S. 6. Freier, APr 16/1349 S. 7. Freier, APr 16/1349 S. 14. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 42. Freier, APr 16/1349 S. 38. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 B. Dem NSU zugerechnete Taten in Nordrhein-Westfalen I. Probsteigasse 1. Tatgeschehen Etwa zwei bis drei Tage vor Weihnachten des Jahres 2000 hielten sich Djavad M. und seine damals 14-jährige Tochter Mahshid M. in dessen Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse in der Kölner Innenstadt auf. Zwischen 17:30 Uhr und 19:00 Uhr betrat ein 25- bis Mitte 30jähriger Mann, der dem Geschäftsinhaber Djavad M. unbekannt war, das Lebensmittelgeschäft. Der Mann war etwa 1,75 bis 1,80 Meter groß, hatte eine helle Haut und mittelblonde, ein wenig gelockte Haare, die mit einem Mittelscheitel nach hinten gekämmt waren und bis über die Ohren gingen.1535 Er trug einen geflochtenen Präsentkorb aus Holz mit Henkel bei sich, in dem sich bereits eine Tüte Erdnussflips und eine weihnachtliche Stollendose befanden. Der Mann fügte dem Korb noch Waren aus dem Lebensmittelgeschäft hinzu und gab vor, diese bezahlen zu wollen. Sodann erklärte er Djavad M. in akzentfreiem Hochdeutsch, dass er sein Geld vergessen habe, es von zu Hause holen und in 15 Minuten wiederkommen wolle. Daraufhin ließ er den Korb mit dem gesamten Inhalt in dem Lebensmittelgeschäft zurück und kehrte nicht wieder. Der Korb blieb noch einige Tage im Verkaufsbereich des Lebensmittelgeschäfts stehen. Dann nahm ihn Djavad M. an sich und stellte ihn auf einem Schreibtisch in dem rückwärtig gelegenen Büro- beziehungsweise Aufenthaltsraum ab.1536 Am 19. Januar 2001 gegen 7:00 Uhr befand sich die damals 19-jährige Tochter des Ladeninhabers, Mashia M., allein in dem Büro- beziehungsweise Aufenthaltsraum des Geschäfts. Sie hob den Deckel der Weihnachtsdose leicht an und sah darin eine blaue Gasdruckflasche. Kurz nachdem sie den Deckel wieder geschlossen hatte, explodierte der Sprengsatz.1537 Durch die Explosion erlitt Mashia M. hochgradige Verbrennungen im Gesicht und an der rechten Hand. Laut ärztlichem Bericht waren insgesamt fünf Prozent der Körperoberfläche verbrannt. Außerdem wies die Geschädigte Schnittverletzungen im Gesicht, an beiden Armen, an der rechten Hand sowie an beiden Beinen auf.1538 Es entstanden ferner massive Explosionsschäden in den Geschäftsräumen, an Gebäudeteilen und im Innenhof.1539 Nach Einschätzung des Zeugen Norbert Trumm, der als Sachbearbeiter der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW für die Tatortarbeit zuständig war, hat Mashia M. Glück gehabt, weil die Bombe auch tödlich hätte sein können.1540 2. Ermittlungen der StA und der Polizei a. Verlauf der Ermittlungen Die StA Köln leitete zunächst ein Verfahren gegen Unbekannt wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion ein. 1535 1536 1537 1538 1539 1540 Die Beschreibungen des Mannes beruhen auf den Angaben des Djavad M. und der Mahshid M., vgl. A60749 S. 24, 29 sowie A60754 S. 8, 78, 150 f. Vernehmungen des Djavad M. und der Mahid M. vom 19. und 20. Januar 2001 sowie vom 3. Januar und 23. Februar 2012, A60749 S. 24 f., 29, 80; A60754 S.8, 78. Vernehmung der Mashia M. vom 5. März 2001, A60749 S. 221. Ärztlicher Bericht vom 24. Januar 2001, A60751 S. 177 f. Tatortfundbericht des PP Köln vom 19. Januar 2001, A60750 S. 13 f. Trumm, APr 16/952 S. 29. 291 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Ermittlungen führte die beim PP Köln gegründete EK Probst. Leiter dieser EK war der Zeuge Edgar Mittler, der dem für Sprengstoff- und Branddelikte zuständigen KK 13 angehörte. Auf die Frage warum das Verfahren nicht in dem für Tötungsdelikte zuständigen KK 11 bearbeitet worden ist, hat der Zeuge Edgar Mittler erklärt: „… Also, grundsätzlich ist es so gewesen: Der Fall ist bei uns angelaufen, beim KK 13, schon allein, weil wir die einzigen Brandermittler im Hause haben und die Brandermittler nun als Erste vor Ort waren. So. Dann stellte man fest, dass das Ganze eine andere Dimension hatte. Und mir wäre es sehr lieb gewesen, zum einen, wenn der Staatsschutz das übernommen hätte, zum anderen, wenn das KK 11 das übernommen hätte, aber die Dienststellenleiter sind darauf nicht angesprungen.“1541 Weiter hat er ausgeführt, dass er sich zwar nicht über zu wenig Leute hätte beklagen können, der Personaleinsatz, aber noch größer gewesen wäre, wenn das KK 11 die Ermittlungen geführt hätte.1542 Die Ermittlungen konzentrierten sich auf das Umfeld der Familie M.. Ermittelt wurde etwa hinsichtlich etwaiger politischer Aktivitäten, wobei solche seitens der Familie verneint wurden.1543 Mit Beschlüssen vom 22. Januar 2001 verfügte das AG Köln eine Telefonüberwachung gegen Familienangehörige der Geschädigten.1544 Zu den Gründen der Telefonüberwachung hat der Zeuge Edgar Mittler erklärt: „Wir haben einmal gedacht, dass irgendjemand sich eventuell bei den Geschädigten melden würde und sagen würde: ‚Hast du gesehen, was dir passiert ist? Wenn du jetzt nicht zahlst ...‘, oder: ‚Wenn du deine Schulden nicht begleichst …‘, oder: ‚Wenn dein Sohn das und das ...‘ Wir hatten gehofft, dass wir aufgrund des Mithörens der Telefonate Hinweise auf den Täter kriegen würden. Wir waren schon davon ausgegangen, dass der Täter sich eventuell bei dem Geschädigten meldet.“1545 Die Spurensicherung am Tatort sowie an den Asservaten erfolgte durch die vom KK 13 angeforderte Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW.1546 Ausweislich des Spurensicherungs- und Auswertungsbericht vom 4. April 2001 ist davon auszugehen, „daß die unkonventionelle Sprengvorrichtung ungewollt durch die Geschädigte ausgelöst worden sein konnte“.1547 Weiter heißt es in dem Bericht: „Es konnte sein, daß von dem Battriepack ein Kupferlitzenstück in die mit Schwarzpulver bzw. mit einer schwarzpulverähnlichen Mischung gefüllte Druckgasflasche führte. Durch das Öffnen des Deckels der Stollendose, also einem aktiven Tun, wurde der Stromfluss der Batterien freigegeben und konnte über die Kupferlitzenführung in den Behälter der Druckgasflasche fließen. Diese Stromzufuhr reichte aus, um den im Rohrkörper eingebrachten explosionsgefährlichen Stoff (siehe 6.5.1) über ein Zündmittel zu entzünden. Hinweise auf ein bestimmtes Zündmittel lagen nicht vor.“ 1548 1541 1542 1543 1544 1545 1546 1547 1548 292 Mittler, APr 16/949 S. 88. Mittler, APr 16/949 S. 89. Vernehmung der S. A.-M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 38; Vernehmung der Mahshid M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 50; Vernehmung des Amir M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 74; Vernehmung des Djavad M. vom 1. Februar 2001, A60749 S. 202 f. Beschlüsse des AG Köln vom 22. Januar 2001, A60749 S. 101 ff. Mittler, APr 16/949 S. 118. Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 4. April 2001, A60751 S. 83 ff. Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 4. April 2001, A60751 S. 107. Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 4. April 2001, A60751 S. 107. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Übrigen erbrachte die Spurenauswertung keine verwertbaren Ergebnisse. Eine Auswertung des Tatmittelmeldedienstes für unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen für den Bereich des Landes NRW ergab zwar, dass drei Fälle gemeldet wurden, bei denen eine gleichartige Druckgasflasche, als Behälter einer Sprengvorrichtung bzw. einer Attrappe, eingesetzt worden war. Konkrete Tatmittelzusammenhänge wurden bei einer Überprüfung dieser Meldefälle jedoch nicht festgestellt.1549 Auf die Frage, ob es nicht ein Versäumnis gewesen sei, dass die Begriffe „rechtsextrem“ respektive „fremdenfeindlich“ im Rahmen des Tatmittelmeldedienstes nicht abgefragt wurden, hat der Zeuge Norbert Trumm geantwortet: „Das liegt möglicherweise an dem Aufbau der Tatmittelmeldung. Ich sagte ja schon, in der Tatmittelmeldung steht definitiv drin: „Tatbekennung“, und soviel ich weiß, ist die bis zum heutigen Tag noch nicht geändert worden auf „Motiv“. Dann müsste man eben „Motivlage“ reinschreiben, und dann kann man … Wenn man „Motivlage“ reinschreibt, dann müsste man, wenn man objektiv keine Hinweise auf ein konkretes Motiv hat, sämtliche Motive reinschreiben. Und ob das zielführend ist, möchte ich jetzt nicht beurteilen.“1550 Anhand der Angaben des Geschädigten Djavad M. erstellte das LKA NRW am 19. Januar 2001 ein Phantombild des unbekannten Kunden.1551 Das Phantombild wurde in der Tagespresse veröffentlicht und war Bestandteil eines Fahndungsplakates, das unter anderem in Verkaufsstätten der Stollendose sowie der Gasdruckflasche ausgehängt wurde. Im Übrigen erfolgte mittels dem Phantombild eine Hausbefragung in der Nachbarschaft des Tatortes. Diese Maßnahmen führten zwar zu diversen Personenhinweisen, jedoch im Ergebnis nicht zu einer tatrelevanten Spur. Insgesamt wurden im Rahmen der Ermittlungen 39 Spuren bearbeitet.1552 Auf Nachfrage, warum nicht auch das BKA gebeten worden sei, das Phantombild zu veröffentlichen, hat der Zeuge Edgar Mittler erklärt, dass sie das Phantombild nur über das LKA dem BKA zur Verfügung hätten stellen dürfen. Dies sei jedoch nicht geschehen.1553 Am 22. Januar 2001 erstellte das LKA NRW ein zweites Phantombild, da Djavad M. in einem informatorischen Gespräch erklärt hatte, das zuerst erstellte Phantombild sei eventuell verbesserungswürdig.1554 Auf die Veröffentlichung des zweiten Phantombildes wurde jedoch verzichtet, da Djavad M. Zweifel und Bedenken an der Korrektheit des Bildes geäußert hatte. Diese begründete er mit mangelndem Erinnerungsvermögen und dem Hinweis, dass das zuerst erstellte Phantombild dem Ableger des Präsentkorbes doch erheblich näher käme.1555 Am 21. März 2001 wurde ein Tatverdächtiger vorläufig festgenommen, da der Bruder der Verletzten, Amir M., ihn belastet hatte.1556 Amir M. gab an, dass ca. eineinhalb Jahre vor dem Anschlag der Tatverdächtige im Rahmen einer Auseinandersetzung Drohungen gegen ihn und seine Familie geäußert habe.1557 Nach seiner Vernehmung wurde der Tatverdächtige am 1549 1550 1551 1552 1553 1554 1555 1556 1557 Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 4. April 2001, A60751 S. 110. Trumm, APr 16/952 S. 18. Vermerk des LKA NRW vom 19. Januar 2001 und Phantombilder, A60751 S. 189 ff. Spurenakten, A60752 S. 5 ff. Mittler, APr 16/949 S. 92. Vermerk des LKA NRW vom 22. Januar 2001, A60751 S. 195. Vermerk des LKA NRW vom 26. Januar 2001, A60751 S. 198. Vernehmung des Amir M. vom 21. März 2001, A60749 S. 255. Vernehmung des Amir M. vom 21. März 2001, A60749 S. 258. 293 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 22. März 2001 entlassen, weil Djavad M. ihn bei einer Wahllichtbildvorlage nicht als Täter wiedererkannte.1558 Mit Verfügung vom 13. Juni 2001 erfasste die StA Köln das Ermittlungsverfahren als Js-Verfahren gegen den Tatverdächtigen und stellte es sogleich gemäß § 170 Absatz 2 StPO ein. Eine Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens erhielten die Opfer jedoch nicht.1559 Der mit dem Verfahren befasste Dezernent konnte hierzu nicht befragt werden, da er bereits verstorben ist. Der Zeuge Hans-Bernhard Jansen, der zum Zeitpunkt der Ermittlungen zuständiger Abteilungsleiter bei der StA Köln war, hat hierzu erklärt: „Ich kann dazu nichts sagen. Ich bin über die Einstellung des Verfahrens damals nicht unterrichtet worden. Ich weiß nichts dazu. Üblich ist es: Das Verfahren hat sich dann hier ganz konkret gegen unbekannt gerichtet. Und in einem solchen UJs-Verfahren, wie wir das nennen, wird der Geschädigte, der Strafanzeige erstattet hat, unterrichtet: Tut uns leid, aber das Verfahren musste eingestellt werden, da eben ein Täter nicht ermittelt werden konnte. – Hier im konkreten Fall hätte ich als Dezernent den Vater der Schwerverletzten in der Form unterrichtet - nur in kurzer Form -, dass der Täter nicht ermittelt werden konnte. Dass das hier nicht geschehen ist, ist sicherlich nicht ganz korrekt.“1560 Aufgrund einer telefonischen Vorladung erschien am 14. August 2001 Djavad M. erneut beim PP Köln und erklärte, dass er keine neuen Erkenntnisse gewonnen hat, wer für den Anschlag infrage komme.1561 Daraufhin verfügte die StA Köln am 22. August 2001, dass es bei der Einstellung bleibe.1562 b. Die Asservatenvernichtung Am 25. Juni 2003 verfügte Staatsanwalt Karl-Heinz Schlotterbeck noch: „Auch wenn sich seit der Verfahrenseinstellung keine neuen Erkenntnisse ergeben haben, sollen die Asservate angesichts Art u. Schwere der Tat aus Gründen äußerster Vorsicht noch weiterhin und auch längerfristig asserviert bleiben.“ 1563 Als Termin zur Wiedervorlage der Akte bestimmte er den 19. Januar 2006. Sodann ordnete er mit Verfügungen vom 20., 23. und 27. Januar 2006 die Vernichtung aller asservierten Gegenstände sowie der vier Bände Telekommunikationsüberwachung nebst zwölf MODs und das Weglegen der Akten an.1564 Zu den Gründen der Asservatenvernichtung hat der Zeuge Karl-Heinz Schlotterbeck erklärt: „Die Asservate führten auch nicht zum Täter. Die Asservate waren aktenkundig gemacht, und die Auswertung der Asservate war ebenfalls aktenkundig worden. Dann hat sich bei mir natürlich die Frage gestellt: ‚Müssen die Asservate weiter aufgehoben werden, obwohl sie keinen Beweiswert haben?‘ oder: ‚Kann man die Asservatenstelle, die unter den Asservaten - man kann fast sagen - stöhnt, nicht entlasten?‘ – Dann habe ich eben 1558 1559 1560 1561 1562 1563 1564 294 Wahllichtbildvorlage vom 22. März 2001, A60749 S. 274 f. Verfügung der StA Köln vom 13. Juni 2001, A60749 S. 291. Jansen, APr 16/949 S. 35. Vernehmung des Djavad M. vom 14. August 2001, A60749 S. 297. Verfügung der StA Köln vom 22. August 2001, A60749 S. 298. Verfügung der StA Köln vom 25. Juni 2003, A60749 S. 310 f. Verfügung der StA Köln 20. Januar 2006, A60749 S. 316; Verfügungen der StA Köln vom 23. Januar 2006, A60749 S. 319 ff.; Verfügung der StA Köln vom 27. Januar 2006, A60749 S. 313. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 entschieden: Die Asservate können vernichtet werden - alles vor dem Hintergrund, dass die Asservate aktenkundig waren und auch die Auswertung.“1565 Zwischen seiner Entscheidung, die Asservate angesichts der Art und Schwere der Tat „weiterhin und auch längerfristig“1566 zu asservieren und seinen Vernichtungsverfügungen lagen nicht einmal drei Jahre. Wie es zu diesem Entscheidungsumschwung kam, hat der Zeuge Karl-Heinz Schlotterbeck wie folgt erklärt: „Es hatte sich - um es mal so auszudrücken - in der Akte zwischenzeitlich nichts verändert. Es gab keine neuen Beweismittel, keine neuen Ermittlungsansätze, keinen Hinweis auf den Täter, im Grunde genommen kein zwischenzeitliches neues Ergebnis. Und dann habe ich überlegt, ob diese Asservatenentscheidung so noch aufrechtzuerhalten ist oder eben nicht.“1567 Im Ergebnis habe er sich gegen eine weitere Aufbewahrung entschieden, weil die Asservate nach seinem damaligen Kenntnisstand für eine DNA-Auswertung nicht von Bedeutung sein konnten. Denn ihm sei bekannt gewesen, dass durch die Hitze, die bei einer Explosion entsteht, DNA-Spuren vernichtet werden.1568 Die öffentlich geäußerte Kritik an seiner Entscheidung, die Asservate zu vernichten, hat er zurückgewiesen und betont, die Entscheidung auch heute noch auf Basis der damaligen Kenntnisse und Erkenntnisse für angemessen, konsequent und richtig zu halten.1569 Demgegenüber hat der Zeuge Hans-Bernhard Jansen erklärt: „Das kann ich mir nicht erklären, sondern ich kann dazu nur sagen, dass es ein grober Fehler gewesen ist. Denn Asservate zu vernichten, das bedeutet, sich sämtlicher Beweismittel, die irgendwann noch gebraucht werden könnten, zu begeben. Und das ist sicherlich eine Fehlhandlung gewesen.“1570 Auch der Zeuge Jörg Lehmann, der Ende 2011 nach der Selbstenttarnung des NSU in der beim BKA gegründeten BAO Trio unter anderem Ermittlungen zum Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse durchführte, hat auf die Frage, ob er die Möglichkeit gehabt hätte, mit den Asservaten weiterzuarbeiten, geantwortet: „Daran weiterzuarbeiten - auf jeden Fall; alleine, dass man dann versucht, weitere Ermittlungen - forensischer Natur - damit anzustellen. Ob das dann gelingt, ist eine zweite Frage aufgrund des Alters der Asservate. Wir reden ja immerhin von zehn Jahren. Aber nichtsdestotrotz: Das physische Vorhandensein eines Asservats oder Beweisstücks ermöglicht erst einmal den Versuch einer weiteren Untersuchung.“1571 Den Hinweis aus dem Ausschuss, dass es ein Kapazitätsproblem der Asservatenkammer gegeben habe, hat der Zeuge Hans-Bernhard Jansen bestätigt und angegeben, dass dies bei der Vernichtung der Asservate eine Rolle gespielt haben könnte und dass immer versucht worden sei, den Gesamtbestand der Asservate möglichst gering zu halten.1572 Der 1565 1566 1567 1568 1569 1570 1571 1572 Schlotterbeck, APr 16/949 S. 52 f.. Verfügung der StA Köln vom 25. Juni 2003, A60749 S. 311. Schlotterbeck, APr 16/949 S. 56. Schlotterbeck, APr 16/949 S. 53. Schlotterbeck, APr 16/949 S. 60. Jansen, APr 16/949 S. 8. Lehmann, APr 16/982 S. 72. Jansen, APr 16/949 S. 21. 295 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zeuge Karl-Heinz Schlotterbeck hat auf die Frage, ob es möglicherweise aus räumlichen Gründen einen latenten Druck gegeben habe, sich von Asservaten zu befreien, geantwortet: „Also, ich denke, Druck hat es keinen gegeben, aber es wurde immer wieder darauf geachtet, baldmöglichst über Asservate zu entscheiden; das war also Vorgabe. Und der Platz der Asservatenstelle ist halt nur beschränkt, aber Druck gab es nicht. Aber es es wurde darauf hingearbeitet, dass baldmöglichst zu entscheiden sei.“1573 c. Einbindung des Polizeilichen Staatsschutzes Zur Zeit des Anschlags in der Probsteigasse unterteilte sich der Polizeiliche Staatsschutz beim PP Köln in zwei Kriminalkommissariate. Das KK 1 war für Ausländerextremismus, das KK 2 für Rechts- und Linksextremismus zuständig.1574 Zur Einbindung des Polizeilichen Staatsschutzes in die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse hat der Zeuge Edgar Mittler angegeben, dass dem Polizeilichen Staatsschutz gleich zu Beginn der Ermittlungen eine Zweitakte übergeben worden sei, mit der Bitte mitzuteilen, ob irgendwelche Erkenntnisse politischer Art vorliegen.1575 Die hierauf erfolgte Rückmeldung sei negativ gewesen, d.h. der Polizeiliche Staatsschutz habe in diesem Fall keine Erkenntnisse gehabt.1576 Auf Vorhalt, dass den Ermittlungsakten eine derartige Rückmeldung nicht zu entnehmen sei, hat er erklärt, dass er davon ausgehe, dass dies als „interne Sache“ bezeichnet worden sei, die wenn überhaupt „höchstens in irgendwelchen Handakten“ stehe. Ihm sei auch nicht bekannt, welche Maßnahmen der Staatsschutz nach Erhalt der Zweitakte unternommen habe.1577 Dem Ausschuss war es nicht möglich, Einblick in die nach Angaben des Zeugen Edgar Mittler dem Polizeilichen Staatsschutz übergebene Zweitakte zu nehmen, da die beim PP Köln ursprünglich vorhanden gewesenen Kopien der Ermittlungsakte, auf Grund der Einstellungsverfügung der StA Köln, vernichtet worden sind.1578 Allerdings findet sich in den Akten des BfV eine an das BfV, das BKA, das LKA NRW und den Verfassungsschutz NRW gerichtete Anfrage des Polizeilichen Staatsschutzes in Köln, vom 19. Januar 2001, in der auf die Explosion in der Probsteigasse hingewiesen und aufgrund der Schwere der Ereignisse kurzfristig um Erkenntnismitteilung zu den Mitgliedern der Familie M. gebeten wurde.1579 Zudem wurde danach gefragt, ob Erkenntnisse über mögliche Bedrohungslagen von iranischen Familien vorliegen, die soweit erkennbar nicht in extremistische Organisationen eingebunden sind.1580 Der Zeuge Edgar Mittler hat hierzu bereits vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU erklärt, dass er über den Polizeilichen Staatsschutz eine Erkenntnisanfrage zu den Familienmitgliedern veranlasst habe, da er es für möglich hielt, dass sich der iranische Geheimdienst hinter dem Anschlag verberge.1581 1573 1574 1575 1576 1577 1578 1579 1580 1581 296 Schlotterbeck, APr 16/949 S. 70. Gebert, APr 16/994 S. 24. Mittler, APr 16/949 S. 82. Mittler, APr 16/949 S. 105. Mittler, APr 16/949 S. 106. 13. Übersendungsschreiben des MIK NRW vom 17. Juli 2015, A15666. Erkenntnisanfrage des PP Köln vom 19. Januar 2001, A74068 S. 1 ff. (VS-NfD). Erkenntnisanfrage des PP Köln vom 19. Januar 2001, A74068 S. 1 ff. (VS-NfD). Mittler, 22. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92418 S. 9 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ergänzend hat er vor dem hiesigen Ausschuss ausgeführt, dass beim Staatsschutz immer wieder angefragt worden sei, ob irgendwelche Erkenntnisse ausländerfeindlicher Art vorliegen. Man habe jedoch, „vom Staatsschutz gar nichts bekommen“.1582 Demgegenüber hat der Zeuge Günther Gebert, zwischen 2000 und 2006 beim PP Köln als Leiter des KK 2 des Polizeilichen Staatsschutzes für Rechtsextremismus zuständig, erklärt, dass er sich nicht daran erinnern könne, Anfragen von anderen Abteilungen der Kölner Polizei im Zusammenhang mit der Probsteigasse oder eine (Zweit-)Akte zur Probsteigasse erhalten zu haben.1583 Er sei nicht in die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse eingebunden gewesen.1584 Demnach dürfte ausschließlich das für Ausländerextremismus zuständige KK 1 des polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln mit diesem Vorgang befasst gewesen sein. Dem Ausschuss war es nicht möglich, den damaligen Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes in Köln als Zeugen zu vernehmen, da dieser bereits verstorben ist. d. Einbindung des Verfassungsschutzes Der Zeuge Dr. Hartwig Möller, von 1999 bis Juni 2009 Leiter des Verfassungsschutzes NRW, hat erklärt, dass er in Bezug auf den Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse nur das wiederholen könne, was er bereits als Zeuge im ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU ausgesagt hat.1585 Dort hat er angegeben: „Dass der Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse in Köln am 19. Januar 2001 einen politischen oder gar rechtsterroristischen Hintergrund hatte, ist dem Landeskriminalamt erst nach der Auswertung der Ende 2011 auftretenden Bekenner-DVD klar geworden. Vor diesem Zeitpunkt hat niemand, auch ich nicht, eine Verfassungsschutzrelevanz des Anschlages gesehen.1586 […] Ich kann nur sagen, dass Sie zu diesem Vorgang in den Akten des Verfassungsschutzes nichts finden werden. Das heißt, der ist nicht als politisch relevanter Anschlag bei uns angelandet.“1587 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen, zum Zeitpunkt des Anschlags Leiter des Referats „Auswertung Rechtsextremismus“ beim Verfassungsschutz NRW, hat erklärt, dass der Verfassungsschutz seiner Erinnerung nach überhaupt nicht von der Straftat erfahren habe.1588 Bei der Beobachtung der rechtsextremen Szene seien keine Informationen zu dem Anschlag bekannt geworden.1589 Ferner hat er hierzu ausgeführt: „Es klingt jetzt vielleicht so ein bisschen merkwürdig: Wir haben – ich zumindest – diese Straftat vermutlich überhaupt nicht wahrgenommen. In der Kölner Lokalpresse wird man vermutlich viel darüber gelesen haben. Da ich nicht Kölner bin, werde ich das nicht zur Kenntnis genommen haben. In anderen Regionalzeitungen steht das ja nicht unbedingt drin, oder wenn, auf der letzten Seite. Ob man die dann liest, ist wieder was anderes. Wir sind auf jeden Fall nicht gezielt von den Ermittlungsbehörden angesprochen worden, 1582 1583 1584 1585 1586 1587 1588 1589 Mittler, APr 16/949 S. 86. Gebert, APr 16/994 S. 26, 65. Gebert, APr 16/994 S. 43. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 89. Dr. Möller, 31. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92425 S. 9. Dr. Möller, 31. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92425 S. 18. Lüngen, APr 16/1097 S. 8. Lüngen, APr 16/1097 S. 8 f. 297 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dass hier ein eventueller rechtsextremistischer Hintergrund ist und wir doch bitte Informationen zu in den Fokus geratenen Personen zuliefern sollten.“1590 In den Akten des BfV finden sich hingegen zahlreiche Pressemeldungen zum Anschlag in der Probsteigasse. Neben Artikeln des Kölner Express und Kölner Stadt-Anzeigers - in einigen dieser Artikel ist übrigens das Phantombild abgedruckt - handelt es sich um Meldungen der ddp.1591 Wieso demgegenüber der Verfassungsschutz NRW einen sich in NRW ereignenden, außergewöhnlichen und aufsehenerregenden Vorgang anscheinend nicht wahrnahm, ist nicht nachzuvollziehen, zumal der Zeuge Hans-Peter Lüngen ausgesagt hat, dass das von ihm geleitete Auswertungsreferat „hauptsächlich auf offenes Material zugreift - Publikationen, Flugblätter, Zeitungen, Internetauftritte…“1592 Der damalige Leiter des Referats „Beschaffung Rechtsextremismus“ hat ebenfalls ausgeschlossen, mit dem Anschlag in der Probsteigasse befasst gewesen zu sein. Der Anschlag sei an ihnen „vorbeigelaufen“. Möglicherweise sei der Anschlag aufgrund des „Ausländerhintergrundes“ im „Ausländerreferat“ bearbeitet worden. Er könne dazu aber nichts sagen.1593 Auch der Zeuge Burkhard Schnieder, seit Anfang 2012 als Gruppenleiter des Verfassungsschutzes NRW u. a. für Extremismus und Terrorismus zuständig, hat erklärt, dass sich seines Wissens in den Unterlagen des Verfassungsschutzes nichts zum Anschlag in der Probsteigasse befunden hätte.1594 Mit Blick auf die Erkenntnisanfrage des Kölner Staatsschutzes zu den Mitgliedern der Familie M., von der er im Abschlussbericht des ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum NSU gelesen habe, habe er auch noch mal in anderen Bereichen des Verfassungsschutzes NRW, etwa im Bereich „Ausländerextremismus“ oder „Spionageabwehr“ nachgehakt, ob dort so etwas aufgelaufen sein könnte, habe aber nur negative Rückmeldungen bekommen.1595 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller konnte nicht erklären, warum die Erkenntnisanfrage zu den Mitgliedern der Familie M. nicht in den Akten des Verfassungsschutzes NRW zu finden ist, obwohl sie anscheinend auch an ihn adressiert war. Möglicherweise sei die Erkenntnisanfrage, die per Fernschreiben versendet wurde, im Lagezentrum der Polizei eingegangen, da der Verfassungsschutz NRW seiner Kenntnis nach keinen eigenen Fernschreiber gehabt habe.1596 In der Erkenntnisanfrage des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln ist der Verfassungsschutz NRW mit den Angaben „duesseldorf imv“ sowie „xmail duesseldorf-imv“ explizit als Adressat aufgeführt.1597 Die Behauptung des Zeugen Dr. Hartwig Möller, dass der Verfassungsschutz NRW im Jahr 2001 über keinen eigenen Fernschreiber verfügt haben soll, erscheint als wenig wahrscheinlich. Zudem wurde die Anfrage ausweislich des Adresskopfes auch per xmail an die Verfassungsschutzabteilung versandt. Die Zeugin Mathilde Koller, zwischen 2009 und Juni 2012 Leiterin des Verfassungsschutzes NRW, hat als mögliche Begründung für das Fehlen der Erkenntnisanfrage in den Akten des 1590 1591 1592 1593 1594 1595 1596 1597 298 Lüngen, APr 16/1097 S. 8. Pressemeldungen, A72477 S. 2 und 4 ff. Lüngen, APr 16/1097 S. 4. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 8 f. Schnieder, APr 16/952 S. 135. Schnieder, APr 16/952 S. 136. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 129 f. Erkenntnisanfrage des PP Köln vom 19. Januar 2001, A74068 S. 1 ff. (VS-NfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 MIK angegeben, dass diese möglicherweise aufgrund von Löschungsfristen nach einer bestimmten Zeit gelöscht worden sein könnte.1598 e. Einbindung weiterer Behörden Der Zeuge Edgar Mittler hat erklärt, dass das PP Köln eine sogenannte WE-Meldung zum Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse verfasst habe. Diese WE-Meldung sei jedenfalls an das Lagezentrum des IM NRW gegangen. An wen sie von dort aus weitergesteuert wurde, hat er nicht sagen können. Er vermute zwar, dass sie auch der Verfassungsschutz erhalten habe, wisse es aber nicht.1599 Dem Ausschuss lag die besagte WE-Meldung nicht vor, so dass er sich weder einen Eindruck von ihrem Inhalt verschaffen noch erkennen konnte, an wen sie sich richtete. Eine Anforderung der WE-Meldung durch den Ausschuss blieb erfolglos, da das MIK NRW mit Schreiben vom 17. Juli 2015 mitteilte, dass aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen die WE-Meldung des PP Köln vom 19. Januar 2001, Vorfall „Probsteigasse“, weder im Lagezentrum der Landesregierung noch in der Registratur des Referats 413 des MIK NRW vorliege.1600 In den Akten des BfV befindet sich eine durch das Lagezentrum des IM NRW an das BMI gesteuerte Meldung des PP Köln vom 20. Januar 2001, die den Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse zum Gegenstand hat. Auf eine Meldung vom 19. Januar 2001 bezugnehmend wird in dieser Meldung mitgeteilt, dass nach dem Abschluss der Tatortaufnahme feststehe, dass ein Sprengsatz für die Expolision ursächlich gewesen sei, die Spurenauswertung an der sichergestellten Dose andauere, aufgrund der Tatumstände und der Spurenlage von einem Tatverdächtigen aus der allgemeinen kriminellen Szene auszugehen sei und trotz intensiver Medienarbeit nur wenige Hinweise eingingen.1601 Anhand dieser Meldung lässt sich zumindest folgender Meldungsverlauf herleiten: Das PP Köln meldete am 19. Januar 2001 den Anschlag in der Probsteigasse ans Lagezentrum des IM NRW. Dieses steuerte die Meldung an das BMI weiter. Am 20. Januar 2001 sendete das PP Köln an das Lagezentrum des IM NRW eine weitere, sachstandsaktualisierte Meldung, die das IM NRW ebenfalls an das BMI weiterleitete. Sodann steuerte das BMI die Meldung an das BfV, wo sie archiviert wurde. Demnach ist festzustellen, dass der Informationsfluss zwischen dem BMI und dem BfV funktionierte, jedoch anscheinend nicht so innerhalb des IM NRW - nämlich zwischen dem Lagezentrum und der Verfassungsschutzabteilung. Im Übrigen verwundert auch der Inhalt der Meldung vom 20. Januar 2001. Warum demnach bereits einen Tag nach der Tat von einem der allgemeinkriminellen Szene zuzurechnenden Tatverdächtigen ausgegangen wurde, ist nicht nachzuvollziehen. Weder die Tatumstände noch die vorliegende Spurenlage - insbesondere zu diesem Zeitpunkt - begründete eine derartige, sich auf eine Kriminalitätsrichtung fokussierende Annahme. f. Hinweise auf rechtsmotiviertes Delikt Der Zeuge Hans-Bernhard Jansen zum Zeitpunkt der Ermittlungen zuständiger Abteilungsleiter bei der StA Köln, hat erläutert, dass in der Regel jeden Vormittag um 9:00 Uhr in seinem Dienstzimmer eine sogenannte Dezernentenbesprechung stattgefunden habe, an der die 1598 1599 1600 1601 Koller, nöAPr 16/234 S. 27 f. Mittler, APr 16/949 S. 83, 97 f. 13. Übersendungsschreiben des MIK NRW vom 17. Juli 2015, A15666. Meldung des PP Köln vom 20. Januar 2001, A72477 S. 3. 299 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dezernenten der Abteilung teilgenommen und sich über die (neu) angefallenen Fälle ausgetauscht hätten.1602 Er könne sich nicht daran erinnern, dass der Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse Gegenstand einer dieser Dezernentenrunden gewesen sei. Vielmehr habe ihm der Fall „Probsteigasse“ bis zum Zeitpunkt seiner Zeugenladung „überhaupt nichts gesagt“.1603 Auf den kritischen Vorhalt, dass in den regelmäßigen Dezernentenbesprechungen der Anschlag in der Probsteigasse insbesondere mit Blick auf das politische Motiv der Fremdenfeindlichkeit nicht thematisiert wurde, obwohl Sprengstoffanschläge mit Körperverletzungen nichts Alltägliches sind und die Affinität von Rechtsextremisten zu Sprengstoff bekannt ist, hat der Zeuge Hans Bernhard Jansen erwidert: „Fremdenfeindlichkeit war mal zunächst für uns kein Thema. Das ist heute etwas anders. Das gab es damals in der Form nicht. Und dass dieser Fall nicht in der Dezernentenbesprechung eine Rolle spielte, das hängt einfach damit zusammen, dass diesem Fall keine besondere Bedeutung beigemessen wurde. Dass wir nicht in jedem einzelnen Fall, der anfiel – und da gab es in Köln weiß Gott eine Menge Kapitalstrafsachen, in der Regel waren es mindestens 50 pro Jahr –, eine Dezernentenbesprechung machten, liegt auf der Hand. Hier im konkreten Fall hatten wir wirklich keinen Anlass dazu, das jetzt auch innerhalb des Kreises zur Sprache zu bringen. Heute sieht man das anders, das räume ich ein. Aber versetzen Sie sich bitte in die Situation damals. Da war es nicht so.“1604 Daraufhin wurde dem Zeugen Hans Bernhard Jansen entgegengehalten, dass es in den 1990er Jahren unter anderem in Mölln und Solingen zu tödlichen Anschlägen gegen Migranten gekommen ist.1605 Auf die daran anschließende Frage, ob es innerhalb der StA gar keine Diskussionen über gezielte Agitation respektive gezielte Anschläge gegen Migranten gegeben habe, hat der Zeuge Hans-Bernhard Jahnsen geantwortet: „Ich kann nur so viel sagen: Wenn wir irgendwelche konkreten Ansatzpunkte gehabt hätten, dass hier ein politischer Hintergrund die Rolle gespielt hätte, hätten wir das Verfahren nicht weiterbearbeitet, sondern es abgegeben. Da waren wir ziemlich groß drin; denn man tut als Beamter nur das, wofür man zuständig ist.“1606 Der Zeuge Edgar Mittler hat erläutert, dass ein ausländerfeindlicher Hintergrund der Tat grundsätzlich nicht ausgeschlossen worden sei. Man habe immer Kontakt zum Staatsschutz gehalten und diesen gebeten, Erkenntnisse auf Ausländerfeindlichkeit sofort mitzuteilen.1607 Hätte man Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund erhalten - sei es vom Staatsoder auch vom Verfassungsschutz - wäre man dem sicherlich nachgegangen. Derartige Hinweise seien jedoch nicht eingegangen.1608 Im Übrigen habe auch die StA keinen politisch movierten Hintergrund gesehen.1609 Demgegenüber sah der Zeuge Günther Gebert die Verantwortung dafür, dass nicht ernsthaft in Richtung Fremdenfeindlichkeit ermittelt wurde, insbesondere bei der zuständigen EK Probst sowie bei der StA: 1602 1603 1604 1605 1606 1607 1608 1609 300 Jansen, APr 16/949 S. 16. Jansen, APr 16/949 S. 31. Jansen, APr 16/949 S. 40. Jansen, APr 16/949 S. 41. Jansen, APr 16/949 S. 41. Mittler, APr 16/949 S. 116. Mittler, APr 16/949 S. 116 f. Mittler, APr 16/949 S. 90. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Wenn der Kollege, der diesen Vorgang hat, der Herr Mittler, keine Hinweise feststellt, dass dort eine politisch motivierte Tat sein kann, dann ist das so. Wenn jetzt natürlich einer hingeht und sagt: ‚Aber ich glaube doch, dass es politisch motiviert ist, und ich will jetzt da in diese Richtung ermitteln‘, dann kommt es halt auf die Vorgesetzten an, was die dazu sagen. Aber in der Regel ist es so: Der Kollege Mittler hat seine Ermittlungskompetenz, der Dienststellenleiter ist ja auch mit involviert, und die StA ist auch involviert - und wenn die alle keine politisch motivierte Angelegenheit sehen, dann wird das auch beim Staatsschutz nicht aufgegriffen. Also es muss schon auch ein Hinweis sein, dass es so eine Sache ist. Oder wenn wir davon erfahren, können wir uns natürlich auch selbst da reinmachen. Aber wenn der Kollege wochenlang ermittelt und sagt: Nein, staatsschutzmäßig ist da nichts dran, ich habe keinen Hinweis darauf, dass von Rechts so was gemacht wird … Denn die Ermittlungen sind ja durchgeführt worden. Die sind ja auch abgeschlossen worden. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gehabt. Das ist eingestellt oder vorläufig eingestellt. Das heißt, es ist ja alles gemacht. Wir Staatsschützer hätten ja auch nicht mehr machen können.“1610 Auf Nachfrage hat der Zeuge Günther Gebert verneint, dass dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln Erkenntnisse vorgelegen hätten, die darauf hinwiesen, dass innerhalb der rechtsextremen Szene die potentielle Gefahr bestand, Gewaltaktionen bis hin zu Anschlägen zu verüben. Er könne auch keine Person aus der rechten Szene benennen, die so viel kriminelle Energie und das Know-how hatte, eine derartige Sprengfalle zu bauen oder sich an solch einem Anschlag zu beteiligen. In der Regel seien die Personen aus der rechten Szene wegen Propagandadelikten auffällig geworden.1611 g. Kritische Würdigung Die Ermittlungen zum Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse im Jahr 2001 waren unzureichend. Ein möglicher fremdenfeindlicher Hintergrund der Tat ist nicht ernsthaft in Betracht gezogen worden, obwohl dies angesichts des Migrationshintergrundes der Opfer, der Täterbeschreibung sowie der bekannten Affinität zu Sprengstoff innerhalb der rechten Szene spätestens dann angebracht gewesen wäre, als die Ermittlungen im Umfeld der Familie M. zu keinem Erfolg führten. Nicht nachvollziehbar ist, dass den Ermittlern zwar eine Verwicklung des iranischen Geheimdienstes in den Anschlag als möglich erschien, nicht aber ein rassistisches Motiv oder eine Tatbeteiligung von Neonazis. Die Ermittlungskommission hat sich zwar an den Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln gewandt, dort war jedoch offensichtlich nur das KK 1, also der Bereich „Ausländerextremismus“, nicht aber das für Rechtsextremismus zuständige KK 2 mit dem Fall befasst. Die vom Ausschuss gehörten Zeugen aus der Ermittlungskommission bzw. des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln vermittelten den Eindruck, dass sie die Verantwortung für die fehlenden Ermittlungen in Richtung eines rechtsmotivierten Deliktes an die jeweils andere Polizeieinheit delegierten Dass es anscheinend auch beim Verfassungsschutz NRW keinen Vorgang zu dem Anschlag in der Probsteigasse gegeben haben soll, ist ebenfalls nicht nachzuvollziehen. Zum einen, weil die durch das PP Köln am 19. Januar 2001 gestellte Erkenntnisanfrage zu den Mitgliedern der Familie M. auch an den Verfassungsschutz NRW gerichtet war, und zum anderen, weil sich dieser in NRW ereignende, außergewöhnliche und aufsehenerregende Anschlag Anlass genug gewesen wäre, um sich eigeninitiativ mit diesem zu befassen. Insofern ist es äußert irritierend, dass der Leiter des Referats „Auswertung Rechtsextremismus“ beim Verfassungsschutz NRW, der Zeuge Hans-Peter Lüngen, den Anschlag in der Probsteigasse 1610 1611 Gebert, APr 16/994 S. 45 f. Gebert, APr 16/994 S. 30 f. 301 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nicht wahrgenommen haben will,1612 obwohl nach eigenem Bekunden das von ihm geleitete Referat „hauptsächlich auf offenes Material zugreift – Publikationen, Flugblätter, Zeitungen, Internetauftritte …“.1613 Insbesondere regionale Pressemeldungen zu diesem Anschlag gab es aber zahlreich, weshalb es unverständlich ist, dass der Verfassungsschutz NRW nicht auf ihn aufmerksam wurde. Der Ausschuss hat schlussendlich nicht aufklären können, ob der Verfassungsschutz NRW keinen Vorgang hat anlegen lassen oder ob dieser Vorgang aus dem Aktenbestand gelöscht worden ist. Schließlich ist auch auf Seiten der StA Köln ein Fehlverhalten festzustellen. Angesichts der Art und Schwere der Tat sowie einer Verfolgungsverjährung von 20 Jahren war es nicht sachgerecht, die Vernichtung aller vorhandenen Asservate bereits fünf Jahre nach der Tat anzuordnen. Dadurch gingen Beweismittel verloren, die insbesondere nach der Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 möglicherweise noch von entscheidender Bedeutung hätten sein können. Im Übrigen war es für den Ausschuss ein sehr befremdlicher Moment, als der Zeuge HansBernard Jansen, der zum Zeitpunkt der Ermittlungen zuständiger Abteilungsleiter bei der StA Köln war, erklärt hat, dass man dem Anschlag in der Probsteigasse keine besondere Bedeutung beigemessen habe.1614 Ein Sprengstoffanschlag, der zu einer schweren Gesundheitsschädigung sowie zu einem erheblichen Sachschaden geführt hat, ist sicherlich nichts Alltägliches und verdient daher zweifelslohne eine besonderen Beachtung. Zu kritisieren ist schließlich, dass der Anschlag in der Probsteigasse nicht mit sich ebenfalls in Köln in den Jahren 1992 und 1993 ereignenden und deutliche Parallelen aufweisenden Sprengfallenanschlägen verglichen wurden. 3. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 Nach der Selbstenttarnung des NSU übernahm im November 2011 der GBA die Ermittlungen hinsichtlich der dem NSU zugerechneten Straftaten. Das Bekanntwerden des NSU-Bekennervideos, das auch den Sprengstoffanschlag in der Kölner Probsteigasse thematisiert, führte dazu, dass die Ermittlungen zu dieser Tat ebenfalls vom GBA übernommen wurden. a. Hinweise auf Täterschaft des NSU-Trios Die Anklageschrift des GBA in dem Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vom 5. November 2012 ordnet den Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse aufgrund folgender Indizien dem NSU-Trio zu: „Einer Urlaubsbekanntschaft gegenüber hat sich Uwe Mundlos damit gebrüstet, dass er wisse, wie man Schwarzpulver herstelle und eine Bombe baue; in der Frühlingsstraße wurden im Brandschutt 2,5 kg allerdings kommerziell hergestellten Schwarzpulvers festgestellt. In dem Selbstbezichtigungs-Video wird der Anschlag ausführlich thematisiert. Nachdem sich die Comicfigur in der Anfangssequenz entschließt, sich für den ‚NSU‘ zu engagieren, wird in der nächsten Gedankenblase ein Bild der roten Stollendose eingeblendet, versehen mit der Überschrift ‚Das Bömbchen‘. Nachdem es dem Panther nicht gelingt, ein Wohnhaus wegzuschieben, ist in der nächsten Szene zu sehen, wie er vor einem Ladengeschäft mit herabgelassener Jalousie, auf der ‚Lebensmittel und Getränkeshop‘ steht, ein Loch gräbt und durch dieses in das Geschäft eindringt. Es folgt eine Explosion, die die Comicfigur durch die Kanalisation auf die Straße schleudert. Hier endet die Comic-Sequenz und es folgen Ausschnitte aus der TV-Berichterstattung im WDR 1612 1613 1614 302 Lüngen, APr 16/1097 S. 8. Lüngen, APr 16/1097 S. 4. Jansen, APr 16/949 S. 40. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 über den Anschlag. Zu sehen sind Polizeikräfte am Tatort in der Probsteigasse. Bei 01.35 min halten die Hände der Comicfigur einen Zettel mit der Aufschrift ‚Das kleine Bömbchen‘ und einem Foto der Stollendose vor das Bild. Anschließend läuft am unteren Rand von rechts nach links die Schlagzeile ‚Opfer liegt im künstlichen Koma‘ durch das Bild, während am oberen Bildrand ein Comic-Krankenwagen in entgegen gesetzter Richtung fährt. Es folgen wieder Aufnahmen von Sicherheitskräften am Tatort, wobei sich von links die Hand der Comicfigur mit einer Pistole ins Bild schiebt und einem Polizisten in die Schläfe schießt. Der Abschnitt schließt mit einem beifälligen Blick der Comicfigur, die aus der Ferne eine Explosion beobachtet. Schon die beiden Vorläuferversionen der Bekenner-DVD hatten den Anschlag zum Gegenstand. In beiden Videos wird das Datum eingeblendet und die Tat unter Verwendung der Presseberichterstattung dargestellt. Die Sequenzen schließen mit dem Satz: ‚Masliya M. weiss nun [in der zweiten Version: ist nun klar,] wie ernst uns der Erhalt der deutschen Nation ist.‘ Für die Fahrt nach Köln stand Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ein Wohnmobil zur Verfügung, das Andre Eminger für sie am 19. Dezember 2000 bei der Firma ‚Caravanbetrieb Horn‘ bis zum 21. Dezember 2000 angemietet hatte.“1615 Auf die Frage, welche Erkenntnisse den Schluss zulassen, dass entweder Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt der Ableger der Sprengfalle waren, haben alle hierzu vom Ausschuss befragten Zeugen insbesondere auf das Bekennervideo des NSU verweisen. Ferner haben in dieem Zusammenhang nahezu alle Zeugen die für den Zeitraum vom 19. bis zum 21. Dezember 2000 erfolgte Wohnmobilanmietung angeführt. Der Zeuge Michael Schweikert, der als Leiter des Team 3 im Unterabschnitt „Ermittlungen“ des Zentralen Einsatzabschnittes der BAO Trio u. a. für die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse verantwortlich war, hat zudem darauf hingewiesen, dass in der letzten Wohnung des sogenannten NSU-Trios den Anschlag in der Prosteigasse thematisierende Zeitungsartikel aufgefunden wordenseien.1616 Die Zeugin Anette Greger, Oberstaatsanwältin beim GBA, hat im Übrigen angeführt, dass Djavad M. Uwe Böhnhardt nach einer Lichtbildvorlage als möglichen Täter in Betracht gezogen habe.1617 aa. Die Bekennervideos Nach dem Brand in der letzten Wohnung des NSU-Trios in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau am 4. November 2011 stellte die Polizei in dem Brandschutt u. a. eine externe Festplatte - Asservat EDV 11 - sicher, auf der sich zahlreiche Videodateien befinden, die überwiegend verschiedene Bearbeitungsstände des finalen Bekennervideos - „Paulchen-Panther“ Version - beinhalten. Dieses Video nimmt - wie bereits in der Anklageschrift des GBA dargestellt - an zahlreichen Stellen Bezug zum Anschlag in der Probsteigasse. Neben der finalen Version sind auf der Festplatte auch zwei Vorläuferversionen des Bekennervideos zu finden. Von diesen beiden Vorläuferversionen finden sich jedoch keine Bearbeitungsstände. Durch wen diese Videos produziert wurden ist nicht bekannt.1618 1615 1616 1617 1618 Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 259 ff. (VS-nfD). Schweikert, APr 16/1088 S. 60. Greger, APr 16/1353 S. 83. Vermerk des BKA vom 5. Dezember 2011, A60753 S. 105 (VS-nfD). 303 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (1) Die erste Vorläuferversion Die erste Vorläuferversion wurde vermutlich im März 2001 erstellt. Dieses Video thematisiert den Mord an Enver Şimşek am 9. September 2000 in Nürnberg sowie den Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse.1619 Auf letzteren wird insbesondere in zwei Sequenzen Bezug genommen. Zum einen wird in einer Sequenz „Köln 19.01.2001“, also das Anschlagsdatum, eingeblendet und direkt darunter das abfotografierte Straßenschild „Probsteigasse“ samt Einbahnstraßensschild abgebildet.1620 Zum anderen wird in einer weiteren Sequenz ein den Anschlag in der Probsteigasse thematisierender Zeitungsartikel eingeblendet.1621 Schließlich enden die Sequenzen zur Probsteigasse mit dem Satz „Masliya M. weiss nun wie ernst uns die Erhaltung der deutschen Nation ist."1622 (2) Die zweite Vorläuferversion Die zweite Vorläuferversion wurde vermutlich im Oktober 2001 erstellt.1623 Neben dem Mord an Enver Şimşek stellt dieses Video drei weitere Morde der Ceska-Mordserie dar, nämlich die Morde an Abdurrahim Özüdoğru am 13. Juni 2001 in Nürnberg1624, an Habil Kılıç am 29. August 2001 in München1625 sowie an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 in Hamburg1626. Auch den Anschlag in der Probsteigasse hat dieses Video zum Gegenstand, wenngleich es deutlich von der ersten Version abweicht.1627 So ist die Sequenz, in der das Anschlagsdatum und das Straßenschild „Probsteigasse“ eingeblendet werden, nicht mehr Bestandteil des Videos. Dafür sind einige weitere Sequenzen hinzugekommen, die ebenfalls signifikant auf den Anschlag in der Probsteigasse Bezug nehmen. Hierzu zählen insbesondere Ausschnitte aus der TV-Berichterstattung im WDR, die sich auch in der finalen Version des Bekennervideos wiederfinden. Der WDR strahlte die im Video verwendeten Ausschnitte, die den Tatort sowie dort eingetroffene Feuerwehrleute und Polizeibeamte zeigen, am Abend des 19. Januar 2001 sowohl in der Sendung „Aktuelle Stunde“ als auch in der Sendung „NRW am Abend“ aus.1628 Auch bei dieser Version enden die Sequenzen zur Probsteigasse mit dem - im Vergleich zur ersten Version etwas abgewandelten - Satz: „Masliya M. ist nun klar, wie ernst uns der Erhalt der deutschen Nation ist“.1629 1619 1620 1621 1622 1623 1624 1625 1626 1627 1628 1629 304 Darauf lässt das Änderungsdatum vom 9. März 2001 schließen, wenngleich zu beachten ist, dass Zeitstempel von elektronischen Daten sehr leicht gefälscht und manipuliert werden können. Ein belastbarer Beleg für den tatsächlichen Zeitpunkt der Erstellung einer Datei kann ein Zeitstempel daher nicht sein. Erste Vorläuferversion, A65256 bei Minute 01:34. Erste Vorläuferversion, A65256 bei Minute 01:45. Ausweislich eines Vermerks des BKA vom 21. Mai 2012 stammt dieser Zeitungsartikel wahrscheinlich aus der Tageszeitung „Kölner StadtAnzeigers“, A60753 S. 171 (VS-nfD). Erste Vorläuferversion, A65256 bei Minute 01:50. Darauf lässt das Änderungsdatum vom 28. Oktober 2001 schließen. Zu den Bedenken hinsichtlich der Aussagekraft von Zeitstempeln elektronischer Daten siehe Fußnote 860. Zweite Vorläuferversion, A65255 ab Minute 00:53. Zweite Vorläuferversion, A65255 ab Minute 03:05. Zweite Vorläuferversion, A65255 ab Minute 04:57. Zweite Vorläuferversion, A65255 ab Minute 03:43. Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 15. Zweite Vorläuferversion, A65255 ab Minute 04:48. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (3) Auswertung der Bekennervideos Das BKA nahm eine ergänzende Auswertung zu den in den NSU-Bekennervideos verwendeten TV-Beiträgen sowie Zeitungsartikeln vor.1630 Ziel der Auswertung war es, einen zusammenfassenden Überblick zu der Herkunft der verwendeten Zeitungsartikel und TV-Beiträge zu geben, um so klären zu können, ob Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und / oder Beate Zschäpe die Möglichkeiten hatten, selbst an die verwendeten Zeitungsartikel und TV-Beiträge zu kommen oder ob es Zuarbeiten außerhalb des Trios zu dem Video gegeben haben muss.1631 Die Auswertung ergab keine Anhaltspunkte dafür, dass die den Anschlag in der Probsteigasse thematisierenden Aufnahmen nicht durch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt respektive Beate Zschäpe in Zwickau aufgenommen worden sein könnten.1632 Gleichwohl ist damit nicht auszuschließen, dass diese Aufnahmen durch andere Personen getätigt worden sein könnten.1633 Die Ursprungsquelle, z.B. VHS-Kassette, DVD-RAM, dieser Aufnahmen ist nicht bekannt.1634 (4) Weitere, noch offene Fragen Auf die Frage, warum die aus der am 19. Januar 2001 bundesweit ausgestrahlten WDRSendung „Aktuelle Stunde“ stammenden TV-Beiträge zum Anschlag in der Probsteigasse nicht bereits in der ersten Vorläuferversion des Bekennervideos Verwendung gefunden hätten, hat die Zeugin Jeanette Pflug erklärt: „Also, konkret den Punkt habe ich jetzt nicht überprüft. Das Problem ist da, wir haben halt auch nicht diese Ursprungsquelle. Also, wenn wir da jetzt eine VHS-Kassette hätten, wäre ich ja sehr glücklich, aber da haben wir ja wirklich nur die verwendeten Beiträge dann auch im abschließenden Bekennervideo. Ich habe jetzt nicht geguckt, ob da … Videoschnittprogramme, wann die zum Beispiel auf EDV 11 waren.“1635 Mit der Auswertung des im ersten Vorläufervideo eingeblendeten Fotos, welches das Straßenschild „Probsteigasse“ zeigt, seien andere Kollegen befasst gewesen, so dass die Zeugin Jeanette Pflug die Frage, ob das Foto in den Asservaten, gefunden worden sei, nicht beantworten konnte.1636 Schließlich ist mit Blick auf die vom 19. Januar 2001 stammenden und im Bekennervideo verwendeten TV-Beiträge zum Anschlag in der Probsteigasse hinterfragt worden, wie das NSU-Trio in Zwickau von der Explosion am 19. Januar 2001 in Köln erfahren habe. Hierzu hat die Zeugin Jeanette Pflug erklärt: „Da haben wir uns auch gefragt: Wie können die davon halt vorher erfahren haben? Und da hatten wir dann die Hypothese, dass die sich vielleicht über Videotext informiert haben. Hierzu habe ich auch beim WDR angefragt. Das ärgert mich auch wieder: Das Videoarchiv reicht nur bis 2005, also konnten wir jetzt zu den Taten in 2001 und in 2004 nichts mehr erheben. Aber wieder diese Transferleistung, also was da interessant ist: Zu dem Mord an Mehmet Kubaşık, da wurde berichtet. Oder zu dem zweiten Jahrestag in der Keupstraße, da wurde berichtet. Und an dem zweiten Jahrestag gibt es auf diesem Asservat 2.12.70511 1630 1631 1632 1633 1634 1635 1636 Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 1 ff. Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 2. Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 15. Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 16. Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 15. Pflug, APr 16/1422 S. 41. Pflug, APr 16/1422 S. 42. 305 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 auch Aufzeichnungen. Von daher, also für mich persönlich ist das jetzt einfach zumindest eine Erklärung, also dass die sich den Videotext angeschaut haben, und dann: Oh, da läuft heute Abend mal was! - Die hatten ja auch theoretisch Zeit“.1637 Den Akten lassen sich keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, die die von der Zeugin Jeanette Pflug angeführte Hypothese unterstützen bb. Die Wohnmobilanmietung Am 16. November 2011 sichteten Einsatzkräfte der BAO Trio Geschäftsunterlagen der Chemnitzer Firma „Caravanvertrieb Horn“. Dabei stellten sie u. a. mehrere Kopien von Schriftstücken sicher, die im Zusammenhang zu Taten stehen könnten, die dem NSU zugerechnet werden.1638 Hierzu zählt auch die Kopie eines Mietvertrages vom 19. Dezember 2000. Diesem Vertrag zufolge mietete André Eminger für den Zeitraum vom 19. Dezember 2000 um 9.30 Uhr bis zum 21. Dezember 2000 um 18.00 Uhr das Wohnmobil Cristall H 590 mit dem amtlichen Kennzeichen C-HU 676.1639 Hinweise auf eine Verlängerung des Mietvertrages oder eine verspätete Rückgabe finden sich nicht. Wie der Anklageschrift zu entnehmen ist, geht der GBA davon aus, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos dieses Fahrzeug zur Fahrt nach Köln nutzten.1640 Nach Angaben des Djavad M. wurde der Präsentkorb zwei oder drei Tage vor Weihnachten, also am 21. oder 22. Dezember 2000, zwischen 17.30 Uhr und 19.00 Uhr im Geschäft zurückgelassen.1641 Demnach käme eine zeitliche Überschneidung mit der besagten Wohnmobilanmietung allenfalls für den 21. Dezember 2000 in Betracht, wobei das Wohnmobil laut Mietvertrag am 21. Dezember 2000 um 18.00 Uhr wieder in Chemnitz abzugeben war, der Präsentkorb aber erst zwischen 17.30 und 19.00 Uhr in Köln zurückgelassen wurde. Der Zeuge Jörg Lehmann, der im Rahmen der BAO Trio u. a. mit Ermittlungen zu Fahrzeuganmietungen befasst war, hat hierzu erklärt: „Das ist möglicherweise so, dass ein Täter durchaus auch am 20.12. dort erschienen sein kann. Die Anmietung war ja, wenn ich mich richtig entsinne, vom 19.12. bis 21.12. […] Letztendlich führe ich das zurück auf die Aussagen des Geschädigten aus dem Jahre 2001, der gesagt hat, soweit er sich erinnern kann, hat der Täter oder Tatverdächtige zwei oder drei Tage vor Weihnachten – mit dieser vagen Aussage – das im Geschäft zurückgelassen. Für mich war das jetzt also nicht absolut zwingend der einzig einschränkbare Zeitraum, sondern es gibt auch die Möglichkeit, dass der Geschädigte sich um ein oder zwei oder drei Tage vertun kann. Im Nachhinein ist so was durchaus möglich. Damit unterstelle ich dem Geschädigten nicht, dass er sich nicht präzise zu erinnern vermag. Aber das ist nun mal aus der rückwärtigen Betrachtung schwierig.“1642 1637 1638 1639 1640 1641 1642 306 Pflug, APr 16/1422 S. 42. Vermerk des BKA vom 16. November 2011, A60753 S. 128 f. (VS-nfD); Vermerk des BKA vom 23. Dezember 2011, A60753 S. 132 (VS-nfD). Ablichtung Mietvertrag, A60753 S. 130 (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 261 (VS-nfD). In seiner Vernehmung vom 19. Januar 2001 gab Djavad M. an, dass es „zwischen 17.30 und 18 Uhr“ gewesen sei, A60749 S. 24. Demgegenüber gab er in seiner Vernehmung vom 23. Februar 2012 an, dass es „gegen 18 Uhr oder 19 Uhr“ gewesen sei, A60754 S. 77 (VS-nfD), Mahshid M. gab in ihrer Vernehmung vom 3. Januar 2012 an, dass es „zwischen 18 und 19 Uhr“ gewesen sei, A60754 S. 9 (VS-nfD). Lehmann, APr 16/982 S. 98 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ermittlungen des BKA ergaben, dass das Wohnmobil im Oktober 2001 zunächst von der Firma Horn an die Firma Weig in Floss / Oberpfalz verkauft wurde, die es sodann nach Finnland an die Firma Auto Mikaki weiterverkaufte.1643 An diese Ermittlungen anknüpfende weitergehende Maßnahmen wurden jedoch nicht ergriffen. Danach gefragt, ob mal darüber nachgedacht worden sei, sich über ein Rechtshilfeersuchen das Fahrzeug in Finnland anzuschauen oder mit dem Besitzer oder Eigentümer zu sprechen, hat der Zeuge Jörg Lehmann geantwortet, dass er dies zwar vorgeschlagen geschlagen habe, er jedoch aufgrund seines Ausscheidens aus der BAO Trio nicht mehr erlebt habe, ob sein Vorschlag umgesetzt worden sei.1644 Auf die Frage, ob er sich in der Folge nach dem Fortgang der Ermittlungen dieser Spur und einer Umsetzung seines Vorschlages erkundigt habe, hat er angegeben: „Letztendlich war ich, wie gesagt, für vier Wochen in diesem Bereich eingesetzt, und es war klar, dass ich nur für einen begrenzten Zeitraum dort eingesetzt werde. Letztendlich gab es dann auch bei der Vielzahl der Aufträge, die ich abzuarbeiten hatte, bestimmte Sachen, über die man sich unterhalten hat. Genau an dieses Fahrzeug zum Beispiel, das nach Finnland gegangen sein sollte, erinnere ich mich insofern, weil ich diesen Vorschlag gemacht habe, dass man vielleicht dort noch mal zumindest eine forensische Untersuchung, Spurensuche am Fahrzeug versuchen sollte, um zu gucken, ob dort noch etwas zu sichern ist. Es wurde dann auch abgewogen und gesagt: Na, ja, was sollte denn dort zum Beispiel noch an Fingerspuren oder Sprengstoffspuren zu finden sein nach all den Jahren, nach etlichen Fahrzeugreinigungen? Ich habe, wie gesagt, vorgeschlagen, dass das durchaus angedacht werden soll. Und dann war meine Zeit bei der ‚Trio‘ auch schon rum, und ich musste nach Berlin zurückkehren und mich anderen Aufgaben widmen. Insofern habe ich dann tatsächlich nicht mehr hinterfragt.“1645 Darüber hinaus ergaben die Ermittlungen keinerlei Erkenntnisse darüber, wieviele Kilometer in der Zeit zwischen dem 19. und 21. Dezember 2000 mit dem Wohnmobil gefahren wurden.1646 Auch Ermittlungen zu einem möglichen Abstellplatz des Wohnmobils im Kölner Stadtgebiet verliefen ergebnislos.1647 Indizien dafür, dass mit dem angemieteten Wohnmobil eine Fahrt nach Köln durchgeführt wurde, können somit nicht festgestellt werden. cc. In der Wohnung des Trios aufgefundene Zeitungsartikel In der letzten Wohnung des NSU-Trios in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau, wurden eine Vielzahl von Zeitungsartikeln aufgefunden, die sich überwiegend mit der Ceska-Mordserie sowie mit den beiden Sprengstoffanschlägen in Köln befassen. Den Anschlag in der Probsteigasse haben drei der aufgefundenen Zeitungsartikel zum Gegenstand. Auf einem dieser Artikel, aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 20. / 21. Januar 2001, ist handschriftlich „19.01.2001“, mithin das Anschlagsdatum, notiert. Diese Notiz stammt ausweislich eines Gutachtens des BKA „mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit“ von Uwe Mundlos.1648 1643 1644 1645 1646 1647 1648 Vermerk des BKA vom 26. Dezember 2011, A60753 S. 137 (VS-nfD); Vermerk des BKA vom 4. Januar 2012, A60753 S. 139 f. (VS-nfD). Lehmann, APr 16/982 S. 75 f. Lehmann, APr 16/982 S. 76. Lehmann, APr 16/982 S. 74 f. Vermerk des BKA vom 26. Dezember 2011, A60753 S. 136 (VS-nfD). Behördengutachten vom 18. April 2012, A60753 S. 245, 264 (VS-nfD). 307 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die beiden weiteren Zeitungsartikel zum Anschlag in der Probsteigasse lassen sich einem Vermerk des BKA zufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zuordnen.1649 Der Artikel mit der Überschrift „Bombe in Geschäft explodiert“ wird in beiden Vorgängerversionen des Bekennervideos eingeblendet. Auch Teile des Artikels mit der Überschrift „Opfer liegt im künstlichen Koma“ finden sowohl in der zweiten Vorgängerversion als auch in der finalen Version des Bekennervideos Verwendung. In beiden Versionen wird ein Ticker-Laufband mit dem Text „Opfer liegt im künstlichen Koma“ sowie eine rote Blechdose mit weißen Sternchen, die ebenfalls aus dem besagten Artikel stammt, eingeblendet. Die Ermittlungen konnten die Herkunft der Zeitungsartikel zwar nicht abschließend klären, jedoch bestand zumindest die Möglichkeit, dass sich das NSU-Trio die Zeitungen etwa in der Bahnhofsbuchhandlung in Zwickau besorgt haben könnte,1650 in der in den relevanten Zeitpunkten auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erhältlich war.1651 Anderseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeitungen durch andere Personen / Unterstützer beschafft wurden.1652 dd. Aussagen von Djavad und Mahshid M. (1) Aussagen des Djavad M. Die Zeugin Anette Greger hat als Indiz dafür, dass Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt der Ableger der Sprengfalle war, u. a. angeführt, dass Djavad M. Uwe Böhnhardt als möglichen Täter in Betracht gezogen habe.1653 Es ist davon auszugehen, dass sie insofern auf die Vernehmung des Djavad M. vom 23. Februar 2012 Bezug genommen hat. Im Rahmen dieser Vernehmung wurde Djavad M. eine aus 22 Lichtbildern bestehende Lichtbildvorlagedatei des BKA gezeigt worden.1654 Vor dem Hintergrund, dass der Täter längere Haare gehabt habe, wurden die 22 abgelichteten Personen, unter ihnen auch Uwe Böhnhardt, alle mit derselben Frisur versehen, wie das nach Angaben des Djavad M. gezeichnete Phantombild.1655 Zu diesen Lichtbildern befragt, sagte Djavad M. Folgendes: „Die Person auf Bild 3 [Uwe Böhnhardt] hat eine Frisur, die genau so ist, wie die von dem Mann. Er hat auch das knochige Gesicht. aber keine Brille. Ich kann aber nicht sagen, dass das der Mann ist. Er sah ungefähr so aus. Die Bilder 10, 12 [Achim Armin Fiedler]1656, 19 kommen dem Mann auch näher. Aber das Bild 3 ist am besten.“1657 Neben dieser Lichtbildvorlagedatei wurden Djavad M. auch noch verschiedene Bilder von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gezeigt, woraufhin er Folgendes angab: „Einen der Beiden habe ich auch in der Presse gesehen. Die Beiden waren nicht bei mir im Geschäft. Ich glaube das nicht.“1658 Mithin zog Djavad M. - entgegen der Aussage der Zeugin Anette Greger - Uwe Böhnhardt nicht als möglichen Täter in Betracht; er schloss ihn vielmehr aus. Lediglich in Bezug auf ein 1649 1650 1651 1652 1653 1654 1655 1656 1657 1658 308 Vermerk des BKA vom 21. Mai 2012, A60753 S. 171 f. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 3, S. 7., S. 16. Vermerk des BKA vom 3. Juni 2012, A60753 S. 228 f. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 16. Greger, APr 16/1353 S. 83. Vernehmung des Djavad Malayeri vom 23. Februar 2012, A60754 S. 76 ff. Lichtbildvorlagedatei 2012/5051 des BKA vom 23. Februar 2012, A60754 S. 81 ff. (VS-nfD). Zu vgl. Zweiter Teil B. I. 4. b. bb. Vernehmung des Djavad M. vom 23. Februar 2012, A60754 S. 79 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 23. Februar 2012, A60754 S. 80 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bild, das einen verfremdeten Uwe Böhnhardt zeigt, sagte er, dass diese Person ungefähr so aussehe wie der Täter. (2) Aussagen der Mahshid M. (a) Die Beschreibung des Täters Die zum Tatzeitpunkt 14-jährige Mahshid M. gab, in einer am 19. Januar 2001 in Abwesenheit ihrer Eltern durchgeführten Vernehmung an, zu dem Kunden, der den Korb samt Sprengsatz in dem Geschäft zurückließ, nichts sagen zu können.1659 Diese Aussage korrigierte sie in ihrer Vernehmung vom 3. Januar 2012, in der sie angab, den Mann gesehen zu haben und ihn beschrieb.1660 Zur Erklärung, warum sie im Januar 2001 keine Angaben hat machen können, führte sie aus: „Zu damals muss ich sagen, dass es für mich eine schwierige, verstörte Situation war. Ich hatte nur gesehen wie der Krankenwagen kam und wurde dann sofort von der Polizei mit genommen. Ich wusste nicht was wirklich passiert und was mit meiner Schwester war. Ich habe dann auch erst Stunden später meine Familie wieder gesehen, im Krankenhaus. Ich kann ihnen auch nicht mehr wirklich sagen, was ich damals gesagt habe. Ich war auch eher ein schüchternes Kind. Es ist möglich, dass ich gesagt habe, dass ich zu dem Mann nichts sagen kann. Ich war sicher traumatisiert. Kurze Zeit später war mir schon klar, dass ich den Mann gesehen hatte.“1661 Ihre nun erfolgte Beschreibung des Mannes entspricht insbesondere hinsichtlich der Frisur („mittelblonde Haare, um Nacken etwas länger“1662 bzw. „mittelblonde Haare. …länglich, so bis über die Ohren“1663), der Hautfarbe („weißes Gesicht“1664 bzw. „helle Haut“1665), der vermuteten Nationalität („ich denke das es sich bei ihm um einen Deutschen handelt“)1666 bzw. „Er hätte deutsch, polnisch sein können“1667) sowie des Sprachstils („er sprach Deutsch ohne Akzent, Hochdeutsch“1668 bzw. „er hatte auch keinen Akzent“1669) den Angaben ihres Vaters. Darüber hinaus gaben beide an, dass der Mann keinen Bart hatte und keine Brille trug.1670 Auch hinsichtlich der Körpergröße („ca. 175 bis 180 cm“1671 bzw. „knapp 180 cm“1672) sowie des Alters („25 - 26 Jahre“1673; „zwischen 25 und 30 Jahre“1674 bzw. „30 bis Mitte 30“1675) sind Schnittmengen festzustellen. Abweichende Beschreibungen gab es allerdings in Bezug auf die Statur des Mannes. Mashid M. beschrieb ihn als weder sehr schlank noch sehr dick1676, 1659 1660 1661 1662 1663 1664 1665 1666 1667 1668 1669 1670 1671 1672 1673 1674 1675 1676 Vernehmung der Mahshid M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 49. Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 10 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 29. Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 24. Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 29. Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 29. Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 24, 29; Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 29. Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 24, 29. Vernehmung des Djavad M. vom 23. Februar 2012, A60754 S. 78 (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). 309 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wohingegen Djavad M. angab, dass er schlank gewesen sei.1677 Ebenfalls divergierende Angaben erfolgten hinsichtlich der Kleidung; anderes als Djavad M., der angab, dass der Mann keine Jacke getragen habe1678, soll er nach Angaben der Mahshid M. einen Mantel getragen haben.1679 Am 10. Januar 2012 wurde Mahshid M. einer forensischen Hypnose unterzogen. Die Hypnose sollte ihr Erinnerungsvermögen bezüglich des Aussehens der männlichen Person, die den Korb im Geschäft ihrer Familie zurückließ, verbessern. Im Anschluss der Hypnose wurde ein den Angaben der Mahshid M. entsprechendes Phantombild erstellt.1680 (b) Aussagen zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Mahshid M. schloss in mehreren Vernehmungen eine Täterschaft von Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt aus. So gab sie etwa in ihrer Vernehmung vom 3. Januar 2012 an, dass sie die in der Presse veröffentlichten Fotos von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht dem Täter zuordnen kann.1681 Diese Einschätzung wurde durch ihre Vernehmung vom 25. Januar 2012 bestätigt. Denn auf den ihr dabei vorgelegten Lichtbildern, unter denen sich auch jeweils ein Bild von Uwe Mundlos respektive Uwe Böhnhardt befanden, erkannte sie keinen der beiden als möglichen Täter wieder.1682 Die vorgelegten Lichtbilder waren Gegenstand einer Lichtbildvorzeigedatei des BKA vom 20. Januar 2012.1683 Auch hier wurden die abgelichteten Personen hinsichtlich ihrer Frisuren dem nach Angaben des Djavad M. gezeichneten Phantombild entsprechend angepasst. Schließlich wurden Mahshid M. im Rahmen ihrer Vernehmung vom 19. März 2012 Fahndungsbilder von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gezeigt. Da sie in früheren Vernehmungen bereits deutlich gemacht hatte, dass sie keinen der beiden als möglichen Täter in Betracht ziehe, wurde sie nun gefragt, an welchen Merkmalen sie dies festmache. Sich die Bilder 1a (Uwe Böhnhardt)1684, 2a (Uwe Mundlos)1685 und 3a Uwe Böhnhardt1686 anschauend, gab Mahshid M. zunächst Folgendes an: „Also rein von den Merkmalen könnten die Bilder jetzt schon passen. Ich habe ja auch nach der Hypnose beschrieben. Vom Mund her würde das jetzt passen. Das Gesicht ist ja schon nicht richtig schmal, etwas rundlich, markant ein wenig eckig. Die Augen waren bläulich. Jedenfalls, weiß ich nicht woran ich die Personen auf den jetzt vorliegenden Bildern. Ich habe das eigentlich am Alter festgemacht, aber von den beiden Bildern 1a und 2a würde auch das Alter passen. Auf dem Bild 3a ist die Person zu jung. Die Ohren sind auch zu abstehend. Die Nase passt, aber die Lippen sind zu dick.“1687 1677 1678 1679 1680 1681 1682 1683 1684 1685 1686 1687 310 Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 24, 29. Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 29. Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 15. Januar 2012, A60754 S. 26 (VS-nfD); Phantombild, A60754 S. 31 (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 9 (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 25. Januar 2012, A60754 S. 51 (VS-nfD). Lichtbildvorzeigedatei des BKA vom 20. Januar 2012, A60754 S. 52 ff. (VS-nfD). Im Jahr 2011 gefertigtes Lichtbild von Uwe Böhnhardt, A60754 S. 140, 143 (VS-nfD). Im Jahr 1996 gefertigtes Lichtbild von Uwe Mundlos, A60754 S. 141, 143 (VS-nfD). Im Jahr 1997 gefertigtes Lichtbild von Uwe Böhnhardt, A60754 S. 142 f. (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 19. März 2012, A60754 S. 125 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auf die sich sodann anschließende Frage, ob sie noch etwas hinzuzufügen habe, sagte sie: „Nein, es ist wirklich nicht einfach für mich. Fragen sie mich jetzt und ich gucke nur auf die Bilder 1a und 2a könnte auch Bild 1a der Täter gewesen sein, wenn man sich die Frisur vom Täter (mittellang, dunkelblond) auf dem Bild 1a vorstellt. Aber Bild 3a kann meiner Meinung nicht der Täter gewesen sein, weil die Person auf dem Bild einfach zu jung und zu schmal ist. Fakt ist, dass ich mich nicht mehr wirklich erinnern kann.“1688 ee. Der Ableger der Sprengfalle habe Hochdeutsch gesprochen Nach Angaben des Djavad M. habe der Ableger der Sprengfalle Hochdeutsch gesprochen. Auch Mahshid M. beschrieb den Sprachstil des Täters ähnlich. Er habe keinen Akzent gehabt1689 respektive sich nicht mit einem Jargon ausgedrückt.1690 Die Zeugin Annika Voggenreiter, die im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der BAO Trio u. a. Ermittlungen zum Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse durchführte, hat erklärt, dass dieser Aspekt zwar berücksichtigt worden sei. Gleichzeitig hat sie eingeräumt, dass „keine Ermittlungen in diese Richtung ganz spezieller Art gemacht“ worden sind.1691 Demgegenüber hat der Zeuge Michael Schweikert die Werthaltigkeit der Angaben von Djavad und Mahshid M. in Frage gestellt. „Ich kann das schwer bewerten. Zunächst: Jemand, der Dialekt spricht, kann grundsätzlich auch hochdeutsch sprechen. Insofern ist das jetzt keine Aussage, die irgendwie einen Beweiswert hat. Zum anderen hat es sich bei den Zeugen ja um iranische Staatsangehörige gehandelt. Und da ist auch die Frage, inwieweit sie das so beurteilen können wie vielleicht ein Muttersprachler. Aber das ist reine Mutmaßung von mir. Insofern: Bewerten Sie es selbst.“1692 Daraufhin wurde im Ausschuss angemerkt, dass auch jemand, der ursprünglich aus Persien stammt, durchaus in der Lage ist, zwischen einem Akzent und Hochdeutsch zu unterscheiden. Der Zeuge Otmar Soukup, Leiter der BAO Trio des BKA, hat sich zu diesem Aspekt wie folgt geäußert: „Na ja, es ist immer die Frage, wie man ‚Hochdeutsch‘ versteht. Wer spricht Hochdeutsch, und wie kann man vielleicht auch seine Sprache verstellen? Also, wenn man sich die Sprache von Böhnhardt und Mundlos anhört, dann haben die natürlich diesen sächsischen Einschlag. Die Frage, wie das Gegenüber dies interpretiert, ob man sagt: ‚Das ist jetzt Sächsisch‘, oder ... Manch einer kommt vielleicht auf die Idee: Das ist Hochdeutsch. Also, die Aussage gibt es. Ich würde die aber jetzt – ich sage mal – in der Bewertung nicht so als absolut und ausschließend in der Richtung bewerten, dass man sagt: Wegen dieses Umstands kann das weder Mundlos noch Böhnhardt gewesen sein. 1688 1689 1690 1691 1692 Vernehmung der Mahshid M. vom 19. März 2012, A60754 S. 125 (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 19. März 2012, A60754 S. 126 (VS-nfD). Voggenreiter, APr 16/952 S. 125. Schweikert, APr 16/1088 S. 87. 311 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Also, da sind viele Fragezeichen; es lässt sich letztlich überhaupt nicht beweisen, dass ... Es lässt sich aber auch nicht ausschließen, dass sie es nicht gewesen sind.“1693 Schließlich hat die Zeugin Anette Greger deutlich gemacht, dass sie diesem Aspekt keine entscheidende Bedeutung beimisst: „Wir müssen natürlich in diese Bewertung der Zeugenaussage immer auch einfließen lassen, wie sie entstanden ist. Sie ist ja nicht sofort nach dem Ablegen der Bombe entstanden, sondern es sind ja etwa drei Wochen zwischen der Zeugenaussage, der Beschreibung der Person und dem Ablegen. Natürlich verändern sich auch Erinnerungen. Damit müssen wir als Strafverfolgungsbehörde einfach umgehen, dass ein Zeuge eine Person beschreibt, und wir wissen überhaupt nicht, wie Böhnhardt und Mundlos aufgetreten sind. Wir haben so viele Zeugen, die mit ihnen gesprochen haben, da gibt es vom thüringischen Dialekt bis andere Landesdialekte bis Hochdeutsch sehr viele Beschreibungen. Das ist jetzt für mich jetzt überhaupt kein Kriterium, die beiden auszuschließen. Für uns sind die beiden verantwortlich für diesen Anschlag. Da haben wir überhaupt keinen Zweifel.“1694 ff. Der Ableger der Sprengfalle hatte längere Haare Den Beschreibungen von Djavad und Mahshid M. zufolge hatte der Ableger der Sprengfalle mittelblonde, ein wenig gelockte Haare, die mit einem Mittelscheitel nach hinten gekämmt waren und bis über die Ohren gingen.1695 Da diese Beschreibung nicht den zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vorliegenden Erkenntnissen entspricht, ist im Ausschuss gefragt worden, ob es irgendwelche Hinweise darauf gibt, dass Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt jemals längere Haare hatten oder dass sie Perücken verwendeten. Der Zeuge Michael Schweikert hat dies verneint.1696 Ebenso der Zeuge Dr. Dominik Glorius, Vorgänger des Zeugen Michael Schweikert1697, der nämlich mit Blick auf die Frisur des Täters Folgendes erklärt hat: „Und wenn man sich jetzt unsere Beschuldigten angeschaut hat, war eigentlich relativ deutlich, dass zumindest die Hauptbeschuldigten in den maßgeblichen Zeiträumen keine langen Haare hatten,…“1698 Jedenfalls zum Zeitpunkt des Ablegens der Sprengfalle im Geschäft der Familie M. dürfte ausgeschlossen sein, dass Uwe Böhnhardt eine dem Phantombild entsprechende Frisur hatte. Denn die Bilder aus Mai 2000 zeigen ihn ca. sieben Monate vor dem relevanten Zeitpunkt noch mit kurz geschorenen Haaren.1699 1693 1694 1695 1696 1697 1698 1699 312 Soukup, APr 16/1347 S. 49. Greger, APr 16/1353 S. 84. Vernehmung des Djavad M. vom 19. Januar 2012, A60749 S. 24, 29; Vernehmung der Mashid M. vom 3. Januar 2012, A60754 S. 8 (VS-nfD); Vernehmung des Djavad M. vom 23. Februar 2012, A60754, S. 78(VS-nfD); Phantombilder, A60754 S. 150 f. (VS-nfD). Schweikert, APr 16/1088 S. 66. Der Zeuge Dr. Glorius war zwischen dem 9. Januar 2012 und dem 16. Februar 2012 Leiter des Team 3 im Unterabschnitt „Ermittlungen“ des zentralen Einsatzabschnittes der BAO Trio. Dr. Glorius, APr 16/1422 S. 8. Die Bilder sind in dem Buch „Heimatschutz – Der Staat und die Mordserie des NSU“ abgedruckt, A95376 S. 412. Unter den dort abgedruckten Bildern ist angemerkt, dass sie einem Gutachten des BKA zufolge mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit Uwe Böhnhardt bei einem Umzug in Chemnitz zeigen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gg. Tatortauswahl Die Probsteigasse ist eine relativ kleine, unscheinbare Seitenstraße in Köln. Sie ist - anders als die Keupstraße – nicht migrantisch geprägt. Von außen war nicht zu erkennen, dass das Lebensmittelgeschäft von einer iranisch stämmigen Familie betrieben wurde - im Gegenteil: über dem Geschäft hing ein Schild, auf dem „Lebensmittel Getränkeshop Gerd Simon“ stand. Der Zeuge Dieter Kretzer, Leiter des regionalen Abschnitts NRW in der BAO Trio des BKA, hat erklärt, dieser Aspekt habe auch die Ermittler beschäftigt. Er hat hierzu Folgendes ausgeführt: „Aber es ist hier – und das haben wir auch im Ermittlerkreis immer diskutiert – schon verwunderlich: Es ist ja eine Nebengasse. Wie kommt man zu der Objektauswahl? Da stand ein deutscher Name auf dem Geschäft nach wie vor. Also, wenn man jetzt sagt, das war fremdenfeindlich motiviert – es muss jemand doch die Kenntnis gehabt haben, dass trotz dieser deutschen Namensanzeige in der Leuchtschrift darüber, oder was das gewesen ist über dem Geschäft in dem Schild, da iranische Menschen ein Geschäft betreiben.“1700 Im Gegensatz zu anderen dem NSU zugeschriebenen Taten - etwa der Tat in Dortmund wurden beim NSU-Trio weder Ausspähnotizen noch Recherchematerial zu der Stadt, in der die Tat letztlich erfolgte, gefunden. Zwar wurde ein ADAC-Stadtplan von Köln sichergestellt, jedoch stammt dieser nachweislich nicht aus den Jahren vor 2002, weil auf dem Stadtplan Euro-Preise angegeben sind und die Euro-Einführung in Deutschland erst am 1. Januar 2002 erfolgte.1701 Dieser Stadtplan kann daher nicht der Vorbereitung des Anschlags in der Probsteigasse gedient haben. Auch der Zeuge Dieter Kretzer hat eingeräumt, dass bezüglich des Tatorts und der Tat in der Probsteigasse nichts Belastbares habe gefunden werden können, was eine Täterschaft oder Teilnahme von Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt belegen könnte.1702 hh. Weitere Zeugen Im Jahr 2001 hatten drei Personen angegeben, die Person auf dem Phantombild in der Zeit vor Weinachten und zum Teil auch Anfang Januar mehrfach in der Probsteigasse gesehen zu haben.1703 Diesen Personen wurden nach der Selbstenttarnung des NSU weder die Bilder von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt noch von anderen im NSU-Komplex relevanten Personen vorgelegt. Sie wurden auch nicht erneut vernommen. ii. Kritische Würdigung Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt die Sprengfalle abgelegt haben. Das Bekennervideo und die in der letzten Wohnung des NSU-Trios aufgefunden Zeitungsartikel sind zwar sehr starke Indizien dafür, die Tat dem NSU zuzurechnen. Allerdings muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass einer der beiden die Sprengfalle in dem Geschäft hinterlassen hat. Es ist nicht auszuschließen, dass dem NSU noch weitere Personen angehörten. Vielmehr deutet u. a. das Bekennervideo darauf hin, dass der NSU mehr als nur drei Mitglieder oder zumindest weitere Unterstützer hatte. Gleich zu Beginn des finalen Bekennervideos heißt es nämlich: 1700 1701 1702 1703 Kretzer, APr 16/952 S. 70 f. Vermerk des BKA vom 6. März 2012, A60753 S. 149 (VS-nfD). Kretzer, APr 16/952 S. 71. Vermerke des PP Köln vom 21. und 23. Januar 2001, A60752 S. 176, 179, 352. 313 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Der Nationalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz -Taten statt Worte -“.1704 Es dürfte jedoch äußerst unwahrscheinlich sein, dass ein Netzwerk lediglich aus drei Personen besteht, insbesondere dann, wenn die drei Personen aus Thüringen stammen und im maßgeblichen Zeitraum ihren Wohnsitz in Sachsen hatten, die ihnen zugerechneten Morde und Sprengstoffanschläge aber in Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Hessen und Baden-Württemberg verübt wurden. Neben diesem Intro sind insbesondere im Zusammenhang mit dem Anschlag in der Probsteigasse einige Indizien zu erkennen, die zumindest für die Beteiligung einer weiteren - bisher nicht identifizierten - Person sprechen. Insoweit ist vor allem anzuführen, dass der Ableger der Sprengfalle längere Haare hatte. Wie auch der Zeuge Michael Schweikert eingeräumt hat, gibt es allerdings keine Hinweise darauf, dass Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt jemals längere Haare hatten oder dass sie Perücken verwendeten. Zudem schlossen sowohl Djavad als auch Mahshid M. anhand von Lichtbildern Uwe Mundlos respektive Uwe Böhnhardt als Täter aus.1705 Ferner ist weiterhin ungeklärt, wie es Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt gelungen sein soll, ohne Ortskenntnisse das in einer eher unscheinbaren Seitenstraße gelegene Geschäft als potentiellen Tatort ausfindig zu machen, zumal aufgrund des Geschäftsnamens „Gerd Simon“ von außen ein Migrationshintergrund des Inhabers nicht zu erkennen war. Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, wie das NSU-Trio in Zwickau von der tatsächlichen Umsetzung des Sprengsatzes am 19. Januar 2001 erfahren hat. Im Übrigen gibt es unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Ablegens der Sprengfalle und einer damit möglicherweise korrespondierenden Wohnmobilanmietung keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Uwe Mundlos und / oder Uwe Böhnhardt dieses Wohnmobil auch für eine Fahrt nach Köln genutzt haben. All diese Aspekte lassen daran zweifeln, dass einer der beiden die Sprengfalle in dem Geschäft der Familie M. hinterlassen hat. Vielmehr geben sie Anlass dazu, zumindest eine weitere - bisher nicht identifizierte - Person als mögliches Mitglied oder Unterstützer des NSU in Betracht zu ziehen. Selbst einige im Ausschuss vernommene Ermittlungspersonen haben Zweifel an einer Täterschaft von Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt erkennen lassen. So hat die Zeugin Annika Voggenreiter auf die Frage, ob es denn außer dem Bekennervideo noch Hinweise gibt, die auf das NSU-Trio hinweisen, geantwortet: „Wie gesagt, diese Fahrzeuganmietung, die zeitlich passt – und ja auch dieser Bezug nach Köln, dass man dann auch diesen Anschlag in der Keupstraße hat, dass man dann, wenn man davon ausgeht, dass das Mundlos und Böhnhardt gewesen sind, ja zwei Mal eine Tat in Köln hatte. Ansonsten - da muss ich Ihnen recht geben – ist die Beweislage sehr … liegen nicht viele Beweise vor, dass die Probsteigasse Mundlos und Böhnhardt zugeschrieben werden kann.“1706 1704 1705 1706 314 Finale Version des Bekennervideos, A65254 bei Minute 00:01. Zu vgl. Zweiter Teil B. I. 4. a. dd. Voggenreiter, APr 16/952 S. 125. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Noch deutlicher lassen sich die Zweifel an einer Aussage des Zeugen Otmar Soukup festmachen, der in seiner Vernehmung Folgendes erklärt hat: „Also, da sind viele Fragezeichen; es lässt sich letztlich überhaupt nicht beweisen, dass ... Es lässt sich aber auch nicht ausschließen, dass sie es nicht gewesen sind.“1707 Letztlich ist auch nicht auszuschließen, dass es sich bei den Tätern des Anschlags um völlig andere, nicht dem NSU, zuzurechnenden Personen gehandelt hat. b. Hinweise auf weitere Täter oder Unterstützer aa. Die Spur Johann Helfer (1) Die Entstehung der Spur Am 18. Januar 2012 übersandte das BKA dem BfV die im Zusammenhang mit dem Anschlag in der Probsteigasse erstellten Phantombilder.1708 Am 6. Februar 2012 fand eine Besprechung zwischen zwei Ermittlungspersonen der BAO Trio des BKA und Vertretern und Vertreterinnen des BfV statt, bei der seitens des BKA der Ermittlungsstand zum Anschlag in der Probsteigasse dargestellt und die Phantombilder überreicht wurden. Bei dem Austauschtreffen wurde verabredet, dass sich das BfV beim BKA meldet, sobald es neue Hinweise erlangt.1709 Beim BfV erkannte eine Mitarbeiterin eine Ähnlichkeit zwischen dem nach Angaben des Djavad M. gezeichneten Phantombild und einem Mitglied der „Kameradschaft Köln“, respektive „Kameradschaft Walter Spangenberg“. Die Ähnlichkeit stellte sie anhand eines Fotos fest, das sich auf der Kopie einer Festplatte befand, die bei einer Durchsuchung im Rahmen des HNG-Verbotsverfahrens im Jahr 2010 bei Axel Reitz aufgefunden wurde. Auf diesem Foto ist das besagte Mitglied der Kameradschaft Köln neben Axel Reitz stehend zu sehen.1710 Die Mitarbeiterin des BfV konnte diese Person nicht identifizieren, woraufhin sich das BfV am 8. Februar 2012 an den Verfassungsschutz NRW wandte. Dort stellte man fest, dass die Person behördlich bekannt war. Zwischen 1989 und 2012 war Johann Helfer Vertrauensperson des Verfassungsschutzes NRW. Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 gab daraufhin Burkhard Schnieder in Vertretung der damaligen Leiterin des Verfassungsschutzes NRW, der Zeugin Mathilde Koller, zur Verwendung in dem beim GBA gegen Beate Zschäpe u. a. geführten Ermittlungsverfahren folgende dienstliche Erklärung ab: „Am 08.02.2012 übergab mir das Bundesamt für Verfassungsschutz Phantombilder des Täters des Sprengstoffanschlages auf ein Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse in Köln am 19.01.2001. Eine Überprüfung relevanter Personen der örtlichen neonazistischen Szene hat ergeben, dass ein Mitglied der sogenannten Kameradschaft Walter Spangenberg aus Köln Ähnlichkeiten mit den Phantombildern aufweist. Es handelt sich hierbei um Johann Helfer, [….]. Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung bestehen nicht.“1711 1707 1708 1709 1710 1711 Soukup, APr 16/1347 S. 49. Vermerk des BKA vom 29. Februar 2012, A60754 S. 46 (VS-nfD). Dr. Glorius, APr 16/1422 S. 6 f. Vermerke des Verfassungsschutzes NRW vom 8. Februar 2012, Ordner 457 S. 2 ff. (VS-V herabgestuft); Lichtbild, A74763 S. 2. (VS-nfD) Dienstliche Erklärung vom 9. Februar 2012, A60754 S. 44 f. (VS-nfD). 315 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Als Grund dafür, dass er und nicht Mathilde Koller die dienstliche Erklärung unterschrieb, hat der Zeuge Burkhard Schnieder erklärt, dass sie seines Wissens persönlich verhindert gewesen sei.1712 Die Zeugin Mathilde Koller hat dies bestätigt.1713 Diese dienstliche Erklärung übergaben die Zeugen Burkhard Schnieder und Dirk Weinspach am 10. Februar 2012 persönlich dem GBA1714, der sie seinerseits am selben Tag an das BKA weiterleitete.1715 (2) Recherchen des Verfassungsschutzes NRW und Informationsweiterleitung an den GBA Der Zeuge Burkhard Schnieder hat erklärt, dass er im Zuge der Übergabe der dienstlichen Erklärung vom 9. Februar 2012 den GBA über den Inhalt der dienstlichen Erklärung hinaus zunächst mündlich über alles unterrichtet habe, was diesen Fallkomplex angeht und was der Verfassungsschutz NRW zum damaligen Zeitpunkt wusste.1716 Es sei auch der Auftrag des Ministers gewesen, der aufgrund des NSU-Bezugs sofort unterrichtet worden sei, alle Informationen rückhaltlos dem GBA vorzulegen.1717 Der Ausschuss hat die beteiligten Vertreter und Vertreterinnen des Verfassungsschutz NRW gefragt, auf welcher Grundlage man zu der in der dienstlichen Erklärung vom 9. Februar 2012 festgehaltenen Einschätzung gelangt sei, dass Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung des Johann Helfer nicht bestünden. Die Zeugin Mathilde Koller hat dazu ausgeführt: „Die Leute, die diese Person geführt haben, haben mir versichert, dass er eigentlich kein Rechtsextremist ist und dass er im Grunde nur im Auftrag von uns die Szene ausforscht. Im Grunde kann man dann schon diesen Vorhalt machen, dass man sagt: Ich schließe eine Ähnlichkeit nicht aus. – Man muss das Ganze aber auch mit Augenmaß machen. Und ob Sie jetzt eine Tatbeteiligung ausschließen: Das ist dann die subjektive Wahrnehmung. Das war damals die Meinung des Hauses, also des Fachbereichs, dass man gesagt hat: Der hatte damit nichts zu tun.”1718 Augenmaß habe nach Ansicht der Zeugin Mathilde Koller gewahrt werden müssen, weil es sich um die Verdächtigung einer Person gehandelt habe.1719 Der Zeugen Burkhard Schnieder hat angegben, man habe den „massiven Vorwurf“ gegen Johann Helfer „nicht einfach so im Raum stehen lassen“ können. Deshalb habe man deutlich gemacht, dass aus Sicht des Verfassungsschutz NRW über den Verdacht hinaus keine Anhaltspunkte vorgelegen hätten. Zu diesem Ergebnis sei man nach einer Aktenrecherche zur Person Johann Helfer gelangt.1720 Weiter hat die Zeugin Mathilde Koller ausgeführt: „Am Ende ist es ja so, dass Sie weder für das eine noch für das andere einen Beleg haben. Aber hier geht es ja an die Strafverfolgungsbehörde. Und die geht dann der Sache nach. Die muss die Ermittlungen führen.“ 1721 1712 1713 1714 1715 1716 1717 1718 1719 1720 1721 316 Schnieder, APr 16/952 S. 137. Koller, APr 16/960 S. 23. Schnieder, APr 16/952 S. 137. Telefax des GBA vom 10. Februar 2012, A60754 S. 43 f. (VS-nfD). Schnieder, nöAPr 16/160 S. 3. Schnieder, APr 16/952 S. 139, 141. Koller, APr. 16/960 S. 27. Koller, APr. 16/960 S. 29. Schnieder, APr 16/952 S. 139. Koller, APr. 16/960 S. 29. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der als Referatsleiter Rechtsextremismus mit dem Vorgang befasste Zeuge Dirk Weinspach hat ausgesagt, dass der Satz „Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung liegen nicht vor“ das Ergebnis einer „gründlichen Prüfung“ gewesen sei, bei der „alle Aktenvorgänge, die wir zu dieser Person und diesem Sachverhalt und diesem Zeitpunkt hatten, noch mal auf links gedreht“ worden seien.1722 Auf die Frage, inwieweit diese Einschätzung zur Tatbeteiligung bereits innerhalb eines Tages getroffen werden konnte, da dem Verfassungsschutz NRW erstmals am 8. Februar 2012 das Phantombild des Täters des Anschlags in der Probsteigasse vorlag, die dienstliche Erklärung aber bereits am 9. Februar 2012 erstellt wurde, hat der Zeuge Dirk Weinspach ausgeführt, dass der Verfassungsschutz NRW zuvor bereits intensiv mit dem Anschlag in der Probsteigasse beschäftigt und den eigenen Aktenbestand durchsucht habe. Darauf habe man zum Teil zurückgreifen können.1723 Zugleich hat er verneint, dass dem Verfassungsschutz NRW vor dem 8. Februar 2012 eine Ähnlichkeit zwischen dem Phantombild und Johann Helfer aufgefallen sei.1724 Die Frage, ob Johann Helfer vor dem 8. Februar 2012 durch den Verfassungsschutz NRW überprüft worden sei, hat der Zeuge Dirk Weinspach nicht beantworten können.1725 In der dienstlichen Erklärung vom 9. Februar 2012 erwähnte der Verfassungsschutz NRW nicht die Verurteilung des Johann Helfer zu einer Jugendstrafe wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz aus dem Jahr 1985.1726 Der Zeuge Dirk Weinspach hat erklärt, dass er diese Information mündlich an den GBA weitergeben habe, wenn sie nicht in der dienstlichen Erklärung aufgeführt sei.1727 Der Zeuge Burkhard Schnieder hat ausgesagt, dass die dienstliche Erklärung nur das Verfahren habe in Gang bringen sollen. Alles weitere, über die „bewusst knapp gefasste erste dienstliche Erklärung“ hinausgehende, habe er beim GBA mündlich vorgetragen.1728 Dem Verfassungsschutz NRW habe die Anklageschrift gegen Johann Helfer aus dem Jahr 1985 vorgelegen. Ob darin Ausführungen zum verwandten Sprengstoff gemacht wurden, hat sich der Zeuge Burkhard Schnieder nicht erinnern können.1729 Im Anschluss an die Abgabe der dienstlichen Erklärung vom 9. Februar 2012 wurden beim Verfassungsschutz NRW weitere Recherchen zur Person Johann Helfer betrieben. Dies sei, so der Zeuge so der Zeuge Burkhard Schnieder, in Absprache mit dem GBA geschehen.1730 So wurde etwa eine Internetrecherche zu Johann Helfer mit dem Ziel durchgeführt, Foto- oder Videomaterial aus dem Jahr 2001 aufzufinden. Diese Suche verlief erfolglos; zwar war es möglich eine Vielzahl an Fotos zu finden, jedoch keines aus dem maßgeblichen Zeitraum.1731 Darüber hinaus recherchierte der Verfassungsschutz NRW im eigenen Aktenbestand und übermittelte gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen von dienstlichen Erklärungen an den GBA.1732 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730 1731 1732 Weinspach, APr 15/1340 S. 65. Weinspach, APr 15/1340 S. 65. Weinspach, APr 15/1340 S. 66. Weinspach, APr 15/1340 S. 67. Dienstliche Erklärung vom 9. Februar 2012, A60754 S. 44 f. (VS-nfD). Weinspach, APr 16/1340 S. 64. Schnieder, APr 16/952 S. 113f. Schnieder, APr 16/952 S. 143. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 28. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 14. Februar 2012, A13398 S. 12 ff. (VSnfD). Dienstliche Erklärungen der Leiterin des Verfassungsschutz NRW vom 15. Februar 2012, Ordner 450 S. 52 ff., 76 ff. (VS-V) 317 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (3) Ermittlungen des BKA (a) Erhebung polizeilicher Erkenntnisse zu Johann Helfer Nachdem der GBA die dienstliche Erklärung vom 9. Februar 2012 erhalten hatte, übersandte er diese am 10. Februar 2012 an das BKA, das sodann die Spur „Johann Helfer“ bearbeitete.1733 Die weiteren dienstlichen Erklärungen übersandte der GBA zwar an das BKA; sie wurden aber offenbar dem mit der Spur Helfer befassten Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen des BKA nicht zur Verfügung gestellt. Dies entspricht auch den Angaben der in diesem Zusammenhang vom Ausschuss angehörten Zeugen. So hat sich der Zeuge Ottmar Soukop nur an die dienstliche Erklärung vom 9. Februar 2012 erinnern können.1734 Ferner haben sowohl der Zeuge Michael Schweikert als auch der Zeuge Frank Heimann, Leiter des Unterabschnitts Zentrale Ermittlungen, verneint, die durch den Verfassungsschutz NRW zusammengestellten und dem GBA übergebenen Internetfotos des Johann Helfer zu kennen.1735 In der BAO Trio wurde das für die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse zuständige Team damit beauftragt, polizeiliche Erkenntnisse zur Person Johann Helfer zu erheben.1736 Ausweislich eines Vermerks des BKA vom 15. Februar 2012 ergaben die daraufhin durchgeführten Erhebungen, dass Johann Helfer 1985 zusammen mit einem Mittäter wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.1737 Soweit Johann Helfer und sein Mittäter sich „Anarchistische Terrorfront“ (ATF) nannten, ist ein diesbezüglich geführtes Ermittlungsverfahren eingestellt worden. Weiter stellte das BKA fest, dass Johann Helfer Waffenbesitzer und seit 1989 Mitglied in der „Bundeswehr Reservistenarbeitsgemeinschaft Scharfschützen Weierhardt e.V.“ ist.1738 Neben seiner aufgrund der dienstlichen Erklärung bereits bekannten Mitgliedschaft in der „Kameradschaft Walter Spangenberg“ war er zumindest 2006 auch aktives Mitglied des rechtsextremen „Kampfbund deutscher Sozialisten“ und stand jedenfalls 2008 im Kontakt mit der rechtsextremen Gruppierung „Sturm Rhein Sieg“.1739 Die Zeugin Annika Voggenreiter hat ausgesagt, dass Nachforschungen bei der Bundeswehr oder weitere Ermittlungen hinsichtlich der Aktivitäten des Johann Helfer für die „Kameradschaft Köln“ seitens des BKA nicht getätigt worden seien.1740 So wurde dem BKA nicht bekannt, dass Johann Helfer 1989 bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Jäger1741 sowie zum Scharfschützen absolvierte.1742 Der Zeuge Michael Schweikert hat es als „interessante Information“ bezeichnet, dass Johann Helfer als Sportschütze Zugang zu Schwarzpulver hatte. Er gehe davon aus, dass in diese Richtung ermittelt worden sei, könne sich aber nicht mehr konkret erinnern.1743 Nicht bekannt 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741 1742 1743 318 Telefax des GBA vom 10. Februar 2012, A60754 S. 43 f. (VS-nfD). Soukup, APr 16/1347 S. 35 ff. Schweikert, APr 16/1088 S. 78 f.; Heimann, APr 16/1374 S. 24 f. E-Mail vom 12. Februar 2012, A52294 S. 46 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 15. Februar 2012, A52294 S. 49 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 15. Februar 2012, A52294 S. 49 (VS-nfD); Vermerk des BKA vom 29. Februar 2012, A60754 S. 46 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 15. Februar 2012, A52294 S. 49 f. (VS-nfD); Vermerk des BKA vom 29. Februar 2012, A60754 S. 46 (VS-nfD). Voggenreiter, APr 16/952 S. 114. Befähigungsnachweis zum Jäger vom 15. Oktober 1990, A72349 S.59. Befähigungsnachweis zum Scharfschützen vom 20. Oktober 1989, A72349 S.46. Schweikert, APr 16/1088 S. 80. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 war ihm, dass Johann Helfer 1987 als Kontaktperson für die paramilitärische Gruppe „Heimatschutzverband“ tätig war. 1744 (b) Lichtbildvorlagen Sodann erstellte das BKA Lichtbildvorlagedateien respektive Wahllichtbildvorlagen, die auch Bilder enthielten, auf denen Johann Helfer abgelichtet ist. Hierfür verwendete das BKA insgesamt zwei Bilder von Johann Helfer. Das eine Bild stammt aus einem Passantrag aus dem Jahr 2004 und wurde dem BKA vom Einwohnermeldeamt zugesandt.1745 Auf diesem Passbild hat Johann Helfer braune und relative kurze Haare sowie einen Dreitagebart.1746 Vor dem Hintergrund, dass der Täter längere Haare gehabt hat, wurde auch dieses Bild hinsichtlich der Frisur dem nach Angaben des Djavad M. gezeichneten Phantombild entsprechend angepasst. Demgegenüber wurde hinsichtlich des Dreitagebarts nicht so verfahren. Obwohl Djavad und Mahshid M. angegeben haben, dass der Täter keinen Bart getragen hat, wurde der Dreitagebart nicht entfernt. Die Zeugin Annika Voggenreiter, die mit der Bearbeitung der Spur „Johann Helfer“ hauptsächlich betraut war, hat bestätigt, dass das Verwenden eines Bildes mit Bart das Wiedererkennen auf jeden Fall schwieriger mache.1747 Von einem technisch möglichen Entfernen des Bartes sei aus folgenden Gründen abgesehen worden: „In dem Fall wurde es nicht gemacht, um es halt authentisch aussehen zu lassen, bzw. man verändert damit ja auch die Struktur des Kiefers bzw. das Aussehen. Hat man nicht gemacht. Hätte man vielleicht machen können. Ist nicht geschehen. Also, bei einer Bildbearbeitung, wenn der Bart weggemacht wird, nimmt man natürlich auch Schattierungen raus, oder die Form des Gesichtes könnte darunter leiden.“1748 Auf Nachfrage, ob das nicht auch passiere, wenn man die Haare verändert, hat sie eingeräumt: „Ja. Von daher sage ich: Hätte man machen können; sicherlich.“1749 Demgegenüber hat der Zeuge Michael Schweikert hierzu erklärt: „Also, ich würde das eher als Dreitagebart bezeichnen. Wenn ich das so jetzt sehe: Die Gesichtskonturen sind klar zu erkennen, das Kinn ist zu erkennen, so ein leichter Doppelkinnansatz. Ich würde jetzt auch keinen Grund sehen, das Bild diesbezüglich zu verändern. […] Ich würde Ihnen ja zustimmen bei einem Vollbart, aber in dem Fall muss man eben abwägen: Was verfälscht man möglicherweise durch das Wegretuschieren, und was gewinnt man dadurch? In dem Fall bin ich der Meinung, das Bild ist so, dass man durchaus die Gesichtskontur sehr gut erkennen kann.“1750 1744 1745 1746 1747 1748 1749 1750 Schweikert, APr 16/1088 S. 82. Vermerk des BKA vom 15. Februar 2012, A52294 S. 50 (VS-nfD). Lichtbild, A52294 S. 80 (VS-nfD). Voggenreiter, APr 16/952 S. 125. Voggenreiter, APr 16/952 S. 126. Voggenreiter, APr 16/952 S. 126. Schweikert, APr 16/1088 S. 66 f. 319 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Das andere Bild ist eine vom Verfassungsschutz NRW dem GBA übergebene Ganzkörperaufnahme des Johann Helfer. Da es sich dabei allerdings nur um eine aus einem Gruppenfoto entnommene Ausschnittsvergrößerung handelt, ist der damit einhergehende Qualitätsverlust deutlich zu erkennen. Bei dem vom Verfassungsschutz NRW übersandten Foto handelte es ich um eines von der „Kameradschaft Köln“ veröffentlichten Ausschnitt eines mit „Heldengedenktag 2002“ betitelten Gruppenbilds.1751 Nachdem der Verfassungsschutz NRW dem GBA in einem per Fax übermittelten Schreiben vom 22. Februar 2012 mitgeteilt hatte, dass die Ausschnittsvergrößerung offen verwendet werden kann1752, sendete die Zeugin Anette Greger, dieses Bild per E-Mail dem BKA zu.1753 In die Betreffzeile der E-Mail schrieb die Zeugin Anette Greger: „Wahllichtbildvorlage. Eilt sehr. Bitte ebenfalls sofort Herrn Dr. Schweickart vorlegen. Anette Greger“. 1754 Daraufhin erstellte das BKA eine Wahllichtbildvorlage, die neben der besagten Ausschnittsvergrößerung noch acht weitere Ganzkörperaufnahmen anderer im NSU-Komplex relevanter Personen enthielt.1755 Die Ganzkörperaufnahme des Johann Helfer weicht dabei insbesondere hinsichtlich der Qualität deutlich von den übrigen Ganzkörperaufnahmen ab - letztere wurden nicht wie das Bild des Johann Helfer einem im Freien aufgenommenen Gruppenfoto entnommen, sondern entstanden dem Anscheinen nach im Rahmen von erkennungsdienstlichen Behandlungen. Auf Frage, ob man mit Blick auf die Ganzkörperaufnahme des Johann Helfer tatsächlich eine gesicherte Aussage zur Statur und Größe dieser Person treffen könne, hat der Zeuge Michael Schweikert erklärt: „Ich stimme mit Ihnen überein: Das Foto ist von sehr schlechter Qualität. Wir hatten nichts anderes. Dann stellt sich einfach nur die Frage: Legen wir es vor, oder legen wir es nicht vor? Insofern: Die Entscheidung ist dahin gehend wohl gefallen, dass das Foto vorgelegt worden ist.“1756 Auch die Zeugin Annika Voggenreiter hat eingeräumt, dass es in der Tat schwierig sei, anhand der Ganzkörperaufnahme eine Aussage über die Größe zu machen.1757 Im Übrigen hat sie sich zur Qualität dieses Bildes wie folgt geäußert: „Nein, das Bild von Herrn Helfer […] war natürlich sehr schlecht. Es war aber halt das einzige Ganzkörperbild, das uns zu diesem Zeitpunkt vorlag. Deshalb haben wir es einfach in einer Wahllichtbildvorlage mit integriert. Mir ist klar, dass die Wahllichtbildvorlage aufgrund der unterschiedlichen Qualitäten und Hintergründe nicht optimal war. Aber wir haben das halt einfach mit aufnehmen wollen, versucht.“1758 Demgegenüber hat sich die Zeugin Anette Greger zur Geeignetheit der Aufnahme folgendermaßen geäußert: 1751 1752 1753 1754 1755 1756 1757 1758 320 Ausdruck der Internetseite der „Kameradschaft Köln“, A12279 S.8. Schreiben des MIK NRW vom 22. Februar 2012, A13398 S. 53. E-Mail des GBA vom 22. Februar 2012, A52294, S. 2 f. E-Mail des GBA vom 22. Februar 2012, A52294 S. 2. Lichtbildbildmappe, A62165 S. 60 ff. (VS-nfD). Schweikert, APr 16/1088 S. 56. Voggenreiter, APr 16/952 S. 123. Voggenreiter, APr 16/952 S. 122. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ich halte diese Ganzkörperaufnahme nicht für ungeeignet. Ich halte sie - im Gegenteil für geeignet, auch wenn sie das Gesicht jetzt nicht erkennen lässt oder nur schwer so Züge erkennen lässt. Aber die Person, die wahrgenommen wird, hat ja nicht nur ein Gesicht, an das sich dann das Gegenüber erinnert, sondern die hat eine Figur, hat eine Größe, hat eine Ausgestaltung, die sich ebenfalls in der Erinnerung ablegt. Und allein auch die Beschreibung der beiden Zeugen hier, wenn man diese Ganzkörperaufnahme Helfer gegenüberlegt, passt nicht. Sie passt im Alter nicht, sie passt in der Beschreibung der Körperstatur nicht. Helfer ist auch etwas kleiner als die Beschreibung der Zeugen vom Tatverdächtigen. Ich halte diese Ganzkörperaufnahme für ein taugliches Bild für eine Lichtbildvorlage.“1759 Die Zeugin Annika Voggenreiter erstellte aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit die die Ganzkörperaufnahme enthaltende Lichtbildvorlage selbst.1760 Zu dem mit ihrem Zusatz „Eilt Sehr“ in der Betreffzeile ihrer E-Mail1761 deutlich gemachten zeitlichen Druck hat die Zeugin Anette Greger erklärt: „Dass der Verdacht… Dieser zeitliche Druck war selbstverständlich gegeben, weil der Verdacht zum damaligen Zeitpunkt besteht, dass eine quasi vierte Person einen Sprengstoff hinterlassen hat. Also, „vierte Person“ erkläre ich so: Wir haben die terroristische Vereinigung Böhnhardt/Mundlos/Zschäpe nach unseren Ermittlungen. Und es wäre dann eine vierte Person gewesen als Mittäter, möglicherweise auch als viertes Mitglied, die ein Sprengstoffverbrechen begangen hat. Und da bestand für uns selbstverständlich der Druck einer Festnahme. Und da konnten wir nicht abwarten, sondern das musste sofort geklärt werden. Es war ja damals … Vom Erkenntnisstand her hielten wir es ja absolut für möglich, dass an den Tatorten weitere Mittäter beteiligt waren, dass Unterstützer an den Tatorten waren, dass weitere Mittäter in Zwickau vor Ort waren. Das waren… Zum damaligen Zeitpunkt war ja dieses Bild der Gruppe, so wie wir es jetzt haben, ein vollkommen offenes. Also, wir wussten nicht: Aus wie vielen Personen besteht die Gruppe? Gibt es mehrere Gruppenmitglieder, die uns noch nicht bekannt sind? Gibt es mehrere an den Anschlägen beteiligte Personen? Und da stellte sich immer die Frage: Wenn wir Anhaltspunkte auf solche Personen haben, nehmen wir die sofort – notfalls in der Nacht noch – fest? Denn eine Flucht von einem des Terrorismus Verdächtigen – das ist verheerend.“1762 Im Rahmen seiner Vernehmung vom 23. Februar 2012 wurden Djavad M. sowohl die Lichtbildvorlagedatei1763, in der das verfremdete Passbild des Johann Helfer integriert war, als auch eine die Ganzkörperaufnahme des Johann Helfer enthaltende Wahllichtbildvorlage1764 gezeigt. Weder auf dem einen noch auf dem anderen Bild erkannte er Johann Helfer als Tatverdächtigen wieder.1765 Auch Mahshid M. wurde in ihrer Vernehmung vom 19. März 2012 eine das verfremdete Passbild des Johann Helfer enthaltende Wahllichtbildvorlage1766 gezeigt. Hieraufhin schloss 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 Greger, APr 16/1353 S. 78. Voggenreiter, APr 16/952 S. 118. E-Mail des GBA vom 22. Februar 2012, A52294 S. 2. Greger, APr 16/1353 S. 79. Vernehmung des Djavad M. vom 23. Februar 2012, A60754 S. 79 f. (VS-nfD); Lichtbildvorlagedatei vom 23. Februar 2012, A60754 S. 81 ff., 89, 104 (VS-nfD). Lichtbildbildmappe, A60754 S. 105 ff., 112, 115 (VS-nfD); respektive (in besserer Qualität) A62165 S. 60 ff., 67, 70 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 23. Februar 2012, A60754 S. 79 f. (VS-nfD). Wahllichtbildvorlage des BKA vom 9. März 2012, A60754 S. 127 f. (VS-nfD) respektive (in besserer Qualität) A52294 S. 87 f. (VS-nfD). 321 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sie den auf Bild 3 abgebildeten Johann Helfer als Tatverdächtigen aus.1767 Hinsichtlich der ihr in einer weiteren Wahllichtbildvorlage1768 vorgelegten Ganzkörperaufnahme des Johann Helfer gab sie an, dass das Gesicht leider nicht richtig zu erkennen sei und die abgebildete Person von der Statur „irgendwie zu klein“ aussehe.1769 Die Zeugin Annika Voggenreiter vermerkte darauf, dass somit aktuell keine Anhaltspunkte für eine Täterschaft des Johann Helfer vorliegen.1770 Nach Aussage der Zeugin Annika Voggenreiter sei damit die Spur aber nicht komplett abgeschlossen gewesen, sondern zu diesem Zeitpunkt nur nicht vorrangig weiter verfolgt worden.1771 Über die bereits geschilderten Ermittlungsmaßnahmen der Erhebungen polizeilicher Erkenntnisse zu Johann Helfer sowie der Durchführung von Lichtbildvorlagen hinaus, ergeben sich aus den Akten jedoch keine weitergehenden Ermittlungen zu dieser Spur. Mit diesem Aktenbefund korrespondiert auch die Aussage der Zeugin Anette Greger, die deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass aufgrund der fehlenden Wiedererkennung durch die beiden Augenzeugen Djavad und Mahshid M. die Spur „Johann Helfer“ für den GBA „nicht mehr interessant“ gewesen sei.1772 Zusammenfassend hat sie zu dieser Spur erklärt: „Es war für uns zunächst mal natürlich ein extrem wichtiger, verfahrensrelevanter Sachverhalt auch. Es war hier ein Hinweis, dass ein Täter … Diese Ähnlichkeit zwischen dem Aussehen 2011 und dem Phantombild 2001 ist frappierend. Also, es war hier ein Hinweis, dass ein Täter außerhalb von Böhnhardt / Mundlos / Zschäpe an einem Tatort war und diesen Sprengstoff zurückgelassen hat. Also wir hätten, wenn sich dieser Hinweis verdichtet hätte, da sofort einen Zugriff gemacht, wie wir es im Übrigen auch bei anderen der Unterstützung verdächtigen Personen gemacht haben. Aber wir haben dann nach unseren Abklärungen die Bewertung für uns getroffen, dass Johann Helfer für uns nicht tatverdächtig ist, weil sein Aussehen zum damaligen Zeitpunkt nicht der Beschreibung des für uns auch sehr wichtigen Zeugen Herrn M. entspricht. Wir haben – auch das ist Ihnen ja bekannt – auch durchaus unterschiedliche Beschreibungen dieser Person, die sich im Ladenlokal aufgehalten hat, von Herrn M. am 19. und 21.1773 einerseits und von der Schwester der Geschädigten aus dem Jahr 2012 andererseits. Diese Aussagen zur Beschreibung der Person passen auch nicht eins zu eins zueinander. Und wenn beide Personen dann bei der Vorlage von Lichtbildern zu dem Ergebnis kommen, dass diese Person nicht in Betracht kommt, ist diese Spur unbeschadet der Ähnlichkeit, der äußeren Ähnlichkeit, die jeder feststellen kann – Helfer 2011 und Phantombild 2001 –, für uns abgeklärt, und zwar in dem Sinne, dass Herr Helfer für uns als Verdächtiger nicht infrage kommt. Das ist im Übrigen auch in der Hauptverhandlung in München vom Strafsenat so gesehen worden.“1774 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 322 Vernehmung der Mahshid M. vom 19. März 2012, A60754 S. 124 (VS-nfD). Lichtbildbildmappe, A60754 S. 129 ff. (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 19. März 2012, A60754 S. 124 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 29. Februar 2012, A60754 S. 47 (VS-nfD). Voggenreiter, APr 16/952 S. 114. Greger, APr 16/1353 S. 59. Gemeint sind offensichtlich der 19. und 21. Januar 2001. Greger, APr 16/1353 S. 77. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Johann Helfer wurde nicht durch das BKA bzw. den GBA vernommen. Die Zeugin Anette Greger hat dazu erklärt: „Es gab keinen Anlass mehr, den Helfer zeugenschaftlich zu vernehmen. Die Beschreibung von Herrn [M.], die er zeitnah zu dem Anschlag abgegeben hat, die Beschreibung der Person, die den Korb im Geschäft stehenließ, passt nicht unbedingt auf den Helfer – schon von der Beschreibung her. Und dann schließen Zeugen diese Person auch noch aus. Auch dieses Aussehen, was den Helfer 2002 zeigt, ist anders als dieses Phantombild. Es gab für uns keinen Anlass mehr, den Helfer als Zeugen zu vernehmen. Wir dürfen Zeugenvernehmungen nur machen, wenn wir eine Sachverhaltsaufklärung damit bezwecken können.“1775 Bereits Ende November 2011 erlangte der Regionalabschnitt NRW der BAO Trio des BKA einen Hinweis, demzufolge das NSU-Trio 2009 an einer großen Saalveranstaltung der „Kameradschaft Köln“ in Erftstadt teilgenommen haben soll. Dieser Hinweis wurde von der BAO Trio des BKA verspurt. Auf dem Podium der Veranstaltung in Erftstadt saß unter anderem Johann Helfer. Dem beim BKA mit der Abklärung der Spur „Helfer“ betrauten Zeugen Michael Schweikert war dieser Sachverhalt aber nicht bekannt.1776 Die Zeugin Anette Greger hat auf die Frage, warum Johann Helfer nicht zu der Veranstaltung in Erfstadt zeugenschaftlich vernommen worden sei, geantwortet, dass der GBA keine Anhaltspunkte gefunden habe, dass das NSU-Trio an dieser Veranstaltung teilgenommen habe. Folglich habe sie keinen Sinn darin gesehen Johann Helfer oder andere Teilnehmer der Veranstaltung zu befragen.1777 (c) Ergebnis der Ermittlungen des BKA Auf eine Anfrage des Leiters des Verfassungsschutzes NRW, des Zeugen Burkhard Freier, vom 19. Juni 2013, in der er um Mitteilung des Sachstandes der Ermittlungen hinsichtlich der möglichen Tatbeteiligung des Johann Helfer bat1778, teilte der GBA mit Schreiben vom 1. Juli 2013 mit, dass die Person Johann Helfer durch das BKA mit folgendem Ergebnis abgeklärt wurde: „Hinweise auf eine Täterschaft dieser Person am Anschlag in der Probsteigasse in Köln haben sich nicht ergeben.“1779 (4) Veröffentlichung eines Bildes des Johann Helfer Nachdem Ende Juni 2014 im Internet eine Abbildung1780 veröffentlicht wurde, auf der das nach Angaben des Djavad M. gezeichnete Phantombild einem den Ermittlungsbehörden bislang offensichtlich nicht bekannten Bild des Johann Helfer gegenübergestellt und auf die Ähnlichkeit hingewiesen wurde, vernahm das BKA am 24. Juli 2014 Djavad und Mahshid M. erneut. Dabei wurden ihnen jeweils zwei Lichtbilder des Johann Helfer vorgelegt. Zum einen das ihnen bereits durch die vorherigen Vernehmungen bekannte - hinsichtlich der Frisur verfremdete - Passbild sowie zum anderen das nunmehr im Internet veröffentlichte Bild, dessen Aufnahmedatum das BKA nicht feststellen konnte.1781 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 Greger, APr 16/1353 S.60. Schweikert, APr 16/1088, S. 84. Greger, APr 16/1353, S. 64f. Schreiben des MIK NRW vom 19. Juni 2013, A13398 S. 77 (VS-nfD). Schreiben des GBA vom 1. Juli 2013, A13385 S. 12. Die Abbildung ist Bestandteil eines auf der Website der Antifa Köln veröffentlichten Artikels vom 27. Juni 2014. Die Überschrift des Artikels lautet: „Kölner Neo-Nazi in Bombenanschlag in der Probsteigasse verwickelt?“, A13398 S. 90. Vermerk des BKA vom 6. August 2014, A52294 S. 90 (VS-nfD). 323 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Djavad M. gab in Bezug auf das verfremdete Passbild folgendes an: „Mir wird jetzt nochmals das Lichtbild Nr. 8 aus der Lichtbildvorzeigedatei 2012/5051 vorgelegt. Dieses Bild wurde mir in meiner Vernehmung vom 23.02.2012 schon einmal vorgelegt. Ich kann zu diesem Lichtbild sagen, dass der Mann dem Täter ähnlich sieht. Aber der Täter hatte ein knochigeres Gesicht. Die Wangen waren etwas schmaler und er trug keinen Bart. Die Frisur stimmt aber ungefähr überein. Die Haare sind etwa so gewellt, wie ich sie damals wahrgenommen habe.“1782 Hinsichtlich des anderen Bildes gab er an: „Die Haare stimmen zu 100%. Das Gesicht ist auch ungefähr so gewesen. Er hat auch keinen Bart gehabt. Vom Herzen her würde ich sagen er ist es. Damit meine ich nicht, dass ich möchte, dass er der Täter ist, sondern ich habe intuitiv das Gefühl, er könnte es sein. Ich würde die Wahrscheinlichkeit auf etwa 20-30 % beziffern.“1783 Als er darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei beiden Bildern um dieselbe Person handelt, war er überrascht. Dies sei ihm nicht aufgefallen.1784 Mahshid M. machte zu dem verfremdeten Passbild, das ihr bereits in Ihrer Vernehmung vom 19. März 2012 gezeigt wurde, folgende Angaben: „Die Haare stimmen in etwa überein. Sie waren vielleicht nicht so voluminös. Die Augenpartie weisen Ähnlichkeiten auf. Auch die Gesichtsform passt. Die Nase weicht leicht ab. Einen Bart hatte der Täter nicht. Anhand dieses Bildes kann ich keine Identifizierung vornehmen. Das ist nicht möglich.“1785 Demgegenüber sagte sie in Bezug auf das andere Bild: „Ich kenne dieses Bild schon aus der Zeitung. Als ich es zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich: „Der ist es!“ Augenbrauen, Nase und Mund passen. Auch die Haare und die Gesichtsform stimmen überein. Der Täter hatte auch helle Augen. Die Zusammensetzung aller Merkmale, vor Allem aber das gesamte Erscheinungsbild entsprechen meinen Erinnerungen an den Täter. Ich habe direkt ein Kribbeln gespürt, als ich das Bild gesehen habe. Er kam mir bekannt vor. Das ist ein Bauchgefühl, welches in mir hochkommt. Ich würde es nicht als Angstgefühl bezeichnen. Ein Schauern überkommt mich aber, so als ob ich diese Person schon einmal gesehen hätte. Das Gesamtbild ist schon sehr ähnlich.“1786 Auf die Frage, ob ihr aufgefallen sei, dass es sich bei beiden Bildern um dieselbe Person handelt, antwortete sie: 1782 1783 1784 1785 1786 324 Vernehmung des Djavad M. vom 24. Juli 2014, A62164 S. 150 f. Vernehmung des Djavad M. vom 24. Juli 2014, A62164 S. 151. Vernehmung des Djavad M. vom 24. Juli 2014, A62164 S. 151. Vernehmung der Mahshid M. vom 24. Juli 2014, A62164 S. 156. Vernehmung der Mahshid M. vom 24. Juli 2014, A62164 S. 157. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Nein, auf gar keinen Fall. Der Haaransatz ist bei Anlage 2 [im Internet veröffentlichtes Bild] viel höher. Die Augen auf Anlage 1 [Passbild] wirken dunkel, fast schwarz. Die tatsächliche Farbe der Augen ist nicht erkennbar. Der Bart auf Anlage 1 wirkt wesentlich dunkler. Ich kann sogar jetzt nachdem ich weiss, dass es sich um die gleich Person handelt, noch nicht sagen, dass die Personen auf beiden Bildern identisch sind.“1787 Ausweislich eines Vermerks des BKA vom 6. August 2014 wurde am 25. Juli 2014 der Inhalt dieser Zeugenvernehmungen dem GBA zur Kenntnisnahme übermittelt. Weiter heißt es in dem Vermerk: „Am 04.08.2014 teilte Fr. GREGER fernmündlich mit, dass derzeit keine weiteren Maßnahmen in der Spur HELFER zu tätigen sind, insbesondere ist ein Herantreten an Herrn HELFER nicht vorgesehen.“1788 Zur Begründung dieser Entscheidung hat die Zeugin Anette Greger auf die Aussagegenese verwiesen: „Ein Zeuge hat zunächst einmal eine Person ausgeschlossen bzw. nicht wiedererkannt, je nachdem, Zeugin M. oder Zeuge M.. Dann werden Bilder in der Presse veröffentlicht. Und die Angaben nach Presseveröffentlichungen sind für uns nicht belastbar.“1789 (5) Angaben des Johann Helfer Johann Helfer wurde vom Ausschuss in einer nach § 9 Absatz 5 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags NRW eingestufte Sitzung als Zeuge vernommen. Zu seinem „Werdegang“ hat er angegeben, sich im Alter von 14 Jahren zunächst linksradikalisiert zu haben. Nachdem er aufgrund seiner Anarcho-Aktivitäten verhaftet worden sei und darauf seine Ausbildungsstelle verloren habe, habe er seinen Grundwehrdienst geleistet und sich nach seiner Bundeswehrzeit im Heimatschutzverband weiter militärisch betätigt. Ende der 1980er Jahre sei er Mitglied der NF geworden und über diese zur FAP gekommen. Drei Jahre nach deren Verbot habe er sich der von Axel Reitz gegründeten „Kameradschaft Köln“ angeschlossen, an deren Gründungsveranstaltung er bereits teilgenommen habe.1790 In der „Kameradschaft Köln“ habe er als Stellvertreter des Axel Reitz fungiert.1791 Axel Reitz habe über den KDS Kontakte nach Thüringen zu Thomas Gerlach gehabt und habe gelegentlich an Demonstrationen in Thüringen teilgenommen.1792 Auf Frage, ob er den Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse verübt habe oder ob er an diesem Anschlag als Unterstützer beteiligt war, hat der Zeuge Johann Helfer jegliche Art der Beteiligung an dem Anschlag abgestritten. Hinsichtlich der vom Verfassungsschutz NRW sowie in einzelnen Medienberichten festgestellten Ähnlichkeit seines äußeren Erscheinungsbildes mit dem Phantombild des Mannes, der den Präsentkorb in der Probsteigasse abgelegt hat, hat er darauf hingewiesen, dass das für den Vergleich herangezogenene Lichtbild, das ihn mit einer dem Phantombild ähnlichen Frisur zeigt, auf einer Feier im Jahr 2011 aufge- 1787 1788 1789 1790 1791 1792 Vernehmung der Mahshid M. vom 24. Juli 2014, A62164 S. 157. Vermerk des BKA vom 6. August 2014, A52294 S. 98 (VS-nfD). Greger, APr 16/1353 S. 86. Helfer, geh. 16/1 S. 6 ff., 95 (herabgestuft). Helfer, geh. 16/1 S. 13 (herabgestuft). Helfer, geh. 16/1 S. 24 (herabgestuft). 325 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nommen worden sei. Zum Zeitpunkt des Anschlags in der Probsteigasse Ende 2000 / Anfang 2001 habe er kurze Haare getragen. Zum Nachweis hat der Zeuge Johann Helfer dem Ausschuss vier Lichtbilder vorgelegt, die ihn jeweils mit kurzen Haaren zeigen und zwischen Oktober 2000 und Februar 2001 aufgenommen worden seien. Bei zwei Lichtbildern hat er den Aufnahmezeitpunkt am Alter seines ebenfalls abgebildeten Sohnes festgemacht. Auf einem weiteren Foto sei er beim Renovieren seiner neuen Wohnung im Februar 2001 zu sehen.1793 Zu den Reaktionen der rechten Szene auf die Sprengstoffanschläge in der Porbsteigasse und der Keupstraße hat der Zeuge Johann Helfer angegeben, dass die Szene sich auf die Berichterstattung in den Medien berufen habe und den dort geäußerten Verdacht, der Anschlag in der Keupstraße stehe in einem Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen oder organisierter Kriminalität, übernommen habe. Eine eigene oder besondere Resonanz der Szene habe er nicht feststellen können.1794 Anders sei es im November 2011 gewesen, als die Medien über die Selbstentarnung des NSU berichtet haben. Hierauf habe es eine große Resonanz in der rechten Szene gegeben, die geprägt gewesen sei durch die Annahme, es handele sich um eine Verschwörungstheorie nach dem Motto „NSU aufgebaut durch einen Geheimdienst, geführt durch einen Geheimdienst“. Diese Auffassung herrsche auch heute noch vor, wobei sich die Szene grob in zwei Ausrichtungen aufteile. Der eine Teil stelle den gesamten Komplex in Frage, während der andere Teil lediglich anzweifle, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Selbstmord begangen haben.1795 (6) Kritische Würdigung Johann Helfer hat in seiner Vernehmung durch den Ausschuss eine Beteiligung an dem Anschlag in der Probsteigasse vehement abgestritten. Der Ausschuss hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Belege dafür, dass Johann Helfer die Sprengfalle in dem Lebensmittelgeschäft der Familie M. hinterlassen hat oder in sonstiger Weise an dem Anschlag in der Probsteigasse beteiligt gewesen ist. Zwar ist sowohl auf dem Foto, das den Vorgang „Johann Helfer“ beim Verfassungsschutz NRW erst auslöste, als auch auf dem im Jahr 2014 im Internet veröffentlichtem Bild die Ähnlichkeit des Johann Helfer mit dem Phantombild deutlich zu erkennen, jedoch liegen dem Ausschuss keine Erkenntnisse darüber vor, dass diese Lichtbilder aus dem Jahr 2000 oder 2001 stammen. Gleichwohl ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Bearbeitung der Spur „Helfer“ nicht vollständig erfolgt ist. Nachdem die beiden Djavad M. und Mahshid M. nach zwei Wahllichtbildvorlagen den Zeugen Johann Helfer nicht als Ableger der Sprengfalle wieder erkannten, wurden keine weiteren Ermittlungen durchgeführt. Dies wäre an sich ein nachvollziehbares Vorgehen des BKA, wenn die beiden Wahllichtbildvorlagen nicht von minderer Qualität gewesen wären und den Standards guter Ermittlungsarbeit vollends entsprochen hätten. Das für die Wahllichtbildvorlagen verwendete Ganzkörperbild des Johann Helfer ist von derart schlechter Qualität, dass sich damit keine gesicherten Aussagen zu Statur und Größe der abgebildeten Person machen lassen. Zudem weicht die Qualität und Perspektive der Auf- 1793 1794 1795 326 Helfer, geh. 16/1 S. 16 (herabgestuft); eidesstattliche Versicherung des Johann Helfer, Anlage 1 zu Helfer, geh. 16/1 (herabgestuft). Helfer, geh. 16/1 S. 39 (herabgestuft). Helfer, geh. 16/1 S. 40 f. (herabgestuft). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nahme deutlich von den anderen Lichtbildern in der Wahllichtbildvorlage ab. Für die Wahllichtbildvorlage der Porträts verwendete das BKA ein Passfoto, das Johann Helfer mit kurzen Haaren und einem Bart zeigt. Auf dieses Foto wurden dann längere Haare, dem Phantombild entsprechend, montiert. Jedoch wurde aus nicht nachvollziehbaren Gründen der Bart auf dem Porträtbild des Johann Helfer nicht retuschiert - obwohl die beiden Augenzeugen Djavad M. und Mahshid M.ausgesagt hatten, dass der Täter des Anschlags keinen Bart getragen habe. Das BKA konnte im Zuge seiner Recherchen keine brauchbaren Fotos von Johann Helfer mit langen Haaren erlangen. Nicht nachzuvollziehen und ebenfalls zu kritisieren ist, dass die Rechercheergebnisse des Verfassungsschutzes NRW nicht die ermittelnden Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen des BKA erreichten. Diesen war nur die erste, knapp gehaltene dienstliche Erklärung vom 9. Februar 2012 bekannt. Die dienstliche Erklärung, welche durch den Verfassungsschutz NRW im Internet erlangte Fotos von Johann Helfer enthielt, wurde, ohne dass ein sachlicher Grund dafür erkennbar ist, seitens des Verfassungsschutzes NRW als Verschlusssache eingestuft. In der dienstlichen Erklärung vom 9. Februar 2012 wies der Verfassungsschutz NRW auf die Vorstrafe des Johann Helfer wegen eines Sprengstoffdelikts im Jahr 1985 sowie die Tatsache, dass er eingetragener Besitzer von Schusswaffen war, nicht hin. Auch wenn die als Zeugen gehörten Mitarbeiter der Verfassungsschutzes NRW angegeben haben, die Information über die Vorstrafe dem GBA mündlich mitgeteilt zu haben, so musste das BKA diese, im Hinblick auf den Tatverdacht der Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag wichtige Information selbst recherchieren. Ausgehend von diesen Informationen unterließ das BKA allerdings weitergehende Ermittlungen. Im Übrigen verwundert, dass es dem Verfassungsschutz NRW nicht möglich war, Foto- und / oder Videomaterial von Johann Helfer aus den Jahren 2000 oder 2001 aufzufinden, obwohl er immerhin in verschiedenen Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes NRW aktiv war. Schließlich ist es unerklärlich, warum der Verfassungsschutz NRW das Foto, auf dem eine Sachbearbeiterin des BfV erstmals eine Ähnlichkeit zwischen Johann Helfer und dem Phantombild feststellte, nicht dem GBA übergab. Zwar ist dem Ausschuss nicht bekannt, aus welchem Jahr dieses Foto stammt, jedoch wäre es aufgrund seiner guten Qualität für eine Wahllichtbildvorlage sehr geeignet gewesen - jedenfalls geeigneter, als die vom Verfassungsschutz NRW dem GBA zur Verfügung gestellte Ganzkörperaufnahme. Durch das Vorenthalten dieses Fotos hat der Verfassungsschutz NRW die Ermittlungen in der Spur „Helfer“ beeinträchtigt. bb. Achim Armin Fiedler Achim Armin Fiedler gehörte wohl zu den ersten Unterstützern von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Als diese im Jahr 1998 untertauchten, war er, so die Anklageschrift des GBA vom 5. November 2012, gemeinsam mit den anderweitig verfolgten Mandy Struck und Thomas Starke bei der Beschaffung einer konspirativen Wohnung in Chemnitz behilflich.1796 Sein Bruder war der Anklageschrift zufolge, einer der Legendengeber des Uwe Böhnhardt.1797 1796 1797 Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 143 f. (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 129 f. (VS-nfD); Vernehmung des Achim Armin Fiedler, vom 2. August 2012 A60755 S. 45. 327 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Rahmen ihrer Vernehmung vom 25. Januar 2012 wurden Mahshid M. 21 Lichtbilder aus einer Lichtbildvorlagedatei des BKA gezeigt.1798 Wie bereits erwähnt, wurden auch hier die abgelichteten Personen hinsichtlich ihrer Frisuren dem nach Angaben des Djavad M. gezeichneten Phantombild entsprechend angepasst. Auf die Frage, was sie zu den vorgelegten Lichtbildern sagen könne, antwortete sie: „Grundsätzlich muss ich dazu sagen, dass ich ein Gesamtbild im Kopf habe. Ich könnte niemals 100% sagen, das ist er. Ich kann aber einige Personen ausschließen. Ich habe die Bilder jetzt mehrfach angeschaut. Ich habe sie hin und her sortiert. Es bleibt letztlich nur ein Bild übrig, welches mir bekannt vorkommt. Bei dem Bild mit der Nr. 14 [Achim Armin Fiedler] habe ich den Eindruck, dass ich diese Person schon mal gesehen habe. Ich habe versucht mir die Person vorzustellen, die ich damals im Laden gesehen habe. Ich will jetzt nicht sagen, dass die Person mit der 14 mir Angst macht, aber sie kommt der Person, die ich gesehen habe schon sehr nahe. Bei diesem Bild kommt schon ein bestimmtes Gefühl hoch. Mir wird schon etwas komisch, wenn ich es mir anschaue. Ich kann jetzt kein Detail benennen, weshalb dieses Bild am Besten passt. Es ist einfach die Gesamterscheinung und meine Reaktion auf dieses Bild.“1799 Bemerkenswert ist, dass Djavad M. in Bezug auf das gleiche Bild sagte, dass dieses Bild - neben drei weiteren Bildern - dem Täter ebenfalls nahe komme.1800 Am 19. März 2012 wurde Mahshid M. nochmals vernommen.1801 Obwohl sie zuvor sehr eindrucksvoll auf ein Bild des Achim Armin Fiedler eingegangen war, enthielten die nun vorgelegten Wahllichtbildvorlagen kein Bild von ihm. Weder der Zeuge Ottmar Soukop1802 noch der Zeuge Frank Heimann1803 konnten hierfür eine Erklärung geben. Lediglich der Zeuge Michael Schweikert hat insofern einen abstrakten Erklärungsversuch versucht: „Konkret habe ich keine Erinnerung mehr daran, was daraus konkret geworden ist. Ich kann Ihnen nur sagen, bei so Lichtbildvorlagen ist immer das Problem, wenn Sie die gleichen Lichtbilder immer wieder vorlegen, dann ist hinterher die Frage, was das Erinnerungsvermögen der Zeugen angeht: Erinnert er sich dann an die letzten Lichtbildvorlagen, weil er die gleichen Personen wieder sieht, oder ist es wirklich noch Erinnerung an die Tat zum Beispiel, an den Tatzeitraum?“1804 Sowohl die Zeugin Annika Voggenreiter1805, die sich federführend mit den Vernehmungen der Zeugen Mahshid und Djavad M. befasst hat, als auch der Zeuge Dr. Dominik Glorius1806 haben angegeben, dass die für die Personensachbearbeitung zuständige Abteilung der BAO Trio über die Ausführungen der Mahshid M. zu dem Bild des Achim Armin Fiedler in Kenntnis gesetzt worden sei. Beide konnten darüber hinaus aber nicht angeben, welche Maßnahmen daraufhin ergriffen wurden, respektive zu welchen Ergebnissen diese Maßnahmen führten. Die Zeugin Anette Greger hingegen hat sich hierzu wie folgt geäußert: 1798 1799 1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806 328 Vernehmung der Mahshid M. vom 25. Januar 2012, A60754 S. 50 f. (VS-nfD); Lichtbildvorlagedatei vom 20. Januar 2012, A60754 S. 52 ff. (VS-nfD). Vernehmung der Mahshid M. vom 25. Januar 2012, A60754 S. 51 (VS-nfD). Vernehmung des Djavad M. vom 23. Februar 2012, A60754 S. 79 (VS-nfD); zu vgl. auch Zweiter Teil B. I. 4. a. dd. (1). Vernehmung der Mahshid M. vom 19. März 2012, A60754 S. 123, 128 (VS-nfD). Soukup, APr 16/1347 S. 33. Heimann, APr 16/1374 S. 20. Schweikert, APr 16/1088 S. 51. Voggenreiter, APr 16/952 S. 119. Dr. Glorius, APr 16/1422 S. 8. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Achim Armin Fiedler war für uns natürlich eine interessante Person. Er ist Legendengeber in der Anfangszeit gewesen. Wir haben nach unseren Ermittlungen aber die Erkenntnis erlangt, dass der Kontakt irgendwann abgebrochen ist. Wir haben keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Herr Fiedler diesen Sprengsatz hinterlassen hat. Da würde uns jetzt ... Diese Ähnlichkeit in den Lichtbildern ist ein Ansatzpunkt für weitere Überlegungen und Ermittlungen. Aber letztendlich haben unsere Ermittlungen dazu geführt, dass wir sagen: Wir haben keine Anhaltspunkte, dass dieser Sprengsatz von Herrn Fiedler übergeben wurde oder hinterlassen wurde.“1807 Nach der Anklageschrift des GBA war indes nicht Achim Armin Fiedler, sondern dessen Bruder Legendengeber.1808 Achim Armin Fiedler wurde zwar am 2. August 2012 beim GBA zeugenschaftlich vernommen, jedoch ohne dabei zur Probsteigasse befragt worden zu sein.1809 Die Zeugin Anette Greger hat dies wie folgt begründet: „Wir haben keine Anhaltspunkte, dass er für die Probsteigasse verantwortlich ist; darum gibt es auch keinen Grund, den Zeugen dazu zu vernehmen. Wir haben einen Abbruch von Kontakt – das haben wir auch relativ nachgewiesen durch verschiedene Beweismittel, durch verschiedene Zeugen. Wir haben überhaupt keinen Ansatzpunkt für die Annahme, dass Herr Fiedler den Sprengstoff abgelegt haben könnte. Darum macht eine Frage dazu auch keinen Sinn.“1810 cc. Kritische Würdigung Tragbare Hinweise auf den oder die Täter des anschlags haben sich nicht ergeben. 4. Umgang mit Opfern Nur ca. drei Stunden nach dem Anschlag wurde die damals 14-jährige Schwester der Verletzten, Mahshid M., ohne Begleitung ihrer Eltern im PP Köln durch den Zeugen Aloys Hoppe zeugenschaftlich vernommen1811, der angegeben hat, sich an die Vernehmung nicht erinnern zu können.1812 Er wisse heute nicht mehr, wieso sie in dieser Art stattgefunden habe. Auch der Zeuge Edgar Mittler hat diese Vorgehensweise nicht erklären können, aber darauf verwiesen, dass es jedenfalls nicht üblich sei, eine 14-jährige ohne Beisein eines Erziehungsberechtigten zu vernehmen. „Böse Absicht“ sei es sicherlich nicht gewesen.1813 Im Übrigen hat der Zeuge Edgar Mittler auch nicht erklären können, warum die Betreuung der Opfer nicht durch Opferbetreuer oder ähnlich geschulte Beamte erfolgte.1814 II. Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln 1. Tatgeschehen Am 9. Juni 2004 explodierte in der Keupstraße in Köln, die durch eine Vielzahl von türkischen Geschäften, Restaurants und Kleinbetrieben geprägt ist, gegen 15.56 Uhr ein selbst- 1807 1808 1809 1810 1811 1812 1813 1814 Greger, APr 16/1353 S. 73 f. Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 129 f. (VS-nfD). Vernehmung des Achim Armin Fiedler vom 2. August 2012, A60755 S. 42 ff. (VS-nfD). Greger, APr 16/1353 S. 84 f. Vernehmung der Mahshid M. vom 19. Januar 2001, A60749 S. 44 ff. Hoppe, APr 16/960 S. 64. Mittler, APr 16/949 S. 118 f. Mittler, APr 16/949 S. 118. 329 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gebauter Sprengsatz. Die Explosion dieser „unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung“ (USBV) erfolgte auf dem Gehweg in Höhe der Hausnummern 29 und 31. In den beiden Häusern befanden sich mehrere Wohnungen und Geschäftsräume. Der im Erdgeschoss des Hauses Nr. 29 befindliche Friseursalon des Öczan Yildirim wurde durch die Explosion völlig zerstört. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich dort mehrere Personen auf. Der Sprengsatz war auf einem vor der Schaufensterscheibe abgestellten Fahrrad angebracht. Er enthielt maximal 5,5 Kilogramm Schwarzpulver sowie ca. 700 Stück 10 cm lange Zimmermannsnägel. Die Zündung des Sprengsatzes erfolgte über eine für den Flugzeugmodellbau zugelassene Funkfernbedienung. Insgesamt wurden 22 Personen im Alter zwischen 17 und 68 Jahren durch die umher geschleuderten Zimmermannsnägel verletzt, vier davon schwer. Durch die Wucht der Explosion zersplitterten ca. 30 Fensterscheiben an Wohn- und Geschäftsgebäuden. 15 PKW wurden zum Teil erheblich beschädigt. Nicht nur in dem Friseursalon, auch in den angrenzenden Geschäften kam es zu erheblichen Schäden, die sich insgesamt auf mehrere 100.000,- Euro beliefen.1815 In einem Einsatzbericht vom 9. Juni 2004 beschrieben die Polizeibeamten PK Baumeister und POM Voß, die in unmittelbarer Nähe zur Keupstraße Dienst versahen und den Tatort als erste erreichten, die Lage u. a. wie folgt: „Im Bereich Keupstr./Schanzenstr. befand sich eine große Personengruppe (ca. 30 Personen), die die Beamten auf zahlreiche Verletzte hinwiesen, die sich im Bereich Keupstr. befinden sollten. Im Bereich Keupstr. 29 lagen mehrere Personen stark blutend auf dem Boden und wurden durch Passanten versorgt. Im gesamten Straßenbereich liefen blutende Personen umher, die offensichtlich unter Schockeinwirkung standen. Das Haus Nr. 29 war durch die Detonation am stärksten beschädigt. Vor dem Haus befanden sich Rauchschwaden, die sehr intensiv nach Schwarzpulver rochen. Vor dem Haus lag ein stark beschädigtes silbernes Fahrrad. Kraftfahrzeuge, die in der Straße standen, sowie zahlreiche Fenster im Umfeld waren zum Teil stark beschädigt.“1816 Wenige Zeit nach der Explosion waren Rettungsfahrzeuge vor Ort, Verletzte wurden notärztlich oder durch Polizeibeamte erstversorgt und anschließend, soweit erforderlich, in Krankenhäuser eingeliefert.1817 Eine Bekennung zu der Tat gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. 2. Ermittlungen der StA und der Polizei Über das Lagezentrum wurden durch eine um 17:06 Uhr abgesetzte WE-Meldung mit der Betreffzeile „Terroristische Gewaltkriminalität“ u. a. das IM NRW, der GBA, das BKA und das BfV informiert. Allerdings wurde die Betreffzeile „Terroristische Gewaltkriminalität“ mit der nachfolgenden Meldung des LKA NRW durch „Anschlag in Köln vom 9.6.2004“ mit dem Hinweis ersetzt, dass bisher keine Indizien auf terroristische Gewaltkriminalität vorlägen.1818 1815 1816 1817 1818 330 Sachstandsbericht der GStA Köln vom 4. Januar 2012, A60756 S. 27 ff. (VS-nfD). Einsatzbericht des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 15. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 17; Bericht des PP Köln vom 9. Juni 2004 A60735 S. 41. Folgemeldung des LKA NRW, A10732, S. 207 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 a. Ermittlungsmaßnahmen Nach dem Bekanntwerden des Anschlags am Nachmittag des 9. Juni 2004 wurde zunächst eine BAO unter Leitung eines Polizeiführers gebildet, die in mehrere Ermittlungsabschnitte gegliedert war. Bereits am nächsten Tag wurde diese Struktur aufgelöst und der Abschnitt „Ermittlungen“ durch eine zeitweise mehr als 60 Beamte und Beamtinnen umfassende Mordkommission unter Leitung des Zeugen Markus Weber ersetzt, der EG / MK Sprengstoff. Dieser gehörten Beamte und Beamtinnen aus den Bereichen des Polizeilichen Staatsschutzes, der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, des für Sprengstoff- und Waffendelikte zuständigen Kommissariats sowie allgemeine Kräfte aus den Regionalkommissariaten an.1819 Ende Juni 2004 erfolgte eine erneute Umstrukturierung mit den Abschnitten „Operative Maßnahmen“ und „Ermittlungen“ unter Führung des Zeugen Markus Weber.1820 Am Tag der Tat war das PP Köln mit etwa 200 Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen im Einsatz, angefangen von Absperrkräften bis zu Ermittlern und Ermittlerinnen, Tatortbeamten und Tatortbeamtinnen und anderen.1821 Bereits am Nachmittag des 9. Juni 2004 konnten so zahlreiche Geschädigte befragt werden. Ebenso versuchte die Polizei Köln durch die Befragung am Tatort angetroffener Personen und der auf der Keupstraße wohnenden Anlieger und Anliegerinnen, Hinweise zum Tatgeschehen zu erlangen.1822 Die Befragung der durch die Sprengstoffexplosion verletzten Opfer wurde teilweise auch in den Krankenhäusern durchgeführt, in welche durch die Explosion verletzte Personen eingeliefert worden waren. Die Befragungen setzten sich auch noch an den nächsten Tagen fort.1823 Die Befragung der auf der Keupstraße angetroffenen Personen wie auch die Befragung der Anlieger und Anliegerinnen ergab keine konkreten Hinweise. Im Vordergrund der Angaben standen diffuse Andeutungen auf Konflikte zwischen Türken und Kurden1824, Schutzgelderpressung1825, die Türsteherszene1826, Zuhälter1827 und Metin Kaplan1828. Keine der befragten Personen konnte indes Gründe für die angestellten Vermutungen nennen. Andererseits gab es auch Personen, die hinsichtlich des oder der Täter Überlegungen auf einen möglichen rechtsradikalen Hintergrund anstellten: „Man will das Zusammenleben der Türken dort stören“1829, „Was ich mir so überlegt habe, vielleicht so Nazis, die so viele Ausländer mit in den Graben nehmen wollten. Da waren ja irgendwie so tausend Nägel oder so 500 Nägel, wie ich gehört habe“ und weiter „Wenn das dem Friseur galt, dann würde der (Täter) reingehen und den Friseur abknallen und nicht vor der Türe, das sind ja alles unschuldige Menschen. Der größte Teil sind 1819 1820 1821 1822 1823 1824 1825 1826 1827 1828 1829 Clauer, APr 16/984 S. 145 f. Tabellarische Auflistung Kräfteeinsatz, A12520 S. 402 ff. Weber, APr 16/983 S. 3 f. Bericht des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 35 f.; Vernehmung Abdullah Özkan vom 9. Juni 2004, A60735 S. 62. Vernehmungen des As. Y. und des M. I. vom 9. Juni 2004 und Vermerk des PP Köln über Anhörung des Sandro D´Alauro vom 10. Juni 2004, A60735 S. 72, 80, 103 (beispielhaft). Vernehmung des C. Ya. vom 12. Juni 2004, A60735 S. 280, 284. Vernehmung des M. T. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 244; Vermerk des PP Köln vom 3. Juli 2004, A60736 S. 49. Vernehmung der A. K. vom 9. Juni 2004, A60735 S. 75; Vermerk des PP Köln vom 10. Juni 2004 zu Zeugenbefragungen, A60735 S. 195 ff. Vermerk des PP Köln vom 10. Juni 2004 zu Zeugenbefragungen, A60735 S. 203, 205. Vermerk des PP Köln vom 10. Juni 2004 zu Zeugenbefragungen, A60735 S. 195, 197. Vernehmung des A. Yü. vom 29. Juni 2004, A60736 S. 32, 34. 331 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ja nun mal Türken und Kurden und Ausländer. Die einzige Möglichkeit, die ich mir denken kann, ist ein Ausländerhasser. Ich habe Videotext gelesen, es war wohl ein Blonder. Was anderes kann ich eigentlich mir nicht erklären.“1830 aa. Hinweise durch Zeugen (1) Zeuge H. Y. Erste Hinweise auf den oder die Täter erhielt die Polizei Köln aufgrund der Angaben des Zeugen H.Y. noch am späten Abend des 9. Juni 2004 sowie am 11. Juni 2004 aufgrund der Angaben der Zeugin G. B. im Zusammenhang mit der Entdeckung und Auswertung der VIVA-Videos. Der Zeuge H. Y. arbeitete am 9. Juni 2004 im Friseursalon seines Bruders Ö. Y. Özcan Yildirim auf der Keupstraße 29, als sich die Explosion ereignete. Durch die Explosion erlitt der Zeuge H. Y. mehrere Schnittwunden am Kopf, an beiden Händen und eine größere Schnittverletzung am rechten Ellenbogen. Hinzu kamen unter dem Eindruck des Anschlags andauernde Angstgefühle.1831 In einer ersten Anhörung, die noch am 9. Juni 2004 gegen 23.30 Uhr im Krankenhaus in Köln-Holweide erfolgte, gab der Zeuge H. Y. an, durch das Schaufenster für eine Sekunde eine männliche Person beobachtet zu haben, die ein Fahrrad vor dem Friseursalon abgestellt habe. Zu der Person gab er an, dass sie eine Kappe trug und das seitliche Haar unter der Kappe nach seiner Meinung blond war.1832 Noch am nächsten Tag, dem 10. Juni 2004, wurde der Zeuge H. Y. um 12.45 Uhr formell als Zeuge im Krankenhaus Köln-Holweide vernommen. Nachdem er zunächst die Geschehnisse um die Explosion innerhalb des Friseursalons und das Verhalten der dort befindlichen Personen geschildert hatte, gab er an, dass etwa 10 bis 15 Minuten vor der Explosion eine männliche Person ein Fahrrad unmittelbar vor dem Friseursalon abgestellt habe. Dabei es ihm merkwürdig erschienen, dass der Mann auffällig in den Salon geschaut habe. Den Fahrradfahrer beschrieb der Zeuge H. Y. als ca. 30 Jahre alt und ca. 1,80 Meter groß. Der Mann habe eine dunkle Baseballmütze mit auffällig rund gebogenem Schirm getragen, die seiner Erinnerung nach dunkelblau gewesen sei.1833 Weiter gab der Zeuge H. Y. Folgendes an: „Unter der Baseballkappe konnte ich blonde Haare erkennen, die an der Seite herausschauten. Insbesondere konnte ich die blonden Koteletten erkennen.“1834 Ergänzend erklärte er, dass er zur Nationalität des Mannes keine Angaben machen könne und sich nicht in der Lage sehe, einem Zeichner Angaben zur Erstellung eines Fahndungsbildes des Mannes zu machen. Ihm sei lediglich noch bekannt, dass der Mann einen Rucksack auf dem Rücken getragen habe.1835 Der Zeuge H. Y. wurde am 4. Juli 2004 nach Urlaubsrückkehr aus der Türkei nochmals als Zeuge vernommen. Zu der Person mit dem Fahrrad gab er an, dass diese sich einmal zu dem Fahrrad runtergebeugt und sich am hinteren Teil des Fahrrades gebückt habe. Erneut 1830 1831 1832 1833 1834 1835 332 Vernehmung des Me. K. vom 14. Juni 2004, A60735 S. 340, 345. Vernehmung des H. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 162 f. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 95 ff.. Vernehmung des H. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 161 ff. Vernehmung des H. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 163 ff. Vernehmung des H. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 163 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wies der Zeuge H. Y. auf die Baseballkappe und darauf hin, dass die Koteletten blond gewesen seien. Er könne zwar nicht sagen, ob es ein Deutscher oder Türke gewesen sei, aber es sei ein heller Hauttyp gewesen, nicht so wie er. Nachdem der Zeuge H. Y. bereits darauf hingewiesen hatte, dass ihm beim Betrachten des Bildes dieses Mannes in der Zeitung schlecht geworden sei, sind ihm weitere Lichtbilder vorgelegt worden. Hierzu gab er an, sich zu 99% sicher zu sein, dass es die Person war, die das Fahrrad abgestellt habe. Welches Lichtbild dem Zeugen H. Y. vorgelegt wurde, wurde nicht mitgeteilt.1836 Der Versuch, mit Hilfe des Hasan Yildirim am 5. Juli 2004 ein Phantombild zu erstellen, schlug fehl, da er dem Mann nur für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen geschaut und dabei das Gesicht nicht gut wahrgenommen hatte.1837 Nachdem die Polizei Köln nahezu zwei Jahre ermittelt hatte, wurde der Zeuge H. Y. am 5. April 2006 ein weiteres Mal vernommen. Bei dieser Zeugenvernehmung ging es aber weniger um den Tathergang an sich. Die Polizei Köln hatte sich hinsichtlich der möglichen Täter sehr früh darauf festgelegt, dass diese in den Kreisen von Zuhältern, Türstehern und Schutzgelderpressern zu suchen seien und die Opfer des Nagelbombenanschlags mehr über die Täter wüssten, als sie zugeben wollten.1838 So ging es nunmehr darum, die Zeugen einzuschüchtern und sie mit angeblichen Zeugenaussagen zu konfrontieren, die sich nicht in den Akten fanden, um sich die vorgefasste Tätertheorie bestätigen zu lassen. Entgegen den Erwartungen der Polizei Köln machte der Zeuge H. Y., dem die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm angeboten wurde, nicht die gewünschten Angaben.1839 Noch am 26. September 2006 regte der Zeuge Markus Weber bei der StA Köln die längerfristige Observation des der Zeuge H. Y. an, weil „aufgrund der bisherigen Ermittlungen der Verdacht“ bestehe, „dass der Zeuge und sein Bruder [Ö.Y.] Kenntnis über Machenschaften und Hintergründe des Anschlags haben, die zur Aufklärung der Straftat“ führen. Den Akten sind Anhaltspunkte für diese Behauptung zwar nicht zu entnehmen, aber die StA Köln folgte der Anregung und ordnete eine längerfristige Observation an. Nachdem der Zeuge Markus Weber unter dem 4. Dezember 2006 der StA Köln mitgeteilt hatte, dass die Ermittlungen ergebnislos verlaufen seien und keine Anhaltspunkte vorlägen, die eine erfolgversprechende Weiterführung der Ermittlungen ermöglichen, wurde die Maßnahme beendet.1840 (2) Zeugin G.B. Am Freitag, dem 11. Juni 2004, meldete sich die Zeugin G.B. bei der Polizeiwache Nordost des PP Köln und gab an, ihr sei am Tag der Tat gegen 15.10 Uhr eine männliche Person entgegengekommen, die ein Fahrrad in Richtung Schanzenstraße geschoben habe.1841 Die Schanzenstraße führt weiter in Richtung Keupstraße. Noch am selben Tage wurde die Zeugin G. B. durch Beamte der inzwischen MK Sprengstoff vernommen. Dabei gab sie an, dass der Mann ihr wegen seiner vorsichtigen Gangart aufgefallen sei. Zum Aussehen gab die Zeugin G. B. an, der Mann sei dunkelblond bis schwarzhaarig, gepflegt und glatt rasiert gewesen. Wenn es ein Deutscher wäre, dann sei es eher ein dunkler Typ gewesen. Ihrer Meinung nach sei er aber kein Türke, sondern, wenn Ausländer, dann Italiener, Spanier oder auch Jugoslawe oder Albaner. Weiter gab die Zeugin G. B. an, das Alter schätze sie auf 1836 1837 1838 1839 1840 1841 Vernehmung des H. Y. vom 4. Juli 2004, A60736 S. 52 f. Eindrucksvermerk des PP Kön vom 8. Juli 2004, A60736 S. 100. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735, S. 17 ff. Vernehmung des H. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 30 ff. Verfügung vom 4. Dezember 2006, A60737 S. 57. Vermerk vom 11. Juni 2004, A60736 S. 139. 333 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 etwa Mitte 20 und der Mann sei zwischen 1,70 Meter und 1,75 Meter groß gewesen. Er habe sportlich und schlank gewirkt, vom Gewicht her nicht mehr als 65 kg schwer.1842 Nachdem am 16. Juni 2004 bekannt geworden war, dass die am Gebäude der Firma VIVA Media AG auf der Schanzenstraße 22 installierten Videoüberwachungskameras möglicherweise auch den oder die Täter erfasst haben könnten, wurden die Aufzeichnungen ausgewertet und der Zeugin G. B. am 16. August 2004 entsprechende Sequenzen vorgespielt. Die Zeugin G. B. war sich ziemlich sicher, dass die Person, die in der ersten Videosequenz abgelichtet ist, die Person gewesen sei, die sie in dem Fußweg gesehen hätte. In der Vernehmung am 16. August 2004 gab die Zeugin weiter an, sie könne aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung als Sparkassenangestellte die Nationalität einer Person aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes gut einschätzen. Einen türkischen Staatsangehörigen schloss sie aus. Weiter hieß es: „Ich denke eher, es war ein Osteuropäer - also damit meine ich eher einen Italiener oder Jugoslawen oder Albaner. Einen Deutschen schließe ich aber auch nicht aus.“ Eine Erinnerung an die Haarfarbe hatte die Zeugin G. B anders als der Zeuge H. Y. zu diesem Zeitpunkt indes nicht mehr.1843 Schließlich wurde die Zeugin G. B. am 11. März 2005 durch eine Diplompsychologen unter Hypnose angehört. Über das als „Kognitives Interview“ bezeichnete Frage- und Antwortgespräch hat der Diplompsychologe ein Befragungsprotokoll erstellt. Auszugsweise heißt es dort bezüglich des Mannes „Mitte 20, relativ schlank, eher schmale Figur, Italiener…Spanier Albaner…Bisschen jugoslawisches vom Typ, Haut nicht dunkel, eher südländisch, leichte Bräunung.“ Bei der Nachbefragung gab sie an: „Insgesamt eher ein mediterraner Typus.“ Ergänzend bemerkte sie, dass es die leicht dunklere Hautfarbe natürlich auch bei Deutschen gebe, z.B. bei ihrem eigenen Sohn.1844 Mit der am 18. März 2005 unter ihrer Mithilfe angefertigten Phantomzeichnung war die Zeugin G. B. sehr zufrieden. Das Porträt gebe die Person wieder, die sie dem Zeichner beschrieben habe. Der Zeichner selbst soll gegenüber der Kölner Polizei angegeben haben, auf dem Hintergrund seiner jahrelangen Erfahrung als Porträtzeichner zeige das Porträt „zu 65 % keine deutsche Person“. Die Frage, ob es auch ein türkisches oder kurdisches Gesicht sein könnte, habe G. B. verneint.1845 Das mit Hilfe der Zeugin G. B. erstellte Phantombild ist zu Fahndungszwecken veröffentlicht worden. 1842 1843 1844 1845 334 Vernehmung der G. B. vom 11. Juni 2004, A60736 S. 140 ff. Vernehmung der G. B. vom 11. Juni 2004, A60736 S. 160 ff.; Vernehmungen des H. Y. vom 9. und 10. Juni 2004, A60735 S. 96, 164. Hypnosebericht, A60744 S. 18, S. 21. Eindrucksvermerk vom 18. März 2005, A60744, S. 25. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Anzumerken ist, dass der Zeuge H.Y. die Haare der von ihm beobachteten Person, die das Fahrrad mit der Nagelbombe vor dem Friseursalon abgestellt hatte, konstant mit blond beschrieb. Die Zeugin G. B. gab am 16. August 2004 zunächst an, keine Angaben zur Haarfarbe machen zu können.1846 Erst nach einer Befragung unter Hypnose am 11. März 2005 legte sie sich auf „dunkel“ fest.1847 (3) Zeuge B. C. Am 18. April 2005 fragte ein Beamter des PP Köln, der der MK Sprengstoff aus dem Polizeilichen Staatsschutzes zugeordnet und dort im Bereich Ausländerkriminalität tätig war, beim Verfassungsschutz NRW, ob im Nachgang zum Tatgeschehen auf der Keupstraße vom 9. Juni 2004 dort Erkenntnisse eingegangen seien, die auf die Motivlage oder die Täter hinweisen könnten. Ihm wurde mitgeteilt, dass nach wie vor keine Hinweise auf Täterschaft oder Motivlage vorlägen. Allerdings erhielt der Beamte den Hinweis auf einen B. C., der die Täter eventuell vor der Tat beobachtet haben könnte.1848 Bemerkenswert ist, dass der Verfassungsschutz NRW erst auf Nachfrage des PP Köln und fast ein Jahr nach der Tat den Hinweis auf einen ihm bekannten Augenzeugen des Tatgeschehens gab. Aus welchem Grund dieser Information erst so spät weitergegeben wurde, ist dem Ausschuss nicht bekannt. B. C. wurde am Folgetag, dem 19. April 2005, durch die MK Sprengstoff zeugenschaftlich vernommen.1849 In seiner Vernehmung gab er an, sich am 9. Juni 2004 gegen 15.40 Uhr auf dem Weg zu seinem Büro auf der Keupstraße befunden zu haben. Dabei habe er einen frei zugänglichen Verbindungsweg benutzt, der von einem Parkplatz direkt zur Keupstraße und dort schräg gegenüber dem Friseursalon führt. In diesem überbauten Durchgang seien ihm zwei junge Männer aufgefallen, von denen einer ein Fahrrad festgehalten habe. Dieser Mann sei so ein „Typ Sozialhilfeempfänger, Deutscher, aus Mülheim kommend“ gewesen. Das voluminöse und beladene Fahrrad habe nicht zu dem Mann gepasst. Dieser sei ca. 30 Jahre alt, schmal, schmächtig und blond bis brünett gewesen. Er habe ein Sportkäppi getragen, wie man es auf den Fahndungsfotos sehe; der andere Mann sei eher sportlich, gebräunt und nicht bleich gewesen, vom Typ her Mitteleuropäer, vom Typ des Profiboxers Sven Ottke.1850 Weiter gab der Zeuge B. C. an: „Die beiden beschriebenen Personen sind mir nicht als ‚TÜRKEN‘ in Erinnerung. Es könnte eine Auftragstat gewesen sein. Dieser ‚Sozialhilfeempfänger‘ schien mir so einer zu sein, der zu parieren hatte. Der andere (Ottke) schien dem deutlich übergeordnet. Wenn ich danach gefragt werde, könnten die beiden auch aus dem Bereich des ehemaligen Jugoslawien kommen.“1851 Im Anschluss an diese Zeugenvernehmung unternahm das PP Köln den Versuch, die Angaben des Zeugen B. C. durch ein Weg-Zeit-Diagramm einzuordnen. Der Zeuge B. C. hatte angegeben, sich etwa seit 15 Minuten in seinem Büro aufgehalten zu haben, als die Bombe auf der Keupstraße explodierte.1852 Das PP Köln errechnete, dass er folglich die beiden Männer 1846 1847 1848 1849 1850 1851 1852 Vernehmung der G. B. vom 16. August 2004, A60736, S. 162. Hypnosebericht, A60744, S. 17 ff. Vermerk vom 18. April 2005, A12591 S. 97. Vernehmung des B. C. vom 19. April 2005, A12591 S. 98 ff. Vernehmung des B. C. vom 19. April 2005, A12591 S. 98 ff. Vernehmung des B. C. vom 19. April 2005, A12591 S. 103. Vernehmung des B. C. vom 19. April 2005, A12591 S. 102. 335 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 um 15:41 Uhr beobachtet haben müsste.1853 Nach der Aufzeichnung der VIVA-Kamera gingen die beiden Täter gegen 15:10 Uhr Richtung Tatort und hielten sich dann an unbekannter Stelle auf. Um 15:31 Uhr wurden die beiden Täter von der VIVA-Kamera erneut erfasst, als sie mit den Fahrrädern die Schanzenstraße querten und Richtung Fahrradabstellplatz gingen, wo sie vermutlich verweilten. Gegen 15:50 Uhr erfasste die VIVA-Kamera die beiden Tätern mitsamt Fahrrädern erneut, diesmal querten sie die Schanzenstraße in entgegen gesetzter Richtung und bewegten sich Richtung Keupstraße, wo sie um 15:56 Uhr die Nagelbombe zündeten.1854 In dem Hinterhof bzw. Durchgang, wo der Zeuge B. C., die unbekannten Männer gesehen hat, hätten sie sich laut Wegeberechnung der Polizei bis maximal 15:28 Uhr aufhalten können.1855 Das PP Köln kam dabei zu dem Ergebnis, dass aufgrund der objektiven Daten es sich bei den von dem Zeugen B. C. beobachteten Personen nicht um die Tatverdächtigen handeln könne. Einerseits sei in der retrograden Zeitwegberechnung beim Zeugen B. C. ein Unsicherheitsfaktor zu berücksichtigen, so dass nicht völlig ausgeschlossen werden könne, dass es sich um die Täter gehandelt haben könnte. Mit dem Bemerken, dass andererseits keine weitergehenden Tatsachen vorlägen, die genau dieses Szenario sicher belegen könnten, blieb die Beobachtung des B. C. „bis auf weiteres ohne Ermittlungsrelevanz.“1856 Der Abschluss der Spur wurde am 12. Juli 2005 durch den Zeugen Markus Weber gegengezeichnet.1857 Sicher zutreffend hat die EK Sprengstoff vermerkt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den von dem Zeugen B. C. beobachteten Personen um die Täter gehandelt habe. Indes bestand gleichwohl Ermittlungsrelevanz insoweit, als jedenfalls der Hinweis auf blondes oder brünettes Haar die Angaben des Hasan Yildirim zu der Person bestätigten, die das Fahrrad mit der Nagelbombe vor dem Friseursalon abgestellt hatte. Zudem waren dem Zeugen B. C. die Personen nicht als „Türken“ in Erinnerung.1858 Der Zeuge Markus Weber hat auf die Frage, ob dem Zeugen B. C. auch die Bilder der mutmaßlichen Täter auf dem VIVA-Video oder das Phantombild gezeigt worden seien, angegeben, dass er sich daran nicht mehr erinnern könne, dies seiner Meinung nach aber so hätten erfolgen müssen bzw. sollen.1859 (4) Zeugin B. K. Während nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße am 9. Juni 2004 die Ermittlungen durch Polizei und StA andauerten, ereignete sich am 9. Juni 2005 in Nürnberg der 6. Mord der Ceska-Serie. Opfer war der 50 Jahre alte Ismail Yaşar. Er wurde gegen 10.00 Uhr in dem von ihm betriebenen Döner-Imbiss auf der Scharrerstraße mit fünf Schüssen ermordet. Am 10. Juni 2005, einen Tag nach dem Mord an Ismail Yaşar, meldete sich die B. K. bei der Polizei in Nürnberg und gab an, wenige Minuten vor 10.00 Uhr mit ihrem Fahrrad an dem Imbiss vorbeigefahren zu sein und dort zwei Männer mit Fahrrädern bemerkt zu haben, die sich mit Hilfe eines Stadtplans zu orientieren versucht hätten. Als sie etwa 20 Minuten später auf ihrem Rückweg wieder an dem Döner-Imbiss vorbeigekommen sei, seien ihr die beiden Radfahrer wieder aufgefallen. Sie seien etwa von der Höhe des Eingangs zu dem Döner-Imbiss 1853 1854 1855 1856 1857 1858 1859 336 Abschlussvermerk Spur 357 vom 12. Juli 2005, A12591 S. 110. Vermerk des PP Köln vom 17. Juni 2004, A12539 S. 169 f. Abschlussvermerk Spur 357 vom 12. Juli 2005, A12591 S. 110. Abschlussvermerk Spur 357 vom 12. Juli 2005, A12591 S. 110. Bearbeitungsbogen Spur 357, A12591 S. 96. Vernehmung des B. C. vom 19. April 2005, A12591 S. 103. Weber, APr 16/1297 S. 52 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 zu ihren Fahrrädern gelaufen, die sie seitwärts abgestellt hätten. Bei den Fahrrädern angekommen, seien die Männer stehen geblieben und sie habe beobachten können, wie der eine dem anderen eine zusammengedrehte gelbe Plastiktüte in den Rucksack gesteckt habe. Die Tüte sei keineswegs leer gewesen, für sie habe es so ausgesehen, als sei ein etwa 20 bis 25 cm großer Gegenstand darin eingerollt gewesen, etwa so, als wenn sie ihren Regenschirm in eine Tüte einrolle. Die Radfahrer seien ca. 1,85 bis 1,90 Meter groß mit kurzen dunklen Haaren und von der Statur und der Frisur her seien sich die Männer sehr ähnlich gewesen, fast wie Zwillinge. Vom Typ seien beide eher keine Türken oder Südländer, sondern eher europäisch mit heller Haut.1860 Bei den beobachteten Personen handelt es sich nach heutiger Kenntnis um die Mörder des Ismail Yaşar. Erstmals am 23. Mai 2006, also fast zwei Jahre nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße und fast ein Jahr nach dem Mord an Ismail Yaşar in Nürnberg, wurden der Zeugin B. K. drei Videosequenzen der Überwachungskameras vorgeführt, die an dem Gebäude der VIVA Media AG in Köln angebracht waren. Am 23. Mai 2006 machte die Zeugin B. K. bei der BAO Bosporus des PP Mittelfranken1861 in Nürnberg u. a. folgende Angaben: „Mir wurden heute bei der BAO Bosporus drei Videosequenzen einer Überwachungskamera zum Bombenanschlag in Köln gezeigt [….] Wenn ich die auf dem Video gezeigten Personen nun mit den beiden vergleiche, die ich im Mordfall des Ismail Yaşar in der Scharrerstraße gesehen habe, kann ich dazu sagen, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass jeweils eine Person aus dem Kölner Video mit einem von mir in der Scharrerstraße gesehenen Radfahrer identisch ist. Von der Gestalt und der Gesichtsform her stimmen die ‚Kölner‘ mit den von mir in Nürnberg gesehenen überein. Die beiden Nürnberger Männer habe ich zunächst von der Seite und später, als sie bei den Fahrrädern standen[…], von hinten gesehen. Ich bin mir aber sicher, dass deren Bewegungsablauf mit dem der auf den Kölner Videos gezeigten Männer identisch ist. Auch von der Körpergröße her stimmen die Personen aus Kölner Videosequenzen mit den von mir in Nürnberg gesehenen überein. Der Haarschnitt ist bei beiden ‚Paare‘ ebenfalls gleich.“1862 Anders allerdings als in dem Vernehmungsprotokoll der BAO Bosporus niedergelegt, gab die Zeugin B. K. am 23. Mai 2006 beim Betrachten der Täter auf den Kölner Videosequenzen an, „Das ist einer der Männer, die ich in Nürnberg gesehen habe“ und „Das ist er“ und auch „Der war es“. Diese klaren und eindeutigen Aussagen sind nach Aussage eines der Vernehmungsbeamten vor dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags zum NSU indes nicht protokolliert worden.1863 Im Ergebnis hatte man nunmehr genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Täter der CeskaSerie und die Bombenleger in Köln identisch sind. Ob und wie die Aussagen der Zeugin B. K. in den Jahren 2005 und 2006 bewertet worden sind, ist indes nicht aktenkundig. Während üblicherweise jeder Hinweis aus der Bevölkerung 1860 1861 1862 1863 Vernehmung der B. K vom 10. Juni 2005, A60757 S. 302 ff. (VS-nfD). Die Ermittlungen wegen der bis dahin bekannt gewordenen Ceska-Morde wurden durch die BAO Bosporus des PP Mittelfranken als besonderer Ermittlungsstruktur zentral in Nürnberg geführt. Vernehmung der B. K. vom 23. Juni 2006, A60757 S. 313 f. (VS-nfD). Schlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags zum NSU vom 10. Juli 2013, Drs 16/17740 S. 99. 337 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 oder von anderer Seite wenn nicht in der Hauptakte, so doch in einer Spurenakte festgehalten wird, ist dies hinsichtlich der Angaben der Zeugin B. K. nicht der Fall. Der einzige Vermerk zu dieser Spur datiert vom 21. November 2011 und wurde durch den Zeugen Markus Weber also zu einem Zeitpunkt erstellt, als der GBA die Ermittlungen aufgrund der Selbstenttarnung des NSU bereits übernommen hatte.1864 Der Umgang der EG Sprengstoff mit diesem Hinweis lässt sich nur anhand des Aktenmaterials der BAO Bosporus zum Teil rekonstruieren. Demnach meldete sich der Zeuge Markus Weber am 21. Juni 2005 telefonisch bei seinem Kollegen der beim PP Mittelfranken in Nürnberg ansässigen BAO Bosporus, die zur Aufklärung der bisherigen Ceska-Morde eingerichtet worden war. Er teilte mit, dass er den Kontakt deshalb aufnehme, weil auch die Täter in Nürnberg mit einem Fahrrad unterwegs gewesen seien und die Personen auf den jeweiligen Phantombildern aus Köln und Nürnberg eine grundsätzliche Ähnlichkeit aufwiesen. Ausweislich des Aktenbestands faxte der Zeuge Markus Weber einen Sachstandsbericht und das Phantombild des Kölner Täters nach Nürnberg. Er bat zudem darum, der Zeugin B. K. die Kölner Videosequenz zu zeigen.1865 Der Zeuge Markus Weber hat bestätigt, dass er nach dem Mord an Ismal Yaşar mit der Nürnberger Kommission Kontakt aufgenommen habe und ein paar Wochen später zu einem Informationsaustausch nach Nürnberg gefahren sei.1866 Weiter hat angegeben, dass er sich mit dem Ermittlungsführer in Nürnberg einig gewesen sei, dass beide Fälle zusammengehören könnten. Konkrete Ermittlungsansätze hätten sich daraus aber nicht ergeben.1867 In den Akten der BAO Bosporus findet sich kein Vermerk über ein Treffen zwischen dem Zeugen Markus Weber und der BAO Bosporus im Sommer 2005. Nach Angaben des Zeugen Markus Weber sei dieses Treffen im Sommer 2005 nicht schriftlich festgehalten worden.1868 In einem Vermerk über einen persönlichen Informationsaustausch zwischen der EG Sprengstoff und der BAO Bosporus am 20. September 2006 in Nürnberg ist allerdings vermerkt, dass „ein erster Informationsaustausch bereits im August 2005 stattgefunden habe.“1869 Im Aktenvermerk über den Informationsaustausch am 20. September 2006 wurde unter dem Punkt „Vereinbarte Maßnahmen“ festgehalten: „Nach dem Informationsaustausch wurde vereinbart, dass die von KHK Weber auf CD übergebenen Spudok-Daten des Ermittlungsverfahrens EG Sprengstoff mit dem hier vorliegenden EASy-Bestand verglichen wird. Im weiteren werden die Videoaufnahmen samt Lichtbildausdrucken entsprechenden Zeugen im Verfahren YAŞAR sowie im Verfahren KUBAŞIK in Dortmund (Zeugin DZINIC) vorgelegt. Der Zeugin [B.] in Köln werden die Phantombilder zum Ermittlungsverfahren YAŞAR gezeigt. Im weiteren ist beabsichtigt eine vergleichende OFA-Analyse des Verfahrens Bombenanschlag Köln sowie der Tötungsserie durchzuführen.“1870 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 338 Vermerk des PP Köln vom 21. November 2011, A60757 S. 335. Vermerk der KPD Nürnberg vom 22. Juni 2005, A84210 S. 9 f. Weber, APr 16/983 S. 47; Weber APr 16/1297 S. 30. Weber, APr 16/983 S. 47. Weber APr 16/1297 S. 30. Vermerk der BAO Bosporus vom 21. September 2006, A84210 S. 50. Vermerk der BAO Bosporus vom 21. September 2006, A84210 S. 51 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Aus den Akten der BAO Bosporus ist ersichtlich, dass die BAO Bosporus die Spur 349 anlegte, die sich mit der Verbindung zwischen dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße und dem Mord an Ismail Yaşar befasst, Die BAO Bosporus nahm ihrerseits, wie verabredet, den Datenabgleich vor1871 und zeigte der Zeugin B. K. schließlich auch das Video aus der Keupstraße.1872 Weiter versuchte sie, aufgrund der bei der Nagelbombe in der Keupstraße verwendeten Funkzündung, Modellbaubastler im Raum Nürnberg zu identifizieren. 1873Die BAO Bosporus schickte ebenso die Zeugenbefragungen der Zeugin Jelica Dzinic aus Dortmund am 14. August 2006 an den Zeugen Markus Weber beim PP Köln.1874 In den Spurenakten des PP Köln finden sich diese Vermerke des PP Dortmund ebenso wenig wie die Vermerke der BAO Bosporus. Auf Nachfrage, aus welchen Gründen sich hierüber nichts in den Akten befinde, hat der Zeuge Markus Weber keine konkreten Angaben machen können.1875 Ebenso wenig hat er erklären können, aus welchen Gründen nicht aktenmäßig dokumentiert worden ist, dass der Zeugin G. B. das mit Hilfe der Zeugin B. K. erstellte Phantombild vorgelegt worden wäre.1876 In der Spurenakte der BAO Bosporus findet sich kein Vermerk über die Vorlage des Nürnberger Phantombilds bei der Zeugin G. B. durch das PP Köln. Es findet sich lediglich ein Telefax des Zeugen Markus Weber mit den Protokollen der Vernehmungen der Zeugin G. B. aus dem Jahr 2004 und 2005.1877 Auf die Frage, warum erst elf Monate nach den ersten Gesprächen zwischen der EG Sprengstoff und der BAO Bosporus der Zeugin B. K. die Videosequenzen aus der Keupstraße vorgeführt und ein Datenabgleich durchgeführt worden sei, hat der Zeuge Markus Weber ausgesagt, dass für den Datenabgleich rechtliche Möglichkeiten hätten geklärt werden müssen.1878 Zudem hat er ausgesagt: „Ich sage mal, wenn wir konkret was gehabt hätten, wo wir sagen: ‚Okay, das passt tatsächlich, dann hätten wir das wahrscheinlich schneller gemacht. So: Ich kann Ihnen die genauen Gründe nicht mehr nennen, warum es so lange gedauert hat.“1879 Der Zeuge Wolfgang Geier, Leiter der BAO Bosporus in der Zeit vom 1. Juli 2005 bis Ende Januar 2008, hat zu Beginn seiner Vernehmung angegeben: „Auf jeden Fall haben wir dann im Herbst 2005 schon erste Zweifel daran gehabt, nachdem wir diesen Überblick hatten: Da ist nichts Griffiges in Richtung OK da. – ‚OK‘ meint nicht nur, dass möglicherweise die Opfer Mitglied in einer OK-Organisation waren, sondern dass sie Opfer – ich sage jetzt einmal: Schutzgelderpressung – einer kriminellen Vereinigung geworden sind.“1880 Nach den beiden Morden an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006 in Dortmund und insbesondere an Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel sei man zu der Überzeugung gelangt, dass 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 Spurenakte 349 der BAO Bosporus, A84100 S. 2 ff. Spurenakte 349 der BAO Bosporus, A84100 S. 90 ff. Spurenakte 349 der BAO Bosporus, A84100 S. 39 ff. Telefax der BAO Bosporus vom 14. August 2006, A84100 S. 134 ff. Weber, APr 16/1297 S. 28 ff. Weber, APr 16/1297 S. 31 f. Telefax des PP Köln vom 14. August 2006, A84100 S. 104 ff. Weber, APr 16/1297 S. 28. Weber, APr 16/1297 S. 29. Geier, APr 16/1142 S. 68. 339 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 hinter den Morden „Serientäter“ stünden, die möglicherweise dem rechtem Spektrum zuzuordnen sein könnten. Das habe dazu geführt, 682 Rechtsextremisten im Bereich Nürnberg zu überprüfen.1881 Der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße sei ausführlich in der BAO Bosporus Gegenstand der Diskussion gewesen. Im August 2005 sei man telefonisch mit den Kollegen in Köln in Kontakt getreten und ein Jahr später, 2006, sei es dann zu einem Treffen mit den Kölner Kollegen gekommen.1882 Dabei sei man aufgrund der Fallvorstellung, des Standes der Ermittlungen sowie der übergebenen Fallanalyse des BKA, so der Zeuge Wolfgang Geier weiter, zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen: „Ein Tatzusammenhang kann aufgrund von erstens Opferauswahl – es waren vor allem türkische Kleingewerbetreibende, der Auswahl des Tattages - der 09.06 2004 Köln/Keupstraße, Yaşar in Nürnberg am 09.06.2005, also genau ein Jahr später … Dann natürlich die ähnlichen Personenbeschreibungen der beiden Täter. Nur die Körpergröße, das war das Einzige, was etwas gröber differenziert hat und Abweichungen gegeben hat, und die Verwendung von Fahrrädern zur Tatausführung. Deshalb konnte, sage ich jetzt einmal, ein Tatzusammenhang zwar nicht bewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden“.1883 Auf den Vorhalt, die Zeugin B. K. habe nach Betrachten des VIVA-Videos gegenüber der Polizei angegeben: „Wenn ich die auf dem Video bezeichneten Personen nun mit den beiden vergleiche, die ich im Mordfall des Ismail Yaşar in der Scharrerstraße gesehen habe, kann ich dazu sagen, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass jeweils eine Person aus dem Kölner Video mit einem von mir in der Scharrerstraße gesehenen Radfahrer identisch ist“, hat der Zeuge Wolfgang Geier angegeben: „Ja, Ja. Nur ich sage jetzt einmal so, die Frage ist: Zu was soll das führen?“1884 Die Frage, warum der B. K. die Videos der Überwachungskameras der VIVA Media AG erst im Mai 2006 gezeigt worden seien, hat der Zeuge Wolfgang Geier nicht zu beantworten vermocht. Weiter hat er angegeben, dass ihm persönlich von den Kölner Kollegen nichts über die Nagelbombenanschläge in London im Jahre 1999 mitgeteilt worden und ihm „David Copeland“ selber damals auch nicht bekannt gewesen sei.1885 Die weiteren Ermittlungen wie Datenabgleich, Vorführung des VIVA-Videos und Veröffentlichen des mit Hilfe der Zeugin G. B. erstellten Phantombildes in sämtlichen Modellbaugeschäften und den wichtigsten Vereinen mit Bezug zu Flugzeugmodellbau verliefen erfolglos. Die Spur wurde dann letztlich mit dem Bemerken nicht weiter verfolgt, dass keine weiteren Ansätze bestünden, einen Tatzusammenhang zu be-, bzw. zu entkräften.1886 (5) Zeugin Jelica Dzinic 1881 1882 1883 1884 1885 1886 340 Geier, APr 16/1142 S. 69, 72 f. Geier, APr 16/1142 S. 81. Geier, APr 16/1142 S. 81. Geier, APr 16/1142 S. 83. Geier, APr 16/1142 S. 92 f.. Vermerk der BAO Bosporus zur Spur 349, A84210 S. 36. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 4. April 2006 wurde Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk in Dortmund gegen 12:55 Uhr tot aufgefunden. Einen Tag später, am 5. April 2006, teilte die Zeugin Jelica Dzinic der K-Wache des PP Dortmund telefonisch Beobachtungen mit, die sie im Zusammenhang mit der Tat gemacht habe. In dem darauf gefertigten Vermerk wird festgehalten, dass der Zeugin Jelica Dzinic am 3. April 2006 gegen 0:30 Uhr auf dem Weg zu ihrer Wohnung in der Mallinckrodtstraße zwei alkoholisierte Junkies, davon einer mit einem Fahrrad, aufgefallen seien. Als sie ihre Wohnung gegen 0:50 Uhr nochmal verlassen habe, hätten die Personen sich im Bereich des Kiosks des Mehmet Kubaşık unterhalten.1887 Am 6. April 2006 befragte ein Beamter des PP Dortmund die Zeugin Jelica Dzinic an ihrer Wohnanschrift persönlich zu ihren Beobachtungen und vermerkte zum Anlass der Befragung, dass die Zeugin Jelica Dzinic zwei Männer in der Nähe des Tatorts beobachtet habe, die wie „Rechtsradikale“ ausgesehen hätten. Als Ergebnis der Zeugenbefragung vermerkt der Beamte, dass die Zeugin Jelica Dzinic am 3. April zwei auffällige Männer in Tatortnähe beobachtet habe, die definitiv keinen rechtsradikalten Eindruck gemacht hätten. Vielmehr seien es alkoholisierte Junkies gewesen.1888 In ihrer Vernehmung am 7. April 2006 gab die Zeugin Jelica Dzinic an, am 4. April 2006 gegen 12:30 Uhr in Höhe des Tatorts zwei Männern begegnet zu sein, von denen einer ein Fahrrad geschoben habe.1889 Als sie gegen 12:50 Uhr zur Bank gegangen sei, hätten die beiden Männer sich vor dem Kiosk unterhalten. Beide Männer seien zwischen 25 bis 30 Jahre alt gewesen, hätten aufgrund ihres zappeligen Ganges wie Junkies gewirkt, seien hell bekleidet gewesen und hätten kurze dunkelblonde Haare gehabt.1890 Diese Angaben bestätigte die Zeugin Jelica Dzinic sowohl im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem 6. Strafsenat des OLG München sowie gegenüber dem Ausschuss, gab aber jeweils ergänzend an, die beiden Männer als „Junkies oder Nazis“ gegenüber der Polizei beschrieben zu haben.1891 Die Beobachtung eines Mannes mit Fahrrad zur Tatzeit in Tatortnähe war Anlass, Kontakt zur Mordkommission in Dortmund aufzunehmen.1892 Der Zeuge Markus Weber hat angegeben, sich mit den Kommissionen in Dortmund und Nürnberg in persönlichen Gesprächen ausgetauscht zu haben, um Ansatzpunkte für weitere Ermittlungsmaßnahmen zu finden.1893 Die Gespräche mit Dortmund und Nürnberg hätten aber nicht zu einer neuen Bewertung geführt, die in Richtung rechts gewiesen habe, weder durch ihn noch seine Kollegen.1894 Insoweit sei auch keine Spurenakte angelegt worden, weil es keine konkreten Ergebnisse gegeben habe.1895 (6) Angaben des Zeugen Ali Demir Der Zeuge Ali Demir wurde erstmals am 28. November 2012 vom PP Köln zeugenschaftlich vernommen. Er gab an, nach der Explosion zunächst einen zivil gekleideten Mann bemerkt zu haben, der in einem Schulterholster eine Pistole getragen habe. Von ihm auf die Situation 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 Vermerk des PP Dortmund vom 05. April 2006, A60745 S. 274 f. Vermerk des PP Dortmund vom 6. April 2006, A60745 S. 276 f. Vernehmung der Jelica Dzinic vom 7. April 2005, A60745 S. 279. Vernehmung der Jelica Dzinic vom 7. April 2005, A601745 S. 281. Nicht amtliches Protokoll des 51. Verhandlungstags vom 5. November 2013 im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlicht auf nsu-watch-info, A95532; Dzinic, APr 16/1126 S. 59 ff. Weber, APr 16/983 S. 48, 62 f. Weber, APr 16/983 S. 48, 62, 63. Weber, APr 16/983 S. 48, 62 f. Weber, APr 16/1297 S. 29. 341 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 angesprochen, habe der Mann auf die am Boden liegenden Metallteile hingewiesen und gesagt, es könne eine Explosion sein, die mit Metall zu tun habe. Weiter gab er an, auf der anderen Seite der Straße einen weiteren Mann bemerkt zu haben, der eine graue Jacke getragen und sich mit dem anderen Mann verständigt habe. Schließlich beschrieb er auch die Kleidung der beiden Männer. Der Zeuge Ali Demir hatte es nicht für erforderlich gehalten, bereits im Jahre 2004 seine Beobachtung von sich aus der Polizei zu melden. Insofern hat er angegeben, dies deshalb nicht getan zu haben, weil er die beiden Männer für Polizeibeamte gehalten habe.1896 Im Hinblick auf diese Angaben sind die Polizeibeamten Peter Baumeister und Stephan Voß, die nach den bisherigen Erkenntnissen als erste in der Keupstraße eingetroffen waren1897, ebenfalls durch das PP Köln als Zeugen vernommen worden. In seiner Vernehmung am 13. März 2013 hat der Zeuge Peter Baumeister angegeben, von mehreren Personen angesprochen worden zu sein. Allerdings konnte er sich nicht daran erinnern, wer ihn angesprochen habe und weswegen er angesprochen worden sei. Seine Dienstwaffe habe er in einem Holster am Gürtel getragen.1898 Auch der Zeuge Stephan Voß gab in seiner polizeilichen Vernehmung am 22. März 2013 an, seine Dienstwaffe in einem Holster am Gürtel getragen zu haben. Er könne nicht ausschließen, mit jemandem gesprochen zu haben. Vielleicht habe er auch einigen Leuten gesagt, dass es hier nicht weiterginge. Außerdem habe er mal einen Nagel vom Boden aufgehoben, um zu gucken, was da genau rumliege. Er konnte sich allerdings nicht daran erinnern, von einem türkischen Mann angesprochen worden zu sein. 1899. Die Zeugen Ali Demir1900 sowie Zeuge Peter Baumeister1901 sind am 10. September 2015 und der Zeuge Stephan Voß am 17. September 2015 durch den Ausschuss vernommen worden1902. Sie haben im Wesentlichen ihre Angaben, die sie schon bei ihren polizeilichen Vernehmungen gemacht hatten, wiederholt. Im Hinblick auf die abweichenden Angaben der Zeugen bezüglich der Kleidung und der Art, die Dienstwaffe zu tragen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zeuge Ali Demir die Zeugen Peter Baumeister und Stephan Voß nach ihrem Eintreffen in der Keupstraße beobachtet hat. Dabei dürfte indes auch zu berücksichtigen sein, dass die Zeugen die Schilderung des Geschehens erst mehr als acht Jahre nach der Tat abgegeben haben. Hinweise darauf, wer sonst gegebenenfalls die vom Zeugen Ali Demir beschriebenen Personen gewesen sein könnten, haben sich nicht ergeben. Beamte des Verfassungsschutzes tragen im Außendienst in der Regel keine Waffen, auch sollten zum Tatzeitpunkt keine Verfassungsschutzbeamte im Bereich der Keupstraße sich aufgehalten haben. 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 342 Vernehmung des Ali Demir vom 28. November 2012, A62164 S. 191 ff. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A 60735 S. 15. Vernehmung des Peter Baumeister vom 13. März 2013, A62164 S. 256 ff. Vernehmung des Stephan Voß vom 22. März 2013, A62164 S. 29 1ff. Demir, APr 16/984, S. 3 ff. Baumeister, APr 16/984, S. 43 ff. Voß, APr 16/994, S. 4 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Soweit am 9. Juni 2004, dem Tag der Tat, das PP Köln von der Polizei Rottweil darüber unterrichtet worden war, dass von dort aus Telekommunikationsmaßnahmen in der Keupstraße durchgeführt würden, sind Akten angefordert und ausgewertet worden. Hinweise darauf, dass insoweit auswärtige Polizeibeamte sich in der Keupstraße aufgehalten hätten, haben sich nicht ergeben.1903 bb. Spuren (1) Hinweise aus der Bevölkerung Aus der Bevölkerung und anderen Quellen erhielt die Kölner Polizei eine Vielzahl von Hinweisen. Weitere Hinweise ergaben sich aus der kurze Zeit nach der Tat durchgeführten Rasterfahndung. Insgesamt sind zu diesen Hinweisen 387 einzelne Spurenakten angelegt worden. Soweit überhaupt möglich bzw. wegen der Qualität der Hinweise erfolgversprechend, ist die Polizei den Hinweisen nachgegangen. Die aus der Bevölkerung eingegangenen Hinweise waren durchweg nicht zielführend, da sie teilweise viel zu vage waren oder lediglich auf Gerüchten oder Spekulationen beruhten, ohne dass nachprüfbare Tatsachen angegeben werden konnten. Beispielhaft sei auf die folgenden Spuren hingewiesen: Spur 312: Eine unbekannte Person meldet sich telefonisch beim Bundesgrenzschutz und erklärt „Russki Demirchow, wir gemacht Nagelbombe.“1904 Spur 315: Hinweis auf einen Y. E., soll dem Täter ähnlich sehen; die Überprüfung der Person verlief negativ.1905 Spur 318: Hinweis auf den Sohn eines türkischen Kioskbesitzers; die Überprüfung der Person verlief ebenso wie weiter verfolgte Unterspuren negativ.1906 Spur 323: Hinweis auf einen K., der 2003/2004 über Ebay chemische Substanzen verkauft hat, die zur Herstellung von Sprengstoff geeignet waren; K. kam wegen seines Aussehens nicht als Täter in Betracht; die Überprüfung der hinsichtlich der Käufer gebildete Unterspuren verliefen ergebnislos.1907 Spur 325: Bei einem P. wurden 2005 Schusswaffen, USBV und Druckwerke mit rechtsradikaler Gesinnung aufgefunden. P. gehörte der rechten Szene an und war bereits kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Keine Verbindung zum Nagelbombenanschlag und Abgabe an die StA.1908 Auch vertraulich behandelte Hinweise von Personen, die sich möglicherweise Vorteile wie Belohnungen oder Hafterleichterungen versprachen, erwiesen sich als unbrauchbar. Ein treffendes Beispiel ist die Spur 142: Ihr lag eine schlichte, aber konkrete Behauptung einer Person gegenüber dem beim PP Köln für die Verfolgung von Straftaten der organisierten Kriminalität zuständigen KK 24 vom 1903 1904 1905 1906 1907 1908 Vermerk der KPI Rottweil vom 17. Dezember 2004, A84071 S. 70 f. Spurenakte 312, A12578 S. 91 ff. Spurenakte 315, A12578 S. 202. Spurenakte 318, A12644 S. 328. Spurenakte 323, A12579 S. 4, 126. Spurenakte 325, A12579 S. 229. 343 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 23. Juni 2004 zugrunde. Nach den Angaben der Person soll ein Mike Z. den Bombenanschlag ausgeführt haben. Die Bombe soll er von einem Örzan erhalten haben, hinter dem wiederum eine Gruppierung aus Hamburg stehe, die in Köln alles übernehmen wolle.1909 Bei Mike Z. handelte es sich um einen Kleinkriminellen, der kleine Betrügereien wie etwa Warenbestellungen im Internet beging. Vorstrafen gab es keine und auch keinen Bezug zur politisch motivierten oder organisierten Kriminalität.1910 Aber die Quelle trat mit einer für Polizei, StA Köln und AG Köln spannenden Geschichte auf, in der es weiter hieß: „Die Köpfe der ‚Hamburger Gruppierung‘ sind ein Recep und ein Neco.[…].Man habe der Gruppierung um [N. V.] auch gesteckt, daß der Anschlag aus Richtung Hamburg kam. Angeblich ist geplant, daß am 23.7.04 vor [N.s] Kneipe in der Von-Sparr-Str. die nächste Bombe hochgehen soll.“1911 Nachdem Ermittlungen zu N. V. ergeben hatten, dass es sich bei N. V. um eine allgemein im Rotlicht- / Türstehermilieu bekannte Person handeln soll, nahmen die Ermittlungen mit der vorläufigen Festnahme ihren Lauf. Es folgten verdeckte Ermittlungen, schließlich wurden die Ermittlungen ergebnislos eingestellt.1912 (2) Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW In die Ermittlungen im ersten Zugriff war auch die Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW eingebunden. Der Zeuge Dirk Spliethoff, beim LKA zum Brand- und Sprengstoffermittler sowie zum USBVEntschärfer ausgebildet, war im Jahre 2004 Sachgebietsleiter der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW. Diese Tatortgruppe bestand aus zehn Mitarbeitern, vier davon waren ausgebildete USBV-Entschärfer und die anderen sechs ausgebildete Sprengstoff- und Brandermittler. Bereits am 23. Juni 2004 legte die Tatortgruppe Sprengstoff / Brand einen Bericht zum Aufbau der Sprengvorrichtung vor.1913 Zum Einsatz der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand in der Kölner Keupstraße hat der Zeuge Dirk Spliethoff angegeben: „Der Anschlag an der Keupstraße ereignete sich am 9.6.2004. Gegen späten Nachmittag kam ein Anruf des Polizeipräsidenten Köln. Ein Kollege hat uns informiert, dass sich in Köln, Keupstraße, ein Sprengstofftatort ereignet habe mit zahlreichen Verletzten. Und er forderte die Tatortgruppe Sprengstoff/Brand zur Unterstützung an. Wir sind dann auch mit den entsprechenden Kräften nach Köln ausgerückt, haben dann zeitgleich, wie es in solchen schweren Fällen üblich ist, das Bundeskriminalamt, die dortige Tatortgruppe, informiert. Die hatten uns dann zwei Kollegen zur Unterstützung übersandt. Und wir haben dann in Köln den Tatort mit Hilfe der Kollegen vom BKA, aber auch mit eigenen Kräften des PP Köln entsprechend aufgenommen.“1914 Die Beiziehung der Tatortgruppe des BKA und diese Art und Weise der Zusammenarbeit mit dem BKA sei ein normaler Vorgang.1915 Sie sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass das für die 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 344 Vernehmung des Hinweisgebers vom 23. Juni 2004, A12545 S.6. Vermerk des PP Köln vom 29. Juni 2004, A12545 S. 7, 244. Vernehmung des Hinweisgebers vom 23. Juni 2004, A12545, S. 6. Vermerk des PP Köln vom 24. August 2004, A12545 S 479. Vermerk des LKA NRW vom 23. Juni 2004, A12667 S. 4 (VS-nfD). Spliethoff, APr 16/983 S. 112. Spliethoff, APr 16/983 S. 112. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ausbildung zuständige BKA eigentlich relativ wenige Tatorte in NRW habe und daher die Aufnahme tatsächlicher Tatorte auch der praktischen Ausbildung diene.1916 Weitere Ermittlungen der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand ergaben, dass Fahrräder wie das mit der Sprengvorrichtung versehene Tatfahrrad ausschließlich für die Firma Aldi-Süd hergestellt und an die einzelnen Filialen ausgeliefert geworden seien, ohne dass die an den Fahrrädern angebrachte Chargennummern und Barcodes registriert worden seien. Die Feststellung der Verkaufsorte der vom 19. April 2004 bis Ende September 2004 durch die Firma Aldi-Süd angebotenen Fahrräder war daher nicht mehr möglich.1917 Ebenso verliefen die Ermittlungen zum Verkaufsort der Fahrradseitentasche „Umarex“ und des Hartschalenkoffers der Firma Kappa erfolglos. Nach Auskunft der Hersteller erfolgte die Auslieferung in den Jahren 2000 bis 2003 an Fachgroßhändler. An welches Fahrradfachgeschäft bestimmte Artikel von dort aus geliefert wurden, war nicht mehr festzustellen.1918 Die zur Zündung der Nagelbombe verwendete Funkfernbedienung „Servo C508“ wurde nach Auskunft des Herstellers letztmalig im September 2002 werksseitig ausgeliefert. Der für die Sendefrequenz maßgebende Quarz des Typs „FR 35.110 JCLOOB“ wurde im März / April 2000 hergestellt. Hinweise auf den Verkaufsort konnten nicht gewonnen werden.1919 Aufgrund der Ermittlungen der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand konnten sowohl die Herstellung als auch die Funktionsweise des Sprengsatzes rekonstruiert werden. Dies führte indes nicht zu weiteren Ermittlungsansätzen. Der Zeuge Dirk Spliethoff hat angegeben, dass mit anderen, länger zurückliegenden Sprengstoffanschlägen keine Zusammenhänge hergestellt werden konnten. Ganz konkret zu dem Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse im Jahre 2001 befragt, hat er erklärt, dass ein Zusammenhang schon deshalb nicht erkennbar gewesen sei, weil dabei eine andere Sprengvorrichtung verwendet worden sei. Während die Tatortgruppe Sprengstoff / Brand bei dem Sprengstoffanschlag in der Keupstraße zweifelsfrei eine Funkfernzündung nachgewiesen habe, sei der Sprengsatz in der Probsteigasse durch einen lichtempfindlichen Schalter, beziehungsweise über eine Zugvorrichtung zur Umsetzung gekommen.1920 Auch durch den Tatmittelmeldedienst haben sich keine Hinweise auf Zusammenhänge mit vorangegangenen Sprengstoffanschlägen ergeben. Insoweit hat der Zeuge Dirk Spliethoff angegeben, dass das LKA NRW keinen eigenen Tatmittelmeldedienst unterhalte, sondern sich des Tatmittelmeldedienstes des BKA bediene. Das BKA halte, so der Zeuge Dirk Spliethoff weiter, einen Vordruck vor, der entsprechend der vorgegebenen Felder ausgefüllt und dann übersandt werde. Beim BKA werde dann eine entsprechende Auswertung bezüglich der vorgefundenen Tatmittel gefertigt, wobei neu angefallene Erkenntnisse weitergegeben und in die Auswertung einbezogen würden.1921 Der Zeuge Dirk Spliethoff hat auch darauf hingewiesen, dass der Tatmittelmeldedienst sich nur auf die Auswertung und den Vergleich der genutzten Tatmittel beschränke und die bereits am 11. Juni 2004 vorgelegte Auswertung des BKA sich nur auf die zurückliegenden fünf Jahre erstreckt und kein Ergebnis geliefert habe. Soweit das BKA am 14. oder 15. Juni 2004 1916 1917 1918 1919 1920 1921 Trumm, APr 16/952 S. 25. Vermerke des LKA NRW vom 16. und 17. Juni 2006, A60738 S. 48 ff.; Schreiben der Firma Aldi Süd vom 21. April 2016, A95152. Vermerke des LKA NRW vom 16. und 23. Juni 2006, A60738 S. 52, 68. Vermerk des LKA NRW vom 14. Juni 2014, A60738 S. 61 ff. Spliethoff, APr 16/983 S. 113 ff. Spliethoff, APr 16/983 S. 114. 345 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 vorsorglich den Hinweis auf einen Fall aus dem Jahre 1996 erteilt habe, bei dem auch eine Funkfernzündung zur Umsetzung benutzt worden sei, wisse er nicht, ob es sich dabei nur um einen Einzelfall gehandelt habe oder das Ergebnis einer Recherche für die zurückliegenden zehn Jahre gewesen sei.1922 Auf weiteres Befragen hat der Zeuge Dirk Spliethoff angegeben, dass trotz der Struktur des Tatmittelmeldedienstes weitere Angaben jedenfalls durch das LKA NRW gemacht worden seien. So seien nicht nur das „Hardcase“, sondern auch die beiden von den Überwachungskameras des Senders VIVA erfassten Personen dem Tatmittelmeldedienst des BKA übermittelt worden. Dabei sei man davon ausgegangen, dass das BKA diese Nachmeldung bei der Auswertung berücksichtigen werde. Eine Abfrage nach Stichworten wie „Deutsche“, „zwei Täter“ und „fremdenfeindlich“ entspreche nicht dem Wesen des Tatmittelmeldedienstes.1923 Am 14. Juni 2004 meldete sich der Zeuge Edgar Mittler beim KK 11 des PP Köln und teilte mit, dass der Nagelbombenanschlag Parallelen zum dem Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse aufweise.1924 Dazu hat der Zeuge Edgar Mittler vor dem Ausschuss angegeben, dass ihm aufgefallen sei, dass die Sprengvorrichtungen ähnlich gewesen seien, insbesondere, weil in beiden Fällen eine Gasflasche als Druckbehälter genutzt worden sei. Allerdings sei der Sprengkörper in der Keupstraße wesentlich höherwertiger - im Sinne von Anspruchsvoll beim Zusammenbau - gewesen als der in der Probsteigasse. Weiter sei er dann nicht mit den Ermittlungen befasst gewesen. Er habe allerdings auf entsprechende Nachfrage mitbekommen, dass die Akten zu dem Anschlag in der Probsteigasse angefordert wurden.1925 Auf die Frage, mit wem er genau gesprochen habe, hat er geantwortet: „Konkret weiß ich, dass ich den Markus Weber darauf angesprochen habe und ihm gesagt habe: Also hör mal zu, ihr müsst auf jeden Fall mal gucken, ob das was mit meiner Probsteigasse zu tun hat. – Dann sagte er: Schreib mal einen Vermerk. – Das habe ich gemacht. Die Waffe des Kriminalbeamten ist immer ein Vermerk.“ Über mögliche Parallelen bei der Motivlage sei nicht gesprochen worden. 1926 Das PP Köln fertigte eine vergleichende Gegenüberstellung der beiden Anschläge.1927 Zu den Ergebnissen wurde vermerkt, dass es gewisse Übereinstimmungen bezüglich des Alters des Tatverdächtigen, dessen Haarfarbe, des Sprengmittels und der verwendeten Druckgasflasche gebe. Unterschiede seien jedoch in Bezug auf die Zündung, die Verwendung von Nägeln und der Anzahl der aufgetretenen Täter feststellbar. Auch die Opfer würden Unterschiede aufweisen: bei dem Nagelbombenanschlag handele es sich um zufällige Opfer türkischer Nationalität und bei dem Anschlag in der Probsteigasse um einen Anschlag auf eine aus dem Iran stammende Familie.1928 Außerdem schaute sich der Inhaber des Lebensmittelgeschäfts in der Probsteigasse auf Bitten des PP Köln die Bilder der Tatverdächtigen des Nagelbombenanschlags an. Er erkannte auf diesen Bildern nicht die Person, die den Korb in seinem Geschäft abgegeben hatte, gab 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 346 Spliethoff, APr 16/983 S. 118 f. Spliethoff, APr 16/983 S. 129 ff. Vermerk des PP Köln vom 14. Juni 2004, A12541 S. 368. Mittler APr 16/949 S. 87, 113 f. Mittler APr 16/949 S. 102 f. Vermerk des PP Köln A12541 S. 371. Schlussvermerk des PP Köln vom 12. Oktober 2004, A12541 S. 460. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 allerdings auch an, dass diese Bilder von minderer Qualität seien.1929 Auch auf den Aufnahmen der Überwachungskameras erkannte er diese Person nicht wieder.1930 Die EK Sprengstoff kam zu folgendem Ergebnis: „Zusammenfassend ist zu sagen, dass trotz einiger gleichgelagerter Ermittlungsergebnisse nicht von einer gleichen Täterschaft ausgegangen werden kann, wenngleich diese nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Konkrete Hinweise auf weitere Ermittlungsansätze haben sich nicht ergeben.“1931 Der Zeuge Edgar Mittler hat zu den Ergebnissen des Abgleichs ausgeführt: „Ich selber habe sicherlich auch mal nachgefragt, was daraus geworden ist, aber eigentlich haben sie mir alle zu verstehen gegeben: Nein, das hat nichts miteinander zu tun.“1932 cc. Operative Fallanalysen Das PP Köln ersuchte zunächst das LKA NRW und in der Folge das BKA eine Operative Fallanalyse zu erstellen. Das BKA führte zur Methodik der Fallanalyse aus: „Bei der Operativen Fallanalyse handelt es sich um ein kriminalistisches Werkzeug, welches das Fallverständnis bei Tötungs- und sexuellen Gewaltdelikten sowie anderen geeigneten Fällen von besonderer Bedeutung auf der Grundlage objektiver Daten mit dem Ziel vertieft, ermittlungsunterstützende Hinweise zu erarbeiten. Die Durchführung einer Operativen Fallanalyse erfolgt nach eingehender Prüfung der bestehenden objektiven Informationslage. Die systematisierte Analyse eines Falles führt im Ergebnis u.a. zu einer Bewertung des Motivs, zu fallspezifischen Aussagen und ggf. zu Aussagen zur Person des Täters oder der Tätergruppe. Im Zentrum der FA steht die Rekonstruktion des Tathergangs, die sich an der objektiven Spurenlage orientiert. Aus dem so erkannten Täterverhalten werden fallspezifische Aussagen abgeleitet. Die aus der Bewertung des Täterverhaltens abgeleiteten Hypothesen sind Wahrscheinlichkeitsaussagen auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der FA bestehenden Datenbasis.“1933 Der Zeuge Markus Weber hat ausgeführt, dass von einer Fallanalyse als ermittlungsunterstützendem Element Gebrauch gemacht werde, wenn zeitnah konkrete Ansatzpunkte vorlägen.1934 (1) Die Operative Fallanalyse des LKA NRW Um die Ermittlungen in dem vorgenannten Sinne weiter voran bringen zu können, wurde das LKA NRW um Erstellung einer Operativen Fallanalyse gebeten. Das LKA bezog in die Erstellung der Operativen Fallanalyse die Tatortgruppe Sprengstoff / Brand und die RolleimetricGruppe, welche die Vermessungen hinsichtlich der Körpergrößen aufgrund des VIVA-Videos 1929 1930 1931 1932 1933 1934 Vermerk des PP Köln vom 29. September 2004, A12541 S. 458. Vermerk des PP Köln vom 12. Oktober 2004, A21541 S. 459. Schlussvermerk des PP Köln vom 12. Oktober 2004, A12541 S. 460. Mittler, APr 16/949 S. 97. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A10732 S. 133, 136. Weber, APr 16/983 S. 27. 347 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 durchgeführt hatte, ein. Ferner waren die für Staatsschutz und Organisierte Kriminalität zuständigen Dezernate, das Sachgebiet Internet-Recherche des LKA NRW sowie die Forensische Psychiatrie der Universität Essen einbezogen. Das Ergebnis stellte das LKA NRW am 20. Juli 2004 vor.1935 Inhaltlich kam die Operative Fallanalyse des Landeskriminalamtes LKA NRW bei der Beschreibung der Tatverdächtigen zu dem Ergebnis, dass die Gesamtbewertung die Annahme rechtfertige, dass es sich bei den hellhäutigen Tätern mit hoher Wahrscheinlichkeit um Deutsche handele, die eine Abneigung gegen Ausländer (Türken) hätten.1936 Weiter hieß es, dass wahrscheinlich kriminalpolizeiliche Erkenntnisse vorhanden seien, unter Umständen gegebenenfalls in allen Deliktsbereichen, vornehmlich im Bereich der Eigentumskriminalität, wobei eine zwingende deliktische Zuordnung nicht möglich sei. Von besonderem Interesse sollte nach den weiteren Ausführungen sein, ob Erkenntnisse zu Waffendelikten und Brandstiftung, Sachbeschädigung durch Feuer / Sprengvorrichtungen und ausländerfeindlichen Aktivitäten vorliegen. Möglicherweise gebe es im Umfeld Erkenntnisse, dass zumindest einer der Täter mit Spreng- oder Feuerwerkskörpern experimentiert habe1937 Hinsichtlich der Herkunft der Täter verwies die Operative Fallanalyse allerdings darauf, dass zumindest einer der beiden Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit einen wie auch immer gearteten Ortsbezug zu Köln-Mülheim oder den angrenzenden Bereichen habe, wo er wohnte oder gewohnt habe und einen Raum, Schuppen oder Garage etc. zur Verfügung hatte, in dem die Sprengvorrichtung gebaut oder deponiert worden sei.1938 Ein Teilnehmer der Präsentation der Operativen Fallanalyse, ein bei der Bezirksregierung Köln tätiger Kriminaldirektor, hielt in einem Vermerk für seine Behörde Folgendes fest: „Die Gedankengänge und Argumentationsketten erschienen mir folgerichtig und überzeugend“. Abschließend verfügte er, dass sein Vermerk auch einem Mitarbeiter des IM NRW zur Kenntnis gebracht werden solle.1939 In einem Schreiben vom 18. April 2005 von ihm an das IM NRW, welches nachrichtlich auch an das PP Köln ging, hieß es dann: „Bei beiden operativen Fallanalysen erscheint es mir aus kriminalistischer Sicht auffällig und schwer nachvollziehbar, dass die Täter laut operativen Fallanalysen einerseits einen persönlichen Bezug zur Keupstraße und ein Depot o.ä. in einem eng begrenzten, näher bezeichneten Gebiet haben müssen, andererseits jedoch trotz breiter Medienresonanz keine Hinweise aus der Bevölkerung zu den Aufnahmen der Überwachungskameras eingegangen sind.“1940 1935 1936 1937 1938 1939 1940 348 Undatierter Vermerk der Bezirksregierung Köln zur Präsentation der OFA, A12513 S. 12 (VSnfD). Infoblatt des SG 31.5 – OFA - zur Hinweis- und Spurenbearbeitung, A12513 S. 9 f. (VS-nfD). Infoblatt des SG 31.5 – OFA - zur Hinweis- und Spurenbearbeitung, A12513 S. 11 (VS-nfD). Infoblatt des SG 31.5 – OFA - zur Hinweis- und Spurenbearbeitung, A12513 S. 10 (VS-nfD). Undatierter Vermerk der Bezirksregierung Köln zur Präsentation der OFA, A12513 S. 15 (VSnfD). Schreiben der Bezirgsregierung Köln vom 18. April 2005, A10732 S. 128 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Ausführungen in der Operativen Fallanalyse des LKA NRW haben nach Aussage des Zeugen Markus Weber keine konkreten Eckdaten für die Fahndung enthalten, sondern lediglich Hinweise bezüglich der Täter wie „einig im Geiste“, mit denen er nicht habe fahnden können.1941 (2) Die Operative Fallanalyse des BKA Am 3. Februar 2005 ersuchte die Kölner Polizei das BKA um Unterstützung und bat um Erstellung einer weiteren Operativen Fallanalyse. Hiefür war nach übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Markus Weber und Michael Schu, BKA, der Umstand maßgebend, dass durch die Ermittlungen der Polizei sehr viel Personal gebunden war. Auf diese Weise habe das PP Köln versuchen wollen, die Anzahl der mit den Ermittlungen befassten Personen zu reduzieren.1942 Als Gründe für eine zweite Operative Fallanalyse sei gegenüber dem BKA insoweit angegeben worden, dass zum einen möglicherweise deckungsgleiche Ereignisse priorisiert abgearbeitet werden sollten, um dadurch Personal für andere Ermittlungen verwenden zu können. Zum anderen sollten die ermittelnden Beamten der Kölner Polizei auch eine höhere Sicherheit bei der Abarbeitung der Spuren erhalten.1943 Neben dem Zeugen Michael Schu als verantwortlichem Fallanalytiker des BKA und drei weiteren Beamten seiner Abteilung nahmen auch der Zeuge Markus Weber und ein KHK von der Tatortgruppe des LKA NRW in der Zeit vom 21. bis 25. Februar 2005 an der Erstellung der 33 Seiten umfassenden Operativen Fallanalyse teil.1944 Zu den örtlichen Gegebenheiten der Keupstraße wurde ausgeführt, dass sowohl Mitglieder von rivalisierenden Türstehergruppen, der „Grauen Wölfe“ und der PKK dort verkehren. Es sei auch bekannt, dass die Cafés in der Keupstraße als Anlaufpunkte für den Handel mit Heroin benutzt werden. Darüber hinaus gibt es in dieser Straße auch Restaurants bzw. Geschäfte, die durch PKK-Sympathisanten betrieben würden.“1945 Schließlich wurde noch darauf hingewiesen, dass im Nachgang zu dem Anschlag Verhaltensänderungen von in der Keupstraße ansässigen Gewerbetreibenden durch die Polizei nicht hätten festgestellt werden können.1946 Unter der Rubrik „Bewertung des Täterverhaltens“ wurde u. a. ausgeführt, dass die Täter im Zusammenhang mit dem Sprengsatz Nägel mit großen Abmessungen und in einer ungewöhnlich hohen Zahl verwendet hätten und der Sprengsatz vor dem Friseursalon und nicht vor einem anderen Geschäft platziert worden sei, obwohl dies möglich gewesen sei. Wenn die Täter explizit den Friseursalon hätten treffen wollen, so hätte es die Möglichkeit gegeben, einen entsprechenden Sprengsatz im Laden mittels Funkfernzündung zu zünden.1947 Zu den Zielen und der Effektivität des Täterhandelns soll es den Tätern bei dem Anschlag darauf angekommen sein, durch die Verwendung einer relativ großen Menge Schwarzpulver, deren Wirkung durch ca. 800 Nägel noch erhöht wurde, eine möglichst breite, Aufsehen erregende Wirkung zu erzielen. Es sollten so viele türkische Personen wie möglich getroffen werden, ob diese Personen dabei verletzt oder getötet werden, bzw. um welche Personen es sich dabei im Einzelnen handelte, sei den Tätern gleichgültig gewesen. Die Stelle vor dem 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 Weber, APr 16/983 S. 28. Weber, APr 16/983 S. 9 f.; Schu, APr 16/983, S. 139, 142. Schu, APr 16/983, S. 142. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 4. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 10 f. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 11. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 20. 349 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Friseursalon sei deshalb als Ablageort für die USBV gewählt worden, da sich von außen erkennbar zum Tatzeitpunkt zahlreiche Personen innerhalb des Salons in Schaufensternähe aufgehalten hätten. Auch sei bedingt durch die Bauart der Bombe darüber hinaus auch die Verletzung von Passanten außerhalb des Friseurladens beabsichtigt gewesen.1948 Wertend zur Tat wurde ausgeführt, dass die Wirkungsweise des Tatmittels eine hohe Menschenverachtung zum Ausdruck bringe. Betrachte man diese in direktem Zusammenhang mit der Auswahl des Anschlagsortes, der Keupstraße als herausragendem Beispiel türkischer Kultur und Lebensart, so lasse dies einen ausgeprägten Hass auf die zum Zeitpunkt der Tat im Friseursalon und auf der Straße aufhältigen Personen vermuten.1949 Abschließend enthielt die Operative Fallanalyse des BKA verschiedene Ermittlungsempfehlungen. Diese gingen u. a. dahin, eine Tatmittelrecherche im Internet durchzuführen, Mitarbeiter des Ordnungsamtes wegen eventueller Tatortfotos zu befragen, bei etwaigen Durchsuchungen auf bestimmte Gegenstände zu achten, nach Strafanzeigen wegen eventueller „Testsprengungen“ zu forschen, Informationen zur vorangegangenen Übernahme des Friseursalons einzuholen, ein Ereignis zu ermitteln, das beide Täter so nachhaltig betraf, um den Entschluss zur Tat über mehrere Wochen aufrecht zu erhalten und schließlich eine Überwachung der Homepage des Polizeipräsidenten Köln durchzuführen.1950 In der Operativen Fallanalyse des BKA blieben die von Scotland Yard übermittelten Erkenntnisse zu den Nagelbombenanschlägen des David Copeland ebenso unberücksichtigt wie ein in der Kölner Straßenbahn aufgefundenes Flugblatt und die Angaben des Zeugen H. Y. dd. Rasterfahndung Das PP Köln nahm das Ergebnis der zunächst durch das LKA NRW erstellten Operativen Fallanalyse zum Anlass, die Ermittlungen mittels einer Rasterfahndung zu intensivieren. Im Zusammenhang mit den vorhandenen Videoaufnahmen und Zeugenaussagen sollten Einwohnermeldedaten der Stadt Köln mit vorhandenen polizeilichen Daten wie Kriminalaktenbestand, Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik und Dateien aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität abgeglichen werden. Ebenso sollten die Meldedaten mit Daten aus der Funkzellenauswertung vom Tattage im Bereich Keupstraße in der Zeit von 15:30 bis 16:30 Uhr abgeglichen werden.1951 Auf Antrag der StA Köln ordnete das AG Köln mit Beschluss vom 15. Juli 2004 gemäß §§ 98a, 98b, 162 StPO den maschinellen Abgleich der Einwohnermeldedaten der Stadt Köln bezüglich männlicher Personen im Alter von 18 bis45 Jahren, Stichtag 9. Juni 2004, mit vorhandenen polizeilichen Daten wie Kriminalaktenbestand, Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik und OK-Dateien und zu diesem Zwecke die Aussonderung und Übermittlung der für den Abgleich erforderlichen Daten aus den Datenbeständen durch die Stadt Köln an die Strafverfolgungsbehörden an. Weiter ordnete das AG Köln den maschinellen Abgleich der Meldedaten mit den Daten der Funkzellenauswertung wie Handy-Daten der Provider am 9.Juni 2004, in der Zeit von 15:30 bis 16:30 Uhr im Bereich der Keupstraße und zu diesem Zweck die Aussonderung und Übermittlung der für den Abgleich erforderlichen Daten aus den Datenbeständen verschiedener Provider und der Regulierungsbehörde für Telekommunikation an die Strafverfolgungsbehörden an.1952 1948 1949 1950 1951 1952 350 OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 27. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 27. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 34. Vermerk des PP Köln vom 14. Juli 2004,A12532 S. 3 f. Antrag der StA Köln und Beschluss des AG Köln vom 15. Juli 2004, A12532 S. 5 f. und 8 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zur Begründung stellte das AG Köln in dem Beschluss zunächst fest, dass die bisherigen Ermittlungen, insbesondere die Abklärung der Hinweise aus der Bevölkerung, ergebnislos verlaufen seien. Weiter hieß es: “Es liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte weiterhin dafür vor, dass die beiden auf den Überwachungsvideos festgestellten männlichen Personen, die in zeitlichen und räumlichen Zusammenhang das Tatfahrrad bzw. 2 weitere Fahrräder in unmittelbarer Nähe des späteren Tatortes führten, an der tateinheitlichen Begehung des versuchten Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln und der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion gem. §§ 211, 212, 308, 22, 23, 52 StGB beteiligt waren. Die angeordneten Maßnahmen sind notwendig, erforderlich und verhältnismäßig, da die Erforschung des Sachverhaltes bzw. die Ermittlung des Aufenthaltsorts der Täter auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre.“1953 Auf Antrag der StA Köln erweiterte das AG Köln seinen Beschluss vom 15. Juli 2004 sowohl auf die Städte Leverkusen, Bergisch Gladbach und die Gemeindeverwaltung Rösrath als auch auf den maschinellen Abgleich der Meldedaten mit den Daten der Käufer und Verkäufer von baugleichen, bei dem Nagelbombenanschlag am 9. Juni 2004 verwendeten Servos des Typs „C 508“ in der Zeit vom 1. Januar bis 9. Juni 2004 u. a. bei der Firma „ebay Deutschland“.1954 Dem an die StA Köln gerichteten Bericht des Zeugen Tobias Clauer vom 21. August 2007 ist zu der Rasterfahndung zusammenfassend zu entnehmen, dass nach der Operativen Fallanalyse des LKA NRW im Wesentlichen davon auszugehen war, dass der Anschlag wahrscheinlich von zwei aus einem persönlichen Motiv handelnden, in einem engen Verhältnis zueinander stehenden Tätern ausgeführt worden war, hinter denen keine Organisation gestanden hat. Unter Einbeziehung des VIVA-Videos sei eine recht gesicherte Beschreibung der Männer dahingehend möglich gewesen, dass sie ca. 25 bis 35 Jahre alt und ca. 170 bis 185 cm groß seien und es sich um Europäer und eher Deutsche handele. Unter Berücksichtigung einer Weg-Zeit-Berechnung und Überprüfung aller Firmen und Häuser in einem „6- Minuten-Bereich“ sei die eigentliche Rasterfahndung unter Verwendung der aufgrund der Beschlüsse des AG Köln erhobenen Daten begonnen worden und Personen, die mehrere Merkmale auf sich vereinigten, seien vorrangig überprüft worden.1955 In der Rasterfahndung seien ca. 2.500 Personen erfasst worden. Nachdem im Februar 2005 auch die Operative Fallanalyse des BKA vorgelegen habe, sei eine Überprüfung der zuvor festgelegten Kriterien der Rasterfahndung erfolgt und aufgrund dessen der örtliche Bereich und das Alter der Personen eingegrenzt und die Einschränkung bezogen auf die kriminalpolizeilichen Erkenntnisse fallen gelassen worden. Diese modifizierte Rasterfahndung habe ca. 1.200 Personen umfasst, deren Überprüfung im August 2007 noch nicht abgeschlossen gewesen sei.1956 Insgesamt, so eine dem Bericht beigefügte Tabelle, seien im Rahmen der Rasterfahndung 284.026 Datensätze von den Stadt- und Gemeindeverwaltungen zur Verfügung gestellt worden, dabei seien 76 Sprengmittelerlaubnisinhaber und 16.669 Waffenbesitzkarteninhaber ermittelt worden.1957 Der Bericht enthält weiter den Hinweis darauf, dass im eigentlichen Sinne der Rasterfahndung sechs Personen, die Modellflieger waren und gleichzeitig legal Schwarz- 1953 1954 1955 1956 1957 Beschluss des AG Köln vom 15. Juli 2004, A12532 S. 9. Beschluss des AG Köln vom 5. August 2004, A12532 S. 20 ff. Schreiben des PP Köln vom 21. August 2007, A12532 S. 276. Schreiben des PP Köln vom 21. August 2007, A12532 S. 277. Schreiben des PP Köln vom 21. August 2007, A12532 S. 278. 351 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 pulver erwerben konnten, und vier Personen, die in einem bestimmten Bereich um den Tatort gemeldet waren und gleichzeitig legal Schwarzpulver erwerben konnten, herausgefiltert worden seien.1958 ee. Homepageüberwachung Unter dem Abschnitt „Ermittlungsempfehlungen“ enthielt die Operative Fallanalyse des BKA unter anderem die Anregung, eine Überwachung der Homepage des PP Köln durchzuführen.1959 Diese Anregung wurde vom PP Köln aufgegriffen, da auch aus anderen Verfahren bekannt war, dass Täter Erkenntnisse über den Stand der polizeilichen Ermittlungen suchen.1960 Auf Antrag der StA Köln vom 25. Juli 20041961 erließ das AG Köln am 26. Juli 2004 erstmals einen entsprechenden Beschluss.1962 Nachdem das AG Köln entsprechenden Anträgen der StA Köln zunächst jeweils stattgegeben hatte, wies es einen weiteren Antrag der StA Köln mit Beschluss vom 20. Dezember 2004 zurück. Zur Begründung führte das AG Köln aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.1963 Die dagegen gerichtete Beschwerde der StA Köln verwarf das LG Köln mit Beschluss vom 31. Januar 2005 als unbegründet.1964 Bis zur Entscheidung durch das Amts-, beziehungsweise das Landgericht Köln führte die Homepageüberwachung zu keinen Ergebnissen.1965 Insofern bleibt lediglich anzumerken, dass auch das BKA sich durch das häufige Aufrufen der Homepage des PP Köln in den Kreis der „Verdächtigen“ begeben hatte.1966 ff. Öffentlichkeitsfahndung Das PP Köln führte in verschiedenen Phasen der Ermittlungen eine Reihe von möglichst öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen durch, um gegebenenfalls auf diese Weise Hinweise aus der Bevölkerung zu erlangen. (1) Fahndungsplakate Auf der Grundlage der bis dahin vorliegenden Ermittlungsergebnisse wurden am 12. Juni 2004 in Absprache mit der StA Köln erstmals Fahndungsplakate und Handzettel in deutscher und türkischer Sprache zum Zweck der Öffentlichkeitsfahndung erstellt. Abgebildet war ein Fahrrad der Marke „Cyco“, wie es von der Firma Aldi-Süd seit dem 19. April 2004 vertrieben worden war. Das Fahrrad war allerdings noch nicht mit dem Hartschalenkoffer der Firma Kappa und der Fahrradseitentasche der Firma Umarex versehen. Die Bitte des PP Köln um Hinweise war bereits mit der Beschreibung des mutmaßlichen Täters versehen: 25 bis 30 Jahre alt, 170 bis 180 cm groß, normale Statur, dunkle Baseballkappe, kurze, (vermutlich) blonde Haare. Ferner wurde auf die in Höhe von 20.000 Euro ausgesetzte Belohnung hingewiesen. Die Fahndungsplakate und Handzettel wurden noch am selben Tage auf der Keupstraße, auf weiteren Straßen in der näheren Umgebung sowie dort auch an Bus- und Bahnhaltestellen plakatiert und die Handzettel im DIN A 4-Format an Passanten und Passantinnen ausgehändigt.1967 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 352 Schreiben des PP Köln vom 21. August 2007, A12532 S. 276. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 34. Vermerk des PP Köln vom 23. Juli 2004, A62167 S. 14. Antrag der StA Köln vom 25. Juli 2004, A62167 S. 17 f. Beschluss des AG Köln vom 26. Juli 2004, A62167 S. 24 ff. Beschluss des AG Köln vom 20. Dezember 2004, A62167 S. 71. Beschwerde der StA Köln und Beschluss des LG Köln, A62167 S. 73 ff., 102 ff. Vermerk des PP Köln vom 25. November 2011, A12520 S. 162. Mitteilung von Anschlussinhabern, A62167 S. 33. Vermerke des PP Köln vom 12.06.2004 zur Öffentlichkeitsfahndung, A60735 S. 294 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 15. Juni 2004 wurden die in deutscher und türkischer Sprache abgefassten Fahndungsplakate mit Unterstützung einer Gruppe der Bereitschaftshundertschaft in weiteren Straßenzügen in Köln-Mülheim an Geschäften und Tankstellen und in Telefonzellen und Lokalen angebracht sowie die Handzettel an interessierte Passanten und Passantinnen verteilt. Im Rahmen dieser Aktion gingen keine konkreten Hinweise bei den eingesetzten Kräften ein.1968 (2) Ausstellung des „Tatfahrrades“ Zu den Maßnahmen der Öffentlichkeitsfahndung zählte auch die Ausstellung eines Vergleichsfahrrades, das dem zur Tatausführung benutzten Fahrrad entsprach. Zu diesem Zweck wurde ein baugleiches Fahrrad der von der Firma Aldi-Süd verkauften Art mit einem Hartschalenkoffer der Firma Kappa und einer Fahrradseitentasche Umarex versehen. Das so präparierte „Tatfahrrad“ wurde dann ab dem 6. Juli 2004 in einem Schaufenster des Bezirksrathauses in Köln-Mülheim am Wiener Platz ausgestellt. Da nach Ansicht des PP Köln durch diese Maßnahme auch die Neugier von an der Tat beteiligten Personen geweckt werden könnte, ordnete die StA Köln aus den genannten Gründen mit Verfügung vom selben Tag die Überwachung des Schaufensters durch eine Videokamera an.1969 (3) Veröffentlichung des VIVA-Videos Aufgrund der Aufzeichnungen der an dem Gebäude der Firma VIVA Media AG angebrachten Videoüberwachungskameras konnte im Rahmen der Auswertung des Filmmaterials am 22. Juni 2004 festgestellt werden, dass es sich nicht um einen Einzeltäter handelte. Vielmehr wiesen die Filmsequenzen auf ein arbeitsteiliges Zusammenwirken von zwei männlichen Personen hin. Bereits am 22. Juni 2004 wiesen das PP Köln und die StA Köln darauf hin, dass noch am selben Tage eine Videosequenz auf der Homepage des PP Köln eingestellt werde.1970 Die darüber hinaus erfolgte Veröffentlichung ausgesuchter Einzelbilder führte indes nicht zu Hinweisen aus der Bevölkerung. Auch war eine qualitative Verbesserung der Filmsequenzen durch das um Hilfe gebetene BKA technisch nicht möglich.1971 Ebenso wenig brachte die Veröffentlichung im BKA-Blatt Nr. 168 vom 6. September 2004 einen Fahndungserfolg.1972 (4) Aktenzeichen XY-ungelöst Im November 2004 wurde der Fall Keupstraße im Rahmen der Sendung „Aktenzeichen XYungelöst“ im ZDF von dem Zeugen Markus Weber präsentiert. Dabei wurden ein gleichartiges Modell des Tatfahrrades, auf dem der Sprengsatz befestigt war, und Aufzeichnungen der an dem Gebäude der Firma VIVA Media AG angebrachten Videoüberwachungskameras gezeigt und um Mithilfe bei der Fahndung gebeten. Auch hier ergaben sich keine Hinweise, die zu den Tätern führten.1973 gg. Einsatz Verdeckter Ermittler Nachdem die nach Erstellung der Operativen Fallanalysen durchgeführte Rasterfahndung nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt hatte, bereitete das PP Köln den Einsatz Verdeckter Ermittler vor.1974 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 Vermerk des PP Köln vom 15. Juni 2004 zur weiteren Plakatierung, A60735 S. 421. Anordnung der StA Köln vom 6. Juli 2004, A60736 S. 89 f. Pressemitteilung der StA Köln und des PP Köln vom 22. Juni 2004, A12519 S. 9. Schreiben des BKA vom 24. Juni 2004, A12531 S. 314 f.; Weber, APr 16/983 S.8. Vermerke des PP Köln vom 22. Juni 2004, A60735 S. 395 f., 435 f.; BKA Blatt 168 A12511 S. 3 ff. (VS-nfD). Ermittlungsbericht des PP Köln vom 20. Mai 2005, A62167 S. 171. Ermittlungsbericht des PP Köln vom 20. Mai 2005, A62167 S. 173. 353 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zur Rechtfertigung des Einsatzes fand sich unter der Überschrift „Gewonnene Erkenntnisse“ eine Aneinanderreihung von Vermutungen und Spekulationen. Unter anderem wurde ausgeführt, dass der Friseurladen Treffpunkt der Kölner Türsteherszene um einen „Rotlichtpaten“ gewesen sei, und sich nach dessen Festnahme immer wieder Personen aus dem entsprechenden Milieu getroffen hätten. Innerhalb der Keupstraße gebe es verschiedene Gruppierungen, die untereinander konkurrierten. Tatsächliche Anhaltspunkte für die aufgezählten Vermutungen sind dem Vermerk nicht zu entnehmen. Gleichwohl folgten die StA Köln und auf ihren Antrag auch das AG Köln der Anregung.1975 In dem erstmals bei dem AG Köln gestellten Antrag der StA Köln vom 6. Juni 2005, dem Einsatz Verdeckter Ermittler zuzustimmen, wurde unter Bezugnahme auf die polizeiliche Begründung ausgeführt: „Um die Verdächtigen und gegebenenfalls Mittäter der Tat vom 9.6.2004, die die besondere Bedeutung i.S.v. § 110 a Abs. 1 Satz 4 aufweist, überführen zu können, ist die Maßnahme erforderlich und auch unbedenklich verhältnismäßig, zumal derzeit keine weniger einschneidenden Maßnahmen zur Aufklärung der Tat zur Verfügung stehen bzw. andere Maßnahmen, wie die bisherigen umfangreichen Ermittlungen gezeigt haben, aussichtslos sind und wären. Die auf Geheimhaltung und Verschleierung angelegte Vorgehensweise der unbekannten Tatverdächtigen und eventueller Mittäter verstärkt die Aussichtslosigkeit anderer Maßnahmen überdies.“ 1976 In dem daraufhin erlassenen Beschluss vom 7. Juni 2005 übernahm das AG Köln den Antrag der StA ohne jede Änderung. Zur Vorlage beim AG Köln gelangten allerdings nicht die gesamten Akten, sondern lediglich das von der StA Köln angelegte „Sonderheft Verdeckte Ermittlungen“, das neben dem Antrag der StA Köln lediglich den polizeilichen Bericht vom 20. Mai 2005 enthielt.1977 Unter dem 29. November 2005 vermerkte der Zeuge Markus Weber den Stand des Einsatzes der Verdeckten Ermittler und regte eine Verlängerung der Maßnahme an: „Im Rahmen des Einsatzes läuft die Kontaktanbahnungsphase, erste Kontakte konnten bereits geknüpft werden. Aufgrund des besonderen Milieus der Keupstr.- es handelt sich fast ausschließlich um Türken - gestaltet sich die Kontaktanbahnung naturgemäß schwierig. Das erforderliche Vertrauen in den entsprechenden Kreisen aufzubauen erfordert eine längere Zeit. Das Vordringen in die noch weiter abgeschotteten kriminellen Kreise gestaltet sich unter den gegebenen Umständen noch schwieriger. Aus diesen Gründen wird angeregt eine Verlängerung des vorliegenden Beschlusses zu beantragen.“1978 Unter Bezugnahme auf diesen Vermerk beantragte die StA Köln am 1. Dezember 2005 beim AG Köln die Zustimmung zum Einsatz verdeckter Ermittler für die Dauer von weiteren sechs Monaten zu erteilen. Zur Vorlage beim AG Köln gelangte wiederum lediglich das „Sonderheft 1975 1976 1977 1978 354 Ermittlungsbericht des PP Köln vom 20. Mai 2005, A62167 S. 173. Antrag der StA Köln vom 6. Juni 2005, A62167 S. 174. Antrag der StA Köln vom 6. Juni 2004 und Beschluss des AG Köln vom 7. Juni 2004, A62167 S. 174, 176. Vermerk des PP Köln vom 29. November 2005, A62167 S. 177. (Fehler im Original) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Verdeckte Ermittlungen“. 1979 Mit Beschluss vom 1. Dezember 2005 stimmte das AG Köln einer Verlängerung des Einsatzes zu und führte aus, dass die Gründe der getroffenen Anordnung fortbestünden.1980 In einem Vermerk vom 18. Mai 2006 regte der Zeuge Markus Weber eine weitere Verlängerung des Einsatzes an und führte zum Verlauf der Maßnahme aus: „Die Kontaktanbahnungsphase im Einsatz ist gut verlaufen. Mittlerweile bestehen entsprechende Kontakte und es gelingt vorsichtig erste Gespräche hinsichtlich des vorliegenden Deliktes zu führen. Zur Erlangung konkreter Informationen ist allerdings eine Weiterführung des Einsatzes erforderlich. Im Rahmen der offenen Ermittlungen wurde die Familie des geschädigten Friseurs im April noch einmal zur Sache vernommen. Insbesondere [Ö. Y.] reagierte dabei ausgesprochen nervös. Hier verstärkte sich der Eindruck, dass auf der Geschädigtenseite durchaus mehr Wissen um die Hintergründe der Tat vorhanden ist. Allerdings ist man offensichtlich nicht bereit der Polizei dieses mitzuteilen. Nach hiesiger Einschätzung scheint es nicht möglich die auf der Keupstr. vorhandenen Informationen bezüglich des Anschlages mit anderen Maßnahmen zu erlangen. Es wird daher angeregt eine Verlängerung des Beschlusses zum Einsatz verdeckter Ermittler zu beantragen.“1981 Auch hier zögerte die StA Köln nicht, die von dem Zeugen Markus Weber für erforderlich gehaltene Verlängerung unter dem 23. Mai 2006 zu beantragen, wobei auch diesmal nur das „Sonderheft Verdeckte Ermittlungen“ mit dem Vermerk „Sofort! Durch bes. Wachtmeister (im verschlossenen Umschlag)“ dem Amtsgericht Köln übersandt worden ist.1982 Antragsgemäß erließ das AG Köln unter dem 24. Mai 2006 den Beschluss, ohne diesem eine Begründung beizufügen.1983 Das Ergebnis der weiteren Ermittlungsversuche durch den Einsatz Verdeckter Ermittler legte der Zeuge Markus Weber schließlich in einem Vermerk vom 13. November 2006 nieder: „Der Bruder des eigentlichen Friseurbetreibers, [H. Y.] , hat sich nach dem Anschlag scheinbar mit seinem Bruder [Ö. Y.] überworfen. Er arbeitet jetzt nicht mehr in dem Geschäft auf der Keupstr. Mittlerweile konnte seine neue Arbeitsstelle lokalisiert werden. Speziell bezüglich seiner Person und einer weiteren Person auf der Keupstr., die als möglicher Waffenlieferant im dortigen Milieu gilt, sind die Überprüfungen bzw. Informationsbeschaffungen durch die eingesetzten VE noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen einer erneuten Beschlussverlängerung sollten diese Maßnahmen noch zu Ende geführt werden. Es wird daher von hier aus angeregt, den vorliegenden Beschluss entsprechend zu verlängern.“1984 Hierauf vermerkte die StA Köln unter dem 14. November 2006, mehr als zwei Jahre nach der Tat, Folgendes: „Unter Berücksichtigung des bisherigen Ermittlungsergebnisses und Einbeziehung des konkreten Sachstandes betr. die Informationsbeschaffungen durch die eingesetzten VE – insoweit wird ausdrücklich Bezug genommen auf den polizeilichen Vermerk vom 1979 1980 1981 1982 1983 1984 Vermerk des PP Köln vom 29. November 2005, A62167 S. 178. Vermerk des PP Köln vom 29. November 2005, A62167 S. 180. Vermerk des PP Köln vom 18. Mai 2006, A62167 S. 182. Antrag der StA Köln vom 23. Mai 2006, A62167 S. 184. Beschluss des AG Köln vom 24. Mai 2006, A62167 S. 185. Vermerk des PP Köln vom 13. November 2005, A62167 S. 186. 355 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 13.11.2006, Bl. 18 d. Sonderheftes – erscheint es vertretbar, eine Beschlussverlängerung für weitere 3 Monate herbeizuführen. Sollten danach weitere sachdienliche und Ermittlungen fördernde Erkenntnisse u.a. nicht gewonnen werden, ist diesseits beabsichtigt, die Maßnahme abzuschließen bzw. zu beenden.“1985 Das AG Köln, dem wiederum nur das „Sonderheft Verdeckte Ermittlungen“ vorgelegt wurde, erlies den beantragten Beschluss noch am selben Tage. Eine Begründung, ob noch die ursprünglichen Gründe des ersten Beschlusses fortdauern oder aus welchen Gründen die erneute Verlängerung erforderlich, erfolgversprechend und rechtmäßig ist, enthält auch dieser Beschluss nicht.1986 hh. Einsatz von Vertrauenspersonen Bei den Ermittlungen zur Aufklärung des Nagelbombenanschlags setzte das PP Köln auch Vertrauenspersonen ein. Bei Vertrauenspersonen handelt es sich grundsätzlich um Privatpersonen, deren planmäßige und dauerhafte Tätigkeit für die Polizei Dritten nicht bekannt ist. Nach der zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der gemeinsamen Runderlasse des Justizministers und des Innenministers1987 in Verbindung mit Ergänzungserlassen des Innenministers1988 geltenden Rechtslage bedurften sowohl die Zusicherung der Geheimhaltung des Namens der Vertrauensperson als auch der gezielte Einsatz der Vertrauensperson der Zustimmung der StA. Voraussetzung für die Zustimmung war, dass es sich um eine Straftat aus dem Bereich der Schwerkriminalität handelt, andere Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht bestehen und die Vertrauensperson als zuverlässig angesehen werden kann. Erstmals unter dem 30. Juni 2004 beantragte das PP Köln bei der StA Köln den Einsatz von gleich sechs Vertrauenspersonen und verwies dabei darauf, dass die bisherigen Ermittlungen seit dem 9. Juni 2004 nicht zur Ergreifung des Täters bzw. nicht zur Aufhellung der Hintergründe des Anschlags geführt hätten. Deshalb sei nunmehr geplant, die Vertrauenspersonen gezielt im Umfeld der Keupstraße sowie der geschädigten Personen einzusetzen, um Informationen zur Aufklärung der Umstände des Anschlags zu sammeln, da die Straftat nicht anders oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten aufzuklären sei. Die StA Köln genehmigte diesen Einsatz ohne Nachfragen oder Einschränkungen.1989 Entsprechende Anträge bezüglich der Zusicherung der Geheimhaltung der Identität und die Einwilligung in deren gezielten Einsatz stellte das PP Köln unter dem 15. Februar 2006 für zwei weitere Vertrauenspersonen und unter dem 20. Oktober 2006 für jeweils eine Vertrauensperson. Auch diese Anträge genehmigte die StA Köln ohne in den Akten dokumentierte Nachfragen oder Einschränkungen.1990 ii. Vertraulichkeitszusagen an Informanten Unter den in Gemeinsamen Runderlassen des Justizministers und des Innenministers geregelten Voraussetzungen kann einem Zeugen oder Informanten in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hinsichtlich seiner Person unter bestimmten Umständen auch im Einzelfall Vertraulichkeit zugesichert werden. Voraussetzungen sind dabei auch hier, dass es sich um eine Straftat aus dem Bereich der Schwerkriminalität handelt, eine andere Möglichkeit zur 1985 1986 1987 1988 1989 1990 356 Verfügung der StA Köln vom 14. November 2006, A62167 S. 188. Beschluss des AG Köln vom 14. November 2006, A62167 S. 189. Gemeinsamer Runderlass des Justizministers NRW – 4110 - III A. 33 - und des Innenministers NRW – IV – A 4 - 6450 - vom 17. Februar 1986, zuletzt geändert durch Gemeinsamen Runderlass vom 15. August - gleiche Aktenzeichen, A10182 S. 3 ff., 13 (VS-nfD). Erlass des Innenministers vom 9. Juli 1998 –IV D 1 -6452- und den überörtlichen Einsatz von VP-Führern, A10182 S. 28 ff. (VS-nfD). Zusicherung von Vertraulichkeit, A20733 S. 18 ff. (VS-nfD). Zusicherung von Vertraulichkeit, A20733 S. 43 ff. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Sachaufklärung nicht besteht und der Zeuge oder Informant erheblich gefährdet wäre oder unzumutbare Nachteile zu erwarten hätte, wenn bekannt würde, dass er mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeitet.1991 Eine erste Zusage erteilte die StA Köln auf Anregung des PP Köln vom 14. Juni 2004: Ein der Polizei persönlich bekannter Informant gab an, er könne Angaben zu Personen machen, die für den Nagelbombenanschlag verantwortlich sein sollen.1992 Unter dem 22. Juni 2004 erteilte die StA Köln eine weitere Vertraulichkeitszusage: Eine der Polizei persönlich bekannte Person könne Angaben zu Personen machen, die für den Nagelbombenanschlag verantwortlich sein sollen.1993 Eine weitere Vertraulichkeitszusage erteilte die StA Köln auf einen Antrag des PP Köln vom 23. Juni 2004: Eine der Polizei persönlich bekannte Person könne Angaben zu den Auftraggebern und den Ausführenden des Nagelbombenanschlags machen.1994 Schließlich erteilte die StA Köln noch unter dem 20. Oktober 2009 eine letzte Vertraulichkeitszusage: Eine der Polizei persönlich bekannte Person könne Angaben zu dem Nagelbombenanschlag machen. Die Täter sollen der überörtlichen PKK-Führungsriege angehören.1995 In allen Fällen erteilte die StA Köln die Vertraulichkeitszusage ohne Nachfragen oder Einschränkungen. jj. Observationsmaßnahmen Nachdem alle bisherigen Ermittlungsmaßnahmen zur Aufklärung des Nagelbombenanschlags erfolglos waren, regte das PP Köln unter dem 26. September 2006 die Observation des Zeugen H.Y. an. Zur Begründung führte der Zeuge Markus Weber aus, dass laut den Erkenntnissen aus den verdeckten Maßnahmen H.Y. nicht mehr bei seinem Bruder Ö. Y. auf der Keupstraße, sondern jetzt bei einem Friseur auf der Venloer Straße arbeite. Weiter wurde die Vermutung angestellt, dass es Mitte des Jahres „offensichtlich“ zu Differenzen gekommen sei. Es erscheine deshalb erforderlich, ein Bewegungsbild von H.Y. zu erstellen.1996 Unter dem 29. September 2006 ordnete der Zeuge Josef-Rainer Wolf gemäß § 163 f StPO die Observation des Geschädigten und Zeugen H.Y. für die Dauer eines Monats an. Zur Begründung führte er aus, es bestünde auf Grund der bisherigen Ermittlungen der Verdacht, dass der Zeuge und sein Bruder Ö. Y. „Kenntnis über Machenschaften und Hintergründe des Anschlags“ hätten, die zur Aufklärung der Straftat, insbesondere zum Verhältnis der beiden Brüder untereinander beitragen könnten.1997 Auf welchen Erkenntnissen dieser Verdacht beruhte, wurde nicht ausgeführt. 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 Gemeinsamer Runderlass des Justizministers NW-4110-III A.33 und des Innenministers NW– IV-A4-6450 vom 17.Februar 1986, zuletzt geändert durch Gemeinsamen Runderlass vom 15. August - gleiche Aktenzeichen, A10182 S. 3 ff., 13 (VS-nfD). Zusicherung von Vertraulichkeit, A20733 S. 1 ff. (VS-nfD). Zusicherung von Vertraulichkeit, A20733 S. 5 ff. (VS-nfD). Zusicherung von Vertraulichkeit, A20733 S. 9 ff. (VS-nfD). Zusicherung von Vertraulichkeit, A20733 S. 51 (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 26. September 2006, A60737 S. 52. Anordnung der StA Köln vom 29. September 2006, A60737 S. 53 f. 357 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 kk. Finanzermittlungen Im Zuge der Ermittlungen wurden auch noch im November 2004 Bewohner der in der Nähe zur Keupstraße verlaufenden Von-Sparr-Straße befragt, ob sie Angaben zu dem Nagelbombenanschlag vom 9. Juni 2004 machen könnten. Dabei wurden den Bewohnern auch Fahndungsplakate vorgelegt. Einer der Bewohner des Hauses Von-Sparr-Straße 62, gab an, dass die Pressemitteilungen, es handele sich bei den Tätern um Deutsche aus Köln beziehungsweise Mülheim und die Motivlage sei möglicherweise im ausländerfeindlichen Bereich zu suchen, seiner Ansicht nach falsch seien. In türkischen Kreisen sei bekannt, dass der Friseur Ö. Y. und auch sein Bruder H. Y. leidenschaftliche Kartenspieler seien. Ö. Y. habe sehr hohe Spielschulden. Bei den Tätern handele es sich um irgendwo angeheuerte Junkies, die im Auftrag von Gläubigern des Friseurs Ö. Y. diesem eine Lektion erteilt hätten, weil der seine Schulden nicht bezahlt habe.1998 Am 20. Dezember 2004 ergänzte dieser Zeuge seine Angaben dahin, dass allgemein bekannt sei, dass Ö. Y. über sehr viel Geld verfüge und neben seinem Friseursalon über weitere Einnahmequellen verfüge. Diese Angaben waren Anlass für die Einleitung von Finanzermittlungen gegen H. Y. und Ö. Y.1999 Ausweislich eines Vermerks des PP Köln vom 29. Dezember 2004 sollte Zielrichtung der Finanzermittlungen sein, die Vermögenssituation der Geschädigten festzustellen, da hier laut einem Hinweisgeber die Motivlage für das Herbeiführen der Explosion zu finden sei.2000 Auf Anregung des PP Köln fertigte die StA Köln die bereits vorbereiteten Auskunftsersuchen bei Sparkassen und Banken aus.2001 Weitere Anfragen gingen an das Bundesamt für Finanzaufsicht2002, an das Katasteramt der Stadt Köln2003 und die Schufa.2004 Schließlich wurden auch noch die Steuerakten einer Überprüfung unterzogen. Die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen in diesem Zusammenhang wurden in einem abgetrennten Ermittlungsverfahren durchgeführt.2005 Nach einem daran anschließenden zusammenfassenden Vermerk vom 15. Dezember 2005 verband man damit nun die Erwartung, dass unter dem Eindruck, Steuerstraftaten begangen zu haben, die mit hohen Forderungen von Seiten des Finanzamtes verbunden sein könnten, aus dem engen Familienkreis der Geschädigten Y. mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Hinweise zum möglichen Täterkreis zu erhalten sein würden, als bisher bekannt waren. 2006 Darauf wurde der Inhaber des zerstörten Friseursalons Ö. Y. am 5. April 2006, fünf Stunden lang zunächst als Zeuge und schließlich auch als Beschuldigter eines Steuervergehens vernommen.2007 Um die eigentliche Tat, den Nagelbombenanschlag, ging es dabei nicht mehr. Im Vordergrund standen Erwerb und Betrieb des Friseursalons und die dort erzielten Erträge. Nachdem dem Ö. Y. seine Steuererklärung für 2003 und seine Angaben hinsichtlich der Finanzierung des Erwerbs des Friseursalons vorgehalten worden waren, erfolgte der Hinweis, dass er eventuelle Schutzgeldzahlungen steuermindernd als Betriebsausgaben absetzen könne, falls er dem Finanzamt die Empfänger der Schutzgelder namentlich bekannt 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 358 Vermerk des PP Köln vom 24. November 2004, A12530 S. 15 f. Vermerk des PP Köln vom 21. Dezember 2004, A12530 S. 17. Vermerk des PP Köln vom 29. Dezember 2004, A12530 S. 9. Auskunftsersuchen an Banken und Sparkassen, A12530 S. 36 ff. Antwort auf BaFin-Anfrage, A12530 S. 21 ff. Anfrage Katasteramt, A12530 S. 68. Auskunftsersuchen an Schufa, A12530 S. 93 f.. Vermerk des PP Köln vom 30. September 2005, A12530 S. 345 ff. Vermerk des PP Köln vom 15. Dezember 2005, A12530 S. 278 f. Vernehmung des Ö. Y. vom 5. April 2006, A12530 S. 330 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gebe. Anschließend wurde ihm eröffnet, dass er nun als Beschuldigter wegen des Verdachts eines Steuervergehens vernommen werde. Ö. Y. gab Folgendes zu Protokoll: „Ich bin mir keiner Schuld bewußt. Ich kann keinen benennen dem ich Schutzgelder bezahlt haben soll. Wenn das Verfahren auf mich zukommen soll, muß ich die Strafe und die Steuer bezahlen. Hätte jemand von mir Schutzgeld erpresst, hätte ich Ihnen dieses sofort mitgeteilt.“2008 Eine Bedeutung hatten die Finanzermittlungen für das Ermittlungsverfahren zwar insoweit, als sie zur Aufklärung einer möglichen Motivlage hätten beitrage können. Durch die Art und Weise der Vernehmungen im Rahmen der Finanzermittlungen ist hier aber lediglich der Versuch unternommen worden, die Familien Ö. Y. und H. Y. unter dem Eindruck eines gegen sie gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens als Beschuldigte unter Druck zu setzen, um an deren vermutetes Wissen für die Urheber des Nagelbombenanschlags zu gelangen.2009 b. Hinweise auf rechtsmotiviertes Delikt aa. Spur 30 Das BfV erstellte am 9. Juli 2004 ein an den Verfassungsschutz NRW gerichtetes Schreiben, in dem der Sprengstoffanschlags in der Keupstraße mit der Anschlagsserie des David Copeland 1999 in London und den proklamierten Strategien rechtsterroristischer Gruppen verglichen wurde.2010 Dieses Schreiben wurde dem PP Köln nicht weitergeleitet. In dem Schreiben führte das BfV auch die Personalien von vier deutschen Personen auf, die als bekannte Rechtsextremisten bereits durch militante Aktivitäten wie Körperverletzung, Brandanschläge, Bombenbau oder ähnliches in Erscheinung getreten waren.2011 Bezüglich der Person T.R., die bereits wegen eines Sprengstoffdelikts auffällig wurde, nahm der Zeuge Jörg Appenroth vom BfV bereits vor Fertigstellung des Schreibens direkten telefonischen Kontakt mit der EG Sprengstoff des PP Köln auf.2012 Die EG Sprengstoff legte daraufhin die Spurenakte „Spur 30“ an und überprüfte T. R. sowie weitere Personen aus seinem Umfeld.2013 1998 wurde gegen T.R. wegen einer Internetseite mit dem Namen „Der Arische Ansturm“ ermittelt, auf der Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff veröffentlicht wurden.2014 Die Website war mit den Slogans „White Ayran Resistance“ und „White Power“ sowie der Grafik eines Ku Klux Klan-Mitglieds illustriert.2015 Am 13. August 2004 wurde die Spur geschlossen, da T.R. aufgrund seiner Größe und seines schmalen Erscheinungsbildes als Täter ausscheide und auch durchgeführte Wohnungsdurchsuchungen keine tatrelevanten Beweise erbrachten.2016 bb. Hinweis Scotland Yard Unter dem 28. September 2004 übermittelte das BKA dem PP Köln einen am 23. September 2004 von Scotland Yard erhaltenen Hinweis auf David Copeland. In dem in englischer Sprache abgefassten Anschreiben führte Scotland Yard zunächst knapp aus, dass einige Jahre 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Vernehmung des Ö. Y. vom 5. April 2006, A12530 S. 341. Schaubild des PP Köln, A62167 S. 212. Vermerk des BfV vom 9. Juli 2004, A13414, S. 2 ff. (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 9. Juli 2004, A13414, S. 2 ff. (VS-nfD). Appenroth, nöAPr 16/210 S. 29 ff. Spur 30, A12541 S. 115 ff. Strafanzeige vom 8. Dezember 1998, A12541 S. 164 ff. Ausdruck der Website, A12541 S. 175 ff. Schlußbericht des PP Köln vom 13. August 2004, A12541 S. 263. 359 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 zuvor David Copeland in London drei Nagelbombenanschläge verübt hatte, die sich in erster Linie gegen Farbige, Homosexuelle und Juden gerichtet haben sollen. Weiter teilte Scotland Yard mit, das zwar keine Zugehörigkeit von Copeland zu einer bestimmten Gruppe oder Organisation habe festgestellt werden können, sich später jedoch ergeben habe, dass er Anhänger oder zumindest Mitläufer rechtsextremer britischer Gruppierungen war und seine Taten als den Beginn eines Rassenkrieges sah. Bezugnehmend auf diese Ausführungen regte Scotland Yard abschließend an, hinsichtlich des Nagelbombenanschlages in der Keupstraße nach einem vergleichbaren Tätertyp mit rechtsextremistischer Gesinnung zu suchen.2017 Der als Spur 260 erfasste Hinweis von Scotland Yard wurde vom Zeugen Jörg Szemmeitat bearbeitet, der unter dem 4. Oktober 2004 beim BKA weitere Ermittlungen zur Person David Copeland erbat, um einen Tatverdacht im hiesigen Verfahren zu erhärten oder auszuschließen.2018 Am Freitag, den 15. Dezember 2004 übermittelte das BKA den ca. 70-seitigen, in englischer Sprache abgefassten Bericht der Anti-Terror Abteilung des Metropolitan Police Service in London, New Scotland Yard, vom 14. Dezember 2000. Dem Bericht war zu entnehmen, dass David Copeland im April 1999 in den Londoner Stadtteilen Brixton, Brick Lane und Soho drei Nagelbomben zur Explosion gebracht hatte. Dabei waren drei Menschen zu Tode gekommen und nahezu 200 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Zudem ergibt sich aus dem Bericht, dass David Copeland die Tat aus rechtsextremistischen Motiven begangen und sich auf „Combat 18“ berufen hat.2019 Am Montag, den 19. Dezember 2005, nur vier Tage nach Eingang des Berichts, fertigte der Zeuge Jörg Szemmeitat einen abschließenden Vermerk. Unter Ziffer „03 Ergebnis/Fazit“ hieß es: „Der David Copeland kann als Täter für den Anschlag in der Keupstraße ausgeschlossen werden. Er ist am 30.6.2000 zu 6-mal lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt worden und hat zum Zeitpunkt des Anschlags im Gefängnis gesessen. Da er damals Einzeltäter war, gibt es keine weiteren Ermittlungsansätze. Die Spur 260 ist abgeschlossen.“2020 Diese Verfahrensweise wurde durch den Leiter der MK Sprengstoff, den Zeugen Markus Weber, noch am selben Tag gebilligt.2021 Dem Zeugen Jörg Szemmeitat hat in der Vernehmung durch den Ausschuss weder die Spur 260 noch der Name David Copeland etwas gesagt. Auch auf Vorhalt des von ihm gefertigten Schlussberichts vom 19. Dezember 2005 hat er sich nicht an den Hinweis von Scotland Yard und die darauf angelegte und von ihm bearbeitete Spur erinnern können.2022 Nachdem ihm das englischsprachige Schreiben vom 28. September 2004 vorgelegt worden war, hat der Zeuge Jörg Szemmeitat eingeräumt, die englische Sprache nicht hinreichend gut zu beherrschen, um das Schreiben zu übersetzen oder sinngemäß verstehen zu können.2023 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 360 Schreiben des BKA vom 28. September 2004, A12573 S. 296. Telefax des PP Köln vom 4. Oktober 2004, A12573 S. 74. Ermittlungsbericht von Scotland Yard, A12573, S. 296 ff. Schlussbericht des PP Köln vom 19. Dezember 2004, A12573 S. 368. Bearbeitungsbogen Spur 260, A12573 S. 295. Szemmeitat, APr 16/1263 S. 5. Szemmeitat, APr 16/1263 S. 6. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weiter hat er eingeräumt, den von Scotland Yard im Dezember 2004 übermittelten Ermittlungsbericht zu David Copeland nicht gelesen zu haben. Ob der Bericht von jemand anderem gelesen oder die Endbearbeitung mit der Führung abgesprochen worden sei, sei ihm wie die Spur insgesamt nicht erinnerlich.2024 Auf Vorhalt, dass Scotland Yard wohl nicht auf David Copeland als möglichen Täter des Keupstraßenanschlags habe hinweisen wollen, sondern vielmehr habe anregen wollen, nach einem vergleichbare Tätertypus suchen zu wollen, hat der Zeuge Markus Weber erklärt, dass ihm nicht erinnerlich sei, wie damals die Intention von Scotland Yard verstanden worden sei. Ungeachtet dessen sei dem Hinweis aber keine Bedeutung mehr beigemessen worden, da David Copeland als Täter habe ausgeschlossen werden können.2025 Im Ergebnis bleibt damit festzustellen, dass der Hinweis von Scotland Yard von der Polizei Köln nicht verstanden und infolge dessen nicht bearbeitet worden ist. Auch der bei der StA Köln von Beginn an mit den Ermittlungen zur Keupstraße befasste Zeuge Josef Rainer Wolf hat keine Angaben zum Hinweis von Scotland Yard machen können und hat auf Nachfrage hin angegeben, dass ihm der Name David Copeland im Zusammenhang mit dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße nicht geläufig sei.2026 cc. Flugblatt in der Straßenbahn Im November 2004 wurde in einem Wagen der Straßenbahnlinie 16 von einem Straßenbahnfahrer ein Flugblatt aufgefunden, das sich auf den Nagelbombenanschlag in der Keupstraße bezog. Der Text lautet u. a. wie folgt: „Wir schreiben nun das Datum: 15. Oktober 2004 und man hört in den Nachrichten, dass immer noch nach den Tätern gesucht wird, aber ohne Erfolg. Es ist nun 5 Monate her, das die Nagelbombe in der Keupstraße explodiert ist und immer noch keine Spur von den Tätern. Hat die Polizei mal darüber nachgedacht was das ganze für eine Bewandnis hatte? Ja natürlich, es ist doch ganz eindeutig, es war ein nicht gut durchgeplanter Bombenanschlag! Falsch es war mehr als ein Bombenanschlag, es war ein Zeichen von Protest, eine Warnung. Wie Sie vielleicht wissen ist die Keupstraße bewoht von sehr vielen Ausländern und das gefällt sehr vielen Deutschen nicht. Wenn Sie mich fragen war das erst der Anfang, es könnte noch schlimmer werden. Deutsche wehrt euch !!!!“2027 Eine auf dem Flugblatt gesicherte daktyloskopische Spur konnte auch über das LKA NRW keiner Person zugeornet werden.2028 Zur Bewertung des Inhalts des Flugblattes durch das PP Köln und die StA Köln ist dem Bericht des GStA in Köln an den GBA vom 4. Januar 2012 Folgendes zu entnehmen: „Der Text ist seitens der Ermittlungsbehörden nicht als Straftat gemäß § 140 StGB (Anm.: Belohnung und Billigung von Straftaten) gewertet worden, sondern als Aufforderung des Verfassers an die Öffentlichkeit, sich gegen solche Vorkommnisse (Anschläge) und gegen den Fremdenhass zu wehren. Eine Auslegung, dass der Satz „Deutsche 2024 2025 2026 2027 2028 Szemmeitat, APr 16/1263 S. 9. Weber, APr 16/983 S. 19. Wolf, APr16/982 S. 44 f. Flugblatt, A62167 S. 202. Spurensicherungsbericht des LKA NRW vom 19. Januar 2005, A62167 S. 207 f. 361 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wehrt Euch“ in irgendeiner Form Fremdenfeindlichkeit widerspiegelt, ist dem Schreiben im gesamten Kontext nicht entnommen worden.“ 2029 Auf die Frage aus dem Ausschuss, ob man das Flugblatt nicht als weiteres Indiz dafür hätte ansehen können, dass die Täter im rechtsextremistischen Bereich zu suchen waren, hat der Zeuge Markus Weber erwidert, dass das eine Variante gewesen wäre.2030 dd. Spur 104 (1) Feststellungen Am 18. Juni 2004 gab ein Bürger dem PP Köln den Hinweis auf einen Neonazi, der sich am Tag nach dem Nagelbombenanschlag auf der Keupstraße mit einer Polizistin unterhalten haben soll. Der Bürger erklärte gegenüber der Polizei: „Der Typ war aufgeregt, interessiert und wirkte so, als ob er die Polizistin aushorcht. Ich kenne den von Nazidemos und halte ihn der Führungsebene zugehörig.“2031 Aufgrund der Personenbeschreibung des Zeugen konnte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Köln der MK Sprengstoff den Hinweis auf P. B., damals wohnhaft im linksrheinischen Stadtteil Köln-Riehl, geben, der dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln als Mitglied des KDS und der „Kameradschaft Köln“ bekannt war.2032 Die MK Sprengstoff vermerkten zugleich zu dieser Spur: „Unter Berücksichtigung der gemachten Lichtbilder scheidet [B.] als Person, die eines der Fahrräder geschoben haben könnte, aus. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist die SPUR 104 für das hiesige Verfahren der MK Sprengstoff ohne weitere Relevanz.“ 2033 Eine Ansprache des P. B. oder weitere Ermittlungsmaßnahmen erfolgten durch die MK Sprengstoff nicht. (2) Kritische Würdigung Der Ausschluss der betreffenden Person als einer der beiden Täter mit den Fahrrädern ist nachvollziehbar. Wenig nachvollziehbar ist hingegen, dass das PP Köln keine Befragung von P. B. durchführte, um die Beobachtung des Bürgers zu überprüfen und ggf. den P. B. nach dem Grund seines Gesprächs mit der Polizistin zu befragen. Zumindest Teile der MK Sprengstoff vertraten zeitweilig die Hypothese, dass die beiden Täter vor Ort einen „Helfer“ oder „Auftraggeber“ hatten.2034 Die Abklärung von „dritten Personen“ wäre also folgerichtig gewesen. ee. Spur 283 (1) Feststellungen Ein nicht in der EG Sprengstoff mitwirkender Beamter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Köln wies die EG Sprengstoff am 4. November 2004 auf einen Neonazi aus Leverkusen hin, mit dem er bereits dienstlich zu tun hatte.2035 Daraufhin suchten zwei Beamte ihn zu 2029 2030 2031 2032 2033 2034 2035 362 Bericht des GStA Köln vom 4. Januar 2012, A60756 S. 26 f. (VS-nfD). Weber, APr 16/983 S. 16. Vermerk des PP Köln vom 18. Juni 2004, A12543 S. 172. Vermerk des PP Köln vom 25. Juni 2004, A12543 S. 174 f. Vermerk des PP Köln vom 25. Juni 2004, A12543 S. 174. Vermerk des PP Köln vom 22. August 2005, A12584 S. 5 Vermerk des PP Köln vom 4. November 2004, A12584 S. 5. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Hause aus und teilten im mit, dass er in die Rasterfahndung des Sprengstoffanschlags fallen würde. Die Beamten vermerkten, dass sich der Befragte misstrauisch, abweisend und teilweise arrogant verhalten habe und die Fragen zur Rasterfahndung teilweise nicht beantwortet habe. Er habe sich nicht erinnern können, was er am Tattag gemacht habe.2036 Abschließend vermerkte die Polizei Köln, dass er aufgrund seines Äußeren – „176 cm groß, kurze hellblonde Haare, schmales Milchgesicht, unsportliche eher schlaffe Erscheinung“ – als eine der Personen auf den Fahndungsfotos ausgeschlossen wurde.2037 Weitere Ermittlungen wurden nicht durchgeführt. (2) Kritische Würdigung In Anbetracht der Tatsachen, dass die aus den Videosequenzen der VIVA-Kamera erstellten Fahndungsbilder von eher schlechter Qualität sind und der Zeuge Yilderim von einem Täter mit blonden Haaren sprach, sind die Kriterien für den Ausschluss aufgrund des Äußeren nicht überzeugend. Dieser Eindruck wird zudem durch ein dem Ausschuss vorliegendes Foto verstärkt, dass die betreffende Person als Redner beim „Gautreffen Rheinland“ KDS am 3. Juli 2004 zeigt. Auf dem Foto trägt der betreffende kurze blonde Haare und Koteletten, er wirkt nicht unsportlich und schlaff.2038 Seine äußere Erscheinung auf diesem Foto steht nicht im Widerspruch zu den auf den Fahndungsfotos abgebildeten Personen. ff. Unterspur 244/2 Die Unterspur 244/2 befasst sich mit einem Hinweis einer Mitarbeiterin eines Jugendzentrums auf einen von ihr als „rechtsradikal“ bekannten jungen Mann vom 3. September 2004.2039 Die EG Sprengstoff vermerkte, dass die Person „polizeibekannt“ sei. Beamte suchten ihn daraufhin zu Hause auf und schlossen ihn als Bombenleger aus, da er „keinerlei Ähnlichkeit mit den auf den Fahndungsplakaten abgebildeten Tätern“ habe.2040 Weitere Maßnahmen wurden nicht getroffen. Der junge Mann wurde 1998 vom Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln als Teilnehmer an der Gründungsversammlung der „Kameradschaft Köln“ registriert.2041 Diese Information findet sich nicht in der Spurenakte. Allerdings ist dort zu der Person der Hinweis „Straftäter rechts motiviert“ festgehalten.2042 c. Einbindung anderer Behörden In die Ermittlungen zur Aufklärung des Nagelbombenanschlags waren zahlreiche weitere Behörden eingebunden. aa. Stadt Köln Mitarbeiter des Amtes für öffentliche Ordnung, Ordnungs- und Verkehrsdienste der Stadt Köln standen schon zu Beginn für Auskünfte bereit. Zwei Mitarbeiter des Amtes konnten Angaben zur Situation auf der Keupstraße, wie sich diese noch bis kurz vor der Explosion der Nagelbombe gegen 16:00 Uhr darstellte, machen.2043 2036 2037 2038 2039 2040 2041 2042 2043 Vermerk des PP Köln vom 6. Dezember 2004, A12574 S. 295 f. Vermerk des PP Köln vom 6. Dezember 2004, A12574 S. 296. Lichtbild, A13374 S. 100 (VS-NfD). Spurenakte 244/2, A12557 S. 153 ff. Vermerk des PP Köln vom 8. September 2004, A12557 S. 1159; Vermerk des PP Köln vom 15. September 2004, A12557 S. 160. Vermerk des PP Köln vom 25. November 1998, A10427 S. 10. INPOL-Auszug vom 6. September 2004, A12557 S. 168. Vermerk des PP Köln vom 3. Juli 2004, A60736, S. 70 f.; Vernehmung H.-C., A60736, S. 72 ff.. 363 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zudem lieferte die Stadt Köln im Rahmen der Rasterfahndung entsprechend der gerichtlichen Anordnung die erbetenen Einwohnermeldedaten.2044 bb. Polizeilicher Staatsschutz Die Zuständigkeit des Polizeilichen Staatsschutzes bei den Polizeipräsidien folgt aus § 2 Absatz 2 der Kriminalhauptstellenverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen. Danach sind die Kriminalhauptstellen zuständig für die Beobachtung und Verfolgung politisch motivierter Kriminalität, d.h. für Straftaten, bei denen ein politisch motivierter Hintergrund wie etwa bei einer Bekennung offensichtlich ist oder aber eine Vermutung besteht, dass eine politische Motivation ursächlich für die Begehung einer Straftat sein könnte. Zu der Frage der Einbindung des Polizeilichen Staatsschutzes in die Ermittlungen zur Aufklärung des Nagelbombenanschlages in der Kölner Keupstraße hat der Zeuge Wolfgang Klonz, damaliger Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes beim PP Köln, angegeben, er habe am 9. Juni 2004 bereits gegen 16:30 Uhr von der Explosion in der Keupstraße Kenntnis erlangt und sich in die Leitstelle bzw. in den BAO-Einsatzraum begeben. Nach gemeinsamer Bewertung der ersten Hinweislage mit anderen Beamten und Beamtinnen der Polizei sei man von der Möglichkeit ausgegangen, dass es sich um ein Anschlagsgeschehen handeln könnte. Es sei dann eine BAO eingerichtet worden. Nach der Planentscheidung sei er als Leiter Staatsschutz der vorgesehene Einsatzabschnittsführer für den Bereich „Ermittlung“ geworden. Am nächsten Tag sei die Organisation indes dahin geändert worden, dass das Anschlagsereignis im Rahmen einer Ermittlungsgruppe Sprengstoff abgearbeitet werden sollte. Ab diesem Zeitpunkt sei er in dieser Organisationsstruktur ohne Funktion gewesen und habe dann wieder seine Aufgaben als Leiter Staatsschutz wahrgenommen.2045 Der Zeuge Wolfgang Klonz wurde auch dazu befragt, wie es zu der Abänderung der Betreffzeile „Terroristische Gewaltkriminalität“2046 in der Berichterstattung des LKA NRW, hier der Erstmeldung vom 9. Juni 2004, 17:04 Uhr, gekommen sei. Hierzu ist in der Lagedokumentation des Lagezentrums der Polizei vom 9. Juni 2004, 17:36 Uhr, vermerkt, dass das Lagezentrum der Polizei gegenüber dem LKA die Bitte geäußert hatte, den Begriff „Terroristischer Anschlag“ aus dem momentanen Schriftverkehr zu streichen.2047 Unter Bezugnahme auf die Erstmeldung hieß es in der weiteren Meldung des LKA NRW vom 9. Juni 2004 um 17:45 Uhr dann auch: „Die im Bezug genannte Lageerstmeldung wird korrigiert. Bisher liegen keine Hinweise auf terroristische Gewaltkriminalitaet vor. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um einen Anschlag unter Verwendung von USBV bei dem Personen- und Sachschaden entstand. Es wird nachberichtet.“2048 In den weiteren Meldungen und Lagefortschreibungen hieß es fortan „Einsatz der Polizei aus Anlass eines herausragenden Anschlags in Köln-Mülheim am 9.6.2004.“2049 Der Zeuge Wolfgang Klonz hat insoweit angegeben, dass er nicht wisse, aus welchen Gründen das LKA den Begriff „Terroristischer Anschlag“ in der Berichterstattung nicht weiter verwendet ht. Er hat aber eine persönliche Einschätzung geäußert: 2044 2045 2046 2047 2048 2049 364 Beschluss des AG Köln vom 15. Juli 2004, A60736, S. 122 f.; Weber, APr 16/983 S. 49 f. Klonz, APr 16/984, S. 77. 1. Lagemeldung des LKA NRW vom 9. Juni 2004, A10044 S. 4 (VS-nfD). Lagedokumentation des LKA NRW vom 9. Juni 2004, A10031 S. 4, 6. 2. Lagemeldung des LKA NRW vom 9. Juni 2004, A10044 S. 6 (VS-nfD). Lagefortschreibung Nr. 2 des LKA NRW vom 9. Juni 2004, A10021 S. 20 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ich habe über den Abend, weil ja politisch motivierte Kriminalität möglich und eigentlich im damaligen Zeitpunkt auch eine, ja, sich aufdrängende Möglichkeit war, mit der Leiterin, der Abteilungsleiterin des Landeskriminalamtes mehrfach telefoniert. Und in diesen Gesprächen habe auch ich ihr gesagt, dass ich den Nachrichtenaustausch zur Kenntnis genommen habe, dass ich gesehen habe, dass das Landeskriminalamt von terroristischer Gewaltkriminalität spricht. Und ich habe ihr gesagt, diese Erkenntnis dürfte nach meiner Kenntnis keine sein, die vom PP Köln herrührt, weil wir von einem Anschlag ausgehen, aber überhaupt keine Erkenntnis bisher zur Motivation haben. Und deswegen habe ich ihr gesagt: So weit sind wir nicht, dass wir von Terrorismus sprechen können, es ist aber auch nicht ausgeschlossen. Ich habe gesagt: Von uns kommt diese Information nicht.“2050 Der Zeuge Dr. Fritz Behrens, damaliger Innenminister des Landes NRW, hat bezüglich des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße zunächst angegeben, niemals einen rechtsextremistischen Hintergrund ausgeschlossen zu haben.2051 Zum Zeitpunkt der Tat sei er wegen eines Umzugs nicht im Dienst gewesen, aber telefonisch unterrichtet worden. Nachdem er Kenntnis davon erlangt habe, dass der Verfassungsschutz NRW eingeschaltet worden sei, habe er im Lagezentrum nachgefragt, ob es Hinweise, einen besonderen Anlass oder sonstige Gründe für ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes gebe. Die Streichung des Begriffs „Terroristischer Anschlag“ habe er jedenfalls nicht veranlasst.2052 Auf Nachfrage, ob im Hinblick auf die erste Lage- oder WE-Meldung darüber gesprochen worden sei, ob für die Ermittlungen nicht grundsätzlich der Polizeiliche Staatsschutz zuständig sei, hat der Zeuge Wolfgang Klonz angegeben: „Der Schwerpunkt der Ermittlungen lag darauf, dass es sich hier um ein versuchtes Tötungsdelikt gehandelt hatte – das war jedenfalls die Einschätzung –, und dass man aus diesem Grund den Kernsachverstand eines Leiters einer Mordkommission und den Kernsachverstand dieser Organisationseinheit um das KK 11 jedenfalls auch mit in die Ermittlungen einbringen muss. Und deswegen ist die Form einer besonderen Aufbauorganisation gewählt worden, und ich gehe davon aus, dass sie, auch wenn es diese Streichung „Terroristischer Anschlag“ [gemeint ist wohl der Begriff „Terroristische Gewaltkriminalität“] nicht gegeben hätte, gewählt worden wäre.“2053 Am Tag der Tat selbst und auch in den nachfolgenden Tagen seien dann die Meldungen über das Anschlagsgeschehen an das LKA NRW und den Verfassungsschutz NRW herausgegangen. Weiter sei man in den Nachrichtenaustausch gegangen, habe die kriminalpolizeilichen, aber auch die Staatsschutzmeldedienste bedient und die offene Frage formuliert, ob es korrespondierende Ereignisse gegeben hat. Diese Abfragen seien dann über das LKA NRW an das BKA und über den Verfassungsschutz NRW in den Verfassungsschutzverbund gesteuert worden.2054 Nachdem er erst zweieinhalb Monate Leiter Staatsschutz gewesen sei, sei er von den Kollegen beraten und informiert worden, auch was das Verhältnis zum Verfassungsschutz angehe. Sein Empfinden von dieser Zusammenarbeit sei positiv gewesen, es habe Kontakte und anlassbezogene Hinweise vom Verfassungsschutz gegeben.2055 Die An- 2050 2051 2052 2053 2054 2055 Klonz, APr 16/984, S. 91. Dr. Behrens, APr 16/1004, S. 6. Dr. Behrens, APr 16/1004 S. 10. Klonz, APr 16/984 S. 88 ff. Klonz, APr 16/984 S. 78, 80. Klonz, APr 16/984 S. 109. 365 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 fragen führten nach Angaben des Zeugen Wolfgang Klonz nicht dazu, dass ihn konkrete Hinweise von den Diensten erreicht hätten, auf deren Grundlage dann hätte weiter ermittelt werden können. Auch aus der Szene habe man nichts Konkretes dazu gehört, obwohl ja eine hohe Belohnung ausgesetzt gewesen sei, und ebenso wenig habe es Hinweise darauf gegeben, dass rechte Gruppierungen an der Tat beteiligt gewesen seien.2056 Der Zeuge Wolfgang Klonz hat weiter angegeben, am Tag nach der Tat nicht mehr ermittlungszuständig, sondern begleitend aus der Stellung des Leiters Staatsschutz heraus unterstützungszuständig, bzw. beratungszuständig gewesen zu sein.2057 Dennoch sei ihm der Hinweis von Scotland Yard auf die Nagelbombenanschläge des David Copeland in London im Jahre 1999 nicht zur Kenntnis gelangt.2058 Der Zeuge Günther Gebert hat angegeben, im Jahre 2000 zum Polizeilichen Staatsschutz beim PP Köln gekommen zu sein und dort bis 2006 das für den deutschen Rechts- und Linksextremismus zuständige KK 2 geleitet zu haben. Zur grundsätzlichen Zusammenarbeit mit dem LKA und dem Verfassungsschutz NRW hat er erklärt, dass seine Dienststelle einerseits Ansprechpartner für die „Dienste“ war und andererseits dort Informationen eingeholt wurden. Er selbst sei in seiner Zeit als Leiter des KK 2 niemals beim Verfassungsschutz NRW gewesen und habe dort niemanden persönlich kennengelernt.2059 Zu häufiger anfallenden Vorgängen in seinem KK hat der Zeuge Günther Gebert ausgeführt: „Also in der Regel haben wir mit Propagandadelikten zu tun gehabt. Das heißt, in einem Fall haben die mal aus dem SA-Liederbuch bei einer Demonstration was gesungen. Dann war es ja in der Regel so, dass diese fremdenfeindlichen Aspekte bei den Reden von Axel Reitz vorkamen. Also diese Dinge waren schon, ja. Und ich weiß auch, dass in Rheinland-Pfalz beispielsweise auch Leute, auch der Paul Breuer, aufgefallen sind, weil die sich eben da entsprechend rechts geäußert haben. Also diese Dinge sind bei uns schon wahrgenommen worden und auch registriert worden. Jetzt so, dass man sagen könnte: ‚Die sind daran beteiligt, so wie in der Probsteigasse eine Bombe abzugeben‘, also diesen Eindruck habe ich von den Leuten nicht gewonnen. Also das glaube ich auch nicht.“2060 Auf Nachfrage zur Aus- und Weiterbildung von Polizeibeamten im Polizeilichen Staatsschutz hat er angegeben, dass es aus seiner Sicht wünschenswert sei, wenn Kollegen bei einem Wechsel in einen anderen Tätigkeitbereich, insbesondere bei einem Wechsel in den Polizeilichen Staatsschutz, die Gelegenheit hätten, sich in den neuen Tätigkeitsbereich einzuarbeiten. Soweit man in diesem Zusammenhang das Prinzip eines „Bärenführers“ erwähne, entspreche dies der Zuordnung und Ausbildung durch ältere und erfahrene Kollegen und Kolleginnen, stelle dies aber gleichzeitig stark vereinfacht dar. Wann immer möglich, seien die Kollegen und Kolleginnen auf Lehrgänge geschickt worden.2061 In die Ermittlungen zu dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße sei er als Leiter des Kommissariats für deutschen Links- und Rechtsextremismus nicht direkt eingebunden gewesen. Kollegen des Polizeilichen Staatsschutzes hätten aber der MK Sprengstoff angehört. Er 2056 2057 2058 2059 2060 2061 366 Klonz, APr 16/984 S 84, 110, 131. Klonz, APr 16/984 S. 79. Klonz, APr 16/984 S. 108. Gebert, APr 16/994 S. 27 ff., 38. Gebert, APr 16/994 S. 31. Gebert, APr 16/994 S. 35. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 selbst habe keinen „Vorgang Keupstraße“ gehabt, von David Copeland wisse er nichts und auch die „Turner Diaries“ seien ihm nicht bekannt.2062 Im Übrigen hat der Zeuge Günther Gebert zum Ausdruck gebracht, dass er sich zunächst mal sehr gewundert habe, dass nach dem Anschlag in der Keupstraße durch den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily sofort eine politische Tat ausgeschlossen worden ist. Soweit entsprechende Entscheidungen getroffen worden seien, seien diese höheren Ortes getroffen worden, da habe er sich als Kommissariatsleiter nicht einmischen können.2063 Der Zeuge Markus Weber hat zur Zusammenarbeit mit den Diensten ausgesagt, dass es nicht nur Anfragen beim Polizeilichen Staatsschutz gegeben habe. Vielmehr seien auch Beamte des Polizeilichen Staatsschutzes mit in der MK Sprengstoff tätig gewesen. Gezielte Anfragen an den Polizeilichen Staatsschutz habe er nicht selbst getätigt, sondern dies über die Beamten des Polizeilichen Staatsschutzes in Auftrag gegeben, die der MK Sprengstoff angehörten. Für die Ermittlungen relevante Rückmeldungen habe es nicht gegeben.2064 Auch soweit es immer wieder Hinweise auf Personen, die in irgendeiner Form rechts waren, rechts organisiert oder rechte Meinungen geäußert hatten, seien solche Spuren entsprechend abgeprüft worden. Auf Frage, ob denn in diesem Zusammenhang mal mit den Kollegen des Polizeilichen Staatsschutzes darüber diskutiert worden sei, welche Handlungsweisen diese rechte Szene oder Rechtsterroristen vielleicht an den Tag legten, hat der Zeuge Markus Weber angegeben, es seien keine grundsätzlichen Diskussionen über die rechte Szene geführt worden.2065 cc. Bundeskriminalamt Das BKA war durch Beamte in die Ermittlungen einbezogen, die gemeinsam mit den Beamten der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße die Aufnahme des Tatortes durchführten sowie über die OFA-Dienststelle, welche die zweite Operative Fallanalyse erstellte.2066 Darüber hinaus war das BKA über die Tatortgruppe ZD 32 in die Ermittlungen eingebunden. Der Zeuge Ernst Setzer vom BKA hat angegeben, dass es sich bei der Tatortgruppe ZD 32 des BKA um eine spezialisierte Organisationseinheit für Sprengstoff- und Branddelikte handelt, die auch als Tatmittelmeldedienst für Spreng- und Brandvorrichtungen bezeichnet wird. Dort werde eine Zentraldatei geführt, die über die jeweiligen LKÄ Informationen der in der Regel örtlich zuständigen Dienststellen erhalte. Diese Informationen würden zentral für ganz Deutschland mit ausgebildeten Sprengstoffermittlungsbeamten und -beamtinnen erfasst. 2067 Zur Funktionsweise der Tatortgruppe ZD 32 hat er ausgeführt, dass in erster Linie die technischen Details von Brand- und Sprengvorrichtungen, soweit diese ermittelt werden konnten, Eingang in die Datei finden. Abfragetreffer, also Hinweise auf bereits gespeicherte frühere Ereignisse, seien im Grunde genommen nur möglich, wenn sich bei einem Vergleich Übereinstimmungen ergäben. Als Beispiel hat er auf die Unterschiede der bei den Bombenanschlägen in der Probsteigasse und in der Keupstraße verwendeten Sprengsätze hingewiesen: „Wenn ich jetzt vergleiche: Probsteigasse war eine ganz klar opfergesteuerte Vorrichtung. Hier hatten die Täter ausgelegt: Wenn das Opfer diese Dose öffnet, dann kommt 2062 2063 2064 2065 2066 2067 Gebert, APr 16/994 S. 34, 35, 38, 39, 47. Gebert, APr 16/994 S. 46, 48, 63. Weber, APr 16/983 S. 6, 10. Weber, APr 16/983 S. 16. Zu vgl. Zweiter Teil B. II. 2. a. bb. (2) Setzer, Apr 16/983 S. 76 ff. 367 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 es zur Auslösung. Ja, in der Keupstraße war es eine Funkfernauslösung. Das heißt, das passt rein von den technischen Gesichtspunkten eben nicht.“2068 Weiter hat der Zeuge Ernst Setzer auf Folgendes hingewisen: „In den Fällen des NSU – angefangen von den ersten Sachen damals, Sicherstellungen in Thüringen oder den Attrappen bis dann hin zu den beiden Vorrichtungen, die dem NSU zugerechnet werden, Probsteigasse und Keupstraße – haben wir eben keine Übereinstimmungen in den Tatmitteln, sodass wir da natürlich auch mit dem Tatmittelmeldedienst keine Treffer erzielen können oder keine Hinweise geben können.“2069 Auf Nachfrage, wie lange die Ereignisse im System verblieben, hat der Zeuge Ernst Setzer erklärt, dass es kein Problem sei, die Tatmittel als solche aufzuheben, weil Datenschutzregeln seiner Ansicht nach insoweit nicht von Bedeutung seien. Würde allerdings ein Tatmittel mit Personendaten verknüpft, müsse man sich an die vorgegebenen Aussonderungsfristen gemäß der kriminalpolizeilichen Sammlung halten, die bei maximal zehn Jahren lägen.2070 Zu den Gründen bei der Abfrage zum Anschlag in der Keupstraße, den zurückliegende Zeitraum zunächst einmal auf nur fünf Jahre zu begrenzen, hat der Zeuge Ernst Setzer ausgeführt: „Da weiß ich leider nicht, warum damals der Kollege das auf fünf Jahre eingegrenzt hat. Wir machen es uns auch nicht zu Eigen, Anfragen der Kollegen aus den Ländern zu kritisieren, sondern, wie gesagt, wir versuchen, mit denen in Kontakt zu treten. Auch damals die Keupstraße war ja ein Kontakt zwischen der Tatortgruppe Nordrhein-Westfalen und uns. Wir hatten auch zwei Kollegen, die nach dem Anschlag dort bei der Tatortarbeit unterstützt haben und auch – ja – Kenntnisse zu den damals schon erkannten Tatmitteln hatten. Wie jetzt diese Eingrenzung auf fünf Jahre, warum er das nicht offen gelassen hat, das kann ich Ihnen nicht sagen, was da damals die Gründe waren.“2071 Die Aussichten, bei einem längeren Abfragezeitraum auf das Trio hinweisende Treffer erzielen zu können, hat der Zeuge Ernst Setzer wie folgt eingeschätzt: „Das kann ich leider heute nicht mehr sagen, weil der Tatmittelmeldedienst, wie gesagt, ein lebender Meldedienst ist. Das heißt, es werden neue Fälle erfasst, und es wurden Fälle auch in diesem Zeitraum gelöscht, so dass ich heute nicht mehr rückverfolgen kann, was es für ein Auswerteergebnis zum Zeitpunkt 2004 unmittelbar nach dem Anschlag Keupstraße gegeben hätte. Sicherlich hätte man – das ist eigentlich die Logik –, wenn man in den fünf Jahren Treffer hat, in einem größeren Zeitraum auch mehr Treffer haben können.“2072 Der Zeuge Ernst Setzer ist zudem zu möglichen oder notwendigen Verbesserungen befragt worden. Dabei ist es insbesondere um die Frage gegangen, ob nicht weitere Merkmale einer Tat wie zum Beispiel „Opfer mit migrantischem Hintergrund“2073, „zwei Täter, „männlich“ und "rechtsradikal““2074 hätten weiter führen können. Hierzu hat er ausgeführt, dass es schon - in 2068 2069 2070 2071 2072 2073 2074 368 Setzer, APr 16/983 S. 81 f. Setzer, APr 16/983 S. 82. Setzer, APr 16/983 S. 79. Setzer, APr 16/983 S. 80. Setzer, APr 16/983 S. 80 f. Setzer, APr 16/983 S.105. Setzer, APr 16/983 S.107. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Anführungszeichen - eine Rubrik „Angriffsziel“ gebe. Zwar würden Opferpersonalien nicht aufgenommen, aber im Fall des Bombenanschlags in der Probsteigasse sei schon der Migrationshintergrund der Opfer vermerkt worden.2075 Zudem gebe es aber andere Dateien, wo man genau diese Fragen hätte stellen können und die bedeutend besser gewesen wären.2076 dd. Verfassungsschutz NRW § 18 Absatz 2 VSG NRW bestimmt, dass die Verfassungsschutzbehörde den StAen und Polizeibehörden die ihr bekannt gewordenen Informationen mitteilt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Verbrechen oder Staatsschutzdelikten erforderlich ist.2077 Der Zeuge Burkhard Schnieder, zum Zeitpunkt des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße als Referatsleiter in der Gruppe 62 Ausländerextremismus beim Verfassungsschutz NRW tätig, hat einleitend erklärt, dass die Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes NRW sowohl mit dem LKA als auch den Polizeilichen Staatsschutzdienststellen grundsätzlich gut funktioniert habe und in NRW immer eine recht gute Basis zwischen Verfassungsschutz und dem Polizeilichen Staatsschutz vorhanden gewesen sei.2078 Zum Tattag des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße am 9. Juni 2004, hat er angegeben, dass der Leiter des Beschaffungsreferates bereits an diesem Abend einen Anruf des BfV erhalten habe und gefragt worden sei, ob bereits irgendwelche Erkenntnisse vorlägen. Er gehe davon aus, dass sicherlich die VP-Führer sofort kontaktiert worden seien mit der Frage: „Liegen euch Erkenntnisse vor? Was ist da passiert ist?“ Eine solche Verfahrensweise sei als normalen Gang zu sehen.2079 Diese gegen 19:00 Uhr erfolgte Kontaktanbahnung zwischen den für Rechtsextremismus zuständigen Beschaffungsleitern des BfV und des Verfassungsschutzes NRW ist in der Lagedokumentation vom 9. Juni 2004 des Lagezentrums der Polizei festgehalten worden.2080 Der erste Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU hat bereits versucht, die genauen Hintergründe dieses Gespräches zu erhellen und dazu den Leiter des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW vernommen.2081 Der Zeuge gab bei dieser Gelegenheit an, sich an den Tag des Bombenanschlags in der Keupstraße und das Telefonat mit seinem Kollegen vom BfV nicht mehr erinnern zu können.2082 Eine Vernehmung der beiden Referatsleiter des BfV und des Verfassungsschutzes NRW war diesem Ausschuss nicht möglich, weil beide Zeugen krankheitsbedingt nicht erscheinen konnten. Demzufolge konnte der Ausschuss diesen Sachverhalt nicht weiter aufklären. Im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen Ali Demir, er habe kurz nach der Explosion der Bombe auf der Keupstraße zwei Personen in Zivilkleidung gesehen, von denen einer 2075 2076 2077 2078 2079 2080 2081 2082 Setzer, APr 16/983 S. 105. Setzer, APr 16/983 S. 108. Fassung vom 21. Juni 2013 (GV.NRW. S. 367) Schnieder, APr 16/952 S. 134. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 10. Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, A10031 S. 9 Zeuge, 34. nicht-öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A91902. Zeuge, 34. nicht-öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A91902 S. 9f. 369 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 eine Pistole im Schulterhalfter getragen habe2083, hat der Zeuge Burkhard Schnieder ausgesagt, dass zum Zeitpunkt des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße keine Observationsbeamten des Verfassungsschutzes NRW vor Ort gewesen seien.2084 Der Zeuge Uwe Reichel-Offermann, damaliger Leiter der Oberservationsgruppe des Verfassungsschutz NRW, war seiner eigenen Aussage zu Folge nicht in die Geschehnisse des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße eingebunden. Nach seinem Wissen und seiner Erinnerung schließe er die Möglichkeit, dass sich Observationsbeamte des Verfassungschutzes NRW am Tag des Anschlags auf der Keupstraße aufhielten, aus.2085 Die Zeugen Uwe Reichel-Offermann und Burkhard Schnieder haben übereinstimmend ausgesagt, dass Mitarbeiter von Observationsgruppen unter bestimmten Voraussetzungen eine Schusswaffe im Außeneinsatz tragen dürfen.2086 (1) Zusammenarbeit mit der Polizei Köln Der für die Beschaffung Rechtsextremismus zuständige Referatsleiter des Verfassungsschutzes NRW erklärte vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU, dass er veranlasst habe, die Quellen zum Anschlag in der Keupstraße zu sensibilisieren und zu befragen. Es seien aber keine Meldungen eingegangen.2087 In der dem Ausschuss übersandten 35 Seiten umfassenden Verfahrensakte „Bombenanschlag Keupstraße Köln-Mülheim“2088 des Verfassungsschutzes NRW befindet sich nur ein handschriftlicher Vermerk über die Quellenbefragung. In dem Vermerk vom 7. Juli 2004 heißt es: „In den BO2089, in denen 6142090 mit Quellen vertreten ist, keinerlei Ausführungen die der MK beim PP Köln dienlich wären.“2091 Näheres wird nur zur einer Quellenabfrage ausgeführt, demnach sei in der Szene nur „absolutes - den üblichen platten Sprüchen ähnelndes – Gelabere nach dem Motto: ‚Wäre ich das gewesen, würde es wie in Bagdad aussehen!‘“ 2092 zu vernehmen. Die Zeugin de la Chevallerie, zum Zeitpunkt des Anschlags als Gruppenleiterin beim Verfassungsschutz NRW tätig, hat ausgesagt, dass der damalige Leiter des Verfassungsschutzes NRW, nachdem er am 9. Juni 2004 über die Tat informiert worden sei, alle noch anwesenden Mitarbeiter zusammengerufen habe. Die beiden Beschaffungsreferate der in 2083 2084 2085 2086 2087 2088 2089 2090 2091 2092 370 Demir, APr 16/984 S. 5 ff. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 27. Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 79. Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 79; Schnieder nöAPr 16/160 S. 10. Zeuge, 34. nicht-öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A91902 S. 11. Verfahrensakte „Bombenanschlag Köln-Mühlheim“ A12283. Beobachtungsobjekten. Für Links- und Rechtsextremismus zuständiges Beschaffungsreferat der Gruppe 61. Siehe: Organigramm Innenministerium NRW, Stand 1. Mai.2004, A10099 S. 29. Handschriftlicher Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Juli 2004, A12283 S. 2. Handschriftlicher Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Juli 2004, A12283 S. 2. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 zwei Gruppen (Gruppe 61 zuständig u.a. für Links- / Rechtsextremismus, Gruppe 62 zuständig u.a. für Ausländerextremismus2093) aufgeteilten Verfassungsschutzabteilung seien beauftragt worden, ihre Quellen zu befragen.2094 Aus der Gruppe 62 wurden Informationen an die EG Sprengstoff des PP Köln weitergeleitet. Am 18. Juni 2004 übersandte der Zeuge Burkhard Schnieder eine mit „Bombenanschlag in Köln-Mülheim“ überschriebene Mitteilung an das PP Köln zu Händen des dortigen Leiters der KI I, den Zeugen Tobias Clauer. Wörtlich hieß es darin: „In Kölner Kreisen mit Kontakten zu Personen aus dem ausländerextremistischen Bereich ist folgende spekulative Version des o.a. Anschlags erörtert worden: ‚Im Moment wisse man nur, dass es sich im kriminellen Bereich abgespielt habe. Es gehe um einen lange währenden Streit zwischen den dort lebenden Kurden und Türken. Eine dieser Gruppen habe Osteuropäer damit beauftragt, diesen Streit endgültig zu beenden.‘ Anhaltspunkte, die diese Spekulation bestätigen oder weitere Ermittlungsansätze bieten könnten, liegen mir nicht vor.“2095 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Burkhard Schnieder erklärt, dass er diese rein spekulativen Informationen weitergegeben habe, weil geprüft worden sei, in welcher Richtung überhaupt irgendwelche Erkenntnisse vorlägen und diese Mitteilung im Grunde das beinhaltet habe.2096 Genauso dürfte es sich mit einer weiteren Mitteilung des Zeugen Burkhard Schnieder an den PP Köln vom 27. August 2004 verhalten. Dort hieß es zum Betreff „Bombenanschlag in Köln, Keupstraße“: „Nach einer vertraulichen und für die Ermittlungsakten nicht verwertbaren Quelleninformation wird in Kölner Kreisen mit Kontakt zu Personen aus dem ausländerextremistischen Bereich gemutmaßt, dass die ‚Zahlungsmoral der Kurden‘ sehr viel besser geworden sei. Ein Bezug zu einer ausländerextremistischen Organisation wird dabei nicht hergestellt, die Verantwortung für den Anschlag also weder übernommen noch abgelehnt.“2097 Die Zeugin Mathilde Koller, von 2009 bis Mitte 2012 Leiterin des Verfassungsschutzes NRW, vermerkte im Zusammenhang mit den Aktenanforderungen des 1. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 17. Wahlperiode unter dem 20. Juni 2012, dass sie von einem im Verfassungsschutz NRW vorliegenden Aktenrückhalt zu dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße im Jahre 2004 Kenntnis erhalten habe. Daraufhin ausgelöste Recherchen hätten u.a. folgendes Gesamtbild ergeben: „Bereits unmittelbar nach dem Anschlag sind die VM-Führer von der damaligen Referatsleitung aufgefordert worden, die von ihnen geführten Quellen zu dem Anschlag zu befragen. Insbesondere haben auch Befragungen einer Quelle mit engem örtlichem Bezug zum Tatort stattgefunden. Zu diesen Befragungen wurden Berichte mit einem niedrigen Verschlusssachengrad (VS-NfD) gefertigt, um sie ggfs. für die Polizei handhabbar zu machen. Nach damaliger Bewertung enthielten sie aber nur allgemeine Stimmungsbilder und keine Informationen, die dazu geeignet gewesen wären, die Ermittlungen der Polizei voranzubringen. Insbesondere haben sich danach keine Erkenntnisse ergeben, die auf 2093 2094 2095 2096 2097 Organigramm Innenministerium NRW, Stand 1. Mai 2004, A10099 S. 29. De la Chevllerie, APr 16/1184 S. 6 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. Juni 2004, A10011 S. 7 (VS-nfD). Schnieder, APr 16/952 S. 145. Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 27. August 2004, A10732 S. 36 (VS-nfD). 371 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 einen rechtsextremistischen Zusammenhang hingedeutet haben. In der Folge bildeten sich Zusammenarbeitsstrukturen zwischen der ‚EG Sprengstoff‘ beim Polizeipräsidenten Köln und dem damaligen Beschaffungsreferat 624 heraus, die es ermöglichten, Informationen des Verfassungsschutzes in die polizeilichen Ermittlungen einzubringen.“2098 Bei dem im Vermerk aufgeführten Beschaffungsreferat 624 handelt es sich um das der Gruppe „Islamismus / Ausländerextremismus“ zugeordnete Referat.2099 Soweit von einem Aktenrückhalt die Rede war, hat die Zeugin Mathilde Koller erklärt, dass nicht alle Akten an den ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU übersandt worden seien, sie eine bewusste Zurückhaltung von Akten oder Aktenbestandteilen aber ausschließe.2100 Zur Zusammenarbeit mit dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln hat die Zeugin Cornelia de la Chevallerie ausgeführt: „Es ist so gewesen, dass sowohl der Leiter des Beschaffungsreferates als auch der aus dem Auswertungsreferat einmal auch Kontakt zum Staatsschutz hatte, also zum Staatsschutz Köln, und von daher dann auch mündlich berichtet hat, was man dann von dort gehört hat. Und da wurde sehr früh dann auch gesagt: Es gibt keinen fremdenfeindlichen Hintergrund oder keine Hinweise darauf. - Es hat dann auch … Relativ bald ist dann auch immer wieder gesagt worden: Also, wir ermitteln jetzt in der Ausländerkriminalität oder in der OK.“2101 Lediglich Anfang Juli 2004, habe das PP Köln noch einmal konkret Nachfragen zu zwei Personen aus dem Rechtsextremismus gestellt. Daraus sei noch mal berichtet und in dem Kontext erneut festgehalten worden, dass man keine Erkenntnisse im Übrigen habe. Etwa einen Monat später sei der Beschaffungsleiter nochmals vom Polizeilichen Staatsschutz in Köln zurückgekommen und habe berichtet, man habe dort immer noch nichts und man sei sehr dankbar für irgendwelche Hinweise. Auch das sei noch mal ein Anliegen gewesen, das Ganze zu besprechen, aber auch da sei das Ergebnis gewesen: Ich habe keine weiteren Hinweise.2102 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat angegeben während seiner Dienstzeit von einem politischen, für den Verfassungsschutz relevanten Hintergrund des Anschlags in der Probsteigasse keine Kenntnis erlangt zu haben. Im Fall des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße sei das aber ganz anders gewesen: „Wir sind von dem Anschlag informiert worden, und ich habe sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt, um herauszufinden, was wir zur Aufklärung dieses Falles beitragen können. Und da gibt es immer drei Möglichkeiten: a) Wir haben etwas in den Akten, was weiterhilft. b) Es gibt etwas, was zwar nicht in den Akten, aber wenigstens in den Köpfen der verantwortlichen Mitarbeiter ist. Und die dritte Möglichkeit, die es gibt – und die habe ich dann natürlich auch noch veranlasst –, ist, dass wir die weiteren Erkenntnisquellen, die wir haben – zum Beispiel haben wir Quellen in dem Bereich, der hier betroffen sein könnte; ich komme da gleich drauf –, abgefragt haben.“2103 2098 2099 2100 2101 2102 2103 372 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 20. Juni 2012, A12212 S. 130 f. (VS-nfD). Organigramm Innenministerium NRW, Stand 1. Mai.2004, A10099 S. 29. Koller, nöAPr 16/234 S. 16. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 8 f. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 9. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 90. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Vor dem Hintergrund, dass es sich bei solch einem Anschlag auch um eine fremdenfeindliche Tat handeln könne, habe er veranlasst, dass alle möglicherweise betroffenen Bereiche, also Rechtsextremismus und Ausländerextremismus, die Quellen befragen, ob irgendwelche Kenntnisse in der Kölner Szene vorliegen, die in dem Fall weiterhelfen könnten. Das Ergebnis sei unbefriedigend gewesen: „Es ist nichts mir jemals oder uns nichts auf den Tisch gekommen, was uns in der Sache wesentlich weitergeholfen hätte. Die Dinge, die von den türkischen oder ausländischen Quellen gekommen sind, haben sich mehr oder weniger als Wiedergabe von türkischen Zeitungsmeldungen entpuppt, aber keine neuen Erkenntnisse. Und was Rechtsextremismus angeht, sind überhaupt keine Erkenntnisse in der Beziehung bei uns aufgelaufen.“2104 Dies sei auch trotz vieler Besprechungen mit der Polizeiabteilung des IM NRW und der Gespräche mit dem BfV nicht anders gewesen.2105 Auf Auswerter- und Beschaffertagungen beim BfV sei die Frage erörtert worden, ob man es im Hinblick auf die Ceska-Morde mit einer „rechten RAF“ zu tun habe. Derartige Überlegungen seien jedoch verworfen worden, da es nach dem damaligen Kenntnisstand in der rechten Szene an Köpfen und Strukturen gefehlt habe und vor allem - was es bei der RAF gegeben habe - an Bekennerschreiben. Zwar sei schon damals auch in den Amtsleiterbesprechungen erörtert worden, dass es in Schweden und Großbritannien Vorbilder gab mit „Combat 18“. Solche Strukturen seien ihm in NRW zu seiner Amtszeit jedoch nicht bekannnt geworden.2106 Abschließend hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller zur Selbsteinschätzung der Arbeit des Verfassungsschutzes NRW unter seiner Amtsleitung ausgeführt: „Ich beende meine Dienstzeit und erfahre zwei Jahre später, dass in der Zeit, wo ich verantwortlich war, wo deutsche Sicherheitsbehörden verantwortlich waren, diese Taten begangen worden sind. Das kann ja nicht befriedigen. Das macht einen natürlich furchtbar betroffen. Und da muss man sich fragen … Ich kann doch nicht angesichts von zehn Toten sagen: Das ist Kollateralschaden, das ist eben Pech; wir haben alles richtig gemacht. - Das kann ja wohl nicht so sein. Also, da muss ja was falsch gelaufen sein. Und da muss man irgendwo was hätte besser machen können. Das frage ich mich natürlich auch – das ist schon eine Frage, die mich umtreibt -: Was habe ich unterlassen? So will ich es mal sagen. Was ich nicht weiß, kann ich nicht weitergeben. Aber hätte ich vielleicht bestimmte Dinge intensiver verfolgen müssen? Hätte ich mich nicht zufrieden geben müssen mit polizeilichen Erklärungsversuchen: ‚Das ist ja nur OK, und das geht euch gar nichts an; da habt ihr nichts mehr mit zu tun‘? Das war vielleicht voreilig. Man hätte vielleicht da nach… Aber im Nachhinein ist man natürlich schlauer. Aber mich macht das schon betroffen, dass ich das nicht habe … dass die deutschen Sicherheitsbehörden und auch wir das nicht haben verhindern können.“2107 2104 2105 2106 2107 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 90 f.. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 91f. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 96 f. (Die Zahl 18 steht für den 1. und den 8. Buchstaben des Alphabets, also A und H = Adolf Hitler). Dr. Möller, APr 16/1263 S. 103, 104, 112, 120. 373 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (2) Hinweis des Bundesamtes für Verfassungsschutz Unter dem 9. Juli 2004 erstellte der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname), Mitarbeiter des BfV, einen im Untersuchungsausschuss als „Dossier“ bezeichneten Vermerk zu dem Nagelbombenanschlag auf der Keupstraße.2108 In dem Dossier führte er aus, dass die Art des Sprengsatzes darauf schließen lasse, dass der unbekannte 25 bis 30 Jahre alte Täter, der nach einer Zeugenaussage blonde Haare hatte, zumindest die Tötung bzw. Verletzung vieler Opfer billigend in Kauf genommen habe und zog Parallelen zu dem Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse in Köln im Jahre 2001.2109 Weiter stellte er fest, dass aufgrund der ungeklärten Motivlage des Täters neben einem allgemeinkriminellen Hintergrund ebenso eine rechtsextremistische Motivation der Tat nicht auszuschließen sei. Unter diesem Gesichtspunkt verglich er deshalb entsprechende Aktivitäten und Konzepte von gewaltorientierten Rechtsextremisten mit ähnlicher Vorgehensweise hinsichtlich der Auswahl des Anschlagszieles sowie der Tatausführung. Als Ergebnis seiner Recherche stieß er auf die drei Nagelbombenanschläge des David Copeland im April 1999 in London, deren Ziel die Tötung oder Verletzung von möglichst vielen Homosexuellen, Farbigen und Zuwanderern aus Asien waren. Diese Anschläge könnten unter Umständen dem Täter in der Keupstraße als Muster gedient haben. Nach eigenen Angaben hat David Copeland mit den Anschlägen den Beginn eines Rassenkrieges erreichen wollen. Der Anschlag in Köln erinnere wegen der Verwendung einer Nagelbombe und des Tatortes in einem vorwiegend von Ausländern bewohnten Stadtteil an diese Anschlagsserie. 2110 Weiter wies der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname) in dem Dossier auf die zweite Ausgabe der in englischer Sprache erscheinenden „Combat 18“-Publikation „Stormer“ hin, die die Aufforderung enthält Copelands „heroische“ Taten nachzuahmen. Zudem enthielt die Publikation „Stormer“ unter der Überschrift „How to build a Dave Copeland Special“ die Anleitung zum Bau einer Nagelbombe, wie sie in London zum Einsatz gekommen war. Ein Vergleich der in dieser veröffentlichten Bauanleitung und der Zusammensetzung des in Köln verwendeten Sprengkörpers ergab jedoch lediglich unwesentliche Übereinstimmungen. Die Copeland-Bombe weise in Bezug auf die Zündung einen „weitaus schlichtereren Aufbau“ auf.2111 Weiter wurde in dem Dossier auf „Combat 18“ und die „Racial Volunteer Force“ Bezug genommen. In der deutschen Ausgabe des „Stormer“ sei ein Artikel erschienen, in dem der Verfasser zu gewaltsamen Aktionen gegen „ausländische Kriminelle“ auffordere, die Art der Vorgehensweise allerdings offen lasse. Konkrete Hinweise, dass mit dem Kölner Anschlag ein derartiges Konzept zur Umsetzung gekommen sei, lägen dem BfV allerdings nicht vor.2112 Das BfV vermerkte zudem, dass im Großraum Köln bislang zwar keine Aktivitäten mit Bezug auf „Combat 18“ bekannt seien, teilte zugleich aber mit, dass sich unter den 477 deutschen Forumsmitgliedern von „combat18.org“ 13 Nutzer befänden, die nach eigenen Angaben zufolge in Köln und Umgebung ansässig seien. Personalien dieser Nutzer konnte das BfV nicht nennen.2113 2108 2109 2110 2111 2112 2113 374 Vermerk des BfV vom 9. Juli 2004, A13414 S. 2 ff. (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 9. Juli 2004, A13414 S. 2 f. (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 9. Juli 2004, A13414, S. 2 f. (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 9. Juli 2004, A13414, S. 4 f. (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 9. Juli 2004, A13414, S. 6. (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 9. Juli 2004, A13414 S. 7. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Das Dossier schloss mit dem Hinweis auf vier der rechtextremistischen Szene in und um Köln zuzurechnenden Personen, die bereits durch militante Aktivitäten wie Körperverletzung, Brandanschläge, Bombenbau oder ähnliches in Erscheinung getreten waren. Die Personalien einer Person hatte das BfV bereits im Vorfeld des Schreibens telefonisch dem PP Köln übermittelt.2114 Eine weitere in dem Schreiben aufgeführte Person geriet aufgrund ihres Wohnsitzes in die Rasterfahndung.2115 In der polizeilichen Spurenakte wurde vermerkt, dass diese Person aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht als Täter ausgeschlossen werden könne2116 und sie 2004 „immer noch [ein] Mitglied informeller Skin-Head-Clique“ gewesen sei.2117 Zugleich wurde sie aber nicht weiter überprüft. In der Spurenakte wurde am 7. Januar 2005 vermerkt, dass die Spur aufgrund des Abbruchs der Rasterung 2 weiterhin unbearbeitet bleibe.2118 Dass auch das BfV auf diese Person hingewiesen hat, war dem PP Köln nicht bekannt. Dieses für die Ermittlungen interessante und wertvolle Dossier wurde dem PP Köln nicht weitergeleitet. Der Zeuge Markus Weber hat auf Nachfrage angegeben, zu keinem Zeitpunkt von dem Dossier Kenntnis erhalten zu haben.2119 Im Entwurf des BfV dieses Schreiben an den Verfassungsschutz NRW befindet sich zwar die handschriftliche Anregung, dieses an das PP Köln weiterzuleiten.2120 Diese Anregung hat der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname ), aber seinem Schreiben an den Verfassungsschutz NRW wahrscheinlich versehentlich nicht beigefügt. Der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname) hat gegenüber dem Ausschuss angegeben, ihm sei der im Auftrag erteilt worden, Erkenntnisse zusammen zu tragen, weil die Motivlage der Täter oder des Täters unklar gewesen sei und immer noch der Verdacht im Raume gestanden habe, es könnte ein rechtsextremistischer Hintergrund bestehen. Er habe zu Beginn der Erstellung des Dossiers unmittelbaren Kontakt mit dem PP Köln telefonisch und per Telefax gehabt. Dabei habe er sich eine Sachstandsbericht über den Aufbau der beim KeupstraßenAnschlag verwendeten Bombe zu senden lassen und seinerseits den Hinweis auf den T. R. gegeben. Diesen Kontakt hätten in der Folge weder er noch das PP Köln weiter verfolgt und er habe den Fortgang der Ermittlungen nur noch der Presse entnommen.2121 Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie hat hierzu erklärt, dass ihr das im Auswertungsreferat eingegangene Schreiben des BfV vom 9. Juli 2004 von der dort zuständigen Referentin vorgelegt worden sei. Sie sei damals davon ausgegangen, dass das BfV dieses Schreiben auch dem PP Köln übersandt habe.2122 Dass das BfV bereits das PP Köln informiert habe, hat sie nach eigenen Angaben aus einem Satz auf der letzten Seite des Dossiers des BfV.2123 Dort hieß es: „Aufgrund der völlig einschlägigen Erkenntnisse zu [R.] wurde das PP Köln das BfV entsprechend informiert. Laut telefonischer Rücksprache mit dem PP Köln wird dieser Hinweis in die laufenden Ermittlungen einbezogen.“2124 2114 2115 2116 2117 2118 2119 2120 2121 2122 2123 2124 Vermerk vom 9. Juli 2004, A13414, S. 8f. (VS-nfD). Spur 275/113, A12614 S. 113 ff. Spur 275/113, A12614 S. 116. Spur 275/113, A12614 S. 121 Spur 275/113, A12614 S. 113. Weber, nöAPr 16/983 S. 13. Schreiben des BfV vom 9. Juli 2004, A 73371, S. 9. (VS-nfD) Appenroth (Arbeisname), nöAPr 16/186 S. 9, 11, 12. De la Chevallerie, APr 16/1184, S. 12. De la Chevallerie, APr 16/1184, S. 15f. Schreiben des vom 9. Juli 2004, A 73371, S. 9. (VS-nfD) 375 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dieser Satz bezieht sich ausschließlich auf das Unterkapitel 1.2.2 des Schreibens, an dessen Ende er niedergeschrieben ist. In diesem Unterkapitel führte das BfV als Ergebnis einer NADIS-Recherche die Personalien von vier wegen einschlägigen Delikten bekannten Rechtsextremisten an.2125 Der Satz hat nicht zum Inhalt, dass das PP Köln bereits über sämtliche Sachverhalte des BfV-Schreibens informiert wurde. Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie notierte neben diesen Satz die handschriftliche Anmerkung „Wessen Aufgabe ist das?“2126 Hierzu hat ausgeführt: „Der Weg war ungewöhnlich, dass die sich unmittelbar selbst ans Bundesamt gewandt haben, sondern das wäre normalerweise über uns gelaufen. Wir wären ermächtigt worden, es dem Bundesamt zu geben, und hätten es getan. Deswegen habe ich das danebengeschrieben. […] Ich kritisiere auch nicht, dass es gegangen ist, sondern dieses Nebeneinander an der Stelle, und das ist … Aber dann sind wir auch davon ausgegangen, dass wir es dann nicht mehr tun müssen, so wie es da steht. Er sagt ja auch: „der vorliegenden einschlägigen Erkenntnisse zu [R.] Das haben wir in den Kontext getan. Er beschreibt ja, wieso er über welchen Weg er überhaupt zu [R.] gekommen ist. Er hat die Ähnlichkeiten gesehen, er hat das Alter genommen, und er hat dann gesagt, es könnte ein rechtsextremistischer Hintergrund sein aufgrund Theorien oder auch Gerüchte, die es eben halt zu ‚C18‘ und zu Copeland da gegeben hat. Und dass ich [ R.] rausfiltere, macht doch nur Sinn, wenn ich das in diesen Kontext stecke. Das haben auch wir so bewertet. Wir haben den Copeland-Anschlag nicht als einschlägig zu „C18“ ... Aber das ist auch nicht wichtig. Wir hätten das in jedem Fall selber auch der Polizei natürlich gegeben.“2127 Die Zeugin Cornelia de la Chevalerie hat erklärt, aufgrund dieses Schreibens keinen Kontakt mit dem BfV aufgenommen zu haben.2128 Auch der Zeuge Jörg Appenroth (Arbeitsname) wusste von keinen telefonischen Kontakten zwischen BfV und Verfassungsschutz NRW im Nachgang an die Übermittlung des Schreibens.2129 Im Hinblick auf eine gewisse Ähnlichkeit der Anschläge in Köln und London ist der Zeugin Cornelia de la Chevalerei Folgendes vorgehalten worden: „Wir haben einen Anschlag in der Keupstraße. Die Keupstraße ist bekannt gewesen damals dafür, dass dort ein sehr lebendiges türkisches Leben ist. Eine ganze große Gruppe von Türken wird Opfer. Dann haben Sie diese Ideologie, die Ihnen bekannt ist, die auch hier in dem Schreiben des BfV sehr ausführlich dargestellt wird: Einzeltäter bekennt sich nicht, Zielgruppe/Opfergruppe Ausländer, Homosexuelle usw. Jetzt versuchen Sie, es mir noch mal zu erklären. Ich verstehe es nicht.“2130 Hierauf hat die Zeugin Cornelia de la Chevalerie Folgendes entgegnet: „Es ging ja darum, dass man das, wenn man das jetzt losgelöst hätte von Copeland – das ist ja das, was noch dahinter stand – … ging es doch um den Hinweis, dass es die 2125 2126 2127 2128 2129 2130 376 Schreiben des BfV vom 9. Juli 2004, A 73371, S. 8. (VS-nfD) De la Chevallerie, APr 16/1184, S. 16. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 16f De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 17 Appenroth, nöAPr 16/210 S. 27. De la Chevallerie, APr 16/1184, S. 13. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Möglichkeit gibt, dass es einen rechtsextremistischen Hintergrund gibt. Das ist ja der Hinweis, der dahinter steht, und dass man den weiter mit verfolgen muss. Aber es war ein theoretischer Hinweis und ein Hinweis, dass es eine Person gegeben hat in Köln, die möglicherweise in dem Kontext zu sehen ist. Dieser Hinweis ist natürlich ein Hinweis, der zur Polizei gehört und in die Ermittlungen gehört.“2131 Auf weiteren Vorhalt, dass dieses Schreiben des BfV indes nie beim PP Köln eingegangen ist, hat sie zu bedenken, dass eine einfache Weitergabe des Schreibens an das PP Köln schon aufgrund der Einstufung als Verschlusssache nicht zulässig gewesen sei. Insofern hätte es einer Freigabe oder Herabstufung durch das BfV bedurft.2132 Das BfV hatte allerdings für jeden Abschnitt des Schreibens einen eigenen Verschlusssachengrad festgelegt. Mit Ausnahme eines als „VS-Vertraulich“ eingestuften Absatzes waren sämtliche Abschnitte als „offen“ oder „VS-nur für den Dienstgebrach“ deklariert.2133 Der Zeuge Burkhard Freier, seit August 2012 Leiter des Verfassungsschutzes NRW, hat zur Frage einer eventuellen Weitergabe auch eines als „Geheim“ eingestuften Schreibens indes erklärt, dass ein solches Schreiben an die Polizei weitergegeben werden kann, auch wenn es wegen des Geheimhaltungsgrades und in seiner ursprünglichen Form nicht verwertbar sei. Heute würden solche Schreiben als „Behördenzeugnis“, das nicht mehr eingestuft sei und gleichwohl fast alle Informationen enthalte, zu den Akten genommen.2134 Die Zeugin Cornelia de la Chevalerie fügte anschließend hinzu, sich nicht daran erinnern zu können, den Inhalt des Schreibens mit dem damaligen Leiter des Verfassungsschutzes NRW besprochen zu haben oder dass sie selbst wegen des Schreibens nochmals Kontakt mit dem BfV aufgenommen habe.2135 Das Schreiben des BfV hat sie aber als ein Dokument, das dazu hätte dienen können, Richtung rechts zu ermitteln, gewertet.2136 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat die Frage, ob ihm das Schreiben des BfV vom 9. Juli 2004 zur Kenntnis gelangt sei, verneint. Er führte aus, dass ihm nicht jeder Posteingang zur Kenntnis gebracht worden sei. Maßgeblich sei gewesen, wie die einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vom Sachbearbeiter über die Referatsleiterin bis zum Gruppenleiter die Relevanz eingeschätzt hätten, möglicherweise habe man eine falsche Bewertung vorgenommen und habe eben die Relevanz nicht erkannt, ihm sei das Schreiben jedenfalls nicht vorgelegt worden.2137 ee. Bundesamt für Verfassungsschutz Nach § 1 des BVerfSchG dient der Verfassungsschutz dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Länder. Der Bund und die Länder sind verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammen zu arbeiten, wobei die Zusammenarbeit auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung besteht. Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern unterhält der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz, das einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden darf, § 2 Absatz 1 BVerfSchG. 2131 2132 2133 2134 2135 2136 2137 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 13. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 14. Vermerk vom 9. Juli 2004, A13414, S. 2f. (VS-nfD) Freier, APr 16/1349, S. 29 ff. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 17. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 35 f. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 91 f. 377 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Zusammenarbeit mit den Ländern erfolgt in der Regel so, dass das BfV Informationen an die Verfassungsschutzbehörden der Länder weitergibt, die in eigener Zuständigkeit darüber entscheiden, welche Informationen sie in welcher Weise an Landesbehörden wie etwa die Polizei weitergeben. So wurde das als „Dossier“ bezeichnete Memorandum des BfV bezüglich des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße in Köln vom 9. Juli 2004 auch nicht unmittelbar dem PP Köln, sondern auf dem „Dienstweg“ dem Verfassungsschutz NRW übersandt.2138 d. Spur Kahl aa. Im Ermittlungsverfahren der BAO Sprengstoff Am 25. Juni 2004 nahm der Zeuge Stephan Kahl mit dem PP Köln Kontakt auf und gab nach vorheriger Zusicherung der Vertraulichkeit an: „Wie in einschlägigen Kreisen erzählt wird, soll der Bombenanschlag in Köln-Mülheim vom 09.06.2004 von Rechtsradikalen aus dem Umfeld der NPD begangen worden sein. Drahtzieher und Beteiligte sollen ein [M. P.] (phon.) und ein [G. Me] oder [M.] aus Dortmund sein.“2139 Am 26. November 2004 wurde auf Wunsch des Zeugen Stephan Kahl, seine Angaben offen in einer Zeugenvernehmung zu wiederholen, die Zusicherung der Vertraulichkeit aufgehoben.2140 In Ergänzung seiner Angaben in der Quellenvernehmung gab der Zeuge Stephan Kahl in einer zeugenschaftlichen Vernehmung am 1. Dezember 2004 an, er habe, nachdem M. P. in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni 2004 zweimal erfolglos versucht habe, ihn telefonisch zu erreichen, ihm am Abend des 9. Juni 2004 telefonisch mitgeteilt, dass er sich in Begleitung des G. M. und des M. St. in Mülheim befinde und es eine super Sache gewesen sei. Zudem habe M. P. bedauert, dass Stephan Kahl nicht dabei gewesen sei. Den Sprengstoffanschlag in der Keupstraße habe M. P. während des Telefonats nicht explizit erwähnt.2141 M. P., dessen äußeres Erscheinungsbild keine auffällige Übereinstimmung mit dem Aussehen der Täter des Sprengsstoffsanschlags aufweist2142, bestritt vehement eine Mitwisserschaft an dem Sprengstoffanschlag, lehnte zugleich aber kategorisch eine zeugenschaftliche Vernehmung ab.2143 Mangels weiterer Ermittlungsansätze wurde die auf den Hinweis des Zeugen Stephan Kahl angelegte Spur 158 am 17. Mai 2005 mit dem Ergebnis, dass ein Nachweis einer Beteiligung des M. P. an dem Sprengstoffanschlag nicht geführt werden könne, abgeschlossen.2144 Am 23. Mai 2006 erschien der Zeuge Stephan Kahl erneut mit dem Ansinnen, Angaben zum Sprengstoffanschlag in der Keupstraße machen zu können, beim PP Köln. In seiner zeugenschaftlichen Vernehmung gab er nunmehr an, M. P. habe ihn zwei Tage vor der Tat, am 07. Juni 2004, angerufen und gefragt, ob er Lust habe, mit nach Köln zu kommen, wo eine große Sache abgehe, über die auch in den Medien berichtet werden würde. Details habe M. P. 2138 2139 2140 2141 2142 2143 2144 378 Vermerk des BfV vom 9. Juli 2004, A13414, S. 2 ff. (VS-nfD). Quellenvernehmung des Stephan Kahl vom 25. Juni 2004, A12551 S. 113 f. Vermerk des PP Köln vom 26. November 2004, A12551 S. 136 f. Vernehmung des Stephan Kahl vom 1. Dezember 2012, A12551 S. 154 ff. Vermerk des PP Köln vom 16. August 2004, A12251 S. 123. Vermerk des PP Köln vom 12. April 2005, A12551 S. 178 f. Abschlussvermerk des PP Köln vom 17. Mai 2005, A12551 S. 181 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 auch auf Nachfragen nicht genannt. Er sei beruflich verhindert gewesen und nicht mitgefahren. Am 9 Juni 2004 habe es ein weiteres Telefonat beziehungsweise mehrere Anrufversuche gegeben. Dazu habe er bereits alles gesagt und insoweit seien ihm die Einzelheiten nicht mehr erinnerlich.2145 Mangels konkreter neuer Tatsachen wurde auf die ergänzende Aussage des Zeugen Stephan Kahl polizeilich nichts veranlasst und die Spurenakte der StA Köln vorgelegt2146, die ausweislich der Spurenakte, die keine weitere staatsanwaltliche Verfügung enthält, ebenfalls keinen weiteren Ermittlungsansatz gesehen hat. bb. Im Ermittlungsverfahren des GBA gegen Zschäpe u. a. Am 14. November 2011 gab der Zeuge Stephan Kahl gegenüber der Pressestelle des GBA an, Erkenntisse zum Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe u. a., insbesondere zum Sprengstoffanschlag in der Keupstraße in Köln und zum Kennverhältnis des M. P. mit Beate Zschäpe machen zu können.2147 In seiner Vernehmung durch den GBA am 15. November 2011 gab der Zeuge Stephan Kahl an, Beate Zschäpe 2003 bei einer Art Weihnachtsfeier in Georgsmarienhütte unter dem Namen Susi kennengelernt zu haben. Als sie von anderen Personen mit Beate angesprochen worden sei, habe M. P. ihm auf Nachfrage erklärt, Beate Zschäpe habe einen Doppelnamen. Bereits vor der Weihnachtsfeier habe M. P. ihm gegenüber den Namen Zschäpe mehrfach im Zusammenhang mit gewalttätigen Aktionen gegen Ausländer verwendet.2148 Im März 2004 habe M. P. zu einer NPD-Veranstaltung nach Georgsmarienhütte eingeladen. Am Rande der Veranstaltung habe sich M. P. für etwa eineinhalb Stunden mit Beate Zschäpe in einen Nebenraum zurückgezogen. Nach dem Gespräch sei Beate Zschäpe unmittelbar gefahren und M. P. habe auf seine Nachfrage zum Gegenstand des Gesprächs darauf verwiesen, dass er den zu gegebener Zeit erfahre. Im Anschluss habe M. P. ausschweifende Ausführungen gemacht zu einer NPD-Veranstaltung und für seine Verhältnisse ungewöhnliche Formulierungen wie „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ verwendet.2149 Zum Sprengstoffanschlag in der Keupstraße sagte der Zeuge Stephan Kahl aus, M. P. habe ihn am 8. Juni 2004 mit unterdrückter Rufnummer angerufen und gefragt, ob er ihn, einen S. St. und einen weiteren Kameraden am nächsten Tag nach Köln begleiten wolle, wo eine große Sache steigen werde. Weitere Details habe M. P. nicht am Telefon mitteilen wollen. Er habe aus beruflichen Gründen abgesagt. Am Abend des 9. Juni 2004 habe M. P. ihn vom Handy angerufen. Er sei euphorisch gewesen und habe bedauert, dass er - Stephan Kahl nicht dabei gewesen sei. Auf seine Nachfrage habe M. P. ohne vorherige Antwort das Telefonat beendet.2150 Diese neuerlichen Angaben des Zuegen Stephan Kahl waren Anlass für weitere Ermittlungen der BAO Trio. Neben einem Abgleich der Vernehmungsinhalte seiner insgesamt vier Aussagen wurden weitere von ihm geschilderte Einzelumstände durch entsprechende Ermittlungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Der Abgleich der vier Aussagen führte zu der Feststellung, dass die Schilderungen des Stephan Kahl in den verschiedenen Vernehmungen in wesentlichen Bereichen – beispielhaft erwähnt sei nur der Zeitpunkt und die Anzahl der Anrufe des M. P. im Juni 2004 – so stark voneinander abwichen, dass die Richtigkeit der 2145 2146 2147 2148 2149 2150 Vernehmung des Stephan Kahl vom 23. Mai 2006, A12551 S. 185 ff. Vermerk des PP Köln vom 24. Mai 2006, A12551 S. 189. Vermerk des GBA vom 15. November 2011, A62173 S. 44 (VS-nfD). Vernehmung des Stephan Kahl vom 15. November 2011, A62173 S. 48 (VS-nfD). Vernehmung des Stephan Kahl vom 15. November 2011, A62173 S. 50 (VS-nfD). Vernehmung des Stephan Kahl vom 15. November 2011, A62173 S. 50 (VS-nfD). 379 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Angaben angezweifelt werden musste. Auch die Überprüfung weiterer von ihm geschilderter Einzelumstände ließ sich durch die weiteren Ermittlungen, unter anderem Abgleich von Verbindungsdaten, nicht verifizieren. Aufgrund dieser Erkenntnisse sind die Angaben des Zeugen Stephan Kahl und die von ihm gegen M. P. erhobenen Vorwürfe insgesamt als unzutreffend bewertet und die Spur abgeschlossen worden.2151 cc. Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Mit Schreiben vom 21. Dezember 2014 teilte der in einer JVA in Bayern inhaftierte Zeuge Stephan Kahl mit, gegenüber dem Ausschuss verifizierbare Angaben zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße am 9. Juni 2004 machen zu können.2152 Seine Bereitschaft, Angaben zu dem Anschlag zu machen, wiederholte der Zeuge Stephan Kahl mit Schreiben vom 9. September 2015 und gab ergänzend an, Angaben zum Aufenthaltsorts einer CD machen zu können, auf der ein Video mit einer minutiösen Wiedergabe des Anschlags gespeichert sei. Den Aufenthaltsort der CD habe er bislang aus taktischen Gründen nicht genannt.2153 In seiner Vernehmung durch den zu diesem Zweck eingesetzten Unterausschuss in der JVA in Bayern am 14. Juni 2016 hat der Zeuge Stephan Kahl erklärt, am 9. Juni 2004 aufgrund eines Telefonats am Vortag bei der Polizei in Dortmund Strafanzeige erstattet zu haben.2154 Der aufnehmende Beamte, habe ihm im Rahmen der Anzeigenaufnahme ein aus einem Auto heraus aufgenommenes Video vorgespielt2155, welches den Ablauf des Anschlags wie folgt wiedergebe: „Aus dem Video ergibt sich ganz klar, wie eine Person ein Fahrrad an einer Hauswand anlehnt, von diesem Fahrrad einen Behälter vom Gepäckträger herunternimmt. Was dann im Einzelnen passiert war, konnte man nicht genau sagen, weil diese Person den Behälter verdeckt hatte. Diese Person hat dann den Behälter wohl geöffnet, etwas aus dem Behälter herausgenommen. Kurze Zeit darauf – etwa fünf bis zehn Minuten später – hat sich dann eine Explosion ergeben, und das hat man in diesem Video ganz eindeutig erkannt.“2156 Auf diesem Video habe er M. P. deutlich als die Person erkannt, die das Fahrrad abgestellt habe.2157 Weiter habe er auf diesem Video Herrn R. und Herrn M. vom Verfassungsschutz NRW erkannt.2158 Aufgrund deren Anwesenheit am Tatort gehe er von einer nicht näher konkretisierbaren Tatbeteiligung der beiden Verfassungsschützer aus, gegen die er daher Anzeige beim GBA erstattet habe.2159 Beate Zschäpe, die er 2003 auf einer Weihnachtsfeier der NPD in Steinfurt kennengelernt habe, sowie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos habe er weder auf diesem noch auf dem ihm ebenfalls vorgespielten VIVA-Video erkannt.2160 2151 2152 2153 2154 2155 2156 2157 2158 2159 2160 380 Abschlussvermerk der BAO Trio des BKA vom 20. Dezember 2011, A62173 S. 335 ff. (VS-nfD). Schreiben des Stephan Kahl an den Landtag NRW vom 21. Dezember 2014, A95636. Schreiben des Stephan Kahl an den Landtag NRW vom 9. September 2015, A95638. Kahl, nöApr 16/284 S. 5. Kahl, nöApr 16/284 S. 4 f. Kahl, nöApr 16/284 S. 4. Kahl, nöApr 16/284 S. 9. Kahl, nöApr 16/284 S. 8. Kahl, nöApr 16/284 S. 7 f. Kahl, nöApr 16/284 S. 8 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Person, die auf dem VIVA-Video das Fahrrad abstellt, gleiche von der Kopfbedeckung, der Statur und dem Gesicht, der Person, die er auf dem aus einem Auto aufgenommenen Video als M. P. wiedererkannt habe.2161 Angaben zum Aufenthaltsort einer CD, auf die das aus einem Auto aufgenommene Video überspielt worden sein soll, hat der Zeuge Stephan Kahl zunächst nur gegen Zusicherungen machen wollen.2162 Nach erneuter Belehrung über die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage und der Androhung eines Ordnungsgeldes für den Fall der weiteren Aussageweigerung hat der Zeuge Stephan Kahl angegeben, die CD befinde sich im Besitz von Mevlut Kar.2163 Dieser habe ihm im Jahr 2004 eine Ausfertigung zukommen lassen, die er Mevlut Kar 2011 in der Türkei wieder zurückgegeben habe.2164 Die Reise habe einem vom türkischen Konsulat veranlassten Austausch mit Mitarbeitern von Behörden in der Türkei, die ein großes Interesse am NSU-Komplex gehabt hätten, gedient und sei von der türkischen Botschaft bezahlt worden.2165 Details zum Reiseverlauf hat der Zeuge Stephan Kahl trotz zahlreicher Nachfragen nicht machen können.2166 Die Zeugin Anette Greger hat zur Person des Mevlut Kar angegeben: „Es gab auch dazu einen Hinweisgeber zu der Tat Heilbronn. Da spielte Mevlut Kar eine Rolle. Auch dieser Hinweis ist für uns nach unserer Einschätzung nicht belastbar. Auch dazu wurden verschiedene Abklärungen, Überprüfungen getätigt. - Für uns nicht belastbar.“2167 Im Nachgang zu seiner Vernehmung teilte Stephan Kahl mit Schreiben vom 26. Juni 2016 mit, „dass entsprechende verwertbare Informationen zum Aufenthaltsort der CD nur gegen Zusicherung von Schutz gemacht werden. Sie können doch nicht alles Ernstes davon ausgehen, dass ich entsprechende Informationen unter Berücksichtigung der Brisanz der gegenständlichen Angelegenheit ohne diesbezüglich infrage kommenden Schutz transportieren werde.“2168 Mit Schreiben vom 1. Oktober 2016 verweigerte der Zeuge Stephan Kahl die Unterzeichnung des Protokolls seiner Vernehmung mangels Zusicherung von Schutzmaßnahmen.2169 dd. Kritische Würdigung Der Zeuge Stephan Kahl war unglaubwürdig, seine Aussage wenig glaubhaft. Insbesondere da der Zeuge Stephan Kahl wiederholt „Sicherheiten“ einforderte und Nebengeschehnisse nicht schildern konnte. Dies Aussage erscheint reine Phantasie des Zeugen Stephan Kahl zu sein. 2161 2162 2163 2164 2165 2166 2167 2168 2169 Kahl, nöApr 16/284 S. 10. Kahl, nöApr 16/284 S. 5. Kahl, nöApr 16/284 S. 5 f. Kahl, nöApr 16/284 S. 12 f. Kahl, nöApr 16/284 S. 14 ff. Kahl, nöApr 16/284 S. 14 ff. Greger, APr 16/1353 S. 63. Schreiben des Stephan Kahl vom 26. Juni 2016, A95651. Schreiben des Stephan Kahl vom 1. Oktober 2016, A95664. 381 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 e. Kritische Würdigung Es ist zunächst nicht nachzuvollziehen, dass die Ermittlungen zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße und die Ermittlungen zur Ceska-Mordserie nicht bereits im Juni 2005 zusammengeführt worden sind, nachdem die Zeugin B.K. ausgesagt hatte, dass die von ihr beobachteten Mörder des Ismail Yaşar mit den Tätern des Nagelbombenanschlags auf dem VIVA-Video identisch seien. Weiter ist zu kritsieren, dass zwar die Erkenntnissse aus den Operativen Fallanalysen Anlass zur Überprüfung von rechtsextrem eingeschätzten Personen waren. Die Überprüfung war indes auf den Raum Nürnberg und im weiteren Verlauf auf Bayern beschränkt. Zudem ergaben sie keine verwertbaren Ergebnisse, worauf keine weiteren Ermittlungen in Richtung rechtsmotivierter Taten erfolgten. Ob entsprechende Ermittlungen erfolgt wären, wenn Polizei und StA Kenntnis vom Dossier des Zeugen Jörg Appenroth (Arbeitsname) gehabt hätten, kann nicht beurteilt werden, ist aber zu hoffen. Die vom BfV erstellte Analyse, in dem der Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in einen Kontext mit der Anschlagsserie des David Copeland sowie den unter anderem von „Combat 18“ propagierten rechtsterroristischen Vorgehensweisen gesetzt wurde, erreichte das PP Köln nicht, weil der Verfassungsschutz NRW von einer Weiterleitung dieser, möglicherweise die Ermittlungsrichtung verändernden Ausführungen, absah. Die Verantwortung für diese unterlassende Weiterleitung liegt beim Verfassungsschutz NRW. Nachvollziehbare Erklärungen, warum von einer Weiterleitung an die Polizei abgesehen wurde, konnte die verantwortliche Gruppenleiterin dem Ausschuss nicht nachvollziehbar darlegen. Auffällig ist, dass die beim Verfassungsschutz NRW mit Ausländerextremismus befasste Gruppe 62, nach den Aussagen der Zeugen und den vorliegenden Akten, hinsichtlich des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße in Kontakt mit dem PP Köln stand und lediglich auf nicht nachvollziehbaren Mutmaßungen beruhende Quellenmeldungen weiterleitete. Der Kontakt zwischen dem PP Köln und der beim Verfassungsschutz NRW mit Rechtsextremismus befassten Gruppe 61 war aber äußerst begrenzt. Auch die Verfahrensweise von PP Köln, StA Köln und AG Köln bezüglich des Einsatzes verdeckter Ermittler begegnet Bedenken. Die Anregung des PP Köln zum Einsatz Verdeckter Ermittler im Bericht vom 20. Mai 2005 lässt die bereits im Laufe der Ermittlungen bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Erkenntnisse außer Acht. Am 28. September 2004 lagen bereits die Operativen Fallanalysen des LKA NRW2170 und des BKA2171 vor, die der StA Köln bekannt gewesen sein sollten. Beide Operative Fallanalysen enthielten massive Hinweise auf Ausländer oder Türken hassende Personen, bei denen es sich um blonde und hellhäutige Mitteleuropäer handele. Hinweise, auch in Richtung der rechtsextremistischen Szene zu ermitteln, lagen somit bereits zu diesem Zeitpunkt vor. Solche Hinweise fehlen allerdings in dem Bericht, obwohl sie sich bei den Akten befinden. Dem AG Köln sind bei Beantragung der Beschlüsse nicht die Akten, sondern nur das „Sonderheft Verdeckte Ermittlungen“ vorgelegt worden. Dieses Sonderheft bestand bei der ersten Antragstellung lediglich aus dem Bericht des PP Köln und dem Antrag der StA Köln auf Zustimmung zum Einsatz Verdeckter Ermittler, der lediglich formelle Ergänzungen enthielt. Schon bei diesem ersten Antrag waren dem AG Köln daher wesentliche Ergebnisse des Er- 2170 2171 382 Infoblatt des SG 31.5 – OFA - zur Hinweis- und Spurenbearbeitung, A12513 S. 6 ff. (VS-nfD). OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 3, 32. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 mittlungsverfahrens nicht zur Kenntnis gelangt. Dies ist auch, soweit ersichtlich, nicht auf andere Weise geschehen. Kaum noch nachvollziehbar erscheint indes der an das AG Köln gerichtete Antrag der StA Köln vom 14. November 2006, mit dem nochmals die Zustimmung zur Verlängerung des Einsatzes Verdeckter Ermittler beantragt worden ist. Dieser Antrag ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil zum einen den polizeilichen Vermerken zu entnehmen war, dass der seit Mai 2005 andauernde Einsatz der Verdeckten Ermittler nicht die geringsten Erkenntnisse erbracht hatte und insoweit schon keine Notwendigkeit mehr bestand, den Einsatz fortzusetzen. Zudem war die „Erkenntnis“, dass H. Y. nicht mehr bei seinem Bruder arbeitete, bereits durch die Vernehmungen der Familie Y. im April 2006 bekannt.2172 Der weitere Antrag der StA Köln vom 14. November 2006 ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil weitere Erkenntnisse des bisherigen Verfahrens dem AG Köln, das über einen grundrechtsrelevanten Eingriff entscheiden sollte, vorenthalten wurden. Dabei handelte es sich insbesondere um die Angaben, welche die Zeugin B. K. am 23. Mai 2006 bei der BAO Bosporus des PP Mittelfranken in Nürnberg gemacht hatte. Dort hat sie nach Vorführung des Kölner VIVA-Videos angegeben, sie sei sich ziemlich sicher, dass jeweils eine Person aus dem Video mit einem von ihr in der Nürnberger Scharrerstraße gesehenen Radfahrer identisch sei.2173 Ebenso wenig fand sich ein Hinweis auf die Angaben der Zeugin Jelica Dzinic, die zur Tatzeit des Mordes an Mehmet Kubaşık zwei junge Männer an dessen Kiosk beobachtet hat, von denen einer ein Fahrrad bei sich führte und die nach ihrer Meinung wie „Nazis“ aussahen.2174 Für die Ermittlungen zum Nagelbombenanschlag war der Einsatz der Verdeckten Ermittler im Ergebnis bedeutungslos. Soweit durch die auch von dem Zeugen Wolfgang Klonz im Ergebnis gebilligte Aufgabenverteilung in der EG / MK „Sprengstoff „zumindest auch der Sachverstand des Polizeilichen Staatsschutzes durch dort tätige Beamte zum Tragen kamen und er selbst als Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes die Ermittlungen beratend begleiten sollte, scheint dieses Konzept erfolglos gewesen zu sein. Zum einen konnten, wie oben dargestellt, von den „Diensten“ keine konkreten Erkenntnisse erlangt werden, die durch den Polizeilichen Staatsschutz an die EG / MK Sprengstoff hätten weitergegeben werden können. Zum anderen ist aufgrund der Angaben des Zeugen Wolfgang Klonz auch nicht ersichtlich, dass dieser mit den Informationen versorgt worden wäre, die gegebenenfalls aus der Sicht des Polizeilichen Staatsschutzes durchaus zu einer anderen Bewertung hätten führen können. Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass die in der EG / MK Sprengstoff tätigen Mitarbeiter des Polizeilichen Staatsschutzes als solche sonst auch keineswegs im Bereich Rechtsextremismus, sondern - lediglich - in den Bereichen Fahndung und Ausländer tätig waren. Soweit dadurch neben dem Abweichen von dem ursprünglich gewählten Begriff „Terroristische Gewaltkriminalität“ nach den Angaben des Zeugen Wolfgang Klonz es nach seiner Kenntnis auch Ermittlungsansätze in Richtung einer politisch motivierten Straftat rechts gegeben habe, seien jedenfalls Entwicklungen in den Ermittlungen weder frühzeitig begrenzt noch verhindert worden. Auch sei niemals durch seine vorgesetzten Stellen oder seitens der Politik in irgendeiner Weise Druck auf ihn ausgeübt worden, die Ermittlungen in eine bestimmte Richtung zu kanalisieren.2175 Die Bewertung des aufgefundenen Flugblattts durch das PP Köln und StA Köln im Jahr 2012 dahingehend, dass diese keine Fremdenfeindlichkeit zu entnehmen sei, zeigt deutlich, dass 2172 2173 2174 2175 Vernehmung der A. Y., A60744 S. 76. Vernehmung der B. K. vom 23. Juni 2006, A60757 S. 313 f. (VS-nfD). Vernehmungen der Jelica Dzinic am 6. April, 16. Juni und 9. Oktober 2006, A60745 S. 276, 293, 296; Dzinic, APr 16/1126 S. 59, 61. Klonz, APr 16/984 S. 132 f. 383 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 die Strafverfolgungsbehörden auch nach der Selbstentarnung des NSU weiterhin keine rechtsextremen Motive in Betracht gezogen haben. 3. Medien- und Pressearbeit der Behörden Bereits kurz nach der Explosion der Nagelbombe in der Keupstraße am 9. Juni 2004 unterrichteten das PP Köln und die StA Köln die Medien. Neben der Herausgabe von Pressemitteilungen erfolgte die Unterrichtung der Medien in nachfolgenden Pressekonferenzen: Am Nachmittag des 9. Juni 2004 gab das PP Köln eine erste kurze Pressemitteilung heraus. Danach ging die Polizei Köln nach ersten Erkenntnissen von einer Bombenexplosion in der Keupstraße in Höhe des Hauses Nummer 32 aus durch die mehrere Personen zum Teil schwer verletzt worden sind. Weiter hieß es, dass über die Hintergründe des Geschehens noch keine Erkenntnisse vorlägen, es kein Bekennerschreiben gebe und die Ermittlungsund Fahndungsmaßnahmen eingeleitet worden seien.2176 Gegen 22.15 Uhr teilte das PP Köln in einer weiteren Pressemitteilung mit, dass die bisherigen Ermittlungen keine Erkenntnisse über den Hintergrund des Geschehens erbracht hätten und man von Spezialisten des LKA NRW bei der Tatortaufnahme und der Spurensicherung unterstützt werde. Die Zahl der Verletzten habe sich nach Angaben der Feuerwehr auf insgesamt 22 erhöht, vier Personen seien schwer verletzt, ein mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingelieferter Mann sei nach Angaben der Ärzte mittlerweile außer Lebensgefahr.2177 Am nächsten Tag führten das PP Köln und die StA Köln gemeinsam eine Pressekonferenz durch. Zunächst trug der Leitende Polizeidirektor Klinger vor, dass die Ermittlungen auf eine absichtlich herbeigeführte Explosion hindeuteten. Eine Vielzahl von ca. zehn cm langen Nägeln seien über einhundert Meter durch die Luft geschleudert worden. Teilweise schwer verletzt worden seien 22 Frauen und Männer überwiegend türkischer Abstammung im Alter zwischen 17 und 68 Jahren. Im Zuge der Ermittlungen, bei denen am 9. Juni 2004 bis zu 250 Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen im Einsatz gewesen seien, habe man inzwischen zahlreiche Zeugen vernommen. Aus den Opferpersonalien ergäben sich keine Erkenntnisse über die Hintergründe der Tat, ebenso wenig lägen Erkenntnisse für eine terroristische oder fremdenfeindliche Motivation vor. Der Zeuge Josef Rainer Wolf führte aus, dass sowohl die Tatausführung als auch das Tatmittel durchaus geeignet gewesen wären, Menschen zu töten. Die StA ermittele daher wegen versuchten mehrfachen Mordes und der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Hinweise auf eine Terroristische Lage bestünden indes nicht. Insofern gestalteten sich die Ermittlungen offen, auch ein allgemeindeliktischer Hintergrund werde in Erwägung gezogen. Mangels Hinweisen auf einen terroristischen Hintergrund werde der GBA nach dem bisherigem Erkenntnisstand die Ermittlungen nicht übernehmen. Auf Fragen von Journalisten und Journalistinnen gab der Leitende Polizeidirektor Klinger an, dass durch die Bauart der Bombe nach menschlichem Verständnis davon auszugehen sei, dass der Täter mit einer Vielzahl von Toten gerechnet habe. 2178 Mit einer weiteren Pressemitteilung vom 22. Juni 2004 gaben StA Köln und PP Köln bekannt, dass im Rahmen der weiteren Auswertung der Videoaufnahmen der Überwachungskamera einer Firma auf der Schanzenstraße ein Mann aufgefallen sei, der im Zusammenhang mit 2176 2177 2178 384 1. Pressemeldung vom 9. Juni 2004, A12519 S. 7. Weitere Pressemeldung vom 9. Juni 2004, A12519 S. 7. Protokoll der Pressekonferenz vom 10. Juni 2004, A12519 S. 7 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dem Nagelbombenanschlag stehen könnte. Der Hinweis auf eine Personenbeschreibung und die der Pressemitteilung beigefügten Bilder waren mit der Bitte um Hinweise aus der Bevölkerung verbunden. Ebenso verwies die Pressemitteilung darauf, dass die StA Köln für Hinweise, die zur Ergreifung des oder der Täter führen würden, eine Belohnung in Höhe von bis zu 20.000,- Euro ausgesetzt habe. Schließlich wurde noch darauf hingewiesen, dass eine Videosequenz im Laufe des späten Nachmittags auf der Homepage der Kölner Polizei eingestellt werde.2179 Weitere Pressemitteilungen der StA Köln und des PP Köln vom 9. und 10. Juli 2004 vermeldeten die aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung erfolgte Festnahme eines 23-jährigen Mannes in Nordhessen ebenso wie dessen Entlassung bereits am darauf folgenden Tag.2180 Ebenso gaben StA Köln und PP Köln am 12. und 13. Juli 2004 zunächst die Festnahme und die am nächsten Tag erfolgte Entlassung von zwei 28 Jahre alten Deutschen türkischer Herkunft bekannt, die mit dem am 9. Juli 2004 kurzfristig festgenommenen 23-jährigen in Verbindung gestanden haben sollen. Es hätten sich „Verdachtsmomente“ ergeben, die aber nicht hätten bestätigt werden können.2181 Nachdem die Operative Fallanalyse des LKA NRW vorlag, stellten StA Köln und PP Köln das Ergebnis und die daraus resultierenden neuen Ermittlungsansätze im Rahmen eines Pressetermins am 30. Juli 2004 auf dem Marktplatz in Köln-Mülheim vor. Die Pressemitteilung enthielt Hinweise, dass das LKA NRW und die Ermittler inzwischen davon ausgingen, dass die Tat durch zwei Täter begangen worden sei, ohne dass sie einer Organisation angehörten. Dies folge aus den detaillierten Auswertungen der Aufzeichnungen einer Überwachungskamera auf der Schanzenstraße und den inzwischen rekonstruierten Tatabläufen. Weiter gehe das LKA davon aus, dass die beiden Männer in einem engen Freundschaftsoder Verwandtschaftsverhältnis zueinander stünden, sie im Alltag nicht besonders auffällig und auch nicht die „irren oder verrückten Täter“ seien. Vielleicht seien sie sogar beim Hantieren mit Spreng- oder Feuerwerkskörpern in ihrer Umgebung aufgefallen, ohne dort aber als „Schwerverbrecher“ zu gälten. Zumindest einer der Täter habe sich in der Vergangenheit oder auch noch heute mit ferngesteuerten Schiffs-, Flugzeug- oder Automodellen beschäftigt und verfüge über Kenntnisse in diesem Bereich.2182 Die Ermittler folgerten aus dem Aufbau des Sprengsatzes und der Zündvorrichtung, dass die Tat ihren Ausgang in Köln-Mülheim oder der näheren Umgebung genommen habe und mindestens einer der beiden Täter einen Bezug zu dem Stadtteil gehabt haben könnte. Möglich sei, dass ihnen dort ein Raum (Garage, Keller, Hütte oder ähnliches) zur Verfügung gestanden habe, in dem das Rad deponiert und in dem eventuell der Sprengsatz gebaut worden sei. Bezüglich der Herkunft der Täter hieß es schließlich: „der Erscheinung nach Europäer“.2183 Nicht zur Sprache kam in der Pressemitteilung, dass nach dem Ergebnis der Operativen Fallanalyse auch ein fremdenfeindliches Motiv das Handeln der Täter bestimmt haben könnte. Bereits zuvor hatte das PP Köln der Bezirksregierung Köln berichtet, dass ein solcher Aspekt nicht zur Sprache kommen solle. Darauf teilte die Bezirksregierung Köln dem IM 2179 2180 2181 2182 2183 Pressemeldung vom 22. Juni 2004, A12519 S. 9. Pressemitteilungen vom 9. und 10. Juli 2004, A12519 S 10 f. Pressemitteilungen vom 12. und 13. Juli 2004, A12519 S 11. Weitere Pressemeldungen, A12519 S. 11 f. Weitere Pressemeldungen, A12519,S. 10 ff. 385 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 NRW unter Bezugnahme auf den Bericht des PP Köln mit, dass der Aspekt einer laut den Ergebnissen der Operativen Fallanalyse möglicherweise vorliegenden fremdenfeindlichen Motivation im Rahmen des am 30. Juli 2004 anstehenden Pressetermins nicht thematisieren werden würde. Diese taktische Vorgehensweise des PP Köln sei mit dem LKA NRW abgestimmt.2184 Der Zeuge Josef Rainer Wolf hat angegeben, dass diese Verfahrensweise für ihn neu sei und er keine Erklärung für diese Vorgehensweise habe. Diese beruhe nicht auf einer Absprache mit der StA Köln, bei der im Ermittlungsverfahren die Pressehoheit liege.2185 Der Zeuge Markus Weber hat ausgeführt, dass es seines Erachtens keine Gründe dafür gegeben habe, ein mögliches fremdenfeindliches Motiv nicht öffentlich zu thematisieren. Weiter hat er angegeben: „Wer die Entscheidung getroffen hat, wer so was besprochen hat, weiß ich nicht. Ich war an der Pressekonferenz selbst auch nicht beteiligt und habe auch keine Kenntnisse, ob es da irgendwelche Absprachen gab, Dinge öffentlich zu machen oder nicht. Keine Ahnung.“2186 Der Zeuge Tobias Clauer, Vorgesetzter des Zeugen Markus Weber, hat erklärt, weder an der Entscheidung beteiligt gewesen zu sein noch irgendwelche dienstlichen Anweisungen gegeben zu haben. Auch auf den Vorhalt, dass es nach Aktenlage eine Abstimmung zwischen dem PP Köln und dem LKA gegeben haben muss, hat er erklärt, dass ihm dies nicht bekannt sei und er es weder abgestimmt habe noch in eine Besprechung involviert gewesen sei.2187 Der Ausschuss konnte weder feststellen, von wem die Entscheidung getroffen worden ist, eine mögliche femdenfeindliche Motivation nicht öffentlich zu machen, noch eine konkrete Begründung für diese Vorgehensweise ermitteln. In einer weiteren Pressemitteilung vom 8. Oktober 2004 gaben StA Köln und PP Köln bekannt, dass die Ermittlungen nach den Tätern weiter auf Hochtouren liefen und die 24- köpfige Kommission sich auf die Überprüfung aller Personen und Gebäude im Umfeld des Tatortes konzentriere. Dies gelte insbesondere für jene Männer, auf die die Beschreibung der beiden auf der Schanzenstraße videografierten Täter zutreffe.2188 Am 7. April 2005 ging nochmals eine Erklärung in Sachen Keupstraße an die Presse heraus. StA Köln und PP Köln teilten mit, dass neben der Operativen Fallanalyse des LKA NRW gleichzeitig eine weitere Operative Fallanalyse durch das BKA erstellt worden sei, deren Erkenntnisse sich im Wesentlichen mit den Aussagen der Operativen Fallanalyse des LKA decken würden. Nach Abgleich der Operativen Fallanalysen verblieben zu dem Zeitpunkt noch ca. 900 Personen im Bereich Köln-Mülheim, auf die sich die Fahnder bei ihren Überprüfungen konzentrierten.2189 2184 2185 2186 2187 2188 2189 386 Schreiben der Bezirksregierung vom 29. Juli 2004, A10021 S. 83 (VS-nfD). Wolf, APr 16/982 S. 17 f.. Weber, APr 16/983 S. 19. Clauer, APr 16/984 S. 163 f. Pressemitteilung vom 8. Oktober 2004, A12519 S. 14. Pressemeldung vom 7. April 2005, A12519 S. 14. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Tatsächlich sind die Operativen Fallanalysen nicht gleichzeitig erstellt worden. Während die Operative Fallanalyse des LKA bereits am 20. Juli 20042190 erstellt wurde, wurde die Operative Fallanalyse des BKA erst im Februar 2005 erstellt.2191 Die Operative Fallanalyse legte StA Köln und PP Köln praktisch nahe, in welche Richtung die Ermittlungen gehen sollten.2192 Unter „4. Bewertung des Täterverhaltens“ hieß es in der operativen Fallanalyse des BKA, dass die USBV vor dem Friseursalon und nicht vor einem anderen Geschäft platziert worden sei, obwohl dies möglich gewesen wäre. Wenn die Täter explizit den Friseursalon hätten treffen wollen, so hätte es die Möglichkeit gegeben, einen entsprechenden Sprengsatz im Laden mittels Funkfernzündung zu zünden.2193 Unter „5. Ableitungen zum Täterverhalten“ fanden sich zum Stichwort „Ziele und Effektivität des Täterhandelns“ folgende Hinweise: „Vor dem Hintergrund, dass im Hinblick auf diesen Anschlag keine Bekennung durch die Täter vorliegt, ist das Anschlagsziel aus den objektiven Daten des Anschlags abzuleiten. Demnach kam es den Tätern bei dem Anschlag darauf an, durch die Verwendung einer relativ großen Menge Schwarzpulver, deren Wirkung durch ca. 800 Nägel noch erhöht wurde, eine möglichst breite, Aufsehen erregende Wirkung zu erzielen. Es sollten so viele türkische Personen wie möglich dabei verletzt oder getötet werden, bzw. um welche Personen es sich dabei handelte, war den Tätern gleichgültig.“ Weiter hieß es: „Die Wirkungsweise des Tatmittels drückt eine hohe Menschenverachtung aus. Sieht man diese in direktem Zusammenhang mit der Auswahl des Anschlagsortes, der Keupstraße als herausragendes Beispiel türkischer Kultur und Lebensart, so lässt dies einen ausgeprägten Hass auf die zum Zeitpunkt der Tat im Frisörsalon und auf der Straße aufhältigen Personen vermuten.“2194 Nichts von alledem fand sich in der Presseerklärung. Dagegen wurde in der Pressemitteilung auf ein jetzt vorliegendes „Phantombild“ hingewiesen, dass aufgrund der Angaben einer Zeugin nunmehr angefertigt werden konnte. Bei der darauf abgebildeten Person handele es sich um den Mann, der das Fahrrad mit der Bombe geschoben habe.2195 Hier dürfte es sich um das mit Hilfe der G. B. am 18. März 2005 nach Versetzung in einen Trancezustand erstellte Phantombild handeln.2196 Am 11. Juni 2004 meldete die Zeugin G. B. sich beim PP Köln und wurde umgehend vernommen. Auf Befragen, ob ein Zeichner mit ihrer Hilfe ein Phantombild anfertigen könne, gab sie an, das Gesicht gesehen und auch im Kopf zu haben. Allerdings könne sie einem Zeichner das Gesicht eher nicht beschreiben. Von dem Versuch der Erstellung eines Phantombildes ist zu diesem Zeitpunkt abgesehen worden.2197 2190 2191 2192 2193 2194 2195 2196 2197 Vermerk des LKA NRW zur Präsentation der OFA, A12513 S. 12 (VS-nfD). OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 4. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 29. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 20. OFA des BKA vom 25. Februar 2005, A60739 S. 27 Pressemitteilung vom 7. April 2005, A12519 S. 14 f. Hypnoseprotokoll und Phantombild, A60744 S. 21 ff. Vernehmung der G.B. vom 11. Juni 2004, A60736 S. 138, 140 ff. 387 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 4. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 Nach der Selbstenttarnung des NSU am 4. November 2011 ergab sich aufgrund entsprechender Sequenzen im Bekennervideo2198 der Verdacht, dass der Bombenanschlag in der Probsteigasse in Köln im Jahre 2001 und der Nagelbombenanschlag in der Keupstraße im Jahre 2004 dem NSU zuzuordnen sind.2199 Daraufhin übernahm der GBA die gesamten, die Ceska-Morde, die Bombenanschläge in Köln, die Banküberfälle und sonstige Straftaten betreffenden Verfahren und beauftragte das BKA mit der Durchführung der Ermittlungen gegen Beate Zschäpe u. a. wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Zur Durchführung der Ermittlungen richtete das BKA eine kurz als BAO bezeichnete Besondere Aufbauorganisation ein, die in verschiedene Abschnitte gegliedert war. Zuständig für die in Nordrhein-Westfalen begangenen Taten war der „Zentrale Einsatzabschnitt“ in Meckenheim. Die einzelnen Ermittlungen wurden durch Teams des Unterabschnitts „Zentrale Ermittlungen“ durchgeführt.2200 Nachdem die StA Köln das Verfahren wegen des Nagelbombenanschlags bereits mit Verfügung vom 24. Juni 2008 gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt und zur Begründung u. a. ausgeführt hatte, dass „jegliche Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen“ fehlten2201, legte sie die Ermittlungsakten dem GStA in Köln zur Weiterleitung an den GBA vor. Nach der Übernahme des Verfahrens durch den GBA berichtete der GStA in Köln unter dem 4. Januar 20122202 zum Verlauf, Inhalt und Stand des Verfahrens.2203 Des Weiteren wird auf die Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit dem VIVA-Video sowie die aufgrund der Operativen Fallanalysen des LKA NRW und des BKA durchgeführte Rasterfahndung hingewiesen sowie darauf, dass nach beiden Operativen Fallanalysen als Verdächtige „zwei Einzeltäter mit einem persönlichen Motiv“ in Betracht kämen. Abschließend hieß es, dass die vorbeschriebenen Ermittlungsmaßnahmen zu keinem Ermittlungsergebnis, insbesondere nicht zur Identifizierung der Tatverdächtigen geführt hätten.2204 Der Bericht des GStA in Köln enthielt wie schon die Einstellungsverfügung der StA Köln2205 keine Hinweise auf wesentliche Ermittlungsergebnisse oder gegebenenfalls weiterführende Hinweise und erschöpfte sich im Grunde genommen lediglich in der Wiedergabe eines Vermerks des PP Köln vom 9. Juni 2004.2206 Insbesondere fehlte in dem Bericht der Hinweis von Scotland Yard vom 23. September 2004 auf die rechtsterroristisch motivierten Nagelbombenanschläge des David Copeland in London im Jahre 1999.2207 Die Angaben des Zeugen B. C. zu zwei von ihm kurz vor der Explosionin Tatortnähe beobachteten Männer2208, die Aussagen der Zeugin B. K., dass jeweils einer der Kölner Täter mit 2198 2199 2200 2201 2202 2203 2204 2205 2206 2207 2208 388 Bekennervideo und Vorgängerversionen, A65254 – A65256. Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 255, 259, 262, 269 (VSnfD). Übersicht Aufbau BAO Trio, A53370 (VS-nfD). Einstellungsverfügung der StA Köln vom 24. Juni 2008, A60737 S. 89 ff. Bericht des GStA Köln vom 4. Januar 2012, A60756 S. 16, 24 ff. (VS-nfD). Bericht des GStA Köln vom 4. Januar 2012, A60756 S. 24 ff. (VS-nfD). Bericht des GStA Köln vom 4. Januar 2012, A60756 S. 35 (VS-nfD). Einstellungsverfügung der StA Köln vom 24. Juni 2008, A60737 S. 89 ff. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 17 ff. Schreiben des BfV vom 9. Juli 2004, A13414 S. 4 (VS-nfD). Vernehmung des B. C. vom 19. April 2005, A12591 S. 99 f., 103. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 einem der Nürnberger Täter identisch2209 sowie die Ausführungen zu den Kontakten mit der Dortmunder Polizei aus Anlass der Aussage der Zeugin Jelica Dzinic fanden ebenfalls keine Erwähnung in dem Bericht. a. Hinweise auf Täterschaft des „NSU-Trios“ Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass der Nagelbombenanschlag dem NSU zugerechnet werden kann. aa. Bekennervideo Das durch den NSU erstellte Bekennervideo thematisiert den Anschlag in der Keupstraße. Das BKA bewertet dies als direktes Bekenntnis des NSU zu der Tat. Von Minute 09.50 bis Minute 13.04 sind verschiedene Sequenzen zu dem Nagelbombenanschlag zu sehen. Unter anderem werden Berichte aus verschiedenen Nachrichtensendungen zu dem Anschlag gezeigt und Auszüge aus der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY ungelöst“. Darunter sind auch Bilder des Polizeieinsatzes unmittelbar nach dem Anschlag und Bilder der Opfer. Außerdem enthält das Video Ausschnitte aus den von den Überwachungskameras von VIVA gemachten Aufnahmen, die die mutmaßlichen Täter mit den Fahrrädern zeigen.2210 bb. Zeitungsartikel Weiter wurden im Brandschutt der letzten Wohnung des NSU-Trios in der Frühlingsstraße in Zwickau u. a. 68 Zeitungsartikel sichergestellt. Von diesen thematisieren 20 den Nagelbombenanschlag in er Keupstraße. Auf einem dieser Artikel, der am 11. Juni 2004 erschien, konnten daktyloskopische Spuren von Beate Zschäpe festgestellt werden. Auf einem weiteren Artikel konnte ein DNA-Teilmuster festgestellt werden, bei dem Beate Zschäpe nicht als Spurenverursacherin auszuschließen ist.2211 Sämtliche Artikel stammen aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und dem Kölner „Express“. 19 der Artikel erschienen im Zeitraum vom 10. Juni 2004 bis 10. Juli 2004. Ein Artikel stammt vom 8. April 2005. In diesem Artikel wurde erstmalig ein Phantombild des mutmaßlichen Täters veröffentlicht. Ermittlungen ergaben, dass die beiden Zeitungen in der Bahnhofsbuchhandlung in Zwickau erhältlich waren.2212 Ein Zeuge, der in dieser Buchhandlung gearbeitet hatte, gab an, dass er sich zu 80 Prozent sicher sei, dass Beate Zschäpe dort in den Jahren 2003 und 2004 Zeitungen und Zeitschriften gekauft habe. Sie habe sich auch begeistert darüber gezeigt, dass dort mehrere dem rechten Spektrum zuzurechnenden Zeitschriften erhältlich waren.2213 Zur Herkunft der Zeitungen vermerkte die Zeugin Jeanette Pflug: „Die Herkunft der Zeitungsartikel lässt sich nicht abschließend klären, jedoch bestand— wie aufgezeigt zumindest die Möglichkeit, dass sich Uwe BÖHNHARDT, Uwe MUNDLOS die Zeitungen entweder noch in den Tatortstädten (z.B. Hamburg) oder aber in ihren Heimatstädten (z.B. Bahnhofsbuchhandlung in Zwickau) besorgt haben. Wie auch bei den TV-Mitschnitten kann andererseits jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeitungen durch andere Personen/ Unterstützer beschafft wurden.“2214 cc. Mitschnitte aus Fernsehsendungen Außerdem wurde eine DVD sichergestellt, welche Zusammenschnitte von Nachrichtensendungen des WDR und von n-tv enthält, in denen über den Anschlag berichtet wurde. Diese 2209 2210 2211 2212 2213 2214 Vernehmung der B. K. vom 23. Mai 2006, A60757 S. 313 ff. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 26. Dezember 2011, A62155 S. 95 ff. Vermerk des BKA vom 13. Juni 2012, A62155 S. 129 ff. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 359. Vermerk des BKA vom 31. Mai 2012, A60753 S. 178. Vermerk des BKA vom 18. Mai 2016, A65292 S. 16. 389 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wurde mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit von Uwe Böhnhardt mit „Köln“ beschriftet.2215 Das BKA ist der Frage nachgegangen, wer diese Mitschnitte wo aufgezeichnet hat, nachdem Beate Zschäpe vor dem OLG München durch ihren Anwalt erklären ließ, dass sie erst nach der Rückkehr von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von dem Anschlag erfahren habe. Einige dieser Sendungen wurden noch am Tattag gegen 18:00 Uhr, also nur zwei Stunden nach dem Anschlag, ausgestrahlt. Zu diesem Zeitpunkt können Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt noch nicht wieder in Zwickau gewesen sein und die entsprechenden Sendungen aufgezeichnet haben. Das BKA geht davon aus, dass nur ein Aufnahmegerät verwendet wurde. Da am Tattag Beiträge von verschiedenen Sendern aufgenommen wurden, komme auch eine Programmierung des Aufnahmegerätes nicht in Betracht.2216 Die Zeugin Jeanette Pflug hat zu der Frage, wo diese Sendungen aufgezeichnet wurden, angegeben: „Natürlich kann auch in NRW das ausgestrahlt worden sein, aber da haben wir erst mal keine Hinweise drauf, weswegen es für uns nach wie vor wahrscheinlich ist, dass es dann in Zwickau aufgenommen wurde, von – ja, Beate Zschäpe.“2217 Eine Mediathek des WDR habe es damals noch nicht gegeben, so dass die Aufzeichnungen auch nicht von dort stammen könnten. Auf die Frage, ob es damals möglich gewesen sei, sich Sendungsmitschnitte vom WDR zuschicken zu lassen, hat die Zeugin Jeanette Pflug geantwortet: „Ja, da habe ich auch angefragt. Da habe ich sogar drei Mal schon angefragt, aber da antwortet der WDR mir nicht. Es wäre aber auch sehr unwahrscheinlich, weil es wären ja mehrere Sendungen. Also, die hätten ja alle anfordern müssen, und die hätten ja auch vorher nicht wissen können, in welchen Sendungen das ausgestrahlt wurde.“2218 In einem Vermerk dazu merkte die Zeugin Jeanette Pflug außerdem noch zutreffend anmerkt, dass die Täter wohl kaum Sendungsmitschnitte anforderten, da sie damit rechnen mussten, dadurch in den Fokus der Ermittlungen zu geraten.2219 Das BKA ist der Frage nachgegangen, ob die Beiträge des WDR in der damaligen Wohnung des Trios in der Polenzstraße in Zwickau überhaupt empfangen werden konnten. Die Ermittlungen dazu brachten keine eindeutige Antwort. Es konnte weder sicher ausgeschlossen, noch eindeutig festgestellt werden, dass das Regionalprogramm aus Köln dort empfangen werden konnte.2220 Somit ist weiter unklar, wer diese Sendungen wo aufgezeichnet hat. dd. Aufnahmen der Überwachungskameras bei VIVA Im Brandschutt der Frühlingsstraße 26 in Zwickau, dem letzten Wohnort von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, wurde auch eine Festplatte sichergestellt, die u. a. zahlreiche Videodateien enthält, die verschiedene Bearbeitungsstände des Videos und zudem auch zwei Vorgängerversionen des Bekennervideos beinhalten. Darunter befinden sich auch die Videosequenzen der VIVA-Kameras, die zu Fahndungszwecken veröffentlicht wurden. 2215 2216 2217 2218 2219 2220 390 Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 359 f. Vermerk des BKA vom 8. März 2016, A65289 S. 1 ff. Pflug, APr 16/1422 S. 31. Pflug, APr 16/1422 S. 31 Vermerk des BKA vom 8. März 2016, A65289 S. 6. Vermerk des BKA vom 8. März 2016, A65289 S. 12. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Diese Dateien sind mit „gerriaufkamera.avi“, „maxaufkamera.avi“ und „maxaufkameravonhinten.avi" bezeichnet.2221 Zu der erstgenannten Datei vermerkte das BKA: „Uwe BÖHNHARDT nutzte u.a. den Aliasnamen Holger GERLACH sowie den Spitznamen „Gerri“'. Auf dem Überwachungsvideo schiebt mutmaßlich BÖHNHARDT zwei Fahrräder, bei denen es sich um die Fluchtmittel handeln dürfte.“2222 Zu der Datei „max aufkamera.avi“ heißt es in dem Vermerk: „Uwe MUNDLOS nutzte u.a. die Aliaspersonalie Max BURKHARDT. Hier ist vermutlich MUNDLOS von vorne zu sehen, der sich mit dem mutmaßlichen Tatmittel in Richtung Tatort bewegt. Bei dem Tatmittel handelt es sich um ein Fahrrad mit einem auf dem Gepäckträger fixierten Top-Case, in dem sich die Nagelbombe befand.“2223 Und zu der dritten Datei schrieb das BKA, dass darauf vermutlich Uwe Mundlos von hinten zu sehen sei, wie er das Fahrrad mit dem Top Case in Richtung Tatort schiebe. Für das BKA ist dadurch erkennbar, dass tatsächlich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos auf den Bildern der Überwachungskameras zu sehen sind.2224 Weiter vermerkte das BKA zu diesen Aufnahmen: „Wegen der unzureichenden Bildqualität und der Verdeckung des Gesichtsbereichs durch Mützen und Brillen war ein Lichtbildvergleich nicht möglich, die Eltern BÖHNHARDT konnten ihren Sohn auf der Aufnahme nicht erkennen. Frau MUNDLOS erkannte ihren Sohn ebenfalls nicht, erklärte aber, dass es sich bei der anderen Person um BÖHNHARDT handeln könnte.“ Ein Abgleich von in der Frühlingsstraße sichergestellten Fahrrädern mit den auf den Aufnahmen zu sehenden Mountainbikes ergab, dass es sich dabei um die zur Flucht verwendeten Fahrrädern handeln könnte.2225 Außerdem wurden auf dieser Festplatten Dateien gefunden, welche bearbeitete Sequenzen aus der Serie Paulchen Panther enthalten, die ebenfalls den Nagelbombenanschlag in der Keupstraße thematisieren. In einem dieser Clips ist Paulchen Panther beim Kauf eines Fahrrades mit Top Case zu sehen, in einem weiteren wird die Überlegung dargestellt, bei dem Anschlag Brandbeschleuniger oder eine Nagelbombe als Tatmittel einzusetzen. Beide Sequenzen sind nicht in der Endfassung des Bekennervideos enthalten.2226 ee. Ausspähnotizen Ebenfalls sichergestellt wurde im Brandschutt der Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau ein ADAC-Stadtplan für Köln und Umgebung, der aus einer Auflage aus dem Jahr 2003 stammt. Dieser enthält keine handschriftlichen Markierungen oder Notizen. Nach Einschätzung des BKA könnte dieser Stadtplan für die Tatvorbereitung genutzt worden sein.2227 2221 2222 2223 2224 2225 2226 2227 Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 356 ff. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 357. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 357. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 358 f. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 358 f. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 359. Vermerk des BKA vom 25. Juni 2012, A62156 S. 460 f. 391 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Außerdem wurde im Brandschutt ein Ausdruck eines Stadtplanausschnitts von Dortmund aufgefunden, auf welchem handschriftlich vermerkt wurde: „Wohngebiet wie Mühlheim Köln“. Diese Notiz stammt mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit von Uwe Mundlos.2228 Auf einem weiteren Stadtplanausschnitt von Nürnberg wurde notiert: „Kaffee wie in Köln, Straße wirkt auch etwa so.“ Auf einer aufgefundenen CD sind selbst erstellte Datenbanken gespeichert, darunter auch insgesamt neun Adressen aus der Keupstraße.2229 ff. Fahrzeuganmietung Für den Zeitraum vom 6. Juni 2004 19:00 Uhr bis zum 10. Juni 2004 18:30 Uhr wurde unter dem Namen Holger Gerlach ein schwarzer VW Touran mit dem Kennzeichen Z-EH 70 angemietet. In dieser Zeit wurden mit dem Fahrzeug 2000 km gefahren. Die Strecke von Zwickau nach Köln und zurück ist insgesamt etwa 1000 km lang. Das Fahrzeug wurde bei einer von Autovermietung Zwickau, deren Inhaber ein Ehepaar war, angemietet. Bei einer Wahllichtbildvorlage gab die Inhaberin zu einem Bild von Uwe Böhnhardt an, dass ihr dieser unter dem Namen Holger Gerlach bekannt sei. Auch der Inhaber der Autovermietung erkannte zwischen diesem Bild und der ihm unter dem Namen Holger Gerlach bekannten Person eine gewisse Ähnlichkeit.2230 Das BKA geht davon aus, dass dieses Fahrzeug von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt dazu genutzt wurde das Tatfahrrad mit dem Sprengsatz und die beiden Fluchtfahrräder nach Köln zu transportieren. Möglich sei, dass die beiden in diesem Fahrzeug auch übernachteten, wahrscheinlicher sei jedoch, dass sie eine andere tatortnahe Übernachtungsmöglichkeit nutzten.2231 gg. Flugblatt Nach der Selbstenttarnung des NSU im Jahre 2011 hat das BKA unter dem 15. Februar 2012 ein Gutachten zu der Frage erstattet, ob der Urheber des in einer Kölner Straßenbahn aufgefundenen Flugblattes identisch ist mit dem Urheber des sogenannten NSU-Briefes.2232 Die Begutachtung auf rhetorischer, semantischer und sonstiger Grundlage gelangte zu keinem gesicherten Ergebnis.2233 Der Zeuge Markus Weber hat angegeben, dass das Flugblatt im Rahmen seiner Tätigkeit für die BAO Trio keine Rolle gespielt habe. Er könne auch nicht sagen, ob der auf dem Flugblatt aufgefundene Fingerabdruck mit Fingerabdrücken von Neonazis in Köln abgeglichen worden sei.2234 hh. Erneute Vernehmung des B. C. Der Zeuge B. C., der bereits 2005 vernommen wurde und dabei angegeben hatte, zwei Personen unmittelbar vor der Tat beobachtet zu haben, wurde am 16. März 2015 erneut durch das BKA vernommen. Dabei bestätigte er im Wesentlichen seine Angaben, die er bereits 2005 gemacht hatte. Außerdem wurde ihm eine Lichtbildvorzeigedatei mit insgesamt 19 Bildern vorgelegt. Zu lediglich zwei der abgebildeten Personen äußerte er sich. So gab er zu der Person auf Bild Nr. 1 an, dass er diese Person nicht eindeutig identifizieren könne, er aber zu dem Typen in der Bomberjacke, den er beschrieben habe, passen würde. Gänzlich 2228 2229 2230 2231 2232 2233 2234 392 Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 280 ff. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 360 f. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 362. Vermerk des BKA vom 21. Dezember 2011, A60756 S. 428 f. Sonderheft Flugblatt, A62167 S. 198 ff. Gutachten des BKA vom 15. Februar 2012, A60757 S. 105 ff. (VS-nfD). Weber, APr 16/983 S. 17, 35. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gegen dieses Bild würden aber die dicken Augenbrauen sprechen. Die habe die von ihm gesehene Person nicht gehabt. Außerdem sei sie etwas kompakter gewesen. Zu der Person auf Bild Nr. 16 gab er an: „Der schlaksige Typ damals könnte heute in etwa so aussehen, wie die Person auf diesem Bild. Da hätte er mächtig Kilo zugelegt. Aber die Kontur sieht ihm sehr ähnlich.“2235 Bild Nr. 1 zeigt Uwe Mundlos, Bild Nr. 16 Ralf Wohlleben, der in dem Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München angeklagt ist.2236 In der Anklageschrift des GBA in diesem Verfahren wird vermutet, dass der Täter, der die Nagelbombe zündete, in dem Durchgang zur Keupstraße stand, durch den auch B. C. ging, kurz nachdem er die beiden Personen gesehen hatte.2237 ii. Erneute Vernehmung G. B. Am 19. März 2012 wurde die Zeugin G. B. durch das BKA vernommen. Dabei gab sie an, dass sie Ende 2011 den Mann, der ihr vor dem Anschlag entgegengekommen sei, im Fernsehen gesehen habe. Dabei sei ihr komisch geworden und sie habe eine Gänsehaut bekommen. Ihr wurden zwei Wahllichtbildvorlagen vorgelegt, die jeweils acht Bilder enthielten, darunter sieben Dummys und ein Bild von Uwe Mundlos bzw. Uwe Böhnhardt. Dabei erkannte sie niemanden. Anschließend wurden ihr je zwei Bilder dieser beiden Personen vorgelegt, verbunden mit dem Hinweis, dass es sich um Uwe Mundlos bzw. Uwe Böhnhardt handele. Darauf erkannte sie in einem Bild von Uwe Böhnhardt die Person wieder, die das Fahrrad geschoben habe.2238 Das BKA hingegen geht davon aus, dass Uwe Mundlos das Fahrrad mit dem Sprengsatz geschoben habe.2239 jj. Sprengstoffexplosionen in Suhl / Thüringen Bereits im Juli 2004 wies die KPI Suhl das PP Köln darauf hin, dass es auf dem Gelände der ehemaligen Grenztruppenkompanie in Oberweid von Januar bis Mitte Februar 2004 eine Serie von drei Sprengstoffexplosionen gegeben hatte.2240 Dabei wurden eine Sauerstofflasche, eine CO 2-Flasche und eine Aluminiumflasche jeweils mit Schwarzpulver gefüllt und mittels einer großen Wunderkerze gezündet. Aus Thüringen wurde dem Zeugen Markus Weber mitgeteilt, dass über die Motivlage völlig Unklarheit herrsche, die Gesamtumstände jedoch den Schluss zuließen, dass es sich um Testsprengungen gehandelt habe. Konkrete Hinweise auf den Täter lägen nicht vor. Bezüge nach Köln oder ins Rheinland seien bislang nicht bekannt geworden.Nach der dritten Sprengung wurde auf dem Gelände eine Kamera angebracht, die Aufnahmen von einer männlichen Person machte. Ob es sich dabei um die für die Sprengungen verantwortliche Person handelte, ist nicht bekannt.2241 Diese Spur wurde 2004 ohne weitere Ermittlungen mit folgender Begründung geschlossen: 2235 2236 2237 2238 2239 2240 2241 Vernehmung des B.C. vom 16. März 2015, A65293 S. 36 ff. Anlage zur Lichtbildvorzeigedatei, A13144 S. 374 (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S.266; Vernehmung des B. C. vom 19. April 2005, A12591 S. 98 ff. Vernehmung der G.B. vom 19. März 2012, A60757 S. 249 ff. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 356. Telefax der KPI Suhl an PP Köln vom 14. Juli 2004, A12552 S. 218 ff. Vermerk des PP Köln vom 29. Juli 2004, A12552 S. 221 393 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Bei den Tatmitteln ergeben sich keine größeren Übereinstimmungen zum Anschlag in der Keupstr., die abgebildete Person hat keine Ähnlichkeit mit den Videoaufnahmen der Täter im hiesigen Fall.“2242 Nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 war bekannt, dass die mutmaßlichen Täter des Nagelbombenanschlags in Köln aus Thüringen stammten. Aus den vorliegenden Akten geht jedoch nicht hervor, dass dieser Spur erneut nachgegangen wurde. Der Zeuge Michael Schweikert hat auf die Frage, inwieweit er sich mit diesen Sprengungen beschäftigt habe, angegeben: „Ich erinnere mich an diesen Vorgang „Testsprengung“, ja. Aber ich weiß nicht mehr konkret, was da in diese Richtung ermittelt worden ist.“2243 kk. Handflächenabdruck am Tatfahrrad Auf der Vordergabel des Tatfahrrades wurde ein Abdruck gesichert, bei dem es sich möglicherweise um das Fragment einer Handflächenspur handelt. Diese wurde mit den Spuren von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Holger Gerlach abgeglichen. Dabei wurde keine Übereinstimmung festgestellt.2244 b. Hinweise auf weitere Täter oder Unterstützer Im Fall des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße sind nach der Selbstenttarnung des NSU umfangreiche Ermittlungen nach etwaigen Helfern oder sonstigen Unterstützern in NRW geführt worden. Nachdem sich aus dem Bekennervideo ein Zusammenhang des Nagelbombenanschlags mit der Ceska-Mordserie ergeben hatte, wurde das LKA NRW durch das MIK NRW beauftragt, landeszentral die Ermittlungen zu führen. In Umsetzung dieses Auftrags wurde der Zeuge Dieter Kretzer, Leiter der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz beim LKA NRW, zum Leiter der Kommission und gleichzeitig in einer Art Doppelfunktionalität zum regionalen Leiter des Abschnittes NRW der BAO des des BKA berufen. Der reine Kernbereich der Kommission beim LKA NRW umfasste, um die 50 bis 60 Personen, von denen Ermittlungs- und Prüfaufträge an alle Kreispolizeibehörden weitergegeben wurden.2245 Der Zeuge Dieter Kretzer hat hierzu ausgeführt: „Ja, wir haben sehr zeitnah schon einen Prüf- und Kriterienkatalog entwickelt. Dazu haben wir alle Namen, Zahlen, Daten, Fakten, die wir bis dahin wussten, schematisch zusammengeführt und haben diese Prüf- und Kriterienkataloge allen Kreispolizeibehörden zugänglich gemacht, um auf der Basis prüfen zu lassen, ob in den Behörden dazu Erkenntnisse vorhanden sind. Insofern hatten wir damit dann die Hoffnung, wenn Bezüge hätten vorhanden sein können, dass wir sie darüber abbilden können.“2246 Hierzu hat der Zeuge Dieter Kretzer weiter ausgeführt, dass zum Beispiel die Namen Gerlach und Eminger als Spuren aufgetaucht, diese indes nicht weiterführend gewesen seien. Es habe sich lediglich um Namensdopplungen gehandelt, weder hätten soziale noch verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Seitens der Kreispolizeibehörden sei die Bereitschaft, die Ermittlungen zu unterstützen, sehr ausgeprägt gewesen. Alte Aktenbestände seien teilweise mit Hilfe von Pensionären überprüft worden. Mit überprüft worden seien im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang u. a die Polizistenmorde in Waltrop, der Mord 2242 2243 2244 2245 2246 394 Schlussvermerk des PP Köln vom 9. August 2004, A12552 S. 223. Schweikert, APr 16/1088 S. 90. Vermerk des BKA vom 25. September 2012, A60760 S. 103, 126. Kretzer, APr 16/952 S. 53. Kretzer, APr 16/952 S. 53. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 an einem 60-Jährigen, der an einer DITIP-Moschee in Rheda-Wiedenbrück durch einen Kopfschuss getötet worden sei, ferner Tötungsdelikte u. a. in Bielefeld, Kleve und Duisburg.2247 Ebenso habe man überprüft, ob der „Thüringer Heimatschutz“ Beziehungen in NordrheinWestfalen unterhalte. Hierzu hat der Zeuge Dieter Kretzer ausgeführt: „Wir haben keine Hinweise gefunden, die das belegen könnten, dass es die Kontakte gegeben hätte. Es gab in Dortmund Hinweise. Es gab einen Hinweis auf eine Veranstaltung im Kreis Bergheim. Da wurde dargestellt, dass bei einer Veranstaltung in geschlossenen Räumen angeblich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe dabei gewesen seien. Es sei dann auch der Axel Reitz von der ‚Kameradschaft Spangenberg‘ dabei gewesen. Das hat sich nicht verifizieren lassen.“ Und weiter „Wir haben in Dortmund diese Hinweise gehabt, konnten aber auch die nicht verifizieren. Wir haben eine Spur gehabt, die ging nach Münster. Da sollten die angeblich bei einer Veranstaltung der NPD Münster gewesen sein. Und es ging dann um eine Veranstaltung, wo die Münsteraner Neonazis angeblich in Georgsmarienhütte gewesen seien und dort mit dem ‚Thüringer Heimatschutz‘ zusammengekommen. All das hat sich aber im Rahmen der Ermittlungen nicht so belastbar verifizieren lassen, dass man sagen könnte, es hat Kontakte gegeben. Ich will sie aber auch nicht ausschließen. Kann ich nicht.“2248 Der Zeuge Dieter Kretzer hat betont, dass man zu diesem Zeitpunkt auch bestimmte Gruppen wie die „Kameradschaft Aachener Land“, die „Kameradschaft Walter Spangenberg“ und auch die Dortmunder Szene im Blick gehabt habe. Ausdrücklich hat er auf Folgendes hingewiesen: „Es hat letzten Endes mehr Relevanz entfaltet hinsichtlich der Aufarbeitung der sogenannten 10.000er-Liste, wo wir dann sehr dezidiert geprüft haben: Gab es Gefahren für die Personen und Institutionen, die auf der Liste gestanden haben? Wir haben Gefährdetenansprachen vorgenommen. Wir haben geschaut: Hat es denn potenziell auch da schon Angriffe gegeben? Sind die Leute aus dieser Auflistung heraus gefährdet und Ähnliches? Haben dann auch ganze Personengruppen, soweit die sich darstellen ließen, zu uns zum LKA eingeladen, haben mit denen entsprechende Informationen ausgetauscht und auch Verhaltensempfehlungen gegeben, wie die sich verhalten sollen.“2249 Etwa Mitte Dezember 2011 sei der regionale Abschnitt NRW aufgelöst worden. Nahezu alle ausstehenden Ermittlungen, die im Kontext mit dem NSU standen, seien in der Folge vom BKA selbst durchgeführt worden. Allerdings seien Prüffälle nach wie vor in NRW bearbeitet worden und auch die Zentralstellenfunktion und die Funktion über die Kommission „Staatsschutz“, die das LKA NRW zu der Zeit hatte, seien bestehen geblieben.2250 Insoweit hat der Zeuge Dieter Kretzer ergänzend darauf hingewiesen: „Wir haben unseren Landesverfassungsschutz mit einbezogen, und unser Landesamt für Verfassungsschutz ist ja im Verfassungsschutzverbund verbunden auch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Das heißt, wir haben dort nachgefragt, und auch da war 2247 2248 2249 2250 Kretzer, APr 16/952 S. 54 f. Kretzer, APr 16/952 S. 63. Kretzer, APr 16/952 S. 60. Kretzer, APr 16/952 S. 61. 395 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 die Auskunft, der Informationsstand, dass über Aktivitäten und Kontakte des Trios nach NRW keine Erkenntnisse vorlägen. Wir haben die mit einbezogen.“2251 Abschließend hat er ausgeführt: „Darüber hinaus gibt es eine Aufteilung im Polizeilichen Staatsschutz, die phänomenorientiert und fachlich ausgerichtet ist. Wir haben eine phänomenorientierte Gliederung. Die Sachreferate bearbeiten Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus und Ähnliche. Darin haben wir Fachleute, die natürlich nicht nur konkret im Einzelfall ermitteln, sondern sich alle personenbezogenen Kenntnisse beiziehen, auch zum Beispiel Internetveröffentlichungen und Ähnliches, eine Szenekenntnis in ihrem Zuständigkeitsbereich entwickeln und auch Veranstaltungen, die öffentlich sind, besuchen. Sie haben also einen relativ guten Überblick: Wie ist denn die Szene zusammengesetzt? Und wenn da Fremde gekommen wären, hätten die das wahrscheinlich gewusst. Wenn sie es nicht gewusst haben, mag das so konspirativ gewesen sein, dass sie es nicht gewusst haben.“2252 Anzumerken bleibt, dass dem Zeugen Dieter Kretzer als Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes beim LKA NRW zum Beispiel die „Turner-Diaries“ grundsätzlich und fallbezogen die Hinweise von Scotland Yard und dem BfV auf die Nagelbombenanschläge des David Copeland in London nicht bekannt waren.2253 5. Umgang mit den Opfern a. Erste Maßnahmen nach Bekanntwerden der Tat aa. Feststellungen Bereits kurz nach der Explosion trafen die Polizeibeamtem PK Peter Baumeister und POM Stephan Voß in der Keupstraße ein. Wenige Zeit nach der Explosion waren Rettungsfahrzeuge vor Ort, Verletzte wurden notärztlich oder durch Polizeibeamte erstversorgt und anschließend, soweit erforderlich, in Krankenhäuser eingeliefert.2254 Unter anderen leisteten zwei gegen 16.05 Uhr auf der Keupstraße eingetroffenen Polizeimeisterinnen erste Hilfe bei den durch die Explosion verletzten Personen.2255 Weitere Verletzte wurden vor Ort in einem Sanitätsbus versorgt.2256 Eine der Polizeimeisterinnen vermerkte zu ihrem Einsatz gegen 16.00 Uhr bei Eintreffen an der Keupstraße: „An der Einsatzörtlichkeit, vermehrt an dem Teilstück der Keupstraße bei HsNr. 31/32 bis hin zur Ecke Schanzenstr. befand sich eine Ansammlung von vielen Menschen. Mittendrin auf der Straße befand sich ein Sanitätsfzg. Viele der Menschen vor Ort liefen den Beamten panisch entgegen. Viele bluteten an diversen Schnittwunden verteilt am ganzen Körper. Die Beamten wurden durch einige Bürger informiert, dass etwas im Friseursalon (Keupstr. 31) explodiert sei und dass es einige Schwerverletzte gebe. Daraufhin wurde durch den 25/11 über den 15/01 weitere Rettungsfahrzeuge bestellt.“ 2257 2251 2252 2253 2254 2255 2256 2257 396 Kretzer, APr 16/952 S. 67. Kretzer, APr 16/952 S. 91. Kretzer, APr 16/952 S. 80, 86. Vermerke des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 14 f., 30 ff., 41, Vernehmungen Ö., T. und M. T. und M.K., A60735 S. 62, 81 und 341 (beispielhaft). Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 37. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 30 f. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 41. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Personen, die sich noch in der Keupstraße aufhielten, nur leicht verletzt und vernehmungsfähig waren und als Zeugen in Betracht kamen, wurden in einer vom PP Köln eingerichteten „Zeugensammelstelle“ zu ihren gegebenenfalls gemachten Beobachtungen befragt.2258 Darunter befanden sich im Verlauf des Tages auch Personen, die sich nach ambulanter Versorgung im Krankenhaus wieder zur Keupstraße begeben hatten.2259 Ebenso wurden Personen in einem Sanitätsbus versorgt, die zwar nicht verletzt worden waren, aber bei der Befragung durch die Polizei aufgrund der Schockwirkung der Nagelbombenexplosion Schwächeanfälle erlitten. Auch diese Personen wurden in umliegende Krankenhäuser verbracht.2260 Der Zeuge Arif Sagdic gab an, sich zum Zeitpunkt der Explosion im Ladengeschäft seines Bruders auf der Keupstraße aufgehalten zu haben. Um sie habe sich zunächst niemand gekümmert. Erst drei Tage später seien zwei oder drei Polizeibeamte in Zivil erschienen. Die Polizeibeamten hätten sich nicht nach seinem Gesundheitszustand erkundigt, sondern mit eiskalten Blicken immer das Gleiche gefragt, unter anderem, ob er wisse, wer das gewesen sei, und dann immer wieder: Es könnte ja die PKK sein, es könnte irgendeine religiöse Organisation sein. Auch sei der Verdacht geäußert worden, die Explosion könne im Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen oder der Mafia stehen. Er habe Angst vor den Polizeibeamten gehabt diesen gegenüber aber geäußert, dass nach seiner Ansicht Neonazis für den Nagelbombenanschlag verantwortlich seien. Daraufhin habe einer der Beamten den Zeigefinger zum Mund geführt und gesagt: „Das darfst du nicht mehr sagen“.2261 bb. Kritische Würdigung Die nach der Alarmierung im ersten Zugriff durch Polizei und Feuerwehr durchgeführten Maßnahmen sind nicht zu beanstanden. Maßnahmen der ersten Hilfe sind unmittelbar nach Bekanntwerden des Nagelbombenanschlags durch kurz nach der Explosion vor Ort eingetroffene Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen durchgeführt worden, wobei gleichzeitig nach Bekanntwerden des Ausmaßes des Schadens auch weitere Hilfskräfte wie Feuerwehr und Ärzte sowie Ärztinnen angefordert worden sind. Soweit der Zeuge Arif Sagdic angegeben hat, dass Polizei und Feuerwehr absichtlich erst etwa ca. 25 Minuten nach der Explosion eingetroffen wären, weil auf Keupstraße viele Ausländer leben2262, findet diese Vermutung nach den Feststellungen des Ausschusses keine Bestätigung. Neben den Angaben in den Einsatzberichten der als erste in der Keupstraße eingetroffenen Beamten und Beamtinnen, wonach wenige Minuten nach der Explosion Rettungsfahrzeuge vor Ort waren2263, gab der Zeuge Abdulla Özkan an, dass Polizei und Feuerwehr nach fünf bis zehn Minuten vor Ort gewesen seien.2264 Der schwerverletzte Me. K. hat den Zeitraum von der Explosion bis zum Eintreffen des Notarztes mit nur zwei Minuten angegeben2265, wobei diese Zeitangabe zu kurz sein dürfte. b. Umgang mit den Opfern im Zusammenhang mit den ersten Ermittlungen Personen, die sich zum Zeitpunkt der Explosion in dem Friseursalon des Ö. Y. aufhielten, wurden aufgrund ihrer teilweise schweren Verletzungen in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert. Gleichwohl wurden sie, soweit möglich, noch am Tattage oder am darauf folgenden Tag angehört oder förmlich als Zeugen vernommen. 2258 2259 2260 2261 2262 2263 2264 2265 Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 19. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 33. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A 60735 S. 30 f. Sagdic, APr 16/1026 S 10 f., 15. Sagdic, APr 16/1026 S. 7. Vermerke des PP Köln vom 09. Juni 2004, A60735 S. 15, 37, 41. Vernehmung des Abdulla Özkan vom 9. Juni 2004, A60735 S. 61. Vernehmung des Me. K. vom 14 Juni 2004, A60735 S. 341. 397 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aa. Abdulla Özkan Der Zeuge Abdulla Özkan hat angegeben, er habe sich zum Zeitpunkt der Explosion der Nagelbombe im Friseursalon des Ö. Y. aufgehalten und stark blutende Platz- und Schnittwunden im Hals- und Kopfbereich erlitten. Die Feuerwehr sei nach etwa fünf bis fünfzehn Minuten eingetroffen und er sei zunächst von Rettungssanitätern behandelt worden. Nach einiger Zeit in einem Feuerwehrwagen seien er und weitere Personen zum Krankenhaus gebracht worden, wo die Wunden gereinigt und genäht worden seien. Anschließend sei er von Freunden gegen 18:15 Uhr zurück zur Keupstraße gebracht worden, weil die Polizei nach ihm gesucht habe. Er habe dann auf seine Verletzungen und darauf, dass es ihm nicht gut ginge, hingewiesen und es abgelehnt, in einem Restaurant durch die Polizei vernommen zu werden. Daraufhin sei er im PP Köln durch einen Beamten des Polizeilichen Staatsschutzes vernommen worden. Mit Wartezeit hätte es wohl ein bis zwei Stunden gedauert. Gegen 22:00 Uhr sei er gebeten worden, seine Kleidungsstücke abzugeben, da diese als Spurenträger in Betracht kämen. Ebenso sei er veranlasst worden, eine Speichelprobe abzugeben. Erst nach Mitternacht sei er entlassen worden und seine Frau habe ihn abholen können. Weil aber dann noch weitere Polizeibeamte bei dem At. Ö. erschienen seien und nach ihm gefragt haben, habe er sich dorthin begeben und mitgeteilt, dass er bereits durch die Polizei vernommen worden sei. Schließlich habe er sich danach immer schlechter gefühlt und sich zur weiteren Behandlung zum Marienkrankenhaus begeben.2266 Zum Verhalten der Beamten des PP Köln hat der Zeuge Abdulla Özkan angegeben, er wie auch andere seien wie Täter behandelt worden und nicht wie Opfer: „Was die Polizei uns da im Präsidium ausgequetscht hat: Anstatt uns zu helfen und zu fragen, ob wir was brauchen oder sonst was, hat man uns erst mal verhört wie so einen Täter – sage ich mal.“2267 Überall seien sie sieben Jahre lang als Täter behandelt worden, erst nach der Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 habe er Hilfestellung erfahren.2268 Der Zeuge Abdulla Özkan hat zu den Verletzungsfolgen ausgeführt, das durch die Explosion verursachte Knalltrauma habe einen Tinnitus ausgelöst, mit dem er heute noch zu kämpfen habe. Nach der Explosion habe er etwa neun Monate nicht arbeiten können, durch den Landschaftsverband Rheinland habe er nach dem Opferentschädigungsgesetz erst nach der Selbstenttarnung des NSU rückwirkend monatliche Zahlungen von zunächst 169,- Euro, später herabgestuft auf 123,- Euro erhalten.2269 bb. Sandro D`Alauro Am Tag der Tat suchte der Zeuge Sandro D`Alauro gemeinsam mit seinem Freund Me. K. den Imbiss „Doy Doy“ auf der Keupstraße auf, um dort etwas zu essen zu kaufen. Als sie sich auf dem Weg zum Auto auf Höhe des Friseursalons befanden, explodierte die Nagelbombe. Der Zeuge Sandro D´Alauro wurde schwer verletzt in das St. Vincenz Hospital in Köln-Nippes eingeliefert, dort auf der Intensivstation behandelt und in ein künstliches Koma versetzt. Ärztlicherseits wurde dem PP Köln noch am 10. Juni 2004 um 01:00 Uhr mitgeteilt, dass der Geschädigte u. a. Verbrennungen 2. Grades im Gesicht und am linken Arm, eine tiefe, bis in den Muskel klaffende ca. 20 cm lange aufgeplatzte Wunde im linken Oberarm sowie einen Hörschaden links und rechts erlitten hat. Insgesamt sechs Nägel, die im linken und 2266 2267 2268 2269 398 Özkan, APr 16/1026 S. 44 f. Özkan, APr 16/1026 S. 48. Özkan, APr 16/1026 S. 48, 52, 61 f. Özkan, APr 16/1026 S. 46 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 rechten Oberschenkel bis in die Knochen eingedrungen waren, mussten herausoperiert werden.2270 Entsprechende Angaben machte der Zeuge Sandro D´Alauro auch bereits am 16. Juni 2004 gegenüber Beamten es PP Köln, die ihn im Krankenhaus aufsuchten.2271 Hinsichtlich seiner Verletzungen und deren Folgen hat der Zeuge Sandro D´Alauro angegeben, dass sich durch die Explosion und deren Folgen sein Leben schlagartig geändert habe. Seitdem kämpfe er nur noch, dass er wieder ins Leben zurückfinde. Er habe Reha- und Umschulungsmaßnahmen gemacht und sei dabei, das Abitur nachzuholen. Die Schulter und ein Handgelenk seien kaputt, die Sehnen blockierten den linken Arm, immer wieder seien Operationen erforderlich, Narben und Verbrennungen am ganzen Körper seien verblieben.2272 Zur Behandlung durch die Polizei hat der Zeuge Sandro D´Alauro angegeben, ihm seien durch die Polizei bereits Fingerabdrücke abgenommen worden, als er noch im Koma gelegen habe. Bei der Vernehmung am 16. Juni 2004 sei er eigentlich gar nicht fähig gewesen, irgendwas zu sagen. Alle sieben Minuten sei Morphium nachgespritzt worden. Seiner Ansicht nach habe die Kölner Polizei ihn und Me. K. am Anfang verdächtigt, dass sie das Fahrrad dahin gestellt hätten und es wäre zu früh explodiert sei. Deswegen habe er auf Weisung der Polizei auch keinen Kontakt mit seinem Freund Me. K. aufnehmen dürfen, weil er sich mit ihm wegen der Aussagen hätte absprechen können. Er habe zwei oder drei Wochen überhaupt nicht erfahren, was passiert sei, es sei nichts gesagt worden, er habe nicht einmal gewusst, ob sein Freund noch am Leben sei. Irgendwann habe er dann mit Me. K. von Intensivstation zu Intensivstation telefonieren dürfen, was wohl durch die behandelnden Ärzte ermöglicht worden sei.2273 Dass letzteres so war, scheint nicht ganz zuzutreffen. Im Nachgang zur Vernehmung des Me. K. am 14. Juni 2004 vermerkte einer der Vernehmungsbeamten am selben Tag, dass dieser noch vor seiner Vernehmung mit seinem Freund Sandro D`Alauro telefoniert hat.2274 Der Zeuge Me. K. suchte am Tag der Tat gemeinsam mit seinem Freund Sandro D`Alauro den Imbiss „Doy Doy“ auf der Keupstraße auf, um dort etwas zu essen zu kaufen. Als sie sich auf dem Weg zum Auto auf der Höhe des Friseursalons befanden, explodierte die Bombe und der Zeuge Melih Kasapoglu wurde schwer verletzt in die Kölner Universitätskliniken eingeliefert.2275 Er erlitt neben einem Explosionstrauma u. a. Verbrennungen 2. Grades im Gesicht und am linken Arm, Schnitt- und Glassplitterverletzungen im Gesicht sowie eine Hornhautläsion. Aus den Oberschenkeln mussten neun Zimmermannsnägel mit einer Länge von zehn cm entfernt werden. Erst am 7. Juli 2004 konnte er aus der stationären Behandlung entlassen werden.2276 Nach Auskunft der Universitätskliniken Köln vom 13. Juni 2004 war der Zeuge Me. K. aus dem Koma erwacht und zeitlich und örtlich orientiert auf die chirurgische Station verlegt worden.2277 Bei seiner bereits am nächsten Tag durchgeführten Vernehmung in den Kölner Universitätskliniken schilderte er den Vorfall auch für die Vernerhmungspersonen noch sichtbar und spürbar unter dem Eindruck des Geschehens, musste mehrmals gegen Tränen ankämpfen und ihm versagte mehrfach die Stimme.2278 Wörtlich gab er an: 2270 2271 2272 2273 2274 2275 2276 2277 2278 Vermerk des PP Köln vom 10. Juni 2004, A60735 S. 103. Vernehmung des Sandro D´Alauro vom 16. Juni 2004, A60735 S. 426 ff., 432 ff. D´Alauro, APr 16/1088 S. 5, 12. D´Alauro, APr 16/1088 S. 5 ff. Vermerk des PP Köln vom 14. Juni 2004, A60735 S. 347. Vermerk des PP Köln vom 10. Juni 2004, A60735 S. 144. Ärztliches Attest vom 3. August 2005, A60738 S. 158 f. Vermerk des PP Köln vom 13. Juni 2004, A60735 S. 301. Vermerk des PP Köln vom 14. Juni 2004, A60735 S. 347. 399 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ich habe nichts gesehen, das kam ganz einfach so. Da lag ich erst mal auf dem Boden, konnte ich meine Augen ein bisschen aufmachen. Da lief überall Blut runter, im Gesicht, meine Haare waren wohl am Brennen. Ich hatte lange Haare gehabt, die wurden mit kaltem Wasser gelöscht. Dann habe ich mich erst mal umgedreht, habe meine Hose gesehen. Alles war zerfetzt. Der D`Alauro hat auch fünf Mal geschrieen Melih, also meinen Namen. Da kam der Notarzt, hat mich ins Koma gesetzt, zwei Tage, ich war schwach. Auffälliges gesehen, oder irgendwas hindeuten, nichts.“ Und weiter: „Ich hatte Splitter im Auge und habe die Augen zugehalten. Ich habe einfach nur gebetet, dass der Notarzt so schnell wie möglich kommt. Der kam auch nach zwei Minuten. Krankenwagen rein und mehr weiß ich nicht.“2279 Obwohl der Zeuge Me. K. in der beschriebenen Situation sichtlich nicht in der Lage war, irgendwelche konkreten Angaben zu machen, wurde er noch seitenlang zu kleinsten Einzelheiten befragt. Auf Befragen, ob er sich Gedanken gemacht habe, aus welcher Richtung der Anschlag kommen könnte, wies er auf Nazis als mögliche Täter hin, und gab weiter an: „Wenn das dem Frisör galt, dann würde der reingehen und den Frisör abknallen und nicht vor der Türe, das sind ja alles unschuldige Menschen. Der größte Teil sind ja nun mal Türken und Kurden und Ausländer. Die einzige Möglichkeit, die ich mir denken kann, ist ein Ausländerhasser. Ich habe Videotext gelesen, es war wohl ein Blonder. Was anderes kann ich mir eigentlich nicht erklären.“2280 cc. Muhammet Ayazgün Der Zeuge Muhammet Ayazgün hielt sich nach seinen Angaben zum Zeitpunkt der Explosion in einem Laden auf der Keupstraße auf und erlitt durch eine blutende Verletzung am Ohr nachfolgende Hörbeschwerden. Er habe weder einen Arzt aufgesucht, noch sei er durch die Polizei vernommen worden. 2281 Zu den Gründen hat er vor dem Ausschuss durch den Dolmetscher erklärt: „Also es ist so: Er wollte sowohl zum Arzt als auch zur Polizei. Aber er hat es sich dann anders überlegt, nachdem er erfahren hat, wie die Polizei die anderen Menschen, die vernommen wurden, behandelt hat, dass die gesagt haben ‚Du weißt, wer es war. Du warst das. Ihr wollt es nur nicht sagen‘, also die Leute beschuldigend verhört hat. Dann hat er sich entschlossen, weder zur Polizei noch zum Arzt zu gehen.“2282 Weiter hat der Zeuge Muhammet Ayazgün angegeben, dass M.I., S.E. und H. Y. berichtet hätten, wie die Polizei bei den Vernehmungen mit den Opfern umgegangen sei.2283 Auf die Frage, ob es weitere Beschreibungen des Verhaltens der Polizei gegeben habe, hat er erklärt: „Nein, es war immer das gleiche Schema, dass sie gesagt haben: Gib es zu; ihr wart das selber gewesen, du warst das gewesen. - Und im Fall von Herrn [Y.], dem Friseur - das 2279 2280 2281 2282 2283 400 Vernehmung des Me. K. vom 14 Juni 2004, A60735 S. 341. Vernehmung des Me. K. vom 14 Juni 2004, A60735 S. 345 f. Ayazgün, APr 16/1026 S. 26 ff. Ayazgün, APr 16/1026 S. 31. Ayazgün, APr 16/1026 S. 29, 31. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 hat er ihm erzählt -, haben sie Unterlagen in seinem Ladenlokal gefunden und haben gesagt: Wenn du es jetzt nicht zugibst, dann werden wir diese Unterlagen dem Finanzamt zukommen lassen.“2284 Auf weiteres Befragen, ob man in der Keupstraße über derartige Fälle wie den Bombenanschlag gesprochen habe und was der Zeuge Muhammet Ayazgün selbst gehört habe, hat dieser über den Dolmetscher angegeben: „Also, generell haben die, mit denen er allen gesprochen hat, ihm erzählt, dass nie gefragt wurde: Habt ihr verdächtige Personen gesehen?‘ oder: Habt ihr jemanden gesehen?‘ oder: Habt ihr einen Verdacht?‘, sondern immer drohend und eben drückend, dass sie es selber waren und sie zum Teil auch wüssten, wer es war.“2285 Auf die Frage, ob es in der Keupstraße selbst auch Gespräche gegeben habe, wer die Täter sein könnten, hat er erklärt, dass von PKK und Schutzgeld die Rede gewesen sei. Mutmaßungen hinsichtlich einer rechtsextremistischen Tat durch Nazis habe es nur in sehr geringem Maße gegeben, zumal der damalige Bundesinnenminister einen rechtsradikalen Anschlagshintergrund rasch ausgeschlossen habe.2286 c. Umgang mit den Opfern im Zusammenhang mit den weiteren Ermittlungen Da man beim PP Köln und der StA Köln nicht von einem rechtsmotivierten Terrorakt ausging, sondern vielmehr glaubte, dass Ausgangspunkt der Tat Rivalitäten zwischen Kurden und Türken oder Revierkämpfe zwischen Schutzgelderpressern oder Türstehern oder Rauschgifthändlern war, misstraute man auch den Opfern. PP Köln, StA Köln und auch das AG Köln gingen davon aus, dass die Opfer etwas über Tat und Täter wüssten, ihr Wissen jedoch nicht preisgeben wollten. So wurden im weiteren Gang der Ermittlungen, die Opfer zu Objekten der Ermittlungen. Bereits im November 2004 legte das PP Köln die „Spur 295 (Özcan)“ an, die nach dem Vornamen des Frisörladeninhabers benannt wurde.2287 Anlass war die durch einen Anwohner formulierte Mutmaßung, der Friseurladeninhaber und dessen Bruder seien Spieler. 2288 Das PP Köln vermutete, dass die Familie des Inhabers Ö. Y. des Friseurladens Wissen über die Hintergründe des Anschlags und möglicherweise auch die Täter habe, dieses aber nicht offenbaren wolle. Dies wurde zum Anlass genommen ab Dezember 2004 umfangreiche Finanzermittlungen seiner Person sowie seiner Brüder und der Ehefrauen durchzuführen.2289 Zugleich wurde gezielt das Umfeld der Geschädigten ausgeforscht. Das PP Köln führte in diesem Zusammenhang Zeugenvernehmungen und Befragungen durch, in denen es schwerpunktmäßig um den Inhaber des Friseurladens Ö. Y. sowie seinen ebenfalls als Friseur tätigen Bruder H. Y. geht.2290 Das PP Köln befragte beispielsweise die vormaligen im Friseurladens beschäftigten Meisterinnen, die Vorbesitzerin des Frisörsalons, einen Nachbarn sowie einen im Friseurladens Beschäftigten.2291 Ab dem 17. April 2005 legte das PP Köln zudem die Spur 355, der weiterhin die Hypothese zu Grunde lag, dass der Inhaber des Friseurladens bzw. die dort verkehrende Kundschaft 2284 2285 2286 2287 2288 2289 2290 2291 Ayazgün, APr 16/1026 S. 35. Ayazgün, APr 16/1026 S. 35. Ayazgün, APr 16/1026 S. 35 ff. Spur 295), A12575 S. 3 - 444. Vermerk des PP Köln vom 24. November 2004, A12575 S. 5. Spur 295/1 (Özcan), A12575 S. 13ff. Spur 295/2 (Özcan), A12576 S. 3 ff. Vernehmungen von Zeugen vom 8. und 9. November 2005, A12576 S. 26 ff., 31 ff., 37 ff., 43 ff.; Vermerk des PP Köln vom 22. November 2005, A12576 S. 49 f. 401 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ziel des Nagelbombenanschlags gewesen seien. Das PP Köln vermerkte zu dieser Spur, dass diese einen „neuen Ermittlungsansatz“ darstelle. Alle bis dato gewonnen Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Friseurladen wurden in Ablichtung zur Spur 355 genommen und sollten als Grundlage für eine entsprechende spätere Bewertung in Hinblick auf Motiv und Ursache dienen.2292 aa. Geschädigte G. Y. Am 4. April 2006 wurde G. Y., Ehefrau des H. Y., polizeilich als Zeugin zum Nagelbombenanschlag vernommen.2293 Die Vernehmung dauerte laut Protokoll von 9:17 Uhr bis 15:55 Uhr. Ihre einjährige Tochter, die zunächst dabei war, wurde auf Wunsch der Zeugin gegen 12:00 Uhr von einem Bekannten abgeholt.2294 Zunächst wurde die Zeugin G. Y. ausgiebig dazu befragt, wann und wie ihr Schwager Ö. Y. den Friseurladen erworben hat, was er dafür bezahlen musste und ob ihr Ehemann an dem Friseursalon beteiligt wäre. Die Zeugin G. Y. gab, soweit sie überhaupt hierzu über Wissen verfügte, bereitwillig Auskunft.2295 Im Zusammenhang mit den Schulden wurde sie mit der Information eines Hinweisgebers konfrontiert, dass Ö. und H. Y. zumindest früher viel gespielt und dadurch Schulden hätten. Auf die Frage, ob das stimme, antwortete die Zeugin G. Y.: „Nein, da bin ich schockiert“.2296 Weiter wurde die Zeugin G. Y. fast zwei Jahre nach dem Nagelbombenanschlag zunächst ganz allgemein befragt, was sie am 9. Juni 2004 gemacht habe, wo sie gewesen sei und wann sie von der Explosion erfahren habe. Sie gab bereitwillig Auskunft. Soweit es um ihre Beobachtungen auf der Keupstraße ging, schilderte sie die Umstände, die sie nach ihrem Eintreffen dort wahrgenommen hatte. Dann wurde die Zeugin G. Y. dazu befragt, ob ihr Ehemann H. Y. etwas Auffälliges bemerkt habe.2297 Sie berichtete, dass ihr Ehemann Angaben gegenüber der Presse gemacht habe, er sei ganz bleich gewesen und habe Schweißausbrüche bekommen. Ihr habe er gesagt, dass er den Fahrradfahrer kurz gesehen habe. Der habe ein dunkelblaues Käppi getragen, habe blonde Haare gehabt und sei hellhäutig gewesen. Dabei handelt es sich um dieselben Angaben, die H. Y. bereits am 10. Juni 2004, dem Tag nach der Tat, bereits der Polizei gemacht hatte.2298 Nachdem die Zeugin G. Y. bekräftigte, dass es wohl Zufall war, dass die Nagelbombe vor dem Friseursalon platziert worden war und ihr weder von ihrem Ehemann noch von dessen Bruder irgendwelche Probleme bekannt seien, wurde ihr eröffnet, dass die Polizei davon ausgehe, dass die Nagelbombe bewusst vor dem Friseursalon platziert worden sei und dass zumindest Ö. und A. Y. Schutzgelder hätten zahlen müssen. Nachdem die Zeugin G. Y. erklärte, davon nichts zu wissen, wurde sie befragt, ob denn H. Y. Angst vor Leuten habe, ob er sich Sorgen gemacht habe, es müsse doch irgendwie Zahlungen oder irgendwelche Reibereien gegeben haben. Auch insoweit erklärte die Zeugin, von solchen Dingen keine Kenntnis zu haben.2299 2292 2293 2294 2295 2296 2297 2298 2299 402 Vermerk des PP Köln vom 17. April 2005, A12585 S. 6. Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 41 ff. Eindrucksvermerk desPP Köln vom 6. April 2006, A60744 S. 67. Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 44, 47. Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 49. Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 51 ff. Vernehmung des H. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 161 ff. Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 56 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Schließlich wurde ihr vorgehalten, dass die A. Y. weinend zu Hasan Yildirim gesagt habe „Was machen wir bloß, wenn die wiederkommen. Wann hat das bloß ein Ende?“ Auch hiervon habe sie ebenso wenig Kenntnis wie von angeblich erheblichen Schwierigkeiten und Existenzängsten ihres Ehemannes oder dass dieser gar Angst um sein Leben habe.2300 Weiter wurde ihr vorgehalten, man wisse, dass der H. Y. Schwierigkeiten mit irgendwelchen Leuten habe, konnte hierfür jedoch keine beweiskräftige Quelle anführen. Zu dem Umstand, dass Hasan nun nicht mehr bei seinem Bruder tätig sei, erklärte die Zeugin auf den Vorhalt, dass dafür gravierendere Gründe als Familienstreitigkeiten vorliegen müssten, dass ihr Ehemann dort zu wenig Geld bekommen hätte und mehr arbeiten wolle.2301 Auf die Frage wer ihren Ehemann nach der Explosion im Krankenhaus besucht habe, zählte die Zeugin G. Y. nahezu die gesamte Verwandtschaft auf. Wissen wollten die Vernerhmungspersonen allerdings vielmehr, ob der T. Z. den H. Y. im Krankenhaus besucht habe und ihr Ehemann in ihrem Beisein zu diesem gesagt habe, die Bombe sei aus dem Türstehermilieu gekommen. Die Zeugin G. Y. verneint die Frage, sie wisse nicht einmal, ob T. Z. tatsächlich bei H. Y. im Krankenhaus gewesen sei. Von Türstehern habe sie weder gehört noch habe ihr Ehemann ihr gegenüber so etwas gesagt.2302 Einem nach Ende der Vernehmung gefertigten Eindrucksvermerk vom 6. April 2006 ist zu entnehmen, dass es für die vernehmenden Beamten nicht nachvollziehbar war, dass die Zeugin G. Y. „in keinster Weise bemerkt haben will, dass auch der [H.] in erheblichen Schwierigkeiten“ stecke. Zwar habe sie auf die vorgehaltene Spielsucht ihres Ehemannes geäußert, total schockiert zu sein, dies habe „allerdings nicht mit der von ihr gezeigten Reaktion“ korrespondiert, die keine Überraschung gezeigt habe. 2303 Abschließend hieß es: „Von hier aus ist der Eindruck entstanden, dass sie bei einigen wenigen Dingen zwar auch blockt, aber insgesamt wesentlich weniger weiß als die anderen.“2304 bb. Geschädigter Ö. Y. Der Geschädigte Ö. Y. Özcan Yildirim war der Inhaber des Friseursalons auf der Keupststraße, der durch die Nagelbombenexplosion am 9. Juni 2004 vollkommen zerstört wurde. In einer ersten polizeilichen Vernehmung am 10. Juni 2004 gab er an, sich zum Zeitpunkt der Tat in seinem Schrebergarten in Köln-Flittard aufgehalten zu haben, von wo er sich, nachdem er von der Explosion gehört habe, sofort zur Keupstraße begeben habe. Fragen insbesondere nach einem möglichen Motiv für die Tat oder nach möglichen Tätern verneinte der Zeuge Ö. Y. Özcan Yildirim. Weder sei er bisher erpresst worden noch glaube er, dass die Explosion gezielt gegen seinen Friseursalon gerichtet gewesen sei. 2305 Am 23. Juni 2004 wurde der Zeuge Ö. Y. erneut zeugenschaftlich vernommen und gefragt, ob er in der letzten Zeit etwas Neues von dem Vorfall in der Keupstraße gehört habe. Er berichtete, selbst beim Kölner „Express“ angerufen und der Redaktion mitgeteilt zu haben, dass er nicht telefonisch um Schutzgeld erpresst worden sei. Er habe wohl von so einem Anruf in der Keupstraße gehört, einen Namen wolle er jedoch nicht nennen. Auf ihm vorgehaltene Namen von Personen aus der Türsteherszene oder dem Rotlichtmilieu entgegnete er, dass es sich lediglich um Kunden handele, die sich in seinem Friseursalon rasieren oder die 2300 2301 2302 2303 2304 2305 Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 57. Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 58. Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 60 ff. Eindrucksvermerk des PP Köln vom 6. April 2006, A60744 S. 67 f. Eindrucksvermerk des PP Köln vom 6. April 2006, A60744 S. 68. Vernehmung des Ö. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 149 ff. 403 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Haare schneiden ließen. Nochmals bekräftigte der Zeuge Ö. Y., dass die Explosion nicht gegen seinen Friseursalon gerichtet gewesen sei. Er habe mit niemandem Streit, habe sich nicht politisch betätigt und habe keine Probleme. Auch seien ihm in letzter Zeit weder Russen noch Albaner oder Araber in der Keupstraße aufgefallen.2306 Schließlich wurde der Zeuge Ö. Y. am 5. April 2006, fast zwei Jahre nach der Tat, nochmals polizeilich vernommen. Die Vernehmung erstreckte sich über fünf Stunden. Am Ende der Vernehmung wurde ihm eröffnet, dass er nunmehr als Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren vernommen werde. 2307 Anlass für den Wechsel in den Beschuldigtenstatus waren die gegen den Geschädigten Ö. Y. eingeleiteten Finanzermittlungen. Von diesen versprach sich das PP Köln ein Druckmittel gegen die Brüder Y., die nach ihrer Ansicht die Wahrheit zurückhielten. Allerdings bestanden aber auch Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung. Der Geschädigte Ö. Y. wies die Vorhalte zurück und betonte, dass er keine Spielschulden habe und auch keine Schutzgelder zahle.2308 Nachdem nochmals die Umstände um den Erwerb des Friseursalons vorgehalten wurden, erklärte der Zeuge Ö. Y., sich bei Verwandten 100.000,- DM geliehen und damit den Kaufpreis gezahlt zu haben.2309 Letztendlich wurden ihm die Ergebnisse der Finanzermittlungen vorgehalten und ihm eröffnet, dass er nunmehr als Beschuldigter in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren weiter vernommen werde. Dabei wurde auf Folgendes hingewiesen: „Dieses Steuerstrafverfahren können sie auch für sich nutzen. Sollten sie Schutzgelder gezahlt haben, können sie diese als Betriebsausgaben bei der Finanzbehörde geltend machen und damit ihre Steuerschuld deutlich reduzieren. Einzige Voraussetzung ist hier, daß gegenüber der Finanzbehörde die Empfänger der Schutzgelder namentlich benannt werden müssen.“2310 Nach entsprechender Belehrung als Beschuldigter erklärte der Geschädigte Ö. Y.: „Ich bin mir keiner Schuld bewußt. Ich kann keinen benennen, dem ich Schutzgelder bezahlt haben soll. Wenn das Verfahren auf mich zukommen soll, muß ich die Strafe und die Steuer bezahlen. Hätte jemand von mir Schutzgeld erpresst, hätte ich ihnen dieses sofort mitgeteilt.2311 cc. Geschädigter H. Y. Der Zeuge H. Y., der Bruder des Inhabers des Friseursalons, wurde schwer verletzt und verblieb zunächst im Krankenhaus Köln-Holweide.2312 Bereits am 10. Juni 2004 wurde er von Beamten des PP Köln im Krankenhaus aufgesucht und ab 12.45 Uhr zu seinen eventuellen Wahrnehmungen als Zeuge vernommen. Dieser ersten Vernehmung ist zu entnehmen, dass der Zeuge H. Y. bereits am Vortag gegenüber einer Journalistin Angaben über einen Mann mit Fahrrad gemacht hatte und dabei gefilmt wurde. Er gab an, Angst zu haben, weil die Täter ihn möglicherweise wieder ekennen 2306 2307 2308 2309 2310 2311 2312 404 Vernehmung des Ö. Y. vom 23. Juni 2004, A60735 S. 451 ff. Vernehmung des Ö. Y.vom 5. April 2006, A60744 S. 80 ff. Vernehmung des Ö. Y.vom 5. April 2006, A60744 S. 86, 89. Vernehmung des Ö. Y.vom 5. April 2006, A60744 S. 88. Vernehmung des Ö. Y.vom 5. April 2006, A60744 S. 90. Vernehmung des Ö. Y.vom 5. April 2006, A60744, S. 91. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 117. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 könnten. Zu seinen Verletzungen gab der Zeuge H. Y. an, Schnittwunden bzw. Schnittverletzungen am Kopf, an beiden Händen und am rechten Ellenbogen sowie darüber hinaus Wundverletzungen an beiden Beinen erlitten zu haben. Er habe nach wie vor Schmerzen, habe nicht geschlafen und fühle sich noch geschockt von der gestrigen Tat. 2313 Zum eigentlichen Tatgeschehen gab der Zeuge H. Y. an, dass etwa 10 bis 15 Minuten vor der Detonation eine männliche Person ein Fahrrad unmittelbar vor dem Friseursalon abgestellt hat. Den Radfahrer beschrieb er als ca. 30 Jahre alt und ca. 180 cm groß. Der Mann habe eine Baseballkappe getragen, unter der er blonde Haare habe erkennen können, die an der Seite herausschauten, insbesondere habe er die blonden Koteletten erkennen können.2314 Weitere Fragen, ob sein Bruder mit jemandem Streit habe, ob er oder sein Bruder in der Vergangenheit in Bezug auf den Geschäftsbetrieb erpresst worden seien, ob es in der Vergangenheit verdächtige Anrufe, möglicherweise auch aus der Türkei, bei denen er oder sein Bruder bedroht worden seien, gegeben habe oder es bei ihm oder seinem Bruder privat verdächtige Anrufe gegeben habe, verneinte der Zeuge H. Y. Die um 12:45 Uhr begonnene Vernehmung wurde um 14:05 Uhr beendet, nachdem der Zeuge H. Y. erklärte, er fühle sich jetzt auch ziemlich erschöpft und würde die Vernehmung beenden.2315 Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus verbrachte er zunächst zwei Wochen in der Türkei, um sich zu erholen.2316 Am 4. Juli 2004 wurde der Zeuge H. Y. erneut vernommen und vorab befragt, wie es ihm gesundheitlich gehe.2317 Zum Tag der Tat befragt, gab er an, dass es ihm da ganz anders werde, wenn er das erzählen solle. Im Krankenhaus habe man ihm erzählt, dass jemand ein Fahrrad abgestellt habe, da sei ihm das vor die Augen gekommen. Er habe gedacht, dass der Mann das Fahrrad abstellen und, als er sich am hinteren Teil des Fahrrades gebückt habe, auch abschließen wollte. Zum Aussehen des Mannes gab er erneut an, dass er eine dunkle Baseballkappe getragen habe und dass blonde Koteletten ein bisschen unter der Baseballkappe hervorgekommen seien. Es sei ein heller Hauttyp gewesen, nicht so wie er selbst. Ihm sei schlecht geworden, als er das Bild dieses Menschen in der Zeitung gesehen habe. Auf ihm vorgelegten Lichtbildern erkannte er mit 99% die Person, die das Fahrrad vor dem Friseursalon abgestellt hat.2318 Die erneuten Fragen, ob ihm bekannt sei, dass seltsame Anrufe eingegangen seien, ob er etwas von Schutzgeldern in der Keupstraße gehört habe und ob sein Bruder Ö. Y. Stress mit anderen Leuten habe, verneinte der Zeuge H. Y.. Die um 13:12 Uhr begonnene Vernehmung endete um 14:58 Uhr.2319 Einen Tag später, am 5. Juli 2004, wurde versucht, mit Hilfe des Zuegen H. Y. ein Phantombild des Mannes zu erstellen, den er beim Abstellen des Fahrrades vor dem Friseursalon einen kurzen Augenblick gesehen hatte. 2320 Der Versuch misslang, weil der Zeuge H. Y. immer wieder betonte, dem Mann nur einen Bruchteil einer Sekunde in die Augen geschaut 2313 2314 2315 2316 2317 2318 2319 2320 Vernehmung des H. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 162. Vernehmung des H. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 164. Vernehmung des H. Y. vom 10. Juni 2004, A60735 S. 165 f. Vernehmung des Ö. Y. vom 23. Juni 2004, A60735 S. 456. Vernehmung des H. Y. vom 4. Juli 2004, A60736 S. 51 f. Vernehmung des H. Y. vom 4. Juli 2004, A60736 S. 53. Vernehmung des H. Y. vom 4. Juli 2004, A60736 S. 55. Eindrucksvermerk des PP Köln vom 8. Juli 2004, A60736 S. 100. 405 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und dabei das Gesicht nicht gut wahrgenommen zu haben. Er könnte nur die Augen beschreiben, zum restlichen Gesicht jedoch keine genauen Angaben machen. Der entstandene Entwurf war daher nicht zur Veröffentlichung geeignet.2321 Am 5. April 2006, fast zwei Jahre nach der Tat, wurde der der Zeuge H. Y. nochmals polizeilich als Zeuge vernommen. Zunächst ging es um die Abläufe am Tag des Nagelbombenanschlags. Bezüglich der Person, die das Fahrrad vor dem Friseursalon abgestellt hatte, erklärte der Zeuge H. Y., er könne den jetzt auch nicht mehr beschreiben. Er denke, dass der so ausgesehen hat, wie er ihn damals schon beschrieben habe: Etwa 180 cm groß, 30 Jahre alt, blonder Typ und Baseballkappe. 2322 Anschließend folgten Vorhalte, für die sich aus den Akten teilweise keine Bestätigung erschließen ließ. So wurde dem Geschädigten vorgehalten, er habe T. Z. im Krankenhaus gesagt, er wisse, wer den Bombenanschlag verübt haben könnte, nämlich dass es die Türsteherszene gewesen sei. Der Zeuge H. Y. bestritt diesen Vorhalt.2323 Dem Zeugen H. Y. wurde nunmehr vorgehalten, man habe eine Aussage, dass er einige Tage vor dem Bombenanschlag mit der Frau seines Bruders in dem Friseurladen gewesen sei. Diese sei in Tränen aufgelöst gewesen, habe geheult und gesagt: „Was machen wir bloß, wenn die wieder kommen? Wann hat das endlich ein Ende?“. Nachdem der Zeuge H. Y. entgegnete, er könne sich an so etwas nicht erinnern, hieß es in dem Vernehmungsprotokoll weiter: „Da heult ihre Schwägerin und fragt sie in einer Notsituation, was sie machen soll und sie können sich nicht daran erinnern? Oder Schließen Sie aus, dass es so eine Situation gegeben hat?“ Als der Zeuge H. Y. erwiderte, dass es eine solche Situation nicht gegeben habe, wurde er gefragt “Wieder eine Aussage, die nicht stimmt – wieder ein Zeuge, der lügt?“ Der Zeuge H. Y. gab daraufhin zu Protokoll, es sollten doch alle kommen und es ihm ins Gesicht sagen.2324 Weiter versuchten die Vernehmungsbeamten, den Zeugen H. Y. mit einem beleidigenden Vorhalt zu einer Preisgabe seines mutmaßlichen Wissens zu bringen. Ihm wurde vorgeworfen, seit zwei Wochen nicht mehr zu arbeiten: „Sie haben eine kleine Tochter, ihre Frau verdient auch nicht soviel bei dem Zahnarzt und Sie hören auf zu arbeiten und verzichten auf 1.300 €? Sagen ihrer Frau: Du mußt das ganze Geld verdienen! Kein verantwortungsvoller Familienvater würde das machen. Das wäre unehrenhaft“. Der Zeuge H. Y. antwortete ledglich, dass es so ist. Bei seinem Bruder habe er zu wenig verdient, er fange bald bei einem Freund an.2325 2321 2322 2323 2324 2325 406 Eindrucksvermerk des PP Köln vom 8. Juli 2004, A60736 S. 101. Vernehmung des H. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 30 ff. Vernehmung des H. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 33 f. Vernehmung des H. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 34. Vernehmung des H. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 35. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Schließlich ging es in der Vernehmung um Schutzgeldzahlungen, die angeblich durch die Brüder Y. geleistet worden sein sollen. Auch insoweit wurde der Zeuge H. Y. wieder darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Aussage vorläge. Der Zeuge H. Y. erklärte, dass das nicht stimme.2326 Dann wandten sich die Vernehmungsbeamten dem Thema Glückspiel zu. Dem Zeugen H. Y. wurde eröffnet, der Polizei sei bekannt, dass er beim Glückspiel höhere Summen verloren habe. Hierauf erklärte der Zeuge H. Y., dass er lediglich Karten um Getränke gespielt habe und am Automaten gelegentlich um 20,- Euro. Die Vernehmungsbeamten hielten ihm hierauf vor: „Hier verzichten sie auf Spaß und zügeln sich, weil die Familie vorgeht und andererseits geben Sie die Arbeit auf – 1.300 € – und verdienen gar nichts. Das ist doch extrem unglaubwürdig.“ Abschließend ging es nochmals um den Nagelbombenanschlag und Schutzgeldzahlungen. Konkret wurde der Zeuge H. Y. gefragt: „Wissen Sie, wer die Bombe am 9.6.2004 vor dem Friseurladen ihres Bruders deponiert oder wer den Auftrag dazu gegeben hat?“ Diese Frage ist mit der Anmerkung versehen: „Mit dem Zeugen wurde die Möglichkeit eines Zeugenschutzprogramms erörtert.“ Hierauf entgegnete der Zeuge H. Y., dass er das nicht wisse. Er sei doch verletzt worden und wenn er das wüsste, würde er es sagen.2327 Noch unter dem 26. September 2006, mehr als fünf Monate nach der Vernehmung des Zeugen H. Y., regte das PP Köln bei der StA Köln an, eine Observation des H. Y. Zeugen anzuordnen. Zur Begründung führte sie aus, dass es Mitte des Jahres offensichtlich zu Differenzen zwischen H. Y. und Ö. Y. gekommen sei. Laut Erkenntnissen aus verdeckten Maßnahmen solle H. Y. bei einem Friseur auf der Venloer Straße arbeiten, wo genau, wisse man allerdings nicht.2328 Diese Formulierungen sind nicht ganz verständlich, da sowohl die Zeugin A. Y. in ihrer Vernehmung am 5. April 20062329 und auch die Zeugin G. Y. in ihrer Vernehmung am 4. April 20062330 bereits angegeben hatten, dass und warum der Zeuge H. Y. nicht mehr bei seinem Bruder arbeite. Gleichwohl folgte die StA Köln der Anregung und ordnete mit Verfügung vom 29. September 2006 die Observation des Geschädigten und Zeugen H. Y. für die Dauer eines Monats an. Zur Begründung nahm die StA Bezug auf einen Bericht der EG Sprengstoff vom 19. September 2005 und einen Vermerk vom 26. September 2006 und führte ergänzend aus: „Es besteht aufgrund der bisherigen Ermittlungen der Verdacht, dass der Zeuge und sein Bruder [Ö. Y.] Kenntnis über Machenschaften und Hintergründe des Anschlags haben, 2326 2327 2328 2329 2330 Vernehmung des H. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 35 f. Vernehmung des H. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 39. Vermerk des PP Köln vom 26. September 2006, A60737 S. 52. Vernehmung der A. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 76. Vernehmung der G. Y. vom 4. April 2006, A60744 S. 58. 407 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 die zur Aufklärung der Straftat, insbesondere zum Verhältnis der beiden Brüder untereinander beitragen können“. 2331 dd. Geschädigte A. Y. Die Zeugin A. Y., die Ehefrau des Ö. Y., wurde am 5. April 2006 polizeilich als Zeugin vernommen. Die Vernehmung dauerte von 10:50 Uhr bis 16:30 Uhr.2332 Zunächst wurden Fragen zum familiären Werdegang, zum Erwerb des Friseurgeschäfts und nach den Öffnungszeiten gestellt. Sodann erfolgte der erste Vorhalt: „Es gibt verschiedene Personen, die übereinstimmend berichtet haben, dass sich die Kundschaft bei ihnen ca. 4-5 Monate vor dem Sprengstoffanschlag verändert hätte. Es waren häufig sehr muskulöse, männliche Personen in ihrem Laden, die sich zum Teil auch sehr lange dort aufgehalten haben und dem Augenschein nach der Türsteherszene zuzuordnen sind. Was können sie dazu sagen?“ Hierauf bestätigte die Zeugin A. Y., dass sie „gut gebaute“ Kunden gehabt hätten, ohnn das es hierfür einen besonderen Grund gegeben habe.2333 Auf Vorhalt, dass auch T. Z. den Zeugen H. Y. im Krankenhaus aufgesucht haben soll, erklärte die Zeugin A. Y., davon gehört zu haben, aber nicht mehr zu wissen, wer ihr dies mitgeteilt habe. Weiter wies die Zeugin A. Y. auf Nachfrage die angebliche Spielsucht ihres Ehemannes zurück und gab an, dass man so viel Geld gar nicht hätte. Sie kenne die Einund Ausgaben ihres Haushalts.2334 Schließlich ging es bei den Fragen der Vernehmungsbeamten auch um den Nagelbombenanschlag. Die Zeugin A. Y. gab an, sie und ihr Ehemann gingen davon aus, dass das Fahrrad zufällig vor dem Friseursalon abgestellt worden sei und dass es vor dem Anschlag weder Hinweise noch Androhungen gegeben habe, dass etwas passieren könnte. Weiter wurde der Zeugin A. Y. vorgehalten, sie selbst sei zwei Tage vor dem Anschlag unter Tränen aufgelöst im Friseurgeschäft gewesen und habe zu ihrem Schwager H. Y. gesagt: „Was machen wir bloß wenn die wieder kommen? Wann hat das endlich ein Ende?“. Die Zeugin H. Y. antwortete, dass dies nicht stimme, sie sei weder in Tränen aufgelöst im Laden gewesen noch habe sie so etwas gesagt, dies sei eine riesige Lüge.2335 Auf die anschließende Frage, ob es denn auch nicht richtig sei, dass sie monatlich Schutzgeld bezahlt hätten, erklärte die Zeugin H. Y., dass sie noch nie Schutzgeld bezahlt haben und ihre Finanzen dies auch nicht zuließen.2336 Abschließend betonte die Zeugin H. Y. ausdrücklich, dass sie die Wahrheit gesagt habe und die Dinge, mit denen sie zum Teil konfrontiert worden sei, sie schockiert hätten, da sie nicht der Wahrheit entsprächen.2337 2331 2332 2333 2334 2335 2336 2337 408 Anordnung der StA Köln vom 29. September 2006, A60737 S. 53 f. Vernehmung der A. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 69 ff. Vernehmung der A. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 71 f. Vernehmung der A. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 73 f. Vernehmung der A. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 75. Vernehmung der A. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 75 f. Vernehmung der A. Y. vom 5. April 2006, A60744 S. 77. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 d. Folgen der Ermittlungen für die Opfer Die weiteren Ermittlungsmaßnahmen, hier insbesondere die Vernehmung der Familien Y. noch im Jahre 2006, sind nur auf der Grundlage der offensichtlich bereits am Tag der Tat gewählten polizeilichen Arbeitshypothese nachzuvollziehen. Die Annahme einer bereits so früh gefassten Arbeitshypothese beruht darauf, dass das PP Köln und die StA Köln im Grunde genommen fast ausschließlich diffusen Andeutungen auf Konflikte zwischen Türken und Kurden2338, Türsteherszene2339, Zuhälter2340 und insbesondere Schutzgelderpressung2341 nachgegangen sind. Keine der befragten Personen vermochte Gründe für die angestellten Vermutungen zu nennen. Dies bedeutet indes nicht, dass das PP Köln nicht jeden Hinweis aus der Bevölkerung aufgenommen und geprüft sowie ihm gegebenenfalls nachgegangen ist. Ganz im Gegenteil sind die Ermittlungen mit erheblichem Zeit- und Personalaufwand geführt worden in der Absicht, den oder die Täter zu ermitteln. Zum Beginn des Jahres 2006 war man aber mit den Ermittlungen auch trotz des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern2342 und von Vertrauenspersonen2343 nicht weiter gekommen. Der Leiter der MK Sprengstoff, der Zeuge Markus Weber, hat den Ermittlungsstand wie folgt zusammengefasst: „Als wir im Mai 2006 aufgehört haben, habe ich damals gesagt: ‚Im Prinzip sind wir keinen Schritt weiter als einen Tag nach der Tat‘, weil sowohl das Motiv als auch andere Dinge effektiv nach wie vor offen waren.“2344 Tatsächlich haben PP Köln und StA Köln, gestützt auf die Angaben einer Person, der Vertraulichkeit zugesichert worden war, Schutzgelderpressungen als wahrscheinlichtses Tatmotiv angenommen. Gestützt auf diese Annahme wurde das Umfeld der Familie Y. durch verschiedene offene und verdeckte Ermittlungsmaßnahmen aufgeklärt. Ziel dieser Maßnahmen war, einen Statuswechsel vom Zeugen zum Beschuldigten zwecks Einleitung strafprozessualer Maßnahmen herbeizuführen. Anhaltspunkte dafür, dass andere als die Familien Y. zu Beschuldigten gemacht werden sollten, finden sich nicht.2345 Die noch nahezu zwei Jahre nach der Tat durchgeführten Vernehmungen dürften bei den Opfern den tiefen Eindruck hinterlassen haben, dass Polizei und Justiz ihnen einfach nicht glaubten, dass sie wirklich „nur Opfer“ waren und nicht in geringster Weise zur Aufklärung des Nagelbombenanschlags beitragen konnten. Auch im privaten Umfeld der Opfer zeigten sich über Jahre hinweg bis zur Aufdeckung des NSU Folgen für die Opfer des Nagelbombenanschlags. Die Familien Y. haben den Ausschuss wissen lassen, dass sie keine Anhörung durch den Ausschuss wünschten, weil diese 2338 2339 2340 2341 2342 2343 2344 2345 Vernehmung des M. T. vom 10. Juni 2004, A60735, S. 244; Vernehmung des C. Ya. vom 12. Juni 2004, A60735 S. 284. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004 zu Angaben der A. K., A60735 S. 75; Vermerk des PP Köln vom 10. Juni 2004 zu Zeugenbefragungen, A60735 S. 196. Vermerk des PP Köln vom 10. Juni 2004 zu Zeugenbefragungen, A60735 S. 205. Vernehmung des M. T. vom 10. Juni 2004, A60735, S. 244; Vermerk des PP Köln vom 3. Juli 2004, A60736 S. 49. Zu vgl. Zweiter Teil B. II. 2. a. ff. Zu vgl. Zweiter Teil B. II. 2. a. gg. Weber, APr 16/983 S. 9. Schaubild des PP Köln, A62167 S. 212. 409 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 bei ihnen zu viele Erinnerungen an den Anschlag und die danach durchlittene Zeit wachrufen könnten.2346 Welche Auswirkungen der Nagelbombenanschlag über die unmittelbar erlittenen Verletzungen hinaus für die Opfer und nicht zuletzt auch für deren Angehörige tatsächlich hatte, zeigt beispielhaft die Aussage des durch den Ausschuss angehörten Zeugen Abdulla Özkan.2347 Auf die Frage, was die Polizei Falsches gemacht habe, hat der Zeuge Abdulla Özkan angegeben, man habe sie sieben Jahre wie Täter behandelt, man habe sie nicht wie Opfer behandelt.2348 Weiter hat er ausgeführt: „In vielen Sachen herrschte bis zu dem Zeitpunkt, als ich den Brief vom Bundespräsidialamt bekommen habe - durch den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff - und in der Zeitung und im Fernsehen kam, dass wir, die Keupstraßen-Opfer wirklich Opfer sind, das andere Bild der Menschen, die mich sieben Jahre als Täter oder sonst was gesehen haben, die das geglaubt haben, was in den Medien stand.“2349 Nicht nur die Opfer selbst, auch Familienangehörige wurden stigmatisiert. Insofern hat der Zeuge Abdulla Özkan Folgendes angegeben: „Zu dem Zeitpunkt war meine Tochter zehn. Heute ist sie 22. Zu dem Zeitpunkt hat meine Tochter mir gesagt: Vater, die Kinder in der Straße bzw. in der Schule spielen mit mir nicht mehr. Du bist ein schlimmer Mensch. - Verstehen Sie, was das heißt, von einer zehnjährigen so etwas zu hören?“ Dem fügte der Zeuge Abdulla Özkan noch hinzu, dass nicht nur die Polizei, sondern das ganze Umfeld ihn als Täter betrachtet habe.2350 Abschließend hat er dann nochmals darauf hingewiesen, dass sich erst mit der Selbstenttarnung des NSU etwas geändert habe. Der Nagelbombenanschlag in der Keupstraße sei in ganz Deutschland bekannt gewesen und egal wohin sie gekommen seien, man habe sie anders empfangen. Als Beispiele führte er an: „Zum Beispiel als ich ins Krankenhaus musste, um für meinen Militärdienst eine ärztliche Bescheinigung von Kopf bis Fuß zu kriegen: Im Normalfall bezahlt man dafür aus der eigenen Tasche. Ich wurde direkt vom Chefarzt behandelt, direkt, sofort drangenommen, an dem gleichen Tag, wo ich ankam. Das war mir schon ein bisschen komisch. Auf einmal waren wir… Also, die Hilfestellung war schneller da als vorher. Zum Beispiel habe ich bei meinem Psychologen am Anfang drei Monate gewartet, danach kam ich sofort dran.“2351 Der Zeuge H. Y. gab am 21. Januar 2015 vor dem OLG München in dem Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. als Zeuge an, dass nach seiner Rückkehr aus der Türkei die Vernehmungen durch die Polizei begonnen hätten. Nach seinem Eindruck seien die Vernehmungen durch die Polizei nicht derart gewesen, dass sie als Zeugen vernommen wurden, sondern als 2346 2347 2348 2349 2350 2351 410 Diese Angaben sind dem Ausschuss formlos vor dem Einstieg in den „Komplex Keupstraße“ sowie in einem Gespräch am Rande der Inaugenscheinnahme der Keupstraße durch den Ausschuss am 20. Oktober 2015 mitgeteilt worden. Özkan, APr 16/1026 S. 42 ff. Özkan, APr 16/1026 S. 48, 52. Özkan, APr 16/1026 S. 54. Özkan, APr 16/1026 S. 54. Özkan, APr 16/1026 S. 62. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Beschuldigte. Es seien unvorstellbare Vernehmungen durchgeführt worden, als hätten sie selbst die Nagelbombe vor dem Friseursalon postiert.2352 Später seien sein Bruder, seine Schwägerin und seine Ehefrau vorgeladen worden, um vernommen zu werden. Niemand sei darüber informiert worden, dass der andere auch vernommen werden sollte. Die Familien seien dann einem Kreuzverhör unterzogen worden. Die Polizei habe versucht, mit den Fragen die Familienmitglieder gegeneinander auszuspielen. Ihm habe die Polizei auf seine Frage, ob sich etwas Neues ergeben habe, geantwortet, es sei viel rausgekommen, mit einigen Wörtern, die er der Polizei sagen würde, könnte die Sache aufgeklärt werden, er solle der Polizei sagen, wer diese Bombe deponiert hat.2353 Der Ausschuss hat den Zeugen Markus Weber zu der Art und Weise der Vernehmungen der Opfer befragt. Auf Vorhalt einiger der oben dargestellten Vernehmungen und der Frage, ob ihm der Ton in diesen Vernehmungen aufgefallen sei und ob er im Nachhinein sagen würde, dass dies so nicht richtig gewesen sei, hat der Zeuge geantwortet, dass er den Ton einzelner Kollegen in den Vernehmungen nicht beurteilen könne, da er in den Vernehmungen nicht dabei gewesen sei. Auf den Hinweis, dass er die Vernehmungen hinterher „auf den Tisch“ bekäme, und die Frage, ob er das mit seinen Mitarbeitern diskutiert habe oder ob es ihm nicht aufgefallen sei, hat er angegeben, dass sich kein Zeuge direkt bei ihm beschwert habe.2354 Auf erneute Nachfrage zu einer Nachbereitung der Aussagen hat er gesagt: „Wenn das so gewesen ist, in einem falschen Ton oder so was, dann ist das sicherlich nicht richtig. Ich kann aber nur noch mal wiederholen: Ich weiß nicht, was zwei Zimmer weiter passiert, wo ich nicht dabei bin. Ich kann doch nicht beurteilen, in welchem Ton die in dem Moment mit diesen Leuten reden. Ich werde dem mit Sicherheit nicht ... Ich habe dem mit Sicherheit nicht gesagt: Du musst den jetzt ruppig angehen oder Sonstiges hier veranstalten.“2355 Auf erneuten Vorhalt einiger Passagen aus den Vernehmungen der Opfer hat der Zeuge Markus Weber ausgeführt: „Konkret darauf habe ich nicht reagiert. Es gab offensichtlich ... Wenn man das hier liest, gab es Vorhalte seitens der Kollegen, die die gemacht haben. Wie gesagt, der Ton – kommt darauf an. Das kann ich nicht beurteilen. Er sagt ja vorher auch, es hat eine andere Zeugin gegeben, die was anderes gesagt hat. Offensichtlich ist ihm da versucht worden klarzumachen, dass da irgendwelche Aussagen nicht stimmig sind. Aber das ist jetzt nicht in irgendeiner Form nachbereitet worden.“2356 e. Kritische Würdigung Die vom Ausschuss gehörten Opferzeugen haben eindrücklich geschildert, dass sie sich durch das Verhalten der Polizei in den Ermittlungen verdächtigt und wie Täter behandelt fühlten. Ihren Aussagen wurde nicht geglaubt. Das Verhalten der Polizei führte zu einer erneuten Viktimisierung der Opfer. Auch aus den Ermittlungsakten ist ersichtlich, dass insbesondere den Beteuerungen der Familie Y., weder Täter des Nagelbombenanschlags zu kennen noch über für die Aufklärung 2352 2353 2354 2355 2356 Nicht amtliches Protokoll des 176. Verhandlungstag am 21. Januar 2015 im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlich auf nsu-watch.info, A95530. Nicht amtliches Protokoll des 176. Verhandlungstag am 21. Januar 2015 im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlich auf nsu-watch.info, A95530. Weber, APr 16/983 S. 66 f. Weber, APr 16/983 S. 68 f.. Weber, APr 16/983 S. 68. 411 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 des Verbrechens zielführende Informationen zu besitzen, nicht geglaubt wurde. Vielmehr geriet die Familie Y. schon 2004 in den Fokus der Ermittlungen. Über Jahre hat das PP Köln versucht, ihnen das nicht vorhandene Wissen abzupressen. Dazu bediente sie sich tief in die persönlichen Lebensverhältnisse eingreifender Maßnahmen wie Verdeckte Ermittler und Observationen. Auch die Erkenntnisse aus den gegen sie durchgeführten Finanzermittlungen wurden als Druckmittel eingesetzt. Ausweislich eines in den Akten befindlichen Schaubildes verfolgte die EG Sprengstoff das Ziel, einen Statuswechsel vom Zeugen zum Beschuldigten herbeizuführen.2357 Ihren Höhepunkt erreichte diese versuchte Kriminalisierung der Opfer in den zum Teil stundenlangen Vernehmungen im April 2006. Auch diese führten letztlich nicht zu den von der EG Sprengstoff erhofften Ergebnissen. Der Ausschuss konnte sich nicht davon überzeugen, dass PP Köln und StA Köln ihrer Verpflichtung zur Unterrichtung der zum Teil schwer verletzten Geschädigten nachgekommen sind. Zwar waren die entsprechenden Vorschriften in der StPO zunächst nur als gleichwohl verpflichtende Sollvorschriften ausgestaltet. Aber bereits im Jahre 2004 sah der am 1. September 2004 in Kraft getretene § 406h StPO in der Fassung des 1. Opferrechtsreformgesetzes vom 24. Juni 2004 eine frühzeitige Unterrichtung von durch eine Straftat Verletzten vor. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift war der Verletzte auf seine Befugnisse nach § 406d - Mitteilung des Verfahrensausgangs durch die StA -, § 406e – Akteneinsicht -, § 406f - Beistand eines Rechtsanwalts - und § 406g - Beistand eines Rechtsanwalts im Falle der Berechtigung zur Nebenklage - hinzuweisen. Ferner waren nach Absatz 2 der Vorschrift der Verletzte oder sein Erbe so früh wie möglich darauf hinzuweisen, dass und in welcher Weise er einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch geltend machen kann. Schließlich war nach Absatz 3 der Verletzte auch auf die Möglichkeit hinzuweisen, Unterstützung und Hilfe auch durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten zu können. 6. Grundsätzliche Anmerkungen zur Leitung der Ermittlungen durch die StA Köln und Einstellung des Verfahrens Die Leitung von Ermittlungsverfahren liegt in den Händen der StA.2358 Diese soll in bedeutsamen oder in rechtlich oder tatsächlich schwierigen Fällen den Sachverhalt vom ersten Zugriff an selbst aufklären, namentlich den Tatort selbst besichtigen, die Beschuldigten und die wichtigsten Zeugen selbst vernehmen. Bei der Entscheidung, ob sie den Verletzten als Zeugen selbst vernimmt, können auch die Folgen der Tat von Bedeutung sein.2359 Selbst wenn die StA den Sachverhalt nicht selbst aufklärt, sondern ihre Ermittlungspersonen (§ 152 Absatz 1 GVG), d.h. die Behörden und Beamten des Polizeidienstes (§ 161 Absatz 1 StPO), damit beauftragt, hat sie die Ermittlungen zu leiten, mindestens ihre Richtung und ihren Umfang zu bestimmen. Sie kann dabei auch konkrete Einzelweisungen zur Art und Weise der Durchführung einzelner Ermittlungshandlungen erteilen.2360 Bei formlosen mündlichen Erörterungen auch mit der Polizei ist über das Ergebnis der Erörterung ein Vermerk niederzulegen.2361 2357 2358 2359 2360 2361 412 Schaubild des PP Köln, A62167 S. 212. Nr. 1 RiStBV. Nr. 3 Absatz 1 RiStBV. Nr. 3 Absatz 2 RiStBV. Nr. 3 Absatz 3 RiStBV. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bei dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße handelte es sich um einen bedeutsamen und, wie die erfolglos verlaufenen Ermittlungen zeigen, auch um einen tatsächlich schwierigen Fall. Anhaltspunkte dafür, dass die StA Köln ihrer Leitungsfunktion vorliegend gerecht geworden wäre, haben sich nicht ergeben. Den Akten sind kaum Hinweise auf Vermerke über mündliche oder fernmündliche Erörterungen mit der Polizei, dem Polizeilichen Staatsschutz oder anderen, am Verfahren beteiligten Behörden wie dem LKA NRW oder dem Verfassungsschutz zu entnehmen. Soweit Ermittlungsmaßnahmen wie etwa zu Beginn der Ermittlungen die Sicherung von DNA-Spuren und Telekommunikationsverbindungsdaten2362 oder im September 2006 die Observierung des H. Y.2363 durch das PP Köln angeregt worden sind, scheint eine Erörterung über Sinn- und Statthaftigkeit der entsprechenden Maßnahmen mit dem Staatsanwalt, der die Ermittlungen leiten sollte, nicht stattgefunden zu haben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass durch einen Staatsanwalt persönlich auch nur ein Zeuge oder auch nur eine Zeugin oder auch nur ein Beschuldigter oder auch nur eine Beschuldigte selbst vernommen worden wären oder dass zumindest bei polizeilichen Vernehmungen ein Staatsanwalt gegenwärtig gewesen wäre. Eine solche Verfahrensweise hätte sich, ungeachtet der oben wiedergegebenen Vorschriften, im vorliegenden Verfahren schon deshalb empfohlen, weil sich ein Staatsanwalt dadurch selbst einen Eindruck von der vernommenen Personen hätte verschaffen können. Der Ausschuss hat hierzu den nach den oben wiedergegebenen einschlägigen Vorschriften mit der Leitung der Ermittlungen betrauten Oberstaatsanwalt, den Zeugen Josef Rainer Wolf, und den Leiter der MK Sprengstoff, den Zeugen Markus Weber, vernommen. Eine Besichtigung des Tatorts im Rahmen des ersten Zugriffs hat durch den Zeugen Josef Rainer Wolf ersichtlich nicht stattgefunden. So hat der Zeuge Markus Weber angegeben, er sei am Tag der Tat nicht mit dem Staatsanwalt am Tatort gewesen und er glaube auch nicht, dass er mit dem Staatsanwalt, der ja letztendlich zuständig gewesen sei, selbst mal am Tatort war.2364 Der Zeuge Josef Rainer Wolf hat zunächst angegeben, er habe sich hinterher auch mal die Zeit genommen und sei die Keupstraße abgegangen. Es hätten ja zahlreiche andere Möglichkeiten geben können, dieses Fahrrad abzustellen.2365 Auf Nachfrage, ob er unmittelbar nach der Tat am Tatort gewesen sei, hat der Zeuge Josef Rainer Wolf wiederholt, nachfolgend mehrfach die Keupstraße aufgesucht zu haben.2366 Auf weitere konkrete Nachfrage, ob er noch am Tag der Tat die Keupstraße aufgesucht habe, hat er angegeben: „Also ich jedenfalls nicht. In dem Verfahren mitgearbeitet hat ja auch noch der Kollege Boden, der jetzige Oberstaatsanwalt Boden, als Dezernent. Aber ob der da war, das habe ich nicht in Erinnerung. Jedenfalls hat er mir davon auch nichts gesagt.“2367 2362 2363 2364 2365 2366 2367 Vermerk des PP Köln vom 13. Juni 2004 und Antrag der StA Köln vom 24. Juni 2004, A60735, S. 326 ff. Vermerk des PP Köln vom 26. September 2004 und Anordnung der StA Köln vom 29. September 2004, A60737, S. 52 f. Weber, APr 16/983 S. 5. Wolf, APr 16/982 S. 6. Wolf, APr 16/982 S. 10. Wolf, APr 16/982 S. 21. 413 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Soweit den Akten keine Vermerke über Besprechungen zwischen dem PP Köln und der StA Köln zu entnehmen sind, haben sowohl der Zeuge Josef Rainer Wolf2368 als auch der Zeuge Markus Weber2369 darauf hingewiesen, dass stets ein reger verfahrensbezogener Austausch stattgefunden habe. Auch der Zeuge Wolfgang Klonz, damaliger Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes beim PP Köln, hat angegeben, mehrfach mit dem Zeugen Josef Rainer Wolf gesprochen zu haben. Unter anderem habe er mit ihm über die Frage der örtlichen Zuständigkeit sowie darüber gesprochen, ob es Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit des GBA gebe.2370 Mit Verfügung vom 24. Juni 20082371 stellte die StA Köln das Verfahren gemäß § 170 Absatz 2 StPO ein, da ein Täter nicht zu ermitteln gewesen sei. Zunächst sind die Akten einer Referendarin2372 zur Fertigung eines Entwurfs übergeben worden. Der von ihr erstellte Entwurf, ob ohne oder nach Überarbeitung, ist dem Zeugen Josef Rainer Wolf vorgelegt und von diesem gezeichnet worden. Die Einstellungsverfügung befasst sich mit dem Gang des Verfahrens und den durchgeführten Ermittlungen. Zielrichtung war von Beginn an und blieb ersichtlich auch bis zum Schluss das „Kölner Milieu“, das bedeutet Türsteherszene, Schutzgelderpressung, Rauschgifthandel und Rotlicht. Daneben wurden auch Rivalitäten zwischen türkischen Gruppierungen in Erwägung gezogen, auch Kurden und „Graue Wölfe“ fanden Erwähnung. Abschließend hieß es in der Einstellungsverfügung, dass das Verfahren mangels erfolgversprechender Ermittlungsmöglichkeiten und weiterer sachgerechter Ansatzpunkte einzustellen ist.2373 Ergänzend hierzu hat der Zeuge Josef Rainer Wolf angegeben: „Wir hatten das Fahrrad, wir hatten die explodierte Kiste da, dieses Gepäckstück, und wir hatten Fotos von zwei Allerweltstypen von dem Film von VIVA, die noch ihre Baseballkappen ziemlich ins Gesicht gezogen hatten …“2374 Auffällig dabei ist, dass nahezu ausschließlich die Erwägungen eines PHK des PP Köln referiert wurden, die dieser bereits am Tag der Tat, dem 9. Juni 2004, in einem Vermerk als Blatt 6 bis 9 zu den Ermittlungsakten gereicht hat.2375 Die Einstellungsverfügung der StA Köln ist oberflächlich und lückenhaft, weil wesentliche Erkenntnisse des Verfahrens unberücksichtigt geblieben sind und sich bei der gebotenen Sorgfalt bei der Behandlung dieser Erkenntnisse durchaus erfolgversprechende Ermittlungsansätze in Richtung eines rechtsterroristischenen Täterspektrums hätten ergeben können. Überhaupt keine Erwähnung fand der bereits am 28. September 2004 beim PP Köln eingegangene Hinweis aus Großbritannien auf die rechtsgerichteten Nagelbombenanschläge des David Copeland in London im Jahr 1999. Dieser über das BKA an das PP Köln weitergeleitete Hinweis beinhaltete die Anregung zu prüfen, ob nicht auch wegen der Ähnlichkeit der Tatausführung und der Opferauswahl möglicherweise rechtsgerichtete Gruppierungen für die Täterschaft des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße in Betracht kommen könnten.2376 2368 2369 2370 2371 2372 2373 2374 2375 2376 414 Wolf, APr 16/982 S. 19. Weber, APr 16/1297 S. 20, 38, 44. Klonz, APr 16/984 S. 94. Einstellungsverfügung der StA Köln vom 24. Juni 2008, A60737 S. 89 ff. Verfügung der StA Köln vom 4. Juni 2008, A60737 S. 88. Einstellungsverfügung der StA Köln vom 24. Juni 2008, A60737 S. 93. Wolf, APr 16/982 S. 25. Vermerk des PP Köln vom 9. Juni 2004, A60735 S. 17 ff. Spur 260, A12573 S. 294 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die durch den Ausschuss festgestellten Umstände sprechen dafür, dass dem Dezernenten der StA Köln jedenfalls der Hinweis aus Großbritannien auf die Taten des David Copeland bei der abschließenden Einstellungsverfügung vom 24. Juni 2008 überhaupt nicht bekannt war. Es ist deshalb zu vermuten, dass er die Spurenakten nicht gelesen und ausgewertet hat. Der Zeuge Josef Rainer Wolf hat insoweit angegeben, dass ihm der Name Copeland und dessen Taten nicht bekannt seien. Auf den Namen Copeland und die Nagelbombenanschläge in London im Jahre 1999 angesprochen, hat der Zeuge Josef Rainer Wolf zunächst geglaubt, dass Copeland etwas mit Tierschützern zu tun gehabt habe.2377 Auf nochmaligen Hinweis auf den Namen Copeland hat er schließlich angegeben, Copeland vom Namen her, also als Stichwort zu erinnern. Allerdings verband er damit ein Verfahren, das mit niederländischen, schottischen und englischen Ermittlungsbehörden geführt worden ist und Anschläge auf Bedienstete der Pharmaindustrie zum Gegenstand hatte.2378 Ebenfalls überhaupt keine Erwähnung findet das im November 2004 in einer Kölner Straßenbahn aufgetauchte Flugblatt, das sich mit dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße befasste. Das oben bereits erwähnte Flugblatt, das Gegenstand eines gesonderten Verfahrens war, wies ganz offensichtlich auf einen rechtradikalen Hintergrund des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße hin: „Wie Sie vielleicht wissen, ist die Keupstraße bewohnt von sehr vielen Ausländern und das gefällt sehr vielen Deutschen nicht. Wenn Sie mich fragen, war das erst der Anfang, es könnte noch schlimmer werden. Deutsche wehrt euch!!!.“2379 Auch dieser Hinweis auf rechtsmotivierte Gewaltkriminalität blieb im Laufe des Verfahrens und bei der das Verfahren abschließenden Verfügung unberücksichtigt bzw. unerörtert. Auch die Angaben der Zeugin B. K. im Mordfall des Ismail Yaşar in Nürnberg im Jahre 2005, die Bestandteil der Akten der StA Köln geworden sind2380, haben keine Berücksichtigung gefunden. Nach Vorführung der VIVA-Videos im Jahr 2006 war die Zeugin B. K. sich ziemlich sicher, dass die Nürnberger und die Kölner Täter identisch wären. Hier hätte die Möglichkeit bestanden, die Verfahren zusammenzuführen.2381 Ob dem Zeugen Josef Rainer Wolf die Akten nicht vollständig vorgelegen haben oder er die Akten nicht gelesen hat, bleibt offen. Jedenfalls wäre in Anbetracht der Bedeutung dieser Aussage zumindest eine Auseinandersetzung damit in der Abschlussverfügung unerlässlich gewesen. Ebenso fanden die oben bereits erörterten Angaben der Zeugin Jelica Dzinic zum Mordfall Kubaşık keine Berücksichtigung. Sie konnten keine Berücksichtigung finden, weil deren Angabe, die von ihr beobachteten Männer hätten wie „Nazis“ ausgesehen, von den Dortmunder Ermittlern nicht entsprechend komuniziert wurden. Ablichtungen der Vernehmungsprotokolle finden sich nicht einmal in den Verfahrensakten. Der Zeuge Markus Weber hat aber angegeben, auch Kontakt zu den Dortmunder Ermittlern gehabt zu haben. Er sei auch persönlich in 2377 2378 2379 2380 2381 Wolf, APr 16/982 S. 44. Wolf, APr 16/982 S. 45. Flugblatt, A62167 S. 202. Vernehmung der B. K. vom 23. Mai 2006, A60757 S. 313 ff. (VS-nfD). Vernehmung der B. K. vom 23. Mia 2006, A60757 S. 313 ff. (VS-nfD). 415 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dortmund gewesen und habe sich mit den Kollegen ausgetauscht, um Ansatzpunkte zu finden, mit denen man weiter arbeiten könnte. Auf Nachfragen hat er hinzugefügt, dass nichts weiter in Richtung rechts thematisiert worden sei.2382 In den Akten der StA Köln findet sich ein Hinweis auf diese Ermittlungshandlungen nicht. Im Fall des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße hat der LOStA in Köln entsprechend der BeStra (Berichtspflichten in Strafsachen) von Beginn an dem JM NRW durch den GStA in Köln über den Gang der Ermittlungen berichtet. Der Ausschuss hat Einsicht in den Vorgang des JM NRW nehmen können, der die Berichte des LOStA in Köln und die Randberichte des GStA in Köln enthält, mit denen die Berichte weitergegeben worden sind. Aus der Sicht des Ausschusses ist der Bericht des LOStA in Köln vom 11. Juni 2004 nicht zu beanstanden. Die weiteren Berichte des LOStA in Köln in der Zeit vom 5. Juli 2004 bis zum 3. Juli 2008 geben indes nicht mehr den tatsächlichen Erkenntnisstand wieder. Weder werden die sich aus den Operativen Fallanalysen des LKA NRW und des BKA ergebenden Hinweise auf Ausländer- / Türkenhasser als mögliche Täter noch der Hinweis von Scotland Yard auf die rechtsterroristisch motivierten Nagelbombenanschläge des David Copeland und schließlich auch nicht die Aussage der B. K. in Nürnberg erwähnt, nach der die Täter des Kölner Nagelbombenanschlags und die Ceska-Mörder identisch sind. Nachfragen durch den GStA in Köln oder das JM NRW zum Verfahren erfolgen bis zur Einstellung des Verfahrens im Jahre 2008 nicht, obwohl andere als die von den Ermittlern präferierten Hinweise vorliegen und auch in der Presseberichterstattung in nicht geringem Ausmaß in durchaus schlüssiger Weise der Verdacht einer rechtsterroristisch motivierten Tat erörtert wird.2383 III. Mord an Mehmet Kubaşık - Tatkomplex Dortmund 1. Tatgeschehen Am Dienstag, dem 4. April 2006, beabsichtigte die Zeugin J. H. in dem Kiosk Mallinckrodtstraße 190 eine Zeitung zu kaufen. Gegen 12:55 Uhr betätigte sie mehrmals die Außenklingel an dem Verkaufsfenster des Kiosk. Als darauf keine Reaktion erfolgte, warf sie durch das Fenster einen Blick in den Kiosk und sah auf dem Fußboden eine blutüberströmte Person liegen. Ohne den Kiosk zu betreten, rief sie auf der Straße um Hilfe und verständigte um 12:59 Uhr über Notruf die Einsatzleitstelle des PP Dortmund.2384 Der durch die Hilferufe der Zeugin J. H. aufmerksam gewordene Betreiber einer Lottoannahmestelle in der Mallinckrodtstraße 186 begab sich durch die geschlossene, aber nicht verschlossene Tür in den Kiosk und erkannte in der hinter der Verkaufstheke liegenden Person den ihm aus ihrer Geschäftstätigkeit persönlich aber nicht namentlich bekannten Mehmet Kubaşık. Er versuchte lediglich erfolglos, den Puls des Mehmet Kubaşık zu ertasten und wartete draußen gemeinsam mit der Zeugin J. H. auf das Eintreffen der Polizei und der Rettungskräfte.2385 Die von der Einsatzleitstelle des PP Dortmund eingesetzten Polizeibeamten trafen um 13:01 Uhr am Tatort ein. Sie fanden die Haupteingangstür zum Kiosk geöffnet vor. In dem Verkaufsraum lag Mehmet Kubaşık in seitlicher Rückenlage auf dem Boden, wobei die Beine in einer Art Kniestellung angewinkelt waren und der an ein Regal angelehnte Kopf in Richtung 2382 2383 2384 2385 416 Weber, APr 16/983 S. 48. Vorgang 4040 E – III. 7/04 des JM NW, A20734. Vernehmung der J. H. vom 5. April 2006, A60745 S. 168 f. Vernehmung des Betreibers der Lottoannahmestelle vom 4. April 2006, A60745 S. 39 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Straßenseite wies. Sie konnten ebenfalls keinen Puls ertasten, stellten aber fest, dass der Körper des Geschädigten noch Temperatur aufwies und offensichtlich aus seinem Ohr und einer Verletzung an der rechten Schläfe Blut austrat.2386 Die Seitentür zum Kiosk war geschlossen, aber nicht verschlossen. Die im Verkaufsbereich stehende Registrierkasse war ebenfalls geschlossen. Der Verkaufsraum befand sich in einem geordneten Zustand und wies keine Hinweise auf Verwüstungen oder Kampfhandlungen auf. Weitere Personen hielten sich zu diesem Zeitpunkt weder in dem Verkaufsraum noch in dem hinteren Bereich des Kiosk auf.2387 Nach erfolglosen Reanimationsversuchen der um 13:06 Uhr am Tatort erschienenen Rettungssanitäter, die zu diesem Zweck den Mehmet Kubaşık flach auf den Rücken legten, stellte der hinzugezogene Notarzt gegen 13:15 Uhr den Tod des Mehmet Kubaşık, offensichtlich durch Kopfschüsse, fest.2388 Zur Identitätsfeststellung des Opfers zog ein Rettungssanitäter aus dessen rechter Gesäßtasche die Geldbörse, in der sich augenscheinlich eine größere Summe Bargeld befand2389 und übergab sie einem Polizeibeamten, der sie auf der neben der Verkaufstheke stehenden Gefriertruhe ablegte. Bei der noch am selben Tage durchgeführten Obduktion wurde festgestellt, dass Mehmet Kubaşık durch zwei Kopfschüsse getötet worden war. In der Kopfhaut des Getöteten wurde ein Projektil aufgefunden;2390 drei weitere Projektile und eine Patronenhülse konnten am Tatort sichergestellt werden.2391 2. Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei a. Ermittlungsmaßnahmen Unmittelbar nach Bekanntwerden des Tatgeschehens nahm das PP Dortmund unter Federführung der StA Dortmund die Ermittlungen auf. aa. Polizeilicher Kräfteeinsatz (1) Bildung einer Mordkommission Um 13:10 Uhr des Tattages setzte die Einsatzleitstelle die Kriminalwache des PP Dortmund und diese wiederum den Leiter des u. a. für Tötungsdelikte zuständigen KK 11 von dem Auffinden einer offenbar durch Kopfschüsse getöteten Person in Kenntnis. Es wurde umgehend eine zunächst aus sieben Kriminalbeamten und Kriminalbeamtinnen bestehende Mordkommission eingerichtet, zu deren Leiterin die stellvertretende Leiterin des KK 11, die Zeugin Barbara Lichtenfeld, bestimmt wurde. Zwei zwei-köpfige Teams der MK, Beamte der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle (KTU) sowie Beamte der Schutzpolizei und der Kriminalwache des PP Dortmund nahmen unverzüglich die Ermittlungen am Tatort auf. Der seitens der MK verständigte bei der StA Dortmund für Kapitaldelikte zuständige Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper und ein von diesem beauftragter Rechtsmediziner des gerichtsmedizinischen Instituts der Stadt Dortmund erschienen ebenfalls sofort am Tatort.2392 2386 2387 2388 2389 2390 2391 2392 Sachverhaltsschilderung der Erstmeldung des PP Dortmund vom 4. April 2006, A60747 S. 10. Sachverhaltsschilderung der Erstmeldung des PP Dortmund vom 4. April 2006, A60747 S. 11. Sachverhaltsschilderung der Erstmeldung des PP Dortmund vom 4. April 2006, A60747 S. 11; Notarzteinsatzprotokoll vom 4. April 2006, A60747 S. 299 f. Vernehmung eines Rettungssanitäters vom 4. April 2006, A60745 S. 48. Obduktionsprotokoll vom 4. April 2006, A60747 S. 309. Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 231. Vermerk des PP Dortmund vom 4. April 2006, A60747 S. 6 f. 417 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (2) Errichtung einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Nach den beiden zu der Serie der Ceska-Morde zählenden Taten an Ismail Yaşar und Theodorus Boulgarides (6. und 7. Mord), die nur innerhalb einer Woche im Juni 2005 in Nürnberg und München begangen worden waren, wurde durch Entscheidung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern am 1. Juli 2005 die BAO Bosporus gegründet, die mit dem Leitenden Kriminaldirektor Wolfgang Geier, seinerzeit Leiter der Kriminaldirektion des PP Mittelfranken in Nürnberg, als Leiter für die Bearbeitung der fünf in Bayern begangenen Morde zuständig war. 2393 Nach dem Mord an Mehmet Kubaşık zog die MK-Leiterin, die Zeugin Barbara Lichtenfeld, aufgrund der am Tatort festgestellten Umstände noch am Tattag Parallelen zu den Taten der BAO Bosporus. Sie hat dazu bekundet: „Es gab da diverse Fernschreibverkehre, die wir dann natürlich zur Kenntnis bekommen, die ich dann auch gelesen hatte. Darin befand sich auch eine Telefonnummer, die man anrufen konnte. Und da es sich bei uns so darstellte, dass also von Anfang an keine großen Zeugen da waren und kleinkalibrige Waffe, kleiner Gewerbenehmender, also ein Kioskbetreiber, habe ich dann gedacht: Dann rufe ich mal lieber an und versuche, das abzuklären.“2394 Am 5. April 2006 nahm sie telefonisch Kontakt mit dem zuständigen Sachbearbeiter der BAO Bosporus auf, der aufgrund der Tatausführung ihren Verdacht bezüglich der Parallelen in den Mordfällen bestätigte.2395 Für eine Vergleichsuntersuchung der bei den Taten verwendeten Waffe wurde die am Tatort sichergestellte Munition umgehend dem BKA zur Untersuchung überbracht. Noch am selben Tag wurde als Ergebnis mitgeteilt, dass es sich bei der Tatwaffe in Dortmund um die Waffe der Marke Ceska 83 handelt, die auch in den anderen Fällen eingesetzt worden war.2396 Da damit feststand, dass die Tat in Dortmund den 8. Fall der bundesweiten Ceska-Serie darstellte, wurden die Ermittlungen noch am 5. April 2006 von der MK Kiosk in eine BAO Kiosk überführt.2397 Mit der Leitung dieser BAO wurde der Zeuge Bert Gricksch, seinerzeit Leiter der KI 1 des PP Dortmund, beauftragt. Zu der KI 1 gehörten drei Kriminalkommissariate, u. a. das für Tötungsdelikte zuständige KK 11. Zum Grund der Errichtung einer BAO hat der Zeuge Bert Gricksch im Ausschuss ausgeführt: „Als diese Tat am 4. 4. geschah und die Zusammenhänge deutlich wurden sehr schnell, dass es eben Zusammenhänge gibt mit diesen Ceska-Morden, war klar, dass es eine größere besondere Aufbauorganisation wird. Da versteht es sich von selbst, dass ein Beamter des höheren Dienstes die Koordinierung vornimmt mit den Dienststellen, mit denen man zu tun hat, also eben denen, die außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen sind. So ist es dann auch gewesen.“2398 2393 2394 2395 2396 2397 2398 418 Geier, APr 16/1142 S. 63 f. Lichtenfeld, APr 16/1126, S. 73. Vermerk des PP Dortmund vom 5. April 2006, A60746 S. 225. Telefax des BKA vom 5. April 2006, A60747 S. 140. Fragenraster, A10024 S. 64. Gricksch, APr 16/1154 S. 98. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Zeugin Barbara Lichtenfeld hat sich ähnlich geäußert und angegeben, bei länderübergreifenden Fällen sei es „Vorgabe“, dass eine besondere Aufbaustruktur mit einem Leiter aus dem höheren Dienst gebildet würde.2399 Die BAO Kiosk unter der Leitung des Zeugen Bert Gricksch und einer aus zwei Kriminalhauptkommissaren bestehenden Führungsgruppe gliederte sich in folgende drei Einsatzabschnitte: - - Ermittlungen: zuständig für die Aufnahme des subjektiven Tatbefundes, Hinweis-und Spurenbearbeitung und TKÜ-Maßnahmen, Sachbeweis: zuständig für die Aufnahme des objektiven Tatbefundes und Spurenuntersuchung /-begutachtung und das Veranlassen kriminaltechnischer und wissenschaftlicher Untersuchungen und Ermittlungsunterstützung: zuständig für Finanzermittlungen, VP/VE-Einsatz, Analyse und Auswertung, Datenaufbereitung.2400 Leiterin des Einsatzabschnittes „Ermittlungen“ war zunächst bis zum 12. Mai 2006 die Zeugin Barbara Lichtenfeld. Als diese aus Anlass der Fußballweltmeisterschaft mit der Leitung einer Dienstgruppe beauftragt wurde, übernahm der Zeuge Michael Schenk, bis dahin Sachbearbeiter in der BAO Kiosk, die Leitung des Einsatzabschnittes „Ermittlungen“.2401 Zu diesem bis zu 30 Beamten starken Einsatzabschnitt zählten neben Todesermittlern Beamtinnen und Beamte aus den Kommissariaten „Organisierte Kriminalität“ und „Staatsschutz“. Im Rahmen der Ermittlungen wurden u. a. 190 Spuren - daktyloskopische, serologische, Mikrofaserspuren, Schmauchspuren und Saugspuren nach BtM - gesichert und ausgewertet, 38 tatbezogene Zeugen vernommen und 143 Spurenfälle bearbeitet. bb. Polizeiliche Ermittlungen zum Tatgeschehen Die von der MK bzw. BAO Kiosk, zum Teil in Zusammenarbeit mit Beamten des BKA2402 durchgeführten Ermittlungen führten zu folgenden Ergebnissen: (1) Tatort Der Tatort befindet sich im nördlichen Innenstadtbereich der Stadt Dortmund. Die Mallinckrodtstraße ist eine in beiden Fahrtrichtungen zweispurig ausgebaute, nur durch einen Grünstreifen voneinander getrennte, viel befahrene Ost-Westverbindung. Die Wohnbebauung ist gekennzeichnet durch geschlossene mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser, in die teilweise Kleingewerbebetriebe und Gaststätten integriert sind. Der Kiosk befand sich in einem fünfeinhalb geschossigen Mehrfamilienhaus, direkt neben einer Durchfahrt zu einem Garagenhinterhof. An dieser Durchfahrt war auch die Seitenzugangstür zu dem Kiosk. Das gesamte Tatobjekt bestand aus insgesamt sechs Räumen: dem Verkaufsraum und einem dahinter gelegenen, durch ein querstehendes Regal und zwei Kühlschränken abgeteilten Raum, daran angrenzend einem Bad und einer Küche sowie zwei zusätzlichen Lagerräumen. Von der Straße aus führte die Haupteingangstür direkt in den ca. 40 m² großen Verkaufsraum. Neben der Tür befand sich eine dreiteilige Fensterfront. Durch die Öffnung des als Schiebefenster gestalteten mittleren Fensters fand der Straßenverkauf statt. Auf der Schaufensterscheibe klebte ein postkartengroßer Zettel, bedruckt mit dem Namen und der Handynummer des Mehmet Kubaşık. An allen Wänden des Verkaufsraumes waren Regale angebracht, die mit handelsüblichen Kiosk-Artikeln wie Zigaretten, Süßigkeiten, Getränken 2399 2400 2401 2402 Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 87. Organigramm der BAO Kiosk, A10116 S. 343, 346. Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 92. Protokoll des BKA vom 10. April 2006, A60747 S. 219 ff. 419 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 etc. befüllt waren. Rechts von der Eingangstür parallel zu der Raumwand stand die Verkaufstheke, die den Kundenbereich vom Verkäuferbereich trennte. Neben der Theke stand auf einem damit verschraubten Holzschränkchen eine elektronische Kasse, deren Schublade zum Zeitpunkt der polizeilichen Tatortaufnahme ungeöffnet war und Bargeld in Höhe von 75,- Euro in Scheinen und etwa 30,- Euro in Münzen enthielt. An das Schränkchen schloss sich eine Speiseeis-Kühlbox an, auf der eine Ledergeldbörse mit Bargeld, einem Personalausweis sowie einer Krankenkarte, ausgestellt auf den Namen „Mehmet Kubaşık“ lag. Neben der Kühlbox führte nach rechts ein etwa 0,8 m breiter Durchgang hinter die Theke in den Verkäuferbereich.2403 In diesem Bereich lag bei der Tatortaufnahme auf dem Fußboden in einer Blutlache die Leiche des Mehmet Kubaşık. Neben der Leiche auf dem Fußboden wurde ein Projektil, Kal. 7,65 mm, Sellier & Bellot vorgefunden, ein zweites und drittes auf dem untersten und dem vierten Regalboden von unten des dahinter an der Wand stehenden Regals. Eine Patronenhülse Kal. 7,65 mm des Herstellers Sellier & Bellot lag oberhalb des Zahlenblocks auf der elektronischen Kasse.2404 In dem Verkaufsraum war sichtbar in einer Raumecke eine Videokamera installiert. Eine Kabelverbindung führte in die hinteren Räume zu einem Videorecorder und Fernsehgerät. Die Kabel waren dort jedoch nicht eingesteckt. Die Überwachungsanlage war defekt und von der Familie Kubaşık nie in Betrieb genommen worden. Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, wer davon wusste, dass diese Kamera nicht in Betrieb ist und ob dies für die Täter ohne weiteres ersichtlich war. Die Zeugin Gamze Kubaşık hat dazu ausgeführt: „Das weiß ich gar nicht so. Wenn man sich damit gut auskennt ... Ich weiß nur, dass da so was Rotes geblinkt hat, wo die an war. Und als mein Vater die dann – ich kann mich daran erinnern – ausgemacht hat, hat es nicht geblinkt. Vielleicht, wenn sich da jemand auskennt, weiß man dann, dass die gerade nicht eingeschaltet ist oder so. Ich weiß es nicht.“ Ob ihr Vater sich mit Kunden darüber unterhalten habe, dass diese Kamera außer Betrieb sei, wisse sie nicht.2405 Die Zeugin Barbara Lichtenfeld hat angegeben, dass der Täter davon habe ausgehen müssen, dass die Kamera funktioniere. Es sei im Rahmen der Ermittlungen jedoch nicht nachvollzogen worden, ob der Täter wissen konnte, ob die Kamera in Betrieb war.2406 (2) Spuren Der Zeuge Christian Hüser führte im Auftrag der Zeugin Barbara Lichtenfeld, am 4. und 5. April 2006 gemeinsam mit einem weiteren Beamten der KTU des PP Dortmund die Spurensicherung am Tatort und während der Obduktion an der Leiche durch.2407 2403 2404 2405 2406 2407 420 Tatortbefundbericht des PP Dortmund von 4. April 2006, A60747 S. 33 ff. Spurensicherungsbericht vom 5. April 2006, A60747 S 98 ff.; Gutachten des BKA vom 22. Mai 2006, A60747 S. 143 ff. Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 38 f. Lichtenfeld APr 16/1126 S. 107 f. Hüser, APr 16/1216 S. 4. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (a) Daktyloskopische Spuren Bei der mittels eines Adhäsionsmittels erfolgten Spurenuntersuchung am Tatort konnten lediglich an der Eingangstür des Kiosk 17 Fingerspurenfragmente und im Verkaufsraum auf dem Wechselgeldschiffchen vor der Außenverkaufstheke ein Spurfragment gesichert werden.2408 Fünf dieser Spuren konnten dem Opfer Mehmet Kubaşık zugeordnet werden. Die übrigen Spuren wiesen teils keine Hinweis-oder Identifizierungsqualität auf oder waren zwar für einen Identitätsnachweis geeignet, konnten aber keiner Person zugeordnet werden.2409 Alle am Tatort sichergestellten und in der Bekleidung des Opfers vorgefundenen persönlichen Gegenstände wurden dem BKA zur weiteren Bearbeitung zugesandt. Die auf den Asservaten sichtbar gemachten und für Vergleichszwecke geeigneten daktyloskopischen Spuren konnten ausnahmslos tatortberechtigten Personen zugeordnet werden.2410 (b) Serologische Spuren Während der Spurensicherung am Tatort wurden serologische Abriebe von Blutspuren und von der Kioskeingangs-und Ausgangstürklinke gefertigt. Im Rahmen der Obduktion wurden serologische Abriebe der Handinnen- und außenflächen sowie Fingernagelabschnitte des Mehmet Kubaşık, seine Armbanduhr und von den Ringfingern beider Hände je ein goldfarbener Ring gesichert.2411 Die Abriebe wurden mit den sichergestellten Asservaten dem BKA zur molekulargenetischen Untersuchung übersandt. Diese ergab, dass alle auswertbaren Abriebe dem Opfer Mehmet Kubaşık bzw. tatortberechtigten Personen zuzuordnen waren. Lediglich der Abrieb einer fluoreszierenden Substanz unterhalb eines Regalbrettes, die DNA-Merkmale einer weiblichen Person aufwies, konnte keiner Person zugeordnet werden. Von den an den Asservaten gesicherten serologischen Spuren konnte das BKA mit Ausnahme einer Mischspur an einem Einwegfeuerzeug alle Spuren dem Opfer bzw. tatortberechtigten Personen zuordnen.2412 (c) Mikrospuren Im Zuge der erkennungsdienstlichen Maßnahmen am Tatort und während der Obduktion wurde die Bekleidung des Opfers sichergestellt und flächendeckend teils vor Ort, teils im BKA mittels Mikrospurenfolie abgeklebt. Die Untersuchung der Mikrofasern wurde bis zum Vorliegen von Vergleichsmaterial eines Tatverdächtigen zurückgestellt.2413 Ob die Untersuchung auf Hinweis des Zeugen Christian Hüser vom 30. Januar 2012, dass die vergleichenden Untersuchungen der Mikrofolien mit Fasern der Bekleidung der Tatverdächtigen zurückgestellt worden waren2414, erfolgt ist, ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht. (d) Spuren an Projektilen und Hülse Da die Zeugin Barbara Lichtenfeld einen Tatzusammenhang mit den bis dahin bekannt gewordenen Ceska-Morden vermutete, entschied sie, dass die bei der Tatortaufnahme aufgefundenen drei Projektile und die Hülse sowie das bei der Obduktion aus der Kopfhaut der Leiche entfernte Projektil unverzüglich beim BKA untersucht werden sollten. Nach Rücksprache mit dem im Kriminaltechnischen Institut beim BKA zuständigen Zeugen Leopold Pfoser ließ der Zeuge Christian Hüser die Asservate noch am 5. April 2006 durch einen POK als Kurier per Hubschrauber zum BKA bringen.2415 2408 2409 2410 2411 2412 2413 2414 2415 Spurensicherungsbericht vom 5. April 2006, A60747 S. 98 ff. Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 237. Schreiben des BKA vom 3., 4. und 10. Mai 2006, A60747 S. 235 ff. Spurensicherungsbericht vom 5.4.2006, A60747 S. 98 ff. Behördengutachten des BKA vom 21. Juli 2006, A60747 S. 264 ff. Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 239. Vermerk des PP Dortmund vom 30. Januar 2012, A62163 S. 234 f. Spurensicherungsbericht vom 5. April 2006, A60747 S. 109. 421 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die kriminaltechnische Begutachtung sollte vorgenommen werden zur Bestimmung der Anzahl der bei der Tatausübung benutzten Waffen, der verwendeten Waffensysteme und des Munitionsherstellers der Tatmunition. Insbesondere sollte festgestellt werden, ob Spurenübereinstimmung mit der bei den Ceska-Morden verwandten Tatmunition bestand.2416 (aa) Abwischen der Hülse vor der Untersuchung Im Eingangsprüfungsprotokoll des BKA vom 10. April 2006 betreffend alle an das BKA zur daktyloskopischen und molekulargenetischen Untersuchung übersandten Untersuchungsmaterialien heißt es: „Hülse auf Ziffernblock der Kasse mit Bodenprägung 7.65 S&B wurde im Rahmen der Sachbearbeitung bei KT 21 (Anm.: vorab am 5.4.2006) außen abgewischt. Herr Pfoser wies den AG (siehe entsprechende Aufzeichnungen von Herrn Pfoser) darauf hin, dass DNA-Mikrospuren und daktyloskopische Spuren dann nicht mehr auswertbar seien. Der AG hielt derartige Untersuchungen für entbehrlich.“2417 Auf die Frage, welche Person beim PP Dortmund dieser Auftraggeber war, hat der Zeuge Leopold Pfoser erklärt, zum Erkennen der Waffenspuren sei eine Reinigung der Munitionsteile erforderlich gewesen. Er habe den Sachbearbeiter, der die Munition per Hubschrauber zum BKA gebracht habe, gebeten, mit seiner Dienststelle die Frage abzuklären, ob die Hülse vor der Reinigung noch auf DNA-Spuren untersucht werden solle. Beim PP Dortmund sei dann entschieden worden, dass die Dringlichkeit vorgehe. Weiter hat der Zeuge Leopold Pfoser wörtlich angegeben: „Und so haben wir uns dann auch entschieden, wie gesagt, weil zu dem Zeitpunkt kam es so gut wie nie vor - mir war da kein Fall bekannt -, dass man DNA gefunden hat, und zwar DNA des Täters, auf einer Hülse, die verfeuert worden ist und die unter entsprechender Hitzeeinwirkung stand. Und Anzeichen von daktyloskopischen Spuren ergaben sich nicht auch von vornherein durch die starke Beschmauchung usw.“2418 Der Zeuge Christian Hüser hat zu den Erfolgsaussichten einer DNA-Untersuchung an abgefeuerten Patronenhülsen erklärt: „Ich kann […] sagen, dass ich meines Wissens nach auch Kontakt mit unserem Landeskriminalamt aufgenommen habe, was die Erfolgsaussichten bei einer DNA-Untersuchung an abgefeuerten Patronenhülsen angeht. Diesbezüglich war unser damaliger Kenntnisstand, dass eine DNA-Untersuchung an abgefeuerten Patronenhülsen nicht möglich sei. Ich habe deshalb, wie gesagt, auch gestern noch mal mit Dr. Tschentscher vom Landeskriminalamt telefoniert, der immer noch sagte, unter Laborbedingungen sei es schon mal vorgekommen, tatsächlich eine DNA mittlerweile möglicherweise zu extrahieren, aber in seiner Tätigkeit wäre es noch nicht vorgekommen. Dass ich aber gezielt irgendwo was ausgenommen habe, das kann ich nicht sagen. Ich habe möglicherweise diese Hinweise vom Landeskriminalamt weitergegeben. Aber ausschließen kann ich es nicht, weil ich es nicht weiß. Ich lasse diese Sachen dann in der Regel auch die Fachleute aus der DNA-Untersuchung entscheiden.“2419 2416 2417 2418 2419 422 Waffen-Sprengstoff-Meldung des PP Dortmund vom 5. April 2006 und Behördengutachten des BKA vom 22. Mai 2006, A60747 S. 138 f., 143 f. Protokoll des BKA vom 10. April 2006, A60747 S. 221. Pfoser, APr 16/1211 S. 47 ff. Hüser, APr 16/1216 S. 6. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die konkrete Frage, ob er seinerzeit der im Eingangsprüfungsprotokoll des BKA erwähnte Auftraggeber gewesen sein, hat der Zeuge Christian Hüser mit Nichtwissen beantwortet. Er hat es aber für unwahrscheinlich erachtet, dass er DNA- und daktyloskopische Untersuchungen an der Hülse für entbehrlich gehalten habe. Wenn etwas irgendwie möglich sei, dann werde es in der Regel auch gemacht.2420 Soweit er angegeben hat, seinen damaligen Untersuchungsantrag seines Wissens so formuliert zu haben, dass eine daktyloskopische, serologische Untersuchung erfolgen und alle weiteren Untersuchungsaufträge der BAO Bosporus obliegen sollten, hat er seinen Untersuchungsantrag betreffend die Munition offensichtlich mit dem weiteren Untersuchungsantrag vom 10. April 2006 betreffend alle übrigen Asservate2421 verwechselt. Denn bei der Beantragung der Munitionsuntersuchung am 5. April 2006 war ein Bezug zur BAO Bosporus noch nicht hergestellt. Auf die Frage, ob sie in die Überlegungen um die Untersuchung der Patronenhülsen eingebunden worden war, hat die Zeugin Barbara Lichtenfeld bekundet, es handele sich dabei um eine Spezialfrage an den Erkennungsdienst und die Spezialisten beim BKA. Sie habe dafür gesorgt, dass die Tatmunition zum BKA gelangt sei. Alles Weitere hätten die Spezialisten zu entscheiden gehabt.2422 Zu den Erfolgsaussichten einer DNA-Untersuchung an abgewischten Patronenhülsen hat der Zeuge Leopold Pfoser ausgeführt, er kenne keinen Fall, in dem DNA-Material an einer abgewischten Patronenhülse habe gesichtert werden können. Es seien zwischenzeitlich diverse Experimente durchgeführt worden, in denen Speichel oder Blutstropfen auf Geschosse aufgetragen oder diese angefasst worden seien, bevor sie verfeuert worden seien. Blut habe man in Einzelfällen sichtbar machen können, nicht aber Speichel oder gar daktyloskopische Spuren. An einer Patronenhülse könnten DNA-Spuren nur dann gelangen, wenn ein Täter, der keine Handschuhe trage, aus einer Plastiktüte heraus die Munition abfeuere und die Hülse dann in dieser Tüte herumwirbele, gegen die Hand pralle und anschließend aus der Tüte herausfalle. Anschließend hat er eingeräumt, es sei vielleicht ein Fehler gewesen, diese Möglichkeit nicht bedacht zu haben.2423 (bb) Untersuchung der Munition Die kriminaltechnische Untersuchung der Munition im BKA führte zu dem Ergebnis, dass die Geschosse aus demselben Lauf, mithin aus einer einzigen Waffe und zwar wahrscheinlich aus einer Selbstladepistole Ceska, Modell 83, Kaliber 7.65 mm Browning verfeuert worden waren. Außerdem ergab ein Spurenvergleich mit den entsprechenden Tatmunitionsteilen der zentralen Tatmunitionssammlung des BKA, dass die Hülse und Geschosse aus derselben Waffe wie bei den vorhergehenden Ceska-Morden verfeuert worden waren.2424 Darüber hinaus stellte der Zeuge Leopold Pfoser bei seinen Untersuchungen fest, dass die Patronenhülse eine erhebliche und relativ gleichmäßig intensive äußerliche Beschmauchung aufwies, die für einen üblichen Verfeuerungs- und Auswurfvorgang aus einer Selbstladepistole ungewöhnlich war. Dieser Umstand war mit einem wiederholten Beschmauchen der Hülse nach erfolgtem Auswurfvorgang zu erklären. Dies wiederum verstärkte die Vermutung, 2420 2421 2422 2423 2424 Hüser, APr 16/1216 S. 6. Antrag auf Erstellung eines Gutachtens beim BKA vom 5. April 2006, A60747 S. 136; Protokoll des BKA vom 10. April 2006, A60747 S. 219 f. Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 115. Pfoser, APr 16/1211 S. 49 f. Behördengutachten des BKA vom 22. Mai 2006, A60747 S. 146. 423 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dass - wie bereits bei vorhergegangenen Ceska-Morden - aus einer Kunststofftüte geschossen worden war.2425 Schließlich entdeckte der Zeuge Leopold Pfoser bei der Überprüfung der Geschosse, dass bei allen vier Geschossen die Verfeuerungsspuren von hauchdünnen aluminiumsfarbenen Anhaftungen überlagert waren. Bei einer nachträglichen Untersuchung der Geschosse der vorhergegangenen Ceska-Morde stellte er bei den Taten, beginnend mit der fünften in Rostock am 25. Mai 2004, im gleichen Spurenbereich gleiche Anhaftungen fest. Er hielt es für wahrscheinlich, dass diese Überlagerungen durch geringes Streifen der Geschosse mit einer Aluminiumwandung eines Schalldämpfers verursacht worden waren, die Täter also ab dem fünften Mord einen Schalldämpfer verwendet hatten.2426 (e) Schussspuren Zusätzlich beauftragte das PP Dortmund das BKA mit einer Schussspurenuntersuchung. Zu diesem Zweck wurden am Tatort, zum Teil anlässlich einer Tatortbegehung mit dem zuständigen Sachbearbeiter des BKA, alle Gegenstände sichergestellt bzw. untersucht, die Schussbeschädigungen aufwiesen. Im kriminaltechnischen Institut des BKA konnten an den untersuchten Asservaten Schmauchantragungen nachgewiesen werden, ebenso an den Hautdefekten im Bereich des Kopfes des Opfers. Eine Schussentfernungsbestimmung war allein auf der Grundlage des Schmauchverteilungsbildes nicht möglich, weil anzunehmen war, dass bei der Verwendung einer Waffe mit Schalldämpfer ein Großteil der austretenden Schmauchpartikel im Schalldämpfer selbst verblieben war.2427 (3) Tatzeit Zum Ablauf des Morgens des 4. April 2006 gab die Ehefrau des Opfers Mehmet Kubaşık, die Zeugin Elif Kubaşık, in ihrer polizeilichen Vernehmung am 5. April 2006 an, sie habe den Kiosk um 7:15 Uhr geöffnet. Gegen 10:00 Uhr sei ihr Ehemann gekommen, woraufhin sie gemeinsam gefrühstückt hätten. Etwa um 10:30 Uhr habe sie den Kiosk verlassen, um sich mit ihrer Schwester, die aus England bei ihnen zu Besuch gewesen sei, in der Stadt zum Einkaufen zu treffen.2428 Zwischen 10:30 Uhr und 12:30 Uhr wurde Mehmet Kubaşık mehrfach von Zeugen auf der Malinckrodtstraße wahrgenommen.2429 Eine Zeugin traf ihn zwischen 12:05 Uhr und 12:10 Uhr alleine in seinem Kiosk an.2430 Schließlich konnte ermittelt werden, dass Mehmet Kubaşık um 12:07 Uhr seinen Bruder in der Schweiz angerufen und sich zwei bis drei Minuten mit ihm über belanglose Dinge unterhalten hat.2431 Da der Notruf der Auffindezeugin bei der Einsatzleitstelle des PP Dortmund um 12:59 Uhr einging, ist die Tatzeit auf den Zeitraum zwischen 12:10 Uhr und etwa 12:55 Uhr einzugrenzen. cc. Rechtsmedizinische Untersuchungen (1) Obduktionsergebnis Die Obduktion wurde im Auftrag der StA Dortmund noch am Tattag im Institut für Rechtsmedizin der Stadt Dortmund durchgeführt. Ausweislich des Protokolls war Todesursache ein zentrales Regulationsversagen vor dem Hintergrund von zwei Kopfschussverletzungen mit 2425 2426 2427 2428 2429 2430 2431 424 Behördengutachten des BKA vom 22. Mai 2006, A60747 S. 148; Pfoser, APr 16/1211 S. 48. Behördengutachten des BKA vom 22. Mai 2006, A60747 S. 148 f. Behördengutachten des BKA vom 27. November 2006, A60747 S. 279 ff., 291 Vernehmung der Elif Kubaşık vom 5. April 2006, A60745 S. 173 f. Vernehmung des S. L. vom 17. Mai 2006, A13312 S. 314 (VS-nfD); Vermerk des PP Dortmund vom 5. April 2006 zur Befragung des O.S., A60745 S. 304. Vernehmung der M.M. vom 4. April 2006, A60745 S. 312. Vermerk des PP Dortmund vom 28. April 2006, A60747 S. 358. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 schussbedingter Zerstörung des Hirnstammes, das zu einer unmittelbar eintretenden Handlungsunfähigkeit des Mehmet Kubaşık geführt hatte. In der Kopfhaut des linken Hinterhauptes wurde ein deformiertes Projektil aufgefunden und sichergestellt. Auf der Grundlage der makroskopischen Befunde fanden sich keine Hinweise für einen absoluten Nahschuss, sprich aufgesetzten Schuss oder einen sogenannten relativen Nahschuss. Anderweitige Verletzungen etwa in Form stumpfer oder scharfer Gewalteinwirkung wies die Leiche nicht auf.2432 (2) Weitergehende Untersuchungen Eine im Institut für Rechtsmedizin der Universität Duisburg-Essen durchgeführte Alkoholbestimmung an Leichenblut und Urin ergab 0,00 Promille.2433 Die dort ebenfalls vorgenommene chemisch-toxikologische Untersuchung zum Nachweis von Giften und stark wirkenden Arzneistoffen, welche die Handlungsfähigkeit bzw. das Reaktionsvermögen beeinträchtigen, verlief ebenfalls negativ.2434 (3) Blutspurenmusteranalyse Am 7. April 2006 erteilte der Zeuge Christian Hüser dem Institut für Rechtsmedizin in Köln den Auftrag, eine Blutspurenmusteranalyse durchzuführen. Zur Vorbereitung ihres Gutachtens besichtigte die damit beauftragte Rechtsmedizinerin noch am selben Tage den Tatort und am 13. April 2006 im BKA die dort lagernde Kleidung des Opfers. Nach Auswertung der vorgefundenen Blutspuren und unter Berücksichtigung der von der Polizei am Tatort und bei der Obduktion gefertigten Lichtbilder rekonstruierte sie den möglichen Tatablauf dahingehend, dass der erste Schuss in die Wand ging, das Opfer Mehmet Kubaşık sich danach zur Seite bewegte, dabei in Richtung des Täters blickte und nach dem Steckschuss in das rechte Auge zu Boden fiel. Eine Bestimmung der Reihenfolge der folgenden zwei Schüsse (Durchschuss durch die Schläfe und Schuss durch den Regalboden) war anhand der Blutspuren nicht möglich.2435 dd. Rekonstruktion des Tatablaufs Unter Berücksichtigung der Ermittlungen im Tatortbereich, des rechtsmedizinischen Gutachtens zur Blutspurenmusteranalyse und der beim BKA durchgeführten Schussspurenuntersuchungen rekonstruierten die Ermittlungsbeamten den Tatablauf wie folgt: „Mehmet Kubaşık befand sich alleine im Kiosk hinter seinem Verkaufstresen. Der oder die unbekannten Täter betraten von der Mallinckrodtstraße den Kiosk durch die reguläre Eingangstür zwischen 12:10 Uhr um 12:55 Uhr (kurz vor Tatentdeckung). Durch Abgabe von vier Schüssen aus einer Pistole, Marke Ceska, Typ 83, Kal. 7,65 mm, wurde Mehmet Kubaşık durch zwei Kopftreffer getötet. Täter und Opfer müssen sich frontal gegenübergestanden haben, wobei der Schütze vor und das Opfer hinter dem Tresen vor dem Wandregal standen. Nach einer durchgeführten Rekonstruktion deutet vieles darauf hin, dass der erste Schuss das Opfer verfehlte und hinter ihm in die Wand einschlug. Unmittelbar danach wurde der zweite Schuss auf das stehende Opfer abgegeben, durchschlug das Auge und zerstörte den Hirnstamm (Steckschuss), was die sofortige Handlungsunfähigkeit des Opfers zur Folge hatte. Das Opfer sackte nach vorne zusammen und ging auf den Knien zu Boden, wobei der Kopf seitlich auf einem Regalbrett an der Wand zum Liegen kam. Nun wurden der dritte und vierte Schuss abgefeuert. 2432 2433 2434 2435 Obduktionsprotokoll vom 4. April 2006, A60747 S. 317 ff. Ergebnisprotokoll Alkoholbestimmung vom 12. April 2006, A60747 S. 322. Toxikologisches Gutachten vom 12. April 2006, A60747 S. 323 f.. Wissenschaftliches Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Köln vom 23. Mai 2006, A60747 S. 174 ff. 425 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Einer der beiden Schüsse traf das Opfer in der rechten Schläfe (Durchschuss). Der andere Schuss ging kopfnah in die Regalwand und durchschlug u. a. ein Regalbrett. Bei den Schussabgaben dürfte der Täter nur minimal seine Position verändert haben. [….] Die Waffe war nachweislich mit einem Schalldämpfer versehen. Die fehlenden drei Patronenhülsen deuten darauf hin, dass die Schüsse wahrscheinlich aus einer übergestülpten Plastiktüte abgegeben wurden, wobei die aufgefundene Patronenhülse durch Überhitzung/Überschmauchung oder sonstige Gründe aus dem Behältnis ausgetreten/heraus gefallen ist. Der oder die Täter verließen nun, ohne weitere Handlungen vorzunehmen, dass Tatobjekt durch die Eingangstür und entkamen unerkannt. Das Tatgeschehen beschränkte sich wahrscheinlich nur auf die Schussabgaben mit der konkreten Zielrichtung, das Opfer schnellstmöglich zu töten. Hinweise auf ein körperliches Abwehrverhalten/Kampfgeschehen ergaben sich nicht. Es wurde nichts entwendet oder geraubt. Die Anwesenheit eines zweiten Täters kann nicht ausgeschlossen werden. Die Tatausführung selbst wurde nur durch eine Person ausgeführt, weil die Schüsse zeitnah zueinander und nur aus einer Waffe abgegeben wurden.“2436 ee. Ermittlungen zur Person und zum Lebensumfeld des Opfers (1) Zur Person Mehmet Kubaşık wurde am 1. Mai 1966 in der Türkei geboren und wuchs dort mit sechs Geschwistern im Elternhaus auf. Ab 1973 besuchte er in der Türkei die Grundschule und ein Jahr lang eine Mittelschule. Einen Beruf erlernte er anschließend nicht. Nach Ableistung seines Wehrdienstes in der Zeit von 1986 bis 1988 arbeitete er bis zu seiner Ausreise aus der Türkei zuletzt als Bauer in einem Baumwollbetrieb. Im Jahre 1984 heiratete er in der Türkei die Zeugin Elif Kubaşık. Ein Jahr später wurde die gemeinsame Tochter Gamze geboren. Am 3. März 1991 reiste Mehmet Kubaşık mit seiner Ehefrau und Tochter über die Schweiz nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, dem 1993 stattgegeben wurde. Nach der Erstzuweisung einer Asylunterkunft in Dortmund lebte die Familie in der Folgezeit durchgehend in Dortmund. Im Juli 2003 wurden Mehmet Kubaşık und seine Familie, zu der mittlerweile noch zwei 1994 und 2000 geborene Söhne zählten, in die Bundesrepublik Deutschland eingebürgert.2437 Mehmet Kubaşık war Kurde und gehörte der Glaubensrichtung der Aleviten an. Er wurde von seinem Umfeld nicht als religiöser Mensch beschrieben. In der Türkei hatte Mehmet Kubaşık sich nicht politisch betätigt und war auch in Deutschland nicht Mitglied der PKK.2438 Bis Ende 1997 war er in Dortmund mehr passives als aktives Mitglied bei der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan e. V.)2439, einer überparteilichen, gewaltfreien, demokratischen, religiös und sozial toleranten Organisation, die sich u. a. für kurdische Migranten in Deutschland einsetzte.2440 2436 2437 2438 2439 2440 426 Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 231. Vernehmungen der Elif Kubaşık vom 5 April 2006, A60745 S. 171 f. Vermerk des PP Dortmund vom 7. April 2006, A60747 S. 329. Vernehmung der Elif Kubaşık vom 20. April 2006, A60745 S. 188. Vermerke des PP Dortmund vom 6. April 2006 und 9. Mai 2006, A64731 S. 237, 239; Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746, S. 233. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Von seiner Familie ebenso wie von Freunden wurde Mehmet Kubaşık als liebevoller fürsorglicher Ehemann und Vater beschrieben.2441 Besondere Freizeitaktivitäten übte er nicht aus. Nach Schilderungen aus seinem persönlichen Umfeld war sein Tag mit dem Betrieb des Kiosk weitgehend ausgefüllt. Seine Freizeit habe er ganz überwiegend zu Hause verbracht.2442 Von Verwandten, Nachbarn, Freunden und Bekannten wurde er durchgehend als besonnener und friedliebender Mensch charakterisiert, der mit niemandem Streit gehabt habe. Keine Person, die in den letzten Lebenstagen des Mehmet Kubaşık noch Kontakt mit ihm gehabt hatte, hatte Verhaltensauffälligkeiten an ihm feststellen können.2443 Eine Erklärung für ein Tatmotiv hatte niemand.2444 Polizeiliche Erkenntnisse zu Mehmet Kubaşık lagen - abgesehen von einem Strafbefehl aus dem Jahre 1998 wegen ein Straßenverkehrsdelikts - nicht vor.2445 (2) Arbeitsverhältnisse Mehmet Kubaşık erhielt in Deutschland am 4. Oktober 1993 eine unbefristete Arbeitserlaubnis. In der Folgezeit wechselten sich Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Tätigkeiten als Hilfskraft in verschiedenen Arbeitsbereichen ab.2446 Mit Vertrag vom 14. Juni 2004 kaufte er von dem Vorbesitzer, dem Zeugen M. Z. die Inneneinrichtung und den Warenbestand des Kiosk Mallinckrothstraße 190 zum Preis von 2500,Euro 2447, mietete von der Firma Rütershof KG die Räumlichkeiten2448 und meldete am 15. Juni 2004 bei der Stadt Dortmund ein Gewerbe - Einzelhandel mit Waren verschiedener Art an.2449 Er betrieb diesen Kiosk als selbstständiger Gewerbetreibender bis zu seinem Tode. Der Kiosk war in der Regel von 7:00 Uhr morgens bis 1:00 Uhr nachts geöffnet. Die Zeugin Elif Kubaşık hat vor dem Ausschuss angegeben, im Regelfall habe sie morgens den Kiosk geöffnet und dort bis mittags gearbeitet. Nur in Fällen, in denen sie Termine gehabt habe, habe ihr Ehemann den Verkauf am Morgen übernommen.2450 In ihrer polizeilichen Vernehmung vom 20. April 2006 schränkte sie ihre allmorgendliche Anwesenheit im Kiosk in den letzten Wochen vor dem Tattag zusätzlich ein und gab an, in den letzten Wochen sei ihr Ehemann immer häufiger morgens im Kiosk gewesen, da sie gesundheitliche Probleme gehabt habe und einige Termine bei Ärzten habe wahrnehmen müssen. Darüber hinaus habe sie ihren Sohn M., der im März zwei Wochen krank gewesen sei, des Öfteren zu Arztbesuchen begleiten müssen.2451 2441 2442 2443 2444 2445 2446 2447 2448 2449 2450 2451 Vernehmungen des A. O. vom 9. April 2006, des T. O. vom 18. Mai 2006, der Gamze und Elif Kubaşık vom 5. April 2006, der G. P. vom 10. Mai 2006 und des A. G. vom 13. Oktober 2006, A60745 S. 75, 90, 139, 178, 227, 376. Vernehmungen des A. O. vom 9. April 2006, des T. O. vom 18. Mai 2006, A60745 S. 68, 90. Vernehmungen des A. O. vom 9. April 2006, der F. O. vom 5. Mai 2006, des F. G. vom 14. November 2006 und des A. G. vm 13. Oktober 2006, A60745 S. 73, 85, 239, 377. Vernehmungen des T. O. vom 18. Mai 2006, des F. G. vom 14. November 2006 und des A. Sa. vom 10. Mai 2006, A60745 S. 93, 237, 370. Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 233. Vermerk des PP Dortmund vom 2. Mai 2006, A60747 S. 333 f. Schlussbericht Finanzermittlungen BAO Kiosk vom 25. Januar 2007; Vernehmung des M. Z. vom 18. Mai 2006, A60745 S. 334 f. Vermerk des PP Dortmund vom 5. April 2006, A60745 S. 318. Vermerk des PP Dortmund vom 19. Mai 2006, A60746 S. 171. Vernehmung der Elif Kubaşık vom 20. April 2006, A60745, S 189; Elif Kubaşık, APr 16/1124 S. 5 f. Vernehmung der Elif Kubaşık vom 20. April 2006, A60745 S. 189 f. 427 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Normalfall lösten sich die Eheleute gegen 14:00 Uhr, vor bzw. nach der Abholung ihres jüngsten Sohnes aus dem Kindergarten, mit dem Verkauf im Kiosk ab. Soweit beide verhindert waren, half am Nachmittag oder Abend auch die Zeugin Gamze Kubaşık zeitweise aus.2452 Am Morgen des Tattages wechselte sich die Zeugin Elif Kubaşık ausnahmsweise bereits gegen 10:00 Uhr mit ihrem Ehemann im Verkauf ab. Sie hatte sich mit ihrer in England lebenden Schwester, die seit zwei Tagen bei der Familie Kubaşık zu Besuch war, in der Stadt verabredet und fuhr deshalb gegen 10:40 Uhr mit der U-Bahn in die Innenstadt.2453 Soweit die 2. Operative Fallanalyse der BAO Bosporus in ihrer Analyse zum Opferhintergrund davon ausgeht, zur Tatzeit sei das Opfer eigentlich niemals im Laden gewesen2454, trifft das aus den oben dargelegten Gründen zumindest für die letzten Wochen vor der Tat nicht zu. (3) Tatmotivsuche im Lebensumfeld des Opfers (a) Finanzermittlungen Zur Tatzeit wurde im Kiosk ein Bargeldbestand von 75,- Euro in Scheinen und etwa 30,-Euro in Münzen in der Kasse festgestellt. In der Geldbörse des Mehmet Kubaşık fanden sich 2.620,- Euro in Scheinen, in seiner Hosentasche 380,- Euro.2455 Zur Durchführung der Finanzermittlungen stellte die BAO Kiosk die Geschäftsunterlagen und private Dokumente betreffend die Haushaltsführung der Familie Kubaşık sicher und wertete diese aus. Darüber hinaus erfolgten staatsanwaltschaftliche Auskunftsersuchen an deutsche und türkische Banken sowie Abfragen bei der SCHUFA, dem Grundbuchamt und dem Handelsregister. Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung in Bochum stellte mit Einverständnis der Zeugin Elif Kubaşık die Steuerakte und der Steuerberater die bei ihm lagernden Geschäftsunterlagen zur Einsichtnahme zur Verfügung.2456 Nach der Auswertung dieser Unterlagen stellte sich die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Familie Kubaşık wie folgt dar: (aa) Betrieb des Kiosk Zur Aufnahme des Geschäftsbetriebes des Kiosk, insbesondere für Inventar und Warenvorräte, hatte Mehmet Kubaşık sich von einem in Frankreich lebenden Neffen 10.000,- Euro geliehen. Eine Rückzahlung dieses Kredits erfolgte bis zu seinem Tod nicht und war auch nicht gefordert worden.2457 Die monatliche Miete für den Kiosk einschließlich Nebenkosten betrug 659,- Euro.2458 Seine Waren bezog Mehmet Kubaşık hauptsächlich von den Großhandelsfirmen METRO und FEBA. Zum Todeszeitpunkt waren dort die letzten Lieferantenrechnungen in einer Gesamthöhe von ca. 4.800,- Euro noch nicht bezahlt.2459 Nach einer polizeilichen 2452 2453 2454 2455 2456 2457 2458 2459 428 Vernehmung der Elif und Gamze Kubaşık vom 5. April 2006, A60745 S. 136, 175 f. Vernehmung der Elif Kubaşık vom 20. April 2006, A60745 S. 189 f. OFA des LKA Bayern, A10022, S. 69. Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 236. Durchsuchungs- / Sicherstellungsprotokoll, A60746 S. 129; Auskunftsersuchen, A60746 S. 130 ff.; Vermerk des PP Dortmund vom 6. April 2006, A60746 S. 138 ff. Schlussbericht Finanzermittlungen der BAO Kiosk vom 25. Januar 2007, A60746 S. 195; Vernehmung der Elif Kubaşık vom 20. April 2006, A60745 S. 192. Vernehmung der Elif Kubaşık vom 21. April 2006, A60745 S. 194. Schlussbericht Finanzermittlungen der BAO Kiosk vom 25. Januar 2007, A60746 S. 220. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Gegenüberstellung von Ausgaben und Einnahmen des Kiosk stand fest, dass der Gewerbebetrieb offiziell keinen Gewinn abgeworfen hatte.2460 Aufgrund der schlechten finanziellen Lage des Kiosk hatte sein Steuerberater Mehmet Kubaşık bereits zu einem Verkauf geraten.2461 Da zudem unter den täglichen langen Öffnungszeiten des Kiosk das Familienleben litt, hatte das Ehepaar Kubaşık sich kurze Zeit vor dem Tattag zum Verkauf des Kiosk entschlossen und dies im Bekanntenkreis und bei Lieferanten auch geäußert, aber noch nicht durch eine Anzeige oder Ähnliches öffentlich gemacht.2462 Der Verkaufspreis, in den das Inventar und ein umfangreicher Warenvorrat eingeschlossen war, sollte bei 20.000,- bis 22.000,- Euro liegen. Ein Kaufinteressent, hatte von den Verkaufsabsichten erfahren, am 1. oder 2. April 2006 mit Mehmet Kubaşık Kontakt aufgenommen und sich am 3. April 2006 mehrfach im Kiosk aufgehalten, um sich einen Überblick über die Umsätze zu verschaffen. Mangels Einigung über den letztlich zu zahlenden Kaufpreis kam es bis zum Tod des Mehmet Kubaşık einen Tag später nicht mehr zum Verkauf des Kiosk.2463 (bb) Private finanzielle Situation Die Zeugin Elif Kubaşık verfügte nur über gemeinsame Konten mit ihrem Ehemann und wurde auch steuerlich gemeinsam mit ihm veranlagt.2464 Bei Auswertung der privaten Unterlagen der Familie Kubaşık stellten die Finanzermittler keine Besonderheiten fest. Auf das Privatgirokonto der Familie Kubaşık wurden bis zum Tattag im Wesentlichen das Kindergeld und vor der Kioskübernahme Leistungen des Arbeitsamtes und Lohnzahlungen des Arbeitgebers der Zeugin Elif Kubaşık überwiesen. Später erfolgten auch Bareinzahlungen auf das Konto. Die üblichen Kosten im Rahmen der Haushaltsführung wurden von diesem Konto abgebucht. Es wies am 5. April 2006 ein Soll von etwa 2.500,- Euro auf.2465 Im Februar 2003 hatte die Familie einen Kredit aufgenommen. Zum Tatzeitpunkt war dieser Kredit fast vollständig zurückgezahlt.2466 Insgesamt gelangten die Finanzermittler zu dem Ergebnis, dass die finanziellen Verpflichtungen aus Privatkredit, Außenständen bei Lieferanten und überzogenem Girokonto sich zum Tatzeitpunkt auf mindestens 17.000,- Euro beliefen.2467 Die Finanzermittlungen förderten keinerlei Anhaltspunkte für eine Verwicklung des Mehmet Kubaşık in kriminelle Machenschaften wie etwa Geldwäsche oder Schutzgelderpressung zu Tage. 2460 2461 2462 2463 2464 2465 2466 2467 Schlussbericht Finanzermittlungen der BAO Kiosk vom 25. Januar 2007, A60746 S. 214. Vermerk des PP Dortmund vom 6. April 2006, A60746 S. 144. Vernehmung der Elif Kubaşık vom 5. April 2006, A60745 S. 173. Vernehmungen des Ay. S. vom 4. April 2006 und der Elif Kubaşık vom 21. April 2006, A60745 S. 110, 115 f. und 195. Schlussbericht Finanzermittlungen der BAO Kiosk vom 25. Januar 2007, A60746 S. 204. Schlussbericht Finanzermittlungen der BAO Kiosk vom 25. Januar 2007, A60746 S. 223. Vermerk des PP Dortmund vom 13. September 2006, A60746 S.181; Schlussbericht Finanzermittlungen der BAO Kiosk vom 25. Januar 2007, A60746 S. 196. Schlussbericht Finanzermittlungen der BAO Kiosk vom 25. Januar 2007, A60746 S. 223. 429 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (b) Drogenermittlungen Bei den Ermittlungen zu allen dem Mord an Mehmet Kubaşık vorangegangenen Ceska-Morden hatte die Polizei Erkenntnisse gewonnen, aus denen sich Bezüge der Opfer zur angeblichen Rauschgiftkriminalität ableiten ließen.2468 Dieser Umstand wurde der Zeugin Barbara Lichtenfeld bei dem ersten Erfahrungsaustausch mit der BAO Bosporus mitgeteilt. Nach ihrer Aussage vor dem Ausschuss war dies einer der Gründe, dass die BAO Kiosk bereits am 5. April 2006 Ermittlungen in Richtung Rauschgifthandel als möglichem Tathintergrund aufnahm. Zudem habe es Hinweise gegeben, dass der Vorbesitzer des Kiosk Kontakt zu Drogen gehabt habe.2469 Am Nachmittag des 5. April 2006 wurden die Wohnung und der Kellerraum der Familie Kubaşık unter Hinzuziehung eines Rauschgiftspürhundes durchsucht. Die Zeugin Elif Kubaşık hatte sich auf Nachfrage mit dieser Maßnahme zuvor ausdrücklich einverstanden erklärt.2470 Anschließend wurden der vor der Wohnung abgestellte Pkw des Mehmet Kubaşık sowie der Kiosk mit derselben Zielrichtung durchsucht. In allen Objekten konnten keinerlei Betäubungsmittel festgestellt werden.2471 Auf Anordnung der Zeugin Barbara Lichtenfeld wurde von der Kopfhaut der Leiche des Mehmet Kubaşık eine Haarprobe genommen.2472 Bei der toxikologischen Untersuchung dieser Haarprobe auf Betäubungsmittel im Institut für Rechtsmedizin der Universität Mainz waren keine Betäubungsmittel nachweisbar. Daraus war zu schließen, dass Mehmet Kubaşık zumindest in den letzten vier Monaten keine Betäubungsmittel in nachweisbarer Menge zu sich genommen hatte.2473 Das BKA bot der BAO Kiosk an, am Tatort, in der Wohnung und dem PKW des Mehmet Kubaşık zusätzlich mittels einer neuen Methode, der sogenannten Saugluftfilterung, nach BtMRückständen zu suchen.2474 Die Tatortgruppe des BKA nahm die entsprechende Mikrospurensicherung am 20. April 2006 vor.2475 Die kriminaltechnische Untersuchung nach Rauschgiftrückständen in dem asservierten Filtermaterial im BKA führte bei zwei Saugproben aus dem Kiosk, und zwar denen aus dem hinteren Bereich des Verkaufsraums und des Lagerraums zum Nachweis von Kokain. Eine Alters- und Mengenbestimmung des durch die Sauproben gewonnenen Kokains war nicht möglich.2476 In den Extrakten aller übrigen Saugproben fanden sich keine Betäubungsmittel.2477 Im Rahmen der Umfeldermittlungen erhielt das PP Dortmund nicht einen Hinweis, der das Opfer Mehmet Kubaşık mit Betäubungsmitteln in Verbindung gebracht hätte. Vier Zeugen aus dem persönlichen Umfeld des Opfers wurden in ihren polizeilichen Vernehmungen ausdrücklich danach befragt, ob ihnen Anhaltspunkte für eine Einbindung des Mehmet Kubaşık in Drogenkriminalität vorlägen. Sie alle schlossen übereinstimmend kategorisch aus, dass 2468 2469 2470 2471 2472 2473 2474 2475 2476 2477 430 Fortschreibung der Ermittlungskonzeption des BKA vom 2. August 2006, A21841 S. 55 ff. (VSnfD). Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 76 f. Zeugenvernehmung Elif Kubaşık vom 5. April 2006, A60745 S. 179. Vermerke des PP Dortmund vom 5. April 2006, A60747 S. 152, 153. Spurensicherungsbericht vom 5. April 2006, A60747 S. 116. Toxikologische Befund des Instituts für Rechtsmedizin Mainz vom 30. Mai 2006, A60747 S. 252 f. Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 88. Bericht des BKA vom 24. April 2006, A60747 S. 155 ff. E-Mail des BKA vom 28. Juli 2006, A60747 S. 262. Behördengutachten des BKA vom 12. Juli 2006, A60747 S. 259 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dieser Betäubungsmittel konsumiert habe oder gar in Betäubungsmittelgeschäfte involviert gewesen sei.2478 Der Vorbesitzer des Kiosk, der sich zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Vernehmung wegen Drogenhandels in Untersuchungshaft befand2479, gab an, er selbst habe den Kiosk wegen der schlecht laufenden Geschäfte lediglich einen Monat lang betrieben. Vor dem Kiosk hätten sich ständig Junkies aufgehalten, die sogar in seinem Kiosk von ihm Drogen hätten kaufen wollen. Möglicherweise habe sein Vorgänger entsprechende Verkäufe getätigt. Beim Verkauf des Kiosks an Mehmet Kubaşık und auch bei seinen späteren Einkäufen dort hätten sich dort allerdings keine Junkies mehr aufgehalten. Auf Befragung räumte er ein, seit 2002 regelmäßig Kokain konsumiert zu haben, allerdings nie in den Räumlichkeiten des Kiosks. Er gab darüber hinaus an, Mehmet Kubaşık habe mit Kokain und auch mit anderen Betäubungsmitteln nichts zu tun gehabt.2480 Trotz dieser Aussage des Vorbesitzers, er habe im Kiosk nie Kokain konsumiert, ließ sich nicht ausschließen, dass die seitens des BKA im Kiosk festgestellten BtM-Anhaftungen von ihm herrührten. Soweit aus den Akten ersichtlich, wurde die Zeugin Elif Kubaşık in keiner polizeilichen Vernehmung nach einer eventuellen Einbindung ihres Ehemannes in Drogengeschäfte befragt. Ihr wurde lediglich in ihrer Vernehmung vom 5. April 2006 ohne eine Begründung für die Notwendigkeit einer solchen Ermittlungsmaßnahme mitgeteilt, dass eine Durchsuchung ihrer Räumlichkeiten mit einem Rauschgiftspürhund beabsichtigt sei. Dem stimmte sie auf Nachfrage zu.2481 In ihrer Vernehmung vor dem Ausschuss gab sie ergänzend an: „Am zweiten Tag haben die Polizisten gesagt, sie werden die Wohnung durchsuchen und auch den Keller durchsuchen. Sie haben mich zum Nachbarn gebracht. Dann wurde die Wohnung geleert, die Menschen wurden rausgebracht. Dann kamen Hunde. Dann haben die mit Hunden die Wohnung durchsucht. Nach dieser Durchsuchung des Autos von Mehmet, des Kellers und allem haben wir von den Leuten den Stempel aufgedrückt bekommen. Die sind Mafia, die sind in Heroingeschäften drin“.2482 Die Zeugin Gamze Kubaşık gab in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 5. April 2006 an, der Kioskbetrieb sei zunächst schlecht angelaufen. Grund dafür sei - wie sie später von Kunden erfahren hätten - wohl gewesen, dass der Vorbesitzer auch Drogen verkauft habe. Nachdem die Kunden gemerkt hätten, dass das jetzt nicht mehr der Fall sei, sei das Geschäft einigermaßen gelaufen.2483 Auf die ausdrückliche Frage in einer weiteren Vernehmung am 25. April 2006, ob ihr Vater Rauschgift verkauft habe, antwortete sie wörtlich: „Nein, davon weiß ich nichts. Das würde er nie machen.“2484 2478 2479 2480 2481 2482 2483 2484 Vernehmungen des T. O. vom 18. Mai 2006, des F. G. vom 14. November 2011, des M. A. D. vom 6. April 2006 und des Veysel Kubaşık vom 22. April 2006, A60745, S. 93, 240, 268, 350. Vermerk des PP Dortmund vom 4. August 2006, A13320 S. 177. Vernehmung des M. Z. vom 18. Mai 2006 und des PP Dortmund vom 28. August 2006, A60745 S. 334 ff. Vernehmung der Elif Kubaşık vom 5. April 2006, A60745 S. 179. Elif Kubaşık, APr 16/1124 S. 7. Vernehmung der Gamze Kubaşık vom 5. April 2006, A60745 S. 135. Vernehmung der Gamze Kubaşık vom 25. April 2006, A60745 S. 156. 431 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Soweit die Zeugin Gamze Kubaşık gegenüber dem Ausschuss beklagt hat, Polizeibeamte hätten auf der Straße unter Vorlage von Fotots ihres Vaters Jugendliche befragt, ob die abgebildete Peron ihnen Drogen verkauft habe2485, hat die Zeugin Barbara Lichtenfeld angegeben, dass sicherlich ein Foto des Opfers bei Hausbefragungen in der Nachbarschaft als Hilfsmittel genutzt worden sei, um über die Person des Opfers Hinweise auf mögliche Täter zu erlangen. Da sie nicht mit den Polizeibeamten vor Ort gewesen sei, könne sie letztlich natürlich nicht ausschließen, dass diese im gegebenen Zusammenhang auch nach Drogenverkauf gefragt hätten. In jedem Fall aber könne sie ausschließen, dass Beamte von ihr einen entsprechenden konkreten Auftrag erhalten hätten.2486 (c) Verdeckte Maßnahmen Das PP Dortmund führte auch verdeckte Maßnahmen durch. So ordnete der Zeuge Dr. Heiko Artkämper die Observation der von Elif Kubaşık für ihren ermordeten Ehemann durchgeführte Trauerfeier in einer Dortmunder Teestube an.2487Die verdeckt eingesetzten Observationskräfte fotografierten die Pkw der Gäste und führten Halterabfragen durch.2488Auch die Trauerfeier anlässlich des 40. Geburtstages von Mehmet Kubaşık am 13. Mai 2006 in den Räumen der Alevitischen Gemeinde in Dortmund wurde durch Polizeikräfte verdeckt observiert.2489 Erneut wurden Kennzeichen festgestellt und Halter überprüft.2490 (d) Erhebung von Verbindungsdaten Das PP Dortmund regte am 7. April 2006 an, eine großflächige Funkzellenauswertung durchzuführen, da es sich bei dem Ermordeten um das achte Opfer einer nicht geklärten Mordserie handelte.2491 Am selben Tag erließ das AG Dortmund den Beschluss die Telekommunikationsverbindungen der Funkzellen für den Zeitraum 2. April 2006 0:00 Uhr bis 5. April 2006 24:00 Uhr sicherzustellen.2492 Am 10. April 2006 regte das PP Dortmund an, aufgrund des Mordes an Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel, zusätzlich großflächige Funkzellenauswertungen in Richtung Kassel zu tätigen.2493 Das AG Dortmund ordnete am 10. April 2006 die Erhebung der Funkzellendaten von den Ausfallstraßen und der Autobahn A44 KasselDortmund an.2494 Zudem wurden von sämtlichen Telefonanschlüssen der Familie Kubaşık die retrograden Verbindungsdaten eingeholt und ausgewertet. Als Ermittlungsergebnis wurde festgehalten, dass sämtliche Telefonkontakte nachvollzogen werden konnten.2495 ff. Ermittlungen in der Türkei In Absprache mit der BAO Bosporus wurden Ermittlungen bei Familienangehörigen des Mordopfers in der Türkei durchgeführt. In einem Vermerk über den Besuch eines türkischen Verbindungsbeamten bei der BAO Bosporus und der EG Ceska des BKA in der Zeit vom 17. bis 19. Oktober 2007 heißt es, dass die in der Türkei wohnhaften Eltern sowie eine Schwester durch Beamte der „örtlich zuständigen OK Dienststelle“ befragt worden seien. Die Schwester berichtete, dass sie zwei Tage vor der Tat mit ihrem Bruder telefoniert habe und 2485 2486 2487 2488 2489 2490 2491 2492 2493 2494 2495 432 Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 36. Lichtenfeld, APr 16/1126 84 ff. Vermerk des PP Dortmund vom 21. April 2006, A13315 S. 209. Einsatzmeldung des PP Dortmund vom 21. April 2006 A13315 S. 212 ff. Vermerk des PP Dortmund vom 4. Mai 2006 A13315 S. 240. Einsatzmeldung des PP Dortmund vom 4. Mai 2006 A13315 S. 240 ff. Vermerk des PP Dortmund vom 7. April 2006, A60746 S. 54. Beschluss des AG Dortmund vom 7. April.2006, A60746 S. 55 f. Vermerk des PP Dortmund vom 7. April 2006, A60746 S. 72. Beschluss des AG Dortmund vom 7. April.2006, A60746 S. 73 ff. Vermerk des PP Dortmund vom 8. Mai 2006, A60746 S. 132. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ihr dabei nichts Ungewöhnliches aufgefallen sei. Sie habe dabei keine Hinweise auf außergewöhnliche Ereignisse oder Bedrohungen erhalten. Die Mutter des Mordopfers gab gegenüber den türkischen Ermittlern an, dass sie einen rechtsradikalen Hintergrund vermute.2496 gg. Weitere Ermittlungen Aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung tätigte die BAO Kiosk weitere umfangreiche Ermittlungen in insgesamt 143 Spurenfällen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle folgende Spur, in der aufwendige Ermittlungen erforderlich wurden: Ein Zeuge gab einen Hinweis auf vier ausländische Männer, die am 2. April 2006 das spätere Opfer Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk bedroht hätten. In diesem Zusammenhang wies er auf zwei Pkw hin, die mit eingeschalteter Warnblinkanlage vor dem Kiosk auf der rechten Fahrbahn geparkt hätten. Einer der Pkw, ein schwarzer Daimler-Benz, habe ein Bochumer Kennzeichen gehabt. Die in der Zeugenaussage genannten Zeiten der Bedrohungssituation konnten durch die Ermittlungen widerlegt werden. Mehmet Kubaşık befand sich zu der genannten Zeit nachweislich nicht im Kiosk. Daraufhin korrigierte der Zeuge seine Zeitangaben um 14 Tage nach vorne. Trotz einiger Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen überprüfte das PP Dortmund insgesamt 230 Fahrzeughalter in Bochum, von denen keiner der Personenbeschreibung des Zeugen entsprach.2497 Die im Umfeld des Opfers getätigten polizeilichen Ermittlungen erbrachten insgesamt weder einen Hinweis auf einen Tatverdächtigen noch konkrete Anhaltspunkte für ein Tatmotiv. gg. Hinweis auf rechtsmotiviertes Delikt Bereits einen Tag nach der Ermordung des Mehmet Kubaşık ging beim PP Dortmund der einzige Hinweis auf eine mögliche Beobachtung der Täter am Tatort, zudem mit möglicherweise rechtsextremistischem Hintergrund, ein. (1) In den Ermittlungsakten niedergelegte Angaben der Zeugin Dzinic Die Zeugin Jelica Dzinic hatte am Tattag in der Zeit von ca. 12:30 Uhr bis 12:50 Uhr zwei männliche Personen, von denen einer langsam Fahrrad fuhr und der andere nebenher ging, zweimal in unmittelbarer Nähe des Kiosk wahrgenommen. Am Abend des 05. April 2006 teilte die Zeugin Jelica Dzinic der Kriminalwache des PP Dortmund telefonisch ihre Beobachtungen im Zusammenhang mit dem Mord an Mehmet Kubaşık mit. In dem hierüber gefertigten polizeilichen Vermerk heißt es, im Zusammenhang mit dem Mord seien der Zeugin „zwei Typen, einer mit Fahrrad“ aufgefallen. Das seien „Junkies gewesen, die besoffen waren“. Die Person mit dem Fahrrad habe sie „unheimlich“ angesehen. Sie habe beide Personen gleichlautend mit ca. 25 bis 30 Jahre alt, ca. 1,80 m groß und schlank und von ungepflegter schmutziger Erscheinung beschrieben. Zu der fahrradfahrenden Person habe sie ergänzend angegeben, diese habe kurze hellbraune Haare getragen.2498 Dieser Hinweis wurde an die MK Kiosk weitergegeben. Die vom Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund in die MK Kiosk abgeordneten KOK Klimek und KKin Gülay Köppen fassten die ihnen übermittelten Erkenntnisse zu den Angaben der Zeugin Jelica Dzinic am 6. April 2006 in einem Vermerk zusammen. Danach sollten die Männer nach Angaben der Zeugin 2496 2497 2498 Vermerk der BAO Bosporus vom 22. Oktober 2007, A10060 S. 192 f. Spur 34, A64729 S. 331 ff. Vermerk des PP Dortmund vom 5. April 2006, A60745 S. 274 f. 433 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Jelica Dzinic „wie Rechtsradikale“ ausgesehen haben. In demselben Vermerk heißt es im Zusammenhang mit Ermittlungen zu dem Aufenthaltsort der Zeugin Jelica Dzinic, diese sei an ihrem Wohnhaus angetroffen und kurz zu ihren Beobachtungen befragt worden. Sie habe angegeben, die Männer hätten definitiv keinen rechtsradikalen Eindruck gemacht, da sei wohl falsch verstanden worden. Diese zwei Männer seien eindeutig Junkies und darüber hinaus betrunken gewesen.2499 Aufgrund welchen Umstandes das Wort „Rechtsradikale“ in den Vermerk vom 6. April 2006 aufgenommen wurde, konnte der Ausschuss nicht klären: KOK Klimek wurde im Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München am 6. Mai 2014 als Zeuge vernommen. Ausweislich eines nichtamtlichen Protokolls über diese Vernehmung gab er an, er und seine Kollegin hätten im Pkw telefonisch den Auftrag erhalten, die Zeugin Jelica Dzinic aufzusuchen und sie insbesondere zu fragen, ob die von ihr beobachteten Männer Rechtsradikale gewesen seien. Aus welchem Grund sie das hätten fragen sollen, wisse er nicht. Ebenso wenig könne er sagen, von wem sie den Auftrag erhalten hätten. Er habe den Pkw gefahren, seine Kollegin habe das Telefongespräch geführt.2500 Die Zeugin Gülay Köppen hatte keine Erinnerung an die Einzelheiten der Bearbeitung der Spur „Dzinic“. Grundsätzlich erhielten die Teams der Mordkommission ihre Ermittlungaufträge schriftlich morgens nach einer kurzen Einsatzbesprechung. Der Auftrag, die Zeugin Dzinic zu vernehmen, sei ihnen entgegen dieser Übung offensichtlich während einer Dienstfahrt fernmündlich erteilt worden. Wer diesen Auftrag übermittelt hätte, wisse sie nicht mehr. Auch sei ihr nicht erinnerlich, wer aus welchem Grunde den Begriff Rechtsradikale ins Spiel gebracht habe.2501 Die Zeugin Barbara Lichtenfeld hat bekundet, grundsätzlich hätten die Ermittlungsbeamten von ihr die Ermittlungsaufträge erhalten. An diesen konkreten telefonischen Auftrag mit dem ausdrücklichen Hinweis auf Rechtsradikale hatte sie allerdings keine Erinnerung.2502 Am 7. April 2006 wurde die Zeugin Dzinic durch KOK Klimek und die Zeugin Gülay Köppen zu ihren Beobachtungen förmlich vernommen. Sie gab an, sie sei am 4. April 2006 gegen 12:30 Uhr auf dem Gehweg der Mallinckrodtstraße in Richtung Osten auf dem Weg zu ihrer Wohnung unterwegs gewesen, als sie in Höhe des Kiosk zwei ihr entgegenkommende Personen wahrgenommen habe. Eine der Personen sei langsam auf einem Fahrrad gefahren, die andere Person nebenher gegangen. Zwischen dem Kiosk und de Lottoannamestelle seien sie aneinander vorbeigegangen. Die beiden Personen hätten sich miteinander unterhalten. Sie habe der Person auf dem Fahrrad in die Augen geschaut. Der Blick dieses Mannes sei ihr unangenehm und unheimlich gewesen, er habe für sie einen abartigen Blick gehabt. Sie habe sich dann zunächst in ihre nur zwei Häuser vom Kiosk entfernt gelegene Wohnung begeben und diese gegen 12:50 Uhr wieder verlassen, um im Kiosk Zigaretten zu kaufen und anschließend die nahe gelegene Sparkasse aufzusuchen. Noch bevor sie den Kiosk erreicht habe, habe sie die beiden Männer in der Toreinfahrt direkt neben dem Kiosk wieder bemerkt. Da sie, um in den Kiosk zu gelangen, an den Männern hätte vorbei gehen müssen und ihr das unangenehm gewesen sei, habe sie sich entschieden, den Kiosk nicht 2499 2500 2501 2502 434 Vermerk des PP Dortmund 6. April 2006, A60745 S. 276 f. Nicht amtliches Protokoll vom 110. Verhandlungstag am 6. Mai 2014 im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlicht auf nsu-watch.info, A95531. Köppen, APr 16/1211 S. 8, 14 f. Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 112. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aufzusuchen. Sie habe die Straßenseite gewechselt und sei, ohne sich noch einmal umzuschauen, zur Sparkasse gegangen.2503 Die beiden Männer beschrieb sie wie folgt: „Nach meiner Einschätzung sind die beiden Männer zwischen 25-30 Jahre alt. Beide Personen hatten kurze, dunkel blonde Haare. Sie wirkten auf mich wie Deutsche. Zu der Kleidung kann ich nur sagen, dass sie von weitem auf mich wie „Junkies“ gekleidet wirkten. Die Bekleidung habe ich vom Gesamtbild als eher hell gekleidet in Erinnerung. Beide Personen wirkten schlank. Auf das Fahrrad habe ich leider nicht geachtet“. Auf die Frage, warum die Personen auf sie wie Junkies gewirkt hätten, antwortete sie, sie seien „zappelig“ und eher unkontrolliert gegangen, so wie man das von Junkies kenne.2504 Die Frage, wie es beim PP Dortmund zu dem möglichen Missverständnis bezüglich der Einordnung der Männer als Rechtsradikale gekommen sein könnte, wurde in der Vernehmung nicht thematisiert. Zu den Gründen befragt, hat die Zeugin Gülay Köppen angegeben: „Und in der Vernehmung habe ich sie ja ganz allgemein gefragt offensichtlich, wie sie die Personen beschreiben würde. Und da ist ja diese Wiederholung nicht erfolgt. Ja, und ich habe sie sicherlich auch nicht explizit dazu befragt, weil das ja im Vorfeld in dem Vorgespräch von ihr schon ausgeräumt wurde mit dem Satz: Da muss sie wohl falsch verstanden worden sein“.2505 Auf den der Zeugin Jelica Dzinic anlässlich dieser Vernehmung vorgelegten 2.113 Bildern aus der polizeilichen Lichtbildvorzeigedatei konnte sie bei keiner Person eine Ähnlichkeit mit den von ihr beobachteten Männern erkennen. Die Lichtbilder wählten die Ermittler nach den folgenden Abfragekriterien aus: „KPB: landesweit Geschlecht: männlich Größe: zwischen 175 cm und 180 cm Alter: zwischen 2Di5 Jahre und 30 Jahre Gestalt: schlank Phänotyp: Westeuropäisch“2506 Zusätzlich wurden der Zeugin Jelica Dzinic zwei Phantombilder gezeigt, die nach dem Mord an Ismail Yaşar in Nürnberg am 9. Mai 2005 vom PP Mittelfranken gefertigt worden waren. Zu diesen bemerkte sie: „Die gezeigten Männer sind vom Typ her völlig anders. Die Gesichter der Personen, die ich gesehen habe, waren viel schmaler und auch ungepflegter. Die Haare waren auch blond und nicht so dunkel. Bei den gezeigten Phantombildern handelt es sich um keine der Personen, die ich im Bereich der Mallinckrodtstraße gesehen habe. Da bin ich mir ganz sicher.2507“ 2503 2504 2505 2506 2507 Vernehmung der Jelica Dzinic vom 7. April 2006, A60745 S. 281. Vernehmung der Jelica Dzinic vom 7. April 2006, A60745 S. 281. Köppen, APr 16/1211 S. 17. Vermerk des PP Dortmund vom 7. April 2006, A60745 S. 283. Vernehmung der Jelica Dzinic vom 7. April 2006, A60745 S. 282. 435 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auf ihr vorgelegten Lichtbildern, u. a. auch des nach dem Mord in Kassel Tatverdächtigen Temme, erkannte die Zeugin am 9. Juni 2006 keine Person wieder.2508 Da sie aber angab, das Gesicht des Fahrradfahrers nicht vergessen zu können, sie habe sein Bild noch vor ihrem geistigen Auge, wurde mit ihrer Hilfe am 12. Juni 2006 ein Phantombild erstellt, das nach ihrer Meinung das Gesicht der von ihr wahrgenommenen Person zu 70 % wiedergab.2509 Weiter wurden ihr am 16. Juni 2006 Fotos der Überwachungskamera der Sparkassenfiliale in Tatortnähe, die sie in zeitlichem Zusammenhang mit ihren Beobachtungen am 4. April 2006 besucht hatte, vorgelegt. Auch auf diesen Fotos erkannte die Zeugin Jelica Dzinic keinen der zwei von ihr wahrgenommenen Männer wieder.2510 Ausweislich des Vermerks vom 16. Juni 2006 wurde die Zeugin Jelica Dzinic erneut zu der Bekleidung der beiden Männer befragt. Im letzten Satz dieses Vermerks wird ihre Aussage wie folgt wiedergegeben: „Vom Typ her sei der Mann ein Junkie oder ein Nazi gewesen.“ Aus dem Vermerk ergibt sich nicht, dass diese Äußerung der Zeugin Jeica Dzinic hinterfragte wurde.2511 Schließlich legte der Zeuge Michael Schenk der Zeugin Jelica Dzinic am 9. Oktober 2006 Lichtbilder und die Videoaufzeichnungen betreffend den Nagelbombenanschlag in Köln vor. Auch hierauf erkannte sie keine der Personen als einen der von ihr wahrgenommenen Männer wieder. Allerdings war sie der Ansicht, dass die linke Person auf dem seinerzeit in Köln hergestellten Fahndungsplakat der Person am nächsten kam, die sie in Dortmund auf dem Fahrrad gesehen hatte. Die Mundwinkel dieser Person seien genauso heruntergezogen gewesen wie auf dem Foto. Außerdem sei das Basecap genauso weit ins Gesicht gezogen. Eine Personenidentität konnte sie aber aufgrund der Unschärfe der Bilder nicht herstellen.2512 Der Zeuge Michael Schenk befragte die Zeugin Jelica Dzinic bei dieser Gelegenheit erneut zu dem Aussehen der von ihr beobachteten Männer und legte in einem Vermerk darüber nieder: „Frau Dzinic gab nochmals zur Personenbeschreibung des Mannes in Dortmund an, dass sie ihn für einen Junkie bzw. Nazi gehalten habe. Er habe einen sehr stechenden Blick gehabt, so dass sie Angst bekam.“ Auch dieser Vermerk verhält sich zu weiteren Nachfragen zu der Personenbeschreibung nicht.2513 Der Zeuge Michael Schenk hat die fehlenden Nachfragen damit begündet, dass er ebenso wie seine Kollegen sich letztendlich durch die erste Aussage der Zeugin Jelica Dzinic, in der 2508 2509 2510 2511 2512 2513 436 Vermerk des PP Dortmund vom 9. Juni.2006, A60745 S. 285. Vermerk des PP Dortmund vom 12. Juni 2006, A60745 S. 286. Vermerk des PP Dortmund vom 16. Juni 2006, A60745 S. 292. Vermerke des PP Dortmund vom 9., 12., 13., 14. und 16. Juni 2006, A60745 S. 285 – 293. Vermerk des PP Dortmund vom 9. Oktober 2006, A60745 S. 296. Vermerk des PP Dortmund vom 9. Oktober 2006, A60745 S. 296. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sie eine Ähnlichkeit mit Nazis definitiv ausgeschlossen habe, habe leiten lassen und insofern keine weiteren Ermittlungen durchgeführt habe. 2514 In seinem vorläufigen polizeilichen Schlussbericht, der auf der ersten Seite das Datum des 21. Juni 2007 und auf den folgenden Seiten das des 17. Juli 2008 trägt, gab der Zeuge Michael Schenk den Inhalt der Spur „Dzinic“ umfassend wieder. Allerdings blieb die Bezeichnung der von ihr beobachteten Männer als „Nazis“ unerwähnt. In dem Bericht enthalten war lediglich die Angabe, die Zeugin Jelica Dzinic habe die Personen als „Junkie-Typen“ beschrieben.2515 Hierfür hat der Zeuge Michael Schenk folgende Erklärung abgegeben: „Ja, ich nehme an, dass ich das aus dem Grunde gemacht habe - wie ich eingangs erwähnt habe -, dass Frau Dzinic das in der Anfangsphase ausgeschieden hat in der Vernehmung und dass sie da falsch verstanden worden ist.2516“ Weiter hat er ausgeführt, mithilfe der Zeugin sei ja ein Phantombild erstellt worden. Da sie nicht in der Lage gewesen sei, weitere Angaben zu den Personen zu machen, hätten sich daraus ohnehin keine Ermittlungsansätze ergeben.2517 (2) Erwähnung der Spur „Dzinic“ in anderen Ausschussdokumenten In der Sitzung der Steuerungsgruppe der BAO Bosporus am 5. Juli 2006 waren neben monatlichen Treffen der Mitglieder der Steuerungsgruppe auch monatliche Besprechungen und bei Bedarf Telefonkonferenzen der Zentralen Sachbearbeiter (ZSB) vereinbart worden.2518 An den Besprechungen der ZSB nahm jeweils der Zeuge Michael Schenk als Ermittlungsleiter der BAO Kiosk teil. Ausweislich der Protokolle über die Telefonkonferenzen der ZSB vom 14. und 22. Juni 2006 erwähnte der Zeuge Michael Schenk zwar jeweils die Beobachtungen der Zeugin Jelica Dzinic. In beiden Protokollen ist aber lediglich niedergelegt, dass eine Zeugin am Tattag um 12:30 Uhr und 12:50 Uhr zwei Männer mit einem Fahrrad am Tatort gesehen habe und ein Phantombild erstellt worden sei.2519 In den Protokollen über die Besprechungen der ZSB vom 12. Juli, 25. Juli, 16. August und 6. September 2006 blieb die Spur „Dzinic“ völlig unerwähnt.2520 Im Protokoll über die Besprechung am 1. August 2006 in Dortmund heißt es, dass eine Zeugin zur Tatzeit zwei Personen (Junkies) am unmittelbaren Tatort gesehen habe. Ein Phantombild sei veröffentlicht worden, woraufhin zwölf Hinweise eingegangen seien.2521 2514 2515 2516 2517 2518 2519 2520 2521 Schenk, APr 16/1142 S. 16, 20. Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 227, 241 f. Schenk, APr 16/1142 S. 21. Schenk, APr 16/1142 S. 21 f. Protokollentwurf der Sitzung der Steuerungsgrupper der BAO „Bosporus“ vom 5. Juli 2006, A10057 S. 45 f. Besprechungsprotokolle zur Telefonkonferenz der ZSB vom 14. und 22. Juni 2006, A10050 S. 103, 105. Protokoll der Telefonkonferenz der SZB vom 12. Juli 2006, A10050 S. 355; Protokolle der Telefonkonferenz der SZB vom 25. Juli 2006 und der Sitzung der SZB vom 6. September 2006; A10057 S. 98 f., 316; Protokoll der Telefonkonferenzder SZB vom 16. August 2006, A84201 S. 24 f. Protokoll der Besprechung der SZB vom 1. August 2006, A10057 S. 148. 437 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In dem Protokoll über die Sitzung am 4. und 5. Oktober 2006 wurde kurz die Absicht erwähnt, der Zeugin die Bilder vom Kölner Nagelbombenanschlag vorzulegen.2522 Schließlich ist in dem Protokoll zu der Telefonkonferenz vom 19. Oktober 2006 vermerkt, dass der Zeugin B. K. aus Nürnberg und der Zeugin Jelica Dzinic die Bilder aus Köln vorgelegt worden seien, sie aber mehr als eine Ähnlichkeit nicht hätten feststellen können. Dass die Zeugin Jelica Dzinic in ihrer Befragung durch den Zeugen Michael Schenk am 9. Oktober 2006 die von ihr beobachteten Männer erneut als Junkies oder Nazis beschrieben hatte, findet in dem Protokoll keine Erwähnung.2523 Der Zeuge Michael Schenk konnte keine Erklärung dafür geben, dass die Begriffe „Rechtsradikale“ bzw. „Nazis“ in keinem der Protokolle Niederschlag gefunden haben. Er hat angegeben, er sei sich sehr sicher, dass er in der Besprechung der ZSB-Mitglieder die Spur vorgestellt und auch den Hinweis gegeben habe, dass die Zeugin unter anderem von „Junkies“ oder „Nazis“ gesprochen, sich aber insoweit letztendlich auf „Junkies“ festgelegt habe.2524 In sämtlichen periodischen Besprechungen der Steuerungsgruppe im Jahr 2006, an denen der Zeuge Bert Gricksch als Leiter der BAO Kiosk jeweils teilnahm, wurden die Beobachtungen der Zeugin Jelica Dzinic ausweislich der Protokolle nicht thematisiert.2525 Der Zeuge Bert Gricksch hat dazu angegeben, mit dem Inhalt der Spur „Dzinic“ erst durch Presseberichte vor seiner Vernehmung durch den ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU konfrontiert worden zu sein. Vorher seien ihm Widersprüche um den Begriff „Nazis“ nicht bekannt gewesen. Wörtlich hat er ausgeführt: „Ich kenne diese Dzinic - Spur ohne den Hinweis „rechts“. Ich kenne die Dzinic -Spur mit dem Hinweis „Junkies“, und dann war das genauso wenig ergiebig wie die Bochumer Spur, [….]. Und es kommt die Rückmeldung vom Leiter der Ermittlungen: Die Dzinc – Spur ist erledigt. - Dann ist die für mich erledigt. Dann sage ich nicht: Würde ich jetzt aber bitte gerne nachlesen.“ 2526 Die Frage, ob ein in Strukturmängeln einer BAO begründeter unzureichender Informationsfluss und unzureichende Kontrolle der Grund für seine unvollständige Kenntnis der Spur sein könnten, hat der Zeuge Bert Gricksch verneint. Ihm als dem Leiter der BAO seien alle Informationen vorgetragen worden, die der Ermittlungsführer für wichtig gehalten habe. Das sei eine übliche Vorgehensweise in einer BAO. Der Leiter müsse sich jeweils auf die in ihrem Bereich Verantwortlichen verlassen, er sei auf das angewiesen, was diese Kollegen, die ihm direkt zuarbeiteten, ihm mitteilten. Je besser die seien, desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit von Informationsverlusten. Ergänzend hat er zu dem konkreten Fall angegeben: „…. ich kenne doch nicht jeden Satz von jeder Spur. Da sind Hunderte von Spuren. Ich bin da nicht der beste Ermittler von allen; das muss ich deutlich sagen. Der Kollege Lötters hat eine 20-jährige Erfahrung als Leiter von Mordkommissionen. Das kann der viel, viel besser als ich.“2527 2522 2523 2524 2525 2526 2527 438 Protokoll der Besprechung der SZB vom 4. und 5. Oktober 2006, A10058 S. 36 f.. Protokoll der Telefonkonferenz der SZB vom 19. Oktober 2006, A10058 S. 49. Schenk, APr 16/1142 S. 19, 51. Protokolle 1., 2., 4., 5. periodische Besprechung der Steuerungsgruppe, A10057 S.39, 44, 255, 356; Protokoll 7. periodische Besprechung der Steuerungsgruppe, A10058 S. 131. Gricksch, APr 16/1154 S. 103, 112 f, 128, 132. Gricksch, APr 16/1154 S. 103, 112 f, 128, 132. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zu der Frage, ob die Spur „Dzinic“ , insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines rechtsextremistischen Tatmotivs, Gegenstand von Erörterungen in der BAO Bosporus gewesen sei, hat der Zeuge Wolfgang Geier ausgesagt: „Das war zu dem Zeitpunkt bekannt. Ich weiß jetzt nicht, ob es in der Steuerungsgruppe war. Das war auf jeden Fall beim Austausch der Sachbearbeiter untereinander - Herr Lödders [Anmerkung: richtig Lötters ist der damalige Nachname des Zeugen Michale Schenk] und die Sachbearbeiter, die bei mir für die Fälle zuständig sind - wir haben uns sogar diese Videos oder diese Überwachungskameraauszüge angeschaut und sind zu dem Schluss gekommen: ja, was will man mit so einer Bildqualität letztendlich anfangen?-Und die Aussage auf der einen Seite „die schauen aus wie Nazis“ und auf der anderen Seite „die schauen aus wie Junkies“- das bringe ich mit meinem Erfahrungswissen nicht ganz überein, muss ich ganz ehrlich sagen.“2528 Die in dem relevanten Zeitraum von Juni 2006 bis Ende 2006 gefertigten, von dem Zeugen Wolfgang Geier unterzeichneten, 13. bis 18. Sachstandsberichte der BAO Bosporus enthielten ausnahmslos nicht einen einzigen Hinweis auf die Beschreibung der Zeugin Jelica Dzinic der von ihr beobachteten Männer als „Nazis“.2529 Lediglich der 13. Sachstandsbericht befasste sich überhaupt mit der Spur „Dzinic“. Dort wurde niedergelegt: „Die Zeugin Dzinic hat kurz vor der Tat zwei Männer in unmittelbarer Nähe des Tatortes beobachtet. Sie beschreibt die Männer, von denen einer mit Fahrrad unterwegs war, als Deutsche, Junkies und alkoholisiert. …..“ 2530 Gleiches gilt für den zusammenfassenden Sachstandsbericht „Stand Mai 2008“. In ihm wurde zu der Spur „Dzinic“ im Wesentlichen der Inhalt des vorläufigen polizeilichen Schlussberichts wiedergegeben.2531 (3) Aussage der Zeugin Dzinic vor dem Ausschuss Vor dem Ausschuss hat die Zeugin Jelica Dzinic die Umstände des Zusammentreffens mit den beiden Männern im Wesentlichen wie in ihrer polizeilichen Vernehmung geschildert. Ergänzend hat sie angegeben, der Mann auf dem Fahrrad habe sie ganz böse angeschaut, weswegen sie ihren Kopf zur Seite gedreht habe und weiter gegangen sei. Auf die Frage, welche Angaben sie in ihrer polizeilichen Vernehmung gemacht habe, hat sie erklärt, es seien dieselben wie jetzt gegenüber dem Ausschuss gewesen. Ungefragt hat sie hinzugefügt, auf die Frage der Polizeibeamten nach dem Aussehen der Personen habe sie - das wisse sie ganz sicher - gesagt, die hätten ausgesehen wie Junkies oder Nazis. Auf ausdrückliche Nachfrage hat sie betont, sich nicht erinnern zu können, jemals gegenüber der Polizei widerrufen zu haben, dass sie die Männer für Junkies oder Nazis gehalten habe. Welche Umstände die Zeugin Jelica Dzinic damals bewogen haben, die Männer als Junkies oder Nazis zu beschreiben, konnte sie nicht erklären. Diesbezüglich hat sie angegeben: „In dem Moment, wo ich den gesehen habe… Also, ich weiß es nicht. Man kann sie halt erkennen. Und in dem Moment habe ich das so empfunden. [….] Weil ich mir damals nicht sicher war, habe ich gesagt: wie Junkies oder Nazis.“2532 2528 2529 2530 2531 2532 Geier, APr 16/1142 S. 79. 13. bis 18. Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“, A10036 S. 7 - 53. 13. Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“, A10036 S. 8. Zusammenfassender Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ Stand Mai 2008, A13318 S. 220, 240. Dzinic, APr 16/1126 S. 59 ff. 439 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (4) Unterlassene Vorlage von Videoaufnahmen vom Hauptbahnhof Am 6. April 2006 übergab die Bahnpolizei der MK Kiosk sechs CD-ROMs mit Aufnahmen von vier stationären Überwachungskameras im Hauptbahnhof Dortmund in der Zeit von 11:56 Uhr bis 15:32 Uhr des Tattages. Die Videoaufzeichnungen wurden „grobsichtig" in Augenschein genommen. Da keine relevanten Bezüge zum Tatgeschehen festgestellt wurden, wurde eine Bewertung dieser Spur zurückgestellt.2533 In den dem Ausschuss vorliegenden Dokumenten haben sich keine Hinweise darauf finden lassen, dass der Zeugin Jelica Dzinic diese Videos im Jahr 2006 vorgelegt wurden. Bei einer Auswertung der Videosequenzen nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 am 22.Februar 2012 fielen dem Sachbearbeiter der BAO Trio insbesondere drei unbekannte Männer auf. Der erste führte ein Fahrrad mit sich. Bei dem zweiten, aussehend wie ein Skinhead, mit Tarnhose und Bomberjacke mit Emblem bekleidet, schloss der Sachbearbeiter eine gewisse Ähnlichkeit mit Uwe Mundlos nicht aus. Dieser Mann trug im Eingangsbereich des Bahnhofs noch nicht, später aber einen Rucksack auf der Schulter. Die dritte männliche Person, die sich nach Ansicht des Kriminalbeamten sehr konspirativ verhielt, stand augenscheinlich in Beziehung zu den anderen beiden, ebenso wie eine unbekannte weibliche Person, die nach dem Eindruck des auswertenden Kriminalbeamten eine gewisse Ähnlichkeit mit Beate Zschäpe aufwies. Eine Identifizierung der Personen anhand der Videoaufnahmen war nicht möglich.2534 Auf Vorhalt des Ausschusses, dass eine genaue Auswertung der Videos und Vorlage bei der Zeugin Jelica Dzinic im Jahr 2006 möglicherweise konkrete Ermittlungsansätze gebracht hätte, hat der Zeuge Michael Schenk entgegenet: „Wir hatten da überhaupt kein Bild vor Augen zu irgendeiner Person. Wir hatten zwei Tage nach der Tat keinen einzigen Hinweis, wie er aussehen könnte. Ein zielgerichtetes Suchen in den CD-Roms oder Videoaufzeichnungsanlagen ist doch überhaupt nicht möglich“ Dem Vorhalt, dass die Aussage der Zeugin Jelica Dzinic durchaus Anhaltspunkte für das Aussehen der Täter geboten habe, ist der Zeuge Michael Schenk mit dem Einwand begegnet, die Zeugin Jelica Dzinic habe sich in der Anfangsphase zur Bekleidung widersprüchlich geäußert.2535 hh. kritische Würdigung (1) Allgemeines Der Ausschuss hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür, dass die ersten Ermittlungen am Tatort und im Umfeld des Opfers unzulänglich oder gar fehlerhaft waren. Die Leiterin der MK Kiosk, die Zeugin Barbara Lichtenfeld, hat sehr schnell einen Zusammenhang mit der Ceska- Mordserie erkannt und unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet, indem sie bereits am frühen Morgen des 5. April 2006 Kontakt mit der BAO Bosporus aufgenommen und eine Vergleichsuntersuchung der am Tatort sichergestellten mit der bei den übrigen Morden verwandten Munition im BKA veranlasst hat. 2533 2534 2535 440 Spurenblatt des BAO Kiosk vom 13. April 2006, A64729 S. 173. Vermerk des BKA vom 22. Februar 2012, A62163, S. 218 ff. Schenk, APr 16/1142, S. 48 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die für die Familie Kubaşık unzweifelhaft besonders belastenden Ermittlungshandlungen in den auf den Tattag folgenden Tagen, wie etwa die Befragungen zu der Person und den Lebensgewohnheiten des Opfers Mehmet Kubaşık oder die Drogenermittlungen sind nachvollziehbar. Mangels konkreter Spuren oder sonstiger Hinweise war es - wie auch in anderen Mordfällen - zwingend geboten, zunächst die Standardermittlungen im Opferumfeld durchzuführen. Die Drogenermittlungen, zu denen regelmäßig Durchsuchungen und auch der Einsatz von Drogenspürhunden gehören, folgten der von der BAO Bosporus verfolgten Ermittlingsthese, wonach die Mordopfer einen Bezug zu Drogendelikten aufweisen sollten. Darüber hinaus war Ihnen der Kontakt des Vorbesitzers zu Betäubungsmitteln bekannt. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass der Ansatz in Bezug auf Drogenkriminalität weiter verfolgt wurde. Die Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık haben dem Ausschuss berichtet, dass die Ermittlungen in Richtung Drogenkriminalität zu einer Stigmatisierung der Familie führten. Die vernommenen Beamten und Beamtinnen des PP Dortmund haben dem Ausschuss den Eindruck vermittelt, dass sie ihre Aufklärungsarbeit in diesem Stadium der ersten Ermittlungen engagiert betrieben haben und dabei bemüht waren, unnötige Bloßstellungen der Opferfamilie zu vermeiden und sie für das Erfordernis persönlicher, in Einzelpunkten auch kränkender Fragen zu sensibilisieren. (2) Abwischen der Patronenhülse Fragwürdig erscheint die Entscheidung des Kriminaltechnischen Instituts beim BKA, an der auf der Kasse im Kiosk sichergestellten Hülse die zu Untersuchungszwecken notwendige Reinigung vorzunehmen, bevor die Hülse auf daktyloskopische und DNA-Spuren untersucht werden konnte. Nach der Aussage des Zeugen Leopold Pfoser bestand die - durchaus nicht nur theoretische - Möglichkeit, dass sich an der Patronenhülse DNA-Spuren befanden. Das Abwischen möglicher Spuren im BKA erfolgte nach Rücksprache mit dem PP Dortmund und wurde mit der Dringlichkeit der Feststellung einer Übereinstimmung mit der bei den übrigen Ceska-Morden verwandten Tatmunition begründet. Allein für diese Feststellung hätte es indes einer umgehenden Untersuchung auch der Hülse nicht zwingend bedurft, weil dafür auch die Untersuchung der Projektile ausgereicht hätte. Zwar war nach den Zeugenaussagen im Ausschuss den Polizeibehörden damals und auch bis heute kein praktischer Fall bekannt, in dem es gelungen ist, auf einer verfeuerten und mithin unter entsprechender Hitzeeinwirkung stehenden Hülse DNA sichtbar zu machen. Unter Berücksichtigung der rasanten Entwicklung der Untersuchungsmöglichkeiten in der kriminalistischen Biologie seit dem Beginn der 2000er Jahre wäre es gleichwohl sachgerecht gewesen, sich die Untersuchung der Hülse auf daktyloskopische und DNA-Spuren bis zur möglichen Ergreifung eines Tatverdächtigen offenzuhalten. (3) Bearbeitung der Spur „Dzinic“ Der Ausschuss hat der Spur „Dzinic“ besonderes Gewicht beigemessen. Bei dieser Zeugin Jelica Dzinic handelt es sich um die einzige Person, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Täter in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu der Tat wahrgenommen hat. Zudem hat sie sie als Rechtsradikale beschrieben. Diese Spur ist von den Ermittlungsbehörden nicht mit dem gebotenen Nachdruck verfolgt worden. 441 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In den Ermittlungsakten finden sich vier polizeiliche Vermerke zu den Angaben der Zeugin Jelica Dzinic. Lediglich der erste Vermerk über die telefonische Meldung der Zeugin Jelica Dzinic auf der Kriminalwache des PP Dortmund am 5. April 2006 erwähnt eine angebliche Beschreibung der Zeugin der von ihr beobachteten Männer als Rechtsradikale oder Nazis nicht. Aus welchem Grund in dem auf diesen Vermerk aufbauenden Vermerk vom 6. April 2006 gleichwohl erstmals von Rechtsradikalen die Rede ist, konnte nicht geklärt werden. Dass die ermittelnden Kriminalbeamten und Kriminalbeamtinnen seinerzeit eine entsprechende Klärung nicht herbeigeführt haben, haben sie vor dem Ausschuss damit begründet, dass die Zeugin Jelica Dzinic in einer persönlichen Befragung am 6. April 2006 bereits angegeben hatte, die Männer nicht als Rechtsradikale beschrieben zu haben. Mag diese Begründung auch nachvollziehbar sein, wertet der Ausschuss es dennoch als Versäumnis, dass ein möglicherweise im Bereich des PP Dortmund liegendes Missverständnis bezüglich der Einordnung der Männer als Rechtsradikale in der - einzigen - protokollierten förmlichen Vernehmung der Zeugin am 7. April 2006 nicht thematisiert worden ist. Damit ist eine entscheidende Gelegenheit vertan worden ist, frühzeitig in den Akten auftretende Widersprüche aufzuklären. Der weitere Gang der Ermittlungen belegt allerdings, dass die Niederlegung in dem Vermerk, die Zeugin Jelica Dzinic habe die Täter als Rechtsradikale bezeichnet, offenbar nicht auf einem Missverständnis innerhalb des PP Dortmund beruhte, sondern tatsächlich auf einer entsprechenden Äußerung der Zeugin Jelica Dzinic. Denn ausweislich der weiteren polizeilichen Vermerke hat diese im Juni und auch im Oktober 2006 in Befragungen die von ihr beobachteten Männer als Junkies bzw. Nazis bezeichnet, ohne dass diese Äußerung der Zeugin Jelica Dzinic seitens der Vermehmungspersonen mit einem Wort hinterfragt worden ist. Angesichts dieser - lediglich in Vermerkform festgehaltenen - unterschiedlichen Äußerungen der Zeugin Jelica Dzinic sieht der Ausschuss einen gravierenden Ermittlungsfehler darin, dass diese Widersprüche zu der Bezeichnung der Täter als Rechtsradikale bzw. Nazis im Raum stehen geblieben sind. Es hätte sich der BAO Kiosk aufdrängen müssen, dass zwingend eine weitere eingehende förmliche Vernehmung der Zeugin vonnöten war, um in diesem Punkt eindeutige Klarheit zu schaffen. Das galt umso mehr, als der BAO Kiosk zu jenen Zeitpunkten die 2. Operative Fallanalyse bekannt war, nach der es sich bei den Ceska-Morden möglicherweise um Taten mit fremdenfeindlichem Hintergrund und Täter aus der rechtsextremistischen Szene handelte. Folgende Umstände sind als deutlicher Beleg zu werten, dass die Ermittlungsbeamten der BAO Kiosk dem Hinweis der Zeugin Jelica Dzinic auf Rechtsradikale aus unerfindlichen Gründen keine Bedeutung beigemessen haben: Diese Äußerung der Zeugin Jelica Dzinic findet weder in dem vorläufigen Schlussbericht der BAO Kiosk Erwähnung noch ist sie zu irgendeinem Zeitpunkt dem Leiter der BAO Kiosk vorgetragen worden. Jedenfalls hat dieser vor dem Ausschuss bekundet, von dem Inhalt der Spur „Dzinic“ erst durch Presseberichte vor seiner Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum NSU Kenntnis erlangt zu haben. Der Ausschuss hat auch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Hinweis auf Rechtsradikale Gegenstand von Erörterungen in der BAO Bosporus war. Zwar hat der Zeuge Michael Schenk im Ausschuss angegeben, er habe die Spur in der Besprechung der ZSBMitarbeiter vorgestellt und auch den Hinweis gegeben, dass die Zeugin Jelica Dzinic unter anderem von „Nazis“ gesprochen, sich aber letztendlich insoweit auf „Junkies“ festgelegt habe. Letzteres entsprach indes bereits nicht den Tatsachen. 442 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auch nach der Aussage des Zeugen Wolfgang Geier war die Spur der BAO Bosporus bekannt. Die von ihm zum Nachweis dafür vorgetragene Begründung hat allerdings kein Argument dafür geliefert, dass die an die BAO Bosporus gelangten Informationen zu der Spur auch den Hinweis auf Rechtsradikale beinhalteten. Berechtigte Zweifel daran, dass das der Fall war, lassen jedenfalls die Protokolle der Telefonkonferenzen bzw. Besprechungen der ZSB und der Besprechungen der Steuerungsgruppe aufkommen. In keinem der Protokolle hat im gegebenen Zusammenhang der Begriff „Rechtsradikale“ bzw. „Nazis“ Niederschlag gefunden. Zu einer gründlichen Abarbeitung der Spur „Dzinic“ hätte es letztlich gehört, der Zeugin Jelica Dzinic die Videoaufnahmen der Überwachungskameras des Hauptbahnhofs Dortmund für die Zeit von 11:56 Uhr bis 15:32 Uhr des Tattages vorzulegen. Immerhin war sie die einzige Zeugin, die vermutlich die Täter im Tatortbereich gesehen hatte. Schließlich trifft auch den ermittelnden Staatsanwalt der StA Dortmund der Vorwurf, der Spur „Dzinic“ nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Wenn ihm, wie er im Ausschuss bekundet hat, die unterschiedlichen Angaben der Zeugin Jelica Dzinic zu dem Aussehen der Täter bekannt waren, muss er sich die Frage gefallen lassen, warum er nicht im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis durch die Anordnung einer weiteren zeugenschaftlichen Vernehmung für eine Beseitigung der Widersprüche Sorge getragen hat. Spätestens nach Vorlage des polizeilichen Abschlussberichtes und Auswertung der Ermittlungsakten hätten ihm die Widersprüche Anlass für die Anordnung ergänzender Ermittlungen insoweit geben müssen. Auch das ist nicht geschehen. Darüber hinaus ist zu kritisieren, dass in keinem der BeStra-Berichte der StA Dortmund an das JM NRW und die GStA Hamm die Spur „Dzinic“ auch nur mit einem Wort erwähnt ist. Wie auch die Berichte im Übrigen wenig aussagekräftig überwiegend lediglich mitteilen, dass derzeit umfangreiche Spurenkomplexe abgearbeitet würden, wobei jegliche Ausführungen zu deren Inhalt fehlen. b. Einbindung anderer Behörden aa. BAO Bosporus (1) Diskussion um Übernahme der Gesamtermittlungen durch das BKA Nachdem am 9. Juni 2005 in Nürnberg und am 15. Juni 2005 in München innerhalb einer Woche zwei weitere Ceska-Morde in Bayern verübt worden sind, wurde beim PP Mittelfranken in Nürnberg am 1. Juli 2005 die BAO Bosporus eingerichtet. Bereits nach dem Mord in Rostock im Februar 2004 hatte das BKA im Juni 2004 auf Ersuchen des Bayerischen Innenministeriums die Aufgabe übernommen, mit der EG Ceska ergänzende strukturelle Ermittlungen gegen Auftraggeber und Hintermänner der Morde unter dem Gesichtspunkt der Bildung einer kriminellen Vereinignung gemäß § 129 StGB Bildung einer kriminellen Vereinigung zu führen.2536 Als nach dem Mord an Mehmet Kubaşık am 5. April 2006 feststand, dass diese Tat ebenfalls der Ceska-Mordserie zuzurechnen war, fand bereits am 6. April 2006 in den Räumen des PP Dortmund eine Besprechung statt, die der Zeuge Bert Gricksch als Leiter der BAO Kiosk leitete und an der neben Mitgliedern der BAO Kiosk Kriminalbeamte der BAO Bosporus des PP Mittelfranken in Nürnberg, des BKA, des Bayerischen LKA und der Zeuge Dr. Heiko Artkäm- 2536 Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 562, 567. 443 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 per von der StA Dortmund teilnahmen. Zweck der Besprechung war die gegenseitige Information über die acht Tötungsdelikte sowie die konzeptionelle Vorbereitung der in Betracht kommenden Ermittlungsmaßnahmen.2537 Am selben Tag wurde in Kassel der türkische Staatsangehörige Halit Yozgat in seinem Internetcafé ebenfalls mit Schüssen aus derselben Pistole der Marke Ceska 83 ermordet. Damit war die Zahl der Todesopfer der Ceska-Serie auf neun angewachsen. Fünf der Mordfälle wurden bei der StA Nürnberg bearbeitet, jeweils ein weiterer bei den Staatsanwaltschaften Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel. Mit den Ermittlungen waren zu diesem Zeitpunkt insgesamt sechs Polizeibehörden befasst. Ermittlungserfolge gab es in keinem der Fälle. Vor diesem Hintergrund sah das BKA nun - anders als noch im Jahr 2004 - das Erfordernis, zur Vermeidung etwaiger Schwachstellen in der Ermittlungsführung zentral die Gesamtermittlungen zu übernehmen.2538 Da die Voraussetzungen für eine originäre Ermittlungszuständigkeit des BKA nach § 4 Absatz 1 Bundeskriminalamtsgesetz (BKAG) zum damaligen Zeitpunkt als nicht gegeben erachtet wurden und ein Ersuchen oder Auftrag des GBA gemäß § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 BKAG nicht vorlag, kam eine Übernahme der Gesamtermittlungen durch das BKA nur nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 BKAG in Betracht. (a) Übernahme nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BKAG Gemäß § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BKAG nimmt das BKA die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahr, wenn eine zuständige Landesbehörde darum ersucht. Zuständige Landesbehörden im Sinne dieser Norm sind nach Auskunft des BKA in fast allen Bundesländern - so auch in NRW - die Landeskriminalämter und Staatsanwaltschaften.2539 Der seinerzeitige Präsident des BKA erklärte in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum NSU zu der gesetzlichen Regelung folgendes: „Der § 4 des BKA-Gesetzes stellt eine Sonderregelung für die Strafverfolgung in besonderen Fällen dar. Nach dem föderativen Prinzip ist Strafverfolgung eine Sache der Länderpolizeien und der Länderjustiz. Selbst wenn ein Ermittlungsverfahren mehrere Bundesländer betrifft, so ist daraus alleine noch keine originäre Zuständigkeit des BKA zur Strafverfolgung abzuleiten. Im Hinblick auf das Prinzip der Auftragszuständigkeit - also eine Staatsanwaltschaft ersucht das Bundeskriminalamt um Übernahme eines Verfahrens - hat das BKA nach dem Gesetz die Pflicht zur Prüfung, mehr nicht. Ferner hat das Bundeskriminalamt nicht das Recht, sich aus eigenem Entschluss in die Ermittlungen einzuschalten. Das Bundeskriminalamt, so der Grundgedanke der Väter des Grundgesetzes, soll grundsätzlich nur auf Ersuchen der Länder, der Justiz oder, im absoluten Ausnahmefall, auf Anordnung des Bundesministers des Innern selbstständig tätig werden dürfen. [….] Die letzte Entscheidung, ob von mehreren betroffenen Ländern, Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften bei unterschiedlichen Tatorten, wie das hier der Fall ist, ein abgestimmtes Ersuchen an das BKA gerichtet wird, obliegt allein der Verantwortung und Zuständigkeit der betroffenen Länder und der Länderdienststellen.“2540 2537 2538 2539 2540 444 Vermerk an die Behördenleitung des LKA NRW vom 6. April 2006, A10037 S. 11. Hoppe, 15. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92414 S. 8. Zuständigkeitenübersicht, A95589. Ziercke, 21. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A91896 S. 11 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Da mit einem Ersuchen aller betroffenen Bundesländer an das BKA, die Strafverfolgung zentral zu übernehmen, wegen der unterschiedlichen Länderinteressen eher nicht zu rechnen war, wäre der einzig gangbare Weg der über die Führung eines staatsanwaltschaftlichen Sammelverfahrens gewesen. Die dann federführende StA hätte das Ersuchen an das BKA richten können. Der Leiter der EG Ceska im BKA, KDir Christian Hoppe, gab vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum NSU an, in der Strategiebesprechung vom 19. April 2006 habe das Einvernehmen auf der Ebene der Polizei und der Staatsanwaltschaften dazu herbeigeführt werden sollen, welche StA das Verfahren zentral führen solle. Das sei nicht gelungen.2541 Der Grund dafür dürfte in folgenden Umständen liegen: Am 13. April 2006 fand, initiiert vom BKA, eine Telefonkonferenz statt, an der die Leiter aller Ermittlungskommissionen, für die BAO Kiosk der Zeuge Bert Gricksch und die Zeugin Barbara Lichtenfeld, aber kein Staatsanwalt teilnahmen. In dem Protokoll über diese Telefonkonferenz heißt es abschließend: „Um das weitere Vorgehen zu besprechen, wird eine Strategiebesprechung für den 19. April 2006, 13:00 Uhr in Wiesbaden terminiert. Die Teilnahme der Staatsanwaltschaften wird vorerst nicht für notwendig erachtet.“2542 In der Strategiebesprechung, in der dann auch keine StA vertreten war, wurde eine Koordinierung bzw. Zentralisierung der Ermittlungen erstmals kontrovers diskutiert. Das Protokoll über diese Besprechung verhält sich zu einer Diskussion betreffend eine mögliche Übernahme der Ermittlungen durch das BKA auf Ersuchen einer Landesbehörde nicht. Das BKA betonte lediglich, dass eine einheitliche Ermittlungsführung von großer Bedeutung sei und es aus diesem Grunde im BMI anregen werde, das BKA als ermittlungsführende Dienststelle zu beauftragen, § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BKAG).2543 Auf die Frage, aus welchem Grund die Staatsanwaltschaften nicht in diesen Entscheidungsprozess eingebunden waren, hat die Zeugin Barbara Lichtenfeld angegeben, nach ihrer Meinung hätten die Staatsanwaltschaften sich an anderer Stellen untereinander abgesprochen. Weiter hat sie ausgeführt, dass in der Strategiebesprechung die Zentralisierung der Ermittlungen thematisiert, aber nicht abschließend diskutiert worden sei. Die Entscheidungsträger im PP Dortmund und sie selbst hätten eine Abgabe des Verfahrens an das BKA für sinnvoll gehalten. Warum später eine anderslautende Entscheidung getroffen worden sei, entziehe sich ihrer Kenntnis.2544 Der Zeuge Bert Gricksch hatte weder eine Erinnerung an eine Diskussion über die Zentralisierung der Ermittlungen in der Strategiebesprechung noch an eine Teilnahme oder Nichtteilnahme von Staatsanwaltschaften. Ihm persönlich sei auch gleichgültig gewesen, welche Behörde die weiteren Ermittlungen leiten würde. Diesbezüglich hat er ausgeführt: 2541 2542 2543 2544 Hoppe, 15. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92414 S. 33. Protokoll zur Telefonkonferenz vom 14.April 2006, A10037 S. 31, 37. Protokoll der Strategiebesprechung vom 19. April 2006, A10037 S. 41. Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 88 ff. 445 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ob das BKA den Hut aufhat oder ob Herr Geier den Hut aufhat, das war mir sowas von egal. Wir wollten - ich wollte -, meine Leute und, ich glaube, alle in der Kommission wollten, dass der oder die Täter gefasst werden. Zumindest mir war es völlig egal, wer da den Hut aufhat.“ Auch die Frage, ob er im Vorfeld mit dem Zeugen Dr. Heiko Artkämper als dem zuständigen Staatsanwalt über eine mögliche Zentralisierung der Ermittlungen gesprochen habe, hat er mit Nichtwissen beantwortet. Er war sich aber sicher, dass „Artkämper, wenn er was einzuwenden gehabt hätte, dass auch getan hätte“ und dass ihm entsprechende Einwände gegebenenfalls im Gedächtnis geblieben wären.2545 Zu der Nichtbeteiligung der Staatsanwaltschaften an der Entscheidungsfindung über die Zentralisierung der Ermittlungen hat der Zeuge Dr. Heiko Artkämper ausgeführt: „Ich war an dieser Entscheidung nicht beteiligt. Das ist korrekt. Diese Entscheidung ist mir mitgeteilt worden. Mir ist sowohl das Datum als auch das Faktum, dass es diese Konferenz [Anm.: Innenministerkonferenz in Garmisch-Partenkirchen] gegeben hat, bislang unbekannt gewesen. Mir ist hinterher ein Ergebnis präsentiert worden, dass nämlich eine Zusammenführung - aus welchem Grund auch immer - nicht in Betracht kommt und jeder seins macht.“2546 Unabhängig von einer gemeinsamen Diskussion um die Übernahme der Gesamtermittlungen durch das BKA auf der Ebene der beteiligten Länderpolizeibehörden und Staatsanwaltschaften hätten die Nr. 25 ff. RiStBV den StAen die Möglichkeit eröffnet, die Ermittlungen in einem Sammelverfahren bei einer StA zu konzentrieren. Nr. 25 RiStBV hat folgenden Wortlaut: „Sammelverfahren Im Interesse einer zügigen und wirksamen Strafverfolgung ist die Führung einheitlicher Ermittlungen als Sammelverfahren geboten, wenn der Verdacht mehrerer Straftaten besteht, eine Straftat den Bezirk mehrerer Staatsanwaltschaften berührt oder ein Zusammenhang mit einer Straftat im Bezirk einer anderen StA besteht. Dies gilt nicht, sofern die Verschiedenartigkeit der Taten oder ein anderer wichtiger Grund entgegensteht.“ Nach Nr. 26 RiStBV wäre für die Führung eines solchen Sammelverfahrens am ehesten die StA Nürnberg zuständig gewesen. Diese Vorschrift lautet: „Zuständigkeit (1) Die Bearbeitung von Sammelverfahren obliegt dem Staatsanwalt, in dessen Bezirk der Schwerpunkt des Verfahrens liegt. (2) Der Schwerpunkt bestimmt sich nach den gesamten Umständen des Tatkomplexes. Dabei sind vor allem zu berücksichtigen: a) die Zahl der Einzeltaten, der Täter oder der Zeugen; b) der Sitz einer Organisation; c) der Ort der geschäftlichen Niederlassung, wenn ein Zusammenhang mit der Tat besteht; d) der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des (Haupt-)Beschuldigten, wenn dieser für Planung, Leitung oder Abwicklung der Taten von Bedeutung ist; 2545 2546 446 Gricksch, APr 16/1154 S. 107 ff. Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 21. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 e) das Zusammenfallen des Wohnsitzes mit einem Tatort. (3) Lässt sich der Schwerpunkt nicht feststellen, so ist der Staatsanwalt zuständig, der zuerst mit dem (Teil-)Sachverhalt befasst war. (4) Die Führung eines Sammelverfahrens darf nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass wegen eines Teils der Taten bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist.“ Auf die Frage, warum er das bei der StA Dortmund anhängige Einzelverfahren nicht an die StA Nürnberg abgegeben habe, hat der Zeuge Dr. Heiko Artkämper ausgeführt: „Die Geschichte… war im Prinzip mehr oder minder in Kassel durch…, weil es natürlich Gespräche sowohl auf der Polizeischiene als auch auf der Schiene der Staatsanwaltschaften gab, dass eigentlich eine Zusammenführung bei der Staatsanwaltschaft, die sozusagen den Schwerpunkt hatte, vernünftig wäre. Ich kann mich daran erinnern, dass Herr Kimmel auf dem Standpunkt stand, dass alleine der Umstand, dass eine Waffe bei mehreren Taten verwendet worden ist, keine Zuständigkeit bei sich begründet, und dass deswegen eine Übernahme der Verfahren abgelehnt wurde.“2547 Ergänzend gab er an, er habe anschließend bei seiner Behördenleitung angeregt, das gebotene Sammelverfahren dann bei der StA Dortmund zu übernehmen. Dies sei im Hinblick darauf, dass der Schwerpunkt der Taten eindeutig in Bayern gelegen habe, verständlicherweise abgelehnt worden.2548 Auf Vorhalt, dass Dr. Kimmel vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundstages zum NSU angegeben habe, er sei mit seinen Staatsanwaltskollegen aus den anderen Bundesländern einig gewesen, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen weiterhin bei jeder Behörde getrennt geführt würden, weil nach wie vor nicht bekannt sei, wer die Täter seien2549, hat der Zeuge Dr. Heiko Artkämper entgegnet: „Also, ich kann das, was Sie mir vorgehalten haben, die Aussage von Herrn Kimmel, nicht unterschreiben. Zumindest was Herrn Dr. Artkämper angeht, bestand dieser Konsens nicht.“ Er habe auch damals bereits keinen Hehl daraus gemacht, dass er diese Entscheidung für kriminalistisch nicht zutreffend halte.2550 Auf Frage, warum er nicht gleichwohl die Abgabe an die StA Nürnberg versucht und nach gegebenenfalls erfolgter schriftlicher Ablehnung der Übernahme gemeinsam mit den Staatsanwaltschaften der weiteren Tatortbehörden im Berichtswege über die Justizminister auf eine entsprechende Entscheidung gedrängt habe, hat der Zeuge Dr. Heiko Artkämper, geantwortet, angesichts der rigorosen Ablehnung habe er es nicht für sinnvoll gehalten, mit einem entsprechenden Versuch „noch Papier zu quälen“. Aufgrund der ihm bekannten Haltung des Dr. Kimmel sei ein schriftliches Übernahmeersuchen völlig aussichtslos gewesen.2551 Von der in § 143 Absatz 3 GVG geregelten Möglichkeit, den GBA um Zuweisung der Ermittlungen an eine StA zu ersuchen, machte die StA Dortmund keinen Gebrauch. 2547 2548 2549 2550 2551 Dr. Artkämper, APr 6/1126 S.18. Dr. Artkämper, APr 6/1126 S.18. Dr. Kimmel, 15. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92413 S. 17. Dr. Artkämper, APr 6/1126 S.22. Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 23. 447 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Nach Einrichtung einer Bund-Länder-Kommission „Rechtsterrorismus“ bat das BMI mit Schreiben vom 7. März 2013 das JM NRW um Mitteilung, ob seitens der StA Dortmund seinerzeit Versuche unternommen worden seien, die Ermittlungen nach Nummern 25 ff. RiStBV zu zentralisieren. Die StA Dortmund berichtete daraufhin dem JM NRW am 15. März 2013, eine Zentralisierung der Ermittlungen sei bei einem Treffen der die Ermittlungen führenden Staatsanwälte angesprochen, jedoch durch den Vertreter der StA Nürnberg mit der Begründung abgelehnt worden, dass allein die Verwendung derselben Waffe dies nicht rechtfertige.2552 Da mithin eine Einigung über die Führung eines Sammelverfahrens auf der Ebene der beteiligten Staatsanwaltschaften nicht erzielt werden konnte und eine Diskussion darüber auf der Ebene der Polizei weder im Rahmen der Strategiebesprechung am 19. April 2006 noch in späteren Besprechungen geführt wurde, kam eine Übernahme des Verfahrens durch den GBA gemäß § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BKAG nicht in Betracht. (b) Übernahme nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BKAG Ab dem 20. April 2006 wurden auf höchster polizeilicher Ebene etliche Gespräche mit Vertretern des BMI zu der Frage der zentralen Ermittlungsführung geführt, wobei das BKA immer wieder deutlich machte, dass es die Übernahme der Gesamtermittlungen als die fachlich beste Lösung ansah, während die Landespolizeibehörden in diesem Punkt unterschiedliche Auffassungen vertraten.2553 Ausweislich des Abschlussberichts des ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum NSU hatte der Zeuge Wolfgang Geier als Leiter der BAO Bosporus dem Abteilungsleiter im Bayerischen Staatsministerium des Innern und Landespolizeipräsidenten Kindler am 27. April 2006 schriftlich folgenden Vorschlag unterbreitet: „Zukünftig sollte unter Beibehaltung der Ermittlungszuständigkeit der jeweiligen Länder eine enge Zusammenarbeit der SoKos in der Weise gesichert werden, dass ein abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen in dieser Fallserie durch regelmäßige Strategiebesprechungen stattfindet. [….] Aus Gründen einer möglichst reibungslosen und erfolgreichen Zusammenarbeit in unseren föderalen Strukturen sollte weder das BKA noch die BAO „Bosporus“ eine Ermittlungsführerschaft übernehmen.2554 In seiner Vernehmung vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU antwortete er auf die Frage, wie er sich denn in der Frage der zentralen Ermittlungsführung entschieden hätte, wenn er hätte entscheiden dürfen, wörtlich: „Schon 2004 hatte ich ja diese Meinung vertreten und habe versucht das BKA zur Übernahme dieses Fallkomplexes zu bewegen. Das ist damals letztendlich von Seiten des BKA abgelehnt worden. Natürlich halte ich eine zentrale Ermittlungsführung in solchen Fällen für die bessere, egal, sei es durch das Bundeskriminalamt, sei es aber auch durch eine Landesbehörde.“2555 2552 2553 2554 2555 448 Schreiben des BMI vom 7. März 2013 und Bericht der StA Dortmund vom 15. März 2013, A13329 S. 23 f., 26. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 583 – 596. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 585. Geier, 12. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92412 S. 26 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Ausschuss wurde dem Zeugen vorgehalten, dass sein damaliger Stellvertreter in der BAO Bosporus, KDir Mikulasch, ausweislich des Protokolls der Strategiebesprechung vom 19. April 2006 dem Vorschlag der Verfahrensübernahme durch das BKA widersprochen habe. Auf die anschließende Frage, ob er und die BAO Bosporus im Jahr 2006 in der Frage der Zentralisierung der Ermittlungen eine andere Meinung als 2004 vertreten hätten, hat er geantwortet, die dargestellte Meinungsäußerung seines Kollegen Mikulasch widerspreche seiner Aussage nicht. Wörtlich hat der Zeuge Wolfgang Geier ausgeführt: „Ich wurde von Herrn Mikulasch so informiert, dass eigentlich unter den Ländervertretern die Meinung vorgeherrscht hat: jetzt - zum jetzigen Zeitpunkt, nicht 2004, wo man es abgeben wollte - nicht mehr abzugeben. Aber das war nicht seine Entscheidung, sondern man ist offensichtlich so auseinander gegangen, dass Maurer und Hoppe [Anm: Vertreter des BKA] gesagt haben, sie werden es dem BMI vorlegen mit der Bitte, über den Innenminister das BKA zu beauftragen. Das ist dann auf die politische Ebene gehoben worden. [...] Was ich vorgeschlagen habe - zu dem Zeitpunkt war ich überhaupt nicht involviert, weil ich mit ganz anderen Aufgaben beschäftigt war - 2004, nach der Tat im Februar in Rostock, da habe ich über das Ministerium versucht, jetzt zu sagen: Jetzt müsste man es an das BKA letztendlich abgeben. Zwei Jahre… Später war ich, sage ich mal, Befehlsempfänger. Nach der Rückkehr von der IMK wurde mir eben der Auftrag gegeben: Du bist ab jetzt wieder Leiter der BAO.“2556 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Wolfgang Geier letztendlich die dokumentierte Haltung der BAO Bosporus im Jahr 2006 bestätigt, in dem er angeben hat: „Zu dem Zeitpunkt waren fünf Bundesländer involviert, hatten riesige Ermittlungsstränge und Sonderkommissionen aufgebaut. Das BKA hat die Sache schon einmal abgelehnt, war eigentlich auf dem Trip „Organisationstheorie“ und konnte sich mit der Serientätertheorie eigentlich nicht anfreunden. Zu dem Zeitpunkt dann das abzugeben.“2557 Eine eindeutige und übereinstimmende Haltung der nordrhein-westfälischen Polizeibehörden zu einer Zentralisierung der Ermittlungen konnte nicht festgestellt werden. Die vom Ausschuss vernommenen Zeugen Barbara Lichtenfeld und Bert Gricksch vom PP Dortmund vermochten sich an entsprechende Erörterungen mit der Führungsebene des PP Dortmund nicht zu erinnern.2558 Der Vertreter des LKA NRW bei der Strategiebesprechung vom 19. April 2006 hielt in einem Gedächtnisprotokoll fest, dass die Vertreter der BAO Bosporus und des LKA Hamburg die Absicht des BKA, dem BMI eine Beauftragung des BKA vorzuschlagen, kritisiert hätten. Von den anderen Konferenzteilnehmern seien weitere Beiträge zu dieser Thematik nicht erfolgt.2559 Am 20. April 2006 führte der Präsident des BKA mit den Leitern der beteiligten Landeskriminalämter ein Gespräch zum geplanten Vorgehen des BKA. Das LKA NRW soll sich darin zu der Übertragung der Ermittlungszuständigkeit an das BKA sinngemäß wie folgt geäußert haben: 2556 2557 2558 2559 Geier, APr 16/1142 S. 98 f. Protokoll der Besprechung der SZB vom 1. August 2006, A10057, S. 148; Geier, APr 16/1142 S. 98 f. Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 89 f.; Gricksch, APr 16/1154 S. 107. Gedächtnisprotokoll des Vertreters des LKA NRW vom 21. April 2006, A10037 S. 57. 449 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Das LKA ist nur informatorisch eingebunden. Aus fachlicher Sicht ist eine zentrale Ermittlungsführung sinnvoll, die Frage ist wo - der Schwerpunkt liegt in BY. Eine weitere Frage wäre, ob durch die Übernahme des BKA eine qualitative Verbesserung zu erwarten sei.“2560 Das IM NRW führte in einem Votum vom 28. April 2006 für die Innenministerkonferenz am 4. und 5. Mai 2006 zu einer Zentralisierung der Ermittlungen aus: „Soweit Bestrebungen des Bundes (BKA) vorgetragen werden, die Zuständigkeit für die gesamte Ermittlungsführung zentral beim BKA (unter Beiordnung von Kräften der Länder) wahrnehmen zu lassen, wird empfohlen, die entgegenstehende Haltung Bayerns zu stützen. Ein Schwerpunkt der Straftaten und bisher mit starkem Personalansatz geführten Ermittlungen liegt in Bayern, an der fachlichen Kompetenz der bayerischen Ermittlungsbehörden besteht kein Zweifel. Praktische Erfahrungen in der Bearbeitung von Tötungsdelikten bestehen darüber hinaus eher in den Ländern als beim Bund.“2561 In einer hausinternen Mail des LKA NRW vom 15. Mai 2006 findet sich folgende Information: „Nach wie vor Überzeugung (u. a.) in unserem IM: Zentrale Ermittlungsführung ist nicht erforderlich.“2562 (c). Kritische Würdigung Spätestens nach den Morden in Dortmund und Kassel wären zentral geführte polizeiliche Ermittlungen in einem bei einer StA anhängigen Sammelverfahren geboten gewesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür lagen in Nummern 25 ff. RiStBV und § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BKAG vor. Der Ausschuss wertet es als Mangel, dass seitens der nordrhein-westfälischen Behörden keine Anstrengungen unternommen worden sind, auf eine zentrale Ermittlungsführung hinzuwirken. Das BKA regte mit Schreiben vom 2. Mai 2006 beim BMI eine zentrale Ermittlungsführung durch das BKA an und führte zur Begründung aus: „Das [geschilderte] Nebeneinander von Zuständigkeiten und Aufgabenwahrnehmungen verschiedener Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften in Verbindung mit fehlenden Ermittlungserfolgen in diesem Tatkomplex spricht unter kriminalistischen Gesichtspunkten ganz überwiegend für eine einheitliche zentrale Ermittlungsführung durch das BKA mit zu unterstellenden (bereits bestehenden) regionalen Einsatzabschnitten der Länderdienststellen. Das BKA könnte besser als eine der beteiligten Länderpolizeien (dort werden - Ausnahme LKA Hamburg - die Ermittlungen noch nicht einmal von den Landeskriminalämtern geführt) folgende Aspekte gewährleisten: Durch die zentrale Ermittlungsführung des BKA würden klare Kommunikationsstrukturen, ein Zusammenführen aller Hinweise und Spuren sowie ihr komplexer Abgleich unter einheitlicher Perspektive bei gleichzeitiger Offenheit für neue, z. B. aus einem der Einzelfälle resultierenden Aspekte, die für den Gesamtkomplex von Bedeutung sind, sowie ein stringentes und abgestimmtes Ermittlungskonzept mit eindeutigen Über- und Unterord- 2560 2561 2562 450 Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 583 f. Votum des IM NRW vom 28. April 2006 zur IMK, A10022 S. 13. Interne E-Mail des LKA NRW vom 15. Mai 2006, A10038 S. 7 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nungsverhältnissen sichergestellt. […] Klare Führungsstrukturen und Weisungskompetenzen im Sinne einer BAO würden das Risiko von Informationsverlusten, Doppelarbeiten, dadurch entstehende Ermittlungspannen minimieren, damit die Ermittlungen effektivieren und die Wahrscheinlichkeit der Tataufklärung deutlich erhöhen“.2563 Als weiteres Argument für eine zentrale Ermittlungsführung brachte das BKA in dem Schreiben vor, dass vor dem Hintergrund der bislang unklaren Motivlage ein strategisch und taktisch in sich stimmiger, breiter und einheitlicher Ermittlungsansatz gewählt werden müsse, der weitere Fachbereiche des BKA, z. B. die Abteilung „Staatsschutz“, sowie andere Sicherheitsbehörden des Bundes einbinde, da ein Staatsschutzhintergrund derzeit nicht auszuschließen sei.2564 Der Ausschuss hält diese Argumentation nach Auswertung der Akten und Befragungen von Zeugen und Zeuginnen rückblickend für zutreffend und schließt sich ihr an. Auch selbst der Zeuge Wolfgang Geier als Leiter der Steuerungsgruppe der BAO Bosporus, der sich 2006 gegen eine Übernahme der Gesamtermittlungen durch das BKA ausgesprochen hatte, hielt in seinem Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2007 und auch in seiner Zeugenaussage vor dem Ausschuss eine zentrale Ermittlungsführung mit klaren Weisungsbefugnissen zur Erzielung erfolgversprechender Ermittlungen in gleich gelagerten Fällen für erforderlich. Der Ausschuss betont ausdrücklich, dass seine Arbeit keine Anhaltspunkte dafür erbracht hat, dass durch zentrale Ermittlungen die Mordserie früher hätte aufgeklärt werden können oder eine Spur zum NSU geführt hätte. Er ist aber der Überzeugung, dass die seinerzeitigen Hinweise auf einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund der Taten auch die Ermittlungsbehörden in Dortmund zu Ermittlungen in Richtung eines rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Tatmotivs hätten drängen müssen. Nach Auffassung des Ausschusses hätten zentrale Ermittlungen anders als geschehen auch die rechtsextremistische Szene in Dortmund in den Blick genommen. Obgleich die zeugenschaftlich vernommenen Beamten der BAO Kiosk übereinstimmend bekundet haben, sie hätten auch bereits im Jahr 2006 zentrale Ermittlungen für sachgerechter gehalten, konnte nicht festgestellt, dass seitens der Sicherheitsbehörden in Dortmund irgendwelche Anstrengungen zur Erreichung dieses Zieles unternommen worden sind. Im Gegenteil scheint die BAO Kiosk der Frage einer zentralen oder dezentralen Ermittlungsführung eher gleichgültig gegenüber gestanden und der BAO Bosporus die Wortführerschaft überlassen zu haben. Zudem haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Problematik seitens der BAO Kiosk an die Führungsebene des PP Dortmund oder gar das IM NRW herangetragen worden ist. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass im Gegensatz zu den Beamten der BAO Kiosk und des LKA NRW das IM NRW im Vorfeld der IMK für dezentrale Ermittlungen votierte. Wie das PP Dortmund waren ersichtlich auch die anderen Länderbehörden an einer Abgabe der Ermittlungen nicht interessiert oder wollten diese gar verhindern. Anders ist nicht zu verstehen, dass sie bereits vor der ersten Diskussion über eine zentrale Ermittlungsführung in 2563 2564 Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission „Rechtsterrorismus“ vom 30.5.2013, A21700, S. 224. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 587. 451 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der Strategiebesprechung am 19. April 2006 die Teilnahme der sachleitenden Staatsanwälte für nicht erforderlich gehalten haben. Hätten die Polizeibehörden zentrale Ermittlungen durchsetzen wollen, wäre ihnen dies am ehesten gelungen, wenn sie auf ein Einvernehmen der beteiligten Staatsanwaltschaften über die Zusammenführung der Verfahren nach Nummern 25 ff. RiStBV auf justizieller Ebene hingewirkt hätten. Zur Verfolgung dieses Ziels wäre die Teilnahme der beteiligten StAen an den Besprechungen über eine Zentralisierung der Ermittlungen zwingend geboten gewesen. Den beteiligten StAen wäre auch unabhängig von der Entscheidug auf politischer Ebene die sachgerechte und zweckmäßige Bündelung der Verfahren bei einer StA möglich gewesen. Unverständlich ist, dass der Zeuge Dr. Heiko Artkämper sich mit der lediglich mündlich geäußerten ablehnenden Haltung des Staatsanwalts Dr. Kimmel seinerzeit zufrieden gegeben und keinen Versuch einer schriftlich begründeten Abgabe an die StA Nürnberg-Fürth unternommen hat. Dazu hätte er sich bereits deshalb veranlasst sehen können, weil die mündlich geäußerte Zuständigkeitsentscheidung des Staatsanwalts Dr. Kimmel fehlerhaft war. Für ein Sammelverfahren im Sinne der Nr. 25 RiStBV ist es nicht erforderlich, dass die Taten von demselben Täter begangen wurden. Den Zusammenhang mehrerer Straftaten kann z. B. auch die Verwendung desselben unverwechselbaren Tatwerkzeugs begründen. In den Ceska-Mordfällen ließ sich ein Tatzusammenhang darüber hinaus durch die gleichartige Opferauswahl herstellen. (2) Einrichtung einer Steuerungsgruppe (a) Vereinbarungen am Rande der Innenministerkonferenz Am Rande der 180. Innenministerkonferenz am 4. und 5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen fand auf Einladung des Vorsitzendem des Arbeitskreises II „Innere Sicherheit“ der IMK eine Besprechung statt, an der neben den Polizeiabteilungsleitern der von der Mordserie betroffenen Länder der Abteilungsleiter Polizei des BMI teilnahm. Das Land NRW war durch einen Ministerialdirigenten vertreten.2565 Bei diesem Treffen wurde vereinbart, dass alle Länder für ihre Fälle gemäß dem föderalen Aufbau originär zuständig blieben, also keine Unterstellung unter die Steuerungsgruppe erfolgen sollte. Unter dem Vorsitz des Leiters der BAO Bosporus, dem Zeuge Wolfgang Geier, sollte in Nürnberg eine Steuerungs- und Koordinierungsgruppe mit den Leitern der jeweiligen Tatort-Sonderkommissionen und der EG Ceska des BKA gebildet werden. Zur Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs sowie einer geordneten Informationssammlung und -steuerung sollten eine Geschäftsstelle und eine Lage- und Informationsstelle (LISt) eingerichtet werden.2566 Eine Absprache des Polizeiabteilungsleiters im IM NRW mit dem Leiter der BAO Kiosk, dem Zeugen Bert Gricksch, war offensichtlich vorher nicht erfolgt. Der Zeuge Bert Gricksch hat insoweit angegeben, soweit ihm bekannt, habe es nur Gespräche bei der IMK gegeben. Die Polizei habe nur das Ergebnis zur Kenntnis bekommen und daraus geschlussfolgert, dass man sich auf ministerieller Ebene auf diese Vorgehensweise geeinigt habe.2567 2565 2566 2567 452 Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 589. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 597; Organigramm der Steuerungsgruppe, A10050 S. 54. Gricksch, APr 16/1154 S.110. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (b) Struktur und Aufgaben der Steuerungsgruppe Bereits am 17. und 18. Mai 2006 fand die konstituierende Sitzung der Steuerungsgruppe in Nürnberg statt, in der die Teilnehmer in Umsetzung der Besprechungsergebnisse des Arbeitskreises II der IMK folgende Struktur beschlossen: „- Implementierung einer Steuerungsgruppe unter Leitung von Herrn Geier. Festlegung der Aufgabenbereiche des Gremiums. […] Mitglieder sind die Leiter der jeweiligen Tatortdienststellen und der EG Ceska. Namentliche Vertreter der Steuerungsgruppe werden benannt. - Bildung einer Geschäftsstelle beim Vorsitzenden der Steuerungsgruppe [...] - Festlegung auf ISA (Informationssammelstelle) mit Sitz in Nürnberg und unmittelbare Anbindung an die Steuerungsgruppe.[…] - Einbindung der Staatsanwaltschaften durch halbjährige bzw. quartalsmäßige Besprechungen (inwieweit dieses Vorhaben umgesetzt worden ist, konnte den dem Ausschuss vorliegenden Unterlagen nicht entnommen werden.) - monatliches Treffen (1. Mittwoch des Monats) der Angehörigen der Steuerungsgruppe. In dringenden Fällen wird eine Telefonkonferenz erfolgen.“2568 Als Aufgaben der Steuerungsgruppe wurden festgelegt: „- Strategische und taktische Ausrichtung der Ermittlungen Abstimmung von Ermittlungsschnittstellen und operativen Maßnahmen grundsätzliche rechtliche Abstimmung mit den Staatsanwaltschaften strategische Ausrichtung der Öffentlichkeits- und Pressearbeit Empfehlungen zu logistischen und EDV-technischen Grundsatzangelegenheiten (Bundesweite) Empfehlungen zu Ermittlung-und Fahndungsmaßnahmen“2569 Die dem Leiter der Steuerungsgruppe zugeordnete Geschäftsstelle hatte nach dem Willen der Sitzungsteilnehmer unterstützende Aufgaben wahrzunehmen, insbesondere im Auftrag der Steuerungs- und Koordinierungsgruppe strategische und ermittlungstaktische Konzepte zu erarbeiten, deren Entscheidungen zu dokumentieren und zu steuern, monatliche Sachstandsberichte zu erarbeiten und als Ansprechpartner / Bindeglied für ermittlungstaktische Fragen der SoKos / EG zu fungieren.2570 Nach kontroverser Diskussion zu der Frage, ob die einzurichtende Informationssammelstelle (ISA) sachgerechter beim BKA oder bei der BAO Bosporus anzusiedeln ist, entschied das Gremium sich für eine Anbindung der an die BAO. Sie sollte allerdings ausschließlich die innerdeutschen Informationen steuern. Die Auslandsteuerung sollte unangetastet der EG Ceska beim BKA vorbehalten bleiben.2571 Die Aufgaben der ISA wurden wie folgt schriftlich fixiert: „1. Lageerhebung, -darstellung und -steuerung durch - Zentrale Registrierung aller eingehenden Hinweise - Bewertung der durch die Tatortdienststellen angelieferten Hinweise, Datenbankabfragen und Infoverdichtungen 2568 2569 2570 2571 Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 17. Mai 2006, A10050 S. 47 f. Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 17. Mai 2006, A10050 S. 60. Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 17. Mai 2006, A10050 S. 57. Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 17. Mai 2006, A10050 S. 44. 453 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 - Weiterleitung der Hinweise an die Zentrale Sachbearbeitung (ZSB) der jeweilig zuständigen Ermittlungsdienststelle - Erfassung und Darstellung von Spurenkomplexen - Hinweiscontrolling - Übersicht über Sachbeweise und Tatortspuren - Periodische und anlassbezogene Lageberichte 2. aktive Erhebung von Informationen auf nationaler Ebene durch - Auswertung polizeiinterner und externer Publikationen inklusive Medienauswertung 3. Gewährleistung eines strukturierten, aktuellen Informationsaustausches mit allen beteiligten Tatortdienststellen / EG Ceska durch - Steuerung von Lageinformationen - Täglichen Abgleich des Informationsstandes durch telefonische oder anderweitige Kontaktaufnahme (tägliche TK, Epost / E-mail-Verteiler)“2572 Bezüglich des Informationsaustausches wurde vereinbart, dass die Lagemeldungen zum aktuellen Informationsstand weiterhin an alle LKÄ übersandt werden, während die als Führungsinstrument der Steuerungsgruppe und den Ministerien dienenden Sachstandsberichte den Mitgliedern der Steuerungsgruppe zugänglich gemacht werden sollten. Sie wurden in NRW an den Zeugen Bert Gricksch als den Leiter der BAO Kiosk, gesandt, der sie seinerseits an das LKA NRW weiterleitete.2573 (3) Operative Fallanalysen (a) 1. Operative Fallanalyse der OFA Bayern Nach Einrichtung der BAO Bosporus zum 1. Juli 2005 beauftragte der Zeuge Wolfgang Geier die OFA Bayern mit einer Analyse zu den bis dahin mit der Waffe der Marke Ceska verübten sieben Morde.2574 Als Verantwortlicher des Teams „Fallanalysen“ stellte EKHK Horn in seiner Vernehmung im ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU die Aufgaben eines Fallanalytikers dar: Zunächst würden grundsätzlich die Tathergänge rekonstruiert. Darauf aufbauend wurde versucht, das Täterverhalten zu bewerten, Motivlagen zu erarbeiten und Aussagen zu der Täterpersönlichkeit zu erstellen, um daran anschließend auch Ermittlungsempfehlungen abzugeben.2575 Ausgehend von den Opferhintergründen in den ersten sieben Fällen und unter Berücksichtigung von Zeugenaussagen, die Anhaltspunkte dafür geliefert hatten, dass einige der Opfer im Vorfeld der Taten im Zusammenhang mit ihrem Geschäftsbetrieb bedroht worden waren oder dass es Streit gegeben hatte, gelangte die 1. Operative Fallanalyse zu der Hypothese, dass die Morde im Auftrag einer Organisation begangen worden sind.2576 2572 2573 2574 2575 2576 454 Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 17. Mai 2006, A10050 S. 58 f. Bericht des LKA NRW vom 27. Juli 2006, A10023, S. 29 (VS-nfD). Geier, 12. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92412 S. 8. Horn, 14. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92413 S. 51. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 577. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (b) 2. Operative Fallanalyse der OFA Bayern (aa) Inhalt Da die Ermittlungen nach den beiden Morden in Dortmund und Kassel keinerlei Anhaltspunkte dafür boten, dass die Opfer in die Organisierte Kriminalität verstrickt sein könnten, erteilte der Zeuge Wolfgang Geier der OFA Bayern den Auftrag, unter Einbeziehung der Erkenntnisse zu den Taten in Dortmund und Kassel Alternativhypothesen zu der bis dahin favorisierten Organisationstheorie zu entwickeln.2577 Entsprechend dem Ersuchen des Leiters der OFA Bayern um fallanalytische Unterstützung beteiligte sich ein Mitarbeiter der beim LKA NRW angesiedelten OFA NRW an der Fallanalyse. Die OFA Hessen konnte sich aufgrund personeller Engpässe nicht beteiligen. Die Informationen zu dem Mord an Mehmet Kubaşık holte die OFA NRW, die Informationen zu der Tat in Kassel die OFA Bayern von den jeweiligen Tatortkommissionen ein.2578 In der Zeit vom 2. bis 5. Mai 2006 wurde die 2. Operative Fallanalyse unter Beteiligung der OFA NRW in München entwickelt.2579 Der Mitarbeiter der OFA NRW beschrieb in einem internen Bericht des LKA den fallanalytischen Prozess wie folgt: „Zunächst wurden die Opfer-, Verletzungs- und Tatortbilder erstellt sowie die Tatabläufe in Dortmund und Kassel rekonstruiert. Mit dem Erkenntnisstand der ersten sieben Fälle, ergänzt durch die Informationen aus den Tötungsdelikten Dortmund und Kassel, wurden insbesondere die richtungsgebenden Parameter, die in der Analyse der OFA Bayern aus 2005 zu der Hypothese „überregional agierende Organisation“ geführt hatten, einer erneuten kritischen Bewertung unterzogen. Dazu gehörten u. a. „Ansprachen“ (ggf. Drohungen, die einige Zeugen geschildert hatten) an die später Getöteten. Die Annahme, dass diese „Ansprachen“ im Zusammenhang mit der Tötung erfolgten, konnte nicht aufrechterhalten werden. Im Ergebnis wird favorisiert, dass die Zeugenbeobachtungen, sofern sie im Hinblick auf Zeit, Ort und Wahrnehmung einen realen Hintergrund haben, nicht als „Ansprache“ im Kontext der Organisationshypothese interpretiert werden müssen bzw. können. In die Bewertung einfließen musste auch, dass trotz langjähriger, intensiver Ermittlungen keinerlei Verbindungen zwischen den Opfern hergestellt werden konnten, insbesondere keine übereinstimmenden Verstrickungen in das kriminelle Milieu. Damit könnten die Opfer situativ ausgewählt worden sein. Als Opfer wurden also nicht diese Personen ausgewählt, sie waren jedoch zur falschen Zeit am falschen Ort. Auswahlkriterien: Ausländer, männlich, im Kleingewerbe tätig.“2580 Unter dem Dachbegriff „Alternativhypothesen“ wurden Ermittlungsansätze in den Bereichen „Geheimdienst“, „Kriminalität“ und „Mission“ beleuchtet und exemplarisch abgehandelt. Im Ergebnis wurde als Alternative die Hypothese „missionsgeleiteter Täter“ - begrifflich als „Einzeltäter“ dargestellt - geprüft und schließlich favorisiert. Der „Missionstäter“ wurde dabei verstanden als ein Täter, der sich aufgrund tatsächlichen oder eingebildeten Unrechts subjektiv 2577 2578 2579 2580 Zeuge Geier, APr 16/1142 S. 69. Bericht des LKA NRW vom 27. Juli 2006, A10023 S. 31 (VS-nfD). Horn, 14. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92413 S. 59. Bericht des LKA NRW vom 27. Juli 2006, A10023 S. 32 f. (VS-nfD). 455 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 legitimiert empfand, die Tötungsdelikte zu begehen. Der Begriff „Einzeltäter“ wurde als Abgrenzung zur „Organisation“ gewählt. Auch eine Tatbegehung durch zwei Täter wurde als denkbar angesehen. 2581 Zusammenfassend gelangte die 2. Operative Fallanalyse zu folgender Einschätzung: „- Täter verfügt über eine psychopathische Persönlichkeit Täter entwickelt ablehnende Haltung gegenüber Türken Täter sucht ggf. Nähe zur rechten Szene, Täter ist jedoch von der „Schwäche“ enttäuscht Täter entwickelt die Vorstellung seiner eigenen „Mission“ Täter beschafft sich (falls nicht bereits vorhanden) die Tatmittel und entwickelt diese im Verlauf der Serie weiter Täter verfestigt seinen Tatentschluss und behält diesen über Jahre bei Täter gewinnt durch die erfolgreichen Taten an Selbstbewusstsein und ist bereit auch höhere Risiken einzugehen („Allmachtsfantasien“) Täter begeht die Taten in einem sich verkürzendem Zeitintervall“2582 Basis für den Ermittlungsansatz „Einzeltäter“ waren folgende als Täterprofil festgelegte Kriterien: a) Geschlecht männlich b) Alter zu Beginn der Tatserie: 18 bis 35 Jahre; 1. Priorität: 22 bis 28 Jahre c) Nationalität: Deutsch d) Geographischer Bereich: Ankerpunkt im südöstlichen Raum Nürnbergs, eher Wohnort als Arbeitsstelle; Auswahl der übrigen Tatorte im Rahmen einer (beruflichen) Routineaktivität e) Polizeiliche Vorerkenntnisse (mangels Tendenz zur Bereicherung bei den Taten nicht zwingend erforderlich); falls Vorerkenntnisse: Staatsschutz (rechts); Waffen- / Sprengstoffdelikte (auch Schießen außerhalb von Schießstätten) f) Zugehörigkeit zur rechten Szene: denkbar im Zeitpunkt vor der 1. Tag (2000); Rückzug nach Beginn der Serie zu erwarten g) Affinität zu Waffen / Schießfertigkeit2583 Zu den Gründen für die Annahme „Ankerpunkt Nürnberg“ erklärte EKHK Horn in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU, ausschlaggebend sei zunächst der Beginn der Serie mit zwei Tatorten in Nürnberg gewesen. Alle Tatorte in Nürnberg hätten sich sehr eng beieinander im Südsüdosten der Stadt befunden. Die erste Tat habe an einem Samstag in Nürnberg stattgefunden, während die übrigen Taten in anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland an unterschiedlichen Wochentagen begangen worden seien. Den Ankerpunkt präzisierte EKHK Horn dahingehend, dass es sich dabei auch um einen ehemaligen Wohnort, Beschäftigungsort oder einen Ort mit anderweitiger sozialer Bindung handeln könne. Nach Erstellung der 2. Operativen Fallanalyse hätten sie aus ihrer analytischen Sicht die Einzeltätertheorie als die wahrscheinlichere Hypothese angesehen. Für ihre Ermittlungsempfehlungen seien allerdings sämtliche Spuren in allen Fällen zu berücksichtigen gewesen, so dass beide Theorien zumindest als gleichwertig nebeneinanderstehend zu betrachten gewesen seien.2584 2581 2582 2583 2584 456 Ergebnis der 2. Fallanalyse der OFA Bayern, A10022 S. 91 ff. Ergebnis der 2. Fallanalyse der OFA Bayern A10022 S. 97. Ergebnis der 2. Fallanalyse der OFA Bayern, A10022 S. 100 ff. Horn, 14. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92413, S. 58 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die 2. Operative Fallananalyse empfahl außerdem einen Tatzusammenhang mit dem Nagelbombenanschlag in Köln am 9. Juni 2004 zu prüfen und regte eine vergleichende Fallanalyse an.2585 Das Analyseergebnis der 2. Operativen Fallanalye wurde den leitenden Beamten der BAO Bosporus am 9. Mai 2006, den Leitern sämtlicher Tatort-Sonderkommissionen am 11. Mai 2006 und am 8. Juni 2006 den Mitgliedern der BAO Kiosk vorgestellt.2586 (bb) Bewertung der 2. Operativen Fallanalye durch die Mitglieder der Steuerungsgruppe In der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006 stellte der Zeuge Wolfgang Geier die Organisationstheorie und die Einzeltätertheorie ebenfalls als gleichberechtigt nebeneinanderstehend dar, was zu einer lebhaften Diskussion und unterschiedlichen Reaktionen der Mitglieder führte.2587 Auf Nachfrage hat der Zeuge Wolfgang Geier vor dem Ausschuss angegeben, insbesondere die Vertreter aus Hamburg und des BKA hätten die Einzeltätertheorie kritisch bewertet. Er selbst sei ein Verfechter der Serientätertheorie gewesen, habe aber gleichzeitig immer wieder betont, dass mangels belastbarer Fakten der andere Ermittlungsstrang auch aufrecht zu erhalten sei. Zu der Einstellung von NRW hat er ausgeführt: „Der dortige SOKO-Leiter Bert Gricksch war eigentlich immer einer, der dann auch später, wenn es um die Diskussion, auf der Seite, auf meiner Seite war, die natürlich - das möchte ich auch betonen - beide Ermittlungsrichtungen offen gehalten hat.“2588 Diese Einstellung hat der Zeuge Bert Gricksch vor dem Ausschuss bestätigt. Da die Opfer sowohl in Dortmund als auch in Kassel völlig unbescholtene Bürger gewesen seien, hätten sowohl er als auch sein Kollege in Kassel die Organisationstheorie nicht weiter verfolgen wollen. Durch die 2. Operative Fallanalye seien sie bestätigt worden. Die Ermittler der sieben vorhergehenden Tatorte, die bis dahin in Richtung der Organisationstheorie ermittelt hätten, hätten sich nicht einstimmig mit dem Ergebnis der 2. Operativen Fallanalye anfreunden können, so dass seinem Vorschlag entsprechend die Erstellung einer 3. Operativen Fallanalye durch ein nicht beteiligtes Bundesland beschlossen worden sei. Man habe sich auf den Kompromiss geeinigt, bis zum Vorliegen des Ergebnisses einer 3. Operativen Fallanalye Spuren in Richtung beider Theorien zu sammeln. Grund dafür sei die Überlegung gewesen, „einer Spur ist es egal, wer sie gelegt hat - wir kriegen die Leute über die Spuren“, was sich im Nachhinein leider nicht bewahrheitet habe.2589 (cc) Ermittlungskonzept „Einzeltäter“ Vor dem Hintergrund der in der 2. Operativen Fallanalye erstellten Profilmerkmale wurde zum 1. Juni 2006 bei der BAO Bosporus eine zusätzliche Ermittlungseinheit eingerichtet, die sich ausschließlich auf die Fahndung nach Einzeltätern oder zusammenwirkenden Personen mit entsprechenden Profilmerkmalen konzentrieren sollte.2590 Diese Ermittlungsgruppe „Einzeltäter“ der BAO Bosporus erarbeitete in Zusammenarbeit mit der OFA Bayern ein Ermittlungskonzept, in dem die Umsetzung des Täterprofils in einem Stufenkonzept wie folgt vorgeschlagen wurde: 2585 2586 2587 2588 2589 2590 Ergebnis der 2. Fallanalyse der OFA Bayern, A10022 S. 121 Ergebnis der 2. Fallanalyse der OFA Bayern, A10022 S. 52. Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006, A10050 S. 51. Geier, APr 16/1142 S. 67, 74. Gricksch, APr 16/1154 S. 99, 116, 117. Sachstandsbericht der BAO Bosporus Stand Mai 2008, A13318 S. 221 f., 249. 457 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Die Vorgehensweise innerhalb dieses Stufenkonzeptes hat primär die Erhebung rasterfähiger Daten zum Ziel, auf der Basis der Einwohnermeldedaten Nürnbergs, illegale Waffenbesitzer Nürnbergs und Informationen aus sonstigen Datenbanken (z. B. IGVP/BRV, Inpol, PIOS/BKA, EASy rechts, Zoll, Bundespolizei), um über den Abgleich mit den Täterprofilkriterien potentiell Tatverdächtige sichtbar zu machen und sie daher einer Überprüfung zuzuführen. Da sich die außer Frage stehende Mobilität des Täters nur begrenzt rastern lässt, werden Quellen gesucht und ausgewertet, in denen der/die Täter diesbezüglich Spuren hinterlassen haben können, z. B. Funkzellendaten (Telekommunikationsverbindungsdaten), Bankdaten (Transaktionen mittels Debit-/Kreditkarten), Daten von Autovermietern, Daten von Übernachtungen (Hotels, Campingplätze), Daten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (Ringalarmfahndung, Radarkontrollen, Parkverstöße, Videobänder aus Überwachungsanlagen im Stadtgebiet und Tankstellen, Verkehrsunfalldaten), Daten aus Polizeidateien (Haftdateien Vorgangsverwaltung etc. (….) Ermittlungskriterien für Einzelüberprüfungen: Neben den angesprochenen rasterfähigen Daten entziehen sich mehrere tat- und täterprägende Aspekte einer Matrixbewertung und müssen sozusagen händisch durch kriminalistische Feinermittlungsarbeit „abgeklopft“ werden. Dies sind Fragen beim potentiell Tatverdächtigen zum tatauslösenden Ereignis (Stichwort: Hass gegen Türken), einer geeigneten Person als Mittäter (zumindest bis Fall drei) Pause innerhalb der Serie, in der z.B. der Bombenanschlag Köln 9. Juni 2004 liegt, Affinität zu Waffen durch externes Militär (…) Sonstige Ermittlungsansätze: a) Polizeiliche Beobachtung der Internethomepages BAO Bosporus bezüglich Homepagebesucher, Zugriffshäufigkeit und- tiefe […] b) Entwerfen einer Medienstrategie […] c) […] d) Herausarbeiten örtlicher und zeitlicher fallverbindender, insbesondere auf die Mobilität abzielender Komponenten, z. B. Ermittlung und Abgleich von Veranstaltungen, Messen, Jahrmärkten, (rechten) Rockkonzerten etc. zu den jeweiligen Tatzeiträumen in N, M, HH, HRO, DO, KS. Gibt es rechte Assoziationen zu den Tatorten oder/und Tatzeiten (analog etwa Grundsteinlegung/Eröffnung Doku-Zentrum Nbg. o.ä.) […]“2591 (dd) Umsetzung des Ermittlungskonzepts durch die BAO Kiosk Nach diesen Vorgaben erhob die BAO Kiosk für ihren Bereich umfangreiche Massendaten, die sie der BAO Bosporus zum Abgleich und zur weiteren Auswertung durch dortige Analysten zur Verfügung stellte. Im Einzelnen handelte es sich ausweislich eines Berichts des PP Dortmund an das LKA NRW um folgende Maßnahmen: a) Sicherung von Funkzellendaten (Tatort-Bereich und möglicher Fluchtweg in Richtung Kassel) b) Erhebung von Hoteldaten/Camping- Plätzen und Erfassung von Gästelisten im Tatzeitraum 2591 458 Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 616. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 c) Erhebung, Sicherung, Erfassung und Auswertung von  Videosequenzen an Tankstellen, öffentlichen Nahverkehrsstellen und Geschäften im Bereich des Tatortes  von EC-Terminals und Transaktionen an Tankstellen und in Hotels im Tatzeitraum  Radarüberwachung (Polizei/Stadt) im Stadtgebiet und Ausfallstraßen  Verkehrsunfalldaten  Passagierlisten an den Flughäfen Dortmund und Paderborn im Tatzeitraum  Haftdaten (zeitweise größere zeitliche Unterbrechung zwischen den Taten)  Suizide in bestimmten Zeiträumen  Einwohnermeldedaten mit Priorität Zuzug und Wegzug zu einzelnen Tatortstädten  Mitfahrzentralen und Fahrzeugvermietungen  Pannendiensten d) Überprüfung von legalen Waffenbesitzern einer Tatwaffe der Marke Ceska 83.2592 Insgesamt wurden im Rahmen der Gesamtermittlungen der BAO Bosporus 32 Millionen Datensätze erhoben und ausgewertet mit dem Ziel, eine oder zwei Personen herauszufiltern, die sich in mehreren Tatortstädten aufgehalten hatten und die gleichzeitig mehrere Kriterien des Einzeltäterprofils erfüllten. Für die aus den Analysen resultierenden Treffer wurden über 50 Haupt- und ca. 2.200 Unterspuren angelegt und unter kriminalistischen Gesichtspunkten sukzessive abgearbeitet.2593 Sie führten allesamt nicht zur Ermittlung eines Tatverdächtigen. (c) 3. Operative Fallanalyse der OFA Baden-Württemberg Aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen zur Priorisierung einer der beiden Operativen Fallanalysen der OFA Bayern beschloss die Steuerungsgruppe bereits in der konstituierenden Sitzung am 18. Mai 2006 die Einholung einer dritten Operativen Fallanalyse. Am 11. September 2006 beauftragte der Zeuge Wolfgang Geier die OFA Baden-Württemberg, neun Tathergangsanalysen sowie eine Gesamtanalyse der Fälle zu erstellen.2594 Nach dem Ergebnis der Operativen Fallanalyse der OFA Baden-Württemberg vom 30. Januar 2007 war eine gezielte Opferauswahl und eine hinter den Taten stehende Kleingruppierung die wahrscheinlichste Erklärung für die Taten. Zwischen dieser Gruppierung und den Opfern bestand nach der Hypothese dieser Operativen Fallanalyse eine - möglicherweise geschäftliche - Vorbeziehung, in deren Verlauf ein bewusster oder unbewusster Fehler der Opfer eine auf einem internen Ehrenkodex basierende, irrationale Reaktion der Täter, nämlich jeweils das Fällen und Vollstrecken des Todesurteils, auslöste. Danach war also eine Gruppierung und kein Serientäter für die Mordserie verantwortlich.2595 Wörtlich heißt es in dieser OFA zum „Täterprofil“: „Aufgrund der Tatsache, dass man 9 türkischsprachige Opfer hat ist nicht auszuschließen, dass die Täter über die türkische Sprache den Bezug zu den Opfern hergestellt haben und die Täter demzufolge ebenfalls einen Bezug zu dieser Sprache haben. Auch spricht der die Gruppe prägende rigide Ehrenkodex eher für Gruppierung im ost- bzw. südosteuropäischen Raum (nicht europäisch westlicher Hintergrund) […] Ein Bezug zu den Opfern bestand durch die Gruppierung, die hinter den Taten steckt. […] Die Täter werden als Mitglieder einer kriminelle Gruppe gesehen, die durch eine ar- 2592 2593 2594 2595 Ermittlungsbericht des PP Dortmund vom 12. Dezember 2011, A10024 120 f. Ermittlungsbericht des PP Dortmund vom 12. Dezember 2011, A10024 123 f., Geier, 12. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92412 S. 9. Schreiben des PP Mittelfranken vom 11. September 2006, A10057 S. 332 f. Ergebnis der 3. OFA der OFA Baden-Württemberg vom 30. Januar 2007, A13313 S. 17, 107 ff. 459 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 chaische Norm– und Wertstruktur mit rigiden Regeln der Status- und Machterhaltung geprägt ist. Dabei ist jedoch nicht von einer großen, unternehmensartig strukturierten Organisation auszugehen. In welchem Umfang die beiden Täter in die Geschäfte und Struktur der Gruppe eingebunden sind, ist schwierig zu beurteilen. […] Die Täter würden von der optischen Erscheinung her im Opferumfeld nicht auffallen, d.h. wir haben es hier nicht mit ‚Zuhältertypen‘ (Goldkette, tiefergelegtes Fahrzeug), aber auch nicht mit dem schicken ‚Trendsetter‘ zu tun.“2596 Die 3. Operative Fallanalyse legt die Annahme zugrunde, dass die Täter eher keine Deutschen sind. Grob fehlerhaft ist die Aussage, dass es sich bei allen Opfern um türkischsprachige Personen handelte. Das siebte Opfer, Theodorus Boulgaridis, war ein griechischer Migrant. Zu diesem Ergebnis hat der Zeuge Bert Gricksch wie folgt Stellung genommen: „Als ich das Ergebnis dann gelesen habe, ja - das hat mir persönlich nicht gefallen. Also, ich habe dann auch die verstanden, die vorher gesagt haben: Du mit deiner Einzeltätergeschichte. Das sehe ich völlig anders, aber als die OFA da war, habe ich gesagt: Ja, okay, aber das passt jetzt auch nicht so ganz richtig zu meiner persönlichen Vorstellung. - Deshalb haben wir eben immer gesagt, die sind gleichrangig nebeneinander…“ Feststellungen, dass das Ergebnis der 3. Operativen Fallanalyse Einfluss auf die weiteren Ermittlungsmaßnahmen der BAO Kiosk in Dortmund hatte, konnten nicht getroffen werden. (d) Kurzanalyse des FBI Ein Mitarbeiter National Center for the Analysis of Violent Crime (NCAVC), Federal Bureau of Investigation (FBI), erstellte in Absprache mit der OFA Bayern im Juni 2007 eine Analyse der Mordserie.2597 Diese Analyse wurde bei der Besprechung der Zentralen Sachbearbeiter am 22. August 2007 verteilt. Dass diese Analyse gemeinsam besprochen wurde, ist im Protokoll der Sitzung nicht vermerkt.2598 Das vom FBI erstellte Profil des Täters weist große Ähnlichkeit mit dem Profil des „missionsgeleiteten Einzeltäters“ aus der 2. Operativen Fallanalyse auf. Das FBI betont, dass der Täter seine Opfer danach auswählt, dass sie von türkischer Herkunft sind oder erscheinen. Das Attribut rassistisch wird vom FBI nicht benutzt, die große Ablehnung des Täters für Menschen türkischer Herkunft wird aber betont, die Gründe dieser Ablehnung seien unbekannt.2599 (4) Rückblickende Bewertung der Einrichtung einer Steuerungsgruppe (a) Durch den Vorsitzenden der Steuerungsgruppe Der Leiter der BAO Bosporus und gleichzeitig Vorsitzende der Steuerungsgruppe, der Zeuge Wolfgang Geier, hat insbesondere bemängelt, dass die Steuerungsgruppe eine Informationssammelstelle ohne Unterstellungsverhältnisse gewesen sei, die also kein Weisungsrecht gehabt habe. Die Ergebnisse der zwei Fallanalysen mit der Organisationstheorie einerseits und der Serientätertheorie andererseits hätten auf der Ebene der Steuerungsgruppe zu kontroversen und hitzigen Diskussionen über den weiteren Fortgang der Ermittlungen geführt mit der Folge, dass es eben keine einheitliche Entscheidung gegeben habe, was ja eigentlich die Vorgabe gewesen sei. Wörtlich hat er ausgeführt: 2596 2597 2598 2599 460 Ergebnis der 3. OFA der OFA Baden-Württemberg vom 30. Januar 2007, A13313 S. 112, 114. Analyse des FBI vom 15. Juni 2007, A13313 S. 5. Protokoll der Besprechung der ZSB vom 22. August. 2007, A10060 S. 117. Analyse des FBI vom 15. Juni 2007, A13313 S. 9. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Da waren einige Entscheidungen - das sage ich jetzt so frei heraus - nicht von Fachlichkeit beseelt. Denn wir haben dann nach kurzer Zeit entschieden unter Fachleuten, dass die Informations- und Lagesammelstelle auch bei der BAO Bosporus angesiedelt wird. Was ich im Nachhinein - das habe ich in meinem Erfahrungsbericht der BAO Bosporus niedergeschrieben - für sehr unglücklich gehalten habe: die Aussage: die Steuerungsgruppe hat eine einheitliche Meinung herzustellen. Es gab keine Über- und Unterordnung im Wesentlichen, sondern der Geschäftsbereich wurde eben durch den Leiter der BAO Bosporus geführt. Das hat – wie ja allseits bekannt ist - zu einigen Verwerfungen und Diskussionen der gröberen Art innerhalb der Steuerungsgruppe geführt. [….] Der Auftrag lautete: es ist eine einhellige Meinung herzustellen. Das, muss ich ehrlich zugeben, habe ich nicht durchgehalten.“2600 In seinem Erfahrungsbericht im Jahr 2007 hatte er zu der polizeilichen Zusammenarbeit im Rahmen der Steuerungsgruppe bereits niedergelegt: „Die mit dieser Regelung beabsichtigte Steuerung und Koordination der Ermittlungen ist über periodische Besprechungen und, falls nötig, enge telefonische Abstimmung grundsätzlich praktikabel. Allerdings ist damit zum einen ein hoher Aufwand verbunden und zum anderen gibt es im Falle unterschiedlicher Auffassungen keine Möglichkeit einer für alle verbindlichen Entscheidung.“ Mit diesem Defizit verband er die Empfehlung, dass klare Hierarchie- und Verantwortungsstrukturen Standardforderung aller bundesweit geltenden Polizeidienstvorschriften sein müssten. Abhängig von der Frage der staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit und den Regelungen der RiStBV sollte auf Seiten der Polizei eine gesamtverantwortliche Leitung mit den entsprechenden Kompetenzen bestimmt werden. Analog zu einer zentralen polizeilichen Ermittlungsführung sah er ein justizielles Sammelverfahren und damit eine bundesweit zuständige StA als die bestmögliche Lösung im Bereich der Zusammenarbeit von StA und Polizei an.2601 (b) Durch den Leiter der BAO Kiosk Der Zeuge Bert Gricksch hat die polizeiliche Zusammenarbeit in der Steuerungsgruppe als sehr positiv bewertet und diesbezüglich angegeben: „Ich kann nur sagen, dass die Zusammenarbeit ausgezeichnet war. Wir haben nicht immer eine Meinung gehabt […], weil die Opfersituationen eben völlig unterschiedlich waren. Aber ich kann nur sagen: die Zusammenarbeit war gut, und wir haben uns letztendlich eigentlich auf eine Linie festgelegt, und wer das dann partout nicht wollte, der hat seine eigene Linie weiterverfolgt, aber wir haben schon versucht, das große Ganze im Auge zu behalten.“2602 Als Gründe für die Meinungsverschiedenheiten hat de Zeuge Bert Gricksch ebenfalls die beiden unterschiedlichen Fallanalysen angeführt und erklärend hinzugefügt, in der bereits seit sechs Jahren laufenden Serie hätten die Kollegen bis dato ausschließlich in Richtung der Organisationstheorie ermittelt und hätten sich mit den aus der 2. Operativen Fallanalyse resultierenden Ermittlungsempfehlungen nicht ohne weiteres anfreunden können. 2600 2601 2602 Geier, APr 16/1142, S. 65 f. Erfahrungsbericht BAO Bosporus aus dem Jahr 2007, A84916 S. 7 f. (VS-nfD). Gricksch, APr 16/1154, S. 98. 461 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auf den Vorhalt, dass der Zeuge Wolfgang Geier in seiner Vernehmung die fehlende Weisungsbefugnis bemängelt habe und auf die Frage, wer die Aufträge vergeben habe, wer der „steuernde Kopf “ gewesen sei, hat der Zeuge Bert Gricksch geantwortet: „Also, da ist sehr viel natürlich aus Richtung Bayern gekommen. Ob das jetzt damit zu tun hatte, dass Herr Geier da den Vorsitz hatte, oder ob die Bayern eben die meisten Mordfälle hatten und am längsten darin schon ermittelt haben, weiß ich nicht. Er hat sich vorbesprochen mit seinen Leuten und hat die Dinge in der Lenkungsgruppe vorgestellt. Und wir haben dann darüber befunden: „Okay, machen wir das, was da vorgeschlagen wird oder nicht? Also, erheben wir Hoteldaten? Erheben wir EC-Karten? Machen wir Mietwagenabfragen?“, und, und, und. Diese Dinge sind vorgestellt worden. Nahezu alles, was da in den Vorschlag gekommen ist, ist auch dann eins zu eins umgesetzt worden, aber eben nicht alles. Jeder hat da seine Eigenständigkeit auch halten können. Ich kann es jetzt im Detail nicht mehr sagen, aber die eine oder andere Landsmannschaft hat gesagt: das machen wir nicht mit. Wir machen hier an der Stelle das noch zusätzlich oder wir beauftragen - bei Hamburg erinnere ich mich - noch mal eine eigene Gruppe, die unseren Fall noch mal OFA-mäßig überprüft. Dann haben wir entsprechende Abschnitte gebildet, die den Kollegen zugeordnet waren, und dann sind die Dinge erhoben worden. Und die Rückläufe sind dann von den jeweiligen Leitern dieser, sage ich jetzt mal, Abschnitte zusammengefasst worden. Und die entscheiden dann darüber, ob sie etwas für relevant halten oder nicht.“2603 (c) Kritische Würdigung Einer Bewertung, inwieweit die Koordinierung der Ermittlungen und die polizeiliche Zusammenarbeit in der auf Bundesebene eingerichteten Steuerungsgruppe gelungen sind, enthält sich der Ausschuss mit Blick auf den Untersuchungsauftrag. Er stellt aber fest, dass die BAO Kiosk nach Errichtung der Steuerungsgruppe in ihrer Ermittlungstätigkeit offenbar nur noch den Vorgaben der BAO Bosporus gefolgt ist. Sie hat mit hohem Arbeitsaufwand - der Anregung der BAO Bosporus folgend - Massendaten erhoben, gebotene eigenständige Ermittlungen in Richtung eines rechtsradikalen Hintergrundes, orientiert an den örtlichen Gegebenheiten in Dortmund, indes nicht durchgeführt. Das mag, da Entscheidungen über für zielführend erachtete Ermittlungen nunmehr bei der Steuerungsgruppe lagen, seinen Grund in fehlender Motivation der Ermittlungsbeamten vor Ort gehabt haben. Das mag auch an unzureichendem Informationsfluss innerhalb der Steuerungsgruppe einerseits und unzureichender Informationsweitergabe von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe an die Ermittlungskommission andererseits gelegen haben. Nach den getroffenen Feststellungen dürftendie Gründe dafür am ehesten in der mangelnden Offenheit der BAO Kiosk für Ermittlungsansätze in Richtung Rechtsterrorismus liegen. bb. Polizeilicher Staatsschutz Der Einzeltätertheorie der 2. Operativen Fallanalyse folgend wurde in dem oben dargestellten Ermittlungskonzept darauf hingewiesen, dass die Taten aus rechtsextremistischen bzw. fremdenfeindlichen Motiven heraus begangen worden sein könnten. (1) Einbindung durch die BAO Kiosk Der Zeuge Wolfgang Geier regte daher auf der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe im Rahmen der Vorstellung des Ergebnisses der 2. Operativen Fllanalyse am 18. Mai 2006 an, Staatsschutzbeamte in die Ermittlungen einzubeziehen.2604 2603 2604 462 Gricksch, APr 16/1154 S. 127 f. Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006, A10050 S. 51. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Bert Gricksch gab gegenüber dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU an, die BAO Kiosk habe diese Empfehlung angenommen.2605. An anderer Stelle seiner Vernehmung heißt es wörtlich: „Wir hatten keinen konkreten Hinweis auf rechts, wir haben es aber nicht ausgeschlossen; also in alle Richtungen offen. Deshalb die Beteiligung des Staatsschutzes.“2606 Soweit bereits am 5. April 2006 zwei Kriminalbeamte der Unterabteilung „Staatsschutz“ an die BAO Kiosk abgeordnet worden sind, erklärte die Zeugin Gülay Köppen zum Grund ihrer Abordnung an die BAO Kiosk, nach dem Mord an Mehmet Kubaşık habe die Staatsschutzdienststelle Personal für die MK stellen müssen. Es habe keine ausdrückliche Anforderung von Staatsschützern in die MK gegeben. Grundsätzlich und regelmäßig müsse in Mordfällen von anderen Kriminalinspektionen Personal für die MK abgestellt werden. Weiter hat sie bekundet, sich nicht daran erinnern zu können, dass sie speziell als Staatsschützerin und nicht lediglich als Unterstützung der MK in die Ermittlungen eingebunden worden sei. Da sie selbst die türkische Sprache fließend spreche, sei sie vornehmlich mit Vernehmungen und weiteren Kontaktaufnahmen zu der Familie Kubaşık beauftragt worden.2607 Auf die Frage, warum der Zeuge Wolfgang Geier vorgeschlagen habe, Staatsschutzbeamte in die Ermittlungen einzubeziehen, hat der Zeuge Michael Schenk keine Gründe nennen können. Er hat insoweit angegeben, er wisse, dass aufgrund der Einzeltätertheorie ein Profilbild von dem vermeintlichen Täter erstellt worden sei, was dazu geführt habe, dass man eben auch Ermittlungen in Richtung einer fremdenfeindlich motivierten Tat angeschoben habe. Die Beamten des Polizeilichen Staatsschutzes hätten im Rahmen ihrer Mitarbeit in der BAO Kiosk mangels entsprechender Hinweise keine gezielten Ermittlungsaufträge in Richtung der rechtsextremistischen Szene erhalten. Im Falle konkreter Personalien habe die BAO Kiosk den Staatsschutz um Übermittlung von Erkenntnissen gebeten.2608 Bei diesen Personen handelte es sich allerdings nur um solche aus dem Umfeld des Opfers Mehmet Kubaşık mit etwaigen Bezügen zur Organisierten Kriminalität oder auch zur PKK, nicht aber um Personen aus der rechtsextremistischen Szene in Dortmund.2609 Auf weitere Nachfrage hat der Zeuge Michasel Schenk erklärt, dass die BAO Kiosk seinerzeit auch nicht an den Polizeilichen Staatsschutz herangetreten ist mit der Bitte, die rechtsextremistische Szene in Dortmund zu durchleuchten und Quellen zu etwaigen Erkenntnissen zu befragen.2610 Das hat der Zeuge Bert Gricksch in seiner Vernehmung bestätigt und zur Begründung ausgeführt: „Tja, Herr Lukat [Anm: Leiter der Abteilung Staatsschutz im PP Dortmund] ist ja gerade von Ihnen befragt worden. Noch mal: ich will hier nicht - das ist mir ganz wichtig - ich versuche jetzt nicht mich reinzuwaschen. Fehler gemacht, ist so, stehe ich zu, tut mir irrsinnig leid, bedaure ich. Ich will es nicht abschieben auf andere, aber ich habe Dinge vorausgesetzt, die ich besser nicht vorausgesetzt hätte. Das muss ich mir im Nachhinein 2605 2606 2607 2608 2609 2610 Gricksch, 22. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92418 S. 108 f. Gricksch, 22. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92418 S. 108 f., 118. Köppen, APr 16/1211 S. 5, 24. Schenk, APr 16/1142, S. 13. Vermerk des PP Dortmund vom 7. April 2006, A60747 S. 329; Lukat, APr 16/1154 S. 74 f. Schenk, APr 16/1142 S. 37. 463 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 vorwerfen, und das ist so. Ich will aber jetzt nicht den Kollegen dafür verantwortlich machen. Ich will nicht sagen, er hätte mir sagen müssen: wenn du vermutest, da ist irgendwas rechtes, dann sage ich…[…] Also, im Hinterkopf spielt natürlich bei mir jetzt - und ich kann jetzt nur von mir sprechen -…rechter Hintergrund; aber so dumm können die gar nicht sein, dass sie vielleicht auch noch in Tatortnähe wohnen oder Bezüge zum direkten Tatort haben. Möglicherweise hat mich das dazu veranlasst, nicht jetzt expressis verbis nachzufragen. Ich sage noch mal: im Nachgang -das ist das, was ich mir zentral vorwerfe: das hätte ich in der Lenkungsgruppe… weil ich eben gesagt habe: „Mensch Leute, das sind doch durchgeknallte von rechts“, und die Kollegen, die seit Jahren ermitteln, sagen mir: „so schlau sind wir auch. Aber wir haben kein Packende. Wir haben angefragt bundesweit, wir haben keine Antworten bekommen“.- Und damit habe ich es abgehakt.“2611 (2) Eigenständige Mitwirkung des Polizeilichen Staatsschutzes an den Ermittlungen Die Mitarbeit von zwei Beamten des Polizeilichen Staatsschutzes in der BAO Kiosk hat der Zeuge Jörg Lukat ähnlich wie die Zeugin Gülay Köppen begründet: „Zwei Mitarbeiter des Staatsschutzes sind in der Ermittlungskommission, in der MK gewesen, aber nicht aufgrund ihrer Funktion als Mitarbeiter des Staatsschutzes, sondern weil wir 2005 eine Neuorganisation hatten und der Staatsschutz, der vorher als selbstständige Unterabteilung tätig war, dann eingegliedert wurde in die Direktion K. Und dann gehörten selbstverständlich Dienste wie unter anderem Bereitschaften für die MK dazu, und deshalb waren zwei Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter, in der MK. […] Solche Ermittlungskommissionen haben einen sehr hohen Personalbedarf, und dieser Personalbedarf wird dann aus dem eigenen Personalkörper besetzt, und dann ist letztendlich jede Kriminalinspektion auch aufgefordert, dort Kräfte zu stellen, und diese Kollegin und der Kollege sind dann auch aus dem Bereich der Kriminalinspektion 5 in dieser EK eingesetzt worden. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie aufgrund ihrer Funktion - weil sie Mitarbeiterin oder Mitarbeiter des Staatsschutzes waren - dort waren, sondern weil ihre Fachlichkeit als Ermittlungsbeamte entsprechend eingebracht werden sollte.“2612 Nach Aussage der Zeugen Jörg Lukat war der Polizeiliche Staatsschutz über die Abordnung der zwei Beamten in die BAO Kiosk hinaus in die Ermittlungen nicht eingebunden. Er konnte sich weder daran erinnern, sich mit seinen beiden in die BAO abgeordneten Kollegen jemals über die laufenden Ermittlungen unterhalten zu haben, noch von der BAO Kiosk irgendwelche Ermittlungsaufträge in Richtung der rechtsextremistischen Szene in Dortmund erhalten zu haben. Andererseits habe der Polizeiliche Staatsschutz auch nicht proaktiv der BAO Kiosk seine Hilfe angeboten. Auf den Vorhalt, dass es nach dem Ergebnis der 2. Operativen Fallanalyse und der Aussage der Zeugin Jelica Dzinic Hinweise auf ein ausländerfeindliches Tätermotiv gegeben habe, hat er entgegnet, dass ihm diese Informationen zu jenem Zeitpunkt überhaupt nicht bekannt gewesen seien. Weiter hat er ausgeführt: „Die Ermittlungskommission, wenn die die These aufgestellt hätte, dass hier ein politisch motivierter Hintergrund auch gegeben gewesen wäre, der in Richtung rechts oder dergleichen zeigt, dann hätten wir entsprechende Aufträge erteilt und hätten versucht, Informationen auch aufzunehmen. Aber wir hatten nicht den Hintergrund, dass in irgendeiner Form in Richtung rechts hier zu ermitteln sei, und von daher sind wir da auch proaktiv nicht rangegangen, weil unterstellt wird und auch von mir unterstellt ist regelmäßig, dass 2611 2612 464 Gricksch, Apr 16/1154 S. 102, 113 f. Lukat, APr 16/1154 S. 54. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ermittlungskommissionen in alle Richtungen ermitteln und von daher, wenn, dann auf uns zugekommen wären.“2613 Der Zeugen Bert Gricksch hat auf die Frage, ob er die Mitwirkung des Polizeilichen Staatsschutzes in solchen Ermittlungsverfahren für eine Holschuld oder Bringschuld halte, wie folgt geantwortet: „Mein persönliches Empfinden: es kann nur eine Bringschuld sein. Die Erfahrung ist: es ist eine Holschuld. ... Wenn ich merke, dass ein Kollege - jetzt will ich das mal weit fassen, auch vom Verfassungsschutz - ein Problem hat, und ich kann ihm helfen, dann muss der mich nicht fragen: hör mal, kannst du mir helfen? - Dann helfe ich ihm. Das meine ich mit Bringschuld, die ich für mich persönlich sehe. Die habe ich auch auf der anderen Seite gesehen. Und jetzt meine ich hier nicht Lukat und Dortmund, um das auch noch mal deutlich zu sagen. Ich will da viel weiter zurückgreifen. Da sehe ich eigentlich das Versagen. Die Erfahrung, die ich aber eben habe machen müssen - und das ist das, was mich verändert hat seitdem -: ich betrachte es eben nicht als Bringschuld, sondern heute als Holschuld. Wenn heute solche Fälle sind, frage ich nach und sage: ich möchte von euch definitiv wissen: wisst ihr nicht… Könnt ihr uns helfen oder könnt ihr uns nicht helfen?“2614 (3) Kritische Würdigung Nach den beiden Taten in Dortmund und Kassel, die keinerlei Hinweise auf eine Verstrickung in die Organisierte Kriminalität im Sinne der 1. Operativen Fallanalyse aufwiesen, näherten sich die Ermittlungsbehörden mit der im Rahmen der 2. Operativen Fallanalyse entwickelten „Einzeltätertheorie“ dem tatsächlichen Motiv für diese Verbrechen und dem zutreffenden Täterprofil. Danach bestanden begründete Anhaltspunkte für die Annahme, der Täterkreis sei mit seiner ausländerfeindlichen Einstellung in der rechtsextremistischen Szene verwurzelt oder habe jedenfalls eine Affinität dazu. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre die BAO Kiosk - nicht zuletzt aufgrund der Anregung des Leiters der BAO Bosporus, Staatsschutzbedienstete in die Ermittlungen einzubeziehen gehalten gewesen, sich auf die neue Erkenntnislage organisatorisch einzustellen, was nach den getroffenen Feststellungen nicht geschehen ist. Es steht zu vermuten, dass im Falle zentraler Ermittlungsführung ein einheitlicher Ermittlungsansatz gewählt worden wäre, der den Polizeilichen Staatsschutz in der Weise eingebunden hätte, dass die rechtsextremistische Szene nicht nur im Raum Nürnberg, sondern auch an den anderen Tatorten, so auch in Dortmund, unter die Lupe genommen worden wäre. Entgegen der anderslautenden Bekundung des Zeugen Bert Gricksch sind aber Beamte des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund in der BAO Kiosk nicht mit dem Ziel tätig geworden, etwaige Kenntnisse über die rechtsextremistische Szene einzubringen und Ermittlungen in der Szene durchzuführen. Über die Abordnung von zwei Beamten hinaus war der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund in die Ermittlungen der BAO Kiosk zu keinem Zeitpunkt involviert. Aus welchem Grund der Zeuge Bert Gricksch die Mitwirkung des Polizeilichen Staatsschutzes als dessen „Bringschuld“ ansehen konnte, ist nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr als der Polizeiche Staatsschutz nach Aussage des damaligen Leiters keine Kenntnis von den Ergebnissen 2613 2614 Lukat, APr 16/1154 S. 57 f.. Gricksch, APr 16/1154 S. 115. 465 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der 2. Operativen Fallanalyse hatte. Der Leiter der BAO Kiosk durfte sich nicht darauf verlassen, dass der Polizeiliche Staatsschutz von sich aus dort vorliegende Erkenntnisse zu der rechtsextremistischen Szene in Dortmund „beisteuerte“. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, das Wissen des Polizeilichen Staatsschutzes über die Szene und mögliche Verbindungen zu Rechtsextremisten in anderen Bundesländern mit konkreten Ermittlungsaufträgen abzurufen. Dies galt umso mehr, als Dortmund als einer der Brennpunkte rechtsextremistischer Umtriebe über die Landesgrenzen hinaus bekannt war. Es ist aber auch nicht nachvollziehbar, dass der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmundsich angesichts einer Mordserie an türkei- bzw. griechischstämmigen Opfern und einer militanten rechtsextremen Szene vor Ort nicht proaktiv an die BAO Kiosk wandte, um Unterstützung anzubieten. Der Polizeiliche Staatsschutz ist dem Polizeipräsidenten unmittelbar unterstellt. Der mangelhafte Informationsfluss zwischen der BAO Kiosk und dem Polizeilichen Staatsschutz lässt daher daran zweifeln, dass der PP in Dortmund im gegebenen Zusammenhang seiner Führungs- und Leitungsfunktion in vollem Umfang gerecht geworden ist. cc. Verfassungsschutz Die dem Ausschuss zur Verfügung stehenden Unterlagen haben auch keine Anhaltspunkte dafür geboten, dass der Verfassungsschutz NRW in die Ermittlungen eingebunden war. (1) Aus Sicht der BAO Bosporus Auf der Grundlage der 2. Operativen Fallanalyse, in der angenommen wurde, dass der oder die Täter möglicherweise Kontakte zu der rechten Szene unterhielten, legte die BAO Bosporus bereits im Juli 2006 unter der Bezeichnung „Rechtsextremisten“ die Spur 195 an. Im Rahmen der Bearbeitung dieser Spur wurde das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BLfV) um Erkenntnismitteilung zu Skinheads, Neonazis und NPD-Mitgliedern gebeten, die ihm in dem Zeitraum von 1995 bis 2002 in Bayern als rechtsextremistisch bekannt geworden waren. Die erbetene Datenübermittlung für den angefragten Zeitraum hätte sich auf 3.000 bis 3.500 Personen bezogen. Die Weitergabe von Daten in diesem angefragten Umfang hielt das BLfV aus Quellenschutzgründen für rechtlich nicht zulässig und lehnte am 20. Juli 2006 die erbetene Datenübermittlung ab. Erst nach zahlreichen weiteren Besprechungen und konkretisierten Auskunftsersuchen erhielt die BAO Bosporus am 2. März 2007 eine Liste mit 682 rechtsmotivierten Tätern aus dem Großraum Nürnberg. Nach einem Abgleich dieser 682 Personen mit den Daten des Einwohnermeldeamtes Nürnberg beschränkte die BAO Bosporus mit Blick auf die Ermittlungsempfehlung der 2. Operativen Fallanalyse ihre Überprüfung auf 160 Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren.2615 Die Fragestellungen für die Überprüfung dieser Personen und die Ergebnisse beschrieb der Zeuge Wolfgang Geier vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU wie folgt: „Wer hat sich zur tatrelevanten Zeit in einer Tatortstadt aufgehalten? Das war nicht der Fall. Wer hat zu irgendeinem früheren Zeitpunkt eine rechtsextremistische Straftat z. B. zum Nachteil eines Ausländers begangen? Wer ist in einem Schützenverein? Wer hat in seiner früheren Vita waffenrechtliche oder sprengstoffrechtliche Verstöße? Das waren die Punkte - mehr hatte man nicht -, um letztendlich zu verifizieren: kommt der als Täter infrage?, außer man geht hin und fragt ihn: bist du der Täter? - Wir hatten nicht mehr. Wenn man dann hingegangen ist und hat gefragt - was wir in einigen Fällen ja gemacht 2615 466 Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 628 ff.. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 haben -: „wo waren Sie am Soundsovielten“, ist entweder eine nichtssagende Antwort gekommen, die uns auch nicht weiter gebracht hat, oder es ist gesagt worden: das interessiert uns eigentlich gar nicht; das berührt uns nicht; die Morde mit rechts, da seid ihr auf der vollkommen falschen Seite gewesen. - Solche Antworten sind da gekommen.“2616 Die Ermittlungen zur Spur 195 erbrachte im Ergebnis keine Anhaltspunkte für einen in der rechten Szene Nürnbergs liegenden Anlass für die Mordserie.2617 Im Rahmen ihrer Bitte um Übermittlung von bekannten Personen aus der rechtsextremistischen Szene wies die BAO Bosporus das BLfV mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 daraufhin, dass entsprechende Erkenntnisse sich nicht nur auf die bayerischen Tatorte beschränken sollten, sondern die Tatorte in Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel in die Erhebung einzubeziehen wären.2618 Auf Nachfrage, wie dieser Hinweis gemeint war, hat der Zeuge Wolfgang Geier erklärt: „Dieses Schriftstück… ging ans bayerische Landesamt mit der Bitte, auch an andere Bundesländer heranzutreten. Man müsste – so war, glaube ich, die Formulierung - diese Anfrage erweitern auf die Tatortbereiche da, da und da. Also, da wurden die Tatortbereiche aufgeführt. Und im nächsten Satz kommt dann: auch wäre festzustellen, ob irgendwelche turnusmäßigen Skinhead-Konzerte immer zu der Tatzeit in der jeweiligen Region waren.- Auch das war so ein Ansatz. [….] An andere Landesämter für Verfassungsschutz haben wir uns nicht gewandt. Wir sind aber davon ausgegangen, dass es den gleichen Strang gibt innerhalb der Polizei, LKÄ, BKA zu den LKÄ, dass der gleiche Strang letztendlich im Bereich der Landesämter für Verfassungsschutz mehr oder weniger so besteht.“ 2619 Die BAO Bosporus unterstellte mithin, dass ihre an das BLfV gerichteten Anfragen durch dieses innerhalb der Verfassungsschutzämter in Deutschland weitergesteuert würden. Diese Einschätzung traf indes nicht zu. Nach Aussage des zuständigen Abteilungsleiters im BLfV vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU ging das BLfV seinerseits davon aus, dass die polizeilichen Ermittler sich bei etwaigem Informationsbedarf selbst an andere Landesämter für Verfassungsschutz wenden werden. Das BLfV habe, da die Anfrage der BAO Bosporus lediglich bayerische Rechtsextremisten betroffen habe, weder zum BfV noch zu anderen Landesverfassungsschutzämtern Kontakt aufgenommen. Es sei aber auch geprüft worden, ob bayerische Rechtsextremisten an irgendwelchen Veranstaltungen an den anderen Tatorten in der zeitlichen Umgebung - jeweils 14 Tage vorher und nachher - und in der Gegend der Tatorte teilgenommen hätten. Insoweit seien aber weder hier entsprechende rechtsextremistische Veranstaltungen, noch eine Teilnahme von bayerischen Rechtsextremisten in diesen Gegenden festgestellt worden.2620 Weder den dem Ausschuss vorliegenden Protokollen der Besprechungen der Steuerungsgruppe und der ZSB noch den monatlich verfassten Sachstandsberichten der BAO Bosporus 2616 2617 2618 2619 2620 Geier, Vernehmung PUA Bund A92412, S. 43. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 634 f.. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 631. Geier, APr 16/1142, S. 76, 89. Hegler, 17. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92415 S. 11, 17. 467 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 lässt sich entnehmen, dass ihre Kontaktaufnahme mit dem BLfV und das Ergebnis in einer der Besprechungen mit den Vertretern der Tatortbehörden thematisiert wurde. Der Zeuge Wolfgang Geier als Leiter der BAO Bosporus hat in diesem Zusammenhang angegeben: „Da muss man einen Aspekt dazu nehmen, der die anderen Bundesländer vielleicht etwas exkulpiert: und zwar ist Teil der zweiten OFA-Analyse die sogenannten analytischen geographischen Ableitungen, die ja letztendlich ausgesagt haben, der sogenannte Ankerpunkt der Täter wäre in Nürnberg. Also wäre zu allererst sozusagen die Ermittlungsrichtung in diese Richtung zu lenken gewesen. Natürlich - und das ist ja mittlerweile kein Geheimnis mehr - gab es eine - ich nenne es mal so - sehr interessante, hitzige Diskussion über den weiteren Fortgang, die dazu geführt hat, dass es eben keine einheitliche Entscheidung auf dieser Steuerungsgruppensitzung gab, was ja eigentlich die Vorgabe war. Ich habe dann aber für uns entschieden: wir führen diese Serientäterermittlungen durch, allerdings auch deshalb, weil wir uns explizit durch den „Ankerpunkt Nürnberg“ damit angesprochen fühlten. Und da gibt es ein Schreiben an den bayerischen Verfassungsschutz von unserer Seite aus, in dem wir sie damals aufgefordert haben, auch in anderen Tatortbundesländern in Bezug auf Rechtsextremisten nachzufragen, denen wir solche Taten unter Umständen zutrauen würden.“2621 Auf die Frage, ob es auch sein könne, dass die Ermittlungsgruppen in den anderen Bundesländern davon ausgegangen seien, dass es Koordinierungsaufgabe der BAO Bosporus gewesen sei, die Abfrage nach rechtsextremistischen Tätern nicht nur an den eigenen Verfassungsschutz, sondern auch an den der anderen Länder zu richten, hat er geantwortet: „Das kann ich Ihnen nicht sagen, von was die ausgegangen sind. Gesagt worden ist es auf jeden Fall nicht. Und, ich denke jetzt einmal, dass der Hauptgrund diese geographisch-analytische Beigabe der OFA war und dass man gesagt hat: gut, in Ordnung, wir sind zunächst mal außen vor; die Täter müssten sich ja im Großraum Nürnberg befinden.“2622 Die Frage, ob es nicht, nachdem die Suche nach Tätern aus dem rechtsextremistischen Bereich im Raum Nürnberg erfolglos geblieben war, angezeigt gewesen sei, bei den Tatortbehörden in den anderen Bundesländern eine entsprechende Kontaktaufnahme mit ihren Landesämtern für Verfassungsschutz anzuregen, hat der Zeuge Wolfgang Geier ausweichend dahin beantwortet, dass die anderen Bundesländer es nicht gemacht hätten. Grund dafür sei gewesen, dass sich bestimmte Bundesländer mit der Einzeltätertheorie einfach nicht hätten anfreunden können.2623 Als weiteren Grund hat er eine „gewisse Desillusionierung“ bei den anderen Ermittlungskommissionen vermutet, nachdem bereits das BLfV statt der erbetenen 3.500 bayerischen Rechtsextremisten der BAO Bosporus nach langem Hin und Her lediglich die Daten von 682 Personen zur Verfügung gestellt habe.2624 (2) Aus Sicht der BAO Kiosk Der Zeuge Bert Gricksch hat mehrfach betont, er habe schon zu Beginn der Arbeit in der Steuerungsgruppe den Verdacht geäußert, dass der Täter möglicherweise der rechtsextr- 2621 2622 2623 2624 468 Geier, APr 16/1142 S. 72. Geier, APr 16/1142 S. 75. Geier, APr 16/1142 S. 74. Geier, APr 16/1142 S. 73. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 mistischen Szene zuzuordnen sei und habe sich durch das Ergebnis der 2. Operativen Fallanalyse bestätigt gefühlt.2625 Gleichwohl wurde weder der Polizeiliche Staatsschutz noch der Verfassungsschutz NRW in die Ermittlungen der BAO Kiosk nach möglichen rechtsextremistischen Tätern eingebunden. Auf die Frage, warum entsprechende Abfragen beim Verfassungsschutz NRW nicht erfolgt sind, gab der Zeuge Bert Gricksch an, diese seien indirekt über die Berichte an das IM NRW erfolgt. Die Sachstandsberichte der BAO Bosporus seien dem IM NRW zugeleitet worden, und eine Abteilung des IM NRW sei eben der Verfassungsschutz NRW. Auf den Vorhalt, dass diese Sachstandsberichte auf ein mögliches rechtsextremistisches Motiv des Täters nicht hingewiesen haben, entgegnete er, in einem der Sachstandsberichte sei angegeben worden: „rechtes Motiv ist nicht auszuschließen“.2626 Tatsächlich verhalten sich die Sachstandsberichte Nummer 13 bis 30 für den Zeitraum vom 19. Juni 2006 bis zur Rückführung der BAO Bosporus in eine AAO am 31. Januar 2008 zu einem als möglich erscheinenden rechtsextremistischen Motiv nicht.2627 Lediglich im 13. Sachstandsbericht vom 19. Juni 2006 wird kurz erwähnt, dass aufgrund der 2. Operativen Fallanalyse u. a. Überprüfungen des rechten Spektrums, der Schützenvereine und der sogenannten Gotcha-Szene im Fokus der Überlegungen stünden.2628 Zudem lässt sich den Akten nicht entnehmen, dass die seitens des PP Dortmund an das IM NRW gesteuerten Sachstandsberichte der BAO Bosporus auch tatsächlich dem Verfassungsschutz NRW zur Kenntnis gelangten. Auch der Zeuge Bert Gricksch hat den Verteiler im IM NRW nicht benennen können.2629 Im Übrigen hat er die unterbliebene Einbindung des Verfassungsschutzes NRW mit den Worten begründet: „Weil wir uns zum Teil eben auf die OFAs, auf Teilbereiche der OFA beschränkt haben. […] Dieser Ankerpunkt Nürnberg, der spielte da eine Rolle. Es ist ja in Richtung rechts ermittelt worden, aber eben mit Ankerpunkt Nürnberg und deshalb eben auch beim bayerischen LfV“ Etwas abweichend hat er an anderer Stelle erklärt: „Man hat uns auch oder mir auf Rückfrage erklärt… Ich sage: Mensch, Leute, was ist denn hier mit rechts? Da ist gesagt worden: Ja, so schlau sind wir auch, wir haben entsprechende Anfragen gestartet, aber wir haben keine Ergebnisse bekommen. Damit habe ich mich - heute muss ich sagen: leider Gottes - zufriedengegeben. Das hätte man nicht tun sollen im Nachhinein. In dem Augenblick war das Thema dann für mich erledigt.“2630 In einem Vermerk zu „Ermittlungen der MK Kiosk in Bezug zu rechtsmotivierten Tätern“ vom 25. November 2011 legte der Zeuge Michael Schenk als Leiter der Ermittlungen nieder: 2625 2626 2627 2628 2629 2630 Gricksch, APr 16/1154 S. 114, 116, 123 ff. Gricksch, APr 16/1154 S. 103 f. 13. bis 30. Sachstandsbericht BAO Bosporus, A10036 S. 7 - 123. 13. Sachstandsbericht BAO Bosporus, A10036 S. 11. Gricksch, APr 16/1154 S. 120. Gricksch, APr 16/1154 S. 108, 118. 469 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Eine spezielle Abfrage beim LfV NRW oder ST nach rechtsmotivierten Tätern wurde von der MK Kiosk nicht vorgenommen, da durch die BAO Bosporus bereits am 10.10.2005 beim LfV NRW nach Erkenntnissen in NRW zu den Mordfällen und deren Hintergründe angefragt worden waren. Das LfV NRW meldete keine Erkenntnisse in NRW.“2631 Im Aktenbestand des Verfassungsschutz NRW findet sich lediglich eine an die Adresse „kontakt.verfassungsschutz@im.nrw.de“ gerichtete E-Mail der BAO Bosporus vom 6. September 2005. Darin informiert die BAO Bosporus über die bis dato sieben Morde der Ceska-Serie und schreibt, dass kein erkennbares Motiv vorliege und die Täter, aber auch die möglichweise dahinter stehender Organisation bis dato unbekannt seien.2632 Konkret bat die BAO Bosporus um einen Rückruf und formulierte die folgende Bitte: „Die BAO Bosporus erhofft sich u.a. durch ihre Behörde Unterstützung in der Form, dass vorhandene Informationen über türkische Organisationen in Ihrem Bundesland uns bei der Aufklärung dieser Serie behilflich und nützlich sein könnten. Obwohl NordrheinWestfalen nicht zu den Tatortbereichen zählt, aber einen starken türkischen Bevölkerungsanteil verzeichnet, könnten mögliche Verbindungen uns hier weiter helfen.“2633 Nach Informationen über Rechtsextremistischen fragte die BAO Bosporus in dieser Anfrage ausdrücklich nicht. Der Verfassungsschutz NRW vermerkte, dass am 10. Oktober 2005 Fehlanzeige an die BAO Bosporus gemeldet wurde.2634 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Michael Schenk die unterbliebene Einbindung des Verfassungsschutzes NRW erneut mit der bereits erfolgten Abfrage durch die BAO Bosporus begründet.2635 Auf den Vorhalt, dass diese Abfrage doch vor dem Mord an Mehmet Kubaşık erfolgt sei, hat er geantwortet: „Ich weiß nicht, ob im Nachhinein die BAO Bosporus erneut eine Anfrage an die Ämter geschickt hat. Das kann durchaus der Fall gewesen sein. Das weiß ich aber nicht; oder: ich weiß nicht, wann es noch mal gemacht worden ist.“ 2636 Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung hat er ausgeführt: „Die BAO Bosporus hatte die Kontakte zu den Diensten aufgenommen, sodass nicht jede Behörde entsprechend die Abfrage gemacht hat, sondern es zentral gesteuert wurde. […] Wir haben im Gesamtverbund alle miteinander zusammen gearbeitet, und es ist arbeitsteilig vorgegangen worden. Das BKA hat zum Beispiel Spuren im Ausland entsprechend bearbeitet. Die BAO Bosporus unten in Nürnberg hatte sich unter anderem gekümmert, die Dienste entsprechend anzufragen. Das wurde mir ja auch mitgeteilt. Deswegen wusste ich auch, dass letztendlich der Verfassungsschutz schon einmal angeschrieben worden ist. Aber deswegen hat das nicht noch mal explizit jede einzelne 2631 2632 2633 2634 2635 2636 470 Vermerk des PP Dortmund vom 25. November 2011, A13329 S. 4. E-Mail der BAO Bosporus vom 6. September 2005, A12282 S. 9. E-Mail der BAO Bosporus vom 6. September 2005, A12282 S. 9. Handschriftlicher Vermerk des Verfassungsschutzes NRW auf der E-Mail der BAO vom 6. September 2005, A12282 S. 9. Schenk, APr 16/1142 S. 29. Schenk, APr 16/1142 S. 38. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Tatortbehörde gemacht. Da hat man sich dann entsprechend abgesprochen und hat gesagt: Okay, diese Ermittlungsrichtung oder diesen Ermittlungszweig übernimmt jetzt zum Beispiel die BAO Bosporus.“2637 (3) Aus Sicht des Verfassungsschutzes NRW Der Ausschuss ist auch der Frage nachgegangen, inwieweit der Verfassungsschutz NRW nach dem Mord an Mehmet Kubaşık aus eigener Initiative zur Aufklärung der Tat beigetragen hat und inwieweit er Kenntnis über die fortlaufenden polizeilichen Ermittlungen hatte. Dem Ausschuss lag zu diesem Tatkomplex lediglich eine 39 Seiten und den Zeitraum von August 2005 bis Mai 2006 umfassende Akte des Verfassungsschutzes NRW vor, auf deren Vorblatt handschriftlich „BAO Bosporus / Mordanschlag Dortmund“ geschrieben steht.2638 Die Bearbeitungsspuren in der Akte verweisen ausschließlich auf Mitarbeiter der mit „Ausländerextremismus“ befassten Gruppe 62 des Verfassungsschutzes NRW. Bearbeitungsspuren von Mitarbeitern der für Rechtsextremismus zuständigen Gruppe 61 finden sich nicht. Daraus ist zu schließen, dass die vorliegende Akte aus dem Bestand der Gruppe 62 stammt. Eine Akte aus dem Bestand der Gruppe 61 lag dem Ausschuss nicht vor. Ausweislich dieser Akte wurde der Verfassungsschutz NRW erstmalig im August 2005 mit der Ceska-Mordserie befasst. In einem durch das Bayerische LKA an sämtliche OK- und Staatsschutzdienststellen der deutschen Landeskriminalämter gesteuerten und durch das LKA NRW zur Kenntnis weitergeleiteten Schreiben der BAO Bosporus wurde der bisherige Kenntnisstand zu der Ceska-Mordserie zusammengefasst und unter konkreten Fragestellungen um tatrelevante Hinweise gebeten. Ein möglicher rechtsextremistischer Hintergrund der Taten wurde dabei nicht erwähnt. Ein politischer Hintergrund fand nur in Zusammenhang mit der Frage nach „Schutzgeldverfahren / Geldeintreibungen“ bei PKK und Nachfolgeorganisationen sowie links orientierten Gruppierungen Erwähnung.2639 Am 6. September 2005 wandte sich die BAO Bosporus direkt an den Verfassungsschutz NRW.In der E-mail heißt es: „Die BAO Bosporus erhofft sich unter anderem durch Ihre Behörde Unterstützung in der Form, dass vorhandene Informationen über türkische Organisationen in Ihrem Bundesland uns bei der Aufklärung dieser Serie behilflich und nützlich sein könnten. Obwohl Nordrhein-Westfalen nicht zu den Tatortbereichen zählt, aber einen starken türkischen Bevölkerungsanteil verzeichnet, könnten mögliche Verbindungen uns hier weiterhelfen. Ausweislich einer namentlich nicht zuzuordnenden Paraffe meldete der Verfassungsschutz NRW der BAO Bosporus am 10. Oktober 2005 „Fehlanzeige“.2640 Laut einem handschriflichen Vermerk eines ebenfalls nicht bekannten Mitarbeiters des Verfassungsschutzes NRW bat das Bayerische LKA ihn am 16. September 2005 telefonisch, „bei hiesigen Quellen zu den Mordfällen nachzufragen“2641. Ein entsprechendes Ergebnis findet sich in den Akten nicht. 2637 2638 2639 2640 2641 Schenk, APr 16/1142 S. 44. Deckblatt des Vorgangs des Verfassungsschutzes NRW, A12282 S. 1. Weitergeleitete Nachricht des BLKA vom 17. August 2005, A12282 S. 2 ff. Handschriftlicher Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 10. Oktober 2005, A12282 S. 9. Handschriftlicher Vermerk des Verfassungsschutz NRW vom 16. September 2005, A12282 S. 2 471 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 5. April 2006, dem Tag nach der Ermordung des Mehmet Kubaşık, bat der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund den Verfassungsschutz NRW „um sofortige staatsschutzmäßige, personenbezogene Erkenntnissmitteilung zu dem Mordopfer.2642 Am 6. April 2006 sandte die BAO Kiosk „absprachegemäß“ einen Sachstandsbericht zum Mord in Dortmund und zu der gesamten Ceska-Tatserie an die Abteilung 4 des IM NRW sowie an den Verfassungsschutz NRW. 2643 Der Verfassungsschutz NRW überprüfte daraufhin Mehmet Kubaşık. Er war dort nicht bekannt. Offenbar wurden auch Quellen zu ihm befragt, da notiert wurde, eine VP kenne Mehmet Kubaşık. Dieser sei aber „kein aktiver Spendensammler“, sondern höchstens „Patriot“. Das Ergebnis wurde dem Leiter des Polizeilichen Staatsschutzs, dem Zeugen Jörg Lukat, telefonisch mitgeteilt. 2644 Über den Mord in Kassel am 6. April 2006 wurde der Verfassungsschutz NRW mittels einer weitergeleiteten Lagemeldung der BAO Bosporus vom 10. April 2006 informiert. 2645 Die Tatzusammenhänge der Ceska-Serie waren dem Verfassungsschutz NRW darüber hinaus auch durch in der Akte gesammelte Zeitungsartikel bekannt.2646 Sachstandsberichte der BAO Bosporus befinden sich in der Akte nicht. Der Zeuge Dr. Hartwig Möller, damalige Leiter des Verfassungsschutzes NRW, gab vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU an, in den Fall als solchen sei der Verfassungsschutz NRW zu keinem Zeitpunkt involviert gewesen. Wörtlich heißt es in seiner Vernehmung: „Was den Mord an dem Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık am 4.4.2006 angeht, ist mir erinnerlich, dass ich parallel zur gründlichen Auswertung unserer Erkenntnisunterlagen unmittelbar nach dem Anschlag unser Beschaffungsreferat Rechtsextremismus gebeten habe, sich bei unseren Dortmunder Quellen umzuhören, ob es Hinweise auf eine fremdenfeindliche Motivation gebe. Mir wurde berichtet, dass es keine einschlägigen Informationen gäbe. Der Fall wurde von Anfang an von der Polizei in alleiniger Zuständigkeit bearbeitet. Auch später hat es keine Hinweise auf Bezüge zum Rechtsextremismus bzw. Rechtsterrorismus gegeben.“ Auf Nachfrage fügte er hinzu, der Verfassungsschutz NRW sei im Jahre 2006 zu keiner Zeit in die Arbeit der BAO Bosporus und in die polizeilichen Informationsflüsse eingebunden gewesen.2647 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller ergänzend erklärt, dass der Verfassungsschutz NRW Kenntnis von dem Mord an Mehmet Kubaşık durch die an das IM NRW gerichtete und an den Verfassungsschutz NRW weitergesteuerte WE-Meldung erhalten haben. Die Mitteilung „Mord an einem türkischen Kioskbesitzer“ sei für den Verfassungsschutz NRW automatisch Anlass gewesen, an ein fremdenfeindliches Motiv zu denken, so dass er sich veranlasst gesehen habe, im Rahmen seiner Möglichkeiten durch Quellenbefragungen zur Aufklärung beizutragen.2648 2642 2643 2644 2645 2646 2647 2648 472 Erkennntnisanfrage des PP Dortmund vom 5. April 2006, A12282 S. 13 (VS-nfD). Schreiben des PP Dortmund vom 6. April 2006, A12282 S. 14 ff. (VS-nfD). Handschriftlicher Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 10. April 2006, A12282 S. 14 ff. (VS-nfD). Weitergeleitete Lagemeldung der BAO Bosporus vom 10. April 2006, A12282 S. 26 ff. Presseberichte, A12282 S. 20 ff. Dr. Möller, 31. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A91901 S. 9, 38. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 150 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Burkhard Freier, heutiger Leiter des Verfassungsschutzes NRW und im Jahr 2006 dort Leiter der Gruppe 61 „Extremismus, Berichtswesen, Recht des Verfassungsschutzes“ 2649, hat die Arbeit des Verfassungsschutzes NRW nach dem Mord an Mehmet Kubasek wie folgt präzisiert: „Wir haben als Verfassungsschutz, auch wenn wir zunächst keine Anhaltspunkte gefunden haben, die typischen Maßnahmen durchgeführt, die der Verfassungsschutz nach solchen Taten tut. Und das sind eigentlich mehr gewesen. Einmal gab es einen Informationsaustausch mit den Bundesbehörden, vor allen Dingen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. In solchen Fällen fragen die auch immer nach. Und es gibt… Das ist typisch, dass alle V-Mann-Führer in der Region sind - nicht nur in der Stadt Dortmund -und die V-Leute befragen, und zwar danach befragen, ob sie etwas zu den Taten sagen können. Und die Hinweise, die wir da bekommen haben, sind zum Teil nicht dokumentiert worden. Aber aus der Aussage der V-Mann-Führer war das so: es gab keine Hinweise, die darauf hindeuteten, dass es sich um eine rechtsterroristische oder rechtsextremistische Tat handeln könnte.“2650 Auf konkrete Nachfrage nach der Dokumentation der Quellenbefragungen hat der Zeuge Burkhard Freier angegeben, dass seinerzeit - im Gegensatz zu heute - Befragungen, die keine verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse erbracht hätten, nicht dokumentiert worden seien. Für den Verfassungsschutz sei die Arbeit beendet gewesen, nachdem er über seine V-Leute keine Erkenntnisse und auch von der Polizei keine weiteren Anhaltspunkte und Hinweise darauf erlangt habe, dass es sich um „Rechtsterrorismus“ handeln könne. Kenntnis von der 2. Operativen Fallanalyse habe er nicht gehabt.2651 (4) Kritische Würdigung Die fehlende längerfristige Einbindung des Verfassungsschutzes NRW in die polizeiliche Ermittlungsarbeit macht deutlich, wie groß das Risiko des Informationsverlustes im Falle dezentraler Ermittlungsführung in Verfahren dieser Größenordnung ist und das man in NRW offenbar nicht von politisch motivierter Kriminalität ausging. Offensichtlich aufgrund unzureichender Kommunikation in der Steuerungsgruppe wie auch in den Besprechungen der ZSB verließ die BAO Kiosk sich ungeprüft darauf, dass die BAO Bosporus Erkenntnisse zu der rechtsextremistischen Szene nicht nur im BLfV, sondern auch bei den anderen Landesämtern für Verfassungsschutz abfragen werde. Die BAO Bosporus ihrerseits ging aufgrund ihres Auskunftsersuchens an das BLfV davon aus, dass dieses eigenständig an die Landesämter für Verfassungsschutz herantreten würde und erfragte in der Folgezeit nicht, ob das tatsächlich geschehen war. Beides war indes nicht der Fall mit der Folge, dass der Verfassungsschutz NRW zu keinem Zeitpunkt um die Übermittlung von Erkenntnissen zu der rechtsextremistischen Szene gebeten wurde. Sowohl die Aussage des Zeugen Wolfgang Geier als auch die Aussagen der Zeugen Bert Gricksch und Michael Schenk vor dem Ausschuss belegen nachdrücklich den mangelhaften Informationsfluss zwischen BAO Bosporus und BAO Kiosk. Jede Ermittlungseinheit vermutete, die andere werde im Verhältnis zu ihrem Verfassungsschutz die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, ohne jemals das tatsächliche Engagement in diese Richtung bei der anderen BAO in Erfahrung zu bringen. 2649 2650 2651 Organigramm des IM NRW, Stand 10.04.2006, A10099 S. 38. Freier, APr 16/1349 S. 7 f. Freier, APr 16/1349 S. 11. 473 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Indes war der Verfassungsschutz NRW über die BAO Bosporus im Jahr 2006 in den Tatkomplex nicht eingebunden. Ob ihm die an das IM NRW gerichteten Sachstandsberichte der BAO Bosporus zur Kenntnis gelangt sind, konnte nicht eindeutig geklärt werden. In den dem Ausschuss zur Verfügung gestellten Unterlagen des Verfassungsschutzes NRW befinden sie sich nicht. Dem Zeugen Burkhard Freier als damaligem Gruppenleiter war jedenfalls nicht einmal die 2. Operative Fallanalyse bekannt. Dieses eklatante Informationsdefizit hätte vermieden werden können, wenn die BAO Kiosk sich nicht ungeprüft darauf verlassen hätte, dass der Verfassungsschutz NRW die Hinweise auf einen rechtsextremistisch motivierten Hintergrund der Tat kannte, sondern proaktiv den Verfassungsschutz NRW um Erkenntnismitteilung gebeten hätte. Dass dies nicht geschehen ist, erstaunt umso mehr, als der Leiter der BAO Kiosk ein starker Verfechter der Einzeltätertheorie war. Der Verfassungsschutz NRW seinerseits befragte - wie bei jedem Tötungsdelikt mit Migrationshintergrund - zwar unmittelbar nach dem Tatgeschehen seine Quellen, ohne von diesen tatrelevante Hinweise zu erhalten. Weder die Beauftragung noch die Negativauskünfte sind dokumentiert worden, so dass der Ausschuss nicht mehr nachvollziehen konnte, in welchem Umfang Quellenbefragungen überhaupt erfolgt sind. Weiter ist nicht nachzuvollziehbar, warum dem Verfassungsschutz NRW andere Informationsquellen wie der Sachstandsbericht der BAO Kiosk vom 6. April 2006 und die Medienberichterstattung keine Veranlassung gegeben haben, aus eigenem Antrieb die Arbeitshypothese „Fremdenfeindlichkeit“ zu verfolgen. Bei einer Mordserie wie der Ceska-Serie hätte auch ohne ausdrückliche Einbindung durch die Ermittlungsbehörden vom Verfassungsschutz NRW mehr Engagement und Eigeninitiative erwartet werden können. Das Trennungsgebot zwischen Polizeibehörden und Verfassungsschutz verbot eine Kooperation mit der BAO Kiosk nicht. c. Sonstige Ermittlungsansätze in Richtung eines rechtsmotivierten Deliktes Die Aussage der Zeugin Jelica Dzinic, die die von ihr am Tatort beobachteten Männer als „Nazis“ bezeichnet hatte, führten bei der BAO Kiosk nicht zu Ermittlungen in Richtung eines möglicherweise rechtsmotivierten Delikts. Insbesondere wurde weder das mit Hilfe der Zeugin Jelica Dzinic gefertigte Phantombild mit Lichtbildern von - dem Polizeilichen Staatsschutz bekannten - Rechtsextremisten in Dortmund abgeglichen noch wurden der Zeugin Jelica Dzinic entsprechende Lichtbilder vorgelegt.2652 Auch das Ergebnis der 2. Operativen Fallanalyse, nach dem eines der Profilmerkmale auf Kontakte zur rechtsextremistischen Szene hindeutete, war für die BAO Kiosk kein Ansatzpunkt, den Blick auch auf diese Szene in Dortmund zu richten. In dem vorläufigen Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007 wurde die Einzeltätertheorie der 2. Operativen Fallanalyse nur mit folgenden Worten kurz erwähnt: „Als Einzeltäter bezeichnet das BLKA in München einen oder zwei Männer mit „Ankerpunkt“ in Nürnberg. Diese sind möglicherweise beruflich in ganz Deutschland unterwegs, wo sie dann bei sich bietender Gelegenheit aus einer unbekannten, möglicherweise ausländerfeindlichen Motivlage Menschen erschießen.“ 2653 Über die Aussage der Zeugin Jelica Dzinic und die 2. Operative Fallanalyse hinaus gab es weitere Gründe in Richtung eines rechtsmotivierten Delikts zu ermitteln: 2652 2653 474 Schenk, Apr 16/1142 S. 22 f. Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 244. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aa. Rechtsextremistische Szene in Dortmund Aus Sicht des Verfassungsschutzes NRW war Dortmund im Jahr 2006 eine Hochburg des Rechtsextremismus, wo ganz intensive Beobachtungen stattfanden.2654 Dort gab es die Skinbands „Oidoxie“ und „Weiße Wölfe“ mit ihrem Bandleader und Sänger Marco Gottschalk, die Teil des internationalen Netzwerkes von „Blood & Honour“ / „Combat 18“ waren. Der Journalist David Schraven im Onlineportal der WAZ-Gruppe „Der Westen“ am 15. Mai 2012 - ebenso wie der Zeuge Sebastian Seemann in seiner polizeilichen Vernehmung am 25. November 20112655- berichteten von der Entstehung einer „Combat 18“-Zelle in den 2000er Jahre im Umfeld der Band „Oidoxie“ und der „Oidoxie Streetfighting Crew“. Die Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund soll sich ideologisch an den „Turner-Diaries“ orientiert haben und in einem Gewerbegebiet in Dortmund Schießübungen mit scharfen Waffen durchgeführt haben. An diesen Schießübungen soll sich seinerzeit auch der zur rechten Szene Dortmunds zählende Michael Berger, der im Jahr 2000 drei Polizeibeamte und anschließend sich selbst erschoss, beteiligt haben.2656 Wie dem Verfassungsschutz NRW waren auch dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund die Aktivitäten in der rechtsextremistischen Szene in Dortmund durchaus bekannt2657, nicht aber der BAO Kiosk, wie deren Ermittlungsführer, der Zeuge Michael Schenk, vor dem Ausschuss eingeräumt hat.2658 In seinem Vermerk zu Ermittlungen der MK Kiosk in Bezug auf rechtsmotivierte Täter legte der Zeuge Michael Schenk am 25. November 2011 zwar nieder, Ausländerfeindlichkeit als mögliches Motiv sei ebenfalls in Betracht gezogen worden, die durchgeführten Ermittlungen hätten jedoch keine Hinweise in diese Richtung ergeben.2659 Nach solchen konkreten Ermittlungen befragt, hat der Zeuge Michael Schenk angegeben: „Die Ausländerfeindlichkeit war von vornherein auch erkannt. Die durchgeführten Ermittlungen [… ] waren im Grunde genommen die gesamten Maßnahmen, die im Verbund abgesprochen worden sind, wie wir uns in die Lage versetzen konnten, den Tätern auf die Spur zu kommen. Wir haben ja keine Angaben gehabt. Wir haben letztendlich lediglich ein Tatverhalten gehabt, da sind keine Spuren am Tatort großartig hinterlassen worden, so dass wir im Grunde genommen über einen großen Umweg versuchen mussten, überhaupt irgendwelche Schnittmengen zwischen den einzelnen Taten herzustellen. Und das waren die Gesamtmaßnahmen, die da getroffen worden sind - sei es die Erfassung der Hoteldaten […]. Aber wir haben keine weiteren Ermittlungsansätze gehabt, um jetzt gezielt in der Szene zu suchen.“2660 Der Zeuge Bert Gricksch bestätigte bereits in seiner Vernehmung vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU, dass Ermittlungen im Hinblick auf einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat nicht geführt worden seien. Zur Begründung gab er an: 2654 2655 2656 2657 2658 2659 2660 Dr. Möller, 31. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A91901 S. 43; Freier, APr 16/1349 S. 38. Vermerk zur Vernehmung des Sebastian Seemann am 25. November 2011, A13324 S. 4. Artikel „NSU-Spur führt in Dortmunder Neonazi-Szene”, vom 14.02.2013, online unter www.derwesten.de, A95398. Lukat, APr 16/1154 S. 65, 77, 85. Schenk, APr 16/1142 S. 40. Vermerk des PP Dortmund vom 25.11.2011, A13329 S. 4. Schenk, APr 16/1142 S. 35 f. 475 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Man hat das als eine der Möglichkeiten zur Kenntnis genommen, hat sich aber auf die Spurenabarbeitung konzentriert, weil man gesagt hat: wenn wir sie kriegen, dann kriegen wir sie über die Spuren; und wenn dann Rechte dabei sind, dann: Staatsschutz, lass gehen. - Wir haben also jetzt nicht proaktiv die rechte Szene abgegrast, weil es überhaupt nichts gab, was darauf hindeutete. Es gab eben keine konkreten Hinweise und deshalb eben auch diese Verständigung darauf, konkret da nicht zu arbeiten.“2661 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Bert Gricksch mehrfach betont, die BAO Kiosk habe in alle Richtungen ermittelt.2662 Auf den Vorhalt, dass der Ausschuss diesen Eindruck mangels Ermittlungen in Richtung eines fremdenfeindlichen Hintergrunds nicht habe gewinnen können, hat er ausgeführt: „Wenn ich Ihnen sage: „wir haben in alle Richtungen ermittelt“, dann haben wir das im Ergebnis nicht, aber gefühlt haben wir es wohl, weil die Kriminalpolizisten und ich auch… Wir orientieren uns an Spuren und an Fakten, die wir haben. Es gab aus unserer damaligen Sicht nichts, was eindeutig darauf hindeutete, dass es aus der rechten Ecke kommen könnte. Ich habe das so zusammengefasst: wir haben Spuren erfasst ohne Ende, wir haben Daten erfasst ohne Ende. Und meine Lesart war - und deshalb sage ich: wir haben in alle Richtungen ermittelt. […] Ich will das in eine einfache Formel bringen und sagen: einer Spur ist es völlig egal, wer sie gelegt, welche Gesinnung er hat.- Das war meine Hoffnung, über die Spuren zu ermitteln. Im Nachhinein bin ich schlauer. Wir hätten es anders machen müssen.“2663 Die engen Verbindungen zwischen Neonazis aus Dortmund und Kassel wurden auch angesichts der beiden zeitlich sehr nah beieinanderliegenden Morde in diesen Städten nicht thematisiert und berücksichtigt. Der Zeuge Michael Schenk hat dazu angegeben, dass er keine Verbindungen gesehen habe und ihm die entsprechenden Gruppierungen wie zum Beispiel „Oidoxie“ nicht bekannt seien.2664 Auch der Zeuge Jörg Lukat hat sich nicht daran erinnern können, dass in der „Oidoxie Streetfighting Crew“ Personen aus Dortmund und Kassel Mitglied waren.2665 bb. Regelmäßiger Aufenthalt von Personen aus der rechtsextremistischen Szene in der Umgebung des Tatortes (1) Gaststätten Der Kiosk des Mehmet Kubaşık befand sich in dem Haus Mallinckrodtstraße 190. Etwa 200 Meter vom Tatort entfernt in der Gaststätte „Deutscher Hof“ unter der Anschrift Mallinckrodstraße 277 soll die von dem Rechtsextremisten Siegfried Borchardt mitgegründete „Borussenfront“ regelmäßig ihre Treffen abgehalten haben. Auch in der Gaststätte „Thüringer Hof“ in der Mallinckrodtstraße 180 sollen im Tatzeitraum regelmäßig Rechtsradikale verkehrt haben.2666 Die nur wenige Meter vom Tatort entfernt gelegene ehemalige Gaststätte „Schützeneck“ diente bis 2000 ebenfalls der rechtsextremistischen Szene als Treffpunkt. In dieser Gaststätte lernten sich beispielsweise auch Michael Berger und Sebastian Seemann kennen.2667 2661 2662 2663 2664 2665 2666 2667 476 Gricksch, 22. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92418 S. 122. Gricksch, APr 16/1154 S. 100, 117. Gricksch, APr 16/1154 S. 102 f. Schenk, APr 16/1142 S. 57. Lukat, APr 16/1154 S. 92, Artikel „NSU-Spur führt in Dortmunder Neonazi-Szene”, vom 14.02.2013, online unter www.derwesten.de, A95398; Vernehmung des Toni Stadler vom 21. August 2012, A62158 S. 131. Seemann, nöAPr 16/230 S. 42. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Robert Preuß, bis 2004 Mitarbeiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, hat aus seiner praktischen Erfahrung keine eindeutigen Aussagen dazu machen können, dass sich in diesen Gaststätten regelmäßig gewaltbereite Neonazis getroffen haben. Zum „Schützeneck“ hat er angegeben, dass es sich dabei damals um einen Ort gehandelt habe, der von Rechtsextremisten aus dem gesamten Ruhrgebiet regelmäßig besucht worden sei. Dies habe letztlich zu der Schließung der Gaststätte geführt.2668 In den polizeilichen Ermittlungen spielten die Lage der Gaststätten in der Nähe des Tatortes und ihre Besucher keine Rolle. Nachweislich feierte die „Borussenfront“ im März 2005 im „Deutschen Hof“ den Jahrestag ihrer Gründung.2669 (2) Wohnort des Siegfried Borchardt Der in der rechtsextremistischen Szene in NRW seit Jahren aktive Siegfried Borchardt, der seit den 1980er Jahren mehrfach wegen Staatsschutzdelikten polizeilich in Erscheinung getreten war2670, war auch den Ermittlungspersonen der BAO Kiosk bekannt.2671 Borchardt wohnte bereits seit 1998 unweit des Tatortes unter der Anschrift „Mallinckrodtstraße 278“.2672 In einem Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Februar 2012 heißt es unter der Überschrift „Informationsaustausch mit PP Dortmund im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt in der Mallinckrodtstraße am 4.4.2006“: „Am 31.1.2012 führte ich ein Telefonat mit dem Leiter des polizeilichen Staatsschutzes beim PP Dortmund. In dem Gespräch teilte ich Herrn (Name geschwärzt) mit, dass in Dienstbesprechungen in der 4. KW unter Beteiligung des Ministers die Nähe des damaligen Wohnsitzes des Siegfried Borchardt zu dem Tatort des Tötungsdelikts vom 4. April 2006 in der Mallinckrodtstrasse thematisiert worden sei und der Minister sichergestellt wissen will, dass dieser örtliche Zusammenhang dem PP Dortmund bekannt ist. Herr (Name geschwärzt) teilte mit: dieser Aspekt sei bereits in die Ermittlungen der Mordkommission im Jahr 2006 einbezogen worden und dies würde auch in der aktuellen Lage bedacht.“2673 Auf die Frage, inwieweit die Person des Siegfried Borchardt seinerzeit Eingang in die Ermittlungen gefunden hat, hat der Zeuge Michael Schenk erklärt, er habe diese in dem Vermerk wiedergegebene Information nicht herausgegeben und wisse auch nicht, von wem sie stamme. Konfrontiert mit dem Vorwurf, dass bis hin zum Ministerbüro offensichtlich unzutreffenderweise der Eindruck erweckt worden ist, die BAO Kiosk habe sich seinerzeit durch die Überprüfung des Siegfried Borchardt mit dem rechtsextremistischen Milieu in Dortmund auseinandergesetzt, hat er entgegnet: 2668 2669 2670 2671 2672 2673 Preuß, APr 16/1160 S. 11. WE-Meldung des PP Dortmund vom 26. März 2005, A13736 S. 195. Vermerk des PP Dortmund vom 8. Juli 2002, A10725 S. 76 ff. (VS-nfD). Schenk, APr 16/1142 S. 40. Vermerk des PP Dortmund vom 8. Juli 2002, A10725 S. 75 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Februar 2012, A13390 S. 33 (VS-nfD). 477 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Ich habe diesen Vermerk nicht verfasst, und ich habe Ihnen meine Antwort dazu gegeben: ein Siegfried Borchardt ist von uns - oder von mir persönlich - in dieser Hinsicht nicht überprüft worden.“2674 Auch der Leiter der BAO Kiosk, der Zeuge Bert Gricksch, hat sich an kein Gespräch erinnern können, in dem der Wohnort des Siegfried Borchardt thematisiert worden sei. Wie eine entsprechende Äußerung in die Akten des Verfassungsschutz NRW gelangt sein könnte, hat er sich nicht erklären können.2675 Der Ausschuss konnte nicht klären, welches Mitglied der BAO Kiosk für diese Aussage gegenüber dem Verfassungsschutz NRW verantwortlich war. (3) Bezug zum Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln Auch die Ermittlungen nach dem Nagelbombenanschlag in Köln am 9. Juni 2004 erbrachten etliche Indizien, die Anlass für Ermittlungen auch in der rechtextremistische Szene gegeben hätten. Insbesondere gelangten auch nach diesem Anschlag zwei Operative Fallanalysen zu dem Ergebnis, dass Fremden- bzw. Türkenfeindlichkeit als wahrscheinlichstes Tatmotiv anzusehen war. Zusätzlich nahm die OFA des LKA NRW aufgrund ihrer Analyse an, dass die Täter eine Affinität zu Waffen / Sprengstoff hätten und eventuell bereits wegen fremdenfeindlicher Straftaten in Erscheinung getreten seien.2676 Wie in Dortmund und in Nürnberg hatten Zeugen in unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tat in Köln zwei männliche Personen mit Fahrrädern beobachtet. Zwar legte der Zeuge Michael Schenk der Zeugin Jelica Dzinic auf Anregung der BAO Bosporus das Lichtbildmaterial und die Videoaufzeichnung aus dem Tatkomplex „Keupstraße“ in Köln vor.2677 Den Ermittlungsakten der BAO Kiosk lässt sich aber nicht entnehmen, inwieweit die Aussage der Zeugin Jelica Dzinic, die linke Person auf dem Fahndungsplakat aus Köln komme der Person am nächsten, die sie in Dortmund auf dem Fahrrad gesehen habe, der BAO Kiosk Anlass gegeben hat, mit der EG Sprengstoff des PP Köln in Kontakt zu treten und im gegebenen Zusammenhang auch einen möglichen rechtsradikalen Hintergrund beider Taten zu diskutieren. Der Zeuge Bert Gricksch hat bekundet, in Erinnerung zu haben, dass die Ermittlungsleiter aus Köln und Dortmund sich ausgetauscht und die von beiden Kommissionen erfassten Datenbestände abgeglichen hätten. Ob der Ermittlungsansatz „Rechtsextremismus“ Gegenstand des Informationsaustausches gewesen sei, könne er nicht sagen, weil er an diesen Gesprächen nicht teilgenommen habe.2678 Der Zeuge Michael Schenk hat hierzu ausgesagt: „Der Kollege aus Köln und ein Vertreter der OFA Nordrhein-Westfalen waren auch in Dortmund. Wir haben unter anderem die beiden Fälle miteinander abgeglichen. Auch die erhobenen Daten von Köln sind unter anderem mit der BAO „Bosporus“ abgeglichen worden. Wir haben uns schon Gedanken darum gemacht, aber - wie ich eingangs schon 2674 2675 2676 2677 2678 478 Schenk, APr 16/1142 S. 41 f. Gricksch, APr 16/1154 S. 134. Vermerk des LKA NRW vom 21. Juli 2004, A10021 S. 77 ff.; OFA des BKA, A10020 S. 67. Vermerke der MK Kiosk vom 22. September 2006 und 9. Oktober 2006, A10059 S. 83 f. Gricksch, APr 16/1154 S. 119. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gesagt habe - das verbindende Element war die Ceska 83. Das war hier ein ganz anderer Modus Operandi. Dementsprechend konnten wir keinen eindeutigen Nachweis führen.“2679 Dass das mögliche weitere verbindende Element des rechtsextremistischen Hintergrundes in dem Informationsaustausch nicht thematisiert wurde, hat der daran teilnehmende Zeuge Markus Weber, Leiter der MK Sprengstoff, bestätigt.2680 Die in der 2. Operativen Fallanlyse angeregte vergleichende Fallanalyse zwischen dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße und der Ceska-Mordserie wurde nicht durchgeführt. Im Protokoll der ZSB-Besprechung am 14. und 15. März 2007 heißt es zur Begründung: „Die beteiligten OFA`s kamen zu der Feststellung, dass ‚Äpfel nicht mit Birnen‘ verglichen werden können. Es hätte sich nicht um eine gezielte Aktion in Richtung Einzelperson gehandelt, sondern sei eben um eine Art Globalvorstoß gegen Türken gewesen.“2681 Der Leiter der 2. Operativen Fallanalyse, der Profiler EKHK Horn, sagte in seiner Vernehmung vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU am 10. Mai 2012 aus, ihm sei wichtig gewesen, dass die Ermittler der Ceska-Serie und die Ermittler des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße in einen Austausch treten, da der Anschlag in Köln eine „gewisse Nähe“ und einen „denkbaren Zusammenhang“ zu den Morden aufgewiesen haben. Dieser Austausch habe stattgefunden. Der Fallvergleich sei nicht durchgefürt worden, weil dieser, aufgrund der unterschiedlichen Delikte, sehr große methodische Schwierigkeiten verursacht hätte.2682 Der Zeuge Wolfgang Geier hat die Entscheidung, die vergleichende Fallanalyse nicht durchzuführen, wie folgt begründet: „Wie das Ganze dann zum Tragen kam, war die Situation, dass aufgrund dieser Auseinandersetzungen in der Steuerungsgruppe – ich sage es jetzt einmal platt – ich gezwungen wurde, einer zweiten OFA-Analyse der Gesamtserie durch Baden-Württemberg zuzustimmen. Dadurch wurde das Ganze zunächst nach hinten verschoben. Dann gab es eine Besprechung – ich glaube, die war im Bundeskriminalamt, ich war nicht dabei; das waren die OFA-Leiter –, wo besprochen worden ist, mit einer vergleichenden Analyse Köln/Serie. Und der Leiter der OFA Bayern kam zurück und hat mir fachlich erläutert, dass eigentlich außer Fantasien – nicht diese Fakten, die wir schon hatten, die ich genannt habe: gleicher Tattag, Fahrradfahrer, Opfer im türkischen Migrationsbereich – im Wesentlichen nichts Zusätzliches da war, weil ja die Tatausführung eine vollkommen andere war. Und deshalb habe ich dann darauf verzichtet, zu sagen: Ich will die letztendlich trotzdem haben.“ 2683 Der Zeuge Bert Gricksch hat sich, im Ausschuss befragt, an diese Empfehlung der 2. Operativen Fallanalyse nicht erinnern können. 2684 Der Zeuge Michael Schenk hat vermutet, dass die vergleichende Fallanalyse nicht gemacht worden sei, weil man den Modus Operandi der Keupstraße nicht einwandfrei der Ceska-Serie habe zuordnen können.2685 2679 2680 2681 2682 2683 2684 2685 Schenk, APr 16/1142 S. 30. Weber, APr 16/983 S. 48. Protokoll der Besprechung der ZSB am 14. und 15. März 2007, A10058 S. 354. Horn, 14. Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A91892 S. 85. Geier, APr 16/1142 S. 84. Gricksch, APr 16/1154 S. 119. Schenk, APr 16/1142 S. 30. 479 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (4) Verdachtsäußerungen (a) Zeugin Elif Kubaşık In einem Artikel vom 4. August 2006 schreibt die „Westfälische Rundschau“, dass die Zeugin Elif Kubaşık in einem Gespräch mit der Zeitung deutlich gemacht habe, dass sie außer einem fremdenfeindlichen Hintergrund kein Motiv für den Mord an ihrem Ehemann Mehmet Kubaşık sehe.2686 Diese Aussage hat sie gegenüber dem Ausschuss bestätigt: „Ich hatte nur den einzigen Gedanken, dass das eine ausländerfeindliche Tat ist. Ich habe dann auch 2007 ein Interview mit einer Zeitung gehabt, wo ich das gesagt habe, weil für mich alles andere ausgeschlossen war.2687 Die Zeugin Gamze Kubaşık gab in dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München ausweislich eines nichtamtlichen Protokolls an, dass sie sich an eine polizeiliche Vernehmung bei sich Zuhause erinnern könne, bei der die Polizistin K. und deren Chef anwesend gewesen seien. Bei dieser Gelegenheit habe ihre Mutter auf türkisch erklärt, sie wisse, wer ihren Mann umgebracht habe. Das seien die Nazis gewesen. Die Polizistin K. habe das ihrem Chef übersetzt und der habe daraufhin gesagt, dass man das ausschließen könne.2688 In den Ermittlungsakten findet sich ein Vermerk zu einem solchen Hinweis der Zeugin Elif Kubaşık nicht. Die Zeugin Gülay Köppen hat sich an eine entsprechende Situation und Äußerung der Zeugin Elif Kubaşık nicht erinnern können.2689 Der Zeuge Michael Schenk hat ausweislich eines nicht amtlichen Protokolls in dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München bestätigt, dass Elif Kubaşık darauf hingewiesen habe, dass es sich um ein fremdenfeindliches Motiv handeln müsse.2690 Auf die allgemeine Frage, wie die Ermittlungskommission mit dem verschiedentlich gegebenen Hinweis, bei den Tätern müsse es sich um Rechtsradikale handeln, umgegangen sei, hat der Zeuge Michael Schenk geantwortet, es habe sich dabei jeweils um Mutmaßungen gehandelt, aus denen sich keine konkreten Ermittlungsansätze hätten herleiten lassen.2691 (b) Zeuge Dr. Heiko Artkämper Auf Vorhalt eines Artikels des Maganzins „Spiegel“ vom 15. Juli 2006, in dem es heißt, der Dortmunder Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper vermute, dass „ein Durchgeknallter, der Migranten hasst“, der Täter sein könnte,2692 hat der Zeuge Dr. Heiko Artkämper erklärt: „Das war anscheinend ein Treffer, bloß diese Arbeitshypothese ließ sich in keiner Art und Weise objektivieren. Das heißt also, es war eine der Hypothesen, die man als Kriminalist anstellt, der man nachgeht, wo man aber eigentlich sagt: jetzt muss ich irgendein Packende finden. Es war gedanklich eine der Varianten, zu der ich noch stehe und heute 2686 2687 2688 2689 2690 2691 2692 480 Artikel in der Westfälischen Rundschau vom 4. August 2006, A10013 S. 105. Elif Kubaşık, APr 16/1124 S. 12. Nicht amtliches Protokoll des 51. Verhandlungstags am 5. November 2013 im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlicht auf nsu-watch.info, A95532. Köppen, APr 16/1211 S. 20, 23. Nicht amtliches Protokoll des 52. Verhandlungstags am 6. November 2013 im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlicht auf nsu-watch.info. Schenk, APr 16/1142, S. 33. Artikel “Seltsame Neigungen” im „Spiegel“ vom 15. Juli 2006, A10013 S. 93 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sagen könnte - in Anführungszeichen -: ich habe es damals schon gewusst. - Nein, ich wusste es nicht. Das ist natürlich Quatsch. Ich habe es als eine Möglichkeit gesehen, aber es hat mir nicht weitergeholfen, um weiter sozusagen zu ermitteln.“2693 (5) Kritische Würdigung Entgegen der Beteuerung der Zeugen Bert Gricksch und Michael Schenk, in alle Richtungen ermittelt zu haben, hat der Ausschuss den Eindruck gewonnen, dass der BAO Kiosk die gebotene Offenheit in die Ermittlungsrichtung eines rechtsextremistisch motivierten Delikts gefehlt hat. Die Ermittlungsbeamten und Ermittlungsbeamtinnen verfügten über keine grundlegenden Kenntnisse über den Rechtsextremismus. Keinem der polizeilichen Zeugen und Zeuginnen sagten Begriffe wie „Combat 18“, Bloud & Honour“, die in Dortmund aktive Band „Oidoxie“ und „Oidoxie Streetfighting Crew“ oder die „Turner Diaries“ etwas. Die Erkenntnisse des Polizeilichen Staatsschutzes über die rechtsextremistische Szene in Dortmund blieben ungenutzt. Die Spur „Dzinic“ wurde nur unzureichend bearbeitet. Insbesondere informierte die BAO Kiosk die BAO Bosporus nur unvollständig über den Hinweis der Zeugin Jelica Dzinic auf Rechtsradikale. Es kann zumindest vermutet werden, dass diesem Hinweis nachgegangen worden wäre, wenn die Information in die Gesamtermittlungen eingeflossen wäre. Die Erklärung der polizeilichen Zeugen und Zeuginnen, Ermittlungen in Richtung eines rechtsextremistischen Hintergrundes seien mangels entsprechender konkreter Anhaltspunkte unterblieben, mag zwar für die auf einem „Bauchgefühl“ beruhenden Verdachtsäußerungen der Zeugen Elif Kubaşık und Dr. Heiko Artkämer zutreffen, überzeugt für die übrigen Hinweise auf ein rechtsgerichtetes Delikt aber nicht. Dies gilt umso mehr, als den Ermittlungen in Richtung eines anderen Tatmotivs wie etwa Organisierte Kriminalität ebenfalls mehr als ein Anfangsverdacht für einen solchen Tathintergrund nicht zu Grunde lag. 3. Medien- und Pressearbeit der Behörden a. In der Anfangsphase nach dem Mord Bereits am Tattag, dem 4. April 2006, gaben die StA Dortmund und das PP Dortmund eine gemeinsame Presseerklärung heraus.2694 Nachdem am 5. April 2006 bekannt geworden war, dass es sich bei der Tat um den achten Fall der der bundesweiten Ceska-Mordserie handelte, war der Mord an Mehmet Kubaşık Gegenstand umfangreicher überörtlicher Berichterstattung in den Medien.2695 Die Presseunterrichtung nahm entsprechend der Pressehoheit der StA in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren2696 zunächst weiterhin der zuständige Dezernent der StA Dortmund, der Zeuge Dr. Heiko Artkämper, wahr.2697 b. Nach Errichtung der Steuerungsgruppe Nach der Bildung der BAO Bosporus bestand aufgrund der Zuständigkeit von fünf Staatsanwaltschaften und sechs Polizeibehörden sowie des hohen Informationsaufkommens die Not- 2693 2694 2695 2696 2697 Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 26. Presseerklärung vom 4. April 2006, A10013 S. 3. Pressespiegel, A10013 S. 12 ff. Nr. 4.1.4 des Runderlasses des MIK NRW - Az. 401 - 58.02 vom 15.11.2011. Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 47. 481 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wendigkeit festzulegen, durch wen und in welcher Form der Informationsanspruch der Öffentlichkeit zukünftig erfüllt werden sollte.2698 In ihrer konstituierenden Sitzung am 18. Mai 2006 beschloss die Steuerungsgruppe der BAO Bosporus, dass nach wie vor jedes Land für seinen Fall hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit selbst verantwortlich bleibe und die Gesamtserie betreffende Anfragen durch die BAO Bosporus beantwortet werden sollten.2699 Dass in der Folgezeit auch die BAO Kiosk bei Presseanfragen zum Gesamtkomplex an die BAO Bosporus verwies und in Dortmund nur noch spezielle Fragen zum Mord an Mehmet Kubaşık beantwortet wurden, haben die Zeugen Bert Gricksch und Dr. Heiko Artkämper vor dem Ausschuss bestätigt.2700 Seitens der BAO Bosporus wurden mit Zustimmung aller beteiligten Länderbehörden folgende öffentlichkeitswirksame Maßnahmen getroffen: aa. Erhöhung der Auslobungssumme Parallel zu der oben dargestellten Diskussion über eine zentrale Ermittlungsführung durch das BKA strebten die Behörden in Bayern eine Erhöhung der Belohnung für Hinweise zur Aufklärung der Mordfälle an. Am 26. April 2006 veröffentlichte die Bild-Zeitung ein Interview mit Staatsminister Dr. Beckstein, in dem dieser ankündigte, die bislang ausgesetzte Belohnung von 33.000,- Euro auf 300.000,- Euro zu erhöhen.2701 Er beabsichtigte, am Rande der IMK die grundsätzliche Bereitschaft zu dieser Erhöhung mit den Innenministern der betroffenen Länder zu erörtern. Mit Schreiben vom 28. April 2006 gab das IM NRW dazu folgendes Votum ab: „Vor dem Hintergrund der Schwere der Taten und der anzunehmenden Fortsetzung der Mordserie empfehle ich eine Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen an der angestrebten Auslobungssumme von 300.000 € mit einem Betrag von bis zu 35.000 € zuzusagen. Die bisherigen Erkenntnisse begründen die erhebliche Gefahr, dass weitere gleich gelagerte Straftaten begangen werden, soweit es nicht gelingt, Hintergründe aufzuklären und Täter der Mordserie beweiskräftig zu überführen.“2702 Am Rande der 180. IMK wurde neben der Einrichtung der Steuerungsgruppe eine Erhöhung der ausgelobten Belohnung auf 300.000,- Euro vereinbart.2703 Das Land NRW erklärte sich bereit, sich mit 27.777,78 Euro an der Auslobung zu beteiligen.2704 Entsprechend ihrer Beauftragung durch die IMK fertigte die BAO Bosporus in Absprache mit den beteiligten Strafverfolgungsbehörden ein Fahndungsplakat und eine Pressemitteilung, in der der Auslobungsbetrag und die rechtlichen Bedingungen für die Auszahlung der Belohnung festgelegt waren. Die Presseerklärung vom 2. Mai 2006 mit einem Hinweis auf einen ebenfalls erstellten Fahndungsaufruf im Internet wurde anschließend durch die Medien bundesweit der Öffentlichkeit bekannt gemacht.2705 Ein modifiziertes Fahndungsplakat wurde je- 2698 2699 2700 2701 2702 2703 2704 2705 482 Erfahrungsbericht BAO Bosporus aus dem Jahr 2007, A84916 S. 33 (VS-nfD). Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006, A10050 S. 52. Gricksch, APr 16/1154 S. 138; Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 47. Votum des IM NRW vom 28. April 2006 für die IMK am 5. Mai 2006, A12078 S. 80. Votum des IM NRW vom 28. April 2006 für die IMK am 5. Mai 2006, A12078 S. 81. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 597. E-Mail des IM NRW vom 20. Juni 2006, A12078 S. 128 ff. Pressespiegel, A10013 S. 95 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 weils 28.000 mal in deutscher und türkischer Sprache gedruckt und sämtlichen Polizeidienststellen bundesweit mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt, diese öffentlichkeitswirksam im eigenen Bereich auszuhängen und nach Möglichkeit auch in Justizvollzugsanstalten anzubringen.2706 bb. Homepageüberwachung Das BKA hatte bereits am 7. Februar 2006 mit der Überwachung der eigenen Homepage betreffend die Ceska-Mordserie begonnen.2707 Auf der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe der BAO Bosporus wurde am 18. Mai 2006 eine Diskussion über eine Homepageüberwachung aller Tatortdienststellen mit zentraler Ergebnisauswertung durch das BKA beschlossen.2708 Dementsprechend befasste die Steuerungsgruppe sich auf ihrer ersten periodischen Sitzung am 7. Juni 2006 mit der Thematik. Zu jenem Zeitpunkt betrieben und überwachten bereits das BKA, das PP Mittelfranken in Nürnberg und das PP Kassel eigene Homepages, beim PP Hamburg wurde eine solche gerade erstellt. Es wurde vereinbart, dass die Ermittlungseinheiten in NRW und Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls Homepages erstellen und das BKA taktische Überwachungsmöglichkeiten erarbeiten sollte.2709 Mit Schreiben vom 22. Juni 2006 begründete das BKA seinen Vorschlag zur Homepageüberwachung wie folgt: „Die qualifizierte Homepageüberwachung kann ein geeignetes Mittel sein, Täter oder aber Mitwisser an der bundesweiten Mordserie unter Nutzung derselben Waffe (Ceska 83) zu identifizieren. Dies gilt hiesigen Erachtens unabhängig von der tatsächlichen Motivlage des/der Täter (und Hintermänner). Der Erfolg einer Homepageüberwachung ist wesentlich abhängig von der Gestaltung der Homepage in der „Tiefe“ und deren Informationsgehalt, der mit dem sonstigen Presseund Öffentlichkeitsarbeitskonzept eng abgestimmt sein sollte. Entscheidend ist, dass der Täter oder die Mitwisser gezielt so in ihrem Interesse beeinflusst werden, dass sie sich von anderen Nutzern der Homepage signifikant unterscheiden“2710. Zu der praktischen Umsetzung heißt es im 13. Sachstandsbericht der BAO Bosporus: „Es ist geplant, dass alle Ermittlungseinheiten Fahndungsseiten mit Informationen zu ihren Fällen erstellen, diese Seiten untereinander verlinkt werden und alle per Link auf die BKA-Seite führen. Die „Hauptseite“ des BKA und alle Länderseiten werden zentral überwacht und technisch so konzipiert, dass Rechner, von denen wiederholt zugegriffen und in einer gewissen Tiefe recherchiert wird, festzustellen sind.“2711 Nach diesen einheitlichen Vorgaben des BKA richtete das PP Dortmund eine entsprechende Homepage mit kurzen Ausführungen zum Mord an Mehmet Kubaşık und dem Hinweis ein, dass weitere Informationen über die Homepage des BKA zu erlangen seien.2712 2706 2707 2708 2709 2710 2711 2712 11. Lagemeldung der BAO Bosporus vom 8. August 2006, A13336 S. 23; A10057 S. 80. Schreiben des BKA vom 21. März 2013, A13329 S. 262. Protokoll der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006, A10050 S. 55. Protokoll 1. periodische Sitzung der Steuerungsgruppe vom 7. Juni 2006, A84197 S. 27. Schreiben des BKA vom 22. Juni 2006, A13336 S. 88. 13. Sachstandsbericht BAO Bosporus vom 27. Juni 2006, A10036 S. 12. Schreiben des PP Dortmund vom 21. Dezember 2012, A13329 S. 275. 483 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In ihrem 14. Sachstandsbericht vom 24. Juli 2006 teilte die BAO Bosporus mit, dass nunmehr die Hauptseite des BKA und alle Länderseiten zentral durch das BKA überwacht würden.2713 Im gesamten Überwachungszeitraum leitete das BKA zwei Spuren an das PP Dortmund weiter mit der Bitte um Überprüfung der Personen, weil diese ein erhebliches Interesse an den bereitgestellten Informationen gezeigt hatten. Die Bearbeitung dieser Spuren in Dortmund gab keinen Anlass zu weiterführenden Ermittlungen.2714 Die Homepageüberwachung wurde am 31. März 2009 eingestellt. Die Homepage des PP Dortmund wurde mit gleichem Datum aus dem Netz genommen.2715 Den Dienststellen wurde eine CD mit den gesicherten IP-Adressen übergeben.2716 cc. Medienstrategie (1) Ziele und Umsetzung Ausgehend von dem Vorschlag in dem Ermittlungskonzept der OFA Bayern, eine Medienstrategie zu entwerfen, beauftragte der Zeuge Wolfgang Geier als Leiter der BAO Bosporus am 12. Juni 2006 die OFA Bayern mit der Entwicklung einer Medienstrategie, vor allem im Hinblick auf „Fahndungsplakat, Internet-Homepage, XY-Sendung, „Teilveröffentlichung“ des Täterprofils und Reaktionen bei Fortsetzung der Serie“.2717 In dem 13. Sachstandsbericht der BAO vom 27. Juni 2006 ist dazu niedergelegt, mit Unterstützung der OFA Bayern werde derzeit ein Medienkonzept erarbeitet, das nach Fußballweltmeisterschaft und Urlaubszeit umgesetzt werden solle.2718 Unter Mitwirkung des Beamten des LKA NRW, der bereits Teilnehmer der 2. Operativen Fallanalyse war, erarbeitete die OFA Bayern dieses Medienkonzept, das sie mit Schreiben vom 12. Juli 2006 dem Zeugen Wolfgang Geier übersandte.2719 Als Zielrichtungen sind darin formuliert: „Zum einen soll durch eine Veröffentlichung von bestimmten Teilen des Täterprofils eine Sensibilisierung des Täterumfeldes erfolgen, sodass aus diesem Personenkreis ein unmittelbarer Hinweis auf den Täter gegeben wird. Zum anderen soll der Täter durch die Veröffentlichung angesprochen werden und durch gezielte Informationssteuerung auf die überwachte Homepage gelockt werden und somit elektronische Spuren hinterlassen“.2720 Inhaltlich sollten durch die Strategie im Wesentlichen zwei Bereiche an die Öffentlichkeit transportiert werden, nämlich zum einen die Delikte und die Tatbegehung, zum anderen eine Beschreibung der Persönlichkeit des Täters, so dass er von seinem Umfeld erkannt würde und die Bereitschaft entstünde, Hinweise an die Polizei zu geben.2721 2713 2714 2715 2716 2717 2718 2719 2720 2721 484 14. Sachstandsbericht BAO Bosporus vom 24. Juli 2006, A10036 S. 24. Schreiben des PP Dortmund vom 28. November 2012, A13329 S. 299. Schreiben des BKA vom 21. März 2013, A13329 S. 263. Schreiben des BKA vom 21. März 2013, A13329 S. 263. Auftragserteilung der BAO Bosporos an OFA Bayern vom 12. Juni 2006, A84111 S. 1. 13. Sachstandsbericht BAO Bosporus vom 27. Juni 2006, A10036 S.13. Vermerk des LKA vom 27. Juli 2006, A10038 S. 18; Schreiben der OFA Bayern vom 12. Juli 2006, A10057 S. 3. Schreiben der OFA Bayern vom 12. Juli 2006, A10057 S. 3. Schreiben der OFA Bayern vom 12. Juli 2006, A10057 S. 4. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In einer Telefonkonferenz der Steuerungsgruppe am 14. Juli 2006 stellte der Zeuge Wolfgang Geier den wesentlichen Inhalt des Medienkonzeptes den Mitgliedern der Steuerungsgruppe vor. Es wurde vereinbart, dass das Strategiepapier allen Ermittlungskommissionen und den sachleitenden Staatsanwälten zur Kenntnis gebracht werden und alsdann auf einer außerordentlichen Sitzung am 19. Juli 2006, an der nach Möglichkeit auch die Staatsanwälte teilnehmen sollten, diskutiert werden sollte. 2722 An dieser außerordentlichen Sitzung nahmen die zuständigen Staatsanwälte aus Nürnberg, Kassel und Rostock teil. Der für das Dortmunder Verfahren zuständige Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper, dem eine Kopie des Medienkonzeptes zugesandt worden war, war nicht anwesend.2723 Der Zeuge Wolfgang Geier eröffnete die Diskussion mit dem Hinweis, dass er und die StA Nürnberg bereits über die Umsetzung der Medienstrategie entschieden hätten und damit am folgenden Tag begonnen werde. Nach langer kontroverser Diskussion akzeptierten die Mitglieder der Steuerungsgruppe - mit Ausnahme Hamburgs - die Umsetzung des Medienkonzepts zur Verfolgung der Einzeltätertheorie insbesondere deshalb, weil die Presse bereits Detailinformationen über die Taten veröffentlicht hatte, die letztlich nur von der Polizei stammen konnten. Zudem wurde vereinbart, dass eine mögliche Affinität des Täter / der Täter zur rechtsextremistischen Szene in den Medien nicht thematisiert werden sollte. 2724 Als von dem Zeugen Wolfgang Geier mit den Medien bereits vorab vereinbarte Veröffentichungstermine wurden bekannt gegeben: am 3. August 2006 - „Aktenzeichen XY“ im ZDF), am 7. August 2006 - Zeitungsbericht in der Süddeutschen Zeitung und am 8. August 2006 Beiträge im Bayerischen Rundfunk und im Bayerischen Fernsehen.2725 Dieser Absprache entsprechend erfolgten die Veröffentlichungen zu diesen Terminen.2726 (2) Fehlende Erwähnung des möglichen rechtsextremistischen Hintergrundes Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, warum der mögliche rechtsextremistische Hintergrund der Taten in den Medien keine Erwähnung fand. In der Medienstrategie der OFA Bayern ist dazu festgehalten: „Eine denkbare Nähe zur rechten Szene ist vorstellbar, jedoch nicht Voraussetzung für die Taten, daher soll dies im Beitrag auch mit entsprechend geringer Priorität platziert werden, da vermutlich die Persönlichkeitsstruktur des Täters der ausschlaggebende Faktor ist und die fremdenfeindliche Gesinnung lediglich als Vehikel fungiert und der Ablehnung eine Richtung gibt“. 2727 Vor dem ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU erklärte der Leiter des Analyseteams EKHK Horn ergänzend, in der Öffentlichkeit habe ein möglicher fremden- oder türkenfeindlicher Hintergrund durchaus deutlich gemacht werden sollen. Dass das geschehen sei, mache auch die Berichterstattung der Medien im August 2006 mit 2722 2723 2724 2725 2726 2727 Protokoll zur Telefonkonferenz vom14. Juli 2006, A13322 S. 198. Protokoll der 3. außerordentliche Besprechung Steuerungsgruppe vom 19. Juli 2006, A84208 S. 1. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 f, S. 619; Protokoll der Telefonkonferenz der ZSB vom 14. Juli 2006, A13322 S. 197 f. Protokoll der 3. außerordentliche Besprechung Steuerungsgruppe vom 19. Juli 2006, A84208, S.2. Horn, 14. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92413 S. 86. Schreiben der OFA Bayern vom 12. Juli 2006, A10057 S. 10. 485 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Schlagzeilen wie „Tötete der Täter aus Türkenhass?“2728 deutlich. Andererseits sei ihnen wichtig gewesen herauszustellen, dass nach ihrer fachlichen Bewertung wegen des Exekutionscharakters der Schussabgabe beim Täter das Motiv der Zerstörung von Menschen türkischer Herkunft im Vordergrund gestanden haben dürfte und die Ausländerfeindlichkeit dabei als Mittel dazu gedient habe, dieses Motiv deutlich zu machen.2729 Der Zeuge Wolfgang Geier hat bestätigt, dass die Entscheidung, den rechtsextremistischen Bereich in den Hintergrund treten zu lassen, aufgrund einer fachlichen Diskussion zwischen EKHK Horn und ihm getroffen worden sei. Zugrunde gelegen habe die Überlegung, dass die Veröffentlichung einer solchen Hypothese Unruhe in der türkischstämmigen Bevölkerung auslösen könne, ein messbarer Nutzen in Form von Hinweisen daraus aber nicht zu erzielen sei. Auf ausdrückliche Nachfrage hat er betont, dass ihre Entscheidung über Zeitpunkt und Inhalt der Medienunterrichtung nicht durch das Innenministerium oder die politische Ebene - etwa mit Blick auf die gerade stattfindende Fußballweltmeisterschaft in Deutschland - beeinflusst worden sei. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Medienstrategie habe er selbst getroffen. Sie sei unter anderem abhängig gewesen von den Sendezeiten der Fernsehreihe „Aktenzeichen XY“2730. Auch nach der Darstellung des Zeugen Bert Gricksch beruhte die Entscheidung, einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund der Taten in der Öffentlichkeit nicht zu thematisieren, allein darauf, mangels konkreter Hinweise in diese Richtung speziell die türkische Bevölkerung nicht zu beunruhigen.2731 Auf die Frage aus dem Ausschuss, ob ihm nicht klar gewesen sei, dass viele Personen mit einem mirgrantischen Hintergrund ohnehin verunsichert gewesen seien, weil sie die Mordserie als gegen sich gerichtet interpretiert hätten, hat der Zeuge geantwortet: „Richtig. Aber genau das wollte man nicht unterstützen, indem man dann auch noch bundesweit über die Medien diese These, die eben nicht 100 % abgesichert war, kundtut.“2732 Ihm wurde ein behördeninterner Bericht des LKA NRW vom 27. Juli 2006 vorgehalten, in dem es unter „Sonstiges“ heißt: „Wirkungen in der Öffentlichkeit, insbesondere auf ausländische Gäste, wurden durch die Verantwortlichen auch schon im Mai/Juni im Hinblick auf die bevorstehende bzw. laufende FIFA WM 2006 bewertet. Das IM NRW ist über Herrn Gricksch über die Einzeltäterhypothese informiert.“2733 Daraufhin hat der Zeuge Bert Gricksch bestätigt, einen Mitarbeiter des IM NRW, dessen Name ihm nicht mehr erinnerlich war, über die Einzeltäterhypothese in Kenntnis gesetzt zu haben. Er könne sich allerdings nicht daran erinnern, dass in diesem Gespräch ein Bezug zur Fußballweltmeisterschaft thematisiert worden sei. Im Übrigen hat er zutreffend darauf hingewiesen, dass sich dem Bericht nicht entnehmen lasse, inwieweit die beiden Sätze in Zusammenhang stünden.2734 2728 2729 2730 2731 2732 2733 2734 486 Presseartikel vom 8. August 2006, A10013 S. 107. Horn, 14. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92413 S. 61, 67. Geier, APr 16/1142 S. 85, 87 f. Gricksch, APr 16/1154 S. 125. Gricksch, APr 16/1154 S. 125. Schreiben des LKA NRW vom 27. Juli 2006, A13341 S. 103 (VS-nfD). Gricksch, APr 16/1154 S. 137 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Soweit das LKA NRW in demselben Schreiben die Bewertung abgegeben hatte: „Das Analyseergebnis „Einzeltäter und situative Opferauswahl“ ist insbesondere im Hinblick auf die zu erwartende Außenwirkung brisant“2735 hat der Zeuge Bert Gricksch vermutet, dass sich die Brisanz darauf beziehe, dass sechs Jahre lang in Richtung einer hinter den Morden stehenden Organisation ermittelt und im Jahr 2006 plötzlich die Einzeltätertheorie favorisiert worden sei. Auf die Frage, ob das IM NRW auf die Öffentlichkeitsarbeit Einfluss genommen habe, hat er geantwortet: „Nein.- Die Öffentlichkeitsarbeit ist ja von München aus gesteuert worden. Die ist mit uns abgestimmt worden. Wir haben ja keine individuelle Öffentlichkeitsarbeit in Dortmund gemacht, sondern da ist ein Konzept vorgelegt worden, und da hat definitiv das Ministerium nicht darauf Einfluss genommen so nach dem Motto: der Passus gefällt uns überhaupt nicht, macht das mal soundso.“2736 Zu den Reaktionen in der Bevölkerung auf die Medien- und Pressearbeit der BAO Bosporus hat der Zeuge Wolfgang Geier erklärt: „Es wurden 300.000 € ausgelobt. Sie können sich nicht vorstellen, was das in den Knästen in Deutschland ausgelöst hat. Es kamen Hinweise über Hinweise, die eigentlich sage ich mal - Riesenarbeit gemacht haben, aber letztlich auch nur zu möglichen Theorien: „der könnte es gewesen sein!“ geführt haben. […] Natürlich sind 300.000 € für viele eine Motivation, irgendwas auszusagen, Hinweise zu geben. Aber unter dem Strich war nichts dabei, was tatsächlich uns eben weitere Ermittlungen gebracht hätte.“2737 Erhoffte Reaktionen auf die Medienstrategie bei VPen oder auf aktuell laufenden Telefonüberwachungsmaßnahmen waren bundesweit bei den operativ tätigen Dienststellen ebenfalls nicht zu verzeichnen.2738 dd. Polizeiinterne Öffentlichkeitsarbeit (1) Präventionsflyer Zusätzlich zu den oben dargestellten Maßnahmen, von denen sich die Ermittlungskommissionen eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Mordserie und Täterhinweise erhofften, beschloss die Steuerungsgruppe, im Rahmen der polizeiinternen Öffentlichkeitsarbeit bundesweit zu Präventionszwecken einen Flyer in deutscher und türkischer Sprache an türkische Kleingewerbetreibende - mit Blick auf die bis dato ausgewählten Tatorte - in Städten ab 200.000 Einwohnern zu verteilen. Der Flyer enthielt Informationen zu Gemeinsamkeiten aller Taten der Mordserie und beachtenswerte Punkte zur Verhinderung weiterer gleichgelagerter Taten.2739 2735 2736 2737 2738 2739 Schreiben des LKA NRW vom 27. Juli 2006, A13341 S. 103 (VS-nfD). Gricksch, APr 16/1154 S. 137 f. Geier, APr 16/1142 S. 101. Vorläufiger Abschlussbericht der BAO Bosporus - Serientäter vom 9. Januar 2008, A84110 S. 4. E-Mail des BLKA vom 19. Januar 2007, A12078 S. 212. 487 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Flyer wurde am 26. Januar 2007 in NRW an alle Kreispolizeibehörden übermittelt, wobei die Verteilung unter Hinweis auf die Zielrichtung der BAO Bosporus in das Ermessen der jeweiligen Kreispolizeibehörde gestellt wurde.2740 (2) Informationsveranstaltungen in den Ländern Schließlich erstellte die BAO Bosporus ein Konzept für bundesweite Informationsveranstaltungen. Zielgruppe dieser Veranstaltungen waren Angehörige von Dienststellen für Todesermittlungen und Polizeileitstellen. Den mit einem möglichen neuen Delikt befassten Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen sollten konkrete Hinweise für das Erkennen eines Tatzusammenhangs sowie die bisher gemachten Erfahrungen in Bezug auf Fahndungs- und Erstmaßnahmen vermittelt werden.2741 Die BAO Kiosk führte daraufhin nach Abstimmung in der Steuerungsgruppe im März 2007 zwei Veranstaltungen in NRW und eine für die Polizei Niedersachsen in Hannover durch.2742 4. Ende der Besonderen Aufbauorganisationen und Entscheidung der StA Dortmund a. BAO Kiosk Am 14. November 2006 wurde die BAO Kiosk in eine AAO zurückgeführt. Die Personalstärke der nunmehr allein wieder zuständigen MK Kiosk mit dem Zeugen Michael Schenk als Leiter wurde auf zwei Beamte plus Leitung reduziert. Die Abarbeitung der Massendatenspuren lief weiter. Mangels erfolgversprechender Hinweise war seitens der Behördenleitung auf eine Rückführung der BAO gedrängt worden. Anlassbezogen wurde die MK Kiosk aber weiterhin durch Kräfte verschiedener Kommissariate unterstützt.2743 In ihrem vorläufigen Schlussbericht fasste die BAO Kiosk die bis dahin durchgeführten Ermittlungen zusammen und hielt als Ergebnis fest: „Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand haben sich keine konkreten Anhaltspunkte für einen Tatverdächtigen ergeben. Mehmet Kubaşık konnten keine relevanten kriminellen Machenschaften nachgewiesen werden, worin ein mögliches Motiv zu finden wäre. Auch in seiner privaten Situation fanden sich keinerlei Ansatzpunkte für ein Motiv.“2744 Zu dem aktuellen Sachstand heißt es in dem Bericht abschließend: „Die BAO Kiosk ist mit der Abarbeitung der Spuren beschäftigt, die als Ergebnis der analytischen Betrachtungen der vorhandenen Massendaten für den hiesigen Bereich anfallen. Nach derzeitigem Ermittlungsstand ist davon auszugehen, dass Ende 2007 ein erheblicher personeller Rückbau bei allen Beteiligten, insbesondere der BAO Bosporus erfolgen wird.“2745 2740 2741 2742 2743 2744 2745 488 Schreiben des LKA NRW vom 7. September 2007, A120778 S. 244. E-Mail des BLKA vom 19. Januar 2007, A12078 S. 212. Schreiben des LKA NRW vom 7. September 2007, A12078 S. 244. Fragenraster, A10024 S. 62 ff.; Protokoll der 8. Periodischen Besprechung der Steuerungsgruppe vom 8. Dezember 2006, A13328 S. 254 (VS-nfD). Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 243. Vorläufiger Schlussbericht der BAO Kiosk vom 21. Juni 2007, A60746 S. 247 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 b. BAO Bosporus Im August 2007 wurde die Personalstärke der BAO Bosporus von bis dahin 60 auf 48 Beamte reduziert.2746 Zum 31. Januar 2008 erfolgte die Rückführung der BAO Bosporus in eine AAO. Die Ermittlungen wurden unter der Bezeichnung „MK Bosporus“ im KK 11 des PP Mittelfranken in Nürnberg fortgeführt. In ihrem Sachstandsbericht von Mai 2008 stellte die BAO Bosporus die bis dahin durchgeführten wesentlichen Ermittlungen zusammenfassend dar und hielt zu dem derzeitigen Ermittlungsstand fest, dass trotz der umfangreichen und mit hohem Personaleinsatz geführten Ermittlungen es bis dahin nicht gelungen sei, die Täter bzw. die Auftraggeber zu ermitteln. Eine faktisch belegbare Präferenz für eine der beiden Hauptermittlungsrichtungen „Organisationstheorie“ und „Einzeltätertheorie“ sei ebenfalls nicht möglich.2747 Am 1. Juli 2008 waren noch 20 Beamte bundesweit mit den Ermittlungen in der Ceska-Serie betraut. Freigestellt für die Ermittlungen waren in Hamburg noch drei Beamte, in Mecklenburg-Vorpommern drei Beamte, beim BKA vier Beamte und in Bayern sechs Beamte. Die in Kassel und Dortmund jeweils zuständigen zwei Beamten führten die Ermittlungen im Nebenamt.2748 Die Steuerungsgruppe der BAO Bosporus wurde ausweislich des Protokolls einer gemeinsamen Besprechung der Leiter der Sonderkommissionen und der Zentralen Sachbearbeiter vom 6. Dezember 2011 erst an diesem Tag aufgelöst, weil im Hinblick auf die Errichtung der BAO Trio eine Notwendigkeit zur bundesweiten Koordinierung der Ermittlungen der Tatortdienststellen der Mordserie nicht mehr gesehen wurde.2749 c. Entscheidung der StA Dortmund Nach Übersendung der Ermittlungsakten am 18. Juli 2008 durch die BAO Kiosk an die StA Dortmund wertete der Zeuge Dr. Heiko Artkämper diese aus und ließ das UJs-Verfahren durch Verfügung vom 15. November 2008 in ein Js-Verfahren umtragen, weil sich im Laufe der Ermittlungen ein Anfangsverdacht gegen zwei Beschuldigte ergeben hatte. Gegen diese Beschuldigten wurde das Verfahren mit Verfügung vom selben Tage mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt. Im Übrigen wurden die Ermittlungen in diesem Verfahren gegen Unbekannt fortgeführt mit der Begründung, dass eine abschließende Entscheidung erst nach Auswertung der zu der Ceska-Mordserie zählenden Verfahren der StAen Kassel, Rostock und Nürnberg möglich sei.2750 5. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 Nach der Selbstenttarnung des NSU am 4. November 2011 übernahm der GBA das Verfahren der StA Dortmund und beauftragte das BKA, in diesem Verfahren in Zusammenarbeit mit den LKÄ die polizeilichen Ermittlungen durchzuführen.2751 Im BKA, Abteilung Polizeilicher Staatsschutz, wurde am 11. November 2011 die BAO Trio eingerichtet. Als regionaler Einsatzabschnitt NRW war die BAO Trio NRW beim LKA Düsseldorf unter der Leitung des Zeugen Dieter Kretzer in die BAO Trio des BKA integriert.2752 Der Unterabschnitt (UA) Dortmund war zunächst dem Einsatzabschnitt (EA) „Ermittlungen“ der 2746 2747 2748 2749 2750 2751 2752 26. Sachstandsbericht der BAO Bosporus vom 20. August 2007, A10036 S. 97. Sachstandsbericht der BAO Bosporus Stand Mai 2008, A13318 S. 168 ff. 32. Sachstandsbericht der MK Bosporus vom 26. Juni 2008, A10036 S. 130. Protokoll der gemeinsamen Besprechung vom 6. Dezember 2006, A84215 S. 4. Verfügung der StA Dortmund vom 15. November 2008, A60746 S. 250 ff. Verfügung des GBA vom 11. November 2011, A64859 S. 135 ff. (VS-nfD). Einsatzbefehl Nr. 2 des BKA vom 19. November 2011, A13036 S. 33 (VS-nfD). 489 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 BAO im LKA NRW zugeordnet2753 und war nach Auflösung des Regionalen Einsatzabschnitts NRW am 9. Dezember 2011 direkt dem Regionalen Einsatzabschnitt Bayern unterstellt.2754 a. Hinweise auf Täterschaft des NSU-Trios In der Anklageschrift des GBA in dem Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vom 5. November 2012 wir der Mord an Mehmet Kubaşık aufgrund folgender Indizien dem NSUTrio zugeordnet: „Die Analyse der auf der Registrierkasse sichergestellten Hülse sowie der vier Projektile des tschechischen Herstellers Sellier&Bellot ergab, dass sie aus der Pistole Ceska 83 verfeuert wurden. Auch diese Tat erscheint auf der Selbstbezichtigungs-DVD als Teil der sogenannten Deutschlandtour. Die neben dem Bild des Opfers montierte Schlagzeile „Angst vor dem Serienkiller“ entstammt einem Presseartikel zu dem Mord an Theodoros Boulgarides. Vor der Tat erstellten die Mitglieder des „NSU“ zahlreiche Papierausdrucke einer Routenplanersoftware mit Stadtplanausschnitten von Dortmund und beschafften sich einen Stadtplan. Der Schwerpunkt der markierten Örtlichkeiten liegt im Bereich der InnenstadtNord; der Tatort selbst war allerdings nicht markiert. Für die Fahrt nach Dortmund stand Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ein von Böhnhardt unter Verwendung der Aliaspersonalien von Holger Gerlach für die Zeit vom 3. bis 7. April 2006 angemietetes Wohnmobil der Firma „Caravanbetrieb Horn“ zur Verfügung. Dasselbe Fahrzeug nutzten sie auch während des zwei Tage später begangenen Mordes an Halit Yozgat.“2755 aa. Ausspähung eines geeigneten Tatortes (1) Kartenmaterial Nach dem Brand in der damaligen Wohnung des NSU-Trios in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau am 4. November 2011 stellte die Polizei in dem Brandschutt umfangreiches Kartenmaterial mit Bezug zu den Tatorten der Mordserie und den Sprengstoffanschlägen in Köln sicher.2756 Den Bereich der Stadt Dortmund betreffend wurden Reste eines Falk-Stadtplans sowie sechs mittels einer Routenplanungssoftware erstellte und ausgedruckte Kartenausschnitte sichergestellt. Die Ausdrucke wiesen handschriftliche sowie maschinell hinzugefügte Notizen und Adressen, elektronisch eingefügte Piktogramme und Objektinformationen zu verschiedenen Örtlichkeiten auf. Die Zeitstempel datierten vom 30. Mai 2005, 22. September 2005, 28. März 2006 und 3. April 2006. Bei den Asservaten vom 3. April 2006 handelte es sich um zwei Papierausdrucke von jeweils unterschiedlichen Teilausschnitten des Dortmunder Stadtgebietes mit der handschriftlichen Ergänzung „Dortmund CDU 2x“.2757 Die Ausdrucke weisen keinen Bezug zu dem am folgenden Tag begangenen Mord an Mehmet Kubaşık auf. Einen möglichen Bezug zur Tat weist dagegen der am 22. September 2005 ausgedruckte Kartenausschnitt auf. Dieser Ausdruck steht zeitlich und inhaltlich in Zusammenhang mit 2753 2754 2755 2756 2757 490 Schreiben des PP Dortmund vom 22. November 2011, A13232 S. 59. Schreiben des BKA vom 9. Dezember 2011, A13171 S. 206 f. (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 250 f. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 25. Juni 2012, A62156 S. 465 ff. Vermerk des BKAvom 25. Juni 2012, A62156 S. 474. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dem Papierausdruck einer laut Datumsstempel ebenfalls am 22. September 2005 ausgedruckten Adressliste. Diese Liste enthält insgesamt sechs maschinell gedruckte Anschriften in Dortmund inklusive Bemerkungen zu den einzelnen Objekten. Neben jeder der aufgeführten Adressen findet sich ein Piktogramm in Form eines Sterns sowie eine Ziffer der fortlaufenden Nummerierung von eins bis sechs. Die Adressen korrespondieren jeweils mit der durch die entsprechende handschriftliche Zahl und ein Stern-Piktogramm markierten Lage auf dem o. g. Kartenausdruck. Die Bemerkungen zu einzelnen Adressen lauten: „Türkischer Laden - Kiosk auf der anderen Straßenseite (ca. 50 m entfernt), gutes Objekt und geeigneter Inhaber, Lage ist akzeptabel Türkischer Imbiss - gutes Objekt und geeigneter Inhaber an der Kreuzung Uhlandstr./Goethestr. Türkischer Imbiss 2 - gutes Objekt, guter Weg von dort weg!!! Personal ist nicht optimal vorher noch mal prüfen!!! Türkischer Laden 2 - sehr gutes Objekt. Guter Sichtschutz. Person gut, aber alt (über 60)“2758 Diese Bemerkungen belegen umfangreiche Recherchen zu geeigneten Anschlagszielen und deuten darauf hin, dass die Person oder Personen, die diese Adressliste erstellt hat oder haben, sich zu den Ausspähungsmaßnahmen in Dortmund aufgehalten hat oder haben. An der Adressliste wurde ein molekulargenetisches Muster des Uwe Mundlos gesichert.2759 Der Aufenthalt des NSU-Trios in Dortmund könnte aus folgenden Gründen kurz vor und / oder am Tag der Ausdrucke von Adressliste und Kartenausschnitt, dem 22. September 2005, stattgefunden haben: (2) Wohnmobilanmietung Nach den polizeilichen Ermittlungen der BAO Trio mietete Uwe Böhnhardt unter den Personalien des Holger Gerlach seit 2004 Fahrzeuge bei der Firma Caravanbetrieb Horn in Chemnitz an. Am 19. September 2005 mietete er dort für den Zeitraum vom 19. bis 22. September 2005 ein Wohnmobil der Marke Fiat mit dem amtlichen Kennzeichen C – AJ 940. Die im Mietzeitraum mit dem Wohnmobil zurückgelegten Kilometer sowie die genauen Uhrzeiten der Abholung und Rückgabe wurden seitens der Firma Horn nicht dokumentiert.2760 (3) Postkarte Neben dem Kartenmaterial wurde im Brandschutt der Frühlingsstraße eine Postkarte sichergestellt, die an M. Dienelt, Polenzstraße 2 in Zwickau adressiert war. Den Namen „M.Dienelt“ benutzte Uwe Mundlos seinerzeit als Aliasnamen.2761 Bei der kriminaltechnischen Untersuchung der Postkarte konnte der Stempelabdruck lesbar gemacht und festgestellt werden, dass die Postkarte am 21. September 2005 im Briefzentrum 44 in Dortmund abgestempelt worden war. Sie war handschriftlich beschrieben lediglich mit „Viele Grüße! Das Wetter ist 2758 2759 2760 2761 Vermerk des BKA vom 25. Juni 2012, A62156 S. 471 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 25. Juni 2012, A62156 S. 470 f. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 21. August 2012, A62156 S. 196, 244 (VS- nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 128 f. (VS-nfD). 491 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 schön. Tschüss.“ Ein graphologisches Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass die Handschrift mit hoher Wahrscheinlichkeit Uwe Böhnhardt zuzurechnen war.2762 Zusammen mit dem auf der vermutlich ebenfalls in Dortmund erstellten o. g. Adressliste sichergestellten DNA-Muster des Uwe Mundlos legt die aufgefundene Postkarte den Schluss nahe, dass sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im September 2005 gemeinsam in Dortmund aufhielten. bb. Hinweis der Vertrauensperson Heidi auf Anwesenheit des NSU-Trios in Dortmund am 1. April 2006 Am 20. November 2011 teilte die polizeiliche VP Heidi (Zeuge M.) dem PP Dortmund mit, dass sie am 1. April 2006, also drei Tage vor dem Mord an Mehmet Kubaşık am Hauptbahnhof in Dortmund Uwe Mundlos in Begleitung des ihr bekannten Zeugen Toni Stadler gesehen habe.2763 Nach Übermittlung dieses Hinweises an die BAO Trio des BKA wurde bei der BAO Bosporus die Spur 730 angelegt und der UA Dortmund mit den Ermittlungen beauftragt.2764 (1) Zurückliegende Zusammenarbeit der VP Heidi mit dem PP Dortmund Im Juni 2005 wurde der Zeuge M. vom PP Dortmund als VP angeworben. Aufgrund seiner Beufstätigkeit verfügte er nach eigenen Angaben über umfangreiche Informationen zum Dortmunder „Nachtleben“ und Kontakte u. a. auch zu Personen der rechtsextremistischen Szene.2765 Am 16. Juni 2005 wurde ihm durch die StA Dortmund die Geheimhaltung seiner Identität zugesagt.2766 In der Folgezeit berichtete die VP Heidi ihrem VP-Führer, dem Zeugen J., in unregelmäßigen Abständen über möglicherweise polizeilich relevante Sachverhalte und gab vereinzelt auch Hinweise zu den Strukturen der Dortmunder Bandidos. Diese Hinweise waren jedoch nicht geeignet, entsprechende Ermittlungsverfahren einzuleiten.2767 (2) Kontakte der VP Heidi zu Thomas Stadler Im März 2006 teilte die VP Heidi mit, dass sie seit Herbst 2005 Kontakt zu einem „SachsenToni“ habe, der keinen Hehl aus seiner rechten Gesinnung mache und nachts zwischen den Gaststätten „Deutscher Hof“ (Mallinckrodtstraße) und „Bierstube“ (Schützensstraße) pendele. Er habe ihr erzählt, er könne scharfe Waffen aller Art besorgen, die er aus Tschechien beziehe.2768 Im Rahmen einer gezieleten Lichtbildvorlage erkannte die VP Heidi den Zeugen Toni Stadler als die von ihr als „Sachsen-Toni“ bezeichnete Person.2769 2762 2763 2764 2765 2766 2767 2768 2769 492 Pflug, APr 16/1422 S. 49 f. Schreiben des LKA NRW vom 30. März 2012, A62172 S. 303 (VS-nfD). Vermerke des PP Dortmund vom 29. November und 2. Dezember 2011, A62172 S. 181, 203. M., nöAPr 16/238 S. 6 f. Bericht des PP Dortmund vom 29. November 2011, A62163 S. 421. Bericht des PP Dortmund vom 24. August 2012, A13330 S. 170 (VS-nfD). Vermerke des PP Dortmund vom 17. und 20. März 2006, Ordner 20 S. 74, 77 (VSV – herabgestuft). Vermerk des PP Dortmund vom 24. März 2006, Ordner 20 S. 81 (VSV – herabgestuft). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Polizeiliche Recherchen zu der Person des Zeugen Toni Stadler ergaben, dass es sich bei ihm um eine ehemalige VP des Verfassungsschutzes Brandenburg handelte und er nach seiner Enttarnung im Jahr 2002 seit 2003 in Dortmund lebte.2770 Am 6. April 2006 berichtete die VP Heidi ihrem VP-Führer über mehrere „Rechte“, bezüglich des Zeugen Toni Stadler gebe es bislang keine neuen Erkenntnisse. Am 11. April 2006 teilte die VP Heidi mit, dass sie in letzter Zeit keinen Kontakt zu dem Zeugen Toni Stadler bekommen habe. Sie könnte sich das nicht erklären, wolle aber auch nicht zu offen an ihn herantreten.2771 Der Zeuge J. hat dazu erklärt: „Wir haben den Auftrag erteilt, dass er versuchen soll, den Kontakt zu Toni Stadler zu intensivieren mit dem Ziel, dass er unter Umständen einen Probekauf einer Waffe machen kann. Dann hat er aber Mitte April ungefähr auf Nachfrage dann noch mal gesagt, dass er den Kontakt nicht intensivieren kann. Er wisse auch nicht, warum Toni sich nicht mehr bei ihm gemeldet habe [ …]“.2772 In der Folgezeit bestand weiterhin mehr oder weniger regelmäßiger Kontakt der VP Heidi zu seinem VP-Führer. Zu dem Zeugen Toni Stadler hatte die VP Heidi nach April 2006 keinen Kontakt mehr. (3) Kontakte des Zeugen M. zur Polizei ab November 2011 Am 20. November 2011 teilte der Zeuge M. seinem VP-Führer J. mit, dass er in der vergangenen Woche erstmals Bilder des Uwe Mundlos in der Zeitung gesehen habe. Er habe sich dabei an den 1. April 2006 erinnert. Auf einem Bild habe er Uwe Mundlos als die männliche Person wiedererkannt, die er gemeisam mit einer weiteren weiblichen Person und dem Zeugen Toni Stadler vom Hauptbahnhof Dortmund zur Schleswiger Straße gefahren habe.2773 Aufgrund dieser Angaben führte der Zeuge J. im Beisein eines Kollegen am 23. November 2011 eine Vernehmung der VP Heidi und eine weitere Vernehmung alleine am 1. Dezember 2011 durch. In diesen Vernehmungen ist zu dem Zusammentreffen mit dem Zeugen Toni Stadler und dem vermeintlichen Uwe Mundlos niedergelegt, dass die VP Heidi die männliche Person, die sie aufgrund von Fotos jetzt als Uwe Mundlos identifiziert habe, in der Nacht zum 1. April 2006 zusammen mit dem Zeugen Toni Stadler in Dortmund am Hauptbahnhof gesehen habe. Sie könne sich nur deshalb noch so konkret an die Sache erinnern, weil sie ja den Auftrag gehabt habe, den möglichst zu intensivieren und drei Tage später der Mord an Mehmet Kubaşık geschehen sei. Sie habe zwar damals keine Verbindung zwischen diesen beiden Ereignissen herstellen können. Die Erinnerung an das Treffen am 1. April 2006 habe sich bei ihr aber sofort wieder eingestellt, als sie das Foto in den Medien gesehen habe. In einer dieser Vernehmungen wurden der VP Heidi zwei Lichtbilder von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aus dem Jahr 1998 vorgelegt, die aus Presseveröffentlichungen stammten. Zu dem Lichtbild des Uwe Mundlos äußerte sie, dass das die Person sei, die sie im Jahr 2006 zusammen mit dem Zeugen Toni Stadler in Dortmund gesehen habe. Da sei sie sich zu 100 2770 2771 2772 2773 Vermerke des PP Dortmund vom 17. und 20. März 2006, Ordner 20, S. 74, 79 (VSV – herabgestuft). Vermerke des PP Dortmund vom 6. und 11. April 2006, Ordner 20 S. 87, 89 (VSV – herabgestuft). J., nöAPr 16/220 S. 9 f. Vermerk des PP Dortmund vom 21. November 2011, Ordner 21, S. 150 (VSV – herabgestuft). 493 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Prozent sicher. Die Person sei etwas schmaler im Gesicht gewesen, aber den markanten Gesichtsausdruck werde sie nicht vergessen. In der Vernehmung vom 1. Dezember 2011 ist als Aussage der VP Heidi zusätzlich festgehalten, dass sie weitere Angaben zu den Umständen des Kennenlernens des Zeugen Toni Stadler und zu Einzelheiten des Treffens am Hauptbahnhof in Dortmund nicht mache, da sie sich durch die Beantwortung dieser Fragen der Gefahr der Identifizierung ihrer Person aussetze.2774 Warum die von der VP Heidi ihm gegenüber beschriebene Anwesenheit einer weiblichen Person bei dem Treffen am Hauptbahnhof in den Quellenvernehmungen nicht thematisiert wurde, hat der Zeuge J. ebenfalls damit erklärt, dass in dem Fall die Enttarnungsgefahr für die VP zu hoch gewesen sei. Zur Begründung hat er weiter angeführt: „Es hat nach unserem Dafürhalten keinen Unterschied gemacht, ob ich jetzt über Mundlos hinaus noch eine weitere Person da hineinbringe. Wichtig war die Verbindung zwischen Stadler und Mundlos, dass die veröffentlicht wird und dass die Person in Dortmund gewesen sein soll. Und das ist durch die Quellenvernehmung passiert. Ob da jetzt noch eine Frau dabei gewesen wäre zu dem Zeitpunkt, das hat für uns nicht den großen Belang gehabt […] Und die VP hat nie etwas dazu gesagt, dass eine Frau die Beate Zschäpe hätte gewesen sein können. Deswegen haben wir die Frau dann auch rausgelassen, weil das wäre zu konkret geworden.“2775 Auf den Vorhalt, dass eine solche möglicherweise doch bedeutsame Information damit auch den polizeilichen Sachbearbeitern vorenthalten werde, hat der Zeuge J. mit „für die Sachbearbeitung ist diese Information weg“ geantwortet.2776 In der Zeit vom 1. Dezember 2011 bis zum 27. März 2012 kam es lediglich am 24. Februar 2012 zu einem Kontakt zwischen dem Zeugen M. und seinem VP-Führer J., bei dem die Person des Zeugen Toni Stadler allerdings nicht erwähnt wurde.2777 Am 27. März 2012 setzte der Zeuge M. seinen VP- Führer J. über eine vor seiner jetzigen Wohnanschrift von einer unbekannten Person ausgesprochene Bedrohung und am 2. April 2012 über eine erneute Bedrohung durch dieselbe Person in Kenntnis. Nach seinen Angaben hatten die Bedrohungen ihren Grund jeweils in seiner Zusammenarbeit mit der Polizei. Diese Angaben des Zeugen M. nahm das PP Dortmund zum Anlass, ihn mit seiner Zustimmung und mit Unterstützung des Zeugenschutzes des PP Dortmund am 4. April 2012 außerhalb NRW unterzubringen.2778 Nachdem der Zeuge M. sich bereits am 13. Mai 2012 an einen anderen VP-Führer des PP Dortmund und am 16. Mai 2012 an den Leiter der VP-Führung mit der Behauptung gewandt hatte, sein VP-Führer J. sei seinen Hinweisen zu dem Zeugen Toni Stadler nicht so nachgegangen, wie er es für erforderlich gehalten habe, wandte er sich mit Schreiben vom 6. Juli 2012 unmittelbar an den Polizeipräsidenten des PP Dortmund und wiederholte seinen Vorwurf gegen seinen ehemaligen VP-Führer, dieser habe seine Angaben im Jahr 2006 nicht korrekt weitergegeben.2779 2774 2775 2776 2777 2778 2779 494 Quellenvernehmungen vom 23. November und 1. Dezember 2011, A62163 S. 425 ff. J., nöAPr 16/220 S. 24. J., nöAPr 16/220 S. 13. Vermerk des PP Dortmund vom 24. Februar 2012, Ordner 21 S. 160 (VSV – herabgestuft). Schreiben des PP Dortmund vom 21. Mai 2012, A13387 S. 389. Schreiben des Zeugen M. vom 6. Juli 2012, A13330 S. 174 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Das PP Dortmund leitete dieses Schreiben an die BAO Trio weiter, woraufhin der Zeuge M. am 26. Juli 2012 durch Beamte des BKA zeugenschaftlich zum Ermittlungskomplex „Toni Stadler“ vernommen wurde. Im Anschluss an seine Angaben zu diesem Sachverhalt gab er zu Protokoll, dass er am 17. Juli 2012 eine öffentliche Sitzung des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU besucht habe und ihm während seiner Rückfahrt mit dem Zug eine ihm unbekannte Person aufgefallen sei, die ihn am darauffolgenden Tag in der Nähe seiner Wohnung abgepasst und mit einer unmissverständlichen Morddrohung konfrontiert habe.2780 Am späten Abend des 17. August 2012 erschien der Zeuge M. in der KPI seines Wohnortes und gab an, er sei am selben Abend und auch schon am 18. Juli 2012 vor seiner Wohnung von einer männlichen unbekannten Person mit dem Tode bedroht worden für den Fall, dass er weiterhin als Zeuge in dem Komplex „Toni Stadler“ aussage.2781 Nach Rückkehr in seine Wohnung teilte er ergänzend mit, dass nunmehr aus seinem unverschlossenen Zimmer in der WG unter anderem ein Kalender aus dem Jahr 2006 mit wichtigen Eintragungen entwendet worden sei. Zusätzlich übergab er selbst verfasste vierseitige Aufzeichnungen zu dem Komplex.2782 Eine weitere Bedrohung des Zeugen M. am 12. November 2012 im Englischen Garten in München teilte der Rechtsanwalt des Zeugen M. in einem Schreiben vom 20. November 2012 dem GBA mit, verbunden mit der Forderung, seinen Mandanten in das Zeugenschutzprogramm des BKA aufzunehmen. Der GBA bat daraufhin das BKA, über die Aufnahme in den Zeugenschutz in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und den Zeugen M. nochmals zu vernehmen. In dieser Vernehmung am 26. März 2013 wiederholte der Zeuge M., dass er aufgrund seiner Angaben zu dem Zeugen Toni Stadler mehrfach bedroht worden sei. Für ihn seien aber keine Zeugenschutzmaßnahmen mehr erforderlich, weil er seit November 2012 nicht mehr bedroht worden sei.2783 Aus den vorliegenden Akten, die den Zeitraum bis zu der Einsetzung des Untersuchungsausschusses am 5. November 2014 abdecken, ergibt sich, dass der Zeuge M. auch im Jahr 2014 noch verschiedene Erpressungshandlungen, begangen von unbekannten Bandidos in München, und einen versuchten Raub zu seinem Nachteil zur Anzeige gebracht hat.2784 Soweit aus den o. g. Akten ersichtlich, wurden alle auf die Angaben des Zeugen M. eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt zu seinem Nachteil mangels Tatnachweises eingestellt. (4) Unterschiedliche Angaben des Zeugen M. zu seinen Kontakten zu Stadler in seinen Vernehmungen und Schreiben (a) Zu dem Waffenangebot bereits im Herbst 2005 In seinem Schreiben vom 6. Juli 2012 an den PP Dortmund, in den in etwa gleichlautenden der KPI seines neuen Wohnortes übergebenen Aufzeichnungen und in seinen Vernehmungen durch das BKA am 26. Juli 2012 und 26. März 2013 gab der Zeuge M. im Widerspruch zu seinen Quellenvernehmungen Ende 2011 an, der Zeuge Toni Stadler habe ihm bereits im Herbst 2005 eine Waffe angeboten. Diese Information habe er seinerzeit auch an seinen VP2780 2781 2782 2783 2784 Schreiben des BKA vom 21. Juni 2012, A13289 S. 6 (VS-nfD). WE-Meldung vom 17. August 2012, A13330 S. 159 f. (VS-nfD). WE-Meldung vom 17. August 2012 nebst Anlagen, A13330 S. 160, 162 ff. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 28. März 2013, A62164 S. 282. Schreiben des Bayerischen LKA vom 4. November 2014, A13289 S. 24 ff. (VS-nfD). 495 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Führer J. weitergegeben. In seiner Vernehmung durch das BKA am 26. März 2013 gab er dazu an: „Herr [J.] hat mir im Oktober 2005, nach meinem Treffen mit Toni Stadler (Sachsen-Toni) den Auftrag erteilt, an der Person dran zu bleiben. Dies war vier Wochen, nachdem ich Stadler kennengelernt habe, also so Mitte/Ende Oktober 2005. Hierbei ging es noch nicht um das Thema der Waffenbeschaffung. Dann war im November diese Geschichte, wo ich dieses Waffengeschäft machen wollte. Hierzu habe ich keinen Auftrag erhalten, weil der Vorgesetzte von Herrn [J.] diesem nicht zugestimmt hat. Dieser soll gesagt haben, der Stadler steht unter einem gewissen Schutz und das hat mir [J.] auch mitgeteilt“.2785 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge M. bestätigt, dass der Zeuge Toni Stadler ihm bereits im Herbst 2005 angeboten habe, eine Waffe zu besorgen: „Er hatte mir im Herbst - also als ich ihn kennengelernt hatte, ein paar Wochen später gesagt, dass er mir verschiedene Sachen besorgen kann, unter anderem auch Waffen. […] Wir sind irgendwo hingefahren. Ich glaube sogar, das war eine Fahrt irgendwo Richtung Essen, da ist er auf irgendein Konzert gefahren oder irgendwas. Und da hat er mir dann halt auch gesagt, dass er mir alles besorgen kann, unter anderem auch eine Waffe. Wenn ich eine brauche, solle ich Bescheid sagen. Er könnte alles besorgen. Und ich sagte: Ja, sehr interessant, ich überleg mir das mal.“2786 (b) Zu den Geschehnissen am 1. April 2006 In seinem Schreiben an den PP Dortmund erwähnte der Zeuge M. erstmalig, dass der Besuch des Zeugen Toni Stadler nach dessen Angaben aus Thüringen gestammt habe. Eine weibliche und eine männliche Person, offenbar Freunde des Zeugen Toni Stadler, seien am Bahnhof zu ihm eingestiegen und mit dem Zeugen Toni Stadler zu seiner Wohnung gefahren. Zehn Minuten später seien die beiden Männer zu ihm zurückgekehrt und hätten sich im Laufe der Nacht zu verschiedenen Gaststätten, unter anderem auch auf der Mallinckrodtstraße, fahren lassen. Sie seien ziemlich betrunken gewesen und hätten ausländerfeindliche Parolen geäußert. Weiter heißt es in diesem Schreiben: „In dieser Nacht reichte auch, wie jetzt mit Namen bekannt ist, Uwe Mundlos, saß hinten, Toni Stadler eine Waffe zu und Stadler zeigte sie mir. Mit den Worten, so eine kann ich dir schnell besorgen, war unsere Fahrt nach einigen Minuten zu Ende.“ Im Laufe der Nacht habe er den Kontakt zu ihnen abgebrochen, sie aber in den folgenden zwei Nächten noch mehrmals gefahren.2787 Zu der Weitergabe dieser Kontaktinformation an seinen VP-Führer J. legte er in dem Schreiben nieder: „Bei einem Treffen mit [J.] erzählte ich ihm davon, war wohl nicht interessant, so meine Einschätzung des Gesprächs. In diesem Gespräch erzählte ich [J.] von den Besuchern des Herrn Stadler, ich sagte ihm, dass diese Leute recht gefährlich sind, sowie die Tatsache, dass sie mir eine Waffe im Auto zeigten. Nun frage ich mich, hat dieses Herr [J.] 2785 2786 2787 496 Zeugenvernehmung M., A62164 S. 278. M., nöAPr 16/238, S. 15 f. Schreiben des Zeugen M. vom 6. Juli 2012, A13330 S. 174 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aufgeschrieben? Dass er mir eine Waffe angeboten hat, hätte doch jeden Polizisten veranlassen müssen, diesem Hinweis nachzugehen“.2788 Aufgrund dieses Vorwurfs gegen den Zeugen J., von seiner VP erhaltene Informationen nicht an die zuständige Stelle weitergeleitet zu haben, leitete die StA Dortmund ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ein.2789 In seinen der KPI seines Wohnortes übergebenen Aufzeichnungen schilderte der Zeuge M. den Ablauf des Waffenangebots in jener Nacht folgendermaßen: „Der andere saß hinten und gab Toni Stadler plötzlich eine Pistole nach vorne, die er aus seinem Rucksack gezogen hatte. Stadler zeigte mir die Pistole mit den Worten:“ ich mache keine Sprüche […], diese Waffe kannst du kaufen!“ Als ich die Waffe in der Hand hielt, bin ich kurz rechts ran gefahren und fragte Stadler, was die Pistole kosten würde. Stadler sagte 1000 €. So viel Geld habe ich nicht, waren meine Worte und Stadler reichte die Waffe dann wieder nach hinten. Der Mann verstaute diese dann wieder in dem Rucksack. […] Über diese Vorfälle habe ich in den nächsten Tagen [J.] informiert.“2790 In seiner Vernehmung durch das BKA am 26. Juli 2012 beschrieb der Zeuge M. die beiden am Bahnhof abgeholten Personen. Der hagere Mann sei zwischen 1,70 und 1,80 m groß gewesen und habe sehr kurze Haare getragen. Er sei mit einer dunkelblauen Jacke, einem roten Basecap und hellen Turnschuhen bekleidet gewesen und habe einen schwarzen Nylonrucksack mit sich geführt. Die weibliche Person beschrieb er als etwa gleich groß wie der Mann. Sie habe eine normale Figur und braune, schulterlange Haare gehabt. Sie habe eine schwarze Schildlederkappe auf dem Kopf getragen, sei mit einer schwarzen Lederjacke bekleidet gewesen und habe eine größere Sporttasche mit sich geführt. Beide Personen seien etwa zwischen 30 und 35 Jahren alt gewesen. Auf Nachfrage gab er an, auf Fotos der Beate Zschäpe in den Medien nicht die damalige Begleiterin des Uwe Mundlos erkannt zu haben. Er habe das Gesicht dieser Frau damals wegen ihrer weit ins Gesicht gezogenen Lederkappe nicht gut sehen können. Außerdem habe er sie kein Wort sprechen hören. Er könne die Frau auch anhand von Lichtbildern nicht wiedererkennen. Die männliche Person habe einen ostdeutschen Dialekt gesprochen, der aber nicht so geklungen habe wie der des Toni Stadler. In dieser wie auch in der Vernehmung durch das BKA am 26. März 2013 stellte er die Einzelheiten des Waffenangebots vom 1. April 2006 wie in seinen Aufzeichnungen dar, dass nämlich Toni Stadler ihm die Waffe zum Sofortkauf für 1000,- Euro angeboten habe. In beiden Vernehmungen gab er zudem an, seinen VP-Führer J. von diesem Treffen anschließend unterrichtet zu haben.2791 In seiner Vernehmung vom 26. März 2013 führte er dazu aus: „Nach jedem Treffen habe ich sofort Bescheid gesagt, was Relevantes oder Gravierendes passiert ist. In diesem Fall bin ich mir sicher, dass ich ihn am 3. April 2006, das war ein Montag, angerufen habe und von dem Waffenangebot erzählt habe. Er hat zu mir 2788 2789 2790 2791 Schreiben des Zeugen M. vom 6. Juli 2012, A13330 S. 174 f. (VS-nfD). Schreiben des PP Dortmund vom 24. August 2012, A13387 S. 401 (VS-nfD). Aufzeichnungen des Zeugen M., A13330 S. 164 f. (VS-nfD). Vernehmung des M. vom 26. Juli 2012, A62158 S. 10; Vernehmung des M. vom 26. März 2013, A62164 S. 276 f. 497 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wortwörtlich am Telefon gesagt: „Ich habe dir gesagt, […], im Fall Toni Stadler unternehmen wir nichts. Lass die Finger davon. Da sind höhere Mächte im Spiel, da können wir nichts machen.“2792 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge M. erstmals angegeben, der Vorname „Uwe“ des Begleiters des Zeugen Toni Stadler sei ihm schon damals 2006 bekannt gewesen, weil der Zeuge Toni Stadler ihn mit diesem Namen angesprochen habe. Warum er seine Kenntnis dieses Vornamens nicht bereits in seinen Vernehmungen durch das BKA erwähnt habe, hat er wie folgt erklärt: „Eigentlich ging es mir damals, bei diesen BKA-Vernehmungen um grundsätzlichen Sachverhalt. Was ist damals passiert? Die Tatsache, dass mir jemand eine Waffe im Auto anbietet, war für mich ausschlaggebend zu handeln. […] Und Namen waren mir eigentlich egal. Es ging um den Tatvorgang.“2793 Den Akzent des Uwe hat er bei dieser Gelegenheit als „sächsisch“ bezeichnet.2794 Auf die Frage, anhand welcher Merkmale er 2011 auf einem Foto in einer Zeitschrift aus dem Jahr 1998 die Person wiedererkannt habe, die er fünfeinhalb Jahre zuvor gesehen habe, hat er geantwortet: „Erst mal muss ich dazu sagen, dass ich ein sehr gutes Gedächtnis habe, was Menschen angeht. […] Nicht nur, dass ich damals, zur damaligen Zeit ein sehr schlechtes Gefühl hatte als der Mord an Mehmet Kubaşık passiert ist, sondern weil dieses Thema eigentlich auch nach 2006 immer wieder Thema von mir war, zu einer Bezugsperson der Polizei. Und als diese Geschichte aufgeflogen ist, war ich ruckzuck am Telefon und habe jemanden angerufen, dem ich das mitgeteilt habe, einen Tag später. […] An den Gesichtszügen von dieser Person Uwe Mundlos… habe ich das wieder erkannt. Das Bild habe ich dann sofort wieder gesehen und habe auch sofort diese Geschichte zuordnen können. Sofort.“2795 Die eigentliche Antwort auf die Frage nach Wiedererkennungsmerkmalen ist er auch auf Nachfrage schuldig geblieben. Dass er sich hinsichtlich des genauen Datums des 1. April 2006 sicher sei, begründete der Zeuge M. in seiner Vernehmung durch das BKA am 26. Juli 2012 damit, dass er dieses Datum seinem Kalender entnommen habe. Dieser Kalender befinde sich derzeit noch mit anderen Unterlagen in Kartons im Keller seines ehemaligen Vermieters in Dortmund.2796 In seinen der KPI seines Wohnortes überreichten Aufzeichnungen gab er an, es handele sich um einen Kalender aus dem Jahr 2006, in dem sich auch Infos über den Zeugen Toni Stadler befänden. Dieser Kalender sei bei dem Einbruch in seine Wohnung am 17. August 2012 entwendet worden.2797 2792 2793 2794 2795 2796 2797 498 Vernehmung des M. vom 26. März 2013, A62164, S. 276 f. M., nöAPr 16/238 S. 43. M., nöAPr 16/238 S. 11. M., nöAPr 16/238 S. 42. Vernehmung des M. vom 26. Juli 2012, A62158 S. 12. Aufzeichnungen des Zeugen M., A13330 S. 164 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ausweislich der Vernehmungsniederschrift des BKA vom 26. März 2013 hatte er dort angegeben, über jedes Jahr ein Notizbuch geführt zu haben, in dem alle Vorbestellungen notiert gewesen seien.2798 Schließlich sind dem Zeugen M. seine unterschiedlichen Angaben zu der Waffe, die der Zeuge Toni Stadler ihm angeblich am 1. April 2006 im Beisein des Uwe Mundlos gezeigt habe, vorgehalten worden. Dazu hat er ausgeführt: „Die Aussage „diese Waffe kann ich schnell besorgen“ war im Herbst bzw. Anfang Winter 2005. Die Realität war 2006 am 1. April, als ich diese Waffe dann auch in der Hand hielt. […] Dann habe ich mich da [Anm: im Schreiben an den Polizeipräsidenten] vertan. Aber es war genau so gewesen. Ich habe diese Waffe angeboten bekommen 2005. […] Darauf hin habe ich aber Kontakt mit jemandem aufgenommen, ob ich dieses Geschäft durchführen soll oder nicht […] 2006 hatte ich die Realität, dass diese Waffe bei mir im Auto war, im Rucksack von einem Uwe, wo ich den Nachnamen nicht wusste. […] Die wurde mir in dieser Nacht für 1000 € angeboten.“2799 (5) Angaben des Zeugen J. Der Zeuge J. wurde am 5. März 2013 auf Anordnung des GBA durch das BKA und am 18. Februar 2016 vom Ausschuss zu den Angaben seiner ehemaligen VP Heidi vernommen.2800 In beiden Vernehmungen schilderte der Zeuge J. den Kontakt zu der VP Heidi und dessen Informationen im Wesentlichen so wie in den Berichten aus den Jahren 2005 bis 2012 niedergelegt. Insbesondere bestätigte er in beiden Vernehmungen, dass die VP Heidi nicht bereits im Herbst 2005, sondern erst im März 2006 erstmalig von einer Person Toni Stadler und dessen Behauptung, Waffen aller Art besorgen zu können, berichtet habe. Außerdem bestritt er den wiederholt vorgebrachten Vorwurf der VP Heidi, sie habe ihm bereits unmittelbar nach dem Treffen von Toni Stadler und Uwe Mundlos und dem Waffenangebot in der Nacht des 1. April 2006 davon berichtet. Er habe diese Information aber nicht an die polizeiliche Sachbearbeitung weitergeleitet.2801 In seiner polizeilichen Vernehmung am 5. März 2013 bekundete er dazu: „Das kann ich so nicht bestätigen. Im Jahr 2006 hat mir [M.] diesen Vorfall nicht geschildert. Die Schilderung eines solchen Vorfalles wäre für mich ja die Möglichkeit gewesen, ein Ermittlungsverfahren gegen Toni Stadler einzuleiten. Es war ja gerade der Auftrag an [M.] so etwas mitzuteilen.“2802 Diese Aussage hat er in seiner Vernehmung vor dem Ausschuss auf die Frage, ob die VP Heidi im Jahre 2006 überhaupt von einer Fahrt zum Bahnhof mit weiteren Personen berichtet habe, wie folgt eingeschränkt: „Ja, das kann durchaus möglich sein, dass er mir erklärt hat, dass er jemanden zu Toni Stadler ins Auto genommen hat oder dass Toni Stadler noch jemanden aufgenommen hat, indem er ihn dahin beordert hat, zum Bahnhof zu fahren. Dem habe ich aber keine 2798 2799 2800 2801 2802 Vernehmung des M. vom 26. März 2013, A62164 S. 276 f. M., nöAPr 16/238 S. 42 f. Vernehmung des J. vom 5. März 2013, A62164 S. 262 ff.; J., nöAPr 16/220. Vernehmung des J. vom 5. März 2013, A62164 S. 262 ff.; J., nöAPr 16/220. Vernehmung des J. vom 5. März 2013, A62164 S. 264. 499 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bedeutung beigemessen, weil Toni Stadler selbst rechtsgerichtet war und er hat sicherlich Kontakt zu anderen Rechten gehabt.“2803 In beiden Vernehmungen hat er indes beteuert, dass die VP Heidi weder im Jahr 2006 noch bei den Vernehmungen im Jahr 2011 Angaben zu einem konkreten Waffenangebot des Zeugen Toni Stadler in der Nacht zum 1. April 2006 gemacht habe.2804 Das Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen J. wegen Strafvereitelung im Amt stellte die StA Dortmund mit Verfügung vom 12. November 2012 mangels Tatnachweises gemäß § 170 Absatz 2 StPO ein.2805 (6) Erkenntnisse zum Zeugen Toni Stadler Nach den Erkenntnissen des BfV war der in Guben / Brandenburg geborene Zeuge Toni Stadler seit den 1990er Jahren in der rechtsextremistischen Szene fest etabliert. In einschlägigen Kreisen machte er sich bald einen Namen als Produzent und Händler rechtsextremistischer Musik.2806 Zudem betrieb er in Guben das Einzelhandelsgeschäft „Top one“, in dem er mit rechtsextremistischen Waren aller Art, vorwiegend CDs, aber auch szenetypischer Kleidung, Postern und entsprechender Literatur, handelte.2807 Seit 1997 geriet er wegen rechtsextremistischer Straftaten mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt und wurde zu Geldstrafen verurteilt.2808 Im Jahr 2002 enttarnte sich der Zeuge Toni Stadler in einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren als VP des Verfassungsschutzes Brandenburg.2809 Bereits wenige Tage nach der Urteilsverkündung in jenem Verfahren berichteten mehrere Medien über seine Tätigkeit als VP.2810 Zu seinem eigenen Schutz verzog Toni Stadler mit Unterstützung des PP Frankfurt / Oder am 1. Februar 2003 auf eigenen Wunsch nach Dortmund.2811 Der ehemalige Leiter der MK Kiosk, der Zeuge Michael Schenk, überprüfte im Rahmen der Ermittlungen zu der Spur 730 die Person des Toni Stadler zunächst in dem im Jahr 2006 erhobenen Datenbestand der BAO Bosporus. (a) Haftdaten Mithilfe der Haftdaten sollten seinerzeit Personen ermittelt werden, die während größerer Pausen zwischen den einzelnen Taten der Mordserie in Haft gesessen hatten und deshalb in dieser Zeit keine weiteren Tathandlungen hatten begehen können. Der Zeuge Toni Stadler war laut einer INPOL-Abfrage noch am 14. Dezember 2011 in der Haftdatei als seit dem 21. Juli 2002 in der JVA Moabit einsitzend aufgeführt. Das für alle Haftnotierungen in Berlin zuständige LKA Berlin hatte die Haftentlassung des Zeugen Toni 2803 2804 2805 2806 2807 2808 2809 2810 2811 500 J., APr 16/220 S. 11. Vernehmung des J. vom 5. März 2013, A62164 S. 264; J., nöAPr 16/220, S. 11. E-Mail der StA Dortmund vom 2. Mai 2013, A21699 S. 155. Bericht des BfV vom 29. Februar 2012, A13327 S. 128 f. (VS-nfD). Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002, A62172 S. 212. Personagramm des Toni Stadler, A62172 S. 209. Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. November 2002, A62172 S. 234, 241. Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. November 2002, A62172 S. 234, 241. Vermerk des PP Frankfurt / Oder vom 10. Februar 2000, A13292 S. 40 (VS-nfD); Mietvertrag, A13292 S. 42 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Stadler im Jahr 2002 offensichtlich infolge einer versehentlich nicht erfolgten Haftentlassungsmitteilung der JVA Moabit nicht im System vermerkt. Wie und zu welchem genauen Zeitpunkt nach dem 14. Dezember 2011 die Löschung der Haftnotierung erfolgte, konnte im LKA Berlin nicht mehr nachvollzogen werden.2812 (b) Funkzellenauswertung Nach den Recherchen der BAO Bosporus war in deren Funkzellengesamtdatenbestand im Jahr 2006 eine Mobilfunkrufnummer mit Toni Stadler als Anschlussinhaber verzeichnet. Unter dieser Nummer waren in einer Funkzelle im Tatortbereich in Dortmund, in dem auch die Wohnung des Toni Stadler lag, mehrere Telefonate zu drei unterschiedlichen Partnernummern in der Zeit vom 2. bis 5. April 2006, also unmittelbar vor und nach der Tatzeit am 4. April 2006, registriert.2813 Während zu einer der drei Partnernummern aus dem Vorwahlgebiet Essen weder 2007 noch 2011 ein Anschlussinhaber festgestellt werden konnte, konnte die zweite Nummer einer weiblichen Person in Essen und die dritte Nummer einer Firma in Geussenheim zugeordnet werden.2814 Gemäß einer Überprüfung durch die BAO Bosporus war der Zeuge Toni Stadler bei der Firma nicht als Kunde registriert. Welcher der über 1.000 Mitarbeiter dieser Firma Kontakt zu dem Zeugen Toni Stadler hatte, ließ sich nicht feststellen.2815 In seiner Vernehmung durch das BKA am 14. Februar 2012 widersprach der Zeuge Toni Stadler diesem Überprüfungsergebnis. Die Firma sei eine Online-Druckerei, bei der er oft und regelmäßig auch derzeit noch Bestellungen aufgebe. Er sei dort registrierter Kunde unter seinen bekannten Personalien.2816 Der Name der weiblichen Person in Essen war ihm nach eigenem Bekunden unbekannt. Polizeiliche Ermittlungen zu dieser Person ergaben, dass sie 1958 in Essen geboren worden war, verheiratet war und seit 2010 in Duisburg lebte. Weitere Erkenntnisse zu ihr lagen nicht vor.2817 Die von der Polizei nicht zuzuordnende Rufnummer war in dem Handy des Zeugen Toni Stadler unter dem Namen eines A. L. gespeichert. Nach eigenen Angaben hatte Toni Stadler von dieser Person irgendwann zwei Laptops gekauft, seitdem aber keinen weiteren Kontakt zu ihr unterhalten.2818 (c) Erkenntnisse zu Kontaktgruppen und Kontaktpersonen des Stadler Die BAO Trio unterzog im Dezember 2011 alle in der Spur 730 genannten Kontaktpersonen des Zeugen Toni Stadler einer dateimäßigen Überprüfung. Im Einzelnen ergaben sich mehr als 80 Namen von Kontaktpersonen aus einem TKÜ-Auswertungsbericht des LKA Brandenburg sowie einem Urteil des Landgerichts Berlin und der Funkzellendatenabfrage der MK Kiosk. Keine der in sämtlichen polizeilichen Dateien abgefragten Personen wies belegbare Bezüge zu dem NSU-Trio und dessen Umfeld auf.2819 2812 2813 2814 2815 2816 2817 2818 2819 Schriftverkehr zwischen dem LKA NRW und dem LKA Berlin vom 22. und 28. Februar 2012, A13289, S. 341 ff. (VS-nfD). Vermerk der BAO Bosporus vom 25. November 2011, A6217, S. 195 ff. Vermerk der MK Kiosk vom 1. Dezember 2011, A13292 S. 193 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 29. Februar 2012, A13292 S. 295 (VS-nfD). Vernehmung des Toni Stadler vom 14. Februar 2012, A62163 S. 431 ff. E-Mail des LKA NRW vom 13. Dezember 2011, A13075 S. 10 (VS-nfD). Vernehmung des Toni Stadler vom 14. Februar 2012, A62163 S. 437. Vermerk des BKA vom 12. Dezember 2011, A62172 S. 160 ff., 179. 501 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zusätzlich zu den in der Spur 730 genannten Kontaktpersonen ergaben sich aus anderen dem Ausschuss zur Verfügung stehenden Unterlagen Anhaltspunkte für Kontakte des Zeugen Toni Stadler bis zum Jahr 2002 zu Gruppen und Personen in den ostdeutschen Bundesländern, die ihrerseits Bezüge zum NSU-Trio und nach NRW aufwiesen: Das als Teil des militanten Neonazismus bekannte Netzwerk „Blood & Honour“ hatte weitreichende nationale und internationale Kontakte. Die Organisatoren der von „Blood & Honour“ veranstalteten Konzerte waren teilweise eng mit der Dortmunder Neonaziszene verbunden. Das NSU-Trio hatte intensive Kontakte zu „Blood & Honour“. Der Anführer der Sektion Sachsen war Jan Werner, ein enger Verbündeter des NSU-Trios und u. a mit der Beschaffung von Schusswaffen beauftragt. Sein Stellvertreter war Thomas Starke, ein enger Freund des NSU-Trios und zeitweise Partner von Beate Zschäpe. Er lebte von 1998 bis 2000 aus beruflichen Gründen in Dortmund, hielt aber weiterhin den Kontakt zu der Chemnitzer „Blood & Honour“-Szene.2820 In einer SMS aus seiner Zeit in Dortmund von ihm an eine Person in Chemnitz hieß es: „Bin gestern Nachmittag mal hier ein Stück gelaufen, nur Türken, da fällt dir nichts mehr ein." Als Antwort erhielt er folgende SMS: „Isses so schlimm mit den Kanaken? Da weiß man ja, wo nächstes Mal aufgeräumt werden muss.“2821 In einem Schreiben des Verfassungsschutzes Brandenburg vom 18. September 2002 heißt es, dass der Zeuge Toni Stadler nach eigenen Angaben umfangreiche enge Kontakte zu Angehörigen der zwischenzeitlich verbotenen „Blood & Honour Division Deutschland“ unterhalte.2822 Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Toni Stadler allerdings bestritten, jemals zu irgendeinem Mitglied des „Blood & Honour“-Netzwerkes Kontakt gehabt zu haben und hat weiter wörtlich dazu angegeben: „Auf Konzerten hat man die getroffen und wusste dann: ah, derjenige ist ja B&H. Klar. Aber ich habe selber noch nicht mal eine Telefonnummer von irgendeinem B&H - Mitglied im Telefon gehabt oder sowas. Hatte ich nicht. Gab es nicht.“2823 Auf den Vorhalt, dass er selbst ausweislich seiner handschriftlichen Aufzeichnungen aus dem Jahr 20022824 z. B. eine von „Blood & Honour“ Brandenburg ausgehende Gefahr für sich gesehen habe, hat er entgegnet: „Wenn so ein Super-Gau passiert, dass irgend einer da auffliegt, dann ist man ja nicht nur gefährdet von Leuten, die man jetzt direkt kennt oder mit denen man persönlich Kon- 2820 2821 2822 2823 2824 502 Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 207. Ausdruck der SMS, A12494 S. 356. Sachstandsbericht des PP Dortmund vom 13. Februar 2012, A13330 S. 145 f. (VS-nfD). Stadler, APr 16/1263 S. 35. Handschriftliche Aufzeichnung, A13292 S. 331 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 takt hatte. Das zieht ja auch größere Kreise. Wahrscheinlich wurde das deswegen damals in diese Liste mit aufgenommen; keine Ahnung.“2825 In seiner Vernehmung durch das BKA am 14. Februar 2012 gab Toni Stadler auf die Frage zu Kontakten nach Sachsen an, in Sachsen habe er nur zu tun gehabt. Dazu, was er dort genau gemacht habe, möchte und bräuchte er keine Angaben zu machen. Das sei längst abgeschlossen.2826 Im Ausschuss hat erauf dieselbe Frage geantwortet: „Sachsen ist ja nun ein Nachbarbundesland gewesen. Da ist man natürlich logischerweise auch öfter da als irgendwo anders, fast jedes… also temporär, immer nur temporär. Ich habe dort nie gewohnt, nie genächtigt, nie eine Beziehung gehabt. Man hatte dort an den Wochenenden zu tun. Man hat geschäftlich mit so vielen Leuten zu tun gehabt. Wenn Sie das so brennend interessiert, dann setze ich mich hin, mache Zuhause eine Liste fertig und faxe die ihnen zu. Da sind dann ungefähr 100 Namen drauf.“ 2827 Auf entsprechendes Insistieren hat er lediglich den Namen des Mirko Hesse genannt, dem er viele Musikproduktionen abgekauft habe.2828 Mirko Hesse zählte zu den von der BAO Trio mit negativem Ergebnis überprüften Kontaktpersonen.2829 Zu dem Anführer der „Blood & Honour“-Sektion Sachsen, Jan Werner, hat er angegeben, diesen habe er lediglich einmal aus der Entfernung gesehen, als Mirko Hesse sich mit dem unterhalten habe. Den ebenfalls zu der Führungsriege zählenden Thomas Starke kenne er nicht. Er habe ihn nie persönlich getroffen, gesprochen oder gesehen.2830 Gegenüber dem Poilzeilichen Staatsschutz des PP Nordhausen / Thüringen gab der Zeuge Toni Stadler am 15. November 2002 an, gute Kontakte nach Thüringen, insbesondere nach Erfurt / Weimar zu haben. Er besitze noch andere Kontakte nach Thüringen, die er aber noch nicht benennen wolle.2831 Den Namen G. hat der Zeuge Toni Stadler vor dem Ausschuss als geschäftliche Kontaktperson in Weimar benannt. In Erfurt dagegen sei ihm kein Kontakt bekannt. Welche anderen Kontakte er in Thüringen seinerzeit gemeint habe, wisse er nicht.2832 Einem Vermerk des BKA ist zu entnehmen, dass einem Vermerk der Polizei in Cottbus zu entnehmen sei, dass der Zeuge Toni Stadler am 29. November 2002 angab, sich unter anderem von „Heise, wohnhaft in Thüringen“, bedroht zu fühlen.2833 Ausweislich eines weiteren Gesprächsvermerks des PP Frankfurt / Oder vom selben Tag gab der Zeuge Toni Stadler an, von Heise, der ihm persönlich bekannt sei, gehe eine konkrete Gefahr für ihn aus. Er betreibe einen Versandhandel und habe mit ihm in direkten Geschäftsbeziehungen gestanden.2834 2825 2826 2827 2828 2829 2830 2831 2832 2833 2834 Stadler, APr. 16/1263 S. 54. Vernehmung des Toni Stadler vom 14. Februar 2012, A62163 S. 432. Stadler, APr 16/1263 S. 30 f. Stadler, APr 16/1263 S. 30 f. Vermerk des BKA vom 12. Dezember 2011, A62172 S. 161. Stadler, APr 16/1263 S. 49, 71. Vermerk des PP Nordhausen vom 15. November 2002, A82335 S. 6 f. (VS-nfD). Stadler, APr 16/1263 S. 32 f. Vermerk des BKA vom 29. Februar 2012, A13292 S. 290 (VS-nfD). Gesprächsvermerk vom 29. November 2002, A13292 S. 342 (VS-nfD). 503 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Thorsten Heise galt schon sehr früh in den 1990er Jahren als Leitfigur der rechten Szene mit überregionalen und internationalen Kontakten, u. a. zu den englischen Vertretern von „Blood & Honour“. Er gehörte der Kameradschaftsszene in Thüringen an und stand nach den Informationen des Verfassungsschutzes Thüringen in den Jahren 1999 / 2000 zumindest mittelbar in Kontakt zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.2835 Im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung durch das BKA am 14. Februar 2012 erkannte der Zeuge Toni Stadler auf einem der ihm vorgelegten Lichtbilder Thorsten Heise und gab dazu an, zu Thorsten Heise um das Jahr 2000 herum ausschließlich telefonischen Kontakt im Zusammenhang mit dem Handel und Verkauf von Tonträgern gehabt zu haben. Thorsten Heise sei in der rechten Szene allgemein sehr bekannt. Zu sehr möchte er zu dieser Person nicht ins Detail gehen.2836 Auf diese Widersprüche zwischen seinen Aussagen aus den Jahren 2002 und 2012 im Ausschuss hingewiesen, hat er seine Angabe aus seiner polizeilichen Vernehmung bestätigt, dass er mit Thorsten Heise lediglich „öfter mal“ telefoniert habe, ihn aber nie persönlich gesehen habe.2837 In der oben erwähnten polizeilichen Vernehmung wurden Stadler 18 Lichtbilder von Personen aus dem Umfeld des NSU-Trio vorgelegt. Neben Thorsten Heise erkannte er darauf einzig Tino Brandt als ihm bekannte Person.2838 Tino Brandt, VP des Verfassungsschutz Thüringen und Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“, stand zumindest bis zu dessen Untertauchen in Kontakt zu dem NSU-Trio.2839 Zum Kennverhältnis zu Tino Brandt hat der Zeuge Toni Stadler erklärt, diese Person sei ja allgemein bekannt gewesen. Er sei der Meinung, einmal auf einem Konzert neben ihm gestanden zu haben. Er habe sich aber nie mit ihm unterhalten oder von ihm eine Telefonnummer gehabt oder geschäftlich mit ihm zu tun gehabt.2840 Zu Kontakten zum „Thüringer Heimatschutz“ als solchem hat er angegeben: „Bekannter Name, sagt einem natürlich was, kannte man, war in der Szene bekannt: Heimatschutz, uh! Aber ich habe da nie irgendwelche Leute gekannt oder habe die auch nicht besucht oder hatte mit denen keine geschäftlichen Beziehungen gehabt.“2841 Das PP Dortmund teilte den Zuzug des Zeugen Toni Stadler am 24. Februar 2003 dem IM NRW mit und erhob Bedenken gegen dessen Zuzug nach Dortmund insbesondere deshalb, weil dort Marco Gottschalk, der Bandleader der aktiven Skin-Band „Oidoxie“ ansässig sei und der Zeuge Toni Stadler Erkenntnisse im Hinblick auf den Vertrieb von Musik-CDs der rechten Szene habe.2842 Offensichtlich mit Blick auf diese Bedenken wurde der Zeuge Toni Stadler nach seinem Zuzug kurzzeitig durch den Verfassungsschutz NRW observiert.2843 2835 2836 2837 2838 2839 2840 2841 2842 2843 504 Vermerk des BKA vom 20. Januar 2011, A13293, S. 206, 216, 218 (VS-nfD). Vernehmung des Toni Stadler vom 14. Februar 2012, A62163 S. 431 ff. Stadler, APr 16/1263 S. 83 f. Vernehmung des Toni Stadler vom 14. Februar 2012, A62163 S. 431 ff. Gutachten Schäferkommission, A91889 S. 43. Stadler, APr 16/1263 S. 84 f. Stadler, APr 16/1263 S. 40. Undatierter Vermerk des PP Dortmund, A10392 S. 154. Schreiben des LKA NRW vom 21. Februar 2012, A13293 S. 99 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Vor dem Hintergrund einer möglichen Gefährdung der Person des Zeugen Toni Stadler versuchte allerdings ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW im September 2003 Kontakt zu ihm aufzunehmen.2844 Wie von dem Zeugen Toni Stadler selbst bestätigt, hat tatsächlich ein Kontakt zwischen ihm und dem Verfassungsschutz NRW aber nie stattgefunden.2845 Im November 2003 gelangte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund in Übereinstimmung mit der Bewertung des PP Frankfurt / Oder zu dem Ergebnis, dass Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Zeugen Toni Stadler in Dortmund nicht gegeben seien. Der Leiter des Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund, der Zeuge Jörg Lukat, hat angegeben, der Zeuge Toni Stadler sei - wie von ihm selbst in seiner Vernehmung bestätigt -2846, vom Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund nicht betreut worden.2847 Nach den zu der damaligen Zeit bestehenden Erkenntnissen zu der rechtsextremistischen Szene in Dortmund lagen beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zeuge Toni Stadler Kontakte zu vorgenannter Szene hatte oder an Szenetreffpunkten verkehrte.2848 Nach Auskunft des BfV vom 29. Februar 2012 fielen auch dort ab dem Jahr 2003 relevante Erkenntnisse zu Toni Stadler nicht mehr an.2849 Der Ausschuss hat durch intensive Befragung des Zeugen Toni Stadler herauszufinden versucht, inwieweit er in Dortmund - von den Sicherheitsbehörden unbeobachtet - doch Kontakte in die rechtsextremistische Szene hatte. Das ist dem Ausschuss nicht gelungen. Zunächst befragt, warum er gerade die Stadt Dortmund als neuen Wohnsitz ausgewählt habe, hat der Zeuge Stadler angegeben, das habe „private, berufliche, logistische Gründe“ gehabt und dazu ausgeführt: „Naja. Ich hatte vorher ein paar Telefonate geführt. Es waren auch private Gründe. […] Es liegt doch wohl auch nahe, dass es, wenn ich in einer Stadt niemanden aus der Szene kenne und auch beruflich, geschäftlich nie zu tun gehabt habe mit irgendwelchen Leuten, für mich, sage ich mal, angenehmer ist, mit der U-Bahn zu fahren oder über die Straße zu gehen, als zum Beispiel in Dresden oder in Berlin oder in Norddeutschland oder in Süddeutschland, wo ich weiß, dass mir der und der in der Stadt begegnen könnte, wenn ich ganz genau weiß: in Dortmund begegnet mir mit Sicherheit keiner, der mich kennt - bis heute zumindest. Ich habe auch nichts dagegen, wenn das so bleibt.“ Die Frage, ob die privaten Gründe private Bekanntschaften in Dortmund gewesen seien, hat er verneint. Er habe in Dortmund keine privaten Bekanntschaften gehabt. Weitergehend hat er in seiner Vernehmung die privaten Gründe wie folgt erklärt: „Ich wollte mich auch weiterbilden. Ich hatte da eine Stelle gehabt, wo ich mich dann auch weiterbilden konnte. Ich habe ein berufliches Angebot von einem Kollegen in Essen gehabt, wo ich dann mal eine Zeit lang gearbeitet habe, und so. Das waren mehrere Sachen, die dann halt zusammen kommen und die sich dann ergeben.“ 2844 2845 2846 2847 2848 2849 Vermerk des PP Frankfurt / Oder vom 15. September 2003, A82328 S. 9 (VS-nfD); Stadler, APr 16/1263 S. 37. Stadler, APr 16/1263 S. 37. Stadler, APr 16/1263 S. 85. Lukat, APr 16/1154 S. 71. Vermerk des PP Dortmund vom 1. Dezember 2011, A13289 S. 83 (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 29. Februar 2012, A13327 S. 129 (VS-nfD). 505 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auf spätere erneute Nachfrage fügte er hinzu: „Es hatte auch noch andere Gründe; ich will da auch gar nicht drüber reden. Es hatte auch private Gründe, engere Beziehungsoptionen, über die ich jetzt hier nicht zu reden brauche und werde“.2850 In seiner Vernehmung durch das BKA am 14. Februar 2012 gab der Zeuge Toni Stadler auf Frage an, er habe im Bereich Dortmund keine persönlichen Kontakte mehr zur rechten Szene. Er habe früher in NRW mal Kontakte gehabt, heute nicht mehr. Aufgrund seiner damaligen Tätigkeit im Bereich der Musik habe er natürlich auch Kontakte zu Bands aus Dortmund und Umgebung gehabt. Nähere Angaben dazu halte er für irrelevant.2851 Auf Nachfrage, um welche Kontakte es sich dabei gehandelt habe, hat der Zeuge Toni Stadler widerwillig Bands wie „Notwehr“, „Sturmwehr“ und „Landsturm“ benannt. Mitglieder dieser Bands seien ihm namentlich nicht bekannt. In Dortmund sei ihm keine Band bekannt gewesen. Konkret auf die Band „Oidoxie“ angesprochen, hat er geantwortete: „Der Name war mir bekannt, richtig. Das ist eine Rechtsrockband aus NRW. Aber ich habe selber weder die Leute, die dahinter standen, gekannt, noch habe ich irgendwo Ahnung gehabt, wie da der Vertrieb abläuft. Wo die ihre Sachen pressen lassen, herstellen lassen, wie da die Händlerstrukturen sind, hatte ich keine Ahnung. Ich kann das immer wieder unterstreichen. Ich habe keinen Grund, hier jemanden zu decken oder zu lügen oder die Unwahrheit zu sagen. Ich habe auch keine Erinnerungslücken oder so. Ich will damit nur meine Glaubwürdigkeit unterstreichen. Es gibt keinen Grund, jemanden zu decken oder was zu verbergen. Wenn ich Ihnen sage: „ich kannte die Band nicht“ dann ist das definitiv so; denn ich habe da nicht… Es hätte natürlich sein können, dass ich die früher gekannt hätte oder Kontakte gehabt hätte. Dann würde ich Ihnen sagen: „Ja, 2000 hatte ich die mal besucht“ oder „ich hatte die mal getroffen“ oder so. Dann würde ich das sagen. Ist so.“2852 Zu dem Gründer und Sänger der Band „Oidoxie“ Marco Gottschalk hat er angegeben: „Name ist auch bekannt, aber ich habe ihn persönlich nie getroffen, nie gesprochen, persönlich nie kennengelernt.“ Die gleiche stereotype Antwort gab er zu den Mitgliedern der „Oidoxie Streetfighting Crew“, den Zeugen Sebastian Seemann und Robin Schmiemann und weiteren bekannten Namen der rechtsextremistischen Szene in Dortmund wie Siegfried Borchardt.2853 (d) verdeckte Ermittlungmaßnahmen Um nachträglich Erkenntnisse über die Verbindungen des Zeugen Toni Stadler zur rechtsextremistischen Szene in Dortmund und möglicherweise auch zu Kontakten zu dem NSUTrio und deren Umfeld zu erlangen, regte die MK Kiosk über die BAO Trio am 5. Dezember 2011 beim GBA an, beim Ermittlungsrichter des BGH Beschlüsse zur Telefonüberwachung und zur Übermittlung retrograder Verbindungsdaten der aktuellen Telefonanschlüsse des Zeugen Toni Stadler zu erwirken.2854 2850 2851 2852 2853 2854 506 Stadler, APr 16/1263 S. 25 f., 36, 57. Vernehmung des Toni Stadler vom 14. Februar 2012, A62163 S. 432. Stadler, APr 16/1263 S. 23. Stadler, APr 16/1263 S. 28 f., 39 f. Vermerk des PP Dortmund vom 3. Dezember 2011, A62172 S. 275. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die BAO Trio leitete diese Anregung der MK Kiosk am 13. Dezmeber 2011 mit folgendem Votum an den GBA zur Entscheidung weiter: „Die Qualität der Quelle des PP Dortmund kann von hiesiger Seite nicht beurteilt werden. Eine Klassifizierung der Aussage nach der einschlägigen, und im BKA im VP-Bereich genutzten, 4x4-Methodik wurde nicht vorgenommen. Gleichwohl erscheint es nach normalem menschlichen Ermessen schwierig, eine Person, die man nur bei einer Gelegenheit (die über fünf Jahre zurückliegt) gesehen hat, mit absoluter Verlässlichkeit wieder zu erkennen. Dieser Umstand wird zudem noch verstärkt, wenn die Identifizierung auf Grundlage eines alten Schwarz-Weiß-Passfotos erfolgt ist. Da […] a) bisher keine Bezüge zu dem in der BAO TRIO relevanten Personenkreis nachweisbar sind b) und sich die im Vorgang thematisierten Funkzellentreffer […] mit der Wohnanschrift des Stadler, die sich ebenfalls in Tatortnähe im städtischen Bereich von Dortmund befindet, erklären lässt c) und das tatsächliche Wiedererkennen des Mundlos durch die V-Person des PP Dortmund zumindest fraglich erscheint wird der Hinweis auf Toni Stadler zum aktuellen Zeitpunkt durch den UA Zentrale Ermittlungen des BKA nicht als priorisiert angesehen. […]“2855 Der GBA lehnte nachfolgend die Beantragung von TKÜ-Beschlüssen gegen den Zeugen Toni Stadler mit folgender Begründung ab: „Eine Telefonüberwachung des Stadler kommt derzeit nicht in Betracht. Gegen Stadler besteht kein Anfangsverdacht, an dem Mord zum Nachteil Kubaşık beteiligt gewesen zu sein (§ 100a Abs.1 Nr. 1 StPO). Dass er als Nachrichtenmittler gem. § 100a Abs. 3 StPO in Betracht kommt, ist aufgrund bestimmter Tatsachen nicht ersichtlich.“2856 Der PP Dortmund ordnete daraufhin am 16. Dezember 2011 gemäß § 16a Absatz 1 Nummer 2 und § 17 Absatz 1 Nummer 2 PolG NRW eine längerfristige Observation des Stadler zum Zwecke der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung an.2857 Aus den für den Zeitraum vom 16. Dezember 2011 bis 13. Februar 2012 durchgeführten Observationsmaßnahmen wurden keine relevanten Erkenntnisse gewonnen. Der Zeuge Toni Stadler hielt sich überwiegend in seiner Wohnung auf und verließ diese lediglich vereinzelt für Einkäufe und andere Besorgungen. Es konnte lediglich ein persönlicher Kontakt zwischen dem Zeugen Toni Stadler und einer im Nachhinein identifizierten Person festgestellt werden. Die Person wurde abgeklärt und erbrachte keine tatrelevanten Erkenntnisse.2858 (e) Angaben des Toni Stadler im Zusammenhang mit dem Hinweis der „VP Heidi“ In seinen Vernehmungen durch die MK Kiosk ebenso wie in seiner Vernehmung vor dem Ausschuss bestritt der Zeuge Toni Stadler energisch, jemals Kontakte zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe gehabt zu haben. Auf die ausdrückliche Frage, ob er eine der drei Personen gekannt habe, hat er geantwortet: 2855 2856 2857 2858 Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A62172 S. 157. Verfügung des GBA vom 13. Dezember 2011, A62172 S. 152. Anordnung des PP Dortmund vom 5. Dezember 2011, A62172 S. 6. Observationsbilder und -berichte, A62172 S. 10 - 148. 507 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Nein, nein. Hätte ja durchaus sein können, dass man da früher mal irgendwie was gehört hat oder sogar persönlichen Kontakt gehabt hätte irgendwann in den neunziger Jahren oder so. Da würde ich mich schon dran erinnern. Dann hätte ich auch schon an ganz anderer Stelle darüber gesprochen und hätte mich da gemeldet und so. Es gibt wirklich nichts. Alleine schon aus Eigenschutzgründen hätte ich darüber gesprochen.“2859 Er hat bestätigt, ab etwa 2003 des Öfteren von dem Zeugen M. gefahren worden zu sein. Mit dem Hinweis des Zeugen M. konfrontiert, nach dem er am frühen Abend des 1. April 2006 einen Mann und eine Frau am Hauptbahnhof Dortmund abgeholt habe, gab der Zeuge Toni Stadler in beiden Vernehmungen an, er sei sich sicher, dass er weder an diesem noch an einem anderen Tag einen Mann und eine Frau vom Bahnhof abgeholt habe. Eine gegenteilige Behauptung sei gelogen. Er habe sich auch nie mit einem männlichen Begleiter in der Kneipe „Deutscher Hof“ aufgehalten. Er kenne diese Gaststätte ebenso wenig wie ein Bordell namens „Gurke“, das er nach Angaben des Zeugen M. ebenfalls mit diesem Mann besucht haben solle.2860 Auf das angebliche Waffenangebot angesprochen, hat er erklärt: „Ich sage es mal so: wenn es einen nicht selber betreffen würde und die ganze Sache insgesamt nicht so einen traurigen Hintergrund hätte, könnte man sich eigentlich kranklachen über diesen Schwachsinn. Das ist totaler, absurder Quatsch. Es gibt ja Leute, die wirklich zur Aufklärung beitragen wollen, irgendwas gesehen haben oder vielleicht ein bisschen übertreiben oder vielleicht etwas verwechseln. Aber das ist bei dem nicht so. Das ist eine komplett erfundene Abenteuerstory.“2861 Warum der Zeuge M. einen solchen Sachverhalt erfunden habe, könne er sich nur damit erklären, dass er sich wichtig machen und in Anerkennung baden wolle. Die Frage, ob er den Kiosk des Mehmet Kubaşık und / oder den Inhaber selbst gekannt hat, hat er mit folgenden Worten verneint: „Ich war auch selber nie dort in diesem Verkaufsgeschäft, das er da hatte, gewesen. […] Ich kenne ihn persönlich nicht, habe ihn nie kennengelernt, auch nicht indirekt, dass ich jetzt jemand anderen kannte, der ihn kennt. Ich bin auch nie bei ihm im Laden gewesennichts. War mir eine völlig unbekannte Person.“2862 (f) Kritische Würdigung Insgesamt haben die polizeilichen Ermittlungen ebenso wie die Arbeit des Ausschusses keine belastbaren Erkenntnisse erbracht, die den Hinweis der VP „Heidi“ hätten bestätigen können. Außer ihrer Aussage haben sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Uwe Mundlos sich im Vorfeld des Mordes an Mehmet Kubaşık bereits ab dem 1. April 2006 in Dortmund aufgehalten hat. Uwe Böhnhardt hatte unter Verwendung der Aliaspersonalien des Holger Gerlach für die Zeit vom 3. bis 7. April 2006 ein Wohnmobil der Firma „Caravanbetrieb Horn“ angemietet.2863 An2859 2860 2861 2862 2863 508 Stadler, APr 16/1263 S. 69 Vernehmung des Toni Stadler vom 14. Februar 2012,A62158 S. 131; Stadler, APr 16/1263 S. 66 f. Stadler, APr 16/1263 S. 69. Stadler, APr 16/1263 S. 19. Bericht des BKA vom 21. August 2012, A62156 S. 196, 248 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 haltspunkte dafür, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu unterschiedlichen Zeiten nach Dortmund angereist sind, haben sich nicht ergeben. Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Erkenntnisse der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden kann weder eine Einbindung des Toni Stadler in die rechtsextremistische Szene in Dortmund noch ein Kontakt zu Tätern oder Unterstützern des NSU-Trio belegt werden. 6. Umgang mit den Opfern Die Angehörigen des Mehmet Kubaşık haben durch dessen Ermordung unfassbares Leid erfahren. Sie hatten nicht nur den Verlust ihres Ehemannes und Vaters zu beklagen. Umfangreiche Ermittlungen in ihrer Familie und ihrem persönlichen Umfeld bei Nachbarn, Verwandten und Freunden führten zudem dazu, dass sie sich mehr als Täter denn als Opfer und von den Ermittlungsbehörden kriminalisiert und stigmatisiert fühlten. Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, inwieweit die Strafverfolgungsbehörden der Familie Kubaşık durch ihren Umgang mit ihr Leid zugefügt haben, das vermeidbar gewesen wäre. a. Nach dem Tatgeschehen aa. Ermittlungsarbeit In der freien Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ ist zu den Ermittlungen nach dem Mord an Mehmet Kubaşık zu lesen: „Einen Tag nach dem Tod Kubaşık`s begannen die Befragungen seiner Angehörigen, da die Ermittlungsbehörden irrtümlich davon ausgingen, dass die Ceska-Serie eng mit dem familiären Hintergrund der Opfer zusammenhing. Witwe und Kinder wurden getrennt voneinander nach vermeintlichen Drogengeschäften, Mafia- und PKK - Kontakten des Vaters befragt und lange selbst der Tat verdächtigt. Da der Verdacht gegen Mehmet Kubaşık bald öffentlich bekannt wurde, wurde die Familie daraufhin über Jahre stigmatisiert.“2864 Den Eindruck, dass die Polizei die Täter im familiären Umfeld des Opfers vermutete und deshalb in diesem Bereich unmittelbar nach der Tat intensive Ermittlungen durchführte, gewannen offenbar auch die Angehörigen des Mehmet Kubaşık. Die Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık kritisierten, dass die Polizei sie in ihren Vernehmungen immer wieder zu ihrem familiären Umfeld, zu ihrer finanziellen Situation und insbesondere zu der Person und den Lebensgewohnheiten ihres Ehemannes bzw. Vaters befragt habe. Gamze Kubaşık hat zum Ablauf ihrer zweiten Vernehmung angegeben: „Das fing dann auch ganz schnell an mit: ob mein Vater Feinde hatte, ob ich was davon weiß, ob ich weiß, dass mein Vater was kriminelles gemacht hat, ob mein Vater Gelder zu irgendwelchen türkischen Banken transportiert hat. Dann wurde ich gefragt, ob ich die PKK kenne und ob ich auch weiß, dass mein Vater darin verwickelt ist. Dann wurde ich über die Mafia gefragt, und mir wurden ein paar Namen genannt. Ich kann mich heute nicht erinnern, wie die hießen. Ich wurde ganz vieles gefragt. Mir wurde gesagt, dass da wohl eine Frau ist, die wohl was mit meinem Vater zu tun hat. Ich würde sagen, an dem Tag war das so für mich - ja, wie soll ich das erklären - das Schlimmste. […] Man hat mir so vieles reingeredet an dem Tag. Wenn ich gesagt habe: „Nein, das ist nicht mein Vater; mein Vater hatte - zum Beispiel - keine Freundin“ dann sitzt da ja ein Polizist vor dir 2864 Beitrag „Mehmet Kubasik“ auf wikipedia, A95399. 509 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ich meine, du vertraust dem dann ja auch - und sagt „da gibt es einen ganz guten Kollegen von deinem Vater, der bezeugt aber, dass da jemand war. - Dann hat man aber auch keine andere Wahl als ihm zu glauben. […] Egal was ich gesagt habe, ich hatte sowieso den Eindruck, dass man mir nicht geglaubt hat.“2865 Dass die polizeilichen Ermittlungen ihren Ausgang im familiären Umfeld des Opfers nahmen, war nach Aussage der ermittelnden Kriminalbeamten und Kriminalbeamtinnen im Ausschuss unabdingbar. Die Ermittlungen begannen nicht deshalb mit der Aufhellung des Opferhintergrundes, weil die Strafverfolgungsbehörden in dem Umfeld des Opfers den Täter vermuteten. Wie bei jedem anderen Kapitaldelikt hatten sie Standard gemäß zunächst zielgerichtete Ermittlungen zum Opfer zu tätigen, um eine Vorstellung von dessen Persönlichkeit und Lebensweise zu gewinnen. Der Zeuge Gricksch hat dazu ausgeführt: „Üblich ist die Vorgehensweise, dass man natürlich im engsten Umfeld des Opfers - weil die meisten Tötungsdelikte Beziehungstaten sind - dass man von da aus ermittelt, um eben eine Motivlage zu kriegen.“2866 Auch die Zeugen Barabara Lichtenfeld und Michael Schenk haben bestätigt, dass in Mordfällen grundsätzlich zunächst das Opferumfeld abzuklären ist, um Ermittlungsansätze in Richtung des Tätermotivs zu erlangen.2867 Im konkreten Fall hätten dazu, nach den Vorgaben und den Erfahrungen der BAO Bosporus in den vorangegangenen Fällen der Ceska-Mordserie, auch Finanz- und Drogenermittlungen gehört. Letztere seien zusätzlich wegen des Hinweises, dass der Vorbesitzer des Kiosk Kontakt zu Drogen gehabt habe, geboten gewesen.2868 Der von der Zeugin Gamze Kubaşık wiedergegebene Ablauf ihrer polizeilichen Vernehmung findet in der Form in den Akten keine Stütze. Ausweislich der Niederschrift über ihre zweite Vernehmung stellte der Zeuge Michael Schenk ihr zwar jeweils eine kurze Frage zu den von ihr genannten Lebensumständen ihres Vaters wie z. B. „Gab es da eine Geliebte und damit Probleme in der Ehe?“ oder „Hat ihr Vater Rauschgift oder Hehlerware verkauft oder Geld geliehen oder verliehen?“. Auf ihre jeweils verneinende Antwort oder mit Nichtwissen beantwortete Frage erfolgten zu keinem Punkt weitere Nachfragen, so das Anhaltspunkte dafür, dass ihre Glaubwürdigkeit angezweifelt worden wäre, sich aus der Vernehmungsniederschrift nicht ergeben.2869 Allerdings handelt es sich bei der Vernehmungsniederschrift nicht um ein Wortprotokoll. Soweit Gamze Kubaşık im Ausschuss zum Ausdruck gebracht hat, Art und Inhalt der Vernehmungen als befremdlich oder gar demütigend empfunden zu haben2870, hat die Zeugin Barbara Lichtenfeld darauf hingewiesen, dass versucht worden ist, den Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık den Sinn auch unangenehmer, im Rahmen von Mordermittlungen aber zwingend notwendiger Fragen zu verdeutlichen. Sie hat dazu ausgeführt: „Das ist ja dann nicht nur eine Vernehmung, die gemacht wird. Es gab ja dann im Laufe der Zeit immer mal wieder Nachfragen. Dann muss man auch immer wieder mal anrufen, weil ja bei uns auch immer wieder neue Erkenntnisse reinkommen, die man auch wieder abklären muss. Und da ist immer erklärt worden, warum und wieso die Polizei jetzt halt schon wieder vor der Tür steht und wieder neue Fragen hat. […] 2865 2866 2867 2868 2869 2870 510 Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 23. Gricksch, APr 16/1154 S. 100. Schenk, APr 16/1142 S. 7 f. Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 76 f. Vernehmung der Gamze Kubaşık vom 25. April 2006, A60745 S. 156. Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 23. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dass das vielleicht vom Gefühl her so rüber gekommen ist, […] dass wir, die ermittelnden Beamten, natürlich auch unangenehme Fragen stellen müssen, und dass dann vielleicht auch im Nachhinein aufgefasst wird, als würde man jetzt gegen die Leute selbst ermitteln. Und dass die dann meinen… Also dass das vielleicht falsch verstanden wird. Aber die Fragen müssen wir natürlich nun mal stellen.“2871 Die Zeugin Gülay Köppen als türkisch sprechende Kriminalbeamtin fungierte von Beginn der polizeilichen Ermittlungen an - auch jenseits konkreter Ermittlungsmaßnahmen - als Ansprechpartnerin für die Familie Kubaşık. Sie führte zwei der drei förmlichen Vernehmungen der Zeugin Elif Kubaşık durch und suchte die Zeugin zu Hause auf, soweit im Rahmen konkreter Hinweisbearbeitungen deren Befragung erforderlich wurde. In diesem Zusammenhang hat sie bekundet: „Ich kann so für mich sagen, dass ich schon sehr sehr sensibel mit Frau Kubaşık auch umgegangen bin, wenn gerade auch so diese Hinweise bezüglich ihres verstorbenen Mannes gekommen sind. Ich kann mich zum Beispiel dran erinnern, dass auch ein Hinweis kam, dass er angeblich eine Geliebte gehabt haben soll, was für uns auch eindeutig war, dass das nicht so ist, aber dass wir das halt letztendlich für die Akte auch klären mussten. Und ich habe das auch immer im Vorfeld schon gesagt: es tut mir leid, aber wir müssen dich dazu befragen, und ich weiß, dass es nicht so ist, aber trotzdem muss diese Frage gestellt werden.- Und ich hoffte eben, dass es ihr nicht weh tut, weil ich merkte halt, dass sie auch dadurch immer verletzt war, wenn solche Sachen kamen.“2872 Nach Auskunft des Zeugen Michael Schenk setzte er selbst die Zeuginnen Kubaşık nach Ermittlungsmaßnahmen in deren Umfeld jeweils von dem Ergebnis in Kenntnis, um ihnen die Gewissheit von der Unbescholtenheit ihres Ehemannes und Vaters zu verschaffen.2873 Die Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık haben gleichermaßen die Auffassung vertreten, die Polizei trage aufgrund der Art ihrer Drogenermittlungen, insbesondere der Durchsuchung ihrer Wohnräume und der Befragungen in der Nachbarschaft die Verantwortung für die daraus resultierenden Gerüchte, dass sie - die Familie Kubaşık - in kriminelle Machenschaften verstrickt sei.2874 Auf die Frage, ob die Ermittlungen im Umfeld der Familie nicht auch behutsamer hätten durchgeführt werden können, hat der Zeuge Bert Gricksch geantwortet: „Dezenter geht es nicht, wenn man keine Spuren vernichten will. Also, ich will das jetzt nicht hier auf die Spitze treiben, aber im normalen Anzug herumgehen und so mal locker gucken, das ist in so einem Fall nicht angesagt. Da müssen wir das ganze Programm machen, das ist eben so. Auch mit Spürhunden. Wir haben ja tatsächlich auch Rauschgift gefunden. Ich sage noch mal, ganz am Anfang, es gab ja auch so eine Bedrohungssituation, die da mal im Raum stand ganz kurz. Dann denkt man natürlich: möglicherweise ist da ja doch irgendwie was gewesen. - Ich sage nicht, dass wir jetzt von vornherein mit Samthandschuhen rangegangen sind, aber jetzt auch nicht irgendwie…sondern die Kollegen haben einfach ihr Geschäft gemacht; die haben das gemacht, was sie bei jedem anderen Tatort genauso tun würden oder gemacht haben.“2875 2871 2872 2873 2874 2875 Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 78, 84. Elif Kubaşık, APr 16/1211 S. 35. Schenk, APr 16/1142 S. 9 f. Elif und Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 7 u. 31. Gricksch, APr 16/1154 S. 123. 511 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die im Anschluss an die Drogenermittlungen aufgekommenen Gerüchte wurden nicht zuletzt von der Presse geschürt.2876 Die Zeugin Gülay Köppen hat dazu angegeben: „Es ist ja damals in der Presse - nicht nur in der deutschen Presse, auch in der türkischen Presse - ganz viel berichtet worden. Und auch bei Frau Kubaşık entstand ja der Eindruck, dass die Polizei diese Dinge so mitgeteilt hat. Das war ja nicht der Fall. Da hatte ich mit Frau Kubaşık auch häufiger Gespräche, um einfach hier auch deutlich zu machen, dass nicht die Polizei diese Dinge an die Presse so mitgeteilt hat, weil es gibt halt eine offizielle Presseerklärung. Und in der Regel macht das dann die StA, die zuständig ist und Herrin des Verfahrens ist. Das waren Dinge, die wir nicht in der Hand hatten. Also, da sind auch in der türkischen Presse, da kann ich mich auch noch so dran erinnern, ganz viele Thesen veröffentlicht worden.“2877 Bereits am 8. April 2006 stellte der zuständige Zeuge Dr. Heiko Artkämper als zuständiger Staatsanwalt gegenüber der Presse klar, dass Hinweise auf mögliche Drogengeschäfte des Mehmet Kubaşık sich durch die Ermittlungen nicht bestätigt hätten.2878 Allerdings wurden noch am 22. April und am 14. November 2006 Zeugen dazu befragt, ob Mehmet Kubaşık etwas mit Drogen zu tun gehabt habe.2879 Auf Frage des Ausschusses hat die Zeugin Gamze Kubaşık auch die Unterrichtung seitens der Polizei über den Fortgang der Ermittlungen bemängelt. Für einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren nach der Tat habe sich die Polizei sehr häufig telefonisch oder persönlich mit Ermittlungsfragen an die Familie gewandt. Danach habe ihre Mutter nur noch auf konkrete telefonische Nachfrage Informationen zum Ermittlungsstand erhalten.2880 Der Zeuge Michael Schenk hat auf die Frage nach einer Rückmeldung an Zeugen und Angehörige nach Durchführung bestimmter Ermittlungsmaßnahmen gentwortet: „An die Zeugen haben wir keine Rückmeldung gegeben - das ist auch nicht üblich -, aber an die Angehörigen selbstverständlich. Ich habe mit der Familie Kubaşık sehr oft Kontakt gehabt und habe dann auch mit Frau Kubaşık vereinbart, wenn wir in irgendeiner Form etwas Neues haben, würde ich mich auf jeden Fall an sie wenden. Das ist leider dann erst 2011 möglich gewesen. […] Wie gesagt: ich habe die Ermittlungsergebnisse, dass wir nichts gefunden haben… das wusste sie; das kannte sie auch. Die Gespräche sind entsprechend geführt worden […].“2881 Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen und Übersendung der Akten an die StA Dortmund wertete der zuständige Zeuge Dr. Heiko Arkämper diese in einem zusammenfassenden Vermerk in seiner Einstellungsverfügung vom 15. November 2008 aus, verfügte aber keinen Einstellungsbescheid an die Hinterbliebenen des Opfers.2882 2876 2877 2878 2879 2880 2881 2882 512 Pressebericht, A10013 S. 16. Köppen, APr 16/1211 S. 12. Presseberichte vom 8. April 2006, A10013 S. 16, 20, 39, 43. Vernehmungen von Zeugen vom 22. April und 22. November 2006, A60745 S. 93, 240, 350. Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 24 f. Schenk, APr 16/1142 S. 9 f. Einstellungsverfügung der StA Dortmund vom 15. November 2008, A60746 S. 250 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Ausschuss hat er das damit begründet, dass nach einer Einstellung des Verfahrens der § 171 StPO einen Bescheid nur im Falle der Erstattung einer Strafanzeige, nicht aber - wie vorliegend - in einem Verfahren von Amts wegen vorsehe.2883 Ungeachtet dieser Gesetzeslage konnte die StA Dortmund zum damaligen Zeitpunkt auch deshalb von einer Unterrichtung der Angehörigen absehen, weil sie eine förmliche Einstellung des Verfahrens gemäß § 170 Absatz 2 StPO nur gegen zwei namentlich als Beschuldigte im Ermittlungsverfahren geführte Personen verfügte und im Übrigen die Ermittlungen gegen Unbekannt mit der Begründung fortführte, dass eine abschließende Entscheidung erst nach Auswertung der übrigen zu der Ceska -Mordserie zählenden Verfahren möglich sei. Dazu kam es bis November 2011 nicht.2884 bb. Opferbetreuung Bevor das PP Dortmund am 4. April 2006 die Familie über den Tod des Mehmet Kubaşık unterrichten konnte, erschienen dessen Tochter und Ehefrau unabhängig voneinander nur kurze Zeit nach Bekanntwerden der Tat bereits aus eigenem Antrieb am Tatort. Wie üblich, begab die Zeugin Gamze Kubaşık sich direkt nach Schulschluss zu dem Kiosk2885 und traf ausweislich der Akten dort um 13:39 Uhr ein.2886 Durch Polizeibeamte von dem Tod ihres Vaters in Kenntnis gesetzt, erlitt sie augenscheinlich einen Schock, so dass sie in einen Rettungswagen gebracht und dort versorgt wurde.2887 Um 13:48 Uhr wurde über die Feuerwehr ein Notfallseelsorger angefordert.2888 Noch im Rettungswagen wurden der Zeugin Gamze Kubaşık einige Fragen zu ihrem Vater gestellt, bis aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes auf eine weitere Befragung verzichtet wurde.2889 Den Akten lässt sich nicht entnehmen, zu welchem genauen Zeitpunkt die Ehefrau des Opfers, Elif Kubaşık, am Tatort erschien. Nach ihren eigenen Angaben vor dem Ausschuss hatte eine Nachbarin sie telefonisch über das Polizeiaufgebot vor dem Kiosk informiert, so dass sie sich aus der Stadt unverzüglich dorthin begeben habe. An der Absperrung sei sie von Polizeibeamten in Empfang genommen und zu ihrer Tochter in den Rettungswagen gebracht worden.2890 Ihrem mehrfachen Wunsch, ihren Ehemann im Kiosk zu sehen, entsprach die Polizei mit Blick auf die noch nicht beendete Spurensicherung nicht.2891 Die Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık wurden anschließend mit dem Rettungswagen und in Begleitung von Polizeibeamten nach Hause gebracht. Laut Aussage der Zeugin Elif Kubaşık wurden sie dort am Abend noch von einem Psychologen und möglicherweise auch einem Arzt betreut. Auf ihre Bitte wurde ihr auch noch am Tattag Gelegenheit gegeben, ihren Ehemann zu sehen.2892 Die Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık wurden auch befragt, wie sie die Qualität der weiteren Opferbetreuung empfunden haben, inwieweit die Polizei - unabhängig von Ermittlungsmaßnahmen - im Rahmen der Opferbetreuung Kontakt zu ihnen gehalten und ihnen (auch psychologische) Hilfe angeboten hat. 2883 2884 2885 2886 2887 2888 2889 2890 2891 2892 Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 16. Einstellungsverfügung der StA Dortmund vom 15. November 2008, A60746 S. 250 ff. Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 21. Einsatzkalender der Leitstelle PP Dortmund vom 4. April 2006, A13320 S. 6. Übergabebericht des PP Dortmund vom 4. April 2006, A60747 S. 18. Einsatzkalender der Leitstelle PP Dortmund vom 4. April 2006, A13320 S. 6. Vermerk des PP Dortmund vom 4. April 2006, A60745 S. 36. Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 6. Vermerk des PP Dortmund vom 4. April 2006, A60745 S. 37. Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 7. 513 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Zeugin Gamze Kubaşık hat darauf geantwort: „Ich habe psychologische Hilfe in Anspruch genommen, aber dann nur… Also, wir haben selber einen gefunden, bzw. ich hatte drei. Aber das war halt nichts für mich. Also, es kam nichts von der Polizei, wo wir jetzt hingehen können und wie man uns helfen kann.“ und im weiteren Verlauf ihrer Vernehmung hat sie ergänzt: „Meine Mutter wollte dann irgendwann die Hilfe von denen haben, weil sie psychologisch betreut werden wollte. Es war nun auch so: Okay, es kam von denen. Die haben uns dann auch Wege gezeigt. Aber wir mussten dann zu denen, zum Beispiel zu Frau Köppen. Meine Mutter hat da angerufen und hat gefragt: was kann ich machen? Was kann ich tun?- Also es kam nichts von alleine. Es wäre uns vielleicht einiges viel leichter gefallen, wenn die Polizei uns dann gesagt hätte: wir helfen Ihnen. Sie können das und das in Anspruch nehmen. Wollen sie nicht das und das machen?- Und das kam nicht. Wir haben dann irgendwann, weil wir dann Hilfe benötigt haben, selber gefragt. Und dann hat man uns auch, wenn ich ehrlich bin, geholfen.“2893 Die Zeugin Gülay Köppen ist dem Vorwurf, Hilfe seitens der Polizei sei der Familie Kubaşık nur zögerlich und jeweils erst auf konkrete Bitte gewährt worden, mit folgenden Worten entgegen getreten: „Und wir haben - also ich auch persönlich mit meinem Teampartner - uns die ganze Zeit, egal was kam, auch immer um sie gekümmert. Das heißt, also wirklich über das normale Maß hinaus. Warum… Also, in der Öffentlichkeit weiß ich, dass dieses Bild dargestellt wird. Das muss vielleicht Frau Kubaşık und ihre Tochter beantworten. Im persönlichen Umgang ist mir gegenüber diese Kritik nicht in der Form geäußert worden. Also, wir haben keine Konflikte in irgendeiner Form gehabt. […] Wir haben uns wirklich um ganz viele Dinge gekümmert, die eigentlich nicht mehr in unserem Bereich liegen. Das ging über Bewerbungsschreiben ihrer Tochter, die ich korrigiert habe. Das ging da um... Zum Beispiel musste sie sich ja auch danach um Unterhalt kümmern, dass sie vom Arbeitsamt Geld bekommt. Damit sie halt nicht in ihrer Situation - auch seelisch angegriffen - länger warten musste auf einen Termin, haben wir mit dem Arbeitsamt auch Kontakt aufgenommen, dass sie keine Wartezeiten hat. Ich habe mich um - sagen wir mal - auch wenn sie Post bekommen hat, Rentenanträge… Und wenn ich dann mal zufällig da war auch die Sachen übersetzt und ihr erklärt, worum es da geht. Also, sie hat ja auch schon so ein Vertrauensverhältnis so weit aufgebaut, dass sie mich sogar anrief und um Rat fragte, wie sie zum Beispiel auch mit dem Erbe umgehen soll, ob sie es ausschlagen soll oder nicht. […] Es ist egal letztendlich, womit sie an mich herangetreten ist, ich habe mich immer sofort darum gekümmert. Und das war eigentlich nicht mehr meine Aufgabe, aber trotzdem habe ich es getan. […] Also ich zieh mir den Schuh definitiv nicht an, dass wir da in der Opferbetreuung nicht vernünftig gehandelt haben oder uns nicht genügend oder ausreichend gekümmert haben. Das muss dann Frau Kubaşık und Gamze Kubaşık beantworten, warum, weshalb, wieso dieser Vorwurf kommt. Also, ich kann es nicht nachvollziehen.“2894 Die Aussage der Zeugin Gülay Köppen findet ihre Bestätigung in den Akten. In einer zusammenfassenden Darstellung des LKA NRW über Struktur, Umfang und Inhalt der polizeilichen 2893 2894 514 Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 23, 32. Köppen, APr 16/1211 S. 18 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ermittlungen der BAO Kiosk vom 29. November 2011 heißt es zu der Art und dem Umfang der Opferbetreuung: „Opferbetreuung durch entsprechende Hilfsangebote (Weißer Ring, KK-Vorbeugung, Hilfe bei Behördengängen); schon zu Beginn wurde eine türkischsprechende Polizeibeamtin als Ansprechpartner für die Familie abgestellt, die über Jahre und bis heute intensiven persönlichen Kontakt (u.a. basteln einer Schultüte zur Einschulung eines Kindes, Besorgung von Mobiliar, Hilfe bei der Suche einer Arbeitsstelle etc.) zur Opferfamilie gehalten hat. Die Familie wurde über den Sachstand der Ermittlungen (soweit aus kriminaltaktischen Erwägungen möglich) informiert.“2895 Ebenso wie die Zeugin Gülay Köppen hat sich auch die Zeugin Barbara Lichtenfeld erstaunt über die im Nachhinein laut gewordenen Vorwürfe mangelnder Opferbetreuung gezeigt, indem sie angegeben hat: „Für mich hat es damals nicht den Eindruck gemacht, oder ich habe nicht rückgemeldet bekommen, dass sich die Familie Kubaşık von der Polizei verlassen fühlt und dass sie sich nicht genug betreut fühlt. Das ist bei mir nicht angekommen. Und das habe ich auch aus keinen Gesprächen bei den Besprechungen mit den Kollegen mitbekommen. Es ist nicht an mich herangetragen worden, dass es da irgendeinen Bedarf gibt, dass es da zu wenig Betreuung und Fürsorge, wie Sie es gerade gesagt haben, gegeben haben soll. […] Und das habe ich jetzt aus der Presse erfahren, dass die (Anm.: Familie Kubaşık) sich also sehr unverstanden von der Polizei gefühlt hat. Ist mir nicht vermittelt worden.“2896 Nach Art und Umfang der Opferbetreuung befragt, hat die Zeugin Elif Kubaşık konkrete Hilfestellungen durch die Polizei wie folgt geschildert: „Die haben mich auch zum Arbeitsamt gebracht wegen dieser ganzen Leistungsgeschichten und Einkommen. Auch für die Bankangelegenheiten und alles sind die mitgekommen, weil ich alleine nicht raus konnte. […] Und ich hatte eine Bitte, dass das Schloss gewechselt wird. Da hatten die mir den WEISSEN RING empfohlen. Dann kamen auch Leute, und das Schloss wurde gewechselt, und ein Ersatzschloss kam dann rein.“2897 b. Nach Aufdeckung des NSU Auf die Frage, ob sie nach der Aufdeckung des NSU im Jahr 2011 von der Polizei darüber in Kenntnis gesetzt worden sind, hat die Zeugin Elif Kubaşık erklärt: „Ich war in der Türkei zu der Zeit. […] Dann wurde diese Frau gezeigt. Ich bin am nächsten Tag sofort nach Deutschland geflogen. […] So 3 bis 4 Tage danach kamen ungefähr drei Polizisten. Und ich war wütend. Ich habe gesagt: wo wart ihr die ganze Zeit? Ihr habt die Mörder nicht gefunden, aber diesen Vorfall erfahre ich aus dem Fernsehen und nicht von euch. Ihr hättet die sein müssen, die als erstes zu mir kommen und mir sagen was passiert ist. […] Die Polizisten haben mir aber gesagt - an dem Tag, an dem sie kamen -, dass sie auch vorher gekommen seien, ich sei aber nicht zu Hause gewesen.“2898 2895 2896 2897 2898 Zusammenfassender Bericht des LKA NRW vom 29. November 2011, A10024 S. 70. Lichtenfeld, APr 16/1126 S. 84, 97. Elif Kubaşık, APr 16/1124 S. 8 f., 12. Elif Kubaşık, APr 16/1124 S. 11 f. 515 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Zeugin Gamze Kubaşık hat die entsprechende Frage wie folgt bantwortet: „Die Polizei kam zu uns nach Hause, nachdem meine Mutter aus der Türkei gekommen ist. Ja, aber wir wussten schon bereits von allem. Die waren halt einfach nur einmal kurz da und wollten sagen: wir sind hier.- Ansonsten…“2899 Zu den Umständen der Kontaktaufnahme mit der Familie nach dem Aufdecken des NSU hat die Zeugin Gülay Köppen Ausschuss ausgeführt: „Ich weiß noch ganz genau, was ich da gerade gemacht habe, als das bekannt wurde, weil man mich da versucht hat zu erreichen, damit wir eben, bevor das in der Presse steht, die Familie vorab schon mal informieren können. Und wenn ich mich richtig erinnere, war die Familie zu dem Zeitpunkt gar nicht hier in Deutschland, sondern in der Türkei aufhältig, sodass wir sie auch nicht sofort erreicht haben. […] Also, ich weiß, dass die Leitung der Mordkommission, ich meine, Herr Lötters [Anm. Herr Schenk] war es damals… […] Es ist auf jeden Fall versucht worden, sie zu erreichen zu Hause. Und das ist da im Ersten nicht gelungen.“ 2900 Sie hat weiter angegeben, dass sie auch anschließend noch in persönlichem Kontakt zu der Familie Kubaşık gestanden habe. So habe sie z. B. auf einen Anruf von Frau Kubaşık, dass ihre Tochter einen Nervenzusammenbruch erlitten habe, umgehend deren ärztliche Versorgung in einer Klinik veranlasst.2901 Am 27. März 2012 besuchte der Polizeipräsident Herr Wesseler auf eigenen Wunsch in Begleitung der Zeugin Köppen die Familie Kubaşık in ihrer Wohnung.2902 Über die Umstände dieses Besuches und den Inhalt des Gespräches ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen nichts. c. Kritische Würdigung Für die Ermittlungspersonen galt es zunächst, alle Umstände zu prüfen, die auf eine Verbindung des Opfers zum Täter hätten hindeuten können. In diesem Rahmen war eine eingehende Befragung der Angehörigen zu den Lebensgewohnheiten des Opfers unverzichtbar. Soweit die Zeugin Gamze Kubaşık in diesem Zusammenhang den Vorwurf erhoben hat, die Polizei habe es dabei an der nötigen Sensibilität fehlen lassen, vermag der Ausschuss nicht abschließend zu bewerten, inwieweit diese Kritik zutrifft. Die Zeugen Michael Schenk und Gülay Köppen versicherten, die Vernehmungen der Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık so behutsam wie möglich durchgeführt und ihnen die Notwendigkeit der Maßnahme jeweils erklärt zu haben. In den Vernehmungsprotokollen der Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık in den Ermittlungsakten finden sich die von der Zeugin Gamze Kubaşık bemängelten polizeilichen Vorhalte nicht. Bei diesen Protokollen handelt es sich allerdings nicht um Wortprotokolle. Der Ausschuss sieht sich deshalb nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Befragungen der Zeugin Gamze Kubaşık unangemessene oder gar unwahre Vorhalte enthielten, hat jedoch auch keine Anhaltspunkte dafür, an den Angaben von Gamze Kubaşık zu zweifeln. Inwieweit die Familie Kubaşık in zeitlich angemessenen Abständen über den Stand der polizeilichen Ermittlungen unterrichtet worden ist, konnte letztlich nicht sicher geklärt werden. 2899 2900 2901 2902 516 Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 26. Köppen, APr 16/1211 S. 19, 38. Köppen, APr 16/1211 S. 19, 38. Vermerk des PP Dortmund vom 29. März 2012, A62159, S. 159. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Aussagen der Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık und der polizeilichen Zeugen und Zeuginnen dazu stehen sich unvereinbar gegenüber. Entsprechende Zweifel hätten die Ermittlungsbeamten leicht dadurch ausräumen können, dass sie - wie von Ihnen grundsätzlich gefordert - jeweils kurze Aktenvermerke über Anlass, Zeit und Inhalt der Gespräche mit den Zeuginnen gefertigt hätten. Zu der Kontaktaufnahme zu der Familie Kubaşık nach der Selbstentarnung des NSU konnte allerdings die Überzeugung gewonnen werden, dass die Polizei insoweit alle Anstrengungen unternommen hat, um die Familie von der neuen Entwicklung in Kenntnis zu setzen, bevor diese durch die Medien davon erfuhr. Dass diese Bemühungen nicht erfolgreich waren, lag ersichtlich nicht im Verantwortungsbereich der Ermittlungsbeamten, sondern war in dem Aufenthalt der Familie in der Türkei begründet. Auch die Opferbetreuung durch die Polizei jenseits der polizeilichen Ermittlungen gibt dem Ausschuss zu Beanstandungen letztlich keinen Anlass. Nach der insgesamt glaubhaften und durch Beispiele belegten Aussage der Zeugin Gülay Köppen hat sie die Familie Kubaşık weit über das normale Maß hinaus betreut. Dass die Zeuginnnen Elif und Gamze Kubaşık ihre Betreuung in der Rückschau als unzulänglich kritisiert haben, ist aus ihrer Sicht als Opfer nachvollziehbar und verständlich. Der Verlust ihres nahen Angehörigen ging mit schwerwiegenden seelischen Belastungen einher. Sie hatten über einen unerträglich langen Zeitraum mit den Auswirkungen der Tat zu kämpfen. Eine befriedigende Antwort auf viele quälende Fragen erhielten sie bis 2011 nicht. Dass die Ermittlungsbeamten mangels Täterermittlung zu einer Beantwortung solcher Fragen nicht in der Lage waren, haben sie selbst vor dem Ausschuss bedauert. Einen gravierenden Mangel in dem polizeilichen Umgang mit den Opfern sieht der Ausschuss allerdings in dem Umstand, dass die Angehörigen über die ihnen zustehenden Opferrechte nur unzureichend unterrichtet worden sind. Es ist ein berechtigtes Anliegen der Hinterbliebenen, ebenso wie die überlebenden Opfer einer Straftat aus der passiven Rolle heraus zu treten und aktiv durch Wahrnehmung eigener Rechte am Ermittlungs- und Strafverfahren teilzunehmen. Dies ist den Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık verwehrt worden, weil sie nach eigenem Bekunden die ihnen zustehenden Rechte nicht kannten. Durch das am 1. September 2004 in Kraft getretene 1. Opferrechtsreformgesetz wurde in § 397a StPO der Kreis derer, denen auf Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt werden kann, auf nahe Angehörige eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten erweitert. Nach der Vorschrift des § 406h StPO waren Verletzte auf ihre Befugnisse aus den §§ 406d, 406e, 406g StPO sowie auf ihre Befugnis aus § 397a StPO, die Bestellung eines Rechtsanwalts zu beantragen, hinzuweisen. Diese bis 2004 als Sollvorschrift in § 406h Absatz 1 StPO normierten Hinweispflichten wurden durch das 1. Opferrechtsreformgesetz zwingend vorgeschrieben. Ferner regelte § 406h Absatz 3 StPO, dass Verletzte auf die Möglichkeit hingewiesen werden sollten, Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten zu können. Die Hinweise sollten regelmäßig schon bei der ersten Vernehmung durch die Polizei erfolgen. Verletzten sollte bei dieser Gelegenheit das „Merkblatt über Rechte und Befugnisse im Strafverfahren“ ausgehändigt werden. Die Vordrucke des PP Dortmund für eine Zeugenvernehmung enthielten zwar im Jahr 2006 bereits die Rubrik „Bei Vernehmung als Verletzte/als Verletzter: Das Merkblatt über Rechte und Befugnisse im Strafverfahren wurde mir ausgehändigt/liegt mir vor/wurde mir nicht aus- 517 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gehändigt“, wobei das zutreffende anzukreuzen war.2903 Soweit für die schriftliche Protokollierung der Vernehmungen der Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık überhaupt der behördliche Vordruck verwandt worden ist, ist aber nicht durch ein Kreuzchen an der vorgesehenen Stelle dokumentiert worden, ob den Zeuginnen das Merkblatt ausgehändigt worden ist oder nicht.2904 Dem Ausschuss ist deshalb eine Feststellung dazu, wie umfassend die Ermittlungsbeamten die Opfer über ihre Rechte informiert haben, nicht möglich. Aus den Akten2905 und den Aussagen der Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık vor dem Ausschuss ist zwar zu schließen, dass die Zeuginnen Elif und Gamze Kubaşık auf die Möglichkeiten der Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen hingewiesen worden sind und sie entsprechende Hilfe auch in Anspruch genommen haben. Es ist aber zu unterstellen, dass die Polizei ihrer Verpflichtung, die Angehörigen des Getöteten über ihre Opferrechte aufzuklären, nicht in vollem Umfang nachgekommen ist. Denn es steht zu vermuten, dass die Familie Kubaşık in Kenntnis der ihnen gesetzlich zustehenden Rechte diese geltend gemacht hätte. Insbesondere die Beauftragung eines Opferanwaltes auf Staatskosten hätte ihnen die Wahrnehmung ihrer Interessen erheblich erleichtert. Soweit Verletzte nicht bereits durch die Polizei auf ihre Rechte und Befugnisse im Strafverfahren hingewiesen worden sind, verpflichtet nach der heute geltenden Gesetzeslage Nummer 174a RiStBV die StA, die Belehrung nachzuholen. Ungeachtet dieser erst im Jahre 2012 in die RiStBV eingefügten Muss-Vorschrift oblag es der StA aber auch im Jahr 2006 bereits aufgrund einer internen Dienstanweisung zu kontrollieren, ob die Unterrichtung seitens der Polizei erfolgt war und hätte sie erforderlichenfalls nachzuholen. Der Ausschuss hat keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die StA Dortmund dieser Verpflichtung nachgekommen ist. C. Weitere mutmaßliche rechtsmotivierte Taten in Nordrhein-Westfalen I. Polizistenmorde des Michael Berger 1. Das Tatgeschehen Auf einer Streifenfahrt im Dortmunder Stadtteil Brakel am Vormittag des 14. Juni 2000 fiel den Polizisten PK Thomas Goretzky und PM´in Nicole Hartmann um 9:45 Uhr in einem ihnen entgegenkommenden Pkw der Marke BMW ein nicht angeschnallter Fahrer auf. Als sie ihren Streifenwagen wendeten, um den Fahrer, Michael Berger, anzuhalten, beschleunigte dieser sein Fahrzeug und flüchtete über mehrere Straßen. In der Nebenstraße „Unterer Graffweg“ bremste er sein Fahrzeug plötzlich ab, hielt am linken Straßenrand und blieb mit laufendem Motor im Fahrzeug sitzen. Die Polizeibeamten hielten mit dem Streifenwagen rechts vom Fahrzeug des Michael Berger. PK Goretzky ließ die Seitenscheibe herunter und forderte Michael Berger auf, den Motor abzustellen. Darauf feuerte Michael Berger fünf Schüsse ab, von denen vier PK Goretzky so schwer trafen, dass er noch am Tatort verstarb. PM´in Hartmann, die sich aus der Beifahrertür fallen ließ, wurde am rechtenOberschenkel getroffen und schwer verletzt. Um 9:49 Uhr informierte sie die Leitstelle.2906 2903 2904 2905 2906 518 Vernehmung der Elif Kubaşık vom 21. April 2006, A60745 S. 187. Vernehmungen Elif und Ganze Kubaşık, A60745 S. 132, 154, 164, 187, 194, 205, 212. Vermerk vom 21. April 2006. A60745, S. 202. Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 284 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Um 9:56 Uhr löste die Leitstelle bei der Bezirksregierung Arnsberg eine Ringfahndung nach dem BMW des Täters aus, der unmittlebar nach der Schussabgabe in seinem Fahrzeug geflüchtet war. Die Polizeibeamten POM´in Ivonne Alice Hachtkemper und PM Matthias Larisch von Woitowitz bezogen im Rahmen der Ringfahndung am Kontrollpunkt Oberlipper Straße / Borker Straße um 10:12 Uhr mit ihrem Streifenwagen Position am Fahrbahnrand. Um 10:29 Uhr bremste Michael Berger von hinten heranfahrend sein Fahrzeug abrupt neben dem Streifenwagen ab, obwohl die Ampel in seiner Fahrtrichtung Grün zeigte. Er gab drei gezielte Kopfschüsse auf die beiden Polizeibeamten ab und flüchtete in seinem Fahrzeug.2907 Als einer der ersten Polizistbeamten traf der Ehemann der tödlich verwundeten POM´in Hachtkemper am Tatort ein. Bis zur Ankunft am Tatort ahnte er nicht, dass seine Ehefrau eines der Opfer war.2908 Er begleitete sie im Rettungswagen ins Krankenhaus während PM Larisch von Woitowitz mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen wurde.2909 Beide Beamte erlagen ihren Verletzungen.2910 Um 17:01 Uhr ging auf der Leitstelle des PP Recklinghausen der Hinweis ein, dass das Fluchtfahrzeug samt Fahrer von den eingesetzten Spezialeinsatzkommandos auf einem Feldweg in Olfen aufgefunden worden war. Michael Berger hatte eine Schusswunde im Kopf und war offensichtlich tot. Die Waffe lag in seinem Schoß.2911 Aufgrund der Befürchtung, in dem Fahrzeug könnte sich eine Sprengfalle befinden, untersuchten erst Entschärfer das Fahrzeug. Diese fanden keine Sprengfalle, aber weitere Waffen.2912 Um 19:11 Uhr stellte der Notarzt den Tod von Michael Berger fest.2913 2. Ermittlungen der StA und der Polizei a. Ermittlungsmaßnahmen der Polizei Nachdem die verletzte PM´in Hartmann die Leitstelle des PP Dortmund über den Schusswechsel informiert hatte, wurde über die Bezirksregierung Arnsberg eine Ringalarmfahndung nach dem Täter ausgelöst.2914 Sachverhalt und Fahndungsdaten wurden über die Bezirksregierung Arnsberg auch der Bezirksregierung Münster übermittelt.2915 Um 9:56 Uhr informierte die Bezirksregierung Münster auch die Leitstelle des PP Recklinghausen, „konkretisierende 2907 2908 2909 2910 2911 2912 2913 2914 2915 Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 285 ff. Vermerk des KK Datteln vom 14. Juni 2000, A21836 S. 7 (VS-nfD). Im Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 288 - heißt es zwar, dass beide Beamte mit Rettungshubschraubern transportiert worden seien, dies entspricht jedoch nicht den tatsächlichen Abläufen. Vermerk des KK Datteln vom 14. Juni 2000, A21836 S. 7 (VS-nfD). Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 288. Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21828 S. 43 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21828 S. 43 (VS-nfD); Spurensicherungsbericht des PP Dortmund vom 19. Juni 2000, A21828 S. 77 f. (VS-nfD). Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 292. Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S 286. Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S 286. 519 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Hinweise - Schußwaffengebrauch gegen Polizeibeamte“ – waren „gegen 10.04 Uhr“ übermittelt worden. Der PI Lünen lag ein Hinweis auf das Täterfahrzeug vor, den sie nicht an das PP Dortmund weiterleitete. Damit erhielten diese Information auch nicht die später getöteten POM´in Hachtkemper und PM Larisch von Woitowitz. Nach öffentlicher Kritik nahm die StA Dortmund deshalb Ermittlungen auf. Da die Gefährlichkeit des Täters aber auch ohne diesen Hinweis schon hinreichend bekannt gewesen sei, stellte die StA Dortmund die Ermittlungen ein.2916 Das IM NRW übertrug um 10:37 Uhr dem PP Dortmund die Zuständigkeit für alle in NRW im Zusammenhang mit dem Einsatz erforderlichen polizeilichen Maßnahmen.2917 In der Folge wurde eine BAO eingerichtet, bestehend aus unterschiedlichen Einsatzabschnitten, darunter auch einer MK, die dem Einsatzabschnitt Ermittlungen unterstellt war.2918 Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund wurde ebenfalls einbezogen. Leiter der MK war der Zeuge Michael Schenk. Zeugen machten Angaben zum Kennzeichen des Pkw und zum Fahrer, so dass den Behörden ab 11:15 Uhr der Name und Wohnort des Fahrzeughalters, Michael Berger, bekannt war..2919 aa. Ermittlungen an den Tatorten An den Tatorten in Dortmund und Waltrop erfolgten umfangreiche Spurensicherungsmaßnahmen und Zeugenbefragungen.2920 Im Rahmen der Spurensicherung wurden im Fahrzeug des Michael Berger die Tatwaffe, eine Pistole Kaliber 9 mm, sowie insgesamt neun Patronenhülsen festgestellt. Im PKW führte Michael Berger zudem noch einen Revolver Kaliber .22, eine Gasalarmpistole, Messer und zwei Schlagstöcke mit sich.2921 Im Rahmen der Spurensicherung wurden am Fahrzeug des Michael Berger zahlreiche Aufkleber festgestellt, die aus seiner politischen Einstellung keinen Hehl machten. Auf einem Aufkleber am Heckfenster war zu lesen „Republik der Strolche“, auf der Kofferraumklappe befand sich ein Aufkleber von „Lonsdale London“ und links an der Kofferraumklappe stand auf einem Aufkleber„Tötet sie alle, Gott wird seine Wahl treffen“.2922 Im Innenraum des Fahrzeugs klebte über dem Handschuhfach ein Metallschild mit dem Bild eines Totenkopfs und der Aufschrift: „Meine Ehre heißt Treue“.2923 Bei der Leichenschau wurde am rechten Ringfinger ein Ring mit der Eingravur eines Hakenkreuzes aufgefunden.2924 2916 2917 2918 2919 2920 2921 2922 2923 2924 520 Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. A13373 S. 296. Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 289 Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21828 S 7 (VS-nfD). Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 289 ff. Spurensicherungsbericht des PP Dortmund vom 19. Juni 2000, A21828 S. 72 (VS-nfD); Tatortbefundbericht der MK Waltrop vom 14. Juni 2000, A21836 S. 16 ff.; Spurensicherungsbericht des PP Recklinghausen vom 21. Juni 2000, A21836, S. 37 ff. (VS-nfD). Asservatenverzeichnis vom 19. Juni 2000, A21828 S. 80 ff. Vermerk des PP Dortmund vom 17. Juni 2000, A21828 S. 144 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. Juni 2000, A21828 S. 145 (VS-nfD). Obduktionsbericht vom 15. Juni 2000, A21829 S. 164 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bei der Durchsuchung der Bekleidung des Michael Berger wurde in seinen Hosentaschen u. a. ein kleines Bild von Adolf Hitler und einen NPD-Mitgliedsausweis sowie die Visitenkarten von „Staatsfeind Nummer 1, Nationaler Widerstand Dortmund“ und der „Kameradschaft Dortmund“. Ebenfalls in den Hosentaschen fanden sie die Visitenkarte der Rechtsanwälte „Lüders und Warmer“.2925 Nachdem zunächst ein Schusswaffensachverständiger zur Erstellung eines Gutachtens über die Schusslaufbahn zum Auffindeort des Michael Berger gerufen worden war, wurde nach Rücksprache mit dem Zeugen Michael Schenk auf eine Gutachtenerstattung verzichtet.2926 Auf Nachfrage, warum auf die Gutachtenerstellung verzichtet wurde, hat sich der Zeuge Michael Schenk nicht mehr erinnern können. Er hat aber vermutet, dass dies in Absprache mit der StA geschehen sei.2927 Nur bruchstückhaft konnte damals ermittelt werden, was Michael Berger in der Zeit zwischen den beiden Polizistenmorden und seiner Selbsttötung unternommen hatte. Lediglich, dass er zwischen den Morden in Dortmund und Waltrop an einer Tankstelle sein Fahrzeug betankt und Alkohilka kauft hat, ließ sich später rekonstruieren.2928 bb. Betreuung von Opfern, Angehörigen und Hinterbliebenen Die Hinterbliebenen der getöteten Polizisten sowie die verletzte PM´in Hartmann und ihr Lebensgefährte wurden mit sogenannten „Betreuungsmaßnahmen“ versorgt. Einbezogen in diese Maßnahmen wurden zudem die Beamten und Beamtinnen der Dienstgruppen, denen die Opfer angehört hatten, und die Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen, die an den Tatorten waren.2929 cc. Ermittlungen zum Täter Michael Berger und dessen Umfeld Michael Berger wurde am 16. Januar 1969 in Lüdinghausen geboren. Seine Mutter beging Suizid, als er ein halbes Jahr alt war.2930 Michael Berger hatte zwei ältere Brüder, die weder im Jahr 2000 noch im Rahmen der Ermittlungen der BAO Trio zeugenschaftlich vernommen worden sind.2931 Das PP Dortmund führte eine zeugenschaftliche Vernehmung des Vaters und der Stiefmutter des Michael Berger durch.2932 Michael Berger war gelernter Einzelhandelskaufmann. Zwischen 1988 bis Ende September 1992 war er Zeitsoldat bei der Bundeswehr.2933 Nach seiner Bundeswehrzeit bezog er bis 2925 2926 2927 2928 2929 2930 2931 2932 2933 Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21829 S. 29 f. (VS-nfD); Die Rechtsanwältin Nadja Warmer heißt jetzt Nadja Lüders und ist Mitglied des Landestages in der SPD-Fraktion. Sie leitete den Ausschuss, bis bekannt wurde, dass ihre Visitenkarte ein Asservat im Fall Berger war. Nach ihren Angaben hatte sie Michael Berger zu Jahresbeginn 2000 in einer Kündigungsschutzklage vertreten. Im Frühjahr 2015 legte Nadja Lüders deshalb den Vorsitz des Untersuchungsausschusses nieder. Tatortbefundbericht des MK Waltrop vom 14. Juni 2000, A21836 S. 35 (VS-nfD); Vermerk des PP Recklinghausen vom 5. Juli 2000, A21836 S. 36 (VS-nfD). Schenk, APr 16/1216 S. 45. Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21830 S. 57 (VS-nfD). Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 293. Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21829 S. 188 (VS-nfD). Schenk, APr 16/1216 S. 45. Vernehmung des Vaters und der Stiefmutter des Michael Berger vom 14. Juni 2000, A21829 S. 185. Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 294. 521 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Juni 1993 Arbeitslosengeld, bevor er im Juli 1993 in Walsrode ein Gewerbe für Brandschutzprüfungen anmeldete.2934 Im Februar 1994 meldete er sich erneut arbeitslos. Bis 1996 wechselten sich Arbeitslosigkeit und Tätigkeiten als Tankwart, Gartenbauer oder Kaufmännischer Angestellter immer wieder ab. Im September 1996 begann er eine Anstellung beim Autohaus Cordes in Dortmund, die offiziell bis zum 29. Februar 2000 andauerte.2935 Bis 1995 lebte Michael Berger in Niedersachsen. Danach wohnte er bis 1997 bei seinem Vater und seiner Stiefmutter in Selm-Bork, bevor er schließlich nach Dortmund zog.2936 (1) Straftaten und Verurteilungen Michael Berger hatte insgesamt sieben Eintragungen im Bundeszentralregister. Wegen Diebstahls wurde er vom AG Lünen 1992 verurteilt. Alle weiteren Eintragungen sind Verurteilungen wegen Fehlverhaltens im Straßenverkehr. Die erste Verurteilung erfolgte 1990 vom AG Starnberg wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und führte zum Entzug der Fahrerlaubis. Ebenfalls zum Entzug der Fahrerlaubnis für mehrere Monate führten Urteile vom AG Walsrode im Jahr 1995, vom AG Rostock im Jahr 1998. Zuletzt verurteitelte ihn das AG Lünen am 12. April 2000 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Führerschein zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung und ordnete eine weitere Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von einem Jahr an.2937 Am Tattag war Michael Berger damit nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis. Bei seiner Entdeckung drohte ihm daher nicht nur eine erneute Verurteilung, sondern auch der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung. (2) Freundinnen In den vorliegenden Unterlagen lassen sich Hinweise auf mindestens zwei Freundinnen des Michael Berger finden. Zwei Tage nach der Tat meldete die Zeitung „Bild“, dass eine Freundin ihn mit einem Polizisten betrogen habe.2938 Diese Freundin dementierte den entsprechenden Bericht kurz darauf und erklärte, sie sei vor der Beziehung mit Berger mit einem Polizisten befreundet gewesen.2939 Der Zeuge Michael Schenk hat dazu ausgesagt: „Wir haben definitiv damals eine Freundin von ihm ermittelt, die in Niedersachsen wohnhaft war, und wir haben ein Vernehmungsersuchen an Niedersachsen geschickt. Es ging darum, dass er angeblich diese Freundin mit einem Polizeibeamten beim Schäferstündchen erwischt hatte und dementsprechend sein Hass auf Polizeibeamte daraus resultierte. Das haben wir unter anderem auch als Motiv angenommen.“2940 In einer zeugenschaftlichen Vernehmung gab die Freundin B. E. an, dass sie vor ihrer Beziehung mit Michael Berger eine Beziehung zu einem Polizisten hatte.2941 Mit ihm sei sie auch nach Ende der Beziehung noch freundschaftlich verbunden gewesen, wovon auch Michael Berger Kenntnis gehabt habe. Sie sei 1994 / 1995 für ein halbes Jahr mit ihm liiert gewesen. Nachdem sie die Beziehung beendet habe, sei er einige Tage später zur ihr in die Wohnung 2934 2935 2936 2937 2938 2939 2940 2941 522 Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21829 S. 204 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21829 S. 205 (VS-nfD). Bericht der Landesregierung zu dem polizeilichen Einsatz aus Anlass der Tötung von zwei Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop, A13373 S. 294. Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 15. Juni 2000, A21829 S. 220. Dpa-Meldung vom 16. Juni 2000, A13373 S. 118. Artikel aus den Ruhr Nachrichten vom 17. Juni 2000, A13373 S. 142. Schenk, APr 16/1216 S. 24. Vernehmung der B. E. vom 30. Juni 2000, A21830 S. 198 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gekommen. Nachdem er zunächst ruhig und ausgeglichen gewirkt habe, sei er während des Gesprächs plötzlich „ausgerastet“, habe sie durch die Wohnung geprügelt und schließlich mit einem Elektroschocker bedroht. Am 31. Januar 1995 habe sie deshalb gegen Michael Berger Strafanzeige erstattet. 2942 Unerwähnt ließ sie in dieser Vernehmung, dass ihr früherer Freund, der Polizeibeamte, im Rahmen einer Zeugenvernehmung in dem auf ihre Strafanzeige eingeleiteten Verfahren ebenfalls einen Strafantrag gestellt hat.2943 Eine von Michael Berger gegen diesen Polizeibeamten am 27. Januar 1995 eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde wurde „informell abschlägig beschieden“.2944 Ob dieser Polizeibeamte an dem Tag, als Michael Berger die Zeugin B. E. angriff, auch in der Wohnung war und falls ja, in welcher Situation Michael Berger die beiden angetroffen hat, ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht. Die Zeugin B. E. sprach nicht davon, von Michael Berger mit dem Polizeibeamten angetroffen worden zu seien. Über den Ausgang des auf die Strafanzeige der Zeugin B. E. bei der StA Verden eingeleiteten Strafverfahrens ist nichts bekannt. 2945 Die Zeugin B. E. ist nach eigenen Angaben in dieser Sache nicht als Zeugin vor Gericht geladen worden.2946 Im Jahr 2000 hatte Michael Berger keine feste Beziehung. Sein Vater und seine Stiefmutter gaben aber an, dass er eine Claudia M. als Freundin bezeichnet habe, die ihrerseits indes keine Beziehung mit Michael Berger habe führen wollen.2947 Am Tattag wurde die Polizei in Garbsen über eine mögliche Gefährdung der dort wohnhaften Claudia M. in Kennntnis gesetzt. Dort wurde alles vorbereitet, um die Wohnung von Claudia M. zu überwachen. Nachdem dort die Mitteilung vom Tod des Michael Berger eingegangen war, wurde die Maßnahme abgebrochen.2948 Eine vom Ausschuss als Zeugin vorgeladene Claudia M. teilte nach Erhalt der Zeugenladung telefonisch mit, Michael Berger nicht gekannt zu haben. Weitere Nachforschungen ergaben, dass die im Jahr 2000 ermittelten Personalien unzutreffend waren und tatsächlich die Zeugin Claudia Me. die benannte langjährige Freundin von Michael Berger war. Auf die Frage, ob sie von der Polizei im Zusammenhang mit den Taten des Michael Berger als Zeugin vernommen worden ist, hat sie angegeben: „Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich glaube es nicht. […] Es kommt mir selbst im Moment, wenn ich es mir so überlege, unwahrscheinlich vor. Aber ich kann mich an so eine Befragung nicht erinnern.“2949 Die vorliegenden Akten zum Fall Michael Berger enthalten keine Hinweise, dass die Zeugin Claudia Me. polizeilich als Zeugin befragt wurde. Eine Befragung fand auch nicht nach der Selbstenttarnung des NSU statt, als die BAO Trio den Fall erneut überprüfte.2950 2942 2943 2944 2945 2946 2947 2948 2949 2950 Vernehmung der B. E. vom 30. Juni 2000, A21830 S. 197 ff. (VS-nfD). Schreiben des PK Walsrode vom 17. Juni 2000, A21830 S. 193 (VS-nfD). Schreiben des PK Walsrode vom 17. Juni 2000, A21830 S. 193 (VS-nfD). Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 15. Juni 2000, A21829 S. 220 (VS-nfD). Vernehmung der B. E. vom 30. Juni 2000, A21830 S. 198 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21829 S. 213 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21829 S. 214 (VS-nfD). Me., APr 16/1249 S. 44. Me., APr 16/1249 S. 62. 523 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Zeugin Claudia Me. war nach eigenen Angaben mit einigen Unterbrechungen über einen Zeitraum von zehn Jahren mit Michael Berger liiert. Als er aus Niedersachsen weggezogen sei, wäre die Beziehung vorbei gewesen. Dennoch seien sie dananch noch freundschaftlich verbunden gewesen.2951 Auf Nachfrage, ob sie von einem eventuellen Hass des Michael Berger Hass auf Polizisten gehört habe, hat sie geantwortet: „Das war auch kein Geheimnis. Einen Hass auf Polizisten hatte er. Er war ja auch häufiger wegen - ich sage jetzt - kleinerer Vergehen in Kontakt mit der Polizei gekommen. Das waren dann zum Beispiel Geschwindigkeitsüberschreitungen. Fahren ohne Sicherheitsgurt war immer ein ganz großes Thema. Sozusagen kleinere Sachen kamen häufiger vor. Dann, meine ich, hat er auch den Führerschein verloren, ist aber trotzdem gefahren. Auch alkoholisiertes Fahren, solche Sachen kamen vor. Er hatte einen ganz immensen Hass auf, ja, die Polizei. Aber das hatte sich auch in der Bundeswehrzeit schon gezeigt. Es ging also vielleicht gar nicht konkret um die Polizei, sondern um ganz allgemein Ordnungshüter. Er hatte auch bei der Bundeswehr massive Schwierigkeiten wegen disziplinarischer Angelegenheiten einfach. Ich weiß jetzt nicht mehr, was das im Einzelnen war. Da war er auch in einem bundeswehrinternen Gefängnis mal eine Zeit lang und ist dann auch unehrenhaft entlassen worden von der Bundeswehr.“2952 (3) Bundeswehrzeit Michael Berger war von 1988 bis 1992 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr beschäftigt. Stationiert war er während der gesamten Zeit in der Freiherr-von-Boeselager-Kaserne in Munster. Daneben absolvierte er verschiedene Lehrgänge, die ihn an unterschiedliche Standorte führten: Buxtehude von Juni bis September 1989 und Oktober bis November 1990, Starnberg von Oktober bis Dezember 1989, Faßberg von Januar 1990 und Altenstadt von September bis Oktober 1990.2953 Nach seinen Taten forderten die ermittelnden Beamten auch aus seiner Bundeswehrzeit Unterlagen an. Am 17. Juni 2000 ging beim PP Dortmund der Hinweis einer Frau ein, dass es während der Zeit, in der Michael Berger in Munster stationiert war, dort einen ungeklärten Mordfall gegeben hat.2954 Die Ermittlungen ergaben, dass in der Nacht vom 29. Februar auf den 1. März 1992 ein Soldat mit einem Kopf- und zwei Brustschüssen in der Kaserne in Munster erschossen worden ist, in der Michel Berger stationiert war. Tatwaffe war eine FN-Browning, Modell 1910 oder 10 / 22.2955 Am Tatort wurden Finger- und Handflächenabdrücke gefunden. Das PP Dortmund schloss nicht aus, dass Michael Berger die Tat begangen hat und sendete daher dessen Finger- und Handflächenabdrücke zum Zweck eines Abgleichs an die PI Celle.2956 Im August 2000 lag das Ergebnis des daktyloskopischen Vergleichs des LKA Niedersachsen vor: „1. Untersuchungsergebnis […] Als Spurenverursacher scheidet Michael Berger […] aus. 2. Bemerkungen: […] 2951 2952 2953 2954 2955 2956 524 Me., APr 16/1249 S. 40. Me., APr 16/1249 S. 41. Vermerk des PP Dortmund vom 21. Juni 2000, A21829 S. 207 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. Juni 2000, A21831 S. 194 (VS-nfD). Auslobung zum Mord in Munster 1992, A21834 S. 27 (VS-nfD). Schreiben des PP Dortmund vom 20. Juni 2000, A21834 S. 23 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Abdrücke […] des Michael Berger sind für diesen Vergleich nur eingeschränkt geeignet.“2957 Weitere Ermittlungen erfolgten in diesem Fall nicht. Eine erneute Abnahme von Vergleichsabdrücken war nicht möglich, weil Michael Berger bereits anonym feuerbestattet war.2958 Zu einem in den Sachen des Michael Berger aufgefundenen Truppenausweis, der nicht Michael Berger gehörte, hat der Zeuge Michael Schenk ausgeführt: „Wie gesagt, haben wir versucht, rauszufinden, wie er in den Besitz dieses Truppenausweises gekommen ist. Das ist zum Teil gelungen - bzw. mit dem Ergebnis, dass er in dem Zeitraum, wo der Ausweis als verloren gemeldet wurde, auch im Bereich München zu einem Lehrgang aufhältig war. Aber alles andere kann ich nicht beantworten.“2959 Während der Bundeswehrzeit lernte Michael Berger einen „Gordon“ kennen. Dessen Rufnummer hatte er auch in seinem Mobiltelefon gespeichert.2960 Dieser meldete sich am Tattag beim Vater und der Stiefmutter, die dazu bei ihrer polizeilichen Vernehmung aussagten: „Ungewöhnlich erscheint uns, dass ausgerechnet heute ein Freund des Michael aus der Bundeswehrzeit angerufen hat. Der Mann heißt Gordon und ist Engländer. Näheres können wir zu ihm nicht sagen, obwohl er einmal bei uns war. Der Anruf war etwa um 11.30 Uhr.“2961 Dem Hinweis der Eltern gingen die ermittelnden Polizeibeamten nicht nach. Auch führte es zu keinen weiteren Nachforschungen, dass die leicht zu merkende Rufnummer des „Gordon“ keine drei Wochen nach den Taten des Berger deaktiviert worden war.2962 (4) Krankheiten Mit seiner langjährigen Freundin Claudia Me. konsumierte Michael Berger regelmäßig große Mengen Alkohol.2963 Ausweislich des Obduktionsberichts, der Hinweise auf eine Leberschädigung enthält, blieb Alkohol ein fortdauerndes Problem2964 In den Ermittlungsakten spielte der Alkoholismus von Michael Berger keine Rolle. Seine bis zu seinem Tod anhaltenden psychischen Probleme traten schon zu seiner Bundeswehrzeit zu Tage. So hat sich die Zeugin Claudia Me. erinnert: „Depressionen und Ängste waren Thema. Er war auch, während er bei der Bundeswehr war, mal intern in einem Bundeswehrkrankenhaus in einer psychiatrischen Behandlung.“2965 2957 2958 2959 2960 2961 2962 2963 2964 2965 Daktyloskopischer Hinweisvergleich des LKA Niedersachsen vom 16. August 2000, A21831 S. 199 (VS-nfD). WE-Meldung des PP Dortmund vom 19. Juni 2000, A13373 S. 177 (VS-nfD). Schenk, APr 16/1216 S. 46. Auswertung Handyspeicher, A21830 S. 18 (VS-nfD). Vernehmung des Vaters und der Stiefmutter des Michael Berger vom 14. Juni 2000, A21829 S. 187 (VS-nfD). Auskunft eines Netzbetreibers vom 7. September 2000, A21831 S. 80 (VS-nfD). Me., APr 16/1249 S. 40. Obduktionsbericht vom 15. Juni 2000, A21829 S. 175 (VS-nfD). Me., APr 16/1249 S. 40. 525 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Im Entlassungsbericht des Hamburger Bundeswehr-Krankenhauses über diese Behandlung im Jahr 1991 ist festgehalten, dass er „reaktive Depression in Folge strafrechtlicher Vorwürfe“ gezeigt habe. Gegen Michael Berger war damals der Vorwurf erhoben worden, einen Fernseher im Kompaniegebäude gestohlen zu haben. Er hat diesen Vorwurf bestritten und sich eingelassen, den Fernseher gutgläubig einem Kameraden abgekauft zu haben.2966 Zwar wurde Michael Berger am Ende der Behandlung nicht als dienstunfähig eingestuft, es gab aber „große Zweifel an seiner Eignung als Uffz. und Ausbilder“. Zudem wurde festgestellt, dass Michael Berger durch die Reaktion des sozialen Umfeldes in seiner alten Einheit nicht mehr einsetzbar und eine Versetzung dringend erforderlich sei.2967 Ob Michael Berger in der Folgezeit bis 1997 wegen seiner psychischen Probleme in einer Behandlung war, ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht. Es findet sich lediglich in einer Zeugenaussage der Hinweis, dass es wohl auch eine Gesprächstherapie in Lüdinghausen gegeben habe.2968 Ab 1997 war Michael Berger Patient beim Zeugen Georg Heßmann, einem Neurologen, Psychiater und ärztlichen Psychotherapeuten in Waltrop. Dessen Praxis suchte er aber nicht häufig auf. Der Zeuge Georg Heßmann hat ausgeführt: „Mich hat dann eigentlich immer gewundert, wenn er kam, er hat sich jedes Mal nicht als Notfallpatient, aber als Akutpatient ausgegeben.“2969 Und an anderer Stelle: „Ich wusste nicht, was ein Mensch von mir will, der einmal im Jahr kommt. Er hat dann von mir auch ein Medikament verschrieben bekommen: Tavor, das ist hochpotent süchtig machend. Da habe ich natürlich immer große Sorge, dass man jemanden in die Sucht schickt. Aber das war wohl nicht der Fall; er hat es also nicht so häufig verschrieben bekommen.“2970 Daneben äußerte Michael Berger gegenüber dem Zeugen Georg Heßmann immer wieder Suizidgedanken. Diesbezüglich hat der Zeuge Georg Heßmann ausgeführt: „Auffällig war, dass er immer mit der Suizidalität auch so ein bisschen kokettierte. Ich konnte das schlecht einordnen. Wenn er vor mir saß, dann sah er so aus, wie eben vielleicht ein Chefverkäufer von BMW aussieht. Aber was in ihm drin war und was er mir geschildert hat, das passte gar nicht dazu. Das war eher sehr weich, und er berichtete mir auch, dass er oft zu Hause alleine sitzt und dann halt die Idee hatte, sich umzubringen, weil sich seine eigene Mutter, als er ein halbes Jahr alt war, suizidiert hatte und die Großmutter wohl nie Ausschnitte aus dem Lebensweg seiner Mutter geschildert hat. Aber ganz schlüssig war das alles für mich nicht.“2971 Der Zeuge Georg Heßmann verschrieb Michael Berger regelmäßig Tavor, ein Antidepressivum, das eine hohe Gefahr der Abhängigkeit beinhaltet. Statt der üblichen 20 Tabletten stellte der Zeuge Georg Heßmann Michael Berger ein Rezept über 50 Tabletten aus. Hierzu hat er angegeben: 2966 2967 2968 2969 2970 2971 526 Entlassungsbericht des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg vom 31. Juli 1991, A21829 S. 242 (VS-nfD). Vorläufiger Entlassungsbericht des Bundeswehrkrankenhauses Hmburg vom 09. Juli 1991, A21829 S. 237 (VS-nfD). Heßmann, APr 16/1242 S. 6. Heßmann, APr 16/1242 S. 6. Heßmann, APr 16/1242 S. 5. Heßmann, APr 16/1242 S. 5. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Das mache ich manchmal bei Patienten wie bei ihm, der angeblich keine Zeit hat, um regelmäßig Termine wahrzunehmen. Dann kommt er natürlich mit 20 nicht weit, und wenn er halt nicht regelmäßig kommen will, bin ich da etwas flexibler. Aber ich achte halt streng drauf, wann wieder Medikamente abgeholt werden oder verschrieben werden.“2972 Im Frühjahr 2000 verschlechterte sich der Zustand von Michael Berger deutlich, hat sich die Zeugin Claudia Me. erinnert: „Als ich ihn – ich meine, dass es Ostern war – im Jahr 2000 in Dortmund besucht habe, habe ich ihn geradezu angefleht, doch zum Arzt zu gehen. Es ging ihm ganz offensichtlich nicht gut. Ich habe in seiner Wohnung Tabletten gesehen, Tavor-Tabletten zum Beispiel. Es war also auch für einen Laien deutlich zu erkennen, dass er krank war.“2973 Diese Depressionen und die immer wieder geäußerten Suizidabsichten hätten nach Ansicht des Zeugen Georg Heßmann eine andere Therapie erfordert: „Ich habe ihm auch mehrfach nahegelegt, sich doch vielleicht in stationäre Behandlung zu begeben. Nach dem, was er mir immer wieder geschildert hatte, mit der Suizidalität, war ich dann ganz glücklich, dass er von sich aus 2000 gesagt hat: Ich würde gern eine Einweisung bekommen. – Das war dann auch okay. Ich habe aber nicht weiterverfolgt, ob er dann wirklich in stationärer Behandlung war – das mache ich eigentlich in der Regel nie –, und dann hörte ich eben an dem Entlassungstag, dass es zu diesen Taten gekommen war.“2974 Auf die Nachfrage, ob es üblich sei, dass sich ein Klinikarzt mit dem behandelnden Psychiater vor Ort austauscht, hat der Zeuge Georg Heßmann ausgesagt: „Selten. Das passiert ganz selten.“2975 Zu dem letzten Besuch von Michael Berger in seiner Praxis am 9. Mai 2000 hat er ausgeführt: „Also, er kam eben gleich – somit war das Gespräch auch nicht so lange – mit dem Wunsch an, ob ich bereit wäre, ihm eine Einweisung auszustellen. Viele Patienten haben Sorge, da nachzufragen, weil sie denken, der behandelnde Arzt ist beleidigt, wenn jetzt jemand stationär behandelt wird. Es gibt auch Kollegen, die fassen das als Beleidigung auf. Das ist bei mir aber nicht der Fall. Ich war eigentlich froh, dass er da mit der Sprache rausrückte, und habe das also voll unterstützt. Ich habe gesagt: Das finde ich gut, ist okay, mache ich gerne. Ich habe aber dann – das kann ich aber nur aus den Unterlagen ersehen – als Diagnose für mich noch ‚schizoide Persönlichkeit‘ mit hineingeschrieben. Ich muss allerdings dazu sagen, ich habe Unterlagen zur Verfügung gestellt, die alles enthalten, auch meine persönlichen Dinge, die ich so manchmal mitdiktiere. Also, das sind nicht rein medizinische Unterlagen, sondern vermischt ist das auch mit meinen persönlichen Eindrücken. Das habe ich aber ganz bewusst gemacht, denn man könnte jetzt natürlich über so eine neue Diagnose sehr lange diskutieren. ‚Schizoid‘ habe ich deswegen hineingesetzt, weil ich ihn so erlebt habe: als eher zurückgezogen und abgeschlossen, nur wenig mit anderen Kontakt aufnehmend. Das heißt 2972 2973 2974 2975 Heßmann, APr 16/1242 S. 7. Me., APr 16/1249 S. 40. Heßmann, APr 16/1242 S. 8. Heßmann, APr 16/1242 S. 8. 527 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nicht, dass ich an eine Schizophrenie unbedingt gedacht habe, sondern mehr an eine Persönlichkeitsstörung vielleicht.“2976 Auf Nachfragen hat der Zeuge Georg Heßmann geschildert, dass Michael Berger ihm gegenüber weder einen Hass auf Polizisten noch auf die ehemaligen Kameraden bei der Bundeswehr erwähnt habe. Auch habe er nichts von dessen rechtsextremer Gesinnung gewusst.2977 Mit der Überweisung des Zeugen Georg Heßmann ließ sich Michael Berger am 26. Mai 2000 freiwillig in das Westfälische Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik in Dortmund einweisen. Von dort aus wurde er in die Städtischen Kliniken Dortmund verlegt, um seine erhöhten Leberwerte abzuklären. Seinem damaligen Freund, dem Zeugen Patrick Dittmann, erzählte er, der Grund für seinen letzten Krankenhausaufenthalt ein „diagnostizierter Magen-Darm-Krebs“ gewesen sei.2978 Dass er an Depressionen litt, erwähnte er gegenüber dem Zeugen Patrick Dittmann nicht.2979 Zu Art und Umfang der verschriebenen Medikamente hat der Zeuge Georg Heßmann erklärt, dass er Michael Berger neben Tavor noch andere Medikamente verschrieben habe, darunter auch solche, die bei Depressionen die „Stabilität der Psyche wiederherstellen“, aber gleichzeitig auch den Antrieb wieder steigern könnten. Zu den verschriebenen Medikamenten gehörten Saroten und Aurorix.2980 Am Morgen nach der Tat meldete sich der Zeuge Georg Heßmann von sich aus beim PP Dortmund, worauf er zeugenschaftlich zum Gesundheitszustand von Michael Berger vernommen wurde. Dies war der erste und einzige Kontakt, den der Zeuge Georg Heßmann im Fall Michael Berger mit der Polizei hatte.2981 In dem Abschlussbericht der Städtischen Kliniken Dortmund vom 15. Juni 2000, einen Tag nach den Taten, attestierte der behandelnde Arzt Michael Berger Leberprobleme, die vermutlich auf eine Kombination aus Alkohol- und Medikamentenmissbrauch zurückzuführen sind. Außerdem hieß es dort: „Er zeigte sich im Verlauf kooperativ und zu keiner Zeit waren fremd- oder selbstaggessive Tendenzen zu erkennen.“2982 Eine polizeiliche Vernehmung der behandelnden Krankenhausärzte erfolgte nicht. Das PP Dortmund stellte im Fahrzeug von Michael Berger eine Tüte mit Medikamenten sicher. Neben Erkältungsmitteln, Antibiotika, einem Antiallergikum und einem Medikament gegen Sodbrennen fanden sich auch zwölf Tabletten Tavor, fünf Kapseln Fluoxemerk, einem Antidepressivum und zwei Kapseln des oben genannten Aurorix.2983 Eine Untersuchung der Medikamente erfolgte nicht. 2976 2977 2978 2979 2980 2981 2982 2983 528 Heßmann, APr 16/1242 S. 10 f. Heßmann, APr 16/1242 S. 13 f. Dittmann, APr 16/1249,S. 5. Dittmann, APr 16/1249 S. 6. Heßmann, APr 16/1242 S. 20. Vernehmung des Georg Heßmann vom 15. Juni 2000, A21836 S. 132 ff.; Heßmann, APr 16/1242 S. 17. Entlassungsbericht Medizinische Klinik Westfalendamm vom 15. Juni 2000, A21829 S. 239 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. Juni 2000, A21828 S. 144 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (5) Letzte Arbeitsstelle Nach verschiedenen kurzfristigen Beschäftigungen arbeitete Michael Berger ab September 1996 in einem Autohaus in Dortmund. Das PP Dortmund befragte im Jahr 2000 sowohl seinen Arbeitgeber als auch verschiedene Arbeitskollegen. Der Fokus der Ermittlungen lag dabei auf den Waffen von Michael Berger. Einer der Arbeitskollegen gab damals an, dass Michael Berger nicht gut auf Ausländer zu sprechen war und führte aus: „Er habe desöfteren ausländerfeindliche Sprüche in der Firma abgegeben, die jedoch alle als Spaß aufgefasst hatten und er offensichtlich auch so gemeint haben dürfte. Schließlich arbeiteten auch Ausländer bei der Fa. […] und auch die hätten Bergers Sprüche nicht ernst genommen.“2984 Sein Arbeitgeber schilderte, dass Michael Berger im Herbst 1999 mit kurz geschorenem Hinterkopf und einrasierter „88“ zur Arbeit erschienen sei. Er habe Michael Berger daraufhin schriftlich abgemahnt, weil dieser auch Kundenkontakt gehabt habe.2985 Zum Jahreswechsel 2000 habe Michael Berger gegenüber Kollegen erwähnt, dass er keine Lust mehr habe zu arbeiten und sich deshalb krankschreiben lassen wolle. Als er dies in die Tat umgesetzt habe, habe er ihm fristgerecht gekündigt und beurlaubt.2986 Tatsächlich hatte sein Arbeitgeber Michael Berger damals fristlos gekündigt. Aus diesem Grund suchte Michael Berger die Rechtsanwältin Nadja Warmer auf. Die fristlose Kündigung wurde schließlich in eine fristgerechte Kündigung umgewandelt und Michael Berger beurlaubt bis die Kündigung Ende Februar 2000 in Kraft trat.2987 (6) Bergers Verhalten vor der Tat Am 4. Juni 2000, zehn Tage vor den Morden, verfasste Michael Berger eine Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle an den Flughafen Dortmund, die dort zwei Tage später einging.2988 Einen Tag vor der Tat telefonierte Michael Berger aus dem Krankenhaus mit der Zeugin Claudia Me., die zu dem Inhalt des Telefonats angegeben hat: „Und er wollte sich melden, sobald das Ganze dann entschieden wäre, mit dieser Entlassung. Ich hatte auch vor, ihn dann zu besuchen, wenn es so gekommen wäre. Aber na ja, gut, das ist dann eben nicht mehr passiert.“2989 Auf weitere Nachfrage hat sie gesagt: „Es ging nur darum, dass diese Entlassung bevorsteht. Ich wollte wissen, was denn nun bei den Untersuchungen herausgekommen wäre. Die einzige Antwort, die ich bekommen habe, war: Da reden wir dann drüber. – Also, ich habe nie erfahren, was da jetzt eigentlich im Krankenhaus war. Dann ging es eben darum, dass er mich anrufen wollte, sobald er entlassen sei. Ich wollte dann auch nach Dortmund fahren.“2990 2984 2985 2986 2987 2988 2989 2990 Vermerk des PP Dortmund vom 16. Juni 2000, A21830 S.8 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21829 S. 216 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21829 S. 216 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 14. Juni 2000, A21829 S. 216 (VS-nfD). Bewerbungsschreiben vom 4. Juni 2000, A21834 S. 197 (VS-nfD. Me., APr 16/1249 S. 44. Me., APr 16/1249 S. 58. 529 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Mit dem Zeugen Patrick Dittmann verabredete Michael Berger, dass er ihn aus dem Krankenhaus abholt. Der Zeuge Patrick Dittmann hat hierzu erklärt: „Es war eigentlich geplant gewesen, was ich gerade schon erwähnt habe: Ich wollte mich eigentlich mit ihm am Krankenhaus bei seiner Entlassung treffen. Wir wollten halt gemeinsam etwas unternehmen.“2991 Und an anderer Stelle: „Bloß halt, ich habe das irgendwie leider Gottes nicht geschafft.“2992 Am Morgen des Tattages wurde mit Michael Berger ein weiterer Mann entlassen, der ebenfalls in dem Krankenhaus stationär behandelt worden war. Dieser Mann war nach Auskunft seines Vaters drogenabhängig und geistig verwirrt. Sein Sohn habe sich im Raucherzimmer öfters mit Michael Berger unterhalten. Über den Inhalt der Gespräche konnte der Vater keine Angaben machen.2993 Während dieser Mann auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus auf seinen Vater wartete, stieg Michael Berger in seinen BMW ein, um kurze Zeit später die Taten zu begehen. Das PP Dortmund bewertete diese Bekanntschaft als irrelevant und vermerkte, dass es deshalb nicht nötig sei, diese Person zu vernehmen.2994 Am 14. Juni 2000, gegen 9:50 und damit unmittelbar nach dem ersten Mord erhielt Michael Berger auf seinem Mobiltelefon einen Anruf des Käufers seines vorherigen Fahrzeugs. Der Käufer meldete sich später beim PP Dortmund und berichtete von diesem Telefonat. Michael Berger habe ihm gesagt, er sei am Morgen aus dem Krankenhaus entlassen worden, wo ihm ein Magengeschwür entfernt worden sei.2995 dd. Ermittlungen zu den Waffen und Schießübungen Michael Bergers Vorliebe für Waffen war in seinem Umfeld bekannt. So hat die Zeugin Claudia Me. angegeben: „Er war das, was man so einen ‚Waffennarren‘ nennt. Er hat sich immer dafür interessiert. Ja, gut, er war bei der Bundeswehr. Da hat er nun mal auch gelernt, damit umzugehen. Ich wusste, dass er eine Waffe hatte. Er hat mir erklärt, er müsse sich ja im Zweifelsfall verteidigen können. Er hatte auch zum Beispiel immer Messer bei sich oder einen Schlagstock im Wagen, so was. Er hat mir auch mal angeboten, mir eine Waffe zu besorgen für den Fall, dass ich mich irgendwie verteidigen müsste. Dazu ist es nie gekommen. Ich war auch nicht darüber informiert, dass er ein ganzes Arsenal davon besaß. Ich war ja nun in der Wohnung und habe da auch übernachtet. Aber die lagen da nicht offen rum. Ich wusste das nicht.“2996 Auch der Zeuge Patrick Dittmann hatte Kenntnis vom unrechtmäßigem Waffenbesitz des Michael Berger und hat insoweit ausgeführt: „Er hat, wie gesagt, damals zu mir halt gesagt, einen Punkt, dass er a) die Schusswaffen besitzen dürfte, aber b) auch hinterher gesagt hat, dass er irgendwie eine Waffe oder die Waffen von seinem Vater herhatte. Und wie gesagt, mir ist das bekannt gewesen, wo 2991 2992 2993 2994 2995 2996 530 Dittmann, APr 16/1249 S. 15. Dittmann, APr 16/1249 S. 7. Einsatzbericht des PP Dortmund vom 17. Juni 2000, A21834, S. 96 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 20. Juni 2000, A21834 S. 98 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21830 S. 113 (VS-nfD). Me., APr 16/1249 S. 42 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 halt die polizeiliche Vernehmung war. Weil die polizeiliche Vernehmung, die war nicht nur einen Tag, die war an mehreren Tagen, wo die dann auch zu mir gesagt haben, dass er so was halt nie hatte bzw. dass er keine Waffenbesitzkarte hatte und dass die Waffen wohl auch nicht von seinem Vater her waren.“2997 Weiter hat er angegeben, einmal von Michael Berger mit einer Waffe bedroht worden zu sein. Dies sei für ihn aber kein Anlass gewesen, die Polizei über den Waffenbesitz des Michael Berger zu informieren. Zur Begründung hat er angeführt: „Zu dem damaligen Zeitpunkt hatte ich ein bisschen Schiss. Ich wollte das auch damals offiziell nicht so richtig zugeben.“2998 Im Fahrzeug von Michael Berger und in seiner Wohnung wurden zahlreiche Waffen gefunden, darunter eine Splitterhandgaranate, die sich bei späteren Untersuchungen als Attrappe herausstellte2999, zwei Revolver, zwei Gewehre, eine Pistole und ein Elektroschockgerät.3000 In seinem Elternhaus stellte das PP Dortmund eine Kalaschnikow sicher. Der Zeuge Patrick Dittmann gab den ersten Hinweis, dass Michael Berger in dem Haus seines Vaters und seiner Stiefmutter eine Kalaschnikow aufbewahre. Daraufhin erfolgte dort am 14. Juni 2000 erfolglos eine Durchsuchung. Über die Kalaschnikow berichteten dem PP Dortmund am 15. Juni 2000 auch der ehemalige Vorsitzende des Dortmunder „Schieß Sport Vereins Pirazzi“, dessen Vereinsemblem als Stoffaufkleber bei Michael Berger gefunden wurde3001, sowie am 16. Juni 2000 der polizeilich als Zeuge vernommene Sebastian Seemann.3002 Das gesuchte Sturmgewehr AK47 (Kalaschnikow) wurde schließlich am 20. Juni 2000 im Dachschrägenverschlag des ehemals von Michael Berger genutzten Zimmers gefunden.3003 Der Aussage des ehemaligen Vorsitzenden des Schießsportvereins bei seiner polizeilichen Vernehmung ist zu entnehmen, dass Michael Berger offensichtlich sehr freizügig mit seinem illegalen Waffenbesitz umging. Bereits in ihrem ersten Gespräch habe Berger ihm von seiner Pistole und der Kalaschnikow berichtet und ihm letztere, die im Kofferraum seines Autos gelegen habe, sogar gezeigt. Berger habe auch von gelegentlichen Schießübungen in einem Wald in der Umgebung von Selm erzählt.3004 Die Ermittlungen, woher Michael Berger seine Waffen bezogen hatte, gestalteten sich schwierig. Zwei der sichergestellten Waffen konnten frei verkäuflich und erlaubnisfrei erworben werden, womit eine Verkaufswegfeststellung nicht möglich war.3005 Den Verkaufsweg der im Ausland hergestellten Waffen recherchierte das BKA.3006 Eines der Gewehre wurde laut Hersteller am 27. August 1959 nach England exportiert und an einen Ge. W. verkauft. Näheres war über den Käufer aber nicht bekannt.3007 Ein weiteres Gewehr 2997 2998 2999 3000 3001 3002 3003 3004 3005 3006 3007 Dittmann, APr 16/1249 S. 14 f. Dittmann, Apr 16/1249 S. 10. Asservatenbefund der LKA NRW vom 13. Juli 2000, A21828 S. 162 (VS-nfD). Asservatenverzeichnis des PP Dortmund vom 19. Juni 2000 , A21828 S. 90 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21830 S. 42 (VS-nfD). Vernehmung des Sebastian Seemann vom 16. Juni 2000, A21830 S. 120. Vermerke des PP Dortmund vom 14. und 20. Juni 2000, A21829 S. 190, 198 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21830 S. 42 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 21. Juni 2000, A21829 S. 1 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 21. Juni 2000, A21829 S. 1 (VS-nfD). E-Mail des BKA vom 6. Juli 2000, A21829 S. 6 f. (VS-nfD). 531 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 wurde offenbar technisch verändert und im Jahr 1996 nach Wien ausgeliefert.3008 Ein Jahr später kaufte ein Diplom-Ingenieur, gebürtig aus Bratislava, die Waffe.3009 Der Zeuge Michael Schenk, ersuchte das BKA um Hilfe, um weitere Informationen über den Käufer und die Waffe zu erhalten.3010 Daneben wurde das LKA NRW ersucht, die Waffen und die Munition kriminaltechnisch zu untersuchen.3011 Sowohl Arbeitskollegen als auch Freunde und Bekannte von Michael Berger wurden zu den Waffen befragt. Zur Ergebnislosigkeit der Befragungen hat der Zeuge Michael Schenk ausgesagt: „Wir haben nichts gefunden, das darauf hindeutet, dass Berger Waffen irgendwelchen anderen Personen verkauft hat. Genauso wenig haben wir rausfinden können, wo Berger seine Waffen her bezogen hat. Wir haben es nicht feststellen können. Unsere Ermittlungen sind dahingehend im Sande verlaufen.“3012 Ausnahme sei ein Hinweis auf einen Mann aus Recklinghausen gewesen, der als Waffenverkäufer in Betracht gekommen sei. Der Zeuge Michael Schenk hat ausgesagt, dieser Hinweis sei abgeklärt worden und insoweit ausgeführt: „Daraufhin haben wir versucht, gezielt diesen Waffenhändler oder -veräußerer in Recklinghausen zu ermitteln, was uns nicht gelungen ist. Wir konnten unterm Strich mit all dem, was wir unternommen haben, nicht nachweisen, wo Berger die Waffen her bezogen hat.“3013 Im Rahmen der Ermittlungen gab es mehrere Hinweise, dass Michael Berger auch Schießübungen unternommen hatte. Der Zeuge Sebastian Seemann hat dies bestätigt: „Wir waren öfter an dieser Stelle. Es war im Januar. Michael hat dort mit dem Kleinkaliberrevolver und dem 9 mm-Revolver und mit der 9 mm-Automatik und anschließend mit dem AK 47 geschossen. Den 9 mm-Revolver hatte er gerade neu gehabt.“3014 Zwei Beamte des PP Dortmund suchten die vom Zeugen Sebastian Seemann angegebene Stelle auf. Dort fanden sie Patronenhülsen, aber kein Waffenlager.3015 Im Rahmen der Ermittlungen wurde bekannt, dass es schon mehrere polizeiliche Einsätze zu Schießübungen in dieser Region gegeben hatte. Sowohl 19993016 als auch im April 20003017 meldeten Zeugen Schüsse und die jeweils eingesetzten Polizeibeamten fanden Patronenhülsen auf. Im November 1999 meldeten erneut Anwohner Schüsse. Einer der beiden Polizeibeamten, die zum Tatort fuhren, ohne dort jemanden anzutreffen, war der später von Michael Berger getötete PM Larisch von Woitowitz.3018 3008 3009 3010 3011 3012 3013 3014 3015 3016 3017 3018 532 Vermerk des PP Dortmund vom 26. Juni 2000, A21829, S. 2 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 27. Juni 2000, A21829, S. 3 (VS-nfD). Schreiben des PP Dortmund vom 29. Juni 2000, A21829 S. 5 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 03. Juli 2000, A21829 S. 9 f. (VS-nfD); Schreiben des LKA NRW vom 10. Juli 2000, A21829 S. 19 (VS-nfD). Schenk, APr 16/1216 S. 42. Schenk, APr 16/1216 S. 42. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 16. Juni 2000, A21830 S. 121 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. Juni 2000, A21830 S. 133 (VS-nfD). Vermerk des KK Datteln vom 3. Januar 2000, A21830 S. 169 (VS-nfD). Waffen-Sprengstoff-Meldung vom 18. April 2000, A21830 S. 180 (VS-nfD). Einsatzbericht des KK Datteln vom 14. November 1999, A21830 S. 146 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In den Akten finden sich keine Hinweise, dass weitere Ermittlungen zu den Vorfällen damals erfolgt oder diese Informationen beispielsweise an den Staatsschutz weitergegeben worden wären. In seiner Vernehmung im Jahr 2000 machte der Zeuge Sebastian Seemann folgende Angaben zur Herkunft der bei Michael Berger sichergestellten Kalaschnikow: „Die Kalaschnikow hat er von einem polnischen Lkw-Fahrer für 500,-- DM gekauft, hat er mir erzählt. Wenn die Kalaschnikow nicht aufgefunden wird, dann könnte er sie doch auch verkauft haben. Allerdings kann ich mir das nicht vorstellen, da er an dieser Waffe sehr gehangen hat. Er hat mir erzählt, dass er sehr viel Glück mit dem Kauf dieser Waffe gehabt hat.“3019 Tatsächlich ergaben die Ermittlungen, dass die Kalaschnikow ursprünglich aus Jugoslawien stammte3020. Weitere Ermittlungen konnten nicht erfolgen, weil ein Rechtshilfeersuchen an die damalige Republik Jugoslawien nur in sehr eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre.3021 Eine Zeitung berichtete, dass Michael Berger mit einer der militantesten Figuren der Dortmunder Neonaziszen befreundet gewesen sei. Dieser Freund habe intensive Kontakte ins Ausland gehabt und an der Seite kroatischer Milizen im jugoslawischen Bürgerkrieg gekämpft.3022 Es finden sich in den vorliegenden Unterlagen keine Hinweise darauf, dass die das PP Dortmund den Angaben in dem ihr bekannten Bericht nachgegangen ist. Im Ergebnis konnte das PP Dortmund zu keiner Waffe ermitteln, wie Michael Berger in ihren Besitz gelangt ist. Auf die Frage, ob er auch Mitarbeiter des Polizeilichen Staatsschutzes befragt habe, ob die vielleicht wüssten, wer in der rechtsextremen Szene als Waffenverkäufer in Frage kommen könnte, hat der Zeuge Michael Schenk geantwortet: „Nein, explizit diese Fragestellung, glaube ich, habe ich nicht vorgenommen.“3023 (1) Rechtsextreme Gesinnung und Parteimitgliedschaften Michael Berger hat seine rechtsextreme Gesinnung offen dargestellt. Die Zeugin Claudia Me. hat ausgesagt: „Mir war natürlich seine Meinung über Ausländer bekannt, insbesondere eben muslimische Ausländer. Daraus hat er auch keinen Hehl gemacht. Das war ganz offensichtlich. Dass er Mitglied in Parteien oder Organisationen war, war mir nicht bekannt. Das habe ich später aus den Medien erfahren.“3024 Auf Nachfrage, ob Michael Berger ihr gesagt habe, dass er in die NPD eingetreten war, hat die Zeugin Claudia Me. angegeben: „Nein. Von seiner Mutter, also seiner Stiefmutter, habe ich erfahren, dass er Bekannte 3019 3020 3021 3022 3023 3024 Vernehmung des Sebastian Seemann am 16. Juni 2000, A21830 S. 123 (Vs-nfD). Telefax des PP Dortmund vom 14. Februar 2000, A21831 S. 89 (VS-nfD). Schreiben des BMJ vom 6. September 2000, A21831 S. 106 (VS-nfD). Zeitungsartikel der Westfälischen Rundschau, A13373 S. 314. Schenk, APr 16/1216 S. 42 f. Me., APr 16/1249 S. 42. 533 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 auch in Dortmund hatte aus dieser Richtung, aus dieser Szene. Die habe ich aber nie kennengelernt.“3025 Weiter hat sie vermutet, dass er erst nach seinem Umzug nach Dortmund Kontakte in die rechtsextreme Szene aufgenommen habe. In der Zeit ihres Zusammenseins, gut zehn Jahre bis Ende der 1990er Jahre, habe er solche Bekanntschaften nicht gepflegt.3026 Die Zeugin B. E. sagte im Jahr 2000 bei ihrer polizeilichen Vernehmung aus, dass Michael Berger während der Zeit ihrer Beziehung 1994 / 1995 „Anhänger oder gar Mitglied“ bei der Partei „Die Republikaner“ gewesen sei. Ob er weitere Kontakte gehabt habe, könne sie nicht sagen. Weitere Fragen zum politischen Hintergrund von Michael Berger wurden ihr nicht gestellt.3027 Auf die Frage, wie die politische Einstellung von Michael Berger war, antworteten sein Vater und seine Stiefmutter bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 14. Juni 2000: „Michael ist eher rechts angehaucht. Als er noch bei der Bundeswehr war, hat er einmal einen Brief von den Nazis aus Hagen bekommen. Den haben wir geöffnet und gesehen, dass er zu einem Treffen eingeladen war. Den Brief haben wir weggeschmissen, so dass er von dem Treffen nichts wußte. Als wir ihn zur Rede stellten, hat er abgewiegelt und gesagt das geht uns nichts an.“3028 Einen Tag nach den Taten von Michael Berger erklärte die Parteiführung der Partei „Die Republikaner“, dass Michael Berger 1999 nach fünf Jahren Mitgliedschaft aus der Partei ausgetreten sei.3029 Diese Mitgliedschaft war weder dem Verfassungsschutz NRW noch dem Polizeilichen Staatsschutz bekannt.3030 Der Zeuge Patrick Dittmann hat ausgesagt, dass Michael Berger Mitglied der „Kameradschaft Dortmund“ gewesen sei.3031 Etwa 1998 habe er Michael Berger in der rechten Szenekneipe „Schützeneck“ kennengelernt und sie seien in der Folge gute Freunde geworden.3032 Neben Konzerten hätten sie verschiedene rechte Veranstaltungen besucht. Insoweit hat der Zeuge Patrick Dittmann ausgeführt: „Das waren dementsprechend diverse Kontakte damals. Es waren auch dementsprechend auf verschiedenen Veranstaltungen … waren auch teilweise Stände auf den Veranstaltungen, die so, also, wo man wusste halt, es kommt Polizei. Da waren dementsprechend Sachen, die halt im legalen Bereich waren […]. Da waren dementsprechend Sachen dabei, die … nicht in dem erlaubten Sinne.“3033 Auch „Zeltlager“ seien veranstaltet und von ihnen besucht worden. Nachdem der Zeuge Patrick Dittmann diese „Zeltlager“ mit den Worten beschrieben hatte: 3025 3026 3027 3028 3029 3030 3031 3032 3033 534 Me., APr 16/1249 S. 42. Me., APr 16/1249 S. 59. Vernehmung der B. E. vom 30. Juni 2000, A21830 S. 198 (VS-nfD). Vernehmung des Vaters und der Stiefmutter des Michael Berger vom 14. Juni 2000, A21829 S. 186 f. Dpa-Meldung vom Juni 2000, A13373 S. 91. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. Juni 2000, A13373 S. 75 Dittmann, APr 16/1249 S. 17. Dittmann, APr 16/1249 S. 23. Dittmann, APr 16/1249 S. 31 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Also, das muss man sich so vorstellen: Es waren teilweise schon Partys. Da wurde halt Musik gespielt, es wurde gegrillt, es wurde, auf gut Deutsch gesagt, gesoffen.“ hat auf Nachfrage erklärt, dass diese „Zeltlager“ schon rechte Treffen gewesen seien.3034 Zum Kennverhältnis von Michael Berger und Siegfried Borchardt, der damaligen Führungsperson der „Kameradschaft Dortmund“, hat der Zeuge Patrick Dittmann angegeben: „Ich sage mal so: Er hat halt viel über ihn geschwärmt. Zu den damaligen Zeitpunkten haben, ich sage mal so, viele Leute über ihn geschwärmt.“3035 Michael Berger war zudem mit der damaligen NPD-Anhängerin S. B. bekannt. Sie ist auf einem der Fotos abgebildet, die in der Wohnung von Michael Berger sichergestellt worden sind. Auf dem Foto sind Michael Berger sowie sieben junge Neonazis abgebildet. Die Personen zeigen den Hitlergruß.3036 Sehr gute Kontakte hatte Michael Berger weiter zum damaligen Vorsitzenden der Dortmunder NPD Pascal Zinn.3037 Entgegen der Einschätzung des Verfassungsschutz NRW war Michael Berger an der NPD nicht nur interessiert3038, sondern auch Parteiitglied. Am 16. Dezember 1998 hat er einen Aufnahmeantrag gestellt3039 und noch am selben Tag seine Mitgliedschaft in der DVU gekündigt, der er seit April 1997 angehört hatte.3040 Das PP Dortmund versuchte im Juni 2000 Pascal Zinn zu seiner Bekanntschaft zu Michael Berger zu befragen, traf ihn aber nicht an. Die daraufhin erfolgte Vorladung ignorierte Pascal Zinn, worauf das PP Dortmund schlussfolgerte, dass er bei der Polizei keine Angaben machen möchte.3041 Versuche, den Vorgeladenen über den bekannten Festnetzanschluss persönlich zu erreichen, blieben erfolglos.3042 Weitere Ermittlungen oder Bemühungen Pascal Zinn zu erreichen, erfolgten nicht, obwohl ab dem 21. Juni 2000 dessen Handynummer bekannt war.3043 An die entsprechenden Ermittlungen hat sich der Zeuge Michael Schenk wie folgt erinnert: „Es sind Ermittlungen in der Szene angestellt worden. Ich meine – aber ohne dass ich jetzt die Namen noch draufhabe; das kann ich nicht; aber aus den Akten –, wir haben mehrere Personen dazu vernommen, unter anderem auch Seemann. Oder wir haben zumindest versucht, die entsprechend zu vernehmen. Das ist nicht bei allen gelungen.“3044 3034 3035 3036 3037 3038 3039 3040 3041 3042 3043 3044 Dittmann, APr 16/1249 S. 34. Dittmann, APr 16/1249 S. 26. Dittmann, APr 16/1249 S. 35. Vernehmung des S. M. D. vom 17. Juni 2000, A21830 S. 103 (VS-nfD). Schreiben des IM NRW vom 15. Juni 2000, A13373 S. 66 f. Aufnahmeantrag der NPD vom 16. Dezember 1998, A21829 S. 265 (VS-nfD). Kündigungsschreiben des Michael Berger vom 16. Dezember 1998, A21829 S. 268 (VS-nfD); Beitragsrechnung der DVU vom 15. Mai 1997, A21829 S.266 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 19. Juni 2000, A21830 S. 108 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 19. Juni 2000, A21830 S. 108 (VS-nfD). Antwortschreiben auf Auskunftsersuchen nach § 90 TKG vom 20. Juni 2000, A21834 S. 171 (VS-nfD). Schenk, APr 16/1216 S. 27. 535 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 (2) Weitere Einbindung in die rechtsextreme Szene Um das Jahr 2000 herum gab es keine strikte Trennung zwischen Kameradschaften und der NPD im Raum Dortmund. So war Pascal Zinn nicht nur Kreisverbandsvorsitzender der NPD Dortmund, sondern auch im engen Kontakt zu Siegfried Borchardt, der federführend in der „Kameradschaft Dortmund“ war. Die Übergänge und personellen Überschneidungen zwischen Kameradschaften, Parteien und anderen Gruppierungen wie beispielsweise Musikbands oder „Saalschutzdiensten“ waren fließend. Die Gaststätte „Schützeneck“ in Dortmund war nicht nur Treffpunkt der Mitglieder der NPD, sondern dort traf sich auch der „Nationale Widerstand, Ruhrgebiet“ sowie die „Kameradschaft Dortmund“, bei deren Treffen auch Michael Berger anwesend gewesen sein soll.3045 (a) Borker Terror-Szene / Lippe-Front / Kameradschaftsbund Nordlippefront Bork Die Personen, die zur „Borker Terror-Szene“ gehörten, waren weitgehend deckungsgleich mit denjenigen, die sich zur „Lippe-Front“ oder dem „Kameradschaftsbund Nordlippefront Bork“3046 zählten.3047 Auf der Telefonliste von Michael Berger fand sich der Name eines dieser Mitglieder. Dessen Rufnummern, sowohl Festnetznummer als auch die Mobiltelefonnummer, hatte Michael Berger in seinem Mobiltelefon ebenso wie die Rufnummer eines weiteren Mitglieds abgespeichert.3048 Der Zeuge Patrick Dittmann sagte in seiner polizeilichen Vernehmung am 15. Juni 2000 aus, dass er und Michael Berger im Jahr 1999 an einem Zeltlager teilgenommen hätten, bei dem auch diese beiden Mitglieder gewesen wären.3049 Eines der Mitglieder wurde im Jahr 2003 verdächtigt, zusammen mit einem Mittäter eine Rohrbombe gebaut zu haben. Es konnten allerdings nur DNA-Spuren des Mittäters an der Bombe sichergestellt werden. Dieser Spur ging später die BAO Trio nach. Der den Sachverhalt überprüfende Beamte des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund kam jedoch zu dem Schluss, dass keine Kontakte nach Thüringen oder zum „Thüringer Heimatschutz“ vorliegen würden.3050 Weder im Rahmen der Ermittlungen im Jahr 2000 noch innerhalb der BAO Trio sind die beiden Mitglieder, die nachweislich Kontakt zu Michael Berger hatten, zu dessen Taten vernommen worden. Das gilt ebenfalls für weitere Mitglieder der „Borker Terror-Szene“, die direkt oder indirekt Kontakt zu Michael Berger hatten. Dazu zählte auch der Anführer der „Borker Terror Szene“, dessen Telefonnummer sich handschriftlich in der Geldbörse von Michael Berger befand.3051 Diese Person war auch bei einer „Gedenkfeier“ für Michael Berger an dessen Todesort in Olfen am 23. Juni 2000 anwesend. Dort versammelten sich 13 alkoholisierte Personen. Die eingesetzten Polizeibeamten verzichteten auf das Feststellen der Identitäten dieser Personen, notierten aber die Kennzeichen der Fahrzeuge.3052 Die Mutter eines weiteren Mitglieds der „Borker Terror-Szene“ erzählte ihrer Chefin, dass ihr Sohn berichtet habe, ein Freund von Michael Berger gewesen zu sein. Die Chefin gab die Information an das PP Dortmund weiter und führte aus, dass in der Nähe des Auffindeorts 3045 3046 3047 3048 3049 3050 3051 3052 536 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 19. Juni 2000, A13373 S. 195 f. WE-Meldung vom 16. November 1999, A13373 S. 125. Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg vom 18. August 2000, A10523 S. 104 (VS-nfD). Auswertung Handyspeicher, A21830 S. 18 (VS-nfD). Vernehmung des Patrick Dittmann vom 15. Juni 2000, A21830, S. 70 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. November 2011, A13050 S. 72 (VS-nfD). Liste mit Rufnummern, A21830 S. 32 (VS-nfD). Beobachtungs und Feststellungsbericht des PP Dortmund vom 24. Juni 2000, A21834 S. 219 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der Leiche von Michael Berger ein Waldgewässer sei, welches Michael Berger als Waffendepot genutzt habe.3053 Der von ihr angegebene Ort konnte ermittelt werden und wurde abgesucht, ohne das Waffen aufgefunden werden konnten.3054 (b) „Nationaler Widerstand Ruhrgebiet“ Pascal Zinn war nicht nur Vorsitzender der NPD Dortmund, sondern auch in der „Kameradschaft Dortmund“ aktiv und Teil des „Nationalen Widerstands Ruhrgebiet“.3055 Im Januar 2000 kontrollierte das PP Dortmund randalierende Jugendliche im Hauptbahnhof, unter ihnen Pascal Zinn, der erfolglos zu flüchten versuchte. In seinem Rucksack entdeckten die Polizeibeamten eine Liste mit dem Titel „N.W.-Ruhrgebiet“. Der Name von Michael Berger findet sich dort zwar nicht, dafür aber neun der Namen, die sich im Telefonverzeichnis von Michael Berger finden.3056 Der Name von Michael Berger befand sich hingegen in einer weiteren bei Pasacal Zinn aufgefundenen Liste.3057 Auf dieser mit „Telefonkette“ überschriebenen Liste wurden nur 19 Namen genannt. Zum Vergleich: Die Liste mit Mitgliedern des Nationalen Widerstands Ruhrgebiets umfasste 66 Namen. Beide Listen wurden vor den Taten des Michael Bergers polizeilich sichergestellt. Dieser Zusammenhang fiel den damals ermittelnden Polizisten ebenso wenig auf wie den Beamten der BAO Trio im Jahr 2011. (c) Sebastian Seemann In der Geldbörse von Michael Berger wurden nach seinem Tod verschiedene Visitenkarten aufgefunden, darunter eine von Sebastian Seemann mit der Überschrift „Kameradschaft Dortmund-Lünen“.3058 Zwei Tage nach der Tat wurde er polizeilich als Zeuge vernommen.3059 Dabei gab der Zeuge Sebastian Seemann an, er habe Michael Berger in der Gaststätte „Schützeneck“, einer rechten Szenekneipe, kennen gelernt. Er habe gewusst, dass Michael Berger Waffen in Besitz gehabt habe und habe ihn bei Schießübungen begleitet. In der Vernehmung ging es nur randständig um die Gesinnung von Michael Berger: „Dass er in der NPD sein sollen, darüber wusste ich nichts. Das habe ich erst jetzt aus den Medien mitbekommen. Als wir uns unterhalten haben, hat er nicht über seine möglicher rechte Gesinnung gesprochen. Ich habe zwar 'mal bei ihm in der Wohnung eine Hakenkreuzfahne gesehen, aber ich glaube, der fand das nur cool, weil das im Moment verboten ist. Der fand alles geil, was verboten ist. “3060 Weder der Name Sebastian Seemann noch die anderen aktenkundigen rechtsextremen Kontakte, die Michael Berger offensichtlich hatte, veranlassten die MK beim PP Dortmund zu weiteren Recherchen in der rechten Szene. ee. Kontakte zu weiteren Personen der rechtsextremen Szene: Neben den bisher genannten 20 Personen aus Parteien und anderen Gruppierungen, die Michael Berger nachweislich kannte und zu denen er Kontakte hatte, fanden sich in den Unterlagen weitere Namen und Hinweise. Dazu gehörten beispielsweise zwei Schülerinnen, die 3053 3054 3055 3056 3057 3058 3059 3060 Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21830 S. 114 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21830 S. 115 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 19. Januar 2000, A10370 S. 65 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 19. Januar 2000, A10370 S. 68 ff. (VS-nfD); Antwortschreiben auf Auskunftersuchen nach § 96 TKG vom 19. Juni 2000, A21834, S. 146 ff. (VS-nfD). Handschriftliche Liste, A10370 S. 41 (VS-nfD) Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21829 S. 30 (VS-nfD). Vernehmung des Sebastian Seemann vom 16. Juni 2000, A21830 S. 120 ff. (VS-nfD). Vernehmung des Sebastian Seemann vom 16. Juni 2000, A21830 S. 121 (VS-nfD). 537 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 schon als 14-jährige in der rechtsextremen Szene verkehrten3061, und zwei weitere Mitglieder der „Borker Terror-Szene“.3062 Auf die Frage, ob weitere Recherchen in Richtung Rechts erfolgt sind, hat der Zeuge Michael Schenk erklärt: „Nein, das habe ich nicht. Das wird mit Sicherheit dann vom Staatsschutz gemacht worden sein; denn die waren ja eingebunden. Ich habe also keine explizite Frage dahin formuliert.“3063 Und an anderer Stelle: „Ich meine, wir haben ja ein Tötungsdelikt zum Nachteil von drei Personen gehabt, Polizeibeamten. Also muss ich auch schon mal erwarten, dass die auch die entsprechenden Ermittlungen in ihren Kreisen durchführen.“3064 ff. Michael Berger ein V-Mann? Schon kurz nach der Tat berichtete die Presse, dass Michael Berger möglichweise ein VMann der Polizei gewesen sein könnte. So berichtete das Magazin „Der Spiegel“, dass ein Sprecher des IM NRW zwei Tage nach den Taten mitgeteilt hat, dass Berger kein V-Mann war. 3065 Der damalige Leiter der Abteilung Rechtsextremismus im Verfassungsschutz, vermerkte am 19. Juni 2000: „Im Hinblick auf die intensive Betroffenheit des Innenministeriums haben wir uns darauf verständigt, als Ausnahme von der Regel, Personenanfragen unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beantworten, deutlich zu erklären, Berger sei kein VM gewesen.“3066 Damit ist für den Bereich des Verfassungsschutzes NRW eine Tätigkeit des Michael Berger als VP ausgeschlossen worden. Auch die vom Ausschuss befragten Zeugen und Zeuginnen konnten keine Hinweise darauf geben, dass Michael Berger als VP tätig war. Die Zeugin Claudia Me. hat insoweit angegeben: „Nein. Ich habe das auch nur den Medien entnommen und in Zeitungen gelesen. Aber, nein ... Ich denke auch, so was hätte – vermute ich jedenfalls – sicherlich irgendwelche geldwerten Vorteile – so nennt man das, glaube ich – gehabt. Und dass er viel Geld gehabt hätte, kann ich nicht sagen, eher das Gegenteil.“3067 Auch gegenüber dem Zeugen Georg Heßmann äußerte Michael Berger nichts über eine mögliche Tätigkeit als VP.3068 Der Zeuge Patrick Dittmann hat eingeräumt, dass es diese Gerüchte in der Szene gegeben habe und hat insoweit ausgeführt: 3061 3062 3063 3064 3065 3066 3067 3068 538 Vermerkdes PP Dortmund zur Anhörung der Schülerinnen vom 15. Juni 2000, A21830 S. 109 f. (VS-nfD). Antwortschreiben auf Auskunftersuchen nach § 96 TKG vom 20. Juni 2000, A21834 S. 169, 172 (VS-nfD). Schenk, APr 16/1216 S. 19. Schenk, APr 16/1216 S. 21. Artikel „Da klumpt sich was zusammen” in der „Spiegel“ Ausgabe 25/2000, A13373 S. 185. Vermerk des Verfasssungsschutzes NRW vom 19. Juni 2000, A13373 S. 180. Me., APr 16/1249 S. 63. Heßmann, APr 16/1242 S. 19. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Also, Gerüchte kommen ständig, also egal, in was für einem Umfeld. Es ist teilweise auch so gewesen, wenn zum Beispiel irgendeiner auf irgendeiner Party oder Sonstiges und die Polizei kam, und der eine wurde halt dementsprechend nicht geschnappt, dann wurden halt schon viele verdächtigt: Hör mal zu, hast du irgendwas mit dem zu tun oder so?“3069 Der Zeuge Michael Schenk hat angegeben, diesen Gerüchten nachgegangen zu sein und insoweit ausgesagt: „Wir haben Anfragen gestellt. Das ist nicht beschieden worden oder bestätigt worden.“3070 Die vorliegenden Unterlagen enthalten ebenfalls keine Hinweise darauf, dass Michael Berger eine VP nordrhein-westfälischer Behörden war. Erkenntnisse für eine Tätigkeit als VP für andere Dienste, wie dem BfV oder dem MAD konnten ebenfalls nicht erlangt werden. gg. Motivation für die Tat Der Zeuge Michael Schenk hat zu der von der Polizei angenommenen Tatmotivation erklärt: „Wir haben ja das Motiv gesucht, das letztendlich da eine Rolle spielen konnte. Unter anderem hatten wir ja auf der anderen Seite diesen – in Anführungszeichen – „Gehörnten“ durch einen Polizeibeamten. Das war für uns so das Motiv, das letztendlich weiter zum Ausdruck kam – und dass er eben da angehalten werden sollte und sich der Verkehrskontrolle entzogen hat. Also, Kurzschlussreaktion.“3071 Die Zeugin Claudia Me. hat ausgesagt, dass sie nicht davon ausgehen würde, dass es sich um eine geplante Tat gehandelt habe und hat vielmehr vermutet: „Ich würde es so sehen, dass er sich gegen diese Kontrolle an sich gewehrt hat und es gar nicht so um die einzelnen Sachen ging, ob er jetzt angeschnallt fuhr oder nicht. Ich glaube, was ihm unerträglich war, war eben kontrolliert zu werden.“3072 In dem letzten Telefonat, das sie mit Michael Berger einen Tag vor seiner Tat geführt habe, sei ihr Michael Berger besonders depressiv gewesen zu sein. Sie hat wörtlich ausgesagt: „Er erschien mir hoffnungslos. Er war wirklich, ja, hoffnungslos. Er schien so verzweifelt und unglücklich zu sein, als wenn es keinen Ausweg gäbe.“3073 Einen Tag nach der Tat äußerte ein unkenntlich gemachter junger Mann, der ebenfalls der rechtsextremen Szene angehörte und vorgab Michael Berger zu kennen, im „Morgenmagazin“ des ZDF, dass Michael Berger sich in diesem System nicht mehr zurechtgefunden habe und wohl der Meinung gewesen sei, dass dieses nur mit Gewalt zu ändern sei.3074 3069 3070 3071 3072 3073 3074 Dittmann, APr 16/1249 S. 36. Schenk, APr 16/1216 S. 33. Schenk, APr 16/1216 S. 32. Me., APr 16/1249 S. 54. Me., APr 16/1249 S. 62. Vermerk des PP Dortmund vom 15. Juni 2000, A21830 S. 67. 539 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 b. Einbindung des Polizeilichen Staatsschutzes aa. Hinweise auf ein rechtsmotiviertes Delikt Der Zeuge Georg Anders, damaliger Leiter der Abteilung Rechtsextremismus im Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund, hat erklärt, sich nicht an den Fall Michael Berger erinnern zu können.3075 Auch hartnäckiges Nachbohren und die Androhung von Ordnungsgeld hat die Erinnerung des Zeugen Georg Anders nicht auffrischen können.3076 Der Zeuge Heribert Volker Seck, Stellvertreter des Zeugen Georg Anders im Jahr 2000, war auf Sachbearbeiterebene mit dem Fall Michael Berger befasst. Er hat erklärt, den Namen Michael Berger erstmals im Zusammenhang mit den Polizistenmorden gehört zu haben. Weiter hat er ausgeführt: „Aber auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich den Michael Berger als Szeneangehöriger so erlebt habe, dass der irgendwo aufgetaucht ist, dass der für mich eine Rolle gespielt hat. Ich habe den Namen das erste Mal gehört, glaube ich, als es zu diesem Vorfall kam.“3077 Der Zeuge Robert Preuß, im Jahr 2000 Beamter beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund, hat ebenfalls angegeben, dass ihm Michael Berger erst nach den Morden bekannt geworden sei. Er habe aber dann bei einer Recherche nach regelmäßigen Teilnehmenden der Treffen im „Schützeneck“ festgestellt, dass auch das Kennzeichen des Pkw des Michael auf Kontrolllisten aufgetaucht sei. Daraus habe er geschlossen, dass Michael Berger im Umfeld der Neonaziszene unterwegs gewesen sei: „Und dann kam so nach und nach mehr raus, wie er auch persönlich verbunden war mit einzelnen Aktivisten der Szene.“3078 Zu der Durchsuchung der Wohnung des Michael Berger, an der er auf Bitte der Mordkommission teilgenommen hat, hat der Zeuge Heribert Volker Seck angegeben: „Es wurden auch Bilder gemacht – das kann man nachvollziehen, wie es in der Wohnung aussah –, da man ja immer wissen muss, wenn Devotionalien rechter Art keinen öffentlichen Charakter haben oder die öffentliche Wahrnehmung nicht tangieren, dann ist es meistens strafrechtlich nicht relevant.“3079 In der Wohnung konnten eine Vielzahl rechtsextremer Devotionalien sichergestellt werden, darunter Hitlerbilder, DVU-Mitgliedsausweis, Gürtelschnallen mit Hakenkreuzen oder Fotos vor Hakenkreuzfahnen. Unter den Lichtbildern befand sich ein Polaroidbild, das mehrere Personen, unter ihnen neben Michael Berger mindestens zwei dem PP Dortmund bekannte und namentlich genannte Rechtsradikale zeigt, die vor einer Hakenkreuzfahne posierend den Hitlergruß zeigen. Auf dem Foto findet sich der handschriftliche Vermerk: „Original ist beim Staatsschutz asserviert.“3080 Gut eine Seite umfasste die Liste der Asservate, die der 3075 3076 3077 3078 3079 3080 540 Anders, APr 16/1242 S. 24. Anders, APr 16/1242 S. 27, 36. Seck, APr 16/1297 S. 71. Preuß, Apr 16/1160 S. 29. Seck, APr 16/1297 S. 71. Ablichtung Lichtbild, A13373, S. 251. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Staatsschutz des PP Dortmund zunächst als relevant erachtete.3081 Der Zeuge Heribert Volker Seck hat über die Ergebnisse wie folgt berichtet: „Ich habe damals nach jetzigem Stand meines Wissens und wie ich mich erinnern kann, nichts festgestellt, was da strafrechtlich relevant war, was wir noch hätten mitnehmen können, außer die Sachen, die von der Mordkommission festgestellt wurden.“3082 Die Frage, ob die Tat von Michael Berger politisch motiviert gewesen sei, habe sich nicht gestellt, weil schnell bekannt gewesen sei, dass der Täter depressiv gewesen sei.3083 Ergänzend hat der Zeuge Heribert Volker Seck zur Tatmotivation ausgeführt: „Ich meine, mich erinnern zu können – ich weiß nicht mehr von wem –, aber dass es zum Paket gehörte, dass Herr Berger abgefragt wurde und dass ich mich nicht erinnern kann, dass da irgendwo Antworten kamen, die mich hatten aufhorchen lassen, wo die Alarmglocken geschrillt haben. Außerdem haben die Alarmglocken auch nicht bei den Aufsichtsbehörden geschrillt und bei den Informations- und Sammelstellen, die auch damit betraut waren.“3084 Und weiter: „Und nur ob er eine Hakenkreuzfahne im Zimmer hat und so ein Hitler-Bild im Portemonnaie, hat uns nicht dazu veranlasst, da irgendwo eine politische Tat draus zu machen.3085 In den Medien kam der Verdacht auf, dass es sich bei den von Michael Berger verübten Morden um einen terroristischen Anschlag gehandelt haben könnte.3086 Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich nicht, dass dies zu Maßnhamen des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmud geführt hat. Nachdem ein Mitarbeiter des IM NRW beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund aufgrund von Presseberichten angefragt hatte, ob Michael Berger Kontakte zur „Lippefront“ gehabt haben könnte, fertigte der Polizeiliche Staatschutz am 16. Juni 2000 einen weiteren Vermerk zu Michael Berger. Darin wurde ein entsprechender Kontakt verneint und mitgeteilt, dass es eine Gruppe „Borker-Terror-Szene“ gegeben habe.3087 Eine Verbindung wurde somit verneint, obwohl dem PP Dortmund das Mobiltelefon von Michael Berger und seine Telefonlisten vorlagen, auf denen mindestens ein Mitglied der „Borker Terror-Szene“ mit Vor- und Nachnamen verzeichnet war. bb. Reaktionen der rechtextremen Szene auf die Taten In der rechtsextremen Szene gab es bundesweit Reaktionen auf die Taten von Michael Berger. In der Nacht nach der Tat wurde an der Polizeiwache Hiltrup eine Wand beschrieben. In schwarzer Farbe stand dort auf fast vier Metern Länge: „3 weniger“.3088 3081 3082 3083 3084 3085 3086 3087 3088 Vermerk des PP Dortmund vom 3. August 2000, A21829 S. 63 (VS-nfD). Seck, APr 16/1297 S. 72. Seck, APr 16/1297 S. 74. Seck, APr 16/1297 S. 74. Seck, APr 16/1297 S. 78. Artikel “Da klumpt sich was zusammen” in „Der Spiegel“ Ausagbe 25/2000, A13373 S. 185. Vermerk des PP Dortmund vom 16. Juni 2000, A21829 S. 231 (VS-nfD). E-Mail des PP Münster vom 15. Juni 2000, A13373 S. 48. 541 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 16. Juni 2000 bekundete eine rechtsextreme Person auf der Homepage der NPD Iserlohn im Gästebuch seine Sympathien für Michael Berger, der „3 Systembullen erschossen hatte. […] er war einer von uns.“3089 Am selben Tag ging beim AG Wesel ein anonymes Schreiben ein, in dem es unter anderem hieß: „Wir Kameraden müssen stolz darauf sein, was Michael geleistet hat.“3090 Am 17. Juni 2000 wurde die Gedenkstätte, die für die ermordeten Polizeibeamten in der Straße „Unterer Graffweg“ eingerichtet worden war, beschmiert und teilweise zerstört. Mit brauner Farbe wurde auf eine Mauer geschrieben: „Scheiss Bullen! Krepieren sollen sie alle! Elendig!“ Der Schriftzug war 15m lang und 30cm hoch. In die Ermittlungen wurde ein Beamte des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund eingebunden.3091 Die StA Dortmund lobte später für Hinweise auf die Täter 5.000,- DM aus.3092 Ebenfalls am 17. Juni 2000 wurde die Eingangstür eines Möbelgeschäftes in Datteln beschmiert: „polizei dein freund helfer, knall sie ab und hilf dir selber“.3093 Noch am selben Tag stellten Polizeibeamte am Auffindeort der Leiche des Michael Berger ein Holzkreuz mit Zeitungsausschnitten und Bildern von Michael Berger sicher. Sie entfernten das Kreuz, um zu verhindern, dass dies ein Treffpunkt der rechtsextremen Szene werden würde.3094 Über den Notruf 110 rief am 18. Juni 2000 ein bekannter Rechtsextremist beim PP Dortmund an und wollte wissen, wann die Beerdigung von Michael Berger sei, da er daran teilnehmen wolle.3095 Am 19. Juni 2000 erhielt der Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, der Zeuge Georg Anders, vom Bundesgrenzschutz die Mitteilung, dass in Wittenberge / Brandenburg S-Bahnwagen von Unbekannten beschmiert worden seien: „Polizei NRW bietet unverhofft 3 neue Lehrstellen. Dortmund, den 14.06.2000 Michael Berger“.3096 Der Spur wurde vom Zeugen Michael Schenk als Leiter der MK keine Relevanz zugeschrieben, weil der Täter der Morde ermittelt war und die BGS-Mitarbeiter Anzeige gegen Unbekannt erstattet hätten.3097 In der Dortmunder Innenstadt wurden Aufkleber verteilt mit dem Schriftzug „Berger war ein Freund von uns! 3:1 für Deutschland – KS Dortmund“. Am linken unteren Rand waren zudem ein Skinhead und eine Nazibüste abgebildet. Am 26. Juni 2000 wurde zwecks Vollstreckung eines Haftbefehls die Wohnung eines einschlägig bekannten Rechtsradikalen durchsucht. Im Rahmen dieser Durchsuchung wurden auch entsprechende Aufkleber sichergestellt. Hierüber fertigte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund zwei Monate später, am 5. September 2000, ein Merkblatt für die internen Unterlagen an. Zur juristischen Weiterverfolgung war der Sachverhalt bereits vorher an die StA Dortmund weitergegeben worden.3098 Weitere Aufkleber dieser Art wurden später zudem in Lünen, unter anderem am Bahnhof, aufgefunden.3099 3089 3090 3091 3092 3093 3094 3095 3096 3097 3098 3099 542 KPMD des PP Hagen vom 16. Juni 2000, A13373 S. 240. E-Mail des PP Duisburg vom 28. Juni 2000 A13373 S. 257 f. WE-Meldung des PP Dortmund vom 17. Juni 2000, A13373 S. 147. Pressemeldung des PP Dormund vom 20. Juni 2000, A21834 S. 12 (VS-nfD). E-Mail des PP Recklinghausen vom 19. Juni 2000, A13373 S. 173 f. Einsatzbericht der PW Lüdinghausen vom 17. juni 2000, A21834 S. 135 (VS-nfD). Vermerk des PP Dormund vom 18. Juni 2000, A21834 S. 122 (VS-nfD). Telefax des BGS vom 19. Juni 2000, A21834 S. 110 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 28. Juni 2000, A21834 S. 111 (VS-nfD). Merkblatt des PP Dortmund vom 5. September 2000, A10778 S. 99 f. (VS-nfD). E-Mail des PP Dortmund vom 17. August 2000, A13373 S. 1 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Selbst in dem auf der Homepage des PP Dortmund eingestellten Kondolenzbuch für die getöteten Polizeibeamten hinterließen Rechtsradikale Nachrichten. So schrieb eine Svenja: „MICHAEL BERGER!!!! NUR DIE BESTEN STERBEN JUNG“.3100 Am 22. und 23. Juni 2000 trafen sich Mitglieder der „Borker Terror-Szene“ am Auffindeort der Leiche von Michael Berger, um eine „Gedenkfeier“ abzuhalten.3101 In den vorliegenden Unterlagen finden sich keine Hinweise, dass der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund zu diesen Vorfällen eigene Ermittlungen eingeleitet oder angeregt hätte. Der Zeuge Heribert Volker Seck hat dies wie folgt begründet: „Ja, also ich kann mich da nur wiederholen: Die sachbearbeitende Dienststelle hatte dort die Sachbearbeitung, und die hatte den Hut auf. Und dort wurde das auch bis zu Ende gemacht, ganz einfach. Hätte sich da was ergeben, hätten wir eine Rückmeldung bekommen, dass da noch was irgendwo auftaucht, wo wir uns da reinbegeben können. Ich kann Ihnen da aus meiner Erinnerung nicht mehr weiterhelfen oder nichts mehr dazu sagen.“3102 Der Zeuge Michael Schenk sah dagegen keine eigene Zuständigkeit für die Ermittlungen und hat auf die Frage, ob er etwas veranlasst habe, um den Urheber der Aufkleber zu ermitteln, geantwortet: „Nein. War nicht Aufgabe der MK. Das war Aufgabe des Staatsschutzes.“3103 c. Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft Am Tattag gegen 10:00 Uhr wurde der Zeuge Dr. Heiko Artkämper von der StA Dortmund über die Taten des Michael Berger informiert.3104 Schnell war klar, dass beide Taten offenbar von ein und demselben Täter verübt worden waren, hat sich der Zeuge Dr. Heiko Artkämper erinnert und weiter angegeben: „[…] was dann dazu führte, dass auf kurzem Dienstwege quasi vereinbart wurde: Das Verfahren wird komplett in Dortmund geführt. Wenn Sie so wollen: ein kleines Sammelverfahren, hätte ich beinahe gesagt.“3105 Er habe sofort die bis dahin bekannten Informationen über den flüchtenden Täter an die Öffentlichkeit geben wollen. Zu dem dabei erfahrenen Widerstand auf Seiten des PP Dortmund hat er ausgeführt: „Ich hatte damals noch einen Streit - und deswegen habe ich das Ding relativ gut vor Augen - mit dem Polizeiführer, weil es nämlich um die Frage ging, ob wir die Personaldaten dieser von uns ermittelten Person an die Presse rausgeben sollten oder ob wir sie nicht rausgeben sollten. Die Argumentationen, die dort praktisch konträr waren, waren, man könnte den Täter weiter unter Druck setzen, wenn man sie rausgibt, was zu möglichen weiteren Taten Anlass geben könnte. Meine Argumentation war entgegengesetzt. Sie 3100 3101 3102 3103 3104 3105 Ausdruck des Eintrags im Kondolenzbuch der Hompage des PP Dortmund vom 20. Juni 2000, A21834 S. 107 (VS-nfD). Sofortmeldung der KPB Unna vom 22. Juni 2000, A13373 S. 234; Beobachtungs und Feststellungsbericht der PI Lüdinghausen vom 24. Juni 2000, A21834 S. 219 (VS-nfD). Seck, APr 16/1297 S. 87. Schenk, APr 16/1216 S. 22. Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 48. Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 48. 543 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ging dahin, dass ich gesagt habe: Wir müssen allerdings auch zugreifen, bevor er weitere Leute erschießt. Das war, was ich selten erlebt habe, ein derartiger Konflikt, der zwischen dem PF [Anm.:Polizeiführer] und mir nicht zu lösen war, sodass wir dann gemeinsam beim damaligen Polizeipräsidenten in Dortmund vorstellig wurden, der das entschieden hat – warum auch immer, in meinem Sinne entschieden hat.“3106 Während sich der Zeuge Dr. Heiko Artkämper an diesen Zwischenfall deutlich erinnert hat, sind andere Aspekte eher im Dunkeln geblieben. Zu dem rechtsextremen Hintergrund von Michael Berger hat er ausgesagt: „Die Wohnung ist während der Maßnahmen durchsucht worden. Und wenn ich recht erinnere, sind bei der Durchsuchung der Wohnung von Berger Hinweise auf einen braunen Hintergrund gefunden worden. Das sind dann Informationen, die damals aus der Kapitalabteilung, in deren Auftrag ich ja tätig war, an die politische Abteilung weitergegeben worden sind, sodass ich eigentlich mit dem Verfahren faktisch nichts mehr zu tun hatte.“3107 Angesprochen auf die verschiedenen Taten, die im Nachgang im Umfeld der Polizistenmorde geschehen waren, wie das Verbreiten der Aufkleber „3:1 für Deutschland“, hat der Zeuge Dr. Heiko Artkämper ausgeführt: „Das ist mir alles unbekannt. Sind auch dann Verfahren, die nicht in meiner Abteilung geführt werden, sondern die in der politischen Abteilung geführt werden.“3108 Am Tattag gab die StA Dortmund, bei der während eines Ermittlungsverfahrens die Pressehoheit liegt, im PP Dortmund eine Pressekonferenz, an der der Zeuge Dr. Heiko Artkämper teilnahm und auf der intensiv nach dem rechtsextremistischen Hintergrund des Michael Berger gefragt worden ist.3109 Eine erste dpa-Meldung wurde um 16:20 Uhr verbreitet: „Ein Motiv für sein grausames Handeln ist nicht ersichtlich“.3110 Einen Tag nach der Tat lud das PP Dortmund zu einer weiteren Pressekonferenz ein.3111 Auch hier äußerte sich der Zeuge Dr. Heiko Artkämper erneut und wurde von der dpa mit den Worten zitiert: „Ich kann nicht ausschließen, dass der Täter mit der rechten Szene sympathisiert hat, sagte Staatsanwalt Heiko Artkämper am Donnerstag in Dortmund. Zeugenaussagen hätten Hinweise auf eine mögliche Zugehörigkeit gegeben. „Es mag eine gewisse Affinität geben, die nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen allerdings nicht tatursächlich waren“, betonte der Staatsanwalt.“3112 In einer weiteren dpa-Meldung vom selben Tag wurde er mit den Worten zitiert: „Wir haben aber keine Erkenntnisse, dass es einen Zusammenhang zwischen der Rechtsradikalität und der Tat gibt.“3113 3106 3107 3108 3109 3110 3111 3112 3113 544 Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 49. Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 49 f. Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 50. Nachtrag zum Vermerk des Verfassungsschutzes vom 15. Juni 2000, A13373 S. 75. Dpa-Meldung vom 14. Juni 2000, A13373 S. 17. Einladung des PP Dormund vom 15. Juni 2000, A13373 S. 53. Dpa-Meldung vom 15. Juni 2000, A13373 S. 24. Dpa-Meldung vom 15. Juni 2000, A13373 S. 42. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 An dieser Erkenntnislage änderte sich nichts. Am 14. September 2000 stellte der Zeuge Dr. Heiko Artkämper das Verfahren gegen Michael Berger ein und hat hierzu erklärt: „Im Prinzip war damit zunächst einmal eigentlich der Polizistenmord als solcher abgegessen. Der Tod schließt die Akten.“3114 In seiner Einstellungsverfügung vermerkte er, dass alle Hinweise auf Taten mit rechtsradikalem Hintergrund an den Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund weitergeleitet worden seien, der seinserseits eigenständige Ermittlungsverfahren einleiten werde.3115 Weiter führte er in der Einstellungsverfügung aus: „Sämtliche Ermittlungen, Befragungen von Zeugen und Umfeldrecherchen haben keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass weitere Personen über die Person des namentlich bekannten Beschuldigten Michael Berger hinaus als Beteiligte an den Morden an den drei Polizisten in strafrechtlich relevanter Weise involviert waren.“3116 Inwieweit die rechtsradikale Gesinnung von Michael Berger als Motiv für die Morde eine Rolle gespielt haben könnte, blieb unklar. Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper vermerkte in der Einstellungsverfügung insoweit: „Eine endgültige Aufklärung bzw. sichere Feststellung der Motivation des Berger ist weder möglich noch Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Hinweise für die Motivation – wie etwa ein Abschiedsbrief – nicht gefunden worden sind und auch das soziale Umfeld des Berger keinerlei Erklärung für die Tat hat. Am nahe liegendsten dürfte es sein, dass Berger aus Furcht vor Entdeckung seines illegalen Waffenbesitzes und einer vorhandenen depressiven Störung […] vor der unmittelbar bevorstehenden Polizeikontrolle in Dortmund Angst hatte und daher „ausrastete“ Das Verfahren ist daher einzustellen, da es sich durch den Tod des Beschuldigten erledigt hat.“3117 Im Jahr 2002 wurden auf Anweisung des Zeugen Dr. Heiko Artkämper die Asservate zum Fall Berger vernichtet, darunter auch die Blutprobe des Täters.3118 3. Einbindung anderer Behörden a. Einbindung des Verfassungsschutzes NRW Nach den vorliegenden Akten hat der Verfassungsschutz NRW, insbesondere über die Pressestelle, regelmäßig relevante Presseartikel mit Hinweisen erhalten. So erhielt der Verfassungsschutz NRW zwei dpa-Meldungen vom 15. Juni 2000, von denen eine die Spekulationen über die Zugehörigkeit von Michael Berger zur rechtextremen Szene3119 und die andere dessen Depressionen zum Gegenstand hatte.3120 Eine weitere dpa-Meldung vom 15. Juni 2000, in der die Zugehörigkeit von Michael Berger zur DVU und den Republikanern thematisiert wurde, ging ausweislich des Verteilers aus- 3114 3115 3116 3117 3118 3119 3120 Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 49. Einstellungsverfügung der StA Dortmund vom 14. September 2000, A21831 S. 111 (VS-nfD). Einstellungsverfügung der StA Dortmund vom 14. September 2000, A21831 S. 114 (VS-nfD). Einstellungsverfügung der StA Dortmund vom 14. September 2000, A21831 S. 115 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 29. Januar 2002, A21831 S. 219 (VS-nfD). Dpa-Meldung vom 15. Juni 2000, A13373 S. 28. Dpa-Meldung vom 15. Juni 2000, A13373 S. 31. 545 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 schließlich an den Verfassungsschutz NRW.3121 Weiter erhielt der Verfassungsschutz die Information, dass die Polizeiwache in Hiltrup mit den Worten „3 weniger“ beschmiert wurde.3122 Am 15. Juni 2000, einen Tag nach den tödlichen Schüssen auf die Polizisten, teilte der Verfassungsschutz NRW dem PP Dortmund und dem BfV3123 als ihm vorliegende Erkenntnisse über Michael Berger mit, dass er 1988 Mitglied der DVU gewesen sei und Interesse an der NPD bekundet habe. Zugleich wies der Verfassungsschutz NRW darauf hin, dass keine weiteren Informationen bekannt seien.3124 Im Entwurf zu dieser Mitteilung fand sich unter Punkt drei eine interne Anweisung. Diese lautete: „K: bitte KK Nr. 154 00 77 (Michael Berger) bitte löschen.“3125 Auf Vorhalt des Vermerks und die Frage, welche Bedeutung diese Anweisung habe, hat der Zeuge Hans-Peter Lüngen erklärt: „Vielleicht eine kleine Korrektur: Der Entwurf stammt offensichtlich nicht von mir. Ich habe ihn unterschrieben. Der Entwurfsverfasser ist hier geschwärzt. Ich vermute, eben weil das die technische Abwicklung ist, die ich nicht selber gemacht habe, dass dann der oder die Entwurfsverfasserin damit zum Ausdruck bringen sollte, dass irgendetwas in den Verkartungen zu löschen ist. Ich kann jetzt nur spekulieren, dass das wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass aus irgendwelchen Gründen Herr Berger eben – ich vermute, weil er verstorben war – dann gelöscht wird. Aber das ist eine Spekulation.“3126 Diese Löschungsanweisung erfolgte keine 24 Stunden nach dem Tod von Michael Berger und noch während der laufenden Ermittlungen. Am 19. Juni 2000 wurde auf einem Nadis-Ausdruck mit Bezug zu Michael Berger handschriftlich notiert: „1) Nadis: Datensatz bitte löschen!“3127 Auf entsprechenden Vorhalt hat der Zeuge Hans-Peter Lüngen erklärt: „Das sehe ich natürlich jetzt im Kontext mit dem Blatt vorher. Dann ist wohl in NADIS gelöscht worden. Das ist wohl dann die Umsetzung des Schreibens vorher. Gut, im Nachhinein muss ich auch sagen: Wenn es dann so ist, dass dann wirklich gelöscht worden ist – mag sein … Ich kenne jetzt die NADIS-Vorschriften im Einzelnen nach so vielen Jahren nicht mehr. Ob dann vorgegeben ist, dass Verstorbene automatisch gelöscht werden, kann ich jetzt nicht mehr sagen. Allerdings muss ich einräumen: Wenn es so ist, in einem solchen Fall, wenn man kurz danach alle Erkenntnisse zu die- 3121 3122 3123 3124 3125 3126 3127 546 Dpa-Meldung vom 15. Juni 2000, A13373 S. 41 ff. E-Mail des PP Münster vom 15. Juni 2000, A13373 S. 49. Telefax des Verfassungsschutzes NRW vom 15. Juni 2006, A13373 S. 69 f. Telefax des Verfassungsschutzes NRW vom 15. Juni 2006, A13373 S. 69. Entwurf eines Telefaxes des Verfassungsschutzes NRW vom 15. Juni 2006, A13373 S. 66. Lüngen, 16/1561 S. 17 f. Nadis-Ausdruck vom 19. Juni 2000, A13373, S. 179 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ser Person gelöscht haben sollte, ist das durchaus kritikwürdig, solange die Ermittlungsverfahren noch anhalten und eventuelle Erkenntnisse noch von Interesse sein könnten.“3128 Neben den Mitgliedschaften des Michael Berger in der NPD und der DVU lagen dem Verfassungsschutz NRW weitere Informationen zu Michael Berger vor, die nicht an die Polizei weitergegeben worden sind. So lagen dem Verfassungsschutz NRW Mitteilungen von Quellen vor, wonach Michael Berger gelegentlicher und dabei unauffälliger Besucher des rechten Szenelokals „Schützeneck“ gewesen sei3129, und an der Jahreshauptversammlung der NPD in Bochum am 19. Dezember 1999 teilgenommen habe.3130 Unbekannt war dem Verfassungsschutz NRW dagegen, dass Michael Berger auch Mitglied in der Partei „Die Republikaner“ war. Deren Parteispitze äußerte sich einen Tag nach der Tat öffentlich dazu und teilte mit, dass Michael Berger fünf Jahre Mitglied gewesen sei.3131 Durch Angaben seiner Quellen erfuhr der Verfassungsschutz NRW zudem, wer in der Dortmunder und Düsseldorfer Szene die Aufkleber „3:1“ verteilt, entworfen und produziert hatte. 3132 Diese Informationen gab der Verfassungsschutz NRW für die Einleitung von Ermittlungen mit dem Hinweis an das PP Dortmund weiter, dass diese Erkenntnisse nicht gerichtsverwertbar seien.3133 Zur Vorbereitung des damaligen Innenministers NRW, Dr. Fritz Behrens, auf ein Interview mit dem Magazin „Stern“ fertigte der Zeuge Hans-Peter Lüngen einen Vermerk, in dem er auch darauf hinwies, dass möglicherweise Nachfragen zu einem Interview des damaligen Präsidenten des BfV, Heinz Fromm, mit der Zeitung „Welt am Sonntag“ gestellt werden könnten. Gegenüber der „Welt am Sonntag“ hatte sich der Präsident des BfV, Heinz Fromm, wenige Tage vor den Taten von Michael Berger unter anderem dahin geäußert, „dass er gewisse Ansätze für das Entstehen terroristischer Strukturen von ‚Rechts‘ sähe, auch wenn er nicht so weit gehen wollte, von einer akuten terroristischen Bedrohung von ‚Rechts‘ auszugehen.“3134 Weiter stellte der Zeuge Hans-Peter Lüngen in dem Vermerk fest: „Nach den bisherigen Erkenntnissen dürfte die Tat von Herrn Berger jedoch keinesfalls ein terroristischer rechtsextremistischer Anschlag sein.“3135 Um diese Aussage abzusichern, hatte der Verfassungsschutz NRW offenbar Kontakt zum BfV aufgenommen. In einem entsprechenden Gesprächsvermerk ist die vom BfV erteilte Auskunft wie folgt beschrieben: „ […] er könne nach bestem Wissen für das BfV erklären, dass Prüfungen unter dem Ansatz, ob Berger an den Vorbereitungen eines Terroranschlages von rechts beteiligt gewesen sei, nicht betrieben wurden oder würden.“3136 Am 16. Juni 2000 vermerkte der Zeuge Hans-Peter Lüngen handschriftlich, dass im Zusammenhang mit dem „Stern“-Interview die Frage nach einer „Lippe-Front“ aufgekommen sei. 3128 3129 3130 3131 3132 3133 3134 3135 3136 Lüngen, 16/1561 S. 20. Gesprächsnotiz des IM NRW vom 16. Juni 2000, A13373 S. 100. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 22. Dezember 1999, A13373 S. 354 f. (VS-nfD). Dpa-Meldung vom 15. Juni 2000, A13373 S. 91, Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 5. Juli 2000, A13373 S. 270 (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 24. November 2000, A13373 S. 323 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. Juni 2000, A13373 S. 73 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. Juni 2000, A13373 S. 74. Vermerk des Verfasungsschutzes NRW vom 19. Juni 2000, A13373 S. 180. 547 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Diese „Lippe-Front“ sei aber identisch mit der „Borker Terror-Szene“ bzw. dem „Kameradschaftsbund Nordlippefront“. Darüber sei auch der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund in Person des Zeugen Georg Anders informiert worden.3137 Dass der Verfassungsschutz NRW seine Quellen zielgerichtet über Michael Berger, die Herkunft seiner Waffen oder die Schießübungen befragt hat, lässt sich dem vorliegenden Aktenbestand nicht entnehmen. b. Einbindung des Bundesamtes für Verfassungsschutz Im Juni 2000 bat das IM NRW das BfV, eine Anfrage an niederländische Behörden zu Kontakten von Michael Berger zu Personen der rechtextremen Szene in den Niederlanden zu übersetzen.3138 Die Unterstützung des BfV erfolgte zeitnah.3139 Das niederländische Innenministerium beantwortete die Anfrage noch am selben Tag dahingehend, dass keine Erkenntnisse über Kontakte von Michael Berger zu niederländischen Rechtsextremen vorlägen.3140 Weiter war das BfV durch die oben schon genannte Anfrage des BfV, welche Informationen dem Verfassungsschutz NRW über Michael Berger vorlagen, sowie dem bereits genannten Telefonat zur Frage, ob das BfV zu einem möglichen terroristischen Hintergrund recherchieren würde, in den Fall Michael Berger eingebunden. 4. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 a. Ermittlungsmaßnahmen Auch der Fall Michael Berger wurde nach der Selbstenttarnung des NSU im Rahmen der BAO Trio bzw. dem GAR untersucht.3141 Im Zuge dessen wurden allein im Fall Michael Berger über ein Dutzend neuer Akten angelegt. Manche Schriftstücke und Unterlagen wurden nicht nur doppelt- oder dreifach abgelegt, sondern achtfach.3142 Im Rahmen der BAO Trio überprüfte das PP Dortmund im Dezember 2011 die Verfahrensakten zu den Taten von Michael Berger auf Verbindungen nach Thüringen.3143 Die Zeugen Michael Schenk und Heribert Volker Seck, die bereits im Jahr 2000 mit den Ermittlungen befasst waren, überprüften nun diese Unterlagen im Rahmen der BAO Trio erneut.3144 Im Februar 2012 vermerkte der Zeuge Michael Schenk, dass zum Fall Berger bereits mehrfach berichtet worden sei und stellte fest: „Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die verübten Tötungsdelikte durch Michael Berger keinen politisch motivierten Bezug erkennen ließen.“3145 3137 3138 3139 3140 3141 3142 3143 3144 3145 548 Handschriftlicher Vermerk des Verfasungsschutzes NRW vom 16. Juni 2000, A13373 S. 124. Telefax des IM NRW aus Juni 2000, A13373 S. 51. Telefax des IM NRW vom 15. Juni 2000, A13373 S. 58. Telefax des BVD Niederlande vom 15. Juni 2000, A13373 S. 64. Vermerk der StA Dortmund vom 14. Februar 2001, A21832 S. 77 (VS-nfD). Beispiel: Vermerk des PP Dortmund vom 16.11.2011 zu den Kontakten, die Berger in die rechte Szene hatte (alle Akten NfD): A13225, S. 92, A13231, S. 11 und 269, A13232, S. 63, A13233, S. 371, A13292, S. 247, A13325, S. 15 und 44. Auflistung der von der BAO Trio Dortmund abzuarbeitenden Aufträge, A13225 S. 148 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 20. Februar 2012, A13228 S. 373; E-Mail des PP Dortmund vom 22. November 2011, A13232 S. 66. Vermerk des PP Dortmund vom 20. Februar 2012, A13228 S. 373. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bei der Aufarbeitung wurden teilweise auch alte Ermittlungsergebnisse verfälscht wiedergegeben. In einer „Sondermeldung“3146 zum Fall Berger vom 9. Mai 2013“ wurde beispielsweise festgehalten: „Demnach soll Frau [E.] den BERGER mit einem Polizeibeamten betrogen haben, worin die Ursache für den seitdem bestehenden Hass gegen Polizisten gesehen wird. Frau [E.] bestätigte dies weitestgehend.“3147 Tatsächlich hatte die Zeugin B. E. klargestellt, dass sie vor der Beziehung mit Michael Berger mit einem Polizeibeamten liiert gewesen sei. b. Hinweise auf Täterschaft des NSU-Trios / Kontakte nach Thüringen Am 13. November 2011 formulierte ein leitender Dortmunder Polizeibeamter die Bitte, erneut mögliche Kontakte von Michael Berger nach Thüringen und / oder zum NSU zu untersuchen und führte zur Begründung aus, ihm sei erinnerlich, dass Michael Berger einen rechten Hintergrund gehabt habe und sich auch eine „88“ in die Frisur auf dem Hinterkopf habe scheren lassen.3148 Am 15. November 2011 wurden darauf die Verfahrensakten bei der StA Dortmund abgeholt, um Bezüge zum NSU oder Thüringen zu prüfen. Nur einen Tag später formulierte ein Polizeibeamter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund sein Ergebnis. Er habe „auftragsgemäß“ alle Personalien in den Akten auf rechte Bezüge / Thüringen überprüft und dabei nur sieben Personen identifizieren können, die der rechten Szene zugehörig seien.3149 Tatsächlich finden sich schon allein in den von Michael Berger gespeicherten Rufnummern mindestens neun Personen, die der rechtsextremen Szene angehörten. Zusätzlich gab es weitere, der rechtsextremen Szene zuzuordnende Zeugen, die nicht in Telefonlisten standen, aber im Jahr 2000 vernommen oder in den Akten erwähnt worden sind. Die Frage des Ausschusses, ob nach der Selbstentarnung des NSU in irgendeiner Form geprüft worden sei, ob Michael Berger Kontakte in die Richtung des NSU, nach Thüringen oder Sachsen gehabt habe, hat der Zeuge Michael Schenk mit dem Hinweis verneint, dass Michael Berger seit 2000 tot ist. Auf Vorhalt, dass das NSU-Trio bereits 1998 abgetaucht sei, hat er angegeben, dass mögliche Kontakte dennoch nicht geprüft worden seien.3150 5. Kritische Würdigung Die StA Dortmund hat geprüft, ob es Mittäter, Gehilfen oder Auftraggeber gegeben hat. Insoweit ist indes nicht ersichtlich, das trotz der offensichtlichen Hinweise auf die Zugehörigkeit von Michael Berger zur rechtsextremen Szene nicht entsprechend gezielt ermittelt worden wäre. PP Dortmund und StA Dortmund haben sich frühzeitig darauf festgelegt, dass die Taten keinen rehtsmotivierten Hintergrund hatten. Die Herkunft der bei Michael Berger sichergestellten Waffen konnte nicht ausermittelt werden. Unverständlich ist, dass hier nicht weiter in der rechtsextremen Szene ermittelt worden ist, wer einen Zugang zu Waffen gehabt hatte und vielleicht als Waffenhändler in Frage gekommen wäre. Insbesondere im Sinne einer Gefahrenabwehr wären diese Ermittlungen dringend notwendig gewesen. Doch weder der Polizeiliche Staatsschutz noch die Kriminalpolizei kamen dieser Aufgabe nach. 3146 3147 3148 3149 3150 Sondermeldung GAR des PP Dortmund vom 9. Mai 2013, A53439 S. 253 (VS-nfD). Sondermeldung GAR des PP Dortmund vom 9. Mai 2013, A53439 S. 257 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 13. November 2011, A13228 S. 192. Vermerk des PP Dortmund vom 16. November 2011, A13325 S. 15 ff. (VS-nfD). Schenk, APr 16/1216 S. 34. 549 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Das Umfeld von Michael Berger wurde nur teilweise überprüft. So sind bis heute weder seine Brüder noch alle seine Freundinnen vernommen worden. Der damalige Vorsitzende der NPD Dortmund Pascal Zinn, der nachweislich Kontakt zu Berger hatte, wurde ebenfalls nicht vernommen. Die Rolle von Michael Berger in der rechtsextremen Szene war nach der Einschätzung des PP Dortmund unbedeutend. Richtig ist, dass er keine Führungsfunktion innehatte. Die Annahme, dass er unbedeutend war, muss aber bezweifelt werden. Als Beleg sei hier die Mitgliederliste des „Nationalen Widerstandes Dortmund“ genannt. Die 66 Namen umfassende Liste enthielt den Namen von Michael Berger zwar nicht. Dafür stand sein Name aber auf einer mit „Telefonkette“ überschriebenen Liste, auf der sich nur 19 Namen befanden. Auch der Hinweis, dass sich am Tattag „Gordon“ beim Vater und der Stiefmutter von Michael Berger telefonisch gemeldet hat, wurde nicht weiter untersucht. Der von „Gordon“ genutzte Telefonanschluss war auf eine Firma eingetragen, die eine Filiale in Köln und ihren Hauptsitz in England hatte. Dieser Anschluss wurde kurz nach den Taten von Michael Berger deaktiviert. Auch das wurde nicht zum Anlass genommen, entsprechend weiter nachzuforschen. Für die andauernden Gerüchte, dass Michael Berger als VP tätig war, lassen sich keine Hinweise finden. Sowohl die Ermittler der MK als auch die Mitarbeiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund arbeiteten nicht Hand in Hand, sondern bestenfalls nebeneinander und erwarteten vom jeweils anderen eine „Bringschuld“. Der Verfassungsschutz NRW gab nur in geringem Umfang Informationen preis. Dass auch im Fall Michael Berger früh Unterlagen vernichtet worden sind, lässt Raum für vielfältige Spekulationen. Dass in der BAO Trio teilweise die Beamten die alten Ermittlungsergebnisse überprüften, die im Jahr 2000 eben diese Ermittlungen schon durchgeführt hatten, konterkariert die Bemühung, tatsächlich eine ernsthafte Überprüfung durchzuführen. Eine tatsächliche Überprüfung, ob es Kontakte zum NSU gab, fand nicht statt. Anhand der vorliegenden Akten lassen sich keine konkreten Bezüge zum NSU feststellen. Da die Überprüfungen durch die Ermittlungsbehörden nach dem Jahr 2011 nur unvollständig und lückenhaft sind, lässt sich ein Bezug zum NSU aber auch nicht mit Gewissheit ausschließen. II. Sprengstoffanschlag am Wehrhahn 1. Tatgeschehen Am 27. Juli 2000 explodierte am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn ein Sprengsatz, unmittelbar nachdem gegen 15:03 Uhr eine Gruppe von zwölf Personen aus dem überdachten Eingang zum Zugang des Bahnhofs getreten war. Durch diese Explosion wurden zehn Menschen verletzt, zum Teil lebensbedrohlich. Eine Frau, die im fünften Monat schwanger war, verlor ihren ungeborenen Sohn. Alle Opfer stammten aus der ehemaligen Sowjetunion, sechs von ihnen waren jüdischen Glaubens. Sie kamen an diesem Tag, so wie an jedem Wochentag, von der nahegelegenen ASG Bildungseinrichtung, in welcher sie Sprachunterricht nahmen. Der mit TNT gefüllte Sprengsatz hing in einer Plastiktüte an dem Geländer des Zugangs. In dieser Tüte befanden sich noch andere Gegenstände, darunter eine Zeitung sowie eine Glas- und eine Plastikflasche.3151 Noch in 157 Metern Entfernung vom Tatort wurden Splitter der Bombe aufgefunden.3152 3151 3152 550 Zusammenfassender Bericht vom 8. Juli 2009, A25865 S. 153 ff. Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 4. August 2000, A25668 S. 57. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei a. Ermittlungsmaßnahmen Auf der Einsatzeitstelle des PP Düsseldorf ging um 15:05 Uhr der erste telefonische Hinweis auf eine Explosion im Bereich des S-Bahnhofs Düsseldorf-Wehrhahn ein. Darauf entsandte die Einsatzleitstelle drei Einsatzmittel. Nach zwei weiteren Anrufen auf der Einsatzleitstelle wurden zwei weitere Einsatzmittel zum Tatort entsandt.3153 Als erste Maßnahmen vor Ort wurden der unmittelbare Tatortbereich großflächig geräumt sowie der Tatortbereich sofort abgesperrt. Zudem wurden eine Zeugenanlaufstelle, eine mobile Befehlsstelle, eine Kräftesammelstelle, eine Pressesammelstelle und ein für weitere Absperrmaßnahmen zuständiger Ermittlungsabschnitt „Verkehr“ eingerichtet.3154 Gegen 16:10 Uhr wurden Beamte der Tatortgruppe Sprengstoff / Brand des LKA NRW zur Spurensuche und Spurensicherung hinzugezogen. Die Spurensicherung am Tatort erfolgte am 27. und 28. Juli 2000. Zudem wurde die Bekleidung der Opfer von der Tatortgruppe auf Spuren untersucht. Dabei lag ein besonderer Fokus auf der Suche nach Gegenstände, die keine normale Anwesenheit am Tatort bzw. der Opferbekleidung erkennen ließen und / oder erfahrungsgemäß einer Sprengvorrichtung oder deren besonderen Wirkungen zugeordnet werden konnten.3155 Am 8. August 2000 erfolgte eine ergänzende Spurensicherung des Tatorts durch die Tatortgruppe Sprengstoff / Brand. Anlass für diese weitere Maßnahme war die zwischenzeitliche Beschaffung eines Halbleiterdetektors durch die Zentralen Polizeitechnischen Dienste. Ziel des Absuchens des Tatorts sowie des Umfelds war das Auffinden weiterer Tatmittel, die bei der ohne entsprechende technische Hilfsmittel erfolgten vorangegangenen Spurensuche nicht haben aufgefunden werden können. Diese weitere Spurensicherung führte zwar zum Auffinden weiterer Zeitungspapierfetzen und Metallstücke, Hinweise auf die Art der Zündung konnten hierdurch indes auch nicht erlangt werden.3156 Nachdem die Tatortarbeit am 28. Juli 2000 vorerst beendet war, wurde der Schwerpunkt der weiteren polizeilichen Maßnahmen auf die kriminalpolizeilichen Ermittlungen gelegt. Die am Tattag gegründete BAO Ackerstraße wurde am 29. Juli 2000 in die EK Ackerstraße überführt. Leiter dieser zeitweise mit 60 bis 80 Beamten und Beamtinnen besetzten EK Ackerstraße war der Zeuge Dietmar Wixfort.3157 Zu den Ermittlungen der EK Ackerstraße hat der Zeuge Dietmar Wixfort zusammenfassend ausgeführt: „In der Anfangsphase ist teilweise mit Zwölfstundenschichten gearbeitet worden. Das war vielleicht in der Anfangsphase in Ordnung, auf Dauer aber nicht sinnvoll, sodass man sich entschlossen hat, die Ermittlungskommission „Ackerstraße“ zu gründen, eine reine Ermittlungskommission. 3153 3154 3155 3156 3157 Einsatzbericht des PP Düsseldorf vom 28. Juli 2000, A25668 S. 3. Einsatzbericht des PP Düsseldorf vom 28. Juli 2000, A25668 S. 5. Spurensicherungsbericht des LKA NRW vom 4. August 2000, A25668 S. 22 ff. Ergänzung zum Spurensicherungs- und Auswertungsbericht des LKA NRW vom 18. August 2000, A25668 S. 73 ff. Zusammenfassender Bericht des PP Düsseldorf vom 8. Juli 2009, A25685 S. 153 ff.; Wixfort, APr 16/1595 S. 6. 551 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dazu bin ich alarmiert worden. Ich sollte ein Konzept erstellen. Als ich 2000 am 29. abends angefangen habe, waren eine Menge Material, eine Menge Informationen bereits vorhanden, aber noch nicht gesichtet. Im Rahmen der nächsten Wochen und Monate haben wir versucht, die Ermittlungen zu strukturieren in Form der üblichen Mordkommissions- oder Ermittlungskommissionsarbeit. […] Schwierig war natürlich die Beweislage bedingt durch viele, viele Personen am Tatort. Es sind die üblichen Untersuchungen gemacht worden: DNA; daktyloskopische Spuren sind gesucht worden. Die Chemie ist eingeschaltet worden, um zu gucken: Was haben wir hier möglicherweise für einen Sprengstoff, der da eingesetzt worden ist? Wir haben dann nach und nach das Tatmittel rekonstruieren können, nach damaligem Stand. Wir haben auch rekonstruieren können, dass das Tatmittel sich in einer Plastiktüte befand. Wir konnten auch rekonstruieren, was innerhalb dieser Plastiktüte war, und wollten damit verständlicherweise, da Täterwissen, nicht an die Öffentlichkeit gehen. Wir haben dann, über das LKA und das BKA vermittelt, einen Sachverständigen bei der Bundeswehr eingeschaltet, der durch Sprengversuche an herausgetrennten Gitterteilen versucht hat, uns die Sprengvorrichtung nachzubauen. Das ist ihm irgendwann auch gelungen. Dabei haben wir dann festgestellt, dass in dieser Sprengvorrichtung … Ursprünglich waren wir mal von einer Handgranate mit ca. 75 g TNT ausgegangen. In dieser Sprengvorrichtung war deutlich mehr TNT, über 200 g – mit einer, wie uns damals nicht ganz klar war, nicht nachvollziehbaren Verunreinigung. Neben dem Sachverständigen der Bundeswehr haben wir damals auch die Firma Mannesmann als Gutachter eingebunden, weil wir zu der Herkunft des Materials, des Metalls, des Stahls noch Auskünfte brauchten. Das Gutachten ist dann auch nach einigen Monaten erstattet worden. Wir haben dieses Stück, an dem die Sprengvorrichtung sich befand … Ich nehme an, Sie waren alle einmal am Tatort und haben sich das angesehen. Direkt hinter dem Durchgang an der linken Seite dieses Gitters war die Sprengvorrichtung angebracht. Dieses Stück haben wir sichergestellt – a) vor dem Hintergrund, es besser untersuchen zu können, und auch in der Hoffnung, dass wir, wenn sich in weiter Zukunft möglicherweise andere Methoden der Untersuchung ergeben könnten, immer noch auf diesen Teil des Tatortes zurückgreifen können. Die Ermittlungen insgesamt gestalteten sich nicht ganz so einfach. Wir sind am Anfang natürlich mit dem Hinweis „rechts“ befasst gewesen, wollten uns allerdings auch für alle anderen Motivlagen die Optionen offenhalten. Die zu frühe Festlegung auf bestimmte Motivlagen ist, wie man im Fall des Anschlags auf die Synagoge sehen konnte, manchmal nicht ganz ungefährlich. Damals ist man ja auch von einem Anschlag von rechts ausgegangen. Es waren aber zwei Jugendliche aus dem Nahen Osten. Wir haben die üblichen Maßnahmen der Ermittlungen getroffen. Wir haben die üblichen Maßnahmen der Fahndung getroffen. Es war eine Ringalarmfahndung ausgelöst worden. Wir haben Anwohner befragt bis zum Gehtnichtmehr. Bei einem Tötungsdelikt befragt man in der Regel nur die Hausbewohner in der näheren Umgebung. Wir haben in dem ganzen Stadtteil die Bewohner etlicher Straßenzüge befragt. Wir haben, ausgehend von der Hypothese, dass möglicherweise der Täter sich verletzt haben könnte, die Krankenhäuser abgefragt, ob es da Hinweise gibt. 552 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Wir haben eine mobile Wache am Tatort eingerichtet, was sehr gut angekommen ist – uns zwar nicht die Hinweise erbracht hat, die wir uns erhofft haben, aber in der Bevölkerung sehr gut angekommen ist. Wir haben eine sehr hohe Auslobung gehabt: 120.000 DM. Darauf haben wir keinen Hinweis bekommen, wo wir sagen können: Da hat sich jemand wegen des Geldes irgendwo gemeldet. Wir haben geguckt, welche öffentlichen Verkehrsmittel, welche Taxen in dem Zeitpunkt unterwegs waren. Wir haben da die Fahrer befragt, die Fahrgäste befragt. Dabei ist nicht allzu viel rumgekommen. Wir haben nach Film- und Bildmaterial gefragt: Wer vom Tatort vor, während oder nach der Tat Bildmaterial hat, möge uns das zukommen lassen. – Wir sind für uns für damalige Verhältnisse überschüttet worden. Heute wäre es wahrscheinlich noch wesentlich mehr gewesen. Es waren aber meistens Bilder oder Filme nach der Explosion. Wir haben bei diversen Diensten nachgefragt, ob wir Satellitenaufnahmen bekommen können. Das mussten wir letztendlich irgendwann einstellen, weil man uns mitgeteilt hat, dass die Satellitenaufnahmen von Nachrichtendiensten nichts bringen werden bei einer Sieben-Achtel-Bewölkung, die wir an dem Tag hatten. Wir haben uns natürlich auch – Sie sprachen es gerade an – um die Opfer gekümmert. Wir haben die Opfer befragt. Wir haben deren Kleidung sichergestellt. Wir haben uns natürlich auch um das Umfeld der Opfer bemüht. Wir haben Ermittlungen in der Sprachschule durchgeführt, um zu gucken: Gibt es da möglicherweise irgendwelche Hinweise, dass die Opfer im Vorfeld bedroht worden sind oder anderweitig angegangen worden sind? Die Dauer dieser Ermittlungen endete ca. Anfang 2001. Es ist dann zunächst mal in die normale Alltagsorganisation übergegangen. Später gab es – darauf werde ich gleich noch kommen – einen Hinweis in Richtung des jetzt in U-Haft befindlichen Menschen. – Das ist der grobe Abriss der Ermittlungen. Als ich am 29.07. angekommen bin, war ich Vertreter der Leiterin Ermittlungen, Frau [B.]. Sie wollte unbedingt neben den Staatsschutzbeamten auch einen MK-Leiter mit drin haben, der unter anderen Gesichtspunkten noch mal auf die Akte guckt. Problem war, dass wir sehr viele Spuren hatten, dass teilweise in Zwölfstundenschichten gearbeitet wurde und dass wir in einem nicht gerade günstig ausgestatteten Raum saßen, sprich: Der Raum war eigentlich gar nicht darauf eingerichtet, dass man sich da als Ermittlungskommission breitmacht. Mein Konzept war es, die allgemeinen Ermittlungen, insbesondere natürlich auch im Bereich der rechten Szene mit Unterstützung Staatsschutz, zu forcieren, die Anwohnerbefragung voranzutreiben, die Fahndung, das Kümmern um die Opfer und auch die technische Telekommunikationsüberwachung. Wir haben täglich zwei Besprechungen mit allen Mitgliedern gemacht. Ich habe also nicht kaskadenförmig auf Unterabschnittsleiter runtergebrochen, sondern wollte, dass je- 553 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der an der Besprechung teilnimmt. Denn nur dann, wenn jeder in der Ermittlungskommission weiß, worum es geht, auf welchem Stand wir sind, kann auch jeder die richtigen Fragen stellen; nur dann kann auch jeder seine eigenen Spuren ordentlich bewerten.“3158 Während der Ermittlungen der EK Ackerstraße haben sich nach Aussage des Zeugen Dietmar Wixfort im Wesentlichen drei Spuren ergeben, die weitere Ermittlungsansätze geboten hätten. Hierzu hat er ausgeführt: „Wir hatten, als ich angekommen bin und in der Folgezeit – darauf möchte ich mich jetzt im Augenblick beziehen –, was die Personenspurenlage angeht, eigentlich drei mehr oder weniger heiße Spuren. Das war die Spur auf einen [N.] B. Der war sofort in der Anfangsphase als jemand bezeichnet worden, der genau so eine Tat schon mal angekündigt haben sollte. Ein Mensch aus der rechten Szene hatte gesagt, er sagt, er möchte dann schon mal eine Bombe schmeißen. Er hat dabei auch den Begriff „ASG“ offensichtlich in den Mund genommen, für die Schulform wohl, in der die Sprachschüler untergebracht waren. Das führte, noch bevor ich in die Kommission kam, dazu, dass sofort Telefonüberwachungsmaßnahmen auf ihn geschaltet wurden. Und vor dem Hintergrund, dass eine Zeugin sagte, da habe jemand mit einem Handy oder mit einem handyähnlichen Gegenstand etwas gemacht, ist auch die erste Funkzellendatenerhebung erfolgt. Das gab es bis dahin noch nicht. Das war eine Spur, die natürlich sehr interessant war. [N.] B. hatte sich mittlerweile nach Bayern abgesetzt, und es war anfänglich nicht ganz klar, ab wann und zu welchem Zeitpunkt. Insgesamt führte die Überprüfung in Bayern durch die bayerischen Kollegen und das dortige Landesamt für Verfassungsschutz dazu, dass wir ihm keinen Tatverdacht nachweisen konnten. Er hatte ein für uns nicht widerlegbares Alibi. Er ist für mich in der Zukunft immer wieder mal interessant geworden – das insbesondere vor dem Hinweis, dass er in München um sich herum eine Gruppe Rechtsextremer geschart hatte, die auch ausgezogen waren, in Ostdeutschland auf ehemaligen Kriegsgebieten Sprengstoff zu sammeln, und es tatsächlich geschafft hat, einige Kilogramm Sprengstoff, TNT, zusammenzubekommen. Die bayerischen Kollegen sind, bevor die Gruppe dort agieren konnte, aufgeschlagen, haben die Gruppe zerschlagen und Personen festgenommen. Einen Zusammenhang mit dem Anschlag auf Wehrhahn habe ich damals dann nicht mehr gesehen und sehe ich nach wie vor nicht. Das Nächste ist die Spur 81. Das ist die Spur um die Person, die jetzt in Untersuchungshaft sitzt. Auf Ralf S. sind in der Anfangsphase sehr viele Hinweise eingegangen. Das waren aber alles Hinweise nach dem Motto: Der könnte es gewesen sein. Der läuft da rum wie der Sheriff von Flingern; der kleidet sich entsprechend; der läuft mit seinem Hund, mit seinem Rottweiler, Patrouille; der macht aus seiner rechten Gesinnung keinen Hehl. – Das waren aber alles Hinweise, die in keiner Weise konkret waren, sondern einfach nur: Das könnte der übliche Verdächtige sein. 3158 554 Wixfort, APr 16/1595 S. 6 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Es führte in der Anfangsphase dazu … Er kam jetzt auch noch in den Verdacht, dass er möglicherweise aus einer Telefonzelle heraus noch eine weitere Bombendrohung abgegeben hatte. Es führte dazu, dass man noch am 29.07. bei ihm durchsucht hat – wobei ich zugeben muss: Das, was da stattgefunden hat, würde ich nicht als Durchsuchung bezeichnen. Ein Team des Staatsschutzes hat sowohl seine Wohnung als auch seinen Militaria-Laden alleine innerhalb einer Dreiviertelstunde durchsucht. Und das kann man nur als mehr oberflächlichen Stubendurchgang bezeichnen, aber nicht als richtige Durchsuchung.“3159 Noch vor diesem „Stubendurchgang“ meldete sich Ralf S. beim PP Düsseldorf und berichtete von Veröffentlichungen im Internet über sich, auf die er unter anderem von Sven Skoda hingewiesen worden sei.3160 Ihm wurde zugesagt, dass die Polizei bei ihm vorbeikommen werde. Als die die Durchsuchung durchführenden Beamten bei Ralf S. eintrafen, erwartete dieser sie bereits vor seinem Haus. Sowohl seine Wohnung als auch seine Geschäftsräume wurden innerhalb von 45 Minuten „durchsucht“.3161 Weiter hat der Zeuge Dietmar Wixfort ausgeführt: „Die Staatsanwaltschaft hat sehr schnell einen Schwerpunkt auf Ralf S. gelegt. Das haben wir auch gesehen. Es wurde jedoch sehr schnell auf Maßnahmen gedrängt, die wir ganz gerne hätten besser vorbereiten wollen. Es sind Anträge auf Telefonüberwachung durch die Staatsanwaltschaft gestellt worden – zunächst mal die Anordnung wegen Gefahr im Verzuge durch die Staatsanwaltschaft, dann der Antrag auf richterliche Bestätigung. Der ist erst mal abgelehnt worden durch einen Richter, der sagte: Ich habe ja überhaupt keinen Tatverdacht. Das ist eine Mutmaßung. – Es ist dann doch durch einen anderen Richter ein Beschluss erlassen worden, der aber auch nur für zehn Tage galt. Man hat also selbst im Bereich der Richterschaft nicht unbedingt den Tatverdacht gesehen, der erforderlich gewesen wäre. Es war dann für den 02.08. geplant, bei Ralf S. erneut zu durchsuchen, wieder an dem Ort Wohnung, Militaria-Laden, Wohnung seiner Freundin Doreen S. wie auch eine Kleingartenparzelle, bei der wir mittlerweile durch Observationsmaßnahmen, die parallel gelaufen sind, festgestellt haben: Er hat sich dort offensichtlich auch aufgehalten. An dem 02.08. standen wir morgens eigentlich mit einer sehr großen Mannschaft Gewehr bei Fuß. Das Problem: Wir warteten auf den Durchsuchungsbeschluss oder die Durchsuchungsbeschlüsse. Die kamen nicht. Wie wir erfahren haben, hat der Richter sich sehr schwer damit getan, einen Durchsuchungsbeschluss zu erlassen. Es gab dann wohl auch auf höherer Ebene – Amtsgerichtspräsident und LOStA – Diskussionen. Und letztendlich haben wir die Durchsuchungsbeschlüsse bekommen, allerdings erst für uns sehr taktisch ungünstig zu einem sehr, sehr späten Zeitpunkt, nämlich kurz nach 16 Uhr. Damit waren für uns natürlich einige Stunden verloren. Wir haben um 16:39 Uhr die Durchsuchung begonnen und haben ihn natürlich auch angetroffen. Ich hatte noch überlegt, Pressestellen-Mitarbeiter da hinzuschicken. Das habe ich auch gemacht. Ich hatte auch kurzfristig überlegt, Kräfte der Einsatzhundertschaft loszuschicken für äußere Absperrungen. Das war nicht mehr erforderlich. Die äußeren 3159 3160 3161 Wixfort, APr 16/1596 S. 9 ff. Vermerk des PP Düsseldorf vom 29. Juli 2000, A25824 S. 55. Vermerk des PP Düsseldorf vom 29. Juli 2000, A25822 S. 110 f. 555 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Absperrungen wurden durch Kamerateams übernommen. Wir hatten also fast mehr Presse als Polizei vor Ort. Das war auf der einen Seite verständlich. Wir hatten vorher noch einen Anruf von einem „EXPRESS“-Reporter, der fragte, ob wir den Ralf S. heute festnehmen würden. Jeder wartete also eigentlich darauf, dass wir was machen, und jeder war in Lauerstellung. Aber für uns war das natürlich auch nicht ganz so förderlich, was Maßnahmen insgesamt angeht. Es war schon sehr abstrus. Wir mussten Ralf S. regelrecht da irgendwo rausschleusen. Das war nicht sehr angenehm; denn eigentlich sollte er von uns ja Druck spüren und nicht, dass wir ihn schützen. Das war nicht prickelnd. Die Durchsuchungen sind bis mitten in der Nacht gelaufen. Wir haben aus dem MilitariaLaden etliches an Material herausgeholt, Asservate ohne Ende – Dekowaffen, Sprengvorrichtungsattrappen, Bundeswehrmaterial, NS-Devotionalien. Es war also deutlich zu erkennen: Natürlich ist das ein Mensch der rechten Szene – oder einer mit rechter Gesinnung; „Szene“ war für mich zu dem damaligen Zeitpunkt noch schwer einzuschätzen. Wir haben aber nichts gefunden, was auf eine Täterschaft bei ihm hindeuten würde. Wir haben Sprengstoffspürhunde sicherheitshalber mit eingesetzt in der Hoffnung, dass die noch was finden. Es ist aber nirgendwo was gefunden worden. Wir mussten Ralf S. dann, da mittlerweile auch das PP von der Presse belagert war, durch einen Hinterausgang nach draußen schleusen, was natürlich auch nicht besonders angenehm für uns war. Am 04.08. ordnete dann die StA die Abschaltung der Telefonüberwachung an. Das haben wir dann auch gemacht. Wir haben allerdings in den nächsten Tagen ein bisschen gesammelt, was ihn angeht, und haben dann mit dem 13.08. erneut TÜ-Beschlüsse, also Telefonüberwachungsbeschlüsse, beantragt. […] Diese Beschlüsse liefen bis zum 10. bzw. 11.09., und die Maßnahmen mussten dann abgeschaltet werden. Problem bei ihm insgesamt war: Ralf S. war bekannt wie ein bunter Hund in seinem Stadtteil. Das war auch sein Stadtteil. Egal welche Maßnahme wir da auch verdeckt versucht haben – es ist entweder ihm oder irgendeinem Reporter aufgefallen. […] Die Bedingungen waren nicht besonders günstig. Gleichwohl haben wir gesagt: Wir überwachen ihn weiter. – Er war also deswegen nicht aus dem Fokus. Parallel – und das ist die nächste, dritte große Spur – hatten wir noch am 01.08. einen Hinweis aus der JVA Remscheid bekommen. Bei JVA-Hinweisen muss man immer sehr vorsichtig sein, weil JVA-Insassen schon mal ganz gerne Hinweise geben, wenn sie irgendwelche Lockerungen haben wollen. Er hatte sich gemeldet und gesagt: Hier sitzt ein Mensch, H[…] E., der einen ziemlichen Hass auf die Justiz hat, sich an der Justiz rächen will, der Elektronikkataloge in die JVA bestellt hat und der mit Sprengmitteln arbeiten will. Diese Spur hatte, wie uns auch sehr deutlich gemacht wurde, eine sehr hohe Aufmerksamkeit sowohl im JM wie auch im IM, weil man nicht so ganz sicher war: Welche Gefahrenlage haben wir denn jetzt hier bei H[…] E.? 556 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Parallel zu den Maßnahmen bei Ralf S. waren wir jetzt also bemüht, einen zweiten Observations- und Telefonüberwachungsabschnitt einzurichten. Das haben wir auch gemacht. Langsam wurde es knapp mit MEK-Kräften. Wir haben dann über die Telefonüberwachung mitbekommen, dass der Hinweis „Hass auf die Justiz“ nach wie vor aktuell ist, und wir hatten mittlerweile festgestellt, dass H[…] E. Waffennarr war und seine Wohnung zu einer Festung ausgebaut hatte. Am 03.08., also einen Tag nach den Durchsuchungen bei Ralf S., erfolgte die Durchsuchung der Wohnung des H[…] E., der ganz am Anfang auch freimütig erklärte: Ich habe ja noch einen Keller bei meiner Mutter in Düsseldorf. – Den haben wir auch noch durchsucht. Während der Durchsuchung bin ich angerufen worden von den Kollegen vor Ort, die sagten: Wir brauchen hier dringend einen Entschärfer. Wir wissen nicht, was dieser Mensch hier alles in seiner Wohnung, in seinem Keller hat. Bei den Durchsuchungen, die sich auch über mehrere Tage hinzogen, haben wir etliche elektronische Bauteile gefunden, die als Zünder fungieren konnten. Wir haben Waffen gefunden. Wir haben Munition gefunden. Wir haben Reste von Sprengstoff gefunden. Wir haben leere Sprengvorrichtungen gefunden – und einen höheren Bargeldbetrag. Wir haben ihn mitgenommen zur Vernehmung. Er hat sich als absolut polizeierfahren dargestellt. Er ließ sich durch uns überhaupt nicht ob dieses wirklich sehr heftigen Vorwurfs, möglicherweise verantwortlich für eine Sprengstoffexplosion zu sein, aus der Ruhe bringen. Wir haben ihn die Nacht dabehalten und haben ihn am nächsten Tag entlassen. […] Letztendlich konnten wir bei ihm feststellen, dass er tatsächlich für den 27.07.2000 – zumindest für den Explosionszeitpunkt, aber auch für die Zeiten davor – ein Alibi hatte, das wir ihm nicht widerlegen konnten.“3162 Weiter gab der Zeuge Dietmar Wixfort an, dass im Jahr 2001, nachdem die meisten Ermittlungen zunächst einmal eingestellt oder abgeschlossen gewesen seien, ein Aussteiger aus der rechten Szene, B. W., mitgeteilt habe, Ralf S. habe ihm gesagt, er könne Waffen oder Sprengstoff anliefern. Zudem habe Ralf S. angeboten, ihm eine Handgranate zu besorgen. Dieses Angebot habe er abgelehnt. Das auf diesen Hinweis eingeleitete Verfahren wegen Verstoßes gegen das Waffen- und das Kriegswaffenkontrollgesetz habe der Polizeiliche Staatsschutz ohne Beteiligung der EK Ackerstraße geführt. Ein Tatnachweis habe aber trotz Einsatz aller nach der StPO möglichen verdeckten Maßnahmen nicht geführt werden können. Im Juli 2001 habe die EK Ackerstraße die Ermittlungen übernommen. Nachdem verdeckte Maßnahmen ebenfalls nicht zum Erfolg geführt hätten, seien sie zu offenen Maßnahmen übergegangen. Nachdem eine Durchsuchung Ende 2001 negativ verlaufen sei, habe es keine weiteren Ermittlungsansätze gegeben. Zu den weiteren Ermittlungen nach 2001 hat der Zeuge Dietmar Wixfort ausgesagt: „In den Jahren habe ich das als alleiniger Sachbearbeiter weiterbetrieben. Ich habe mich natürlich in der Folgezeit mit anderen Dienststellen in Verbindung gesetzt. Ich habe natürlich wegen der Keupstraße bei Markus Weber angerufen und gefragt: Wie sieht es bei euch aus? Was habt ihr? Können wir uns abgleichen? 3162 Wixfort, APr 16/1596 S. 9 ff. 557 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Wir haben uns dann auch miteinander besprochen. Wir hatten im Rahmen unseres Verfahrens eine Phantomzeichnung, die ich mit aller Skepsis betrachtet habe, die auf der einen Seite Ralf S. hätte darstellen können, wie sie auch eine Ähnlichkeit mit der Phantomzeichnung in Köln gehabt hatte, allerdings auch Ähnlichkeiten mit Leuten, die wir im Rahmen des Verfahrens immer wieder mal gesehen hatten. Eine Verbindung zur Keupstraße gab es so nicht. Noch in späteren Jahren habe ich Hinweise auf Menschen bekommen, die sich mit der Tat gebrüstet haben – so ein Mensch aus Berlin. Ich bin eigens in Berlin gewesen und habe dort verschiedene Vernehmungen gemacht. Dieser Mensch hatte offensichtlich ein Alibi, hatte aber auch bezeichnenderweise wieder Kontakte zu Ralf S.. Wir haben uns seinerzeit vor dem Hintergrund, dass uns nicht so ganz klar war, was wir hier für eine Sprengvorrichtung haben, natürlich des Tatmittelmeldedienstes bedient. Da sind wir auch negativ beschieden worden. Das war mir zu wenig. Die BKA-Beamten, die drin waren, auch regelmäßig sogar eine Tagung für Sprengstoffermittlungsbeamte durchführten, haben unseren Fall dort vorgestellt – auch in einer Breite, was das Tatmittel angeht, die wir so in der Öffentlichkeit nicht hatten. Das war eine bundesweite Besprechung. Auch da gab es keine Rückmeldungen. Ich hatte die Möglichkeit, auf verschiedenen Tagungen in Bremen an einem PFI teilzunehmen, wo ich den Sachverhalt vorgestellt habe. Ich hatte auch die einmalige Gelegenheit, das Delikt auf einem internationalen Symposium, ausgerichtet vom BKA, für Sprengstoffermittlungsbeamte vorzustellen. Ich will mal so sagen: Ich hatte das Pech, dass das Ende 2001 war. Man hat sehr höflich zugehört, man hat genickt, und man hat auf den Referenten nach mir gewartet. Das war der FBI-Agent, der zu 9/11 etwas erzählt hat, sprich: Zu dem Zeitpunkt interessierte sich plötzlich kein Mensch mehr für rechts. Das war ein wenig schade. Zwischendurch gab es auch immer mal wieder Hinweise, die Russen-OK könnte das gewesen sein. Es gab einen Journalisten, der uns zwischendurch immer wieder auf mögliche Verstrickungen der Opfer und LEG und Jüdische Gemeinde hinweisen wollte. Das waren sehr abstruse Geschichten. Aber man stellte auch fest: Die Meinung in der Öffentlichkeit schwankte ganz munter. Ich habe aber Jahre später immer noch Hinweise von Kollegen bekommen, die die Ackerstraße sofort mit rechts in Verbindung gemacht haben. Von daher waren wir da eigentlich auf der sichereren Seite.“3163 b. Einbindung anderer Behörden aa. Einbindung des Verfassungsschutzes Nach Aussage des Zeugen Dietmar Wixfort sind in der ersten Phase insgesamt 42 WE-Meldungen und 13 Lagefortschreibungen, die ein bisschen ausführlicher sind, abgesetzt worden. In den Meldeweg einbezogen waren das IM NRW, die Bezirksregierung, der Verfassungsschutz NRW, das BKA und das BfV. Dabei sei sehr früh der Hinweis erfolgt: „Wir haben TNT. Wir haben Hinweise auf Beteiligte der rechten Szene“.3164 Weiter hat der Zeuge Dietmar Wixford angegeben, dass zu allen in die Ermittlungen der EK Ackerstraße einbezogenen Personen aus der rechten Szene der Verfassungsschutz NRW um Mitteilung dortiger Erkenntnisse ersucht worden sei. Auf die entsprechenden Anfragen 3163 3164 558 Wixfort, APr 16/1596 S. 13 f. Wixfort, APr 16/1596 S. 9. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sei in keinem Fall, auch nicht betreffend Ralf S., eine Rückmeldung des Verfassungsschutzes NRW erfolgt.3165 Der Zeuge Ralf Herrenbrück hat zur Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz NRW ausgeführt: „Ich in Person habe in diesem Verfahren keinen einzigen Kontakt zum Landesamt oder Bundesamt für Verfassungsschutz gehabt, muss aber an dieser Stelle natürlich einbinden, dass ich ja nicht von Anfang an mit der Sache befasst war und zu einem späteren Zeitpunkt vermutlich auch kein Anlass mehr bestanden hat, mit mir Kontakt aufzunehmen, sodass es jetzt in der Sache nicht weiter verwundert. Ich habe natürlich diesen Aspekt mit dem Kommissionsleiter erörtert, insbesondere nach dem Wissen um das NPD-Verbotsverfahren I und die daraus resultierenden Erkenntnisse über das Landesamt. Die Antworten, die ich da erhalten habe vom Herrn Zeugen Wixfort, haben mir den Eindruck vermittelt, dass in diesem Bereich alle Absprachen erfolgt sind, soweit man sie treffen kann. Das heißt, es gab klare Anweisung, jeden Zeugen dazu zu befragen, wen er sonst noch kennt. Es gab klare Anweisung an die Sachbearbeiter der einzelnen Zeugen, Rücksprache mit der Abteilung 6 zu halten, ob über den Zeugen Erkenntnisse vorliegen oder sonstiges Wissen vorhanden ist. Ob das in jedem Einzelfall erfolgt ist, dafür kann ich natürlich nicht geradestehen, aber diese Kontakte muss es zu Beginn der Ermittlungen in diesem Bereich rechts gegeben haben. Ich selbst habe aber persönlich als Staatsanwalt, der die Ermittlungen führt, keinen Kontakt gehabt.“3166 Am 14. Februar 2012 fand beim Verfassungsschutz NRW eine Besprechung statt, an der neben zwei Mitarbeitern des Verfassungsschutzes NRW der Zeuge Dietmar Wixfort und zwei weitere Polizeibeamte des PP Düsseldorf sowie ein Vertreter des LKA teilnahmen.3167 Der Zeuge Dietmar Wixfort hat angegeben, dass aus Anlass der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 Ende 2011 oder Anfang 2012 eine Besprechung beim Polizeilichen Staatsschutz des PP Düsseldorf stattgefunden habe, an dem auch ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW teilgenommen habe. Bei dieser Besprechung habe er Erkenntnisse zu einer Person abgefragt, die bereits während der Ermittlungen zu dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn im Jahr 2000 als Zeuge in dem Verfahren von Bedeutung gewesen sei. Nachdem seine Anfrage zu dieser Person zunächst abschlägig beschieden worden sei, habe der Verfassungsschutz NRW wenig später den Hinweis gegeben, die Person doch zu kennen. Auf diesen Hinweis sei die Besprechung am 14. Februar 2012 vereinbart worden.3168 Ausweislich des von den Polizeibeamten des PP Düsseldorf über die Besprechung gefertigten Vermerks wurde ihnen vom Verfassungsschutz mitgeteilt, dass es sich bei der Person um eine ehemalige VP des Verfassungsschutzes NRW handele, die bis Mai 2000 tätig gewesen sei. Nachdem der Mitarbeiter des Verfassungsschutz NRW nur unzureichend erklären konnte, warum die Zusammenarbeit mit der VP beendet worden ist, bot er von sich aus an, den ehemaligen VP-Führer hinzuzurufen. Dieser erschien und erklärte nach einem vorherigen Bericht über die Zusammenarbeit mit der VP, die VP könne an dem Sprengstoffanschlag 3165 3166 3167 3168 Wixfort, APr 16/1596 S. 18. Herrenbrück, APr 16/1618 S. 11. Vermerk des PP Düsseldorf vom 14. Februar 2012, A13247 S. 265 f. (VS-nfD). Wixfort, geh 16/14 S. 7 (herabgestuft). 559 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nicht beteiligt gewesen sein, weil sie zur Tatzeit mit ihm zusammen gewesen sei. Im Anschluss sahen sich der Zeuge Dietmar Wixfort und ein weiterer Beamte des PP Düsseldorf veranlasst, sich einer entsprechenden Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, um Einblick in weitere Akten des Verfassungsschutzes NRW zu der VP zu erhalten.3169 Der Zeuge Dietmar Wixfort hat hierzu ausgesagt, dass der Wert zum einen von den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes NRW und zum anderen aus den eingesehenen Akten erlangten Informationen enttäuschend gewesen sei. Enttäuschend deshalb, weil es sich im Wesentlichen um allgemein bekannte Informationen gehandelt habe und keine tiefergehend Erkenntnisse hätten erlangt werden können.3170 Ausweislich des vom PP Düsseldorf gefertigten Besprechungsvermerks soll die VP im Jahr 2004 geäußert haben, der Sprengstoffanschlag sei von Rechten aus dem Osten unter Abdeckung durch die hiesige rechte Szene verübt worden.3171 Auf Nachfrage des Ausschusses hat der Zeuge Dietmar Wixfort angegeben, dass dieser Sachverhalt bereits 2004 an die EK Ackerstraße weitergeben worden sei, d.h. sie hätten Kenntnis vom Inhalt des Hinweises gehabt. In der Folge seien indes keine weiteren Informationen oder Angaben hierzu weitergeleitet worden.3172 Abschließend hat der Zeuge Dietmar Wixfort erklärt, dass er überrascht gewesen sei, dass der VP-Führer der VP ungefragt ein Alibi gegeben haben. Zudem sei er enttäuscht gewesen, dass der Verfassungsschutz NRW nicht bereits im Jahr 2000 die entsprechenden Informationen weitergeben habe. Seine entsprechende Nachfrage sei zudem nicht beantwortet worden.3173 bb. Einbindung des Polizeilichen Staatsschutz Bereits in der am Tattag eingerichteten BAO waren eine Vielzahl von Beamten und Beamtinnen des Polizeilichen Staatsschutz des PP Düsseldorf eingebunden, weil von Beginn an der Verdacht bestand, es könnte möglicherweise ein Delikt mit staatsschutzrechtlichem Hintergrund vorliegen. Ebenso war in der EK Ackerstraße der Polizeiliche Staatsschutz des PP Düsseldorf personell stark vertreten und nach Aussage des Zeugen Dietmar Wixfort wie folgt in die Ermittlungen eingebunden: „Wir haben auch damals natürlich beim Staatsschutz gefragt – deswegen waren die auch in sehr großer Stärke mit in der Kommission –: Was haben wir denn für eine Szene in Düsseldorf? Wobei man sagen muss, dass die Szene in Düsseldorf jetzt nicht so war wie beispielsweise die Szene in Wuppertal. Wir haben auch viele Hinweise auf die rechte Szene in Wuppertal bekommen. Gleichwohl hatten wir natürlich in Düsseldorf, in Nordrhein-Westfalen mit einem anderen Menschen, der das NIT, das Nationale Infotelefon, besprochen hat, auch jemanden aus dem Umfeld von Ralf S., der nicht ganz uninteressant war.“3174 c. Hinweise auf ein rechtsmotiviertes Delikt Vor dem Hintergrund der Herkunft der Opfer wurde von außen sehr schnell an die EK Ackerstraße ein Zusammenhang der Tat mit der „Russenmafia“ herangetragen. Eine bereits vorab 3169 3170 3171 3172 3173 3174 560 Vermerk des PP Düsseldorf vom 14. Februar 2012, A13247 S. 265 f. (VS-nfD). Wixfort, geh 16/14 S. 9 (herabgestuft). Vermerk des PP Düsseldorf vom 14. Februar 2012, A13247 S. 265 f. (VS-nfD). Wixfort, geh 16/14 S. 7 (herabgestuft). Wixfort, geh 16/14 S. 8 (herabgestuft). Wixfort, APr 16/1596 S. 17. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aus anderem Anlass erfolgte Überprüfung der Opfer hatte indes keine Bezüge eines Opfers zur organisierten Kriminalität ergeben.3175 Der Zeuge Ralf Herrenbrück hat in diesem Zusammenhang sowie auf die Frage, ob in Richtung der Opfer oder deren Umfeld ermittelt worden ist, ausgesagt: „Dieser Vorwurf kommt ja reflexhaft auf. Ich meine, den für dieses Verfahren entschieden zurückweisen zu können und dies auch aus den Akten belegen zu können. Es hat überhaupt keine Umfeldopferermittlungen gegeben in der Zeit, in der ich zuständig bin. Sie finden vielmehr eine relativ deutliche Zurückweisung durch meine Person, was das von außen angetragene Ansinnen angeht, in dem Bereich zu ermitteln. In unseren Presseverlautbarungen ist ja immer auch als ein denkbarer Bestandteil der Prüfungen aufgetaucht der Punkt „Beziehungstat oder organisierte Kriminalität?“, was ja dann gedanklich jedenfalls in diesen Opferbereich führt. Es hat aber in diesem Bereich Ermittlungen im Umfeld der Opfer oder bei den Opfern selbst überhaupt nicht gegeben. Es hat überhaupt kein aktives Untersuchen seitens der Ermittlungsbehörden gegeben. Was es gegeben hat, ist die sorgfältige Abprüfung von zwei auswärtigen OK-Delikten osteuropäischen Hintergrundes. Da hat man sich natürlich darum bemüht, zu gucken, ob es Beziehungen in den Großraum Düsseldorf und zu dieser Tat gibt. Das ist aber alles ohne Wissen und ohne Ermittlungen im Umfeld der Opfer geschehen. Diese Theorie ist ausgerechnet von Teilen der Presse sehr stark vertreten worden. Ich habe es jetzt natürlich zur Vorbereitung auf den Termin noch mal nachgelesen; befindet sich so rund um Blatt 3030. Die Annahme – ich möchte die Theorie hier nicht vertiefen, weil sie ja nur zur Verbreitung derselben führt –, aber dass es eben aus dem Bereich der Opfer einen OK-Hintergrund gegeben haben könnte – ich glaube, der Vermerk, den ich darüber gefertigt habe, ist eindeutig. Solche Ermittlungen finden nicht statt. Die Strafprozessordnung gibt das nicht her, und der einzige überprüfbare Anhalt in dieser Berichterstattung hat sich als nicht zutreffend erwiesen. Eine Person in einer Botschaft, die mit diesen Hintergründen in Verbindung gebracht wurde, arbeitete gar nicht bei der Botschaft. Das heißt, alles, was in diese Richtung mündet, ist am Schreibtisch geprüft, abgearbeitet worden. Ermittlungen im Umfeld der Opfer haben zu meiner Zeit nicht stattgefunden.“3176 Gegenstand der Ermittlungen war zudem die Prüfung eines allgemein-kriminellen Hintergrunds der Tat sowie einer Beziehungstat, wobei sich für beide Motivlagen keine Anhaltspunkte haben finden lassen.3177 Nach Aussage des Zeugen Dietmar Wixfort bestand bereits am Tattag der Verdacht, es könnte möglicherweise ein Delikt mit staatsschutzrechtlichem Hintergrund vorliegen. Entsprechend sei der Polizeiliche Staatsschutz in die Ermittlungen eingebunden gewesen. Dieses Tatmotiv sei während der weiteren Ermittlungen weiter als das wahrscheinlichste angesehen worden.3178 3175 3176 3177 3178 Zusammenfassender Bericht des PP Düsseldorf vom 8. Juli 2009, A25685 S. 232. Herrenbrück, APr 16/1618 S. 7 f. Zusammenfassender Bericht vom 8. Juli 2009, A25685 S. 232. Wixfort, APr 16/1596 S. 6, 20 f.. 561 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 Zu den Ermittlungen nach der Selbstenttarnung des NSU am 4. November 2011 hat der Zeuge Dietmar Wixfort ausgeführt: „Im Jahr 2011 gab es dann das Bekanntwerden des NSU. Am 11.11.2011 – daran kann ich mich noch gut erinnern, weil ich eigentlich auf einer Feier eingeladen war – hieß es dann: Um 18 oder 19 Uhr soll eine Besprechung im Innenministerium stattfinden. – Die Kollegen aus Köln, aus Dortmund und Düsseldorf waren da. Ich war mittlerweile in Neuss tätig und habe an dieser Besprechung auch teilgenommen. Die ersten schlimmen Bilder der DVD wurden vorgestellt, und man hat überlegt: Wie geht man das Ganze an? Am 14.11. fand eine Besprechung im LKA NRW statt unter Beteiligung der jeweiligen Kommissionen, der Staatsanwaltschaften und des Innenministeriums und auch des Verfassungsschutzes. Ich bin dann nach Düsseldorf abgeordnet worden. Es galt jetzt, das, was man aus dem Verfahren NSU an Daten bekam, mit den Daten „Ackerstraße“ abzugleichen. Ich habe das, was ich bekommen habe, akribisch mit den Daten abgeglichen und habe letztendlich keinerlei Zusammenhang erkennen können. Man hatte ja diese DVD gefunden. Auf dieser DVD fand der Anschlag Wehrhahn in keiner Weise Erwähnung. Das war für mich natürlich der erste Punkt, wo ich sagen muss: Hm, kann das überhaupt sein? – Auf der anderen Seite war ja nicht so ganz klar: Wann, warum ist diese DVD erstellt und jetzt in Umlauf gebracht worden? Das BKA hat den Tatort des Brandes, wo Zschäpe ja letztendlich versucht hat, alle Beweismittel zu vernichten, sehr akribisch untersucht. Man hat dabei, wie auch bei Durchsuchungen von Beschuldigten oder ja mittlerweile Angeklagten in dem Verfahren, auch alte Materialen für diese DVD des NSU gefunden, die aus den Jahren 2001 stammten, wo man hätte sagen können: Okay; das ist möglicherweise Material, das später keine Verwendung fand. – Aber auch da war nirgendwo ein Hinweis auf die Ackerstraße vorhanden. Ackerstraße war das Verfahren, weswegen das damalige NPD-Verbotsverfahren initiiert worden war, und es wäre eigentlich für den NSU genau das Verfahren gewesen, das man auch für diese DVD hätte nehmen können. Es tauchte nirgendwo auf. Es gab dann, nachdem diese Überprüfungen abgeschlossen wurden, noch mal im Jahr 2012 eine Überprüfung. Man hatte in sämtlichen Datenbanken alle Daten miteinander abgeglichen, dabei sogenannte Kreuztreffer festgestellt und die ehemaligen Kommissionsleiter beauftragt, diese Daten zu bewerten. Für den Bereich Ackerstraße waren letztendlich 3.000 Datensätze übrig geblieben, die zu bewerten waren. Aber auch da habe ich keinen Zusammenhang feststellen können zwischen der Ackerstraße auf der einen Seite, dem NSU auf der anderen Seite und auch insbesondere unserem Hauptverdächtigen Ralf S. in dem Verfahren. Natürlich gab es durch seine Freundin Doreen S. auch Bezüge nach Ostdeutschland, allerdings verhältnismäßig weit weg, zu Jena, Zwickau und Erfurt. Aber weitergehende Informationen, dass hier eine Verstrickung vorliegen könnte, waren nicht gegeben. Für mich war NSU etwas, wo ich sagte: Wenn es nicht Ralf S. war, wäre das natürlich genau eine Organisation ähnlich den Revolutionären Zellen in den 80er-/90er-Jahren gewesen, wo man sagt: Ja, so eine Organisation wäre natürlich interessant. Wir hatten ja zwischendurch immer mal wieder Hinweise vom Landesamt für Verfassungsschutz und anderen bekommen; nach dem Motto: Wir hören in die rechte Szene 562 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 rein, aber hören zu euch nichts. – Da wäre NSU für mich natürlich schon sehr interessant gewesen. Interessant wäre natürlich auch gewesen, zu erfahren: Gibt es eine Gruppierung vor Ort, die den NSU entsprechend brieft, die liefert? Ralf S. wäre ob seiner sehr offenen, extrovertierten Art für mich allerdings nicht der Ansprechpartner für den NSU gewesen. Nach dem, was ich von Mundlos und Böhnhardt gelesen habe, haben die sehr, sehr, sehr konspirativ gearbeitet – mit Mittelsmännern, mit Verstecken und dergleichen. An einen Ralf S., der ja doch sehr offen und lautstark nach außen getreten war, wäre meiner Einschätzung nach der NSU also nicht herangetreten. Gleichwohl war für mich natürlich klar: Mitglieder des NSU waren Ende 2000 in NRW, in einer Nachbarstadt, in Köln; Probsteigasse, das erste Delikt, Ende 2000 Abgabe des Korbes in der Probsteigasse, Umsetzung dieser Sprengvorrichtung Anfang 2001; 2004 Keupstraße, wieder Köln. Bezüge nach NRW waren also vorhanden, auch über Dortmund. Aber dass wir jetzt irgendwo auch in den aufgefundenen Karten und weiteren Unterlagen irgendeinen Bezug zur Ackerstraße gefunden hätten, konnte ich nicht feststellen.“3179 Der Zeuge Ralf Herrenbrück hat zu den Ermittlungen nach der Selbstenttarnung des NSU angegeben: „Den NSU betreffend war ich an dem Wochenende nach Eisennach genauso überrascht wie Sie als Parlamentarier oder der Bürger auch. Diese Gruppierung hat mir bis dahin nichts gesagt. Ich bin dann am Montagmorgen in einer Besprechung beim Landeskriminalamt bei der Einrichtung der BAO „Trio“ gewesen. Die Ermittlungsergebnisse des Wochenendes sind uns da präsentiert worden, und bereits da war zu spüren, dass wir über einen Prüffall hinaus nicht eingebunden werden. Die damals stattfinden Überlegungen waren, dass nicht erklärlich wäre, warum ein aus Sicht des Trios erfolgreicher und nutzbar zu machender Anschlag nicht nur nicht auf dem dann versendeten Video auftauchte, sondern auch in keinem der bis dahin ausgewerteten Asservate, was ja später auch so geblieben ist. Die BAO „Trio“ hat den Wehrhahn also als Prüffall behandelt durch Einbindung des Zeugen Wixfort. Ich selber habe für mich natürlich auch eine Prüfung vorgenommen. Da fiel auf, dass die Taten, soweit sie im Sprengstoffbereich des NSU stattgefunden haben, deutliche Abweichungen hinsichtlich des verwendeten Sprengmittels, der Art der Anbringung, der Durchführung aufweisen. Das muss natürlich keinen zwingenden Schluss zulassen; das ist mir klar. Der Sprengstoffanschlag am Wehrhahn hat ja glücklicherweise nicht zu Toten geführt. Von daher ist es dann möglicherweise nicht verwunderlich, wenn Täter, die eine solche Absicht haben, anschließend das Ganze umstellen und verändern.“3180 Auf Hinweis des Ausschusses hat der Zeuge Ralf Herrenbrüch klargestellt, dass es sich hierbei um die rein juristische Bewertung handele und tatsächlich eine schwangere Frau ein ungeborenes Kind verloren habe. 3181 3179 3180 3181 Wixfort, APr 16/1596, S. 14 ff. Herrenbrück, APr 16/1618 S. 8. Herrenbrück, APr 16/1618 S. 8. 563 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 4. Ermittlungen ab Juli 2014 Der Ausschuss hatte seit der Übergabe von Ablichtungen der Ermittlungsakten zum Verfahren wegen des Sprengstoffanschlags am S-Bahnhof Wehrhahn im April 2015 Kenntnis von der Wiederaufnahme der Ermittlungen im Juli 2014. Seit diesem Zeitpunkt stand der Ausschuss in regelmäßigem Kontakt mit dem zuständigen Oberstaatsanwalt, dem Zeugen Ralf Herrenbrück, und dem Leiter der Ermittlungskommission, dem Zeugen Udo Moll und ließ sich von beiden über den Fortgang der verdeckt geführten Ermittlungen unterrichten. In Beachtung des gesetzlichen Rücksichtnahmegebots sind diese Informationen bis zum Zeitpunkt der Festnahme eines Tatverdächtigen vom Ausschuss vertraulich behandelt worden. a. Ermittlungsmaßnahmen Mit Schreiben vom 4. Juli 2014 teilte die JVA Castrop-Rauxel dem PP Castrop-Rauxel mit, dass ein Inhaftierter glaubhaft mitgeteilt habe, der ebenfalls dort inhaftierte Ralf S. habe ihm gegenüber erklärt, der Täter des Rohrbombenanschlags auf dem Flughafen Düsseldorf im Jahr 2000 zu sein.3182 Mit Telefax vom gleichen Tag leitete das PP Castrop-Rauxel die Mitteilung an das PP Düsseldorf weiter und wies zugleich darauf hin, dass es sich um den Anschlag am S-Bahnhof Düsseldorf Wehrhahn handeln dürfte.3183 In seiner zeugenschaftlichen Vernehmung am 14. Juli 2014 gab der hinweisgebende Inhaftierte an, er habe Ralf S. Anfang Juni 2014 in der JVA Castrop-Rauxel kennengelernt. Während des ersten Gesprächs hätten sie festgestellt, dass die beide bei der Bundeswehr gewesen seien und daraus habe sich ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen entwickelt. In der Folge hätten sie täglich miteinander gesprochen. Auf Initiative von Ralf S. hätten sie sich dann über Sprengstoff und Sprengungen unterhalten. Am 4. Juli 2014 habe Ralf S. ihm dann mitgeteilt, dass er an einem S-Bahnhof in Düsseldorf oder Ratingen eine Rohrbombe gezündet habe.3184 Der Zeuge Udo Moll, Leiter der auf diesen Hinweis eingeleiteten EK Furche, hat zu den weiteren Ermittlungen ausgeführt: „Wir haben dann in die Ermittlungskommission so ein bisschen Struktur reingebracht. Es liefen operative und verdeckte Maßnahmen gegen den Beschuldigten auf der einen Seite an. Und auf der anderen Seite konnte ich ein Ermittlungsteam zusammenstellen, wobei ich da auch eine große Unterstützung aus dem Haus erfahren hatte, um mit Kollegen zusammenzuarbeiten, mit denen ich schon sehr viele Mordfälle aufklären konnte. So sind wir hingegangen und haben in einem ganz kleinen Team nicht nur die Spur des Beschuldigten neu aufgerollt oder uns die alten Spuren angesehen, sondern 333 andere Spuren betrachtet. Wir haben im Grunde genommen, was uns einen großen Schritt nach vorne brachte, die Operative Fallanalyse aus dem LKA hinzugezogen, das, was ich in der Pressekonferenz auch schon gesagt habe. Das Wichtige daran ist, diesen Kollegen vom LKA im Grunde genommen nur die objektiven Dinge mitzuteilen und denen nicht zu sagen: Wir haben hier einen auf dem Kieker, der ist es vielleicht gewesen. – Sondern denen haben wir den ganzen Tatbefund, die Lichtbilder, Asservate und die Verletzungen des Opfers zur Verfügung gestellt. Und dann war im Grunde genommen das Erstaunliche, dass sechs Kriterien der Täteranalyse genau auf unsere Person, den Beschuldigten, zutrafen.“3185 3182 3183 3184 3185 564 Telefax der JVA Castrop-Rauxel vom 4. Juli 2014, A25848 S. 32. Telefax des PP Castrop-Rauxel vom 4. Juli 2014, A25848 S. 33. Vernehmung vom 14. Juli 2014, A25848 S. 58 ff. Moll, APr 16/1596 S. 49 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Und weiter: „Wir haben neben dieser Aussage von dem Mitinsassen zwei Zeugen vernommen, die damals aus meiner Sicht zu nah dran waren an dem Tatverdächtigen, die jetzt mit Abstand sehr prägnante Aussagen getroffen haben. Zum einen haben die tatsächlich gesagt, dass er aus Wut über die Ausländer, über das alles, worüber er sich so aufgeregt hatte, vor der Tat schon gesagt hat, dass er dort die Leute wegsprengen will. – Und das war das eine, was so prägnant war. Das andere war eine Zeugenaussage – das war eine sehr zuverlässige Zeugenaussage, da gab es auch noch ein Tagebuch von damals –, und der Zeuge hatte den Beschuldigten jeweils um 15 Uhr, zur Tatzeit, am S-Bahnhof Wehrhahn gesehen, als er dort an einer Bushaltestelle saß, aber nie den Bus nahm. Und wir haben gedacht bzw. nehmen an, dass das zum Ausbaldowern der Opfergruppe galt. Dann gab es einen Vorfall aus dem Herbst 1999, wobei es eine direkte Konfrontation zwischen dem Beschuldigten und zwei – aus unserer Sicht von ihm engagierten – Neonazis gab, die sich über einen Zeitraum von zwei Wochen bedrohlich vor der gegenüber dem Militaria-Laden befindlichen Dependance der Sprachschule aufbauten und die Sprachschüler – von außen war die Schule als solche zu erkennen – dort bedrohten. Sie hatten einen Kampfhund dabei. Sie waren im Nazioutfit mit Ledermantel und Springerstiefeln. Und die beiden Zeugen berichteten, dass sie regelrecht Angst hatten. Ein Zeuge traute sich gar nicht, den beiden Männern in die Augen zu schauen. Wir stellten auch fest, dass im Vorfeld dieser Zeit dort rechte Aufkleber an den Laternenmasten klebten: Ausländer raus! – Das konnten wir dann belegen. Es gab dann die Situation, dass diese Gruppe auf Deutsch gesagt die Schnauze voll hatte von diesen Bedrohungen und zu einer Gegenaktion schritt. So nach ca. zwei Wochen ist diese Gruppe gemeinschaftlich vor das Fenster getreten – der Unterrichtsraum war in der ersten Etage – und ist diesen beiden Männern auf der anderen Straßenseite – das sind so 13 m lediglich – am Fenster entgegengetreten und hat eine gemeinsame Aktion vorgenommen. Daraufhin sind die beiden Männer, die die Zeugen in direkten Zusammenhang mit dem Beschuldigten bringen, in dem Laden verschwunden, und danach hörte das auf. Für uns ist es natürlich irgendwo denkbar, dass das der Motivauslöser gewesen sein konnte. Das war im Herbst 1999.“3186 In der Folge führte die EK Furche zahlreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen durch, die weitere Indizien für eine Täterschaft des Ralf S. ergaben. Am 31. Januar 2017 wurde der Tatverdächtige Ralf S. festgenommen und aufgrund eines Haftbefehls des AG Düsseldorf in Untersuchungshaft genommen. Auf die Nachfrage zu einer Zeugin, die angeblich im Rahmen einer erneuten Vernehmung ein Alibi für Ralf S. widerrufen habe, hat der Zeuge Ralf Herrenbrück angegeben, dass ihn das Wort „Alibi“ extrem störe. Diesbezüglich hat er klargestellt: „Dieser Beschuldigte hatte kein Alibi, und die Zeugin, von der jetzt die Rede ist, hat nie gesagt: „Ich kann ihm ein Alibi geben“, in diesem Begriffssinne. Das ist damals nicht Gegenstand der Vernehmung gewesen. Sie wissen jetzt nicht, welche Zeugin es ist, sonst könnten Sie es nachlesen. Es ist einfach so, dass der Tagesablauf dieses Beschuldigten geschildert wurde, dass erklärt wurde, dass man sich bezüglich der Tageszeiten relativ 3186 Moll, APr 16/1596 S. 50 f. 565 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sicher ist, weil ... Und wenn das gestimmt hätte, wäre es für ihn sehr schwierig gewesen, die Strecke bis zum Tatort zurückzulegen. […] Das heißt, er hatte kein Alibi, sondern die Ermittlungen waren so, dass es schwierig war, ihn zeitlich an den Tatort ... Also, da musste nicht jemand groß widerrufen und sagen: 'Ich kehre jetzt um zur Wahrheit', sondern es war einfach nur die Nachfrage erforderlich, ob es nach dem Gesamtabgleich mit den Zeiten auch anders gewesen sein könnte. Ich möchte es dabei belassen; das sind Vernehmungen aus einer späteren Zeit. Nur, wenn Sie die Zeugenaussagen damals, die sich zu diesem Beschuldigten und seinem Tagesablauf verhalten, durchsehen, dann werden Sie nicht einmal das Wort 'Ich gebe ihm ein Alibi' finden. Darum ging es nicht, es ging um die zeitliche Vereinbarkeit.“3187 b. Hinweise auf Täterschaft des NSU-Trios oder sonstige Mittäter Nach übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Ralf Herrenbrück und Udo Moll ergaben die weiteren Ermittlungen seit Juli 2014 keine Anhaltspunkte für einen Zusammenhang des Sprengstoffanschlags am S-Bahnhof Düsseldorf Wehrhahn mit den Taten des NSU.3188 Der Zeuge Ralf Herrenbrück hat insoweit ausgeführt: „Hinzu kommt, dass ich zwischenzeitlich über gewisse Kontakte nach Karlsruhe deswegen verfügte, weil ich Ansprechpartner für den politischen Extremismus meiner Behörde bin und da den Bereich Salafismus betreue, sodass ich zeitgleich auch immer Informationen aus Karlsruhe bekommen habe. Ich habe dann zur Vorbereitung der Übersendung der Unterlagen an diesen Ausschuss auch eine schriftliche Anfrage an den Sachbearbeiter des Komplexes Carsten Ludwig S. beim GBA gestellt. Und von daher befindet sich bei den Vorgängen die Bestätigung, dass es keinerlei Hinweise auf eine Verstrickung des NSU in den Anschlag am Wehrhahn gibt, dass es aber andererseits auch nicht gelungen ist, ein taggenaues Bewegungsbild auch für den Juli 2000 zu erstellen, sodass ein naturwissenschaftlicher Ausschluss in dem Sinne, dass man sagen kann: „Wir können zwingend belegen, Sie waren am 27.07.2000 an dem und dem Ort“ nicht möglich ist. Ich habe ja zur Vorbereitung auf die Sitzung vor zwei Wochen noch mal Rücksprache gehalten anlässlich einer Tagung. Die Antwort, die damals gegeben wurde und jetzt bei den Akten befindlich ist, ist auch heute noch aktuell. Also, Veränderungen haben sich nicht ergeben. Weitere Aufklärung haben wir noch versucht, zu betreiben – um das zu vervollständigen und abzuschließen –, durch die Vernehmung des Carsten Ludwig S. Der war insofern interessant, weil der Festnahmeort für ihn in Düsseldorf lag. Das ist der Beschaffer der Ceska, mit der die Morde begangen wurden. Von daher lag es nahe, ihn auch unter dem Gesichtspunkt des Komplexes „Wehrhahn“ zu seinen Kenntnissen zu vernehmen. Wir haben das über viele Stunden gemacht. Das Ergebnis: Die Niederschrift war am Ende identisch mit dem, was Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft hervorgebracht haben. Wir konnten ergänzende Fragen zur Düsseldorfer Szene und zu seinen Kenntnissen dort stellen. Das war negativ, sowohl was Kenntnisse über die Tat insgesamt angeht, als auch Kenntnisse von Aufenthalten des NSU oder Bezügen des NSU zu 2000. 3187 3188 566 Herrenbrück, APr 16/1618 S. 20. Moll, APr 16/1596 S. 51; Herrenbrück, APr 16/1618 S. 9. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Man muss hinzusagen, dass in der Bewertung der Zeuge glaubhaft wirkte und einfach das Problem darin bestand, dass er erst 2003 nach Düsseldorf kam. Er hat Angaben gemacht – die Sie in der Vernehmungsniederschrift finden – zum Zustand der rechten Szene im Jahre 2003. Er hatte aber sehr wenig Kenntnisse über die Zeit zuvor. Und er hatte dann auch keine aktuellen Kenntnisse mehr zum Zeitpunkt „Festnahme des NSU, was wird gesprochen jetzt“, weil er zu dem Zeitpunkt längst sein Leben komplett umgestellt hatte, in einem ganz anderen Berufsfeld war und Bezüge zur rechten Szene zu dem Zeitpunkt nicht mehr bestanden.“3189 Entgegen der Aussage des Zeugen Ralf Herrenbrück machte Carsten S. in dieser Vernehmung keine Angaben zur rechten Szene in Düsseldorf. Er gab lediglich an „immer mal wieder“ das NIT-Rheinland angerufen zu haben, ohne dabei gewusst zu haben, dass dieses von Sven Skoda betrieben wurde. Dessen Namen kenne er aber, die Namen Ralf S. und A. M. hingegen habe er nie gehört.3190 Weiter hat der Zeuge Ralf Herrenbrück angegeben, dass nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen zudem davon auszugehen sei, dass der Tatverdächtige Ralf S. die Tat als Einzeltäter begangen hat.3191 Der Zeuge Udo Moll hat hierzu ausgesagt: „Wie gesagt, wir gehen zum derzeitigen Ermittlungsstand – und das bestätigt auch die Bewertung der Operativen Fallanalyse – von einem Einzeltäter aus. Wir selber sind jetzt in den laufenden Ermittlungen. Deshalb ist es jetzt so wichtig, da auch weitermachen zu können, weil wir vorher in der rechten Szene oder bei rechtsgesinnten Personen um den Beschuldigten herum nicht intensiv ermitteln konnten, weil wir immer Gefahr gelaufen sind, dass sie dem Bescheid sagen. Und so nutzen dann unsere operativen Maßnahmen nichts mehr. So sind wir jetzt von den verdeckten Maßnahmen in die offenen gegangen und gehen jetzt an diese Personen ran. Aus unserer persönlichen Sicht der Kommission kann ich sagen, dass wir schon davon ausgehen, dass es dort Mitwisser gegeben hat.“3192 5. Umgang mit den Opfer a. Nach dem Tatgeschehen und während der Ermittlungen Die Opfer wurden durch das KK Kriminalprävention / Opferschutz des PP Düsseldorf bis ins Jahr 2001 betreut. Im Jahr 2004 wurden die Opfer durch die EK Ackerstraße nochmals kontaktiert.3193 b. Nach der Selbstenttarnung des NSU Nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 beauftragte die EK Ackerstraße das KK Kriminalprävention / Opferschutz des PP Düsseldorf mit einer persönlichen Kontaktaufnahme mit den Opfern des Sprengstoffanschlags am S-Bahnhof Düsseldorf Wehrhahn.3194 Auftragsgemäß nahm das KK Kriminalprävention / Opferschutz Kontakt mit den Opfern auf und informierte sie, dass - geprüft werde, ob es Zusammenhänge mit den rechtsextremistischen Anschlägen der Thüringer Zelle gibt, 3189 3190 3191 3192 3193 3194 Herrenbrück, APr 16/1618 S. 20 ff. Vernehmung des Carsten S. vom 26. Februar 2013, A25846 S. 266 ff. Herrenbrück, APr 16/1618 S. 20 ff. Moll, APr 16/1596 S. 52. Vermerk des PP Düsseldorf vom 18. November 2011, A25685 S. 237. Vermerk des PP Düsseldorf vom 18. November 2011, A25685 S. 237. 567 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode - Drucksache 16/14400 derzeit keine Hinweise auf einen Zusammenhang erkennbar seien, neue Erkenntnisse aus den Ermittlungen übermittelt werden würden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KK Kriminalprävention / Opferschutz jederzeit für Fragen und Hilfen zur Verfügung stünden.3195 c. Während der Ermittlungen ab Juli 2014 Der Zeuge Ralf Herrenbrück hat zum Umgang mit den Opfern in den Ermittlungen seit Juli 2014 ausgeführt: „Wir haben uns insbesondere natürlich bei der Wiederaufnahme der Ermittlungen auch in die Lage der Opfer versetzt und versetzen müssen. Ich denke, dass es für die ganz außergewöhnlich schwierig ist, insbesondere da ihnen möglicherweise auch im Rahmen von der seelsorgerischen Betreuung natürlich irgendwann auch der Eindruck vermittelt werden musste, dass die Tat vielleicht nicht mehr geklärt werden kann und sie mutmaßlich – so jedenfalls die Annahme in der Kommission – ihr Leben danach ausgerichtet haben, damit leben zu müssen, dass die Aufklärung der Tat unterbleibt, und zwar deswegen, klar, dass wir auf jeden Fall versuchen werden, die Opfer über unsere Ermittlungsfortschritte zu einem Zeitpunkt, wo man es verantworten kann, vorab zu informieren, damit sie nicht mit diesen Informationen aus der Presse konfrontiert werden. Ich habe bei der persönlichen Bestimmung dessen, wann ich den dringenden Tatverdacht für unabwendbar bestätigt gefunden habe, auch das berücksichtigt, dass es nicht möglich ist, hier frühzeitig Hoffnungen zu schüren, die einer Tiefenüberprüfung nicht standhalten. Wir haben, nachdem wir den Haftbefehl bekommen haben, ein Mitglied der damaligen Kommission damit betraut, die aktuellen Anschriften der Opfer zu ermitteln, sich auf entsprechende Gespräche vorzubereiten, und die sind am Tag der Festnahme noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahmen erfolgt. Ich habe mich zuletzt informiert kurz vor Beginn der Pressekonferenz. Da waren von den zwölf Zeugen, die Gegenstand des Vorwurfs im Haftbefehl sind, zehn informiert. Wir haben da in diesem Bereich also unser Möglichstes getan. Hinzu kommt, dass der Opferschutzbeauftragte der Polizei eingeschaltet wurde, entsprechende Verbände, die sich um Opferschutz bemühen, kontaktiert hat und dass wir in der zeitnahen Folge auch ein gemeinsames Treffen mit den Opfern arrangiert haben, um diese zu unterrichten, soweit das möglich ist, und um ihnen auch den entsprechenden Rat und die entsprechende Unterstützung zur Seite zu stellen, die jetzt durch das hoffentlich in einen Prozess mündende Neuverfahren entstehen.“3196 Auf Nachfrage hat er klargestellt, dass bis zum Beginn der Pressekonferenz zehn der zwölf Opfer haben benachrichtigt werden können. Zwischenzeitlich aber Kontakt zu allen Opfern bestehe.3197 Weiter hat der Zeuge Ralf Herrenbrück zum Umgang mit den Opfern ausgeführt: „Wir haben karitative Verbände eingebunden. Wir haben allerdings aus gutem Grunde wegen des nicht gewollten Schürens falscher Hoffnungen die Vernehmung der damaligen Geschädigten ausdrücklich zurückgestellt bis zu einem neuen prozessualen Stand. 3195 3196 3197 568 Vermerk des PP Düsseldorf vom 29. November 2011, A25685 S. 240 ff. Herrenbrück, APr 16/1618 S. 6. Herrenbrück, APr 16/1618 S. 14. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Sie jetzt ohne eine Information darüber, wie weit wir sind, darüber zu befragen: „Was sind die Folgen der Tat? Wie geht es Ihnen heute?“, das hätte ja für die entweder zynisch klingen müssen, oder sie hätten gedacht, dass irgendwas kommt. Wir haben diesen Zustand vermeiden wollen und uns deswegen noch auf diesen Monat mit ihnen auf weitere Vernehmungen verständigt. Wenn mein Haftbefehl, soweit er bekannt ist, gelesen wird, dann sehen Sie ja auch, dass die Verletzungen der Opfer nicht im Einzelnen ausgeführt sind, gerade weil wir den aktuellen Stand nicht haben. Dieser Aspekt der Verletzungen der Opfer ist eingeflossen über die Aufnahme der besonders schweren Sprengstoffexplosion, die also einhergeht mit schweren Verletzungen bei den Opfern, sodass dieser Aspekt zumindest juristisch abgedeckt ist. Wir werden aber hier nacharbeiten und alle noch mal befragen, wie es ihnen geht. Ich beabsichtige auch, für den Fall der Anklage die entsprechend zu erweitern auf den Körperverletzungsbereich, der bislang noch nicht Gegenstand des Haftbefehls ist.“3198 D. Thomas Richter alias VP „Corelli“ in NRW I. Aufenthalte in NRW und Kontakte des Thomas Richter in die rechtsradikale Szene in NRW Thomas Richter, später VP„Corelli“ des BfV, wurde am 25. Oktober 1974 in Morl / Sachsen Anhalt geboren und hatte mehrere Geschwister. 3199 Thomas Richter verfügte seit früher Jugend über umfangreiche Kenntnisse im Umgang mit der „praktischen“ Informationstechnik, wie zum Beispiel der Einrichtung von Chat-Räumen und der Erstellung von Homepages. Er galt als ausgesprochen internetaffin.3200 Diese Fähigkeit setzte er in der Folgezeit bis zu seinem Ableben im April 2014 zur Unterstützung der rechtsextremen Szene ein. So unterhielt er u. a. eine eigene Homepage mit der Bezeichnung „Nationaler Demonstrationsbeobachter“, auf der er eigene Fotos und Videos einstellte.3201 Ferner vertrieb er unter der Homepage www.oikrach.com rechtsextremistische Devotionalien. Auf dieser Homepage waren offen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wie z. B. Hakenkreuz, sog. Wolfsangeln, Sigrunen und der Hitlergruß, abgebildet.3202 Die näheren Umstände und Beweggründe seines Abgleitens in das rechtsextreme Spektrum der Gesellschaft konnten nicht sicher festgestellt werden. Nach Recherchen der „Mitteldeutschen Zeitung“, auf die sich der Zeuge Jerzy Montag beruft3203, hatte Thomas Richter bereits im Alter von 17 Jahren Kontakt zu Rechtsextremisten aus der Skinheadszene, die in Berlin 3198 3199 3200 3201 3202 3203 Herrenbrück, APr 16/1618 S. 7. Die Anzahl der Geschwister konnte nicht eindeutig festgestellt werden. Der Zeuge Jerzy Montag hat in seiner Vernehmung am 16. Juni 2016 von vier älteren Brüdern, die sämtlich dem Rechtsextremismus verfallen gewesen seien, gesprochen; Montag, APr 16/1344 S. 6. Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld, Abteilungsleiterin Beim BfV hat in ihrer Vernerhmung am 28. Oktober 20016 hingegen lediglich von zwei erbberechtigten Brüdern, deren Adressen dem BfV bekannt gewesen seien, gesprochen; Büddefeld, APr 16/1487 S. 7. Montag, Protokoll der 35. Sitzung des PUA des Landtags BW zum NSU vom 27. November 2015, S. 11, 76. Montag, APr 16/1344 S. 41. Schreiben des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen Anhalt vom 23. April 2012, A65312 S. 66 (VS-nfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 4. 569 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ein Haus besetzt hatten. Nach diesen Erkenntnissen soll er Mitglied der DVU und der HDJ gewesen sein.3204 Mitte der 1990er Jahre trug Thomas Richter den Spitznamen „HJ Tommy“ und benutzte diesen auch für einen E-Mail-Account. Die naheliegende, auch publizierte Annahme, die Bezeichnung „HJ“ stünde für „Hitlerjunge“ und kennzeichne seine damalige Geisteshaltung, wies er in seiner Vernehmung durch das BKA am 13. März 2013 entschieden zurück. Dieses Akronym stehe für „Hallescher Junge“.3205 Nach dem persönlichen Eindruck des Zeugen Jerzy Montag war Thomas Richter bis zu seinem Ableben „ein in der Wolle gefärbter Rechtsextremist, rechts der NPD, im Geiste Freier Kameradschaften und darüber hinaus“.3206 Dennoch ist der Zeuge Jerzy Montag der Auffassung, dass selbst diese Geisteshaltung bei einem gerade erst 19-Jährigen eine innere Abkehr von dieser Szene generell nicht ausschließt, so dass auch für diesen Personenkreis ein sogenanntes Aussteigerprogramm durchaus sinnvoll sein könne.3207 Das BfV, für das Thomas Richter nahezu 18 Jahre als VP tätig war, schätzte Thomas Richter dagegen als einen „geläuterten, aufrechten Demokraten“ ein, der aus edlen Motiven handelte, um die Demokratie vor den Rechten zu schützen und 18 Jahre lang im rechtsradikalen Sumpf gelebt, gewirkt und von dort berichtet hat.3208 Ein ehemaliger „Mitstreiter“ aus der rechten Szene aus den Jahren 1998 bis 20023209 bezeichnete Thomas Richter als eher ambivalent. Trotz gegenteiliger Beteuerungen sei er im rechten Lager aktiv gewesen. Wegen seiner Doppelmoral habe er mit Thomas Richter diverse Auseinandersetzungen gehabt.3210 Thomas Richter räumte in seiner Vernehmung durch das BKA unumwunden ein, in der rechten Szene aktiv gewesen zu sein, u. a. in der Kameradschaftsszene in Halle, nicht hingegen bei „Blood & Honour“. Er habe rechte Konzerte und Demonstrationen besucht und dort auch seinen Freundeskreis gefunden. Gewalt lehne er allerdings ab. So sei der „Dienst an der Waffe“ nicht „sein Ding“ gewesen. Zu dem „Thüringer Heimatschutz“ habe er keinen Kontakt gehabt.3211 Der Widerspruch zwischen der Einschätzung des Zeugen Jerzy Montag einerseits und der des BfV andererseits konnte nicht aufgekärt werden. Für die Version des BfV spricht indes wenig, auch wenn Thomas Richter sich von Gewalt fernhielt und formell sogar anerkannter Kriegsdienstverweigerer war.3212 3204 3205 3206 3207 3208 3209 3210 3211 3212 570 Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 4 f. Vernehmung des Thomas Richter vom 13. März 2013, A65312 S. 151 (VS-nfD). Montag, APr 16/1344 S. 19. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 29. Etwas „überspitzt“ dargestellt von Jerzy Montag in seiner Vernehmung am 16. Juni 2016, Montag, APr 16/1344 S 18. Vernehmung des „Mitstreiters“ vom 19. April 2016, A65312 S. 215 ff. (VS-nfD). Vernehmung des „Mitstreiters“ vom 9. Oktober 2012, A65312 S. 140 (VS-nfD). Vernehmung des Thomas Richter vom 19. Juni 2012 und 13. März 2013, A65312 S. 124 ff., 146 ff. (VS-nfD). Montag, APr 16/1344 S. 30, 34; Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 27. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Thomas Richter war von Jugend an in der rechten Szene sozialisiert und fand dort seinen Freundeskreis. Herausgehobene Aktivitäten entfaltete er bei dem Vertrieb rechtsextremistischen und sonstigen indizierten Schrift- und Musikguts und dies zudem sehr nachhaltig. So stellte die StA Halle / Sachsen-Anhalt im Rahmen einer bundesweiten Durchsuchungsaktion am 4. März 2009 in seiner Wohnung mehrere Hundert Ton- und sonstige Datenträger derartigen Inhalts sicher.3213 Das gegen Thomas Richter geführte Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz stellte die StA Halle mit Verfügung vom 22. August 2011 gemäß § 153a Absatz 1 StPO ein, nachdem Thomas Richter sich mit der außergerichtlichen Einziehung der in seiner Wohnung sichergestellten Datenträger einverstanden erklärt hatte.3214 Ob und mit welchem Ergebnis die StA Halle die sichergestellten Datenträger auswertete, ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht. Über einen fest verankerten Lebensmittelpunkt verfügte Thomas Richter nicht. Er war familiär ungebunden und bei einem bundesweit fahrenden Händler für Lederartikel angestellt, für den er durchweg bis zum Jahr 2012 arbeitete.3215 Schon aus diesem Grund war er viel unterwegs. Zudem führte ihn seine Tätigkeit, unter anderem als Fotograf der rechtsextremen Szene, auch in das Ausland. Seine deutlich starke Vernetzung in diesen Phänomenkreis baute er als Organisator von Internetauftritten rechtsextremer Bands und Auktionen im Internet mit rechtsextremen Devotionalien aus. Im Laufe der Zeit entwickelte sich Thomas Richter zu einer „bekannten Größe“ innerhalb der rechtsradikalen und rechtsextremen Szene in Deutschland.3216 Es ist mit hoher Sicherheit davon auszugehen, dass er im Laufe der Zeit - auch während seiner Tätigkeit für das BfV - einen wie auch immer gearteten Kontakt zu nahezu sämtlich bekannt gewordenen Rechtsextremisten hatte, ohne dass es notwendigerweise zu einer engeren Kennlernsituation gekommen sein muss. Den ersten bekannt gewordenen Kontakt zur rechtsradikalen Szene in NRW fand Thomas Richter im Jahr 19923217 über den als aggressiven Rechtsextremist bekannt gewordenen Meinolf Schönborn. Der 19 Jahre ältere Meinolf Schönborn war Vorsitzender der von ihm im Jahr 1985 gegründeten „Nationalistische Front“ (NF).3218 Im Jahr 1986 zog das Zentrum dieser Organisation nach Bielefeld um und unterhielt seit 1989 in Detmold-Pivitsheide ein Schulungszentrum. Mit Verfügung vom 26. November 1992 verbot das BMI die NF.3219 Mit hoher Wahrscheinlichkeit lernte Thomas Richter Meinolf Schönborn in seiner Berliner Zeit im Zusammenhang mit der Besetzung eines Hauses durch Neonazis kennen. Anfang 1992 reiste Thomas Richter nach Detmold und wurde dort Mitglied der NF, die er mit Meinolf Schönborn auch nach der Verbotsverfügung dort fortführte. Thomas Richter betätigte sich im Wesentlich eher geschäftlich. So wirkte er an dem „Klartext-Verlag“ mit, der mit der NF verbunden war, und gab einen Katalog für Artikel und Musikveröffentlichungen heraus. Zielgruppe dieser Angebote war die Skinheadszene.3220 3213 3214 3215 3216 3217 3218 3219 3220 Asservatenaufstellung vom 4. März 2009, A65312 S. 28 ff. (VS-nfD). Verzichtserklärung des Thomas Richter vom 1. August 2011, A65312 S. 32 (VS-nfD); Einstellungsverfügung der StA Halle vom 22. August 2011, A65312 S. 32 ff. (VS-nfD). Montag, APr 16/1344 S. 74. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 18. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 5. Beschluss des AG Bielefeld vom 12. April 2013, A10766 S. 98 f.; Telefax des PP Bielefeld vom 12. Juli 1995, A10766 S. 226 (VS-nfD). Telefax des PP Bielefeld vom 12. Juli 1995, A10766 S. 226, A10766, S. 227 (VS-nfD). Erkenntniszusammenstellung des BfV vom 12. April 2012, A65312 S. 58 (VS-nfD). 571 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Anlässlich eines Gerichtsverfahrens im Jahr 1996 in Halle wurde Thomas Richter von einer Person als „kleines Licht“ der NF beschrieben, „der sich in Detmold-Pivitsheide, lediglich eingenistet habe, ohne größere Aktivitäten vollbracht zu haben“.3221 Sein Kontakt zur rechten Szene beschränkte sich auch während dieser Zeit nicht auf das Gebiet von NRW, sondern er blieb weiterhin bundesweit vernetzt. Anlässlich seiner Geburtstagsfeier im Oktober 1993 demolierte eine Vielzahl der von Thomas Richter geladenen 200 Gästen aus der rechten Szene das Vereinshaus in Detmold und richtete einen erheblichen Sachschaden an. Unter den Gästen befand sich auch Jan Werner, der im Verdacht steht, dem NSU-Trio Waffen beschafft zu haben.3222 Meinolf Schönborn nahm Thomas Richter wegen dieses Vorfalls in Regress und verlangte eine erhebliche Schadensersatzsumme. Thomas Richter sah eine erhebliche wirtschaftliche Belastung auf sich zukommen, handelte entsprechend seiner wirtschaftlich ausgerichteten Neigung und fasste den Entschluss, sich den Verfassungsschutzbehörden als Vertrauensperson (VP) anzudienen. Zunächst wandte er sich an den Polizeilichen Staatsschutz des PP Bielefeld, der ihn an den Verfassungsschutz NRW verwies. Diesem offenbarte Thomas Richter unmittelbar seine Kenntnisse über die verbotene NF. Die auf der Grundlage dieser Angaben durchgeführte staatlichen Maßnahmen führten zu einer Beschlagnahme von Dokumenten dieser rechtsextremistischen Organisation.3223 Bereits weniger Tage später kehrte Thomas Richter nach Halle zurück. Dort wurde er zunächst vom LfV Sachsen-Anhalt übernommen, das ihn wegen seiner Ortsungebundenheit und ständigen Reisetätigkeit an das BfV übergab. Das BfV verpflichtete ihn im Jahr 1994 als VP unter dem Decknamen „Corelli“. Ab diesem Zeitpunkt war „Corelli“ - mit einer kurzen Unterbrechung von September 2003 bis Juni 2005 - bis zu seiner endgültigen Abschaltung im November 2012 als einer der wichtigsten Informanten der rechtsextremen Szene für das BfV tätig. Allein seine Berichte füllen 180 Leitzordner.3224 Gute Quellen brächten es auf lediglich zehn bis 20 Leitzordner. Der Zeuge Jerzy Montag hat „Corelli“ als „nachrichtenehrlich“ eingeschätzt.3225 In der Zeit von 2003 bis 2005 schaltete das BfV „Corelli“ ab, weil er sich insoweit als unzuverlässig erwies, als er die mit dem BfV getroffene Vereinbarung, keine Geschäfte mehr mit dem Handeln von Datenträgern mit neonazistischen Inhalten zu betreiben, nicht einhielt und auf eigene Rechnung CDs rechtsradikalen oder rechtsextremistischen Inhalts vertrieb.3226 Während dieser Zeit hielt sein VP-Führer dennoch Kontakt zu ihm.3227 II. Verbindungen des Thomas Richter zum NSU-Trio und Unterstützern und Unterstützerinnen 1. Kontakte zu Mundlos Nach Einschätzung des Zeugen Jerzy Montag bestand zumindest Anfang 1995 ein persönlicher Kontakt zwischen Thomas Richter und Uwe Mundlos. Diese Kennenlernsituation dürfte sich allerdings auf die Zeit ihres Grundwehrdienstes beschränkt haben. Uwe Mundlos war in Bad Frankenhausen stationiert. Der in Hermsdorf / Thüringen stationierte Thomas Richter 3221 3222 3223 3224 3225 3226 3227 572 Erkenntniszusammenstellung des BfV vom 12. April 2012, A65312 S. 58 (VS-nfD). Montag, APr 16/1344 S. 7. Montag, APr 16/1344 S. 8. Montag, APr 16/1344 S. 28. Montag, APr 16/1344 S. 36, 38. Montag, APr 16/1344 S. 39. Vernehmung des VP-Führers der VP „Corelli“ vom 25. September 2015, A65312 S. 184. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 soll sich während seiner Bundeswehrzeit in ständiger ärztlicher Behandlung befunden haben. In diesem Zusammenhang muss er Uwe Mundlos getroffen und mit ihm recht schnell eine im Wesentlichen übereinstimmende politische Gesinnung festgestellt haben.3228 Thomas Richter erklärte in seiner Vernehmung durch das BKA am 13. März 2013, er sei während seines kurzen Grundwehrdienstes „vom ersten Tag an“ krank gewesen. Er habe Probleme mit seinem Magen gehabt, weswegen er im Bundeswehrkrankenhaus in Gera und im Bundeswehrkrankenhaus in Leipzig gewesen sei. Wegen der Enduntersuchung sei er bei einem Arzt in Bad Frankenhausen gewesen, der ihn im Ergebnis als nicht diensttauglich eingestuft habe. Damit sei sein Dienst bei der Bundeswehr beendet gewesen.3229 Damit lässt sich auch nach seiner Darstellung eine örtliche und zeitliche Schnittstelle mit Uwe Mundlos herstellen. Die geistige Nähe und Vertrautheit der beiden führte so weit, dass Uwe Mundlos Thomas Richter nicht nur seine Adresse und Telefonnummer mitteilte, sondern auch unbefangen über seine politischen Aktivitäten in Jena berichtet haben muss. Danach hätten etwa 30 Gleichgesinnte in Jena eine neue Kameradschaft gegründet, deren Tätigkeit sich im Wesentlichen gegen die Antifa richte. Uwe Mundlos offenbarte Thomas Richter sowohl die Postfachanschrift dieser Kameradschaft in Jena als auch Namen und telefonische Erreichbarkeit zweier Ansprechpartner. Thomas Richter seinerseits teilte Uwe Mundlos seine Postfachanschrift und für seine telefonische Erreichbarkeit seine Festnetz- und seine Mobiltelefonnummer mit: „Halle Postfach 700512 oi–fan Artikel (Thomas Richer) Thomas Richter 0345 / 77[…] 0161 / 33[…]“3230 Dieses Postfach war der Hausanschrift von Thomas Richter in Halle zugeordnet. Die Deutsche Post kündigte dieses Postfach zum 28. Januar 2010, weil unter dieser Hausanschrift eine Zustellung von Sendungen nicht mehr möglich war.3231 Diese persönlichen Daten des Thomas Richter finden sich in einer maschinenschriftlich verfassten Liste, die bei einer Durchsuchung einer von Beate Zschäpe angemieteten und von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt genutzten Garage am 26. Januar 1998 in Jena sichergestellt worden war3232. Die dort aufgefundene Adress- und Telefonlisten konnte Uwe Mundlos zugeordnet werden, weil hinter dessen Telefonnummer und Anschrift u. a. die Bemerkung „eigene Telefonnummer“ aufgeführt war.3233 Im Zeitpunkt der Sicherstelltung dieser Liste waren die beiden aufgeführten Telefonnummern des Thomas Richter nicht mehr aktuell. Aus diesem Umstand zog der Zeuge Jerzy Montag den Schluss, Uwe Mundlos und Thomas Richter seien sich nur anlässlich ihrer gemeinsamen Bundeswehrzeit Anfang 1995 begegnet.3234 3228 3229 3230 3231 3232 3233 3234 Montag, APr 16/1344 S. 35. Vernehmung des Thomas Richter vom 13. März 2013, A65312 S. 148 (VS-nfD). Telefax des BKA vom 17. Februar 2012, A65312 S. 19 (VS-nfD). Schreiben der Deutschen Post vom 16.02.2012 an das BKA, A65312 S. 246 (VS-nfD). Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 179 f. Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum NSU, BT Drs. 17/14600, A92386 S. 180. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 7. 573 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dennoch muss das Zusammentreffen mit Uwe Mundlos für Thomas Richter eine derart hervorgehobene, wichtige Bedeutung gehabt haben, dass er diese Begegnung noch von seinem Standort aus mit den vorbezeichneten Details zeitnah seinem VP-Führer fernmündlich mitteilte, der hierüber eine Deckblattmeldung fertigte. Im Jahr 1999 übernahm ein anderer Mitarbeiter des BfV die VP „Corelli“ als VP-Führer und behielt diese Funktion bis zum Jahr 2012.3235 In seiner Vernehmung durch das BKA am 13. März 2013, mithin 18 Jahre nach der wahrscheinlichen Begegnung in Bad Frankenhausen, stellte Thomas Richter in Abrede, Uwe Mundlos jemals getroffen zu haben. Dies sei auch hinsichtlich Uwe Böhnhardt oder Beate Zschäpe nicht der Fall gewesen. 3236 Hinweise für persönliche Kontakte des Thomas Richter mit Uwe Böhnhardt oder Beate Zschäpe ergeben sich weder aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen noch aus der Aussage des Zeugen Jerzy Montag. 2. Kontakte zu „Unterstützern“ des NSU-Trio a. Kreis der sog. NSU-Unterstützer und -Unterstützerinnen Den Kreis der sogenannten NSU-Unterstützer und -Unterstützerinnen legte der Zeuge Jerzy Montag aufgrund der ihm zur Verfügung gestellten umfangreichen Unterlagen letztlich auf 31 Personen fest. Bei diesem von ihm festgelegten Personenkreis handelt es sich durchweg um Rechtsextremisten, die sich durch ein bestimmtes Näheverhältnis zu dem NSU-Trio auszeichneten. Ein solches „Näheverhältnis“ kann zum einen durch konkrete Hilfsmaßnahmen, wie zum Beispiel das Besorgen von Waffen, gefälschten Ausweisen und Unterkünften, und zum anderen durch das sogenannte soziokulturelle Umfeld begründet werden. Zu den NSUUnterstützern und -Unterstützerinnen in diesem Sinne zählen neben den Angeklagten André Eminger und Ralf Wohlleben unter anderen Thomas Gerlach, Thorsten Heise, Tino Brandt, Jan Werner und André Kapke.3237 aa. Thomas Gerlach Thomas Gerlach ist der einzige aus dieser Gruppe, zu dem Thomas Richter über einen längeren Zeitraum direkten Kontakt zu dieser Personengruppe unterhielt Thomas Richter lediglich zu Thomas Gerlach.3238 Der im Jahr 1979 in Altenburg / Thüringen geborene Thomas Gerlach fiel bereits in früher Jugend durch Gewalttätigkeiten, Verbreitung rechtsextremistischen Propagandamaterials und Aktivitäten sowohl in der ostdeutschen Hooligan-Szene als auch im „Thüringer Heimatschutz“ auf. Neben seiner Mitgliedschaft u. a. im „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ übernahm er bis Ende 2009 Führungsaufgaben in der Kameradschaftsszene.3239 Über ihn berichtete die VP „Corelli“ dem BfV seit 2005 sehr umfangreich.3240 3235 3236 3237 3238 3239 3240 574 Vernehmung des VP-Führers der VP „Corelli“ vom 25. September 2015, A65312 S. 184 (VSnfD). Vernehmung des Thomas Richter vom 13. März.2013, A65312 S. 147 f. (VS-nfD). Montag, APr 16/1344 S. 10, 42 f.; Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 19 f. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 19. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 20. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 19. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Thomas Richter räumte in seiner Vernehmung durch das BKA zwar ein, Thomas Gerlach „mal gesehen“ zu haben. Aufgrund eines durch die Presse veröffentlichten Bildes habe er ihn erkannt, zu diesem aber zu keiner Zeit einen persönlichen Kontakt gehabt.3241 Thomas Gerlach bestritt in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung in dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München ebenfalls, Kontakt zu Thomas Richter gehabt zu haben.3242 bb. Thorsten Heise Zu Thorsten Heise unterhielt Thomas Richter ebenso ein näheres Kennverhältnis. Der als Rechtsextremist bekannte Thorsten Heise organisierte u. a. Veranstaltungen rechtsextremer Bands, leitete den Sicherheitsdienst bei Skinheadkonzerten und vertrieb Datenträger mit rechtsextremer Musik. Über dessen Aktivitäten informierte die VP „Corelli“ das BfV seit dem Jahr 2001 ebenfalls detailliert und umfangreich.3243 cc. Tino Brandt, André Kapke, Jan Werner Zu dem übrigen Personenkreis der Unterstützer und Unterstützerinnen im vorbezeichneten Sinn hatte Thomas Richter allenfalls nur indirekte Kontakte und eher schwache Berührungspunkte, wie zum Beispiel zu Tino Brandt, André Kapke und Jan Werner. Eine Verbindung zu den Angeklagten André Eminger und Ralf Wohlleben lässt sich nur durch auf Speichermedien abgelegte, identische Kontaktdaten Dritter herstellen.3244 b. Sonstige rechtsextremistische Personen Eine scharfe Abgrenzung zu den sonstigen rechtsextremistischen, gewaltbereiten Personen und Gruppen, bei denen ein derartiges Näheverhältnis zum NSU-Trio mit belegbaren Tatsachen nicht festgestellt werden kann und die deshalb auch nicht als NSU-Unterstützer und Unterstützerinnnen klassifiziert werden, ist nicht möglich. Grund hierfür ist die lange Zeitachse von etwa 20 Jahren, in der die VP „Corelli“ für das BfV tätig war, als auch die Inhomogenität der stark zersplitterten rechtsextremen Szene, deren Akteure und Akteurinnen zudem untereinander oft „über Kreuz“ lagen.3245 Zu dieser inhomogenen rechten Szene hatte Thomas Richter u. a. aufgrund seiner zahlreichen Reisen, Internetauftritte und seines Versandhandels regen Kontakt. Einen unmittelbaren, persönlichen Kontakt hatte er zum Beispiel zu einem - namentlich nicht bekannten - Mitglied der rechtsextremen Band „Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten“. Diese Musikgruppe brachte den volksverhetzenden Titel „Döner-Killer“ heraus.3246 Dieses Lied erschien im Jahr 2010 und verhöhnte die Opfer der Ceska-Mordserie des bis dahin noch nicht bekannten NSU-Trios. In dem Lied hieß es unter anderem: „[…]Neun mal hat er es jetzt schon getan, die SoKo Bosporus, sie schlägt Alarm, die Ermittler stehen unter Strom. 3241 3242 3243 3244 3245 3246 Vernehmung des Thomas Richter vom 19. Juni 2012, A65312 S. 128 (VS-nfD). Montag, Protokoll der 35. Sitzung des PUA des Landtags BW zum NSU vom 27. November 2015 S. 76. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 20. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4.November 2015, A13902 S. 21. Montag, Protokoll der 35. Sitzung des PUA des Landtags BW zum NSU vom 27. November 2015 S. 21. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4.November 2015, A13902 S. 20 f. 575 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Eine blutige Spur und keiner stoppt das Phantom[...]“ 3247 „[...] Neun mal hat er bisher brutal gekillt, doch die Lust am Töten ist noch nicht gestillt […]“ 3248 Nach den Ausführungen des Sachverständigen Jan Raabe schrieb den Liedtext nicht der Sänger der Band, sondern eine andere Person, die früher Betreiber des Nibelungenversands war, der mit „Blood & Honour“ in Verbindung zu bringen ist.3249 Dieser war nicht Mitglied der Band „Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten“, zu denen Thomas Richter unmittelbaren Kontakt gehabt haben könnte, sondern Produzent rechtsextremistischer CDs. Nach Einschätzung des Sachverständigen Jan Raabe lassen diese Liederzeilen den Schluss zu, der Verfasser habe die Motivlage der noch nicht ermittelten Täter zutreffend gedeutet.3250 c. Die NSU / NSDAP-CD Nach seiner Reaktivierung übergab die VP „Corelli“ im August 2005 seinem VP-Führer eine CD, die er im Februar 2005 in einem Brief ohne Absender zugesandt bekommen haben will.3251 Eine Kopie dieser CD erhielt im Jahr 2014 auch das LfV Hamburg von einer seiner VP, die diesen und auch weitere Datenträger von Thomas Richter zugesandt bekommen haben will. Weiter gab die VP des LfV Hamburg an, Thomas Richter erst Anfang 2000 kennengelernt und zu ihm bis 2009 Kontakt gehalten zu haben. Im März 2014 habe sie auf ihrem Dachboden „beim Aufräumen“ zufälligerweise diesen Datenträger - es handelt sich um eine DVD gefunden, diesen angeschaut und unter einer Datei wohl auch „zufällig“ den Begriff „NSU / NSDAP“ entdeckt. Dieser Umstand sei der Grund gewesen, die DVD dem LfV Hamburg auszuhändigen.3252 Im März 2014 übermittelte das LfV Hamburg dem GBA diese DVD.3253 Je eine Kopie des Datenträgers aus Hamburg erhielten das BfV mit Schreiben vom 10. März 2014 und das BKA mit Schreiben vom 13. März 2014. Erst am 4. April 2014 erhielt das BfV Kenntnis von der Behauptung der VP des LfV Hamburg, die DVD von Thomas Richter erhalten zu haben.3254 Zwei weitere Exemplare dieser CDs tauchten bei den Verfassungsschutzämtern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen auf. Im Fachjargon werden diese Datenträger als „NSU-CD“ bezeichnet, weil sich auf allen vier Datenträgern bei allen sonstigen Abweichungen und inhaltlichen Unterschieden zwei Dateien befinden, unter denen die Begriffe „NSU / NSDAP“, „Nationalsozialistische Untergrund der 3247 3248 3249 3250 3251 3252 3253 3254 576 Artikel „Rechtsrocker bekommt Bewährungsstrafe“ auf Spiegel-Online vom 15. Oktober 2012, A95527. Artikel „Nazis feierten Mordserie mit „Döner-Killer“-Song“, Frankfurter Rundschau vom 18. November 2011, A95528. Raabe, APr 16/1154 S. 32 f. Raabe, APr 16/1154 S. 32 f. Vernehmung des VP-Führers der VP „Corelli“ vom 25. September 2015, A65312 S. 186 (VSnfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 13. Vernehmung des VP-Führers des LfV Hamburg vom 13. Januar 2016, A65312 S. 200 (VS-nfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 13. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 NSDAP“ und „Nationalsozialistische Untergrund der Nationalistischen Deutschen Arbeiterpartei“ abgespeichert sind. Diese beiden Dateien sind am 16. Oktober 2003 erstellt worden.3255 Der VP-Führer der VP „Corelli“ maß der „NSU-CD“ zum Zeitpunkt der Übergabe sichtlich keine besondere Bedeutung bei. In seiner Vernehmung am 25. September 2015 durch das BKA gab er an, sie nur gesichtet, aber nicht ausgewertet zu haben. Nach seiner damaligen Einschätzung habe es sich um eine Neuauflage von Datenträgern der „Ideenwerkstatt88“ aus den Jahren 1998 und 1999 handeln können, als deren Ersteller und / oder Verbreiter ein Ekkehard Weil verdächtigt wurde. Entsprechend den Gepflogenheiten seines Hauses habe er diese CD der Abteilung „Auswertung“ übergeben.3256 Diese hat die CD jedoch wegen Überlastung nicht ausgewertet.3257 Mit der im März 2014 beim BfV eingegangenen CD des LfV Hamburg befasste sich erneut der ehemalige VP-Führer des Thomas Richter3258, und zwar, nach eigenen Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden, als Erster des BfV.3259 Bei Sichtung des Datenträgers sei ihm nicht bewusst gewesen, die darauf abgespeicherten Bilder und Begriffe, wie z. B. „NSU / NSDAP“, bereits auf der von Thomas Richter im Jahr 2005 übergebenen CD gesehen zu haben. Er ordne diesen Begrifflichkeit eher Gary Rex Lauck, dem Leiter der NSDAP / AO, zu.3260 Die zuständige Auswerterin des BfV hielt einen Bezug zu dem „NSU-Komplex“ indes für möglich, jedoch nicht für zwingend. Aufgrund dieser Einschätzung beabsichtigte das BfV, mit Thomas Richter zu der Verwendung der Begrifflichkeit „NSU“ ein „klärendes Gespräch“ zu führen. Wegen seines Ablebens im April 2014 war dies jedoch nicht mehr möglich.3261 Wer im BfV Kenntnis von der beabsichtigten Vernehmung des Thomas Richter hatte, lässt sich sicher nicht mehr feststellen. Da Thomas Richter in der Zeit vom 4. bis 7. April 2014 verstarb - der genaue Todeszeitpunkt konnte nicht sicher festgestellt werden -, ist es durchaus möglich, dass Thomas Richter bereits am 4. April 2014, dem Tag, als die Mitteilung über die behauptete Herkunft des Datenträgers vom LfV Hamburg beim BfV einging, nicht mehr am Leben war. d. Fanzine „Der Weiße Wolf“ Thomas Richter bezog über Jahre hinweg das rechtsextreme Fanzine „Der Weiße Wolf“ und leitete es regelmäßig an seinen VP-Führer des Bundesamtes für Verfassungbeim BfV weiter.3262 3255 3256 3257 3258 3259 3260 3261 3262 Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 12. Vernehmung des VP-Führers der VP „Corelli“ vom 25. September 2015, A65312 S. 186 (VSnfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 15. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4.November 2015, A13902 S. 13. Vernehmung des VP-Führers der VP „Corelli“ vom 25. September 2015, A65312 S. 186 f. (VSnfD). Vernehmung des VP-Führers der VP „Corelli“ vom 25. September 2015, A65312 S. 187 (VSnfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4.November 2015, A13902 S. 13. Montag, APr 16/1344 S. 32. 577 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Thomas Richter kannte den Herausgeber dieses Fanzines, D. P., und unterstützte diesen unter anderem durch die Bereitstellung von Server-Speicherplatz in den USA für die OnlineAusgabe des Fanzines.3263 D. P., langjähriger Aktivist neonazistischer Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern, gehörte zwischen 2011 und 2016 als Abgeordneter der NPD dem Landtag in MVP an und leugnete in seiner Vernehmung durch das BKA am 30. September 2015 den Kontakt zu Thomas Richter ebenso wenig wie die Urheberschaft bzw. den Vertrieb des Fanzines „Der Weiße Wolf“.3264 Insoweit erachtet der Ausschuss eine auch inhaltliche enge Beziehung zu diesem Fanzine als sicher. In der Ausgabe 18 (2002) dieser Zeitschrift findet sich folgende Passage: „… Vielen Dank an den NSU“…, es hat Früchte getragen;-) Der Kampf geht weiter“3265 Wie in den Fällen der „NSU-CD“ ist die Verwendung der auch von dem NSU-Trio genutzten Begrifflichkeit NSU augenfällig. Nach Einschätzung des Zeugen Jerzy Montag lässt sich jedoch nicht feststellen, dass diese Wortschöpfung originär von dem NSU-Trio stammt. Möglich sei es auch, dass dieser Begriff bereits in den rechtsextremen Publikationen verwendet und von dem Trio übernommen worden ist. Diese Einschätzung deckt sich mit den Untersuchungsergebnissen des BKA vom 3. Juni 20143266 und vom 23. Oktober 20143267 sowie der Bewertung des BfV vom 22. Dezember 2014.3268 III. Tod des „Corelli“ in NRW 1. Enttarnung von „Corelli“ und Umzug nach NRW Im Sommer 2012 verdichtete sich die aus dem politischen Raum kommende Vermutung, das BfV führe unter dem Decknamen „Corelli“ einen Informanten, der als mutmaßlicher Unterstützer der Terrorzelle NSU gelte, mit Klarnamen Thomas Richter heiße und von seinen Bekannten in der neonazisitischen Szene mit dem Spitznamen „HJ Tommy“ gerufen werde. Nachdem entsprechende Vorhaltungen im ersten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zum NSU gegenüber Zeugen gemacht und am 14. September 2012 die Pressestelle des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt von einem Redakteur auf diesen Sachverhalt angesprochen worden war, erschien am 18. September 2012 in der „Magdeburger Volksstimme“ ein Artikel, der den Zusammenhang zwischen Thomas Richter und VP „Corelli“ erstmals öffentlich bekannt machte.3269 Thomas Richter war damit als langjähriger Informant des BfV aus der rechtsextremen Szene in der Öffentlichkeit enttarnt. Auf diese Situation hatte sich das BfV vorsorglich vorbereitet und verbrachte Thomas Richter in einer Blitzaktion zunächst in das nahegelegene Ausland.3270 Zum damaligen Zeitpunkt wohnte er in Leipzig3271, nach einer Presseveröffentlichung angeblich mit seiner - namentlich 3263 3264 3265 3266 3267 3268 3269 3270 3271 578 Vernehmung des Thomas Richter vom 13.03.2013, A65312 S. 151 (VS-nfD). Vernehmung des D. P. am 30. September 2015, A65312 S. 191 ff. (VS-nfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S.8. Vermerk des BKA vom 3. Juni 2014, A65312 S. 251 ff. (VS-nfD). Untersuchungsbericht des BKA vom 22. Oktober 2014, A65315 S. 160 ff. (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 22. Dezember 2014, A65312 S. 88 ff. (VS-nfD). Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 22. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 22. Vernehmung des Thomas Richter vom 19. Juni 2012, A65312 S. 126 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 nicht bekannten - „Verlobten“.3272 Das BfV entpflichtete Thomas Richter als VP offiziell am 27. November 2012. Seit diesem Zeitpunkt „betreuten“ ihn zwei Mitarbeiter des BfV bis zu seinem Ableben im April 2014 im Rahmen eines Schutzprogramms. Nach den allgemeinen organisatorischen Vorgaben des BfV werden die Betreuungspersonen eines derartigen Schutzprogramms für entpflichtete VPen hinsichtlich der Vorgeschichte ihrer Schutzperson nicht in Kenntnis gesetzt, ebenso erstellen sie keine Gefährdungsanalyse oder haben nähere Informationen darüber. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, den „Aussteiger“ zu schützen und ihn darin zu unterstützen, mit der neuen Legende zu leben. Diese besondere Form der inneren Abschottung innerhalb des BfV soll der Sicherheit des zu Betreuenden dienen. So war das auch im Fall von Thomas Richter grundsätzlich vorgesehen.3273 Das BfV stattete ihn mit einer neuen Legende unter dem Tarnnamen Thomas Dellig aus.3274 Die beiden Betreuungspersonen kannten den rechtsradikalen Hintergrund von Thomas Richter nicht. Ebenso wenig wurden sie von dessen beabsichtigter Vernehmung hinsichtlich der „NSU CD“ aus Hamburg in Kenntnis gesetzt.3275 Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld, Abteilungsleiterin beim BfV, hat ausgesagt, dass das Schutzprogramm an die entpflichtete Vertrauensperson lediglich an Angebot darstellt, künftig mit einer Legende zu leben, im Grundsatz auch gegenüber den Angehörigen. Sie sei davon ausgegangen, die Person, die sich darauf einlasse, sei sich dieser Konsequenz bewusst. Eine solche Schutzmaßnahme stelle für ihre Dienststelle eher die Ausnahme dar. Aus diesem Grund könne das BfV auch nicht auf verfestigte Erfahrungswerte zurückgreifen, wenn es im Einzelfall - wie z.B. im Fall der VP „Corelli“ – auf unvorhergesehene Situationen und Ereignisse reagieren müsse.3276 Eine Unterrichtung des Verfassungsschutzes NRW über den Aufenthalt einer unter einem Schutzprogramm stehenden ehemaligen VP des BfV in NRW erfolgte nicht.3277 Den Vorschlag des VP-Führers der VP „Corelli“, mit diesem in eine konspirative Wohnung an einem geheim gehaltenen Ort zusammen zu ziehen, griff das BfV nicht auf. Es entstand in diesem Zusammenhang der Eindruck, dieser VP-Führer habe u. a. aufgrund der ungewöhnlich langen Zeit des engen, persönlichen Kontaktes die erforderliche Distanz und Kritikfähigkeit zu der VP „Corelli“ verloren. Dieses Verhalten stand auch nicht mehr im Einklang mit den innerdienstlichen Vorgaben des BfV für die Führung von VPen. Der Zeuge Jerzy Montag hat dieses Verhalten des VP-Führers, dem das BfV eine Aussagegenehmigug für eine Vernehmung nicht erteilt hatte und der deshalb vom Ausschuss nicht vernommen werden konnte, zutreffend als „überschüssige Zuwendung“ bezeichnet.3278 Erst Ende März 2014 riss der Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld als Vorgesetzter des VPFührers der Geduldsfaden, als dieser sich trotz gegenteiliger Anordnung unautorisiert als Betreuungsperson aufspielte und im Rahmen des Schutzprogramms weiterhin mit Thomas 3272 3273 3274 3275 3276 3277 3278 Artikel „Was wusste Spitzel Corelli” auf Spiegel-online vom 18. September 2012, A95526. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4 .November 2015, A13902 S 22. Büddefeld, APr 16/1487 S. 6, 8 f.; Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 22. Montag, APr 16/1344 S. 49 f. Büddefeld, APr 16/1487 S.18. Büddefeld, APr 16/1487 S.10. Montag, APr 16/1344 S. 44. 579 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Richter kommunizierte.3279 Er bekam nunmehr eine schriftliche Weisung, dies zu unterlassen.3280 Im Ergebnis verlegte Thomas Richter am 1. Oktober 2013 unter der neuen Identität „Thomas Dellig“, seinen Wohnsitz nach Paderborn-Schloss Neuhaus. Der Vermieter der Wohnung, der Zeuge Markus Grimme, hat angegeben, dass Thomas Dellig am 1. Oktober 2013 in die Wohnung im ersten Obergeschoss des zweigeschossigen Mehrfamilienhauses eingezogen sei. Der monatliche Mietzins habe 600 Euro betragen und sei auf Wunsch von Thomas Dellig jeweils am Monatsanfang in bar gezahlt worden. Es sei ein Mietvertrag über sechs Monate abgeschlossen worden, weil Thomas Dellig erklärt habe, die Wohnung lediglich für eine Zeitüberbrückung anmieten zu wollen. Er beabsichtige, bei der Firma Rheinstahl eine Tätigkeit als Schweißer aufzunehmen.3281 Weiter hat der Zeuge zum persönlichen Eindruck des Thomas Dellig angegeben, er habe weder Besucher oder sonstige Kontakte wahrgenommen. Wenn Thomas Richter das Haus verlassen habe, habe er das vor dem Haus geparkte Fahrzeug genutzt. Lediglich zu ihm habe er einen persönlichen Kontakt gehabt, insbesondere bei den monatlichen Mietzahlungen in bar. Bei diesen Gelegenheiten hinterließen die Wohnräume einen aufgeräumten Eindruck. Für einen Junggesellen sei Thomas Dellig sehr strukturiert gewesen. Auf ihn habe er keinen kranken Eindruck nicht.3282 Auch der Zeuge Jerzy Montag ist zu der Überzeugung gekommen, dass Thomas Richter sich offenbar seit 2010 nicht mehr in ärztlicher Behandlung befand.3283 Die von Thomas Richter angemietete Wohnung bestand aus einem Wohn- und einem Schlafzimmer sowie einer Küche und einem Bad. Sämtliche Räume waren voll möbliert. Die angemietete Wohnung war die einzige in der ersten Etage und ist für den jeweiligen Mieter ausschließlich über die Haustür erreichbar. In der Decke des Schlafzimmers befindet sich eine Dachluke, die in einen darüber liegenden fensterlosen Raum führt.3284 Der Zeuge Markus Grimme hat angegeben, dass dieser Raum in der Vergangenheit seinem Sohn als Computerraum gedient habe. Nachdem dieser Raum jedoch nicht mehr genutzt worden und damit funktionslos geworden sei, habe er diese Luke verriegelt, indem er in dieser Öffnung eine Dämmung angebracht und die Dachluke verschraubt habe. Diesen fensterlosen Raum könne man deshalb nur noch eine Etage höher vom Treppenaufgang aus betreten.3285 Für den Lebensunterhalt sorgte das BfV durch nicht näher mitgeteilte Geldzuweisungen, die nach Einschätzung des Zeugen Jerzy Montag unangemessen hoch waren.3286 Die letzte Miete bezahlte Thomas Dellig entweder am 1. oder 2. April 2014. Er hatte zuvor den Zeugen Markus Grimme darum gebeten, den bis Ende März 2014 befristeten Mietvertrag bis zum 30. Juni 2014 zu verlängern.3287 3279 3280 3281 3282 3283 3284 3285 3286 3287 580 Montag, APr 16/1344 S. 70. Montag, APr 16/1344 S. 70. Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 15 (VS-nfD). Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 15 (VS-nfD). Montag, APr 16/1344 S. 67. Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 13 (VS-nfD). Grimme, A16/1311 S. 43, 47. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 23. Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 95 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2. Auffindungssituation des Thomas Richter und erste Ermittlungsmaßnahmen der Polizei Zur Auffindesituation des Thomas Richter hat der Zeuge Markus Grimme gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten angegeben, dass am Nachmittag des 7. April 2014 zwei Personen an der Wohnungstür seiner Mutter geklingelt und sich nach Thomas Dellig erkundigt hätten. Sie hätten gegenüber der Mutter angegeben, dass sie Bekannte des Thomas Dellig und besorgt seien, weil dieser sich bei ihnen nicht mehr gemeldet habe. Hiervon habe seine Mutter ihn verständigt. Da das Fahrzeug vor dem Haus gestanden habe, sei er davon ausgegangen, dass Thomas Dellig zu Hause ist. Als dieser auf Klopfen, Telefonanrufe und SMS nicht reagiert habe, habe er die Tür mittels Ersatzschlüssel öffnen wollen. Da der Wohnungsschlüssel im Schloss gesteckt habe, habe er Werkzeug geholt und die Tür gewaltsam geöffnet. Die beiden Bekannten hätten zunächst vor der Wohnung gewartet. Als er durch die geöffnete Tür ins Schlafzimmer geschaut habe, habe er festgestellt, dass Thomas Dellig unbekleidet und leblos auf dem Bett gelegen habe, worauf er die beiden Bekannten hinzugerufen habe. Während er den Notarzt informiert habe, hätten die Bekannten auf der Straße gewartet. Bis zum Eintreffen des Notarztes hätten weder er noch die beiden Bekannten die jetzt unverschlossene Wohnung des Thomas Richter betreten.3288 Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod des Thomas Richter feststellen und fertigte mit Datum vom 7. April 2014 eine Todesbescheinigung unter den Personalien „Thomas Dellig, geboren am 25. November 1975 in Celle“ aus, wonach der von ihm gegen 15:05 Uhr untersuchten Leichnam keine Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen aufweise, die den Tod zur Folge haben könnten. Verletzungsanzeichen bestünden nicht, die Todesart sei allerdings ungeklärt.3289 Gegen 16:05 Uhr trafen KHK Ising und KOK Jakob von der KPB Paderborn an dem Leichenfundort ein. Sie trafen auf den Zeugen Markus Grimme, den Notarzt sowie die beiden Bekannten, die sich ihnen gegenüber als Mitarbeiter des BfV, Frau W. und Herr M., mit ihren Echtpersonalien vorstellten und mitteilten, dass es sich bei dem Verstorbenen um eine unter Schutz stehende Person des BfV handele, die mit einer komplett neuen Identität ausgestattet worden sei.3290 Einer dieser beiden Mitarbeiter des BfV setzte während sie auf das Eintreffen des Notarztes wartete, die zuständige Referatsleitung des BfV von dem Ableben der VP „Corelli“ fernmündlich in Kenntnis. Die Referatsleiterin unterrichtete gegen 17:45 Uhr ihre zuständige Referatsgruppenleiterin, von dem Vorfall, die wiederum die zuständige Abteilungsleiterin, die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld, informierte.3291 Eine Unterrichtung anderer Dienststellen durch die Amtsleitung erfolgte an diesem Tag nicht. Allerdings meldete sich in dieser Angelegenheit kurze Zeit später - der genaue Zeitraum konnte nicht eingegrenzt werden - aus der Abteilung 4 des MIK NRW der LdsKD Schürmann fernmündlich bei der Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld 3292. Dieser war offensichtlich bereits über die „Innenschiene“ von dem Todesfall „Corelli“ und dessen besonderen Begleitumstände in Kenntnis gesetzt worden. Über den Inhalt dieses Gesprächs vermochte die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld keine nähere Angaben zu machen. 3288 3289 3290 3291 3292 Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 15 f. (VS-nfD). Todesbescheinigung vom 7. April 2014, A21992 S. 121 f. (VS-nfD). Vermerk der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 10 (VS-nfD). Büddefeld, APr16/1487 S. 4 f. Büddefeld, APr16/1487 S. 12. 581 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Zeugin W., eine der beiden sich als Bekannte ausgebenden Personen, gab später, am 9. April 2014, gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten an, das letzte Lebenszeichen von „Thomas Dellig“ am 2. April 2014 gegen 10:10 Uhr per SMS erhalten zu haben. Seit dieser Zeit sei er nicht mehr erreichbar gewesen.3293 Der vorgefundene Leichnam wird in dem Aktenvermerk der Kreispolizeibehörde Paderborn wie folgt beschrieben: „[…] Es handelt sich hierbei um einen ca. 185 cm großen, normal figürlichen männlichen Leichnam. Er kann anhand des aufgefundenen Personalausweises eindeutig als Thomas Dellig identifiziert werden. Die Füße zeigen in Richtung Fenster, der Schädel in Richtung Wand / Eingang. Der Kopf ist gerade ausgerichtet. Die Augen zeigen in Richtung Zimmerdecke. Der rechte Arm ist nach hinten abgelegt. Der Unterarm ist in einem 90° Winkel angewinkelt Der linke Arm ist neben dem Körper abgelegt. Der Unterarm ist in einem 90° Winkel angewinkelt und auf dem Bauch/Unterleib abgelegt. Das rechte Bein ist leicht vom Körper abgespreizt. Der Unterschenkel ist ebenfalls in einem Winkel von 90° abgewinkelt. Das linke Bein ist geraderaus gestreckt und leich nach links abgespreizt. Kopf Der Schädel tastet sich fest. Die ca. 0,5 cm langen braunen Haare lassen sich nicht einfach herausreißen. Die Augen sind geöffnet. Die Pupillen sind seitengleich und lichtstarr. Am rechten Auge können Unterblutungen festgestellt werden. Der Nasenrücken tastet sich fest. Er zeigt sich unverletzt. Bräunliche Flüssigkeit tritt aus beiden Nasenlöchern aus. Aus Nase und Mund dringt dem untersuchenden Beamten […] ein widernatürlicher, leicht chemischer Geruch entgegen. Der Mund ist spaltbreit geöffnet. Die Zunge befindet sich hinter die den Zahnreihen. In dem Mund befindet sich eine Schaumbildung. Bräunlich/gelbe Flüssigkeit tritt hier hervor. Links auf der Wange befindet sich eine Abrinnspur. Die Ohren zeigen sich unauffällig. Beide Ohren sind frei von Fremdkörpern. Das linke Ohr zeigte eine leicht rötliche Verfärbung. Der Hals ist frei beweglich. Weder die Gesichtshaut noch, noch der Hals weisen äußerliche Verletzungen auf. Rumpf Der Brustkorb tastet sich fest. Er ist gleichmäßig gewölbt. Rippenbrüche sind nicht ertastbar. Der Bauchbereich tastet sich fest. Auffälligkeiten sind hier ebenfalls nicht erkennenbar. Rücken Der Rücken zeigt sich soweit unauffällig. Verletzungen sind nicht erkennbar. Der Rücken weist lagegerechte, nicht wegdrückbare Leichenflecken auf. Im Rücken kann ein Verschluss einer Getränkeflasche festgestellt werden. Linker Arm Der linke Arm zeigt sich unauffällig. Die linke Hand ist geöffnet. Die Finger sind leicht nach vorne gebogen. An den Fingerspitzen können rötliche Verfärbungen festgestellt werden. Die Hand macht an sich einen gepflegten Eindruck. An den Fingernägeln kann 3293 582 Vermerk der KPB Paderborn vom 9. April 2004, A21992 S. 164 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 festgestellt werden, dass sie so aussehen, als würde man die Nägel nicht schneiden, sondern abreißen. Verletzungen sind nicht erkennbar. Rechter Arm Siehe linker Arm Am rechten Handgelenk kann eine ältere, bereits verschorfte, ca. 1 cm große Verletzung festgestellt werden. Ansonsten zeigt sich der Arm unauffällig. Linkes Bein Das linke Bein zeigt sich komplett unauffällig. Am linken, gepflegten Fuß kann im Bereich des kleinen Zehs eine kleine, ca. 1,5 cm lang, Verletzung festgestellt werden. Augenscheinlich ist diese Verletzung bereits älter, da sie bereits komplett eingetrocknet ist. An Großzeh und am mittleren Zeh können rötliche Anhaftungen festgestellt werden. Unter dem Fußballen können ebenfalls rötliche Anhaftungen festgestellt werden. Rechtes Bein Das rechte Bein und der rechte Fuß zeigen sich komplett unauffällig. Im Bereich des Oberschenkels, im Übergang zum Genitalbereich, kann eine leichte rötliche Färbung festgestellt werden.[…]“.3294 Diese erste Leichenschau schließt mit der Bemerkung, Hinweise auf ein Fremdverschulden lägen augenscheinlich nicht vor.3295 In der Wohnung wurden etwa 120 Viagra-Tabletten (Medikamentenblister) mit dem Wirkstoff Sildenalin sichergestellt.3296 Obgleich nach diesem ersten Augenschein ein Verdacht für ein Fremdverschulden nicht begründet war, ordneten KHK Ising und KOK Jakob die Beschlagnahme des Leichnams und dessen Transport durch ein Bestattungsinstitut zum nahe gelegenen Friedhof „Auf dem Dören“, der über einen Sektionsraum verfügt, an. In der Wohnung des Thomas Richter stellten sie unter anderen zwei Mobiltelefone und zwei Tablets sicher. Die Wohnung versiegelten sie nach Beendigung ihres dienstlichen Einsatzes.3297 Eine aktuelle Bedrohungslage für Thomas Richter soll nach Auskunft von zuständigen Mitarbeitern des BfV zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden haben.3298 Es bleibt unklar, wie sie dies als „Betreuungspersonen“ einzuschätzen vermochten, waren sie doch in die Erstellung der Gefährdungsanalyse nicht eingebunden. Die beiden Mitarbeiter des BfV sind weder vom PP Bielefeld noch von der StA Paderborn förmlich als Zeugen vernommen worden, weil die Gründe für deren Erscheinen vor der Wohnungstür des Thomas Richter bereits durch die Aussage des Zeugen Markus Grimme geklärt erschien.3299 3294 3295 3296 3297 3298 3299 Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 14 f. (VS-nfD). Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 16 (VS-nfD). Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 16 (VS-nfD). Todesermittlungsbericht der KPB Paderborn vom 7. April 2014, A21992 S. 16 (VS-nfD). Bericht des LOStA in Paderborn vom 10. April 2014, A21995 S. 9 ff. (VS-nfD). Östermann, APr 16/1340 S. 11. 583 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3. Ermittlungsmaßnahmen der StA a. Erste Maßnahmen Die Kriminalbeamten KHK Jakob und KOK Ising setzten unverzüglich auf dem Dienstweg den Abteilungsleiter Polizei der KPB Paderborn von dem Umstand in Kenntnis, dass es sich bei der verstorbenen Person „Thomas Dellig“ um eine VP des BfV mit einer Tarnidentität handele. Dieser Abteilungsleiter informierte noch am Abend des 7. April 2014 die PP´in in Bielefeld und den Leiter der KI 1. Nach den Ausführungen des Zeugen Jerzy Montag kann sicher angenommen werden, dass diese unverzüglich das MIK NRW von diesem Vorgang in Kenntnis gesetzt hat und - ohne schriftliche Aufzeichnungen - die Weisung erteilte, das „große Besteck“ herauszuholen, d. h. unverzüglich eine MK einzusetzen.3300 Ohne sich mit der StA Paderborn vorab ins Benehmen zu setzen, erteilte der Leiter der KI dem Leiter der MK, dem Zeugen Ralf Östermann, gegen 22:00 Uhr eine entsprechende Weisung. Der Zeuge Ralf Östermann, ein diensterfahrener Kriminalbeamter, der seit etwa 30 Jahren im Bereich Todesermittlungen eingesetzt ist und seit 25 Jahren die Mordkommission leitet, hat ausgesagt, ihm habe der Leiter der KI 1 in diesem Telefongespräch mitgeteilt, bei dem Verstorbenen handele es sich um einen Informanten oder eine VP des Verfassungsschutzes. Dieser Umstand allein sei die tragende Erwägung für den Einsatz einer MK gewesen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Fremdverschulden hätten nämlich weder zu diesem Zeitpunkt bestanden noch hätten sich solche während der Ermittlungen ergeben.3301 Nach den dienstlichen Erfahrungen des Zeugen Ralf Östermann ist es allerdings nicht ungewöhnlich, dass eine MK auch ohne Anzeichen von Fremdverschulden eingesetzt wird, wenn es sich bei dem Verstorbenen um eine Person des öffentlichen Lebens handelt oder der Fall von politischer Brisanz ist.3302 Unmittelbar nach dem fernmündlich erteilten Auftrag, mit einer MK die Ermittlungen aufzunehmen, begab sich der Zeuge Ralf Östermann mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unverzüglich zur Dienststelle der KPB Paderborn und traf dort gegen 01:00 Uhr des 8. April 2014 ein. Er hat ausgesagt, dass er die mit dem Todesfall befassten Kriminalbeamten der KPB Paderborn nicht mehr angetroffen habe. Nachdem er sich vergewissert hätte, dass sämtlich unaufschiebbaren Maßnahmen bereits getroffen worden waren, übernahm er die sichergestellten Asservate, u. a. zwei Mobiltelefone und zwei Tablets, und den Todesermittlungsvorgang, die sich auf der Dienststelle der KPB Paderborn befanden, an sich.3303 Am Morgen des 8. April 2014 setzte der Zeuge Ralf Östermann den zunächst zuständigen Kapitaldezernenten der StA Paderborn von dieser Entscheidung des PP Bielefeld in Kenntnis und übersandte ihm per Fax den von der KPB Paderborn gefertigten Todesermittlungsbericht vom 7. April 2014 mit der Anregung, „auf Grund der politischen Brisanz“ eine Obduktion des Leichnams zu beantragen. Den Vorgang hatte das PP Bielefeld bereits als „VS GEHEIM“ eingestuft. Die später dem BKA gegenüber überbrachte Mitteilung des PP Bielefeld, es hätte das Todesermittlungsverfahren nicht als „,VS-Geheim´ oder einem sonstigen Verschlussgrad gem. Verschlusssachenanweisung“ eingestuft, dürfte deshalb unzutreffend sein.3304 Die StA Paderborn war sich offensichtlich unschlüssig, wie sie das Verfahren prozessual führen sollte. Anfänglich behandelte sie den Vorgang als sogenannte Leichensache im Sinne 3300 3301 3302 3303 3304 584 Montag, APr 16/1344 S. 52. Östermann, APr 16/1340 S. 35. Östermann, APr 16/1340 S. 35. Östermann, APr 16/1340 S. 6. Telefax des BKA vom 16. Mai 2014 A21996 S. 105 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 des § 159 StPO.3305 Ein solches Todesermittlungsverfahren, zu dem u. a. die Leichenöffnung nach Nummer 33 RiStBV gehört, erfordert allerdings - wenn auch nur entfernte - konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Tat im Sinn des § 11 Absatz 1 Nummer 5 StGB.3306 Ein derartiges Verfahren ist kein Ermittlungsverfahren im Sinne des § 160 StPO.3307 Diese Bestimmung soll der StA möglichst frühzeitig die Prüfung und Entscheidung darüber ermöglichen, ob ein Ermittlungsverfahren wegen eines Tötungsdeliktes einzuleiten ist.3308 Obgleich der Zeuge Ralf Meyer konkrete Anhaltpunkte für ein Fremdverschulden und damit für ein Tötungsdelikt von Anfang an ausschloss, leitete er spätestens am 8. April 2014 mit seinem Antrag beim AG Paderborn sogar ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein.3309 b. Ermittlungsmaßnahmen mit richterlichem Beschluss Antragsgemäß ordnete das AG Paderborn am 8. April 2014 die Leichenöffnung an. Ferner erließ es auf Antrag der StA Paderborn am 8. April 2014 einen Beschluss, wonach die Mobilfunknetzbetreiber verpflichtet waren, Auskunft über sämtliche Verbindungsdaten vom 7. April 2014 und davor zu erteilen, die funktechnisch über den Standort der Wohnung des Verstorbenen abgewickelt wurden. Die StA Paderborn begründete diesen strafprozessualen Antrag damit, ein Fremdverschulden am Tod des Thomas Richter könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, so dass im Umkehrschluss der Verdacht eines Tötungsdeliktes bestünde.3310 Diese Maßnahme erfolgte rein vorsorglich für den Fall, dass sich aufgrund weiterer Ermittlungen konkrete Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden ergeben würden. Nur für diesen - im Ergebnis nicht eingetretenen - Fall war von den Ermittlungsbehörden beabsichtigt, die aufgrund dieses Beschlusses von den Mobilfunknetzbetreibern zur Verfügung zu stellenden Daten auszuwerten. Der Zeuge Ralf Meyer hat dazu ausgeführt: „[…]Schon relativ früh sind wir ja von einem natürlichen Tod ausgegangen, eigentlich schon am 08. nach dem Ergebnis der Obduktion. Und da wären diese Verbindungsdaten aus meiner Sicht nicht so bedeutsam gewesen, weil das ja seine Verbindungsdaten waren. Wenn sein Handy da ist, dass das in der Funkzelle war, dürfte ja völlig klar sein, wenn es angeschaltet ist. Aber mit wem er da in den letzten Tagen Kontakt hatte...Da hatten wir ja eine Datensicherung bei ihm vorgenommen […]“.3311 Auf Antrag der StA Paderborn begrenzte das AG Paderborn mit Beschluss vom 9. April 2014 diesen Untersuchungszeitraum rückwirkend auf den 29. März 2014.3312 Die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung für eine derartige Maßnahme ergibt sich aus § 100b Absatz 2 Nummer 3 StPO. 3305 3306 3307 3308 3309 3310 3311 3312 Z. B. mit der Ausstellung des Beerdigungsscheins am 08. April 2014. Vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57 Aufl., § 159 Rdnr. 2; Karlsruher Kommentar – Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 159 Rdnr. 2. vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57 Aufl., § 159 Rdnr. 1. Karlsruher Kommentar - Griesbaum, StPO, 6. Auflage, § 159 Rdnr. 2. Gemäß § 152 Absatz 2 StPO muss und darf die StA aber nur dann ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Zwar hat die StA hierbei einen gewissen Beurteilungsspielraum, jedoch muss es sich um konkrete Tatsachen handeln, die nach kriminalistischer Erfahrung das Vorliegen einer Straftat als möglich erscheinen. Lediglich Vermutungen, kriminalistische Hypothesen u. a. reichen dafür nicht aus. Auch ist das Sammeln von Verdachtsgründen gegen einen unbestimmten Täterkreis nicht statthaft. Meyer-Goßner / Schmidt, Kommentar zur StPO, 57. Aufl., Rdnr. 3 ff. zu § 152; Karlsruher Kommentar - Schoreit, 6. Aufl., Rdnr. 14 ff. zu § 152. Wie vor. Meyer, APr 16/1353 S. 32. Beschluss des AG Paderborn vom 9. April 2014, A21992 S. 33 (VS-nfD). 585 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die StA Paderborn beauftragte noch am 8. April 2014 fernmündlich das für diese Behörde zuständige Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster mit der Durchführung der Obduktion. Die Leichenöffnung fand noch am selben Tag unter Leitung der Zeugin Dr. Karin Varchmin-Schultheiß, und in Gegenwart der Zeugen Ralf Meyer und Ralf Östermann statt. Der Zeuge Ralf Meyer erläuterte der Zeugin Dr. Karin Varchmin-Schultheiß in groben Zügen die Hintergründe des Todesfalls, nämlich dass es sich bei dem Verstorbenen um eine Person handele, die für den Verfassungsschutz gearbeitet und unter dem Namen „Thomas Dellig“ gelebt habe.3313 Nach dem Ergebnis der Obduktion konnte die Todesursache nicht abschließend geklärt werden. Eine äußere Gewalteinwirkung oder Einstiche am Leichnam wurden nicht festgestellt. Allerdings fanden sich Hinweise auf ein hyperglykämisches – diabetisches - Koma, namentlich eine steife Konsistenz des Hirngewebes, mit Teststreifen nachgewiesener Glukose im Hirnkammerwasser und im Urin, eine Fettleber sowie 700 ml Urin in der Harnblase.3314 Die Zeugen Ralf Meyer und Ralf Östermann haben übereinstimmend angegeben, dass sie sich bereits nach diesem Obduktionsergebnis einig waren, dass das Todesermittlungsverfahren „relativ zeitnah“ eingestellt werden könne. Der Gedanke, Thomas Richter sei einem Tötungsdelikt zu Opfer gefallen, erschien eher abwegig, er sei erst gar nicht aufgekommen. Ein mögliches Tatmotiv sei auch im Ansatz nicht erkennbar gewesen. 3315 Zur weiteren Abklärung der Todesursache regte die Zeugin Dr. Karim Varchim-Schultheiß allerdings eine gesonderte, chemische-toxikologische Untersuchung der entnommenen Körperflüssigkeiten und Organteile an. Der Zeuge Ralf Meyer beauftragte darauf am 8. April 2014 vorsorglich das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster mit der Durchführung von laborchemischen Zusatzuntersuchungen. Die Untersuchungen selbst erfolgten durch das „Centrum für Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Münster“.3316 Mit Verfügung vom selben Tag übersandte die StA Paderborn dem Standesamt der Stadt Paderborn den auf die Personalien Thomas Dellig ausgestellten Beerdigungsschein.3317 Die Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin in Münster teilte der StA Paderborn mit Schreiben vom 16. April 2014 das Ergebnis der erbetenen laborchemischen Zusatzuntersuchungen mit und erläuterte diese mit einem kurzen Zusatzgutachten. Mit dem Ergebnis dieser Untersuchungen erstellte das Institut für Rechtsmedizin in seinem Kurzgutachten den sogenannten Traubschen Summenwert. Dieser Summenwert wurde aus dem Lactat und der Glucose des entnommenen Augenkammerwassers sowie aus dem Lactat und der Glucose des Hirnkammerwassers gewonnen. Diese sogenannten Traubschen Summenwerte waren exorbitant hoch. Danach waren die unteren Grenzwerte zur Diagnose einer tödlichen Hyperglykämie deutlich überschritten. Nach diesen Untersuchungen konnte deshalb von einer Hyperglykämie, die zu einem tödlichen diabetischen Koma geführt hat, als Todesursache ausgegangen werden.3318 3313 3314 3315 3316 3317 3318 586 Meyer, APr 16/1353 S. 7. Obduktionsbericht vom 8. April 2014, A21992 S. 61 (VS-nfD). Östermann, APr 16/1340 S. 10; Meyer, APr 16/1353 S. 28. Rechtsmedizinisches Gutachen des Universitätsklinikums Münster vom 16. April 2014, A21992 S. 83 (VS-nfD); Verfügung der StA Paderborn vom 8. April 2014, A21992 S. 26 (VS-nfD). Verfügung der StA Paderborn vom 8. April 2014, A21992 S. 26 f. (VS-nfD); Beerdigungsschein vom 8. April 2014, A21992 S. 27 (VS-nfD). Rechtsmedizinisches Gutachten des Universitätsklinikums Münster vom 16. April 2014, A21992 S. 82 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 c. Durchsuchungen Die mit den weiteren Ermittlungen beauftragte MK des PP Bielefeld durchsuchte mit einer Tatortbeamtin, einem Spurensicherungsbeamten und einer Polizeifotografin am 8. April 2014 erneut die Wohnräume des verstorbenen Thomas Richter. Das am 7. April 2014 angebrachte Siegel an der Wohnungstür war noch unversehrt. Die Polizeibeamten fanden in der Küche und im Wohnzimmer jeweils ein weiteres Notebook, unterließen es jedoch aus nicht mehr feststellbaren Gründen, diese sicherzustellen. Hinsichtlich der Dachluke in der Decke des Schlafzimmers begnügten sie sich mit dem Hinweis des Zeugen Markus Grimme, diese Luke sei schon lange „verriegelt“ und der Mieter habe noch nie Zugang zu dem Bereich oberhalb der Luke gehabt. Nach Abschluss dieser „Tatortbesichtigung“ versiegelten die Kriminalbeamten des PP die Wohnung erneut.3319 d. Gemeinsame Dienstbesprechung mit dem BfV Unter Federführung der PP´in Bielefeld fand am 9. April 2014 im Gebäude des PP Bielefeld eine gemeinsame, zunächst als geheim eingestufte Besprechung statt.3320 An dieser nahmen die Leiterin der Abteilung 2 des BfV, die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld, der Mitarbeiter M. des BfV, die Zeugen Ralf Meyer und Ralf Östermann sowie zwei weitere Kriminalbeamten des PP Bielefeld teil.3321 Die Initiative für diese Unterredung ging von der Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld aus.3322 In Absprache mit der Behördenspitze war es ihr daran gelegen, die Ermittlungsbehörden, namentlich die StA, dafür zu gewinnen, die erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, dass mit der „Abwicklung“ des Todesfalls „Corelli“ keine Rückschlüsse auf das Schutzprogramm durch Außenstehende gezogen werden können. Nach Einschätzung des BfV gehörte dazu insbesondere - die VP „Corelli“ unter seiner Legendierung „Thomas Dellig“ zu beerdigen, - Dateien auf sichergestellten Datenträgern zu löschen, soweit sie auf seine wahre Idendität hinweisen und - persönliche Dokumente gleichen Inhalts unter Verwahrung des BfV zu nehmen.3323 Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld hat angegeben, sie sei davon ausgegangen, dass noch vor einer Datenlöschung die Daten von der Polizei „gespiegelt“ werden, so dass diese für die Ermittlungsbehörden im Bedarfsfall jederzeit vollumfänglich zur Verfügung stehen würden. Ihr und dem BfV sei bewusst gewesen, dass ihr Anliegen gegen den Willen der StA nicht durchgesetzt werden könne. Deshalb habe sie auf eine „verständnisvolle“ Kommunikation und Kooperationsbereitschaft mit der Ermittlungsbehörde in Paderborn, im Ergebnis mit Erfolg, gesetzt.3324 Auf Vorhalt eines vermeintlichen Widerspruchs ihres Aussageverhaltens zur Frage, unter welcher Identität Thomas Richter nach Vorstellung des BfV beerdigt werden sollte, den der Zeuge Jerzy Montag für den Bericht des PKGr an den Bundestag wie folgt formulierte: „Über die Absprache zur Beisetzung unter der neuen Identität schrieb die Leiterin der Abteilung 2 des BfV am selben Tage in einer Vorlage an den Präsidenten des BfV: "Da keine Angehörigen auffindbar sind, werden Vennögensgegenstände seitens der Kommune verwertet werden können. Der Verstorbene wird unter seinem aktuellen Namen 3319 3320 3321 3322 3323 3324 Spurensicherungsbericht des PP Bielefeld vom 15. April 2014, A21992 S. 144 (VS-nfD). Östermann, APr 16/1340 S. 36; Vermerk vom 9. April 2014, A21992 S. 165 (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 9. April 2014, A21992 S. 65 (VS-nfD). Büddefeld, APr 16/1487 S. 12. Büddefeld, APr 16/1487 S. 6. Büddefeld, APr 16/1487 S. 16. 587 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 beerdigt". Gegenüber dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages behauptete sie später tatsachenwidrig, R*** habe von Anfang an unter seiner ursprünglichen Identität beigesetzt werden sollen. Ebenfalls am 09.04.2014 unterrichtete der Präsident des BfV Dr. Maaßen das PKGr vom Ableben des V-Manns Corelli.“3325 hat die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld bestätigt, dass ihr diese Passage des Berichtes bekannt sei. Diese Einschätzung des Zeugen Jerzy Montag sei für sie nicht nachvollziehbar. Im Weiteren ist sie bei ihrer Darstellung geblieben.3326 Aus Sicht der Ermittlungsbehörden war Ziel dieser Besprechung am 9. April 2014, den bisherigen Ermittlungsstand darzulegen und die weitere Vorgehensweise abzuklären. Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld bestätigte die von ihren beiden Mitarbeitern bereits am 7. April 2014 mitgeteilte Information, der verstorbene „Thomas Dellig“ sei als VP für das BfV tätig gewesen und habe im Rahmen eines Schutzprogramms unter der neuen Identität „Thomas Dellig“ gelebt. Tatsächlich handele es sich bei dieser Person um den am 24. Oktober 1974 in Morl / Sachsen-Anhalt geborenen Thomas Richter, seine Eltern seien verstorben. Den Kontakt zu seinen Geschwistern habe er „völlig“ abgebrochen.3327 Mit dieser jedenfalls für das Jahr 2014 nicht zutreffenden Information des BfV gaben sich die Ermittlungsbehörden zufrieden.3328 Diese falsche Einschätzung über die familiären Bindungen des Thomas Richter beruhten möglicherweise auf einer Mitteilung einer namentlich nicht bekannten VP des BfV aus dem Jahr 2006, die offensichtlich ihrerseits die VP „Corelli“ für das BfV kontrollieren sollte. Danach hätten die Brüder Lothar und Thomas Richter wegen „persönlicher Differenzen wenig Kontakt“.3329 Selbst wenn dieser - veraltete - Bericht zutreffend gewesen wäre, wäre es Aufgabe des BfV gewesen, diesen Sachverhalt neu zu klären und in jedem Fall Lothar Richter als einen nahen Angehörigen des Verstorbenen in Kenntnis zu setzen. Das PP Bielefeld bestätigte die später am 24. April 2014 festgestellte Personenidentität des „Thomas Dellig“ mit Thomas Richter durch einen Abgleich der bei der Polizei in Halle / Sachsen-Anhalt vorhandenen Fingerabdrücke.3330 Ob anlässlich der Besprechung am 9. April 2014 das BfV den VP-Namen des Thomas Richter, nämlich „Corelli“ nannte, und auf einen möglichen Zusammenhang mit dem NSU-Komplex hinwies, kann nicht sicher festgestellt werden. Während der Zeuge Ralf Östermann augesagt hat, er sei erst aus späteren Presseveröffentlichungen darauf aufmerksam gemacht worden3331, ist sich der Zeuge Ralf Meyer ziemlich sicher gewesen, dass das BfV diesen Zusammenhang erwähnt habe.3332 Für diese Annahme spricht der Bericht des LOStA in Paderborn vom 10. April 2014 an das JM NRW, in dem es u. a. heißt: „Der Verstorbene war ca. 20 Jahre als VP für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. Im Rahmen der NSU- Ermittlungen kam es im Jahr 2012 zu einer Enttarnung.“3333 3325 3326 3327 3328 3329 3330 3331 3332 3333 588 Bericht des PKGr des Deutschen Bundestages an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 24. Büddefeld, APr16/1487 S. 16. Vermerk des PP Bielefeld vom 09. April 2014, A21992 S. 165 f. (VS-nfD). Östermann, APr 16/1340 S. 29. Erkenntniszusammenstellung des BfV vom 12. April 2014, A65312 S. 61 (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 23. April 2014, A21992 S. 76 (VS-nfD). Östermann, APr 16/1340 S. 15. Meyer, APr 16/1353 S. 43. Bericht des LOStA Paderborn vom 10. April 2014, A21995 S. 9 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Diese Ausführungen in dem Bericht dürften unmittelbar unter dem noch frischen Eindruck der erfolgten Besprechung vom 9. April 2014 entstanden sein. Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld hat ebenfalls angegeben, die Beteiligten auf das NSU-Verfahren hingewiesen zu haben, und zwar in dem Zusammenhang, dass Thomas Richter vom BKA vernommen worden sei und nunmehr als Zeuge für das Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München nicht mehr zur Verfügung stehe.3334 Diese Aussage lässt sich auch mit ihrer Aussage in Verbindung setzen, sie habe sich bereit erklärt, den GBA von dem Ableben Thomas Richters in Kenntnis zu setzen.3335 Der Zeuge Ralf Meyer hat das Informationsverhalten des BfV insoweit auch als „sehr offen“ bezeichnet.3336 Das Ergebnis der „gemeinsamen Gedankenentwicklung“ hat die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld wie folgt auf den Punkt gebracht: „Und insgesamt verfestigte sich bei mir so der Eindruck, dass unser Anliegen, was wir hatten, zunächst einmal verstanden wurde – so möchte ich das mal nennen - , also dass man nachvollziehen konnte, warum wir überhaupt um diese Besprechung ersucht hatten und warum wir diese Information jetzt auch an die nordrhein-westfälischen Behörden gerne weitergeben wollten. Das ist im Großen und Ganzen das, was da passiert ist.“3337 Aufgrund des Obduktionsergebnisses vom 8. April 2014 bestand unter den Anwesenden die einhellige Auffassung, Thomas Richter sei eines natürlichen Todes gestorben. Ein Fremdverschulden könne nicht festgestellt werden. Das BfV bat um Überlassung der sichergestellten Mobiltelefone und Notebooks bzw. Tablets. Der Zeuge Ralf Meyer traf die Entscheidung, die elektronischen Speichermedien zunächst nicht auszuhändigen, sondern erst die Daten zu sichern. Anschließend seien die Daten auf den Originalfestplatten zu löschen. Die Entscheidung, die persönlichen Daten des Thomas Richter auf den Originaldatenträgern zu löschen, sollte dem Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen dienen.3338 Die endgültige Entscheidung über die Herausgabe der Datenträger behielt er sich vor. Ferner trafen die Beteiligten dieser Unterredung einvernehmlich die Entscheidung, Thomas Richter solle unter seinem Falschnamen „Thomas Dellig“ beigesetzt werden. Diese Entscheidung, den Klarnamen nicht zu offenbaren, auch nicht Behörden gegenüber, berichtete der LOStA in Paderborn mit Schreiben vom 10. April 2014 über den GStA in Hamm dem JM NRW. Zur Begründung führte er aus, bei Bekanntgabe des Klarnamens bestünde die Gefahr einer Offenbarung des Vorgehens des BfV in solchen Fällen; überwiegende Interessen Dritter [Anm.: den Klarnamen zu nennen] seien nicht erkennbar. Dieser Argumentation schlossen sich sowohl der GStA in Hamm als auch das JM NRW an und billigten damit die beabsichtigte Vorgehensweise des LOStA in Paderborn.3339 Die Initiative für die Beerdigung unter dem Falschnamen ist möglicherweise von den Mitarbeitern des BfV ausgegangen.3340 Soweit der LOStA in Paderborn gegen diese Vorgehens3334 3335 3336 3337 3338 3339 3340 Büddefeld, APr16/1487 S. 7. Büddefeld, APr16/1487 S. 31. Meyer, APr 16/1353 S. 13. Büddefeld. APr16/1487 S. 7. Östermann, APr 16/1340 S. 12, 17. Bericht des LOStA Paderborn vom 10. April 2014, A21995 S. 9, 11 (VS-nfD). Meyer, APr 16/1353 S. 8. 589 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 weise anfänglich rechtliche Bedenken gehabt haben sollte3341, dürfte er diese spätestens mit seinem Bericht vom 10. April 2014 an das Justizministerium zurückgestellt haben. Von welcher Behörde die Initiative für die sonstigen festgelegten Maßnahmen, insbesondere die Löschung sämtlicher Daten, ausging, ließ sich nicht mit Gewissheit feststellen. Der Zeuge Jerzy Montag hat angegeben, er habe die Personen des BfV, die an dem Treffen am 9. April 2014 teilgenommen hätten, selbst vernommen. Diese hätten ihm gegenüber eingeräumt, die Initiative dazu ergriffen zu haben. Vor den Gremien des Deutschen Bundestages hätten sie noch das Gegenteil behauptet.3342 Demgegenüber hat der Zeuge Ralf Östermann bekundet, die Initiative für die Datenlöschung sei in der Besprechung am 9. April 2014 von dem Zeugen Ralf Meyer ausgegangen.3343 Ebenso hat der Zeuge Ralf Meyer angegeben, er meine „dunkel in Erinnerung zu haben“, das BfV habe die Löschung der Daten nicht begehrt. Die Initiative sei von der Polizei ausgegangen. Sie soll sich dahingehend geäußert haben, Datenträger mit Daten nicht herauszugeben.3344 Sicher ist, dass das BfV ein eigenes Interesse an der Löschung bestimmter Daten hatte, die Rückschlüsse auf das Schutzprogramm zuließen. Dies ergibt sich bereits aus der Aussage der Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld, der erst nach einem energischen „Nachfassen“ des Ausschusses eine - stark eingeschränkte - Aussagegenehmigung für eine Vernehmung in einer öffentlichen Sitzung vom Prasidenten des BfV erteilt worden ist. Der Ausschuss brachte über dieses anfänglich deutlich unkooperative Verhalten des BfV unmissverständlich sein Unverständnis zum Ausdruck und veröffentlichte eine entsprechende Pressemitteilung mit der Überschrift „Ausschuss lässt sich nicht erpressen“.3345 Er wertete dieses Verhalten des BfV gegenüber einem parlamentarischen Gremium als den „Höhepunkt der Bodenlosigkeit“.3346 Es erscheint naheliegend, dass sich in diesem Punkt der Datenlöschung die Interessen sowohl des PP Bielefeld bzw. der StA Paderborn und des BfV im Ergebnis deckten und von den Beteiligten so auch wahrgenommen wurden. Einer besonderen Initiative einer der anwesenden Gesprächspartner bedurfte es offenbar nicht. Dieser Umstand könnte auch eine Erklärung für das von dem Zeugen Jerzy Montag beschriebene scheinbar widersprüchliche Aussageverhalten sein. Das beim PP Bielefeld für Informations- und Kommunikationstechnik zuständige KK 25 sicherte am 15. April 2014 sämtliche Daten der im ersten Zugriff asservierten zwei Mobiltelefone der Marken Nokia 200 und Sony Ericsson sowie zwei Tablets der Marken Samsung Galaxy Note GT-P5110 und Samsung Galaxy GT-P1000 auf einer gesonderten Festplatte.3347 Entsprechend der Vereinbarung, die Legendenbildung für „Thomas Dellig“ aufrechtzuerhalten, suchte der Zeuge Ralf Östermann ebenfalls am 15. April 2014 das Ordnungsamt der 3341 3342 3343 3344 3345 3346 3347 590 Meyer, APr 16/1353 S. 17. Montag, Protokoll der 35. Sitzung des PUA des Landtags BW zum NSU vom 27. November 2015 S. 55 f. Östermann, APr 16/1340 S. 17. Meyer, APr 16/1353 S. 21. Protokoll zur beabsichtigten Vernehmung der Zeugin Büddefeld am 1. Juli 2016, APr 16/1374 S. 6. Protokoll zur beabsichtigten Vernehmung der Zeugin Büddefeld am 1. Juli 2016, APr 16/1374 S. 5. Vermerk des PP Bielefeld vom 15. April 2014, A21992 S. 176 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Stadt Paderborn auf und übergab dem zuständigen Beamten die für eine ordnungsbehördliche Bestattung erforderlichen Unterlagen unter dem Tarnnamen „Thomas Dellig“.3348 e. Presseberichterstattung und Folgemaßnahmen In der Zwischenzeit erschienen u. a. am 11. und 14. April 2014 Pressemeldungen mit der Überschrift „Zeuge aus NSU-Prozess tot“. In den Presseberichten wurde näher ausgeführt, dass es sich bei dem in Paderborn-Schloss Neuhaus verstorbenen „Thomas Dellig“ tatsächlich um die ehemalige VP des BfV Thomas Richter handele. Nach Medienberichten habe der Verfassungsschutz „in der vorvergangenen Woche“ - demnach unverzüglich nach dem Todesfall - das PKGr von dem Ableben des Thomas Richter und über die damit zusammenhängenden Hintergründe in Kenntnis gesetzt.3349 Diese Pressenachrichten erreichten auch den Bruder des Thomas Richter, Lothar Richter, in Halle / Saale. Dieser wandte sich sowohl fernmündlich - wie auch sein Bruder Bernhard - als auch schriftlich an die StA Paderborn und drückte sein deutliches Befremden darüber aus, über das Ableben seines Bruders erst aus den Medien erfahren zu haben.3350 Nach den vorliegenden Unterlagen drängt sich der Eindruck auf, dem BfV seien die Personalien und Anschriften der Geschwister des Thomas Richter seit Langem bekannt gewesen. Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld teilte nämlich bereits am 14. April 2014 dem im Urlaub befindlichen Zeugen Ralf Meyer fernmündlich mit, aufgrund der Mitteilung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ vom 11. April 2014, das über den Todesfall „Thomas Dellig“ berichtet hatte, habe ihre Behörde nunmehr keine Bedenken, die Brüder des Thomas Richter über dessen Tod zu informieren, damit sie dessen Erbe antreten können.3351 Die anfänglich falsche Unterrichtung der StA Paderborn über die persönliche Beziehung der Brüder untereinander und die beabsichtigte Verschleierung des Todesfalles des Thomas Richter gegenüber seinen Geschwistern durch das BfV ist weder unter rechtlichen noch moralischen Gesichtspunkten hinnehmbar. Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld ist dieser Einschätzung entgegengetreten und hat mit dem Hinweis argumentiert, Thomas Richter habe sich schließlich aus freien Stücken auf das Angebot eines Schutzprogramms mit einer neuen Identität und dessen Geheimhaltung Dritten gegenüber eingelassen. Logische Folge seiner Entscheidung sei es auch, dass im Fall seines Ablebens er unter der neuen Identität beerdigt werde und Dritte - auch nahe Angehörige - davon nichts erführen. Soweit Thomas Richter während des Schutzprogramms gleichwohl zu einem seiner Brüder, nämlich Lothar, Kontakt unterhalten habe, habe er sich nicht an die getroffenen Vereinbarungen gehalten.3352 Es bleibt offen, ob das BfV das Schutzprogramm für Thomas Richter beendet und seine Legendierung aufgehoben hätte, wenn es Kenntnis von dieser Kontaktaufnahme mit Lothar Richter erlangt hätte. Nur für den Fall, nahe Angehörige hätten sich als Erbberechtigte beim BfV gemeldet, sei das BfV nach Aussage der Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld bereit gewesen, die wahre Identität des Thomas Richter und sein Ableben zu offenzulegen.3353 3348 3349 3350 3351 3352 3353 Vermerk des PP Bielefeld vom 15. April 2014, A21992 S. 171 (VS-nfD). Artikel „Zeuge aus NSU-Prozess tot“ in „Westfälisches Volksblatt“ vom 14. April 2014, A21994 S. 11. Schreiben des Lothar Richter vom 15. April 2014, A21992 S. 39 (VS-nfD); E-Mail der StA Paderborn vom 15. April 2014, A21992 S. 182 (VS-nfD); Vermerk der StA Paderborn vom 16. April 2014, A21996 S. 31 ff. (VS-nfD). Vermerk der StA Paderborn vom 23. April 2014, A21996 S. 35 (VS-nfD). Büddefeld, APr16/1487 S.18, 21. Büddefeld, APr16/1487 S. 19. 591 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 f. Offenlegung der Identität Die StA Paderborn erkannte, dass sich die Legendenbildung um „Thomas Delling“ nicht mehr aufrechterhalten ließ. Die Behördenleitung der StA Paderborn setzte den Zeugen Ralf Östermann, unmittelbar nach dessen Besprechung im Ordnungsamt der Stadt Paderborn, am 15. April 2014 von der neuen Lage in Kenntnis und bat, über den Verfassungsschutz die Identität etwaiger Verwandter des Thomas Richter abzuklären und die bereits in die Wege geleitete ordnungsbehördliche Beerdigung sofort zu stoppen.3354 Im Anschluss daran begab sich der Zeuge Ralf Östermann zu der offenbar noch versiegelten Wohnung des Thomas Richter. Der Zeuge Markus Grimme öffnete mit seinem Schlüssel die beschädigte Wohnungseingangstür. In Wohnzimmer stellte der Zeuge Ralf Östermann das Notebook sicher, das in dem Tatortfundbericht vom 8. April 2014 zusätzlich erwähnt wurde. Es handelte sich hierbei um ein Notebook der Marke Medion Erazer. Dieses Notebook übergab er dem KK 25 des PP Bielefeld zur Datensicherung. Das in dem Tatortfundbericht vom 8. April 2014 ebenfalls aufgeführte Notebook Acer in der Küche ließ der Beamte hingegen stehen.3355 Diese Nachlässigkeit hat er gegenüber dem Ausschuss nicht erklären können.3356 Der Zeuge Ralf Östermann gestattete dem Zeugen Markus Grimme nach Beendigung seiner Maßnahme, die Wohnungstür zu erneuern und das verschmutzte Bett im Schlafzimmer zu entfernen.3357 Danach erscheint es wenig wahrscheinlich, dass der Zeuge Ralf Östermann die Wohnungstür erneut versiegelte. Zwar behauptete er dies in seinem Schreiben vom 5. Mai 2014 an die Staatsmannschaft Paderborn: „Die Wohnung [...] bis [...] 25.04.2014 durchgängig versiegelt und [...] auch von niemandem betreten [...]“3358, jedoch hätte die erneute Versiegelungen der Wohnungstür im Hinblick auf die dem Zeugen Markus Grimme eingeräumte Befugnis, die Wohnung betreten und die Wohnungstür erneuern zu dürfen, keinen Sinn ergeben. Der Ausschuss geht daher davon aus, dass die Wohnung des Thomas Richter ab dem 15. April 2014 nicht mehr versiegelt war. Die StA Paderborn hatte zu diesem Zeitpunkt die Wohnung allerdings noch nicht freigegeben.3359 Am 23. April 2014 entschied der Zeuge Ralf Meyer nach Erörterung mit der Behördenleitung und im Einvernehmen mit dem BfV, dass die Beurkundung des Sterbefalls und die Bestattung des Thomas Richter unter seinen richtigen Personalien stattfinden soll. Zu diesem Zweck stellte er einen auf den 8. April 2014 zurückdatierten Beerdigungsschein für das Standesamt der Stadt Paderborn aus.3360 Der Zeuge Ralf Östermann korrigierte die von dem Notarzt ausgestellte Todesbescheinigung vom 7. April 2014, indem er auf dieser Bescheinigung die falschen Personaldaten durchstrich und durch die richtigen ersetzte.3361 Zu einer solchen Korrektur auf dem Original war er rechtlich nicht befugt. Es hätte zumindest eines Hinweises auf dieser Bescheinigung bedurft, dass die Korrektur nicht von dem Hersteller der Urkunden, dem Notarzt, sondern von einer anderen Person, nämlich ihm, nachträglich vorgenommen worden ist. Der Zeuge Ralf Östermann informierte das Ordnungsamt der Stadt Paderborn, die bereits die Beerdigungsformalitäten eingeleitet hatte, über die wahre Identität das „Thomas Dellig“ 3354 3355 3356 3357 3358 3359 3360 3361 592 Vermerk der StA Paderborn vom 16. April 2014, A21996 S. 31 ff. (VS-nfD). Östermann, APr 16/1487 S. 18, 21. Östermann, APr 16/1487 S. 19. Grimme, APr 16/1331 S. 56. Schreiben des PP Bielefeld vom 5. Mai 2014, A21992 S. 218 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 2. Mai 2014, A21992 S. 214 (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 23. April 2014, A21992 S. 185 f. (VS-nfD); Todesbescheinigung vom 7. April 2014, A21992 S. 190 (VS-nfD); Östermann, APr 16/1340 S. 46. Todesbescheinigung vom 7. April 2014, A21992 S. 190 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und nahm die persönliche Habe des Verstorbenen, wie Bargeld, Bundespersonalausweis, Fahrzeugschlüssel u. a., wieder in Empfang.3362 Lothar Richter organisierte die Einäscherung seines Bruders in Paderborn. Zugegen waren ferner drei weitere - nicht bekannte - Personen, die Lothar Richter begleiteten. Die Urne überführte er zur Beisetzung nach Halle / Saale.3363 4. Ermittlungsmaßnahmen des Generalbundesanwalts Der GBA erkundigte sich erstmals am 22. April 2014 durch OStA Dienst nach den sichergestellten Asservaten. Er bat den Zeugen Ralf Meyer, ihm diese Gegenstände zur Auswertung zu überlassen und kündigte eine weitere Durchsuchung der Wohnung des Thomas Richter für das beim GBA anhängige NSU-Verfahren an.3364 Der GBA hatte möglicherweise durch das BfV Kenntnis von dem Todesermittlungsverfahren Thomas Richter bzw. „Ermittlungsverfahren zum Nachteil Thomas Richter gegen Unbekannt“ und dessen Hintergründe erlangt. Er ermittelte im Hinblick auf die bereits erwähnte „NSUCD“ wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und anderer Straftaten gegen Unbekannt. Der GBA sah Anhaltspunkte dafür, dass Thomas Richter und andere noch unbekannt gebliebene Personen in die Herstellung und Verbreitung dieser CD eingebunden waren. Von der Sicherstellung und Auswertung der bei Thomas Richter vorgefundenen Unterlagen, insbesondere der Mobiltelefone und Tablets, versprach sich der GBA dazu weitere Erkenntnisse. Der Zeuge Ralf Meyer versicherte OStA Dienst die Wohnung des Thomas Richter noch nicht freigegeben zu haben.3365 Das BKA, das den GBA in seinen Ermittlungen unterstützte, meldete sich am 25. April 2014 bei einem Kriminalbeamten des KK 11 des PP Bielefeld und kündigte an, die in den Todesermittlungsverfahren Thomas Richter asservierten Gegenstände noch am selben Tag in Empfang nehmen zu wollen. Ferner stellte es eine Durchsuchungsmaßnahme für den kommenden Montag, den 28. April 2016, in Aussicht. Der Kriminalbeamte des PP Bielefeld machte in diesem Gespräch den Beamten des BKA mit der am 9. April 2014 im PP Bielefeld zwischen den Vertretern der StA Paderborn, dem BfV und der PP´in Bielefeld einvernehmlich festgelegten Verfahrensweise vertraut, die auf den sichergestellten Datenträger abgespeicherte Daten zu spiegeln, die Daten sodann auf den Datenträgern zu löschen und die Datenträger, insbesondere Handys und Tablets, an das BfV herauszugeben. Diese Maßnahmen seien allerdings noch nicht umgesetzt worden. Der Beamte des BKA war mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden, insbesondere nicht mit der Löschung der Daten auf den Originalfestplatten. Der Kriminalbeamte des PP Bielefeld veranlasste daraufhin unverzüglich, dass das zuständige Fachdezernat des PP Bielefeld (KK 25) die eventuell bereits veranlassten Löschroutinen sofort stoppt.3366 Zusätzlich meldete sich am selben Tag beim PP Bielefeld OStA Dienst vom GBA und versicherte sich, dass die Löschvorgänge tatsächlich auch gestoppt worden seien. Ebenso untersagte er dem PP Bielefeld, dem BfV die sichergestellten Asservate herauszugeben.3367 3362 3363 3364 3365 3366 3367 Empfangsbekenntnis vom 23. April 2014, A21992 S. 187 (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 28. April 2014, A21992 S. 189 (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 23. April 2014, A21992 S. 194 (VS-nfD). Vermerk der StA Paderborn vom 23. April 2014, A21992 S. 73 (VS-nfD); Schreiben des GBA vom 30. April 2014, A21996 S. 56 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 25. April 2014, A21992 S. 197 (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 25. April 2014, A21992 S. 197 (VS-nfD). 593 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Früher als beabsichtigt, nämlich bereits am 25. April 2016, durchsuchten Mitarbeiter des BKA im Auftrag des GBA aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Ermittlungsrichters beim BGH die Wohnräume des Thomas Richter. Dort stellten sie u. a. ein weiteres Mobiltelefon Nokia C2, vier externe Festplatten und ein Netbook (Acer) sicher, die die bisher eingesetzten Kriminalbeamten offensichtlich auch übersehen hatten.3368 Mit Beschluss des Ermittlungsrichters bei dem BGH vom 19. April 2014 wurden die Asservate, die in dem Todesermittlungsverfahren bisher sichergestellt worden waren und sich beim PP Bielefeld zur Datensicherung befanden, für das Verfahren des GBA beschlagnahmt. Am 30. April 2014 nahmen Mitarbeiter des BKA diese beschlagnahmten Gegenstände in Empfang, und zwar u. a. ein Notebook der Marke Medion, zwei Mobiltelefone, zwei Tablets sowie zwei Festplatten, auf denen sich die gespiegelten Daten der sichergestellten Handys und Tablets befanden.3369 Am 2. Mai 2014 gab der Zeuge Ralf Meyer die Wohnung des Thomas Richter frei und überreichte am 13. Mai 2014 einem Mitarbeiter des BKA eine Zweitausfertigung des Todesermittlungsvorgangs Thomas Richter, um die der GBA die StA Paderborn auf dem Dienstweg ersucht hatte.3370 Der LOStA in Paderborn hob mit Verfügung vom 21. Mai 2014 im Einvernehmen mit dem BfV die Einstufung des Todesermittlungsverfahrens Thomas Richter als Verschlusssache auf und berichtete diese Entscheidung am selben Tag dem JM NRW.3371 Die Auswertung dieser digital vorgehaltenen Daten des Thomas Richter erfolgte ausschließlich durch das BKA. Soweit diese Daten Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt des Thomas Richter zulassen, stellte das BKA solche Auswertungen vom 27. Juni und 3. September 2014 dem PP Bielefeld zur Verfügung, das diese Unterlagen der StA Paderborn mit Schreiben vom 29. September 2014 weiterleitete.3372 Den aufgezeichneten Textnachrichten der sichergestellten Mobiltelefone ist danach zu entnehmen, dass Thomas Richter am 2. April 2014 der Zeugin W. mitteilte, er könne am nächsten Tag an einem Treffen nicht teilnehmen, weil er mit Fieber „flach“ liege. Am 3. April 2014 teilte er mit einem anderen Handy gegen 14:26 Uhr einer Person, die in dem Kontaktverzeichnis des Handys als „Tommy“ bezeichnet ist, mit, er sei „krank“. Seit diesem Zeitpunkt reagierte er auf besorgte Anfragen nicht mehr. Stattdessen sind auf seinem Handy der Marke Sony Xperia Aktivitäten im Internet erkennbar. Mit dem Internet-Suchdienst „Google“ informierte er sich über Behandlungsmöglichkeiten in einem Krankenhaus; als Suchbegriff gab er u. a. Magenschmerzen ein. Die letzte gespeicherte Aktivität unter „Google“ datiert vom 4. April 2014, 4:51 Uhr.3373 Der ehemalige VP-Führer der VP „Corelli“ erfuhr von der Zeugin W. und M., dass diese Thomas Richter nicht erreichen konnten. Daraufhin versuchte er insgesamt fünf Mal, 3368 3369 3370 3371 3372 3373 594 Schreiben des PP Bielfeld vom 29. September 2014, A21992 S. 256 (VS-nfD); Schreiben des GBA vom 12. Mai 2014, A65309 S. 32 ff. Durchsuchungsprotokoll vom 30. April 2014, A21992 S. 211 (VS-nfD). Schreiben des GBA vom 7. Mai 2014, A21992 S. 223 (VS-nfD);Schreiben des LOStA Paderborn vom 9. Mai 2014, A21992 S. 226 (VS-nfD). Bericht des LOStA Paderborn vom 21. Mai 2014, A21995 S. 31 (VS-nfD); Schreiben des LOStA Paderborn vom 21. Mai 2014, A21996 S. 111 (VS-nfD). Vermerke des BKA vom 27. Juni 2014 und 3. September 2014, A21992 S. 257, 261 (VS-nfD); Schreiben des PP Bielefeld vom 29. September 2014, A21992 S. 256 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 3. September 2014, A21992 S. 264 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Thomas Richter anzurufen.3374 Bei dem im Telefonverzeichnis aufgeführten „Tommy“, mit dem Thomas Richter wenige Tage vor seinem Ableben 22 Minuten telefonierte, handelt es sich nach Aussage des Zeugen Jerzy Montag um seinen ehemaligen Nachbarn aus Leipzig, mit dem er VW’s „zusammenschraubte“.3375 Der Todeszeitpunkt des Thomas Richter dürfte deshalb zwischen dem 4. April morgens und dem frühen Nachmittag des 7. April 2014 liegen. 5. Ein „Fund im Bundesamt für Verfassungsschutz“ Der Präsident des BfV, Dr. Hans-Georg Maaßen, musste am 2. Juni 2016 vor dem zweiten Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum NSU einräumen, dass im Juli 2015 im Panzerschrank des ehemaligen VP-Führers der VP „Corelli“ ein weiteres Handy und kurze Zeit später eine SIM-Karte aufgefunden worden sind. Beide Gegenstände seien möglicherweise Thomas Richter zuzuordnen, nachdem er diese im Rahmen seiner Abschaltung im November 2012 seinem VP-Führer ausgehändigt habe.3376 Auf der SIM Karte sollen zahlreiche Kontakte und Verbindungsdaten des Thomas Richter abgespeichert sein.3377 Der Ermittlungsrichter beim BGH lehnte allerdings mit Beschluss vom 17. Juni 2016 den Antrag des GBA, gemäß § 100j Absätze 1 und 3 Satz 1, § 162 Absatz 1 Satz 1, § 169 Absatz 1 Satz 2 StPO, anzuordnen, dass das in Betracht kommende Telekommunikationsunternehmen verpflichtet wird, dem BKA Auskunft über die Zugangssicherungsdaten - PIN und PUK für die SIM-Karte zu erteilen, u. a. mit der Begründung ab, ein Anfangsverdacht i. S. d. § 152 StPO gegen bislang unbekannte Täter3378 wegen einer Unterstützungshandlung des NSU, z.B. Herstellung und / oder Verbreiten der „ NSU-CD“, bestünde nicht, unbeschadet dessen, dass nicht sicher sei, wer Eigentümer der SIM Karte ist.3379 Dieser Überraschungsfund im BfV, der ein nachhaltiges Presseecho auslöste3380, ist Gegenstand eines weiteren Untersuchungsauftrags des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages an den Sachverständigen Jerzy Montag. 6. Weitere Ermittlungen der StA Paderborn zur Feststellung der Todesursache a. Medizinische Zusatzuntersuchungen Aufgrund des Ergebnisses der laborchemischen Zusatzuntersuchungen des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster vom 16. April 2014 kam der Zeuge Ralf Meyer am 28. April 2014 zu dem Ergebnis, eine komplette toxikologische Untersuchung der entnommenen Leichenteile des Thomas Richter sei entbehrlich. Dieser Entschließung lag im Wesentlichen die Erkenntnis zugrunde, dass als Todesursache eine Hyperglykämie „aufgrund einer nicht erkannten und damit nicht behandelten Diabeteserkrankung“ feststand. Als typisches Anzeichen einer solchen Erkrankung galt die im Rahmen der Obduktion festgestellte Fettleber. Überdies hatte der Bruder des Thomas Richter, Lothar Richter, in einem fernmündlich geführten Gespräch mit dem Dezernenten der StA Paderborn erklärt, er selbst 3374 3375 3376 3377 3378 3379 3380 Vermerk des BKA vom 3. September 2014, A21992 S. 264 (VS-nfD). Montag, APr 16/1344 S. 66. Kurzprotokoll der 20. Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags vom 2. Juni 2016, A65312 S. 330 ff. Vermerk des BKA vom 13. Mai 2016, A65318 S. 5 (VS-nfD). Gegen Thomas Richter kann nach seinen Tod ein Ermittlungsverfahren nicht geführt werden, § 206a StPO - zu vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl., § 206a Rdnr. 8. Beschluss des BGH vom 17. Juni 2016, A65318 S. 112 ff. Vgl. z. B. Artikel „De Maizière tadelt Verfassungsschutz“ in FAZ vom 7. Juli 2016, A95529. 595 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 leide unter Diabetes, eine entsprechende Veranlagung sei in der Familie des Verstorbenen vorhanden.3381 Ein Fremdverschulden am Tod des Thomas Richter schloss der Zeuge Ralf Meyer aus. Für eine solche Annahme fehlten jegliche Anhaltspunkte.3382 Nach damaligem Kenntnisstand der Zeugin Dr. Karin Varchmin-Schultheiß und der Leiterin des chemisch-toxikologischen Labors des Instituts war zudem keine Substanz bekannt, die eine Hyperglykämie hervorrufen kann. Da jedoch in der Wohnung des Thomas Richter eine Vielzahl von Viagratabletten mit dem Wirkstoff Sildenafil gefunden wurden, regten sie bei der StA Paderborn sicherheitshalber an, ergänzend festzustellen, ob Thomas Richter zum Zeitpunkt seines Todes unter dem Einfluss von Sildenafil stand.3383 Der Zeuge Ralf Meyer erteilte daraufhin dem Institut für Rechtsmedizin in Münster einen entsprechenden Auftrag. Er ging allerdings weiterhin davon aus, dass das Ergebnis dieser Untersuchung einen Einfluss auf die strafrechtliche Bewertung des Todesermittlungsverfahrens bzw. des Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt nicht haben kann. Diese Bewertung des Ermittlungsergebnisses berichtete die StA Paderborn am 30. April 2014 dem JM NRW und stellte die Einstellung des Todesermittlungsverfahrens in Aussicht, die Ermittlungen seien abgeschlossen.3384 b. Wiederaufnahme der Ermittlungen In der Folgezeit relativierten die Zeugin Dr. Karin Varchmin-Schultheiß und die Leiterin des chemisch-toxikologischen Labors aufgrund eigener Recherchen ihre Einschätzung, dass ihnen keine Substanz bekannt sei, die eine Hyperglykämie hervorrufen könne. Danach könnten das Wachstumshormon GH oder bestimmte Medikamente gleichwohl einen solchen Diabetesschock verursachen. Diese neuen Erkenntnisse erörterte der Zeuge Ralf Meyer am 8. Mai 2014 mit den beiden Gutachterinnen.3385 Entgegen seiner gegenüber dem JM NRW am 30. April 2014 zunächst berichteten Absicht stellte er das Verfahren nicht ein, sondern beauftragte die Leiterin des chemisch-toxikologischen Labors, die entnommenen Leichenteile nunmehr komplett toxikologisch zu untersuchen. Gleichwohl blieb er bei seiner Einschätzung, dass konkrete Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden an den Tod des Thomas Richter nicht ersichtlich seien. Seine Entscheidung, dieser Frage durch weitere Gutachten nachzugehen, stützte er auf außerhalb der StPO liegende Erwägungen und führte insoweit zur Begründung aus, die „besonderen Hintergründe des Verfahrens“ rechtfertigten ein solches Vorgehen.3386 Er wollte dadurch offen- 3381 3382 3383 3384 3385 3386 596 Vermerk der StA Paderborn vom 8. Mai 2014, 21992 S. 220 (VS-nfD). Vermerk der StA Paderborn vom 8. Mai 2014, A21992 S. 220 (VS-nfD); Meyer, APr 16/1353 S. 25, 39. Vermerk der StA Paderborn vom 8. Mai 2014, A21992 S. 220 (VS-nfD). Bericht des LOStA Paderborn vom 30. April 2014, A21995 S. 19 ff. (VS-nfD). Vermerk der StA Paderborn vom 8. Mai 2014, A21992 S. 220 (VS-nfD). Gemäß § 152 Absatz 2 StPO muss und darf aber nur dann ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Zwar hat die Staatsanwaltschaft hierbei einen gewissen Beurteilungsspielraum, jedoch muss es sich um konkrete Tatsachen handeln, die nach kriminalistischer Erfahrung das Vorliegen einer Straftat als möglich erscheinen. Lediglich Vermutungen, kriminalistische Hypothesen u. a. reichen dafür nicht aus. Auch ist das Sammeln von Verdachtsgründen gegen einen unbestimmten Täterkreis nicht statthaft; Meyer-Goßner/Schmidt, Kommentar zur StPO, 57. Aufl., Rdnr. 3 ff. zu § 152; Karlsruher Kommentar – Schoreit, 6. Aufl., Rdnr. 14 ff. zu § 152. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sichtlich einer Legendenbildung im politischen Bereich oder sonstiger Legendenbildung entgegenwirken.3387 Mit Bericht vom 14. Mai 2014 wurde das JM NRW hierüber wie folgt unterrichtet: „Im Hinblick auf die Medienberichterstattung, in der teilweise Zweifel an einem natürlichen Tod des Verstorbenen erhoben werden, ist nunmehr eine komplette toxikologische Untersuchung der Leichenasservate in Auftrag gegeben worden, um auch jeglichen theoretischen Zweifel an einem Tod aus krankhafter innerer Ursache ausschließen zu können.“3388 Zugleich wurde in dem Bericht auf die unverändert gebliebene Einschätzung, Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden hätten sich nicht ergeben, hingewiesen.3389 Das am 8. Mai 2014 in Auftrag gegebene Gutachten an das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster kam am 25. September 2014 durch die Direktorin des Instituts und die Leiterin der Forensischen Toxikologie zu folgendem abschließenden Ergebnis: „Alle durchgeführten chemisch-toxikologischen Untersuchungen führten zu einem negativen Ergebnis. Es konnten weder Sildenafil noch andere Arzneistoffe, illegale Betäubungsmittel oder deren Abbauprodukte nachgewiesen werden. Auch andere organisch extrahierbare und gaschromatographierbare Wirkstoffe konnten nicht nachgewiesen werden. Es gibt Arzneistoffe, die bei chronischer Anwendung zu einer diabetischen Stoffwechselentgleisung führen können.  Neuroleptika: Die in Deutschland zugelassenen Neuroleptika wurden bei den durchgeführten Untersuchungen berücksichtigt. Sie wurden nicht nachgewiesen  Antikonvulsiva, Phenytoin oder Gabapentin Beide Wirkstoffe war nicht nachweisbar.  Opioide: War nicht nachweisbar.  Benzodiazepin War nicht nachweisbar.  Antidepressiva: Waren nicht nachweisbar. Eine Reihe weiterer Arzneistoffe, die ebenfalls zu einer diabetischen Stoffwechselentgleisung bei Dauermedikation und hohen Dosierungen führen können sind:  Kotikosteroide z.B. Costison, Prednisolon u.a.  antiretrovirale Medikamente und Virustatika z.B. die in der H IV – Therapie eingesetzten nukleosidischen Reserve – Transkripase -Inhibitoren (NRTI) (z.B. Zdivodin) oder nicht – nukleosidische Reserve – Transkriptase - Inhibitoren (NNRTI) (z.B. Nevirapin) oder HIV - Protease gedanklich - Inhibitorendie Editoren (PI) (z. B. Lopinavir)  Kontrazeptiva  kardiovaskuläre Arzneistoffe wie z.B. Nifedipin 3387 3388 3389 Anfrage der Fraktion der PIRATEN im Landtag NRW an das JM vom 23. Juni 2014, A21996, S. 129 (VS-nfD); Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau u. a. sowie der Fraktion DIE LINKE vom 10. Juli 2014, BT Drs. 18/2115. Bericht des LOStA Paderborn vom 14. Mai 2014, A21995 S. 25 ff. (VS-nfD). Bericht des LOStA Paderborn vom 14. Mai 2014, A21995 S. 25 ff. (VS-nfD). 597 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die zuletzt genannten Arzneistoffe wurden bei den durchgeführten Untersuchungen nicht erfasst. Für den Nachweis dieser Wirkstoffe steht diesem Labor auch keine entsprechende Analytik zur Verfügung. Allen aufgelisteten Arzneistoffen ist gemeinsam, dass ihr Einfluss auf den Glykosestoffwechsel eine Nebenwirkungskomponente ist, die eintreten kann aber nicht muss. Deshalb sind diese Wirkstoffe letztlich nicht geeignet, um gezielt eine diabetischen Stoffwechselentgleisung auszulösen. Aus einer Dissertation (die Wirkung von systemisch appliziertem rekombinantem speziesspezifischen Wachstumshorn3390 auf den Knochenbau...) stammt der Hinweis, dass das Wachstumshormon Somatropin (Synonyma: Somatropes Hormon = STH, Human Growth Hormon = HGH), Growth Hormon = GH) Auswirkungen auf den Glykosestoffwechsel haben kann. Bei GH handelt es sich um ein Protoehormon, d.h. um ein Hormon mit Eiweißstruktur). Solche Substanzen werden bei oraler Aufnahme sofort abgebaut/verdaut und können keine Wirkung entfalten. Um eine Wirkung zu erreichen, müsste GH injiziert werden. Auch hier handelt es sich bei der Auswirkung auf den Zuckerstoffwechsel um eine Nebenwirkung, die eintreten kann aber nicht muss. Somit ist auch GH kein geeignetes Mittel, um gezielt eine Hyperglykämie auszulösen. Zudem sind bei der Obduktion keine Injektionsstichverletzungen festgestellt worden. Zusammenfassend erbrachten die chemisch-toxikologischen Untersuchungen keine Erklärung für die diagnostizierte diabetische Stoffwechselentgleisung.“3391 c. Ermittlungen wegen Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung Nachdem sich keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden ergeben hatten, ermittelte der Zeuge Ralf Meyer auch unter dem Gesichtspunkt einer pflichtwidrigen Unterlassungshandlung, etwa in der Form einer unterlassenen Hilfeleistung. Konkrete Anhaltspunkte für eine solche Annahme lagen nicht vor. Am 8. Oktober 2014 beauftragte er erneut das Institut für Rechtsmedizin in Münster, abschließend zu der Frage Stellung zu nehmen, ob für dritte Personen erkennbar war, dass der Verstorbene unmittelbar vor einer Hyperglykämie stand.3392 Weiter beauftragte er mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 den Zeugen Prof. Dr. Werner Scherbaum, folgende Fragen zu beantworten: „1. Handelt es sich hier bei dem sich aus den Akten ergebenden Verlauf um einen typischen oder atypischen Fall bei der Entwicklung der todesursächlichen Hyperglykämie? 2. War die lebensbedrohende Situation im Vorfeld der eingetretenen Hyperglykämie für den Verstorbenen oder Dritte (medizinische Laien) erkennbar? 3. Bestehen aus gutachterlicher Sicht Anhaltspunkte dafür, dass die Hyperglykämie durch das Beibringen von Stoffen herbeigeführt worden ist?“3393 3390 3391 3392 3393 598 Richtigerweise muss es wohl heißen: Wachstumshormon. Rechtsmedizinisches Gutachten des Universitätsklinikums Münster vom 25. September 2014, A21992 S. 249 ff. (VS-nfD). Schreiben der StA Paderborn vom 8. Oktober 2014, A21993 S. 5 (VS-nfD). Schreiben der StA Paderborn vom 23. Oktober 2014, A21993 S. 9 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In seinem Gutachten vom 10. November 2014 kam der Zeuge Prof. Dr. Werner Scherbaum zu folgendem Ergebnis: „zu 1.: Die in den Akten der StA Paderborn dokumentierten näheren Umstände in der Wohnung des Verstorbenen (Wasserflaschen, die neben dem Bett vorgefunden wurden, die Wohnung machte einen unordentlichen Eindruck, Scherben von einem zerbrochenen Glas) deuten darauf hin, dass Thomas Richter vor seinem Tod die typischen Symptome einer schweren Stoffwechselentgleisung mit einem ketoazidotischen hyperglykämische Koma aufwies. zu 2.: Diese Symptome können über wenige Wochen hinweg bestehen und werden von den Betroffenen nicht selten als grippaler Effekt oder als eine andere Unpässlichkeit fehlgedeutet. Sie können sich aber auch innerhalb weniger Tage dramatisch aufschaukeln und zu einem lebensbedrohlichen Zustand Bewusstseinsstörungen, führen. Diese Symptome waren offenbar nicht in einer Weise registriert worden, die zu einem Arztbesuch Anlass gegeben hätten. zu 3.: Es gibt keine Substanz, die eine zum ketonischen Koma (und zum Tode) führenden Hyperglykämie auslösen kann. Medikamente wie Glukokortikoide (Cortisonpräparate) oder Wachstumshormon können zwar einen Diabetes auslösen; nie aber einen Insulinmangeldiabetes, der zu Ketoazidose (mit Bildung von Ketonkörpern im Blut) und zum ketoazidotischen Koma und zum Tode führt.“ 3394: Das Institut für Rechtsmedizin bestätigte in seinem Zusatzgutachten vom 27. November 2014 die Ausführungen des Zeugen Prof. Dr. Werner Scherbaum zu der zweiten Frage.3395 7. Die Entschließung der StA Paderborn Spätestens mit der negativen Beantwortung der Frage zu Nr. 2 durch den Zeugen Prof. Dr. Scherbaum war für die StA Paderborn die letzte, auch nur theoretisch denkbare Möglichkeit eines strafrechtlich relevanten Verhaltens Dritter im Zusammenhang mit dem Todesfall Thomas Richter ausgeschlossen. Sie stellte deshalb das Todesermittlungsverfahren mit Verfügung vom 12. November 2014 gemäß § 170 Absatz 2 StPO mit der Begründung ein, nach dem Ergebnis des Gutachtens des Zeugen Prof. Dr. Werner Scherbaum sei ein Fremdverschulden am Tod des Thomas Richter sicher auszuschließen. Ebenso bestünden keine Anhaltspunkte für eine unterlassene Hilfeleistung.3396 Von dieser Entscheidung, die von Amts wegen, d. h. ohne Bescheid, erging, setzte der LOStA in Paderborn das JM NRW mit Bericht vom 17. November 2014 in Kenntnis. Das JM NRW sah sich nicht veranlasst, dieser Entscheidung entgegenzutreten.3397 Der Zeuge Jerzy Montag hält diese Entscheidung auch aus jetziger Sicht für zutreffend. Danach bestehen keine Hinweise eines Fremdverschuldens am Tod des Thomas Richter.3398 3394 3395 3396 3397 3398 Gutachten des Prof. Dr. Werner Scherbaum vom 10. November 2014, A21993 S. 17 ff. (VSnfD). Zusatzgutachten des Universitätsklinikums Münster vom 27. November 2014, A21993 S. 44 (VS-nfD). Einstellungsverfügung der StA Paderborn vom 12. November 2014, A21993 S. 37 (VS-nfD). Bericht des LOStA Paderborn vom 7. November 2014, A21995 S. 47 f. (VS-nfD). Montag, APr 16/1344 S. 51. 599 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Konkrete Anhaltspunkte oder sonstige Anzeichen für ein Fremdverschulden an dem Tod von Thomas Richter sind nicht erkennbar. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass Thomas Richter durch Personen aus der rechten Szene, die nunmehr ebenfalls von seiner Tätigkeit als VP wussten, gefährdet war. 8. Pressearbeit der StA Zeitgleich mit ihrem Bericht an das JM NRW vom 30. April 2014 über die beabsichtigte Einstellung des Ermittlungsverfahrens beabsichtigte die StA Paderborn dieses Ergebnis der Presse mitzuteilen. Der Zeuge Ralf Meyer setzte sich daher am 29. April 2014 mit der Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld fernmündlich in Verbindung, um mit ihr den Wortlaut der Presseerklärung abzustimmen.3399 Mit ihrem „Abstimmungsverhalten“ wollte die StA Paderborn verhindern, dass die „Interessen“ des BfV - gemeint ist wohl ein Geheimhaltungsinteresse „beeinträchtigt“ würden. Die StA ist nach den für sie maßgebenden „Richtlinien für die Zusammenarbeit mit den Medien“3400 zwar nicht ausdrücklich verpflichtet, in Medienangelegenheiten mit dem BfV zusammenzuarbeiten.3401 Nach Nr. 213 Absatz 4 RiStBV ist sie allerdings u. a. verpflichtet, die geltenden besonderen Geheimschutzvorschriften zu beachten. Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld erklärte lediglich die Tarnpersonalien und Maßnahmen zur Erstellung dieser Tarnung erforderten einen Geheimschutz.3402 Darauf leitete der Zeuge Ralf Meyer ihr einen „Vorentwurf“ der beabsichtigten Presseerklärung mit folgendem Wortlaut zu: „Am Nachmittag des 07.04.2014 ist der 39-jährige Thomas R. in seiner Wohnung im Paderborner Stadtgebiet tot aufgefunden worden. Thomas R. war als VMann für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig und befand sich nach seiner Enttarnung im Jahr 2012 in einem entsprechenden Schutzprogramm des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Da Thomas R, für die ihn im Rahmen dieses Schutzprogramms betreuenden Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz über Kommunikationsmedien nicht zu erreichen war, begaben sich diese am 07.04.2014 auf den Weg zu seiner Wohnung in Paderborn, wobei sie sich gegenüber dessen Vermieter als Freunde des Thomas R. vorstellten, die sich Sorgen um ihn machten, da sie ihn nicht erreichen konnten. Da auch der Vermieter einige Zeit keine Lebenszeichen von Thomas R. wahrgenommen hatte, brach er aus eigener Veranlassung die von innenverschlossene Wohnungstür auf und fand den Leichnam vor. Nachdem der Vermieter den Notarzt informiert hatte und dieser eineungeklärte Todesursache bescheinigt hatte, trafen Beamte der Kreispolizeibehörde im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Todesermittlungsverfahrens gegen 15.45 Uhr an der Wohnung ein. Gegenüber den eintreffen den Kriminalbeamten gaben sich die Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz sofort als solche aus und informierten die Kriminalbeamten darüber, dass es sich bei Thomas R. um eine in einem Schutzprogramm des Bundesamtes für Verfassungsschutz stehende Person handelt. 3399 3400 3401 3402 600 Vermerk der StA Paderborn vom 29. April 2014, A21996 S. 52 (VS-nfD). AV d. JM vom 12. November 2007 - 1271 – I. 2-, JMBl. NRW 2008 S. 2. § 5 Absatz 4 dieser AV hat folgenden Wortlaut: „In Medienangelegenheiten, durch die Belange sowohl des Gerichts als auch der Staatsanwaltschaft oder einer Vollzugsanstalt berührt werden, handeln die Behördenleiterinnen und Behördenleiter oder deren Pressedezernentinnen und Pressedezernenten im gegenseitigen Einvernehmen.“ Vermerk der StA Paderborn vom 29. April 2014, A21996 S. 52 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Eine am 08.04.2014 durch Mitarbeiter des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster im Beisein des zuständigen Dezernenten der StA Paderborn durchgeführte Obduktion ergab als vorläufige Todesursache eine Hyperglykämie. Dieses vorläufige Ergebnis ist zwischenzeitlich durch weitere chemische Untersuchungen des Instituts für Rechtsmedizin bestätigt worden. Nach dem Ergebnis dieser Untersuchungen ist von einer Hyperglykämie, die zu einem tödlichen diabetischen Koma geführt hat, auszugehen. Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden konnten nicht festgestellt werden. Die Identifizierung des Thomas R. erfolgte über seine Fingerabdrücke sowie durch seinen Bruder. Die im Rahmen des Todesermittlungsverfahrens erforderlichen Ermittlungshandlungen sind damit abgeschlossen. Das Todesermittlungsverfahren wird mangels Hinweisen auf Fremdverschulden eingestellt.“3403 Auf Veranlassung des BfV3404 änderte die Staatanwaltschaft die Bezeichnung „das Bundesamt für Verfassungsschutz“ in „einer Bundessicherheitsbehörde“ ab und gab die so korrigierte Presseerklärung am 30. April 2014 durch ihren Pressesprecher bekannt.3405 Die Zeugin Dinchen Franziska Büddefeld hat nicht nachvollziehbar erläutern können, warum mit dieser von ihr gewünschten Verwendung des Begriffs „Bundessicherheitsbehörde“ die Geheimhaltungsinteressen des BfV besser gewahrt worden sei als mit der Verwendung der offiziellen Bezeichnung.3406 Teile dieser Presseerklärung wurden in der Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 07. Mai 2014 vorgetragen. Die Berichterstatterin der Fraktion Die Linke im Innenausschuss, MdB Petra Pau, ersuchte aus diesem Grund am 24. Mai 2014 die StA Paderborn per E-Mail, ihr diese Presseerklärung im vollen Wortlaut zukommen zu lassen.3407 Diesem Anliegen kam die Ermittlungsbehörde nach. Die Presseerklärung der StA Paderborn war ferner Anlass für eine Anfrage der Fraktion der Piraten im Landtag NRW vom 23. Juni 2014 an das JM NRW.3408 9. Wiederaufnahme der Ermittlungen aufgrund der Arbeit des Ausschusses a. Angaben des Zeugen Prof. Dr. Werner Scherbaum Der Zeuge Prof. Dr. Werner Scherbaum hat vor dem Ausschuss am 2. Juni 2016 die in seinem Gutachten vom 10. November 2014 getroffene Feststellung zu Nummer drei, es gebe keine Substanz, die zum ketonischen Koma führe, relativiert. Aufgrund von Tierexperimenten in den 1970er und 1980er Jahren seien drei Stoffe bekannt geworden, deren Einnahme zu einer diabetischen Ketoazidose, also einer schweren Stoffwechselentgleisung, führen könne. Es handele sich hierbei um Streptozotocin, Vacor, einem Rattengift und das „schlecht studierte“ Alloxan. Für den Todesfall Thomas Richter scheide Streptozotocin aus, weil dieser Stoff nur intravenös, d. h. durch eine Injektion dem Körper beigebracht werden könne. Nach dem Obduktionsbericht seien indes derartige Injektionsstiche nicht feststellbar gewesen. Rein theoretisch kämen allenfalls nur die beiden oral beizubringenden Stoffe Vacor und Allo- 3403 3404 3405 3406 3407 3408 Entwurf der Presseerklärung der StA Paderborn, A21996 S. 75, 77 (VS-nfD). Büddefeld, APr 16/1487 S. 22. Presseerklärung der StA Paderborn vom 30. April 2014, A21996 S. 62 f. Büddefeld, APr 16/1487 S. 22 f. E-Mail der MdB Petra Pau vom 24. Mai 2014, A21996 S. 121. Schreiben der Fraktion der Piraten vom 23. Juni 2014, A21996 S. 129. 601 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 xan in Betracht. Er halte die Einnahme dieser Stoffe durch Thomas Richter zwar für unwahrscheinlich, könne dies jedoch nicht zu 100 % ausschließen, weil nach diesen Substanzen nicht gezielt gesucht worden sei.3409 b. Ermittlungen der Staatsanawaltschaft Diese Aussage war für die StA Paderborn Anlass, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Die darauf eingeleiteten Maßnahmen teilte das JM NRW dem Ausschuss mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 wie folgt mit: „Mit hiesigem Schreiben vom 05.07.2016 ist das Forensisch Toxikologische Centrum in München beauftragt worden, zunächst zu klären, ob die Wirkstoffe Alloxan, Streptozotocin und PNU dort detektiert werden können und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen wären, wenn diese trotz bestehender Möglichkeit nicht detektiert werden sollten. Am 11.10.2016 teilte der zuständige Mitarbeiter des Forensisch Toxokologischen Centrums auf telefonische Rückfrage mit, dass ein Nachweis dieser Stoffe in Leichenasservaten nicht möglich ist. Die entsprechenden schriftlichen Ausführungen dazu sollen zeitnah zur Akte gereicht werden. Die in der Wohnung des Verstorbenen sichergestellten Tabletten können jedoch auf die Wirkstoffe untersucht werden. Eine entsprechende Beauftragung wird unverzüglich veranlasst. In seinem ergänzenden Gutachten vom 17.06.2016 hatte Prof. Scherbaum angeregt zu versuchen, im asservierten Blut des Verstorbenen diabetesspezifische Autoantikörper nachzuweisen. Sollte dieser Nachweis gelingen, wäre das Vorliegen eines spontan aufgetretenen Typ-1-Diabetes so gut wie sicher und eine Intoxikation auszuschließen. Mit hiesigem Schreiben vom 30.06.2016 ist Frau Prof. Dr. Ziegler vom Institut für Diabetesforschung des Helmholtz Zentrums in München mit einer entsprechenden Untersuchung beauftragt worden. Nach deren schriftlichen Gutachten vom 21.09.2016 war ein Nachweis dieser Autoantikörper nicht möglich, da für eine entsprechende Untersuchung Blutplasma bzw. Serum erforderlich gewesen wäre. Bei dem zur Untersuchung übersandten Vollblut des Verstorbenen war eine Aufbereitung in diese Bestandteile jedoch nicht möglich, da das asservierte Blut hämolytisch war. Dieses ist nach übereinstimmenden Angaben von Frau Prof. Dr. Ziegler und Frau Dr. Köhler vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster darauf zurückzuführen, dass zwischen dem Tod des Verstorbenen und der Entnahme von Leichenasservaten schon einige Zeit gelegen hat und die Hämolyse des Blutes unmittelbar nach dem Versterben beginnt. Am 30.06.2016 ist telefonisch mit Prof. Dr. Lenzen vom Institut für Klinische Biochemie der Medizinischen Hochschule Hannover Kontakt aufgenommen worden. Vor weiteren Untersuchungen durch ihn hielt er es für sinnvoll, das Ergebnis der beauftragten Untersuchung des Blutes auf diabetesspezifische Autoantikörper abzuwarten. Nach Vorleigen dieses Ergebnisses könnte durch Untersuchung des Pankreasgewebes festgestellt werden, ob es sich um einen natürlich entstandenen Diabetes handelt oder ob dieser durch Beibringung von Stoffen hervorgerufen worden ist. 3409 602 Prof. Dr. Scherbaum, APr 16/1331 S. 18 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 17.10.2016 ist mit Herrn Prof. Lenzen nochmals telefonisch Rücksprache gehalten und ihm das Ergebnis der diabetesspezifischen Autoantikörperuntersuchung mitgeteilt worden. Herr Prof. Lenzen soll unverzüglich mit den vorgenannten Untersuchungen beauftragt werden“3410 Der Zeuge Ralf Meyer Paderborn hat dem Ausschuss am 9. Dezember 2016 das ihm bisher nur mündlich bekannt gewordene Zwischenergebnis dieser Untersuchungen mitgeteilt. Danach seien aufgrund der Leichenblutuntersuchung sichere Feststellungen nicht möglich. Die in der Wohnung des Thomas Richter aufgefundenen Tabletten aus China würden noch untersucht. Das Helmholtz-Zentrum in München habe ihm fernmündlich mitgeteilt, der Befund des Pankreas sei ein Hinweis auf einen natürlich entstandenen Diabetes. Er hat dieses Ergebnis, auch im Einklang mit dem Umstand, dass die Familie des Thomas Richter mit Diabetes belastet sei, als nachvollziehbar erachtet.3411 9. Kritische Würdigung Der Ausschuss hat mit Befremden zur Kenntnis genommen, dass sich die StA Paderborn anlässlich einer gemeinsamen Besprechung am 9. April 2014 zunächst auf das Ansinnen des BfV einließ, Thomas Richter unter seiner Legendierung „Thomas Dellig“ beerdigen zu lassen. Die Sicherheitsbehörden hätten es damit dem Zufall überlassen, ob und auf welche Weise die Hinterbliebenen des Thomas Richter von dessen Tod erfahren hätten. Der Einwand des BfV, Thomas Richter habe sich mit dem ihm angebotenen Schutzprogramm bewusst auch darauf eingelassen, gewissermaßen als Anonymus beerdigt zu werden, hat den Ausschuss nicht überzeugt. Zumindest die Rechtsstellung der Erben dürfte durch ein derartiges Schutzprogramm nicht beeinträchtigt werden können. Lediglich Presseveröffentlichungen ist es zu verdanken, dass die beteiligten Behörden insoweit ihre beabsichtigte Vorgehensweise noch rechtzeitig korrigierten. Die durch das PP Bielefeld durchgeführten Durchsuchungen waren äußerst mangelhaft. Es darf nicht passieren, dass wiederholt Mobiltelefone, Notebooks und andere Datenträger übersehen und nicht sichergestellt werden. Dass Thomas Richter im Rahmen des Schutzprogrammes ausgerechnet dort untergebracht wurde, wo er zuvor politisch aktiv war und zahlreiche Kontakte hatte – auch wenn dies über 20 Jahre zurücklag – ist nur schwer nachvollziehbar. Außerdem überrascht, dass Behörden aus NRW nicht über diesen Umstand in Kenntnis gesetzt wurden. E. Maßnahmen zur Aufklärung der NSU-Taten durch nordrhein-westfälische Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie durch die jeweils vorgesetzten Dienststellen und die Landesregierung seit dem 4. November 2011 I. Arbeit der BAO Trio des LKA NRW 1. Einrichtung der BAO Nach Angaben des Zeugen Dieter Kretzer erfuhr das LKA NRW am 9. November 2011, dass in einem Wohnmobil in Eisenach Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot aufgefunden worden seien. Einen Tag später habe sich dann die überregionale Bedeutung dieses Falls herausgestellt.3412 3410 3411 3412 Schreiben des JM NRW vom 25. Oktober 2016, A25667. Meyer, APr 16/1561 S. 7. Kretzer, APr 16/952 S. 51. 603 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 11. November 2011 übertrug das MIK NRW dem LKA NRW per Erlass die Aufgabe, die für die Zwecke der Strafverfolgung gebotenen und für die Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.3413 Am nächsten Tag wurde beim LKA NRW die BAO Trio eingerichtet3414 und deren Leitung dem Zeugen Dieter Kretzer übertragen.3415 Der Zeuge Dieter Kretzer hat angegeben, in der BAO hätten etwa 50 bis 60 Personen gearbeitet. Es seien jedoch auch Ermittlungs- und Prüfaufträge an die Kreispolizeibehörden gegeben worden. Das dort eingesetzte Personal sei daher ebenfalls der BAO zuzurechnen. Zum Kräfteeinsatz habe das MIK NRW angeordnet, dass der Kommission alle Kräfte zu unterstellen seien, die notwendig für die Aufgaben seien.3416 In Köln, Düsseldorf und Dortmund gab es noch Unterabschnitte der BAO.3417 2. Organisation der BAO Trio des LKA NRW Zur Organisation der BAO hat der Zeuge Dieter Kretzer ausgeführt: „Wir haben uns dann dazu entschlossen, Abschnitte zu bilden, die sich mit Auswertung, Analyse, Gefahrenanalyse und Bewertung beschäftigen sollten, mit Ermittlungen, Ermittlungsunterstützung im weitesten Sinne, soweit es NRW betraf; aber auch dann Zulieferung ans Bundeskriminalamt. Darüber hinaus haben wir einen Abschnitt eingerichtet: ‚Öffentlichkeitsarbeit und Pressearbeit‘. ‚Technik/Logistik‘ wurde vorgesehen, und schließlich auch für alle Fälle zumindest optional vorbereitet ein Abschnitt ‚Operativmaßnahmen‘, weil wir noch gar nicht wussten, ob wir auch operativ im Lande tätig werden müssten.“3418 3. Einbindung des Verfassungsschutz NRW in die BAO Trio des LKA NRW Der Zeuge Dieter Kretzer hat angegeben, dass er in der Führungsgruppe der BAO Trio des LKA NRW einen „Single Point of Contact“ für die Nachrichtendienste eingerichtet habe. Außerdem habe es wöchentlich Lagebesprechungen mit dem Verfassungsschutz NRW gegeben.3419 Nach Aussage des Zeugen Burkhard Freier waren in der BAO Trio des LKA NRW auch zwei Mitarbeiter des Verfassungsschutz NRW eingesetzt.3420 Bei einer Besprechung am 14. November 2011 beim LKA NRW, bei der auch der Verfassungsschutz NRW vertreten gewesen sei, wurde vereinbart, dass sämtlicher Informationsaustausch ausschließlich über die BAO Trio des LKA NRW erfolgen soll.3421 Der Zeuge Dieter Kretzer hat angegeben, dass es zu keiner Zeit eine Rückmeldung der Dienste gegeben habe, dass VPen Informationen hatten liefern können und hat insoweit ausgesagt: „Natürlich gehe ich davon aus, wenn ich die Frage habe, dass dann der Verfassungsschutz zum Beispiel seine Quellen befragt und mir die Erkenntnisse übermittelt. Und ich habe das auch an die Behörden gegeben, die beteiligt waren, mit der Bitte: Sprecht ihr eure Quellen an und übermittelt Erkenntnisse. – Ich gehe davon aus, dass sie das getan 3413 3414 3415 3416 3417 3418 3419 3420 3421 604 Einsatzbefehl Nr.1 des LKA NRW vom 17. November 2011, A12491 S. 151 (VS-nfD). Ablaufkalender der BAO Trio des LKA NRW, A12646 S. 11 (VS-nfD). Einsatzbefehl Nr. 1 des LKA NRW vom 17. November 2011, A12491 S. 161 (VS-nfD). Kretzer, APr 16/952 S. 52 f. Vermerk des LKA NRW vom 18. November 2011, A12646 S. 3 (VS-nfD). Kretzer, APr 16/952 S. 52. Kretzer, APr 16/952 S. 52. Freier, APr 16/1349 S. 41. Protokoll der Besprechung im LKA NRW vom 14. November 2011, A12491 S. 69 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 haben; denn es gab nachher Fehlanzeige; es gab keine Informationen und Hinweise darauf.“3422 Weiter hat er angegeben, dass „so ein Generalverdacht vielleicht“ bestanden habe, dass die ein oder andere VP bzw. VP-Führer möglicherweise nicht 100%ig kooperativ gewesen sei. Der Fall in Kassel sei natürlich mit Befremden zur Kenntnis genommen worden. Er gehe jedoch davon aus, dass in NRW eine sehr konstruktive und enge Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz NRW stattgefunden habe und falls dort etwas vorhanden gewesen wäre, die BAO Trio des LKA NRW diese Informationen bekommen hätte, sofern andere, übergeordnete Gründe nicht entgegengestanden hätten.3423 Der Zeuge Burkhard Freier hat dargestellt, dass nur die „unterschwelligen“ Fälle, bei denen nicht die Möglichkeit bestanden habe, dass eine VP des Verfassungsschutzes NRW engere Bezüge zum NSU haben könnte, direkt über die BAO Trio beim LKA NRW abgeklärt worden seien. Andernfalls seien die Informationen direkt an den GBA gegangen. 3424 4. Einbindung der Kreispolizeibehörden in die Ermittlungen Zur Einbindung der KPBen in die Ermittlungen hat der Zeuge Dieter Kretzer ausgesagt, dass zu Beginn der Ermittlungen ein Prüf- und Kriterienkatalog entwickelt worden sei, der alle bekannten Namen, Zahlen, Daten und Fakten beinhaltet habe. Dieser sei im Laufe der Ermittlungen stets aktualisiert worden. Die KPBen hätten dann den Auftrag gehabt, anhand dieses Kataloges zu überprüfen, ob dort Erkenntnisse dazu vorhanden sind. Eine Schwierigkeit dabei sei gewesen, dass es bei der Polizei in NRW erst seit 2005 ein einheitliches Datenmanagement gegeben habe. Manche der vorher verwendeten Systeme hätten nicht mehr funktioniert. Deshalb seien nicht mehr alle Daten rekonstruierbar gewesen. Bei der Überprüfung seien auch Aktenbestände in „verstaubten Kellern“ aufgearbeitet und Pensionäre nach ihren Erinnerungen befragt worden. Außerdem habe er die KPBen dazu angehalten, sämtliche Tötungs-, Sprengstoff-, Brand- und Raubdelikte in diesem Kontext zu überprüfen. Weiter seien Waffenhändler und Wohnmobilanmietungen überprüft worden.3425 5. Überprüfung eines möglichen Aufenthalts von relevanten Personen in NRW Sämtliche bekannte Daten aus dem Prüf- und Kriterienkatalog seien nach Angaben des Zeugen Dieter Kretzer mit den Daten in den polizeilichen Auskunftssystemen „gegengerastert“ worden. In diesen Systemen seien sämtliche bekannte Personen, Objekte, Institutionen und Sachverhalte dokumentiert. Dabei hätte nichts darauf hingedeutet, dass die Polizei NRW Erkenntnisse dazu gehabt habe, dass Personen, die im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren relevant gewesen seien, Kontakte zu Personen aus NRW gehabt hätten, bei Veranstaltungen in NRW anwesend gewesen wären oder strafrechtlich in Erscheinung getreten seien. Bei dieser Überprüfung habe es jedoch Schwachpunkte gegeben. Es sei nämlich möglich, dass diese Personen so konspirativ aufgetreten seien, dass sie nicht aufgefallen oder erkannt und deswegen auch nicht in den Systemen erfasst worden seien.3426 6. Ermittlungen der BAO Trio des LKA NRW Auf die Frage, ob es auch „richtig neue Ermittlungen“ gegeben habe oder ob in erster Linie Akten gerastert worden sei, hat der Zeuge Dieter Kretzer geantwortet: 3422 3423 3424 3425 3426 Kretzer, APr 16/952 S. 88. Kretzer, APr 16/952 S. 88. Freier, APr 16/1349 S. 41. Kretzer, APr 16/952 S. 53 ff., 79. Kretzer, APr 16/952 S. 90 f. 605 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Es ist natürlich so: Soweit sich das ergeben hat, haben wir Vernehmungen durchgeführt. Wir haben die Sachbeweise neu überprüft. Wir haben unsere Aktenbestände überprüft. Wir haben die angeschlossenen regionalen Abschnitte Köln, Dortmund und Düsseldorf beauftragt, auch noch zusätzliche Ermittlungen durchzuführen. Das heißt: Es hat Vernehmungen gegeben. Es hat weitere Überprüfungen der Sachbeweislage gegeben. Es hat darüber hinaus Abgleiche mit vorhandenen Dateien und der Personenkenntnis und Sachverhaltskenntnis, die die Ermittler vor Ort haben, gegeben. Und das ist von uns initiiert worden. Wir hatten eigens dazu einen Abschnitt Ermittlungen. Da waren Ermittler drin. Die haben dann zum Beispiel auch diese Vernehmungen durchgeführt - und auch andere Dinge.“3427 „Szenegrößen“ seien nicht durch die BAO Trio des LKA NRW vernommen worden. Bei der Vernehmung dieser Personen bestünde ohnehin die Problematik, dass sie zu Kontakten nach Thüringen in polizeilichen Vernehmungen keine Angaben machen würden.3428 Zur Abklärung von Kontakten aus NRW zum NSU und seinem Umfeld seien auch Behörden aus Thüringen und anderen Ländern angeschrieben worden. Dabei seien überregionale Kontakte bei Demonstrationen festgestellt worden. Ganz konkrete Kontakte hätten sich aber nicht belegen lassen. Hierzu hat der Zeuge Dieter Kretzer wörtlich angegeben: „All das hat sich aber im Rahmen der Ermittlungen nicht so belastbar verifizieren lassen, dass man sagen könnte, es hat die Kontakte gegeben. Ich will sie aber auch nicht ausschließen. Kann ich nicht.“3429 Außerdem seien durch die BAO Trio NRW die Angaben von verschiedenen Hinweisgebern abgeklärt worden. 7. Gefahrenabwehr Die BAO Trio des LKA war auch zuständig, die für die Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.3430 Der Zeuge Dieter Kretzer hat zum Hintergrund erklärt, dass zunächst nicht klar gewesen sei, ob es noch rechtsterroristische Zellen in den Ländern geben würde. Deshalb sei fortlaufend überprüft worden, welche Gefährdungspotenziale sich aus der Erkenntnislage ergeben. Diesbezüglich hat er weiter ausgeführt: „Das haben wir genauso für demonstrative Aktionen getan, weil da möglicherweise Störungen zu befürchten waren, als dass wir es bezogen auf bestimmte Gruppen getan haben. Wir haben natürlich auch schon zu dem Zeitpunkt die ‚Kameradschaft Aachener Land‘ stärker im Blick gehabt, wir haben die ‚Kameradschaft Spangenberg‘ im Blick gehabt, wir haben in Dortmund die Szene mit im Blick gehabt, um zu sehen: Gibt es da Kontakte und resultieren möglicherweise daraus zusätzliche Gefahrenaspekte – nicht im allgemeinsprachlichen Begriff, sondern da muss man immer auch sagen: hinsichtlich der Gefährdung von Leib und Leben im Sinne der sogenannten polizeirechtlichen Schutzgüter und Rechtsgüter? Und das ist bei uns in diesem Abschnitt geschehen.“3431 3427 3428 3429 3430 3431 606 Kretzer, APr 16/952 S. 103 f. Kretzer, APr 16/952 S. 73. Kretzer, APr 16/952 S. 63. Einsatzbefehl Nr. 1 des LKA NRW vom 17. November 2011, A12491 S. 151 (VS-nfD). Kretzer, APr 16/952 S. 60. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Außerdem sei überprüft worden, ob es Gefahren für die Personen und Institutionen, die auf der sogenannten 10.000er Liste aufgeführt waren, gab oder ob es sogar schon Angriffe gegeben hatte. Teilweise seien diese Personen ins LKA NRW zum Informationsaustausch eingeladen worden und es habe Handlungsempfehlungen für sie gegeben.3432 Weiter hat der Zeuge Dieter Kretzer ausgesagt, dass den KPBen ein Leitfaden für die Gespräche mit den auf der Liste genannten Personen gegeben worden sei. Sofern notwendig seien bei diesen „Gefährdetenansprachen“ auch Sprachmittler eingesetzt worden. Eine konkrete Gefahr für diese Personen sei aber nicht mehr gesehen worden.3433 Somit seien letztendlich keine Maßnahmen zur Gefahrenabwehr erforderlich gewesen.3434 II. Einbindung des LKA NRW in die Ermittlungen der BAO Trio des BKA Das LKA NRW unterstützte die BAO Trio des BKA durch einen regionalen Einsatzabschnitt.3435 Leiter dieses Abschnittes war ebenfalls der Zeuge Dieter Kretzer, der dadurch Informationen zusammenbringen und Steuerungsmaßnahmen durchführen konnte.3436 Der regionale Einsatzabschnitt NRW war für die Ermittlungen zu den beiden Sprengstoffanschlägen in Köln zuständig.3437 Der Zeuge Otmar Soukup, Leiter der BAO Trio beim BKA, hat angegeben, dieser Abschnitt habe die Aufgabe gehabt, alle bis dahin vorliegenden Erkenntnisse im Licht der neuen Erkenntnisse anzuschauen, zu bearbeiten und dann an den Zentralen Einsatzabschnitt beim BKA zu liefern. Dieser habe sich in enger Zusammenarbeit mit dem GBA um die zentrale Steuerung der Ermittlungen gekümmert.3438 Für die sogenannte Ceska-Mordserie und damit auch den Mord an Mehmet Kubaşık in Dortmund war hingegen der regionale Einsatzabschnitt Bayern zuständig.3439 Auf die Frage, warum dies dergestalt organisiert gewesen sei und ob dadurch nicht möglicherweise Informationen verloren gegangen seien, hat der Zeuge Otmar Soukup geantwortet: „Man hätte natürlich ... Wir haben auch solche Überlegungen natürlich gemacht; wir haben uns dann aber für die objektzentralisierte Lösung entschlossen, nämlich, dass wir den Komplex Ceska-Ermittlungen zusammen gelassen haben. Denn der ist über Jahre ja auch zusammen bearbeitet worden, und wir wollten eben, dass das Wissen, das die Beamten, die da zusammengearbeitet haben, über Ländergrenzen hinweg ... dass das eben auch zusammen blieb. Deshalb die Entscheidung: Wir bilden einen Einsatzabschnitt, der sich um die Ceska-Morde kümmert, und der arbeitet alles noch mal im Lichte der NSU-Erkenntnisse auf.“3440 Zur Zusammenarbeit und dem Informationsaustausch mit dem BKA hat der Zeuge Dieter Kretzer ausgeführt, dass das BKA neue Erkenntnisse den regionalen Einsatzabschnitten zugänglich gemacht habe. Außerdem habe es täglich eine Telefonschaltkonferenz gegeben, in der die Sachstände in den Regionalen Einsatzabschnitten thematisiert worden seien. Zusätzlich seien Verbindungsbeamte des BKA in der Führungsgruppe des LKA NRW gewesen, 3432 3433 3434 3435 3436 3437 3438 3439 3440 Kretzer, APr 16/952 S. 60. Kretzer, APr 16/952 S. 78. Kretzer, APr 16/952 S. 60. Einsatzbefehl Nr. 1 des LKA NRW vom 17. November 2011, A12491 S. 151 (VS-nfD). Kretzer, APr 16/952 S. 52. Lagebericht Nr. 13 der BAO Trio BKA vom 8. Dezember 2011, A12661 S. 251 (VS-nfD). Soukup, APr 16/1347 S. 8, 13. Lagebericht Nr. 13 der BAO Trio BKA vom 8. Dezember 2011, A12661 S. 251 (VS-nfD). Soukup, APr 16/1347 S. 22. 607 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 sonst sei der Informationsaustausch nicht zu bewältigen gewesen. Teilweise habe es konkrete Aufträge des BKA gegeben, das LKA NRW habe sich jedoch auch selbst Aufträge gesucht. Diesbezüglich hat er weiter erläutert: „Wir haben uns später entschlossen, auch wegen des Datenumfanges, dass wir nicht mehr jegliche Information zu dem Komplex ‚Keupstraße‘ über unsere Struktur abwickeln konnten, sondern haben dann Akten zusammengestellt, dem BKA zur Verfügung gestellt und veranlasst, dass zwei Ermittler des PP Köln mit zum BKA gegangen sind, dass man da unmittelbar die Auswertung gestalten konnte. In manchen Fällen hat das BKA aber auch in seinem zentralen Ermittlungsabschnitt Ermittlungen zu bestimmten Fallkomplexen selbst durchgeführt, und sofern die Länder betroffen waren, haben die Länder dann immer die Sachstandsinformationen bekommen oder Mitwirkungsersuche.“3441 Am 9. Dezember 2011 wurde der Regionale Einsatzabschnitt NRW aufgelöst und die durch ihn bearbeiteten Komplexe in den Zentralen Einsatzabschnitt der BAO Trio des BKA überführt.3442 Dies war zuvor von den Zeugen Dieter Kretzer und Otmar Soukup entsprechend vereinbart worden.3443 Als Begründung für die Auflösung des Regionalen Einsatzabschnittes hat der Zeuge Dieter Kretzer angeführt: „Es war nachher so, dass das BKA natürlich sehr bestrebt war, die Ressourcen auch bei sich zu bündeln. Und insofern wurde dann, ja, Mitte Dezember etwa, der Entschluss gefasst, dass der regionale Abschnitt aufzulösen sei und alle noch ausstehenden Ermittlungen, die im Kontext mit dem Trio standen, vom BKA selbst durchgeführt werden. Was aber blieb, war, dass man die Prüffälle nach wie vor im Land bearbeitet hat, und auch die Zentralstellenfunktion und die Funktion über die Kommission ‚Staatsschutz‘, die das Landeskriminalamt und ich zu der Zeit hatte, blieben natürlich bestehen. Wir wurden weiterhin eingebunden, und es war nach wie vor so – auch hinsichtlich Ackerstraße zum Beispiel –, dass wir dann Druck gemacht haben, dass man noch mal überprüfen sollte: ‚Welche Daten sind da? Was ist mit dem TNT, was da eine Rolle gespielt hat? Kann man DNA-mäßig noch weiterkommen?‘, denn inzwischen hatte man ja von dem Trio auch DNA, was man vorher nicht hatte, und Ähnliches. Also, das BKA war sehr bestrebt, weil die selbst natürlich ja auch Verbindungsbeamte in allen dezentralen Abschnitten hatten, ihre Ressourcen auch wieder zu zentralisieren. Man muss sich vorstellen, welcher Koordinations-, Besprechungsaufwand damit verbunden ist, wenn man so eine Vielzahl von dezentralen Abschnitten hat.“3444 III. Einbindung der mit den „Altfällen“ befassten Ermittlungsbehörden In Köln, Dortmund und Düsseldorf wurden jeweils Unterabschnitte der BAO Trio des LKA NRW eingerichtet. Mit Auflösung des Regionalen Einsatzabschnittes NRW der BAO Trio des BKA am 9. Dezember 2011 wurden die Unterabschnitte Düsseldorf, Köln und Dortmund aus der BAO Trio des LKA NRW entlassen.3445 3441 3442 3443 3444 3445 608 Kretzer, APr 16/952 S. 59. Lagebericht Nr. 14 der BAO Trio des BKA vom 11. Dezember 2011, A12495 S. 297 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 5. Dezember 2011, A12648 S. 11 (VS-nfD). Kretzer, APr 16/952 S. 61. Schreiben des LKA NRW vom 12. Dezember 2001, A13171 S. 339 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 1. Unterabschnitt Köln Am 14. Januar 2012 wurde beim PP Köln ein Unterabschnitt der BAO Trio des LKA NRW eingerichtet. Die Ermittlungen leitete der Zeuge Markus Weber, der auch schon ab 2004 die Ermittlungen zu dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße geleitet hatte.3446 Nach der Auflösung des Unterabschnitts Köln erfolgte die weitere Bearbeitung der Anschläge in Köln durch die BAO Trio des BKA.3447 Der Zeuge Markus Weber hat geschildert, dass er anschließend gemeinsam mit einer Kollegin für etwa zwei Monate für die BAO Trio des BKA tätig gewesen sei. Dies sei geschehen, „[…] um eben da die Akte zu übergeben und in den Sachverhalt einzuweisen bzw. in den ersten Angriffen da zu unterstützen bei Dingen, die noch mal die Kölner Fälle betreffen, die aufgearbeitet werden sollen. Konkret kann ich mich so weit erinnern, dass ich mit unterwegs war, dass wir Campingplätze überprüft haben, um festzustellen, ob möglicherweise die angemieteten Fahrzeuge, die man mittlerweile festgestellt hatte im Osten, bei uns auf den Campingplätzen aufgetaucht waren. Und später dann, betreffend die Probsteigasse, habe ich noch mal einige Vernehmungen mitgemacht bezüglich der Opfer aus der Probsteigasse, insbesondere der jüngeren Tochter der Familie. […] Ansonsten ging es vorrangig um Informationsaustausch, Akten-, Asservatenübergabe.“3448 Nach dem Ende seiner Abordnung zum BKA habe es keinen regelmäßigen Informationsaustausch mehr mit diesem gegeben. Manchmal sei er noch im Rahmen kleinerer Ermittlungsaufträge oder Abklärungen einbezogen worden.3449 Die beim PP Köln eingehenden Prüfaufträge wurden anschließend durch den Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln bearbeitet.3450 2. Unterabschnitt Dortmund Beim Unterabschnitt Dortmund der BAO Trio des LKA NRW war der Zeuge Michael Schenk für die Ermittlungen zu dem Mord an Mehmet Kubaşık zuständig. Er hat auf die Frage, ob nach Unterstützern des NSU in Dortmund gesucht worden sei, angegeben, dass dies nach seiner Erinnerung nicht geschehen sei und hat insoweit erklärt: „Nach Helfershelfern ist, glaube ich, nicht geguckt worden. […] Ab 2011 war das BKA federführend. Ich hatte für meinen Teil den Part des reinen Tötungsdeliktes auch 2011 perspektivisch nachzubetrachten.“3451 Weiter führte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund Ermittlungen durch.3452 Der Mord in Dortmund wurde gemeinsam mit den anderen Morden der sogenannten CeskaMordserie durch den regionalen Einsatzabschnitt Bayern mit Unterstützung durch das PP Dortmund bearbeitet.3453 3446 3447 3448 3449 3450 3451 3452 3453 Schreiben des PP Köln vom 18. Januar 2012, A13123 S. 47 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 12. Dezember 2001, A13171 S. 339 (VS-nfD). Weber, APr 16/1297 S. 42 f. Weber, APr 16/1297 S. 45. Schreiben des PP Köln vom 18. Januar 2012, A13123 S. 47 (VS-nfD). Schenk, APr 16/1142 S. 56 f. Schreiben des PP Dortmund vom 22. November 2011, A13232 S. 59 f. Schreiben des LKA NRW vom 12. Dezember 2011, A13171 S. 339 (VS-nfD). 609 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3. Unterabschnitt Düsseldorf Auch in Düsseldorf wurde ein Unterabschnitt der BAO Trio des LKA NRW eingerichtet. Aufgabe war insbesondere, einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn am 27. Juli 2000 und dem NSU zu überprüfen.3454 Für die Ermittlungen waren der Zeuge Dietmar Wixfort, ehemaliger Leiter der EK Ackerstraße, ein weiteres Mitglied dieser EK und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Polizeilichen Staatsschutzes zuständig.3455 Die Ermittlungen zu diesem Anschlag wurden nicht vom GBA übernommen und nach Auflösung des Unterabschnittes durch das PP Düsseldorf im Rahmen einer AAO weitergeführt.3456 4. Aufgaben und Tätigkeit der Unterabschnitte Köln und Dortmund Der Zeuge Otmar Soukup hat angegeben, dass an die Behörden, die über Akten zu den Taten verfügten, der Auftrag ergangen sei, diese mit den neuen Erkenntnissen abzugleichen. Das BKA sei nicht in der Lage dazu gewesen, die einzelnen Spuren selbst zu lesen und zu bewerten. Deshalb sei eine entsprechende Vereinbarung erfolgt.3457 Entsprechend hat der Zeuge Frank Heimann die Aufgaben der Unterabschnitte wie folgt erläutert: „Grundsätzlich war es so, dass die regionalen Einsatzabschnitte gebildet wurden durch die Polizeikräfte bzw. die Kräfte der Länder, die sich auch zuvor mit entsprechenden Komplexen beschäftigt haben. Der Grundsatz war auch, dass dort zu Beginn relativ autonom, weil ja dort die entsprechenden Alterkenntnisse vorlagen, die Ermittlungen geführt wurden – dann immer im Lichte der neuen Erkenntnisse, die wir dann gewonnen haben. Das wurde dann alles begleitet durch den zentralen Einsatzabschnitt, in dem die Erkenntnisse dann zusammenliefen, und der zunehmend dann auch koordinierende Funktionen übernommen hat, weil dort alle Erkenntnisse vorlagen – und in den regionalen Abschnitten natürlich Teilerkenntnisse, die dann auch zunehmend abgenommen haben und in dem zentralen Abschnitt zusammengeführt wurden.“3458 Auf den Hinweis des Ausschusses, dass potenzielle Augenzeugen und Augenzeuginnen aus Köln und Dortmund nach 2011 teilweise dennoch nicht erneut vernommen worden seien, hat der Zeuge Otmar Soukup angegeben: „Eigentlich hätten diese Vorgänge dann noch mal so bearbeitet werden müssen, sofern sie entsprechend – ich sage mal – auch bewertet werden. Es ist ja immer eine Sache auch der polizeilichen Bewertung, hier noch mal dann mit einer erneuten Lichtbildvorlage vielleicht vorzugehen. [...] Warum das im Einzelfall unter Umständen nicht gemacht worden ist, das kann ich jetzt nicht sagen; da müsste man sich den einzelnen Vorgang anschauen.“3459 Der Zeuge Markus Weber hat hingegen ausgesagt, dass seiner Auffassung nach die Überprüfung der bereits vorhandenen Akten und Spuren Aufgabe des BKA gewesen sei. Auf die 3454 3455 3456 3457 3458 3459 610 Einsatzbefehl Nr. 1 des LKA NRW vom 17. November 2011, A12491 S. 154 (VS-nfD). Schreiben des PP Düsseldorf vom 17. Januar 2012, A13123 S. 51. Schreiben des LKA NRW vom 12. Dezember 2011, A13171 S. 339 (VS-nfD). Soukup, APr 16/1347 S. 50. Heimann, APr 16/1374 S. 8. Soukup, APr 16/1347 S. 50 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Frage, ob aufgrund der neuen Erkenntnisse sämtliche Spuren nochmal überprüft worden seien, hat er geantwortet: „Nein, das haben wir so nicht gemacht – als PP Köln schon mal gar nicht –, weil BKA verantwortlich, und sicherlich auch, denke ich, dann eher von meiner Führung wahrscheinlich auch eher die Maßgabe da war: Okay, dann lassen wir das BKA das jetzt überprüfen und machen das nicht selber noch mal. – Und wir haben natürlich die Situation, wie ich vorhin schon mal sagte, dass ja von den Tätern aus dann das Ganze aufgerollt wurde. Zumindest war das auch meine Vorstellung, dass man dann, wenn ich einen Täter habe und dann gucken will: ‚So, wer gehört jetzt ... oder was war möglicherweise noch da?‘, dass man dann da ansetzt, weil da hat man die konkreten Ansatzpunkte – seien es die angemieteten Fahrzeuge und, und, und –, um dann zu überprüfen: So, was ist da möglicherweise in Köln noch gewesen? Hat dieses Trio Kontakte nach Köln? Und da nicht zu gucken: ‚Wer hat Kontakte zu denen‘, sondern: ‚Hat das Trio Kontakte da hin?‘. Und das sind Aspekte, insbesondere was die Haupttäter betrifft ... diese ganze Aufarbeitung und Analyse ist dann tatsächlich von BKA-Leuten selbst gemacht worden.“3460 Auch auf die Nachfrage, ob zumindest die Spuren, in denen Personen aus der rechten Szene eine Rolle gespielt haben, auf einen möglichen Zusammenhang mit dem NSU überprüft worden seien, hat der Zeuge Markus Weber darauf verwiesen, dass dies Sache des BKA gewesen sei.3461 Er habe keine Spuren vom BKA „zurückbekommen“, um diese erneut zu überprüfen.3462 Gleichlautend hat der Zeuge Michael Schenk angegeben, dass ab 2011 das BKA federführend gewesen sei.3463 Es ist festzustellen, dass die Absprache darüber, wer für die Überprüfung der alten Spuren zuständig war, unzureichend war. In einigen Fällen führte das dazu, dass möglicherweise relevante Spuren, Personen und Sachverhalte nach 2011 nicht in ausreichendem Maße in die Ermittlungen einbezogen wurden. 5. Einbindung der StA Dortmund Der Zeuge Dr. Heiko Artkämper hat angegeben, dass er nach Übernahme der Ermittlungen durch den GBA im November 2011 auf Anweisung der LOStA´in in Dortmund die Akten zu dem Mord an Mehmet Kubaşık unverzüglich zum GBA geschickt habe. Er selber sei 2012 für sechs Monate zu 10 Prozent an den GBA abgeordnet worden und habe in dieser Zeit an der Erstellung der Anklageschrift mitgewirkt.3464 IV. Aufarbeitung der NSU-Taten durch den Verfassungsschutz NRW 1. Einrichtung einer Lageorientierten Sonderorganisation Der Zeuge Dirk Weinspach hat angegeben, dass er am 4. November 2011 in der Nähe von Stuttgart auf einer Tagung gewesen sei. Dort habe es die ersten Meldungen über den Selbstmord von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gegeben. Daraufhin sei er sofort zurückgereist. Nachdem die Dimension des Falles bekannt geworden sei, sei eine Lageorientierte 3460 3461 3462 3463 3464 Weber, APr 16/1297 S. 59. Weber, APr 16/1297 S. 62 f. Weber, APr 16/1297 S. 63. Schenk, APr 16/1142 S. 57. Dr. Artkämper, APr 16/1126 S. 10 f. 611 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Sonderorganisation (LoS) unter seiner Führung ins Leben gerufen worden. Diese habe zwischen 40 und 70 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umfasst und etwa neun Monate bestanden.3465 Abweichend hiervon hat der Zeuge Burkhard Freier geschildert, dass die Taten erst am 11. November 2011 durch den Verfassungsschutz NRW wahrgenommen worden seien: „Diese gesamten Taten, diese schrecklichen Taten haben wir als Verfassungsschutz und ebenso als Polizei zum ersten Mal wahrgenommen am 11. November 2011. Das war eine Telefonschaltkonferenz des Bundeskriminalamtes. Und da haben wir, also das Ministerium und der Verfassungsschutz, zum ersten Mal von diesen Taten gehört. Bis dahin waren das keine Taten im Zusammenhang mit Rechtsterrorismus.“3466 Die Zeugin Mathilde Koller hat berichtet, dass sie zu dem Zeitpunkt, als der NSU bekannt wurde, im Urlaub gewesen sei. Sie habe sich dann mit ihrem damaligen Stellvertreter, dem Zeugen Burkhard Freier, in Verbindung gesetzt, der ihr versichert habe, dass alle notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung ergriffen werden würden. Nach ihrer Rückkehr sei sie dann umfassend informiert worden und habe sich selber mit den Akten befasst.3467 2. Daten- und Aktenrecherche Die LoS führte ab November 2011 eine Daten- und Aktenrecherche durch, welche sich zunächst zeitlich und räumlich auf die Tatorte konzentrierte. In einer Leitungsvorlage vom 24. Juli 2012 wird diese zusammenfassend wie folgt dargestellt: „Dabei wurde nach Hinweisen auf die drei Haupttäter, die weiteren vom Ermittlungsverfahren erfassten Personen, aber auch nach bestimmten Stichworten (Bombenanschlag, Köln Keupstraße, Dönermorde u.ä.) gesucht. Anschließend wurde der Zeitraum auf alle möglicherweise relevanten Vorgänge von 1992 bis Ende 2011 erweitert. Des Weiteren wurden die Vorgänge zu ‚Blood and Honour‘ und ‚Combat 18‘ mit Bezug zu den Tatorten durchgesehen. Im Nachgang zur eigentlichen Daten- und Aktenrecherche im Zusammenhang mit dem ‚NSU-Komplex‘ wurden und werden derzeit alle Vorgänge zu ‚Blood and Honour‘ und ‚Combat 18‘ überprüft, auch wenn sie keinen zeitlichen oder räumlichen Bezug zu den Tatkomplexen aufweisen.“3468 Warum nicht alle Akten zu „Blood & Honour“ und „Combat 18“ im Rahmen der „eigentlichen Daten- und Aktenrecherche im Zusammenhang mit dem ‚NSU-Komplex‘“ überprüft wurden, obwohl bekannt war, dass Mitglieder des NSU sich in diesen Strukturen bewegten, konnte nicht geklärt werden. Der Zeuge Burkhard Freier hat zu den von ihm als aufwändig bezeichneten Aktenrecherchen ausgeführt: „Also, wenn ich das so sagen darf: Es war durchaus ein Kraftaufwand, den man betreiben muss, um die sämtlichen Unterlagen zu finden. Wir haben ja im Zusammenhang mit unseren eigenen Ermittlungen der terroristischen Taten in drei konzentrischen Kreisen unsere sämtlichen Akten durchsucht. Das bedeutet, in dem ersten Kreis waren wir bei den Tatorten und dann ein Jahr davor und danach, im zweiten dann bei dem weiten 3465 3466 3467 3468 612 Weinspach, APr 16/1340 S. 51 f. Freier, APr 16/1349 S. 5. Koller, APr 16/ 960 S. 9; Koller, nöAPr 16/234 S. 21. Leitungsvorlage des Verfassungsschutzes NRW vom 24. Juli 2012, A13392 S. 21 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Kreis der rechtsextremistischen Szenen in dem Umfeld, und im dritten Kreis dann bei Stichworten wie ‚Bombenbau‘ oder so etwas. Und nach solchen Stichworten zu suchen, bedeutet, wenn man das in der Papierakte macht, dass man da manchmal Monate dransitzt.“ Weiter hat der Zeuge Burkhard Freier ausgesagt, dass zum Zweck der Übergabe der vom Ausschuss angeforderten Unterlagen die entsprechenden Akten eingescannt worden seien. Aufgrund dessen könnten zumindest im Bereich Rechtsextremismus Akteninhalte und Informationen viel schneller gefunden werden, so beispielsweise im „Fall Reker“.3469 Auch vor dem Einscannen der Akten für die Übergabe an den Ausschuss gab es einen „Deckblattpool“, welcher elektronisch durchsucht werden konnte. Zu der Suche in diesem Pool nach Personen, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum NSU relevant waren, vermerkte der Verfassungsschutz NRW: „Um phonetische Eventualitäten so weit wie möglich auszuschließen, wurde zum Teil mit ‚*‘ und ‚?‘ (etwa bei ZSCHÄPE) gearbeitet. Von einer Suche nach allen phonetisch denkbaren Schreibweisen wurde aufgrund des damit verbundenen hohen Zeitaufwandes (bis zu 20 Minuten pro Suchbegriff zzgl. Sichtung / Auswertung der Berichte) ebenso abgesehen wie von einer Suche nach weit verbreiteten Namen in Verbindung mit ‚Vnu‘3470 (z.B. bei Werner, Schneider oder Schultze) oder Nnu.“3471 Auf die Frage, ob 20 Minuten Recherche pro Schreibweise angesichts der vom NSU begangenen Taten nicht ein vertretbarer Zeitaufwand wären, hat der Zeuge Dirk Weinspach geantwortet: „Ich kann mich jetzt nicht mehr im Detail an den Vorgang erinnern. Aber wir haben immer geguckt: Wie kommen wir schnellstmöglich ans Ziel? Manchmal haben wir was aufgeschoben, haben gesagt: ‚Das braucht jetzt zu viel Zeit‘, und haben das dann hinterher gemacht. […] Also, der Eindruck, der bei Ihnen entstanden ist, dass wir da geguckt haben: ‚Was ist zu zeitaufwendig?‘, ich glaube, der ist falsch. Wenn, dann waren das eher Effektivitätsüberlegungen. […] Das reine Argument, 20 Minuten sind zu viel – da stimme ich Ihnen zu, das wäre kein Argument, wenn wir nicht andere, bessere Möglichkeiten gehabt hätten oder glaubten, gehabt zu haben, zum gleichen Ergebnis zu kommen.“3472 Welche anderen Möglichkeiten es für die Suche gab und inwiefern diese genutzt wurden, hat er nicht ausgeführt. Aus den vorliegenden Akten ergeben sich ebenfalls keine entsprechenden Hinweise. Wenn neue Erkenntnisse beim Verfassungsschutz NRW eingegangen sind, seien die Akten teilweise auch erneut durchgeschaut worden.3473 3. Überprüfung von Kontakten aus NRW zum NSU und seinem Umfeld Zur Überprüfung einer möglichen Tatbeteiligung von Personen aus NRW führte der Zeuge Dirk Weinspach aus, dass sie sich alle angesehen haben, insbesondere das Umfeld der 3469 3470 3471 3472 3473 Freier, APr 16/1349 S. 34. Vorname unbekannt. Nachname unbekannt. Weinspach, APr 16/1340 S. 88 f. Weinspach, APr 16/1340 S. 51. 613 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dortmunder Rechtsextremisten des „Nationaler Widerstand Dortmund“. Dabei sei es um sämtliche Kontakte nach Thüringen gegangen, nicht nur um Kontakte in das engere Umfeld des NSU. Obwohl sie sich die Sachen mehrmals angeschaut hätten, seien keine Kontakte mit rechtsterroristischem Hintergrund belegbar gewesen. Zu Kontakte nach Thüringen gab er an: „Natürlich gab es Kontakte der Szene, aller Szenen, aller Kameradschaften und vor allen Dingen der Hauptprotagonisten auch nach Thüringen. Es gab einen gewissen Grad der Vernetzung in der rechtsextremistischen Szene, die immer wieder zu Kontakten führen, sei es bei sogenannten Führungstreffen, sei es bei demonstrativen Anlässen. Das hat es immer wieder gegeben. Aber mehr haben wir leider nicht feststellen können.“3474 Weiter hat er erklärt, dass es Kontakte zum Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“ im Jahr 2004 oder 2008 gegeben habe und ausgeführt: „Aber das waren Treffen, und die waren Teil dieser Vernetzungsstruktur. Aber wir haben keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass es da erstens zu Kontakten zum Trio, also einem der Dreien oder den Dreien, gekommen wäre, noch dass bei diesen Treffen dasselbe Thema gewesen wäre, obwohl da natürlich auch Personen waren, die nähere Kontakte, Thomas Gerlach, Kapke ... Das ist Ihnen ja alles bekannt. Und gerade diese Dinge haben wir uns immer, immer wieder angesehen. Und wir haben kein Fleisch an den Knochen bekommen. – Das heißt, Kontakte ja, aber leider nicht mehr Erkenntnisse, also genau das, was Sie beschrieben haben. Aber dabei ist es dann leider geblieben. Und der Rest ist Spekulation. Aber das ist etwas, was uns vielleicht weiterhilft, zu gucken, ob wir bestimmte Hypothesen dann verifizieren können. Aber das hilft ja in der Sache erst mal nicht weiter, wenn wir dafür keine Anhaltspunkte gewinnen, und die hatten wir nicht und, soviel ich weiß, bis heute nicht. Aber, wie gesagt, ich bin zwei Jahre raus.“3475 Die Zeugin Mathilde Koller hat ebenfalls bestätigt, dass sie bei der Aufarbeitung festgestellt habe, dass es einen intensiven Austausch und intensive Beziehungen gegeben habe und dass Personen über NRW hinaus an Treffen teilgenommen hätten.3476 Insgesamt seien für sie die Ergebnisse jedoch nicht so befriedigend gewesen, wie sie erhofft hätte. Sie habe sich ein komplettes Lagebild für NRW erhofft, letztendlich hätten sie jedoch nur scheibchenweise Erkenntnisse gewonnen.3477 Im Einzelnen führte sie dazu aus: „Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich den Dienst verlassen habe, waren wir nicht sehr weit gekommen. Ich war jederzeit davon überzeugt, dass wir Strukturen haben müssen, weil ich tief davon überzeugt bin, dass ein ortsfremdes Trio nicht ohne Unterstützung vor Ort bestimmte Tatorte aussucht. Ganz deutlich war ja das bei Probsteigasse: Das war von außen nicht als Ausländerkiosk zu erkennen, und es ist auch keine Gegend, wo viele Migranten leben, zumindest zu der Zeit noch nicht. Es ist aber in der Zeit, in der ich da war, nicht gelungen, da sehr viel weiterzukommen, Strukturen aufzufinden. Das, was es an Verbindungen gab, das haben wir eben schon genannt. Also, es ist natürlich die ‚Kameradschaft Köln‘ noch mal ins Visier genommen 3474 3475 3476 3477 614 Weinspach, APr 16/1340 S. 58. Weinspach, APr 16/1340 S. 82. Koller, APr 16/960 S. 21. Koller, APr 16/960 S. 10. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 worden, und man hat versucht, in dem Bereich weiterzukommen. Die Dortmunder Szene, die ja auch sehr stark an die Musikszene angedockt war ... Man hat versucht oder hat auf jeden Fall geprüft, ob es dort Zusammenspiele gegeben haben könnte. In der Zeit, in der ich da war, sind keine wesentlichen Ergebnisse erzielt worden.“3478 4. Befragung von Vertrauenspersonen Nach Aussage der Zeugin Mathilde Koller hat sie sich auch mit dem Bereich der Beschaffung zusammengesetzt und nach Möglichkeiten der Unterstützung aus NRW gesucht.3479 Es seien auch alle VPen des Verfassungsschutzes NRW zu den Taten des NSU befragt worden, diese Befragungen hätten jedoch keine neuen Erkenntnisse zu Verbindungen zum NSU ergeben.3480 5. Wissenschaftliche Analyse der vorhandenen Erkenntnisse Auf die Frage, ob sich auch die beim Verfassungsschutz NRW beschäftigten Wissenschaftler rückblickend den Zeitraum der Tätigkeit des NSU angeschaut haben, hat die Zeugin Mathilde Koller angegeben: „Ich habe all das getan, was man in so einer Situation machen muss. Und ich kann Ihnen jetzt nicht mehr im Einzelnen sagen ... Das ist ja Tagesgeschäft. Sie nehmen sich einen Vorgang vor, gehen den durch und versuchen, da eine Analyse der Fakten hinzukriegen.“3481 6. Weitergabe der Erkenntnisse Auf die Frage, wie restriktiv der Verfassungsschutz NRW bei der Weitergabe von Informationen an den GBA und das LKA NRW gewesen sei, hat der Zeuge Burkhard Freier geantwortet: „Die Philosophie war ... Da muss man jetzt unterscheiden zwischen GBA und Polizei. Jedenfalls habe ich das in den Anfängen so gemacht. Wir haben, nachdem wir die Akten recherchiert haben, festgestellt: Genau sieben Fälle, die wir Ihnen auch vorgelegt haben, haben wir so festgestellt, dass wir gesagt haben: Oh, das sind Fälle, die quasi von jemandem anderes untersucht werden müssen als von uns selbst. Und zwar entweder, weil da Quellen dran waren, wo wir gesagt haben: ‚Das könnte sein, dass eine Quelle nah am NSU ist‘, oder aber, wo wir einen Sachverhalt haben, wo wir gesagt haben: Es geht um Bilder, es geht um Fakten, immer im engen Zusammenhang mit NSU. Genau sieben Fälle. Und diese Fälle haben wir dem Generalbundesanwalt übergeben. Und die Philosophie war, alles – auch dann, wenn es noch so schwach war – zu übergeben und nicht irgendwas nicht zu übergeben. Also, ich sage es einfach mal, damit Sie das wissen, und dann erkläre ich auch noch mal, was das Verhältnis zur Polizei ist. Also beispielsweise dieses Thema ‚Briefkontakt Zschäpe–Schmiemann‘; dann eine V-Person aus Ostwestfalen-Lippe, von der wir glaubten, die hätte möglicherweise die NSU mal gesehen; dann die Phantombilder aus Köln; dann gab es ein Führungstreffen in Borna, wo Personen dabei waren aus dem Umfeld ‚Gerlach, Gerry‘ oder so etwas; dann gab es einen – wie heißt das? – Siebengebirgsmarsch, auch von Personen, wo der Verdacht bestand: Die waren nah am NSU. Es gab eine WDR-Sendung ‚WESTPOL‘ zu einer Julfeier 2009, wo Bilder im WDR entstanden sind, wo Zeugen gesagt haben: Das könnten die drei gewesen sein. – Und dann haben wir diese Bilder untersucht, dann auch nichts weiter gemacht, sondern das dem 3478 3479 3480 3481 Koller, nöApr 16/234 S. 21 f. Koller, APr 16/ 960 S. 10. Koller, nöAPr 16/234 S. 22. Koller, APr 16/ 960 S. 11. 615 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 GBA übergeben. Und der letzte Fall war – der ist nach den Anschlägen passiert – die Julfeier der Kameradschaft ‚Aachener Land‘ im November 2011, weil da diese Mitglieder der Kameradschaft davon erzählt haben: Wir haben den NSU mal getroffen. Also immer dann – ich habe das nur als Beispiel gesagt –, wenn solche Fälle aufgetaucht sind, war für uns das Signal: erstens alles, was wir an Akten haben, zusammenstellen und alles direkt an den Generalbundesanwalt – auch unter Öffnung unserer Quellen. Wir haben in diesem Fall dem GBA sämtliche Klarnamen der V-Personen genannt.“3482 In diesen Fällen sei die BAO Trio des LKA NRW nicht vorher unterrichtet worden, obwohl es eine andere Absprache gegeben habe. Grund dafür sei gewesen, dass nicht der Eindruck habe entstehen sollen, dass Spuren verwischt werden. Außerdem sei der Verfassungsschutz NRW davon ausgegangen, dass der GBA das BKA zu diesen Fällen mit Ermittlungen beauftrage und darüber dann auch das LKA NRW die entsprechenden Informationen erhalte.3483 Dies hat der Zeuge Burkhard Schnieder entsprechend geschildert. Da der GBA für das Verfahren zuständig gewesen sei, seien die Informationen nur an diesen gegangen. Dies sei auch mit dem GBA so abgesprochen gewesen. Dieser habe dann entscheiden müssen, an wen die Informationen weitergegeben werden. Der Verfassungsschutz NRW habe absichtlich nicht das LKA NRW informiert, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass etwas beeinflusst werden solle.3484 Mit anderen Behörden habe „mehr so der übliche Austausch auf der Arbeitsebene“ stattgefunden.3485 Der Zeuge Dirk Weinspach hat zur Art der Erkenntnisweitergabe erklärt, dass die vorgenannten Erkenntnisse in Behördenzeugnisse gefasst und zum Teil von ihm persönlich zum GBA nach Karlsruhe gebracht worden seien. Insgesamt sei er drei bis fünf Mal dort gewesen.3486 7. Erneute Bewertung der „Combat 18“ – Strukturen in Dortmund a. Aktenrecherche und Aktenauswertung Die durch den Verfassungsschutz NRW eingerichtete LoS erhielt den Auftrag, u. a. alle Vorgänge zu „Combat 18“ aus den Jahren 1992 bis Ende 2011 mit Bezug zu den Tatorten durchzusehen.3487 Die Pläne für die Gründung einer Zelle wurde dem Verfassungsschutz NRW bereits vor dem Mord an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006 in Dortmund gemeldet. In den Unterlagen des Verfassungsschutz NRW über die Ergebnisse der Aktenrecherche findet sich kein Vermerk, der Informationen zu den Erkenntnissen des Verfassungschutzes NRW über eine möglicherweise in der Entstehung begriffene „Combat 18“-Gruppe zusammengefasst und aufbereitet hätte. Der Zeuge Dirk Weinspach, Leiter der LoS, hat ausgesagt aus, dass es 2006 Hinweise gegeben habe, dass sich in Dortmund eine „Combat 18“-Zelle entwickeln könnte. Es habe „immer ein bisschen Streit“ darüber gegeben, wie weit diese Strukturen gediehen gewesen seien, also ob es sich bereits um fertige Strukturen gehandelt habe oder ob diese noch im Aufbau gewesen seien.3488 Diezbezüglich hat er erklärt: 3482 3483 3484 3485 3486 3487 3488 616 Freier, APr 16/1349 S. 40 f. Freier, APr 16/1349 S. 41. Schnieder, APr 16/952 S. 157. Schnieder, APr 16/952 S. 159. Weinspach, APr 16/1340 S. 52. Schreiben vom 24. Juli 2012, A13392 S. 11 f. (VS-nfD). Weinspach, APr 16/1340 S. 83 f., 87. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Aber dass es da den Anspruch oder erste Ansätze zur Bildung solcher Strukturen gab, nämlich „Combat-18“-Strukturen, das ist keine Frage. Und das ist der militante Arm von ‚Blood & Honour‘. Und, ja, deren Vorgehensweise haben wir gerade mit dem führerlosen Widerstand beschrieben.“3489 Nach der Selbstenttarnung des NSU sind die Akten aus 2006 erneut überprüft worden, um festzustellen, ob möglicherweise 2006 etwas übersehen oder falsch interpretiert worden sei.3490 Zum Ergbnis der Prüfung hat der Zeuge Dirk Weinspach ausgeführt, dass der Verfassungsschutz NRW erneut zu der Bewertung gekommen sei, dass die Strukturen noch nicht so weit gewesen seien, um „zur Tat schreiten“ zu können.3491 Weiter hat er angegeben: „Eine erkennbare Aktivität, sozusagen in Umsetzung dessen, was man möglicherweise wollte oder anstrebte, die, das hat auch die Durchsicht der Akten ergeben, konnten wir nicht feststellen ... oder keine Anhaltspunkte. [...] Ja, wenn überhaupt, war man im Aufbau solcher Strukturen und ist da letztendlich nicht zu Ende gekommen. So war der Erkenntnisstand. Man muss bei all den Dingen auch vorsichtig sein. Das ist das, was sich uns nach Aktenlage zeigt. Es gibt ja auch ein Dunkelfeld, das wir nicht sehen.“3492 Er habe keinen Grund dafür, an dieser Einschätzung zu zweifeln.3493 Auf die Frage, inwieweit die Verbindung zwischen Dortmunder und Kasseler Neonazis vor dem Hintergrund der innerhalb von drei Tagen verübten Morde an Mehmet Kubaşık in Dortmund und Halit Yozgat in Kassel, durch den Verfassungsschutz NRW im Zuge der NSU-Aufarbeitung überprüft worden sei, hat der Zeuge Dirk Weinspach geantwortet: „Ja. Also, es gab diese Verbindungen, ‚Streetfighting Crew‘, ‚Oidoxie‘, Gottschalk, Röske, und dann diese unglaubliche zeitliche Nähe. Aber mehr haben wir leider nicht drangekriegt – bis auf das, was ich an Erkenntnissen vorhin über diese Geburtstagsfeiern hier erzählt habe.“3494 Trotz zahlreicher und detaillierter Erkenntnisse, die in den Akten vorhanden sind, findet sich keine vom Verfassungsschutz NRW erstellte Analyse über diese, hinsichtlich der Suche nach potentiellen lokalen Unterstützern, spannende Verbindung. Die von dem Zeugen Dirk Weinspach erwähnte Erkenntnismitteilung zu einer Feier von Dortmunder und Kasseler Neonazis im März 2006 in Braunatal wurde erst nach einer Medienveröffentlichung im Juni 20133495 und einer Anfrage des LfV Hessen nach überregionalen Kontakten von Rechtsextremisten aus dem Großraum Kassel vom 12. September 20133496 erstellt. Der GBA wurde mit Schreiben vom 20. Oktober 2013 vom Verfassungsschutz NRW über diese Feier in Kenntnis gesetzt.3497 Das LfV Hessen fragte neben Informationen zu einzelnen Personen auch nach Erkenntnissen zu rechtsextremistischen Gruppierungen, die über „regelmäßige, zielgerichtete Beziehungen, Verbindungen oder gemeinsame Aktivitäten zu bzw. mit Gruppierungen 3489 3490 3491 3492 3493 3494 3495 3496 3497 Weinspach, APr 16/1340 S. 84. Weinspach, APr 16/1340 S. 86. Weinspach, APr 16/1340 S. 85. Weinspach, APr 16/1340 S. 86. Weinspach, APr 16/1340 S. 87. Weinspach, APr. 16/1340 S. 100. Lena Kampf „Kontakte von Zschäpe. Party machen mit den NSU-Terroristen“ in stern.de, A13396 S. 6 f. Schreiben des LfV Hessen vom 12. Septmeber 2013, A13396 S. 11 ff. (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 30. Oktober 2013, A13396 S. 46 ff. (VS-nfD). 617 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 oder Personen aus Nordhessen / Raum Kassel“ verfügten.3498 Der Verfassungsschutz NRW stellte darauf Informationen zu den angefragten Personen zusammen, teilte aber zugleich mit, dass davon auszugehen sei, dass Deckblattberichte nordrhein-westfälischer VPen, die auch Informationen über Personen aus Hessen beinhalten, an das LfV Hessen gesteuert worden und diese Erkenntnisse dort bekannt seien.3499 Weiter wurde festgehalten, dass die genannten Personen hauptsächlich im rechtsextremistischen Musikbereich aktiv waren.3500 Eine Analyse zur Zusammenarbeit von Kasseler und Dortmunder Neonazis in der „Oidoxie Streetfighting Crew“ wurde seitens des Verfassungsschutzes NRW auch 2013 nicht erstellt. b. Aussagen des Zeugen Sebastian Seemann Am 25. November 2011, kurze Zeit nach der Selbstenttarnung des NSU, suchte der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund das Gespräch mit Sebastian Seeman.3501 Dieser berichtete, dass Marko Gottschalk vor zirka fünf Jahren eine „Combat 18“-Zelle von sieben Personen habe aufbauen wollen. Den potentiellen Mitgliedern seien die „Turner Diaries“ ausgehändigt worden, in denen der Aufbau einer Terrorzelle beschrieben werde. Weiter erklärte er, die Mordserie des NSU gleiche den Beschreibungen in den „Turner Diaries“ und erwähnte den Roman „Hunter“, in dem der Hauptprotagonist eine rassistische Mordserie verübt. 3502 Die Zeugin Cornelia de la Chevallerie hat ausgesagt, dass dem Verfassungsschutz NRW bereits 2005 / 2006 die von Sebastian Seemann geschilderten Sachverhalte bekannt gewesen seien.3503 Während ihrer Dienstzeit seien zahlreiche Maßnahmen in Bezug auf die „Combat 18“-Zelle durchgeführt worden, unter anderem Observationen.3504 In den vorliegenden Akten finden sich keine Anfragen des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund an den Verfassungsschutz NRW betreffend weiterer Informationen zu dieser „Combat 18“-Zelle, ebenso wenig übersandte der Verfassungsschutz NRW seinerseits dem PP Dortmund, dem BKA oder dem GBA Informationszusammenstellungen zur geplanten Bildung der „Combat 18“-Zelle. Sebastian Seemann selbst wurde erstmals am 9. Dezember 2014 durch das BKA als Zeuge im Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vernommen, nachdem zuvor Nebenklagevertreter Beweisanträge zur Vernehmung der Zeugen Marko Gottschalk und Sebastian Seemann eingereicht hatten.3505 c. Mediale Berichterstattung über die „Combat 18“-Zelle Erstmals öffentlich über die Dortmunder „Combat 18“-Zelle berichtet wurde im Mai 2012 in einem Artikel des Journalisten David Schraven für die WAZ. Während der Recherche zu diesem Artikel übersandte David Schraven im April 2012 dem Verfassungsschutz NRW einen umfangreichen Fragenkatalog zum Umfeld der „Oidoxie Streetfighting Crew“.3506 Er bat um Beantwortung von 16 Fragen, ob bzw. welche Informationen dem Verfassungsschutz NRW über eine „Combat 18“-Zelle um Marco Gottschalk in Dortmund vorliegen, ob diese Gruppierung bewaffnet war und Wehrsportübungen durchführte und ob Kontakte zu der belgischen 3498 3499 3500 3501 3502 3503 3504 3505 3506 618 Schreiben des LfV Hessen vom 12. September 2013, A13396 S. 12 (VS-nfD). Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Oktober 2013 zu den vom LfV Hessen angefragten Personen vom 9. Oktober 2013, A13396 S. 14. Erkenntniszusammenstellung des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Oktober 2013 zu den vom LfV Hessen angefragten Personen vom 9. Oktober 2013, A13396 S. 18. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 39 ff.; Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A10380 S. 39 ff. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 66. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 41. Beweisanträge der Nebenklage vom 6. November 2014, A62171 S. 9 ff., 29 ff.; Vernehmung des Sebastian Seemann vom 9. Dezmeber 2014, A62171 S. 49 ff. E-Mail von David Schraven vom 20. April 2012, A13814 S. 3 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Organisation „Bloed, Bodem, Eer & Trouw“3507 bestanden. Der Fragenkatalog zeigt, dass David Schraven umfangreiche Informationen vorlagen, die er vom Verfassungsschutz NRW bestätigt wissen wollte. Nahezu sämtliche Fragen leitete er mit „Trifft es zu, dass“ ein.3508 Der Zeuge Burkhard Schnieder, damaliger Gruppenleiter beim Verfassungssschutz NRW, bat den Zeugen Dirk Weinspach als Referatsleiter daraufhin am 24. April 2012 um eine Besprechung. Der Zeuge Dirk Weinspach wiederum leitete die Anfrage an einen weiteren, namentlich nicht bekannten Mitarbeiter weiter.3509 Der Zeuge Dirk Weinspach verantwortete den von diesem Mitarbeiter entworfenen Vermerk vom 25. April 2012, in dem zu den Fragen des Journalisten David Schraven Stellung genommen wird. In diesem Vermerk hieß es, dass die Band „Oidoxie“ zwischen 2003 und 2006 sehr aktiv gewesen sei und über gute Kontakte innerhalb von Deutschland und im benachbarten Ausland verfügt habe, wo Konzerte häufig durch Mitglieder von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ organisiert worden seien. Weiter hieß es: „Die Existenz einer Dortmunder Combat 18 Gruppe, die sich nach dem Modell der sog. Turner Tagebücher gegründet hat, kann von hier aus nicht bestätigt werden. [...] Allerdings ist der positive Bezug auf Combat 18 offensichtlich innerhalb der SkinheadSzene mit hohem Ansehen verbunden. Auch einzelne Angehörige der Skinhead-Szene in Nordrhein-Westfalen zeigten in der Vergangenheit eine gewisse Faszination für mit Combat 18 verbundener Symbolik und verfolgten damit das Ziel, das eigene Ansehen in der Szene aufzuwerten. Eine erkennbare Aktivität im Sinne einer sog. Leaderless Resistance oder das Umsetzen von Combat 18-Zielen in Nordrhein-Westfalen war bislang jedoch - insbesondere in Dortmund - nicht feststellbar.“3510 In seiner Antwort bediente sich der Zeuge Dirk Weinspach dabei ähnlicher Satzbausteine wie sie der Verfassungsschutz NRW in seinen Verfassungsschutzberichten3511 sowie seit 2003 in Vermerken verwandte.3512 Nach den Aussagen der Zeugin Cornelia de la Chevallerie3513 und des Zeugen Burkhard Freier3514 hatte der Verfassungsschutz NRW bereits 2006 Kenntnis über die Bestrebungen zur Bildung einer „Combat 18“-Gruppe. Auf Vorhalt, dass der oben zitierte Vermerk seinen vorigen Aussagen gegenüber dem Ausschuss widerspreche, hat der Zeuge Dirk Weinspach erwidert: „Nee, der letzte Teil nicht. Also, man war sicherlich nicht so weit fortgeschritten nach unseren Erkenntnissen damals und auch nach denen, die dann auch nachbereitet habe, dass das sozusagen schon abgeschlossen war und man jetzt zur Tat schreiten konnte, sondern die Frage ist: Was war Wunschdenken, und inwieweit war in der Umsetzung dieses Wunschdenken fortgeschritten.“3515 Der Journalist David Schraven veröffentlichte am 15. Mai 2012 einen Artikel mit seinen Recherchen. In diesem hieß es, Marco G. sei an der Gründung einer terroristischen Vereinigung, einer „Combat 18“-Zelle, in Dortmund beteiligt gewesen. Die Gruppe habe sich Waffen 3507 3508 3509 3510 3511 3512 3513 3514 3515 „Blut, Boden, Ehre & Treue“ E-Mail von David Schraven vom 20. April 2012, A13814 S. 3 ff. Interne E-Mails des Verfassungsschutzes NRW vom 23. und 24. April 2012, A13814 S. 3. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 25. April 2012, A15099 S. 1 ff. (VS-nfD). Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 2006; Landtag NRW Vorlage 14/1190 S. 68. Exemplarisch: Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Oktober 2003, A12213 S. 5. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 66. Freier, APr 16/1349 S. 11 f. Weinspach, APr 16/1340 S. 85. 619 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 beschafft und für den Kampf trainiert. Weiter erwähnte er die „Turner Diaries“ als ideologisches Fundament der „Combat 18“-Gruppen, die Kontakte der Dortmunder Neonazis zu BBET und Waffenhandel mit belgischen Neonazis. Dabei bezog er sich immer wieder auf „Informationen aus dem Umfeld des Verfassungsschutzes“. Weiter schrieb er, dass sich der Verfassungsschutz, das PP Dortmund und der GBA nicht offiziell zu den von ihm dargelegten Sachverhalten haben äußern wollen.3516 Im Februar 2013 veröffentlichte der Journalist David Schraven einen weiteren Artikel, in dem er auch aus Vermerken des Verfassungsschutzes NRW aus dem Jahr 2003 zitierte und schrieb, dass diese die Bildung von rechten Terrorgruppen lange nicht ernst genommen habe. Insbesondere gelte dies für Hinweise auf eine „Combat 18“-Gruppierung. 3517 Die Veröffentlichung dieses zweiten Artikels hatte zur Folge, dass sich eine Mitarbeiterin per E-Mail an den Leiter des Verfassungsschutzes NRW, den Zeugen Burkhard Freier, wendete: „Hallo Burkhard, anbei der Link. Schraven macht immer wieder mit dem Thema auf. Ist da nichts dran? Haben wir alles geprüft?“3518 Der Zeuge Burkhard Freier antwortete ihr daraufhin: „Mit Leitungsvorlage vom 21.5.2012 haben wir die Erkenntnislage zu Combat 18 in NRW zusammengestellt. Die Berichte von Herrn Schraven sind nicht nachvollziehbar. Die genannten Personen sind hier bekannt – zu den von Herrn Schraven (unterstellten) Verbindungen zu Combat 18 liegen hier keine Erkenntnisse vor.“3519 Diese Antwort des Zeugen Burkhard Freier ist nicht in Einklang zu bringen mit den Informationen im Aktenbestand des Verfassungsschutz NRW und seinen Aussagen vor dem Ausschuss, in denen er bestätigt hat, dass es zumindest Bestrebungen von Gottschalk und seinem Umfeld gegeben habe, eine „eigene Zelle innerhalb von ‚C18‘ zu gründen“3520 und dass diese Szene auch von „leaderless resistance“ philosophiert habe. 3521 Der Zeuge Burkhard Freier hat erklärt, dass der Verfassungsschutz NRW damals, aufgrund von Aussagen von VPen, zu dem Schluss gekommen sei: „Obwohl die darüber reden und obwohl die über Gewalt reden – auch darüber reden, Waffen zu beschaffen – und obwohl die enge Kontakte nach England, nach Schweden, auch nach Belgien haben und auch Schießübungen in den Ostblockländern durchführen wollten oder durchgeführt haben, sieht es eher so aus, als wenn es Leute sind, die zwar drüber reden – also Maulhelden –, es aber nicht wirklich tun.“3522 Er hat weiter ausgeführt, eine terroristische Organisation habe man damals aber nicht erkennen können.3523 Mittlerweile schätze er „Combat 18“ für so gefährlich ein, dass der Verfassungsschutz NRW heute solche Bestrebungen auch dann weiter beobachte, wenn Quellen 3516 3517 3518 3519 3520 3521 3522 3523 620 Artikel „Dortmunder Nazis: Combat-18-Zelle versorgte sich mit Waffen“ WAZ vom 12. Mai 2012, A62171 S. 39 ff. Artikel „Terrorgefahr durch Rechts wurde lange unterschätzt“ auf www.derwesten.de vom 19. Februar 2013, A10305 S. 26 ff. Interne E-Mail des Verfassungsschutzes NRW vom 21. Februar 2013, A10305 S. 32. Interne E-Mail des Verfassungsschutzes NRW vom 21. Februar 2013, A10305 S. 31. Freier, APr 16/1349 S. 11 f. Freier, APr 16/1349 S. 11 f. Freier, APr 16/1349 S. 12. Freier, APr 16/1349 S. 38. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 mitteilten, bei den Personen handele es sich nur um „Maulhelden“.3524 Warum er 2012 bzw. 2013 zu einer anderen Einschätzung gekommen ist, hat er nicht begründet. Er hat lediglich ausgeführt, dass er 2012 und 2013 noch eine andere „Philosophie“ gehabt habe.3525 d. Kritische Würdigung Dem Ausschuss liegen keine Erkenntnisse vor, dass der GBA oder die BAO Trio des BKA über die dem Verfassungsschutz NRW vorliegenden Erkenntnisse zu den „Combat 18“-Bestrebungen in Dortmund informiert wurden. Im Übrigen hätten bei der Suche nach potentiellen Unterstützern des NSU-Trios in Dortmund bereits solche neonazistischen Gruppen und Personenkreise in den Fokus genommen werden müssen, die ein terroristisches Vorgehen propagierten und denen somit Unterstützungshandlungen zuzutrauen gewesen wären. Auf den Personenkreis rund um die „Oidoxie Streetfighting Crew“ trifft dies zu. Hinzukommt, dass ausgerechnet dieser Personenkreis über enge Kontakte und gemeinsame Aktivitäten mit einem ähnlich militant ausgerichteten Kreis von Neonazis aus Kassel verfügte. Auch diese Verbindung blieb unberücksichtigt. Außerdem bleibt bei der Bewertung durch den Verfassungsschutz NRW unberücksichtigt, dass Personen, die diesen Strukturen zuzurechnen sind, durchaus erhebliche Straftaten begangen haben, so zum Beispiel Robin Schmiemann und Sebastian Seemann. V. Hinweise auf den Aufenthalt des NSU-Trios in NRW 1. Möglicher Aufenthalt von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Minden 1999 Es gibt Hinweise auf einen Aufenthalt von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 1999 in Minden. a. Treffen von M. P. mit einer C. und zwei männlichen Personen 1999 berichtete eine VP dem Verfassungsschutz NRW von einem Gespräch mit M. P. Dieser habe von einem Treffen am 13. Juli 1999 in Minden in einer Gaststätte berichtet. An diesem Treffen hätten neben M. P. eine C. und zwei Männer teilgenommen. C. sei die Wortführerin, etwa 20 Jahre alt und 170 cm groß gewesen, habe blondes, gelocktes, kurzes Haar gehabt und einen deutlichen ostdeutschen Dialekt gesprochen. Ihr Nachname sei Meier oder Müller gewesen. Der eine der beiden Männer sei etwa 20 Jahre alt, 170 cm groß und muskulös gewesen und habe dunkelblondes, kurzes Haar gehabt. Der andere sei etwa 25 Jahre alt und 180 cm groß gewesen und habe hellblondes oder braunes Haar und einen Schnäuzer gehabt. Beide Männer hätten mit einem leichten ostdeutschen Dialekt gesprochen. C. und die beiden Männer seien mit einem Fiat Cinquecento mit der Ortskennung „HM“ gekommen. Die drei hätten sich M. P. gegenüber als „Gruppe Combat 88“ ausgegeben und behauptet, dass sie seit Jahren gute Kontakte zu einer Organisation mit gleichem Namen in England hätten, die dort auch bereits Bombenattentate verübt hätte. Außerdem hätten die drei nach Unterstützung bei ihren weiteren Planungen gesucht: „Die Zeit ist nun reif zum Handeln auch hier in Deutschland. Wir sind im Bereich Hameln ca. 10 Leute, darunter auch Frauen. Wir wollen im ganzen Bundesgebiet Leute gewinnen, die dann - wie in England - Anschläge machen. Diese sollen über ganz Deutschland verübt werden, damit man nicht feststellen kann, wer dahintersteckt und von wo das geplant wird. 3524 3525 Freier, APr 16/1349 S. 39. Freier, APr 16/1349 S. 39. 621 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Bereits am letzten Wochenende (10./11.07.99) sollte in Beckeburg3526 auf dem ‚Niedersachsentag‘ was passieren, aber der hat nicht gezündet (Quelle: die meinten wohl: Sprengsatz o.ä.). In der allernächsten Zeit wird was passieren, diesmal wird das klappen!“ Die drei Personen hätten angegeben, der Polizei nicht bekannt zu sein, an keinen Demonstrationen oder Veranstaltungen teilzunehmen und in keiner Partei Mitglied zu sein. Weitere Details hätten sie nicht erzählen wollen, da sie Angst gehabt hätten, dass M. P. diese an die Polizei weitergeben könnte. Das Gespräch sei beendet worden, weil M. P. klar gemacht habe, dass Anschläge nicht seine Sache seien und C. ihn deswegen als zu passiv befunden habe.3527 Um die Informationen der VP überprüfen zu können, ersuchte der Verfassungsschutz NRW das LfV Niedersachsen um Informationen zu dem Sachverhalt. Dieses teilte mit, dass dort ein M. S. bekannt sei, der über Skinheadkonzerte Kontakte nach England habe und auch zweimal nach England gereist sei. Unter dem Namen „Combat 88“ existiere eine rechte Band und auch eine Terrororganisation, die in England bereits Anschläge verübt habe. Außerdem hätten Personen aus der rechten Szene in Niedersachsen Kontakte in den Raum Ostwestfalen-Lippe, insbesondere zu einem Michi, der ca. 25 Jahre alt sei.3528 Weder das LfV Niedersachsen noch der Verfassungsschutz NRW haben die Frage aufgeworfen, ob neben der bekannten Organisation „Combat 18“ eine Gruppe mit dem Namen „Combat 88“ existiert oder ob in Minden nicht möglicherweise von „Combat 18“ die Rede war. Nach Berichten der VP habe sie im Juli zufällig C. getroffen und ihr ihre Telefonnummer gegeben. 3529 Unklar ist, wie die VP und Carola sich gegenseitig erkannten, da die VP nach eigenen Angaben bei dem Treffen am 13. Juli 1999 nicht anwesend war und lediglich M. P. ihm davon berichtet hatte. Aus den vorliegenden Akten geht nicht hervor, dass dies mit der VP thematisiert wurde. Der VP-Führer vereinbarte mit der VP, dass diese bei einem weiteren Kontakt mit Carola unverzüglich den Verfassungsschutz NRW informiere. Carola solle er auf seine langjährige Zugehörigkeit zu der rechten Szene, insbesondere dem KKK, und seine Kontakte zu Personen aus dieser Szene hinweisen. Außerdem solle er äußern, dass er nur Mitglied in der NPD sei, weil bisher kein geeignetes Forum für effektive nationalrevolutionäre Arbeit im Raum Ostwestfalen-Lippe existiere, er mit dem Kurs der NPD jedoch nicht einverstanden sei. Handschriftlich wurde vermerkt: „Wenn Combat 18 wirklich existiert bzw. im Aufbau begriffen ist, sollten wir diesen Weg gehen.“3530 3526 3527 3528 3529 3530 622 Es gibt in Deutschland keinen Ort namens Beckeburg, möglicherweise war Bückeburg in Niedersachsen gemeint. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 14. Juli 1999, A13218 S. 308 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 14. Juli 1999, A13218 S. 308 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 27. Juli 1999, A12216 S. 24 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 27. Juli 1999, A12216 S. 24 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen wies auf Vorhalt dieses Vermerks darauf hin, dass dieser aus der Beschaffung stammt und der Auswertung nicht unbedingt vorgelegt worden sein muss. Er wisse nicht, was mit „diesen Weg gehen“ gemeint sei und könne sich auch nicht an den genannten Sachverhalt erinnern.3531 Die VP berichtete, dass sie sich mit C.verabredet hätte.3532 Bei einem Treffen der VP mit seinem VP-Führer wählten diese die ihr von C. angegebene Nummer. Auf dem Anrufbeantworter meldete sich eine Stimme, die die VP sofort als Stimme von C. erkannte. Außerdem wurde vereinbart, dass die VP zu dem mit C. verabredeten Treffen gehen solle.3533 Aus den vorliegenden Akten des Verfassungsschutz NRW geht nicht hervor, ob dieses Treffen tatsächlich stattgefunden hat und es gibt auch keine weiteren Hinweise auf C. und die beiden männlichen Begleiter.3534 b. Ermittlungen zu dem Treffen in Minden nach dem 4. November 2011 aa. Umgang des Verfassungsschutzes NRW mit diesem Sachverhalt Im Rahmen der Daten- und Aktenrecherche zum NSU stieß der Verfassungsschutz NRW unter anderem auf den oben dargestellten Sachverhalt. In einem Gespräch beim GBA am 20. Juli 2012, an dem unter anderem der Zeuge Burkhardt Schnieder und der Bundesanwalt Gr. teilnahmen, wurde der GBA über den oben dargestellten Sachverhalt informiert.3535 Wenige Tage später übersandte der Verfassungsschutz NRW die schriftlichen Unterlagen zu diesem Vorgang an den GBA. Zum Inhalt der Unterlagen und deren Auffinden hieß es darin: „Nach dem Inhalt dieser Aktenstücke kann nicht ausgeschlossen werden, dass das sogenannte ‚Trio‘ Mitte 1999 in Kontakt mit der örtlichen Neonaziszene in Ostwestfalen gestanden hat. [...] Im Nachgang zur eigentlichen Daten- und Aktenrecherche im Zusammenhang mit dem ‚NSU-Komplex‘ wurden und werden derzeit alle Vorgänge zu ‚Blood and Honour‘ und ‚Combat 18‘ überprüft, auch wenn sie keinen zeitlichen oder räumlichen Bezug zu den Tatkomplexen aufweisen. Bei der letztgenannten Aktenrecherche wurde ein Deckblattbericht (Anlage 1) vom 14.07.1999 des VM […] gefunden, der mangels konkreter Zuordnungsmöglichkeit zu einer Organisation oder einer örtlichen Szene in NRW in einem Vorgang mit Informationen mit Bezug zu Niedersachsen abgelegt worden war.“ 3536 Zu dem Namen der Gruppe der drei Personen hieß es: „Die Personen hätten sich als ‚Gruppe Combat 18‘ (im Bericht ist durchgängig fehlerhaft von der Gruppe Combat 88 die Rede) zu erkennen gegeben [...]“3537 3531 3532 3533 3534 3535 3536 3537 Lüngen, APr 16/1097, S. 29 ff. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 30. Juli 1999, A12216 S. 26 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 30. Juli 1999, A12216 S. 27 (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 24. Juli 2012, A13218 S. 295 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 24. Juli 2012, A13392 S. 21 ff. Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 24. Juli 2012, A13218 S. 292 f. (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 24. Juli 2012, A13218 S. 292 f. (VS-nfD). 623 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In diesem Schreiben mutmaßte der Verfassungsschutz NRW, dass damals aufgrund des Austauschs mit dem LfV Niedersachsen und den fehlenden Anhaltspunkten für einen fehlgeschlagenen Anschlag in Bückeburg anlässlich des Niedersachsentages die Angaben der VP als wenig glaubhaft bewertet worden seien.3538 1999 hatte der VP-Führer die Angaben der VP zu dem Treffen jedoch abweichend als glaubhat bewertet.3539 Eine weitere Recherche in der Sache nahm der Verfassungsschutz NRW nach eigenen Angaben nicht vor, um die Ermittlungen des GBA nicht zu gefährden.3540 Der Zeuge Burkhard Schnieder hat den Vorgang zusammenfassend wie folgt geschildert: „Es ist auch bei einer Aktenrecherche dann aufgefunden worden, dass es dort einen Quellenbericht gibt, der Anhaltspunkte für diese Bewertung gab. Schließlich handelte es sich um drei Personen: zwei Männer, eine Frau, angeblich aus Ostdeutschland. Sie sprachen über angebliche Anschläge, die sie vorbereitet haben. Und sie haben offensichtlich eine Person in Minden getroffen und sollen irgendwie versucht haben, das dieser Person zu erklären und sie zu gewinnen, sich zu beteiligen. Das war dann in einem Deckblattbericht festgehalten worden. Und die Beschreibung von den Personen – zwei Männer, eine Frau, 99 – gab dann eben Veranlassung, zu sagen: Das ist etwas, wo man sehr vorsichtig mit umgehen muss und ganz schnell alle zuständigen Stellen informieren muss. – Aus unserer Sicht waren das eben zum einen der Minister, zum anderen das Parlamentarische Kontrollgremium, das dann eine Sondersitzung dazu hatte, und zum Dritten auch der Generalbundesanwalt.“3541 bb. Ermittlungen durch BKA und LKA Das BKA schilderte dem LKA NRW mit Schreiben vom 10. September 2012 den oben genannten Sachverhalt und bat darum, M. P. zu vernehmen. Sollte dieser das Treffen in Minden bestreiten, wurde gebeten, ihn mit den Aussagen der VP zu konfrontieren.3542 In seiner Vernehmung schilderte M. P. zunächst seinen Werdegang in der rechten Szene, insbesondere in der JN und der NPD. An ein Treffen mit drei Personen am 13. Juli 1999 in Minden erinnerte sich M. P. nicht. Ebenso wenig konnte er die Gaststätte, in welcher das Treffen stattgefunden haben soll, einordnen. Auch an eine Carola in Begleitung von zwei Männern, die einen ostdeutschen Dialekt sprachen, hatte er keine Erinnerung mehr. Zum Niedersachsentag in Bückeburg, bei dem etwas passieren sollte, konnte er ebenfalls nichts sagen. Er war sich jedoch sicher, dass er sich niemals mit nur drei Personen getroffen habe. Auch sei er nie nach Unterstützung für Anschläge gefragt worden oder habe von Gewaltbereitschaft oder Anschlägen gehört. Eine Gruppe „Combat 18“ oder „Combat 88“ kenne er nicht. Der Name der VP sagte M. P. nichts. Er erinnerte sich jedoch an eine Person mit dem gleichen Vornamen wie die VP, die ein sehr gutes Verhältnis zu dem damaligen Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes Minden gehabt habe. Er könne sich jedoch nicht daran erinnern, dieser Person einmal etwas alleine erzählt zu haben, da sie sich nie alleine, sondern immer nur in einer Gruppe getroffen hätten. An einen Michi aus Ostwestfalen-Lippe, der damals 3538 3539 3540 3541 3542 624 Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 24. Juli 2012, A13218 S. 292 f. (VS-nfD). Vermerk des des Verfassungsschutzes NRW vom 14. Juli 1999, A13218 S. 308 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 24. Juli 2012, A13392 S. 27. Schnieder, APr 16/160 S. 12. Schreiben des BKA vom 10. September 2012, A13119 S. 177 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 etwa 25 Jahre alt war, erinnert er sich nicht. Bei einer Lichtbildvorlage erkannte M. P. lediglich Beate Zschäpe als diejenige wieder, die aktuell in den Medien gezeigt werde.3543 Am 24. September 2012 teilte der GBA dem Verfassungsschutz NRW mit, dass nach den durchgeführten Ermittlungen derzeit keine Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen dem vermeintlichen Treffen am 13. Juli 1999 in Minden und dem NSU bestehe und die entsprechenden Unterlagen nunmehr an den 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages übersandt werden könnten.3544 Dies war zuvor auf Bitten des GBA nicht erfolgt, da zu diesem Komplex noch Zeugen vernommen werden sollten und eine Weitergabe aus Sicht des GBA kontraproduktiv gewesen wäre.3545 Am 25. September 2012 wurde die VP auf Bitten des GBA vernommen.3546 Bei der telefonischen Terminabsprache der Vernehmung fragte die VP, ob eine Vernehmung tatsächlich notwendig sei, da er mit diesem Lebensabschnitt abgeschlossen habe und er sich nicht mehr an Einzelheiten erinnern könne. Bei der Vernehmung war seine Lebensgefährtin anwesend, da die VP auf deren Anwesenheit bestand. In einem Gespräch vor der Vernehmung machte die VP deutlich, dass er nur widerwillig über dieses Thema spreche. Als die Vernehmungspersonen der VP mitteilten, dass es unter anderem um das Treffen in Minden am 13. Juli 1999 gehe, äußerte die VP spontan: „Ach das war doch nicht die Zschäpe.“3547 In ihrer Vernehmung gab die VP an, dass sie sich nicht mehr an das Treffen in Minden am 13. Juli 1999 erinnern könne. Auch wisse sie nicht mehr genau, was der Inhalt des Gesprächs mit dem VP-Führer zu diesem Treffen gewesen sei. Als sie Carola am Doktorsee getroffen habe, sei sie, die VP, stark alkoholisiert gewesen, so dass sie sich ebenfalls an keine Gesprächsinhalte erinnern könne. Ob es weitere Treffen mit Carola gegeben habe, könne sie nicht mehr sagen. Auch habe sie kein Bild mehr von Carola vor Augen, weshalb sie nicht ausschließen könne, dass es sich bei Carola um Beate Zschäpe handele.3548 Die VP behauptete zunächst, dass sie mit Carola keine Telefonnummern ausgetauscht habe. Nachdem ihr ihre Angaben, die sie 1999 gegenüber dem Verfassungsschutz NRW gemacht hatte, vorgehalten wurden, gab sie an, dass sie sich nicht mehr erinnern könne. Im Rahmen der Vernehmung wurden der VP Wahllichtbilder vorgelegt. Darauf erkannt sie Beate Zschäpe und Uwe Mundlos wieder und sagte aus, dass sie diese aus dem Fernsehen kenne.3549 Die Vernehmung dauerte ausweislich des Vernehmungsprotokolls zehn Minuten.3550 Auf Vorhalt der konkreten Art und Weise dieser Vernehmung und die konkrete Nachfrage, in wie vielen solcher Fälle danach Vernehmungen durch den GBA erfolgt oder eine richterliche 3543 3544 3545 3546 3547 3548 3549 3550 Vernehmung des M. P. vom 17. September 2012, A13119 S. 217 ff. (VS-nfD). Schreiben des GBA vom 24. September 2012, A13392 S. 121 (VS-nfD). Handschriftliche Notiz des Verfassungsschutzes NRW vom 07. August 2012, A13392 S. 90. E-Mail des GBA vom 18. September 2012, A13119 S. 227, 234 (VS-nfD). Eindrucksvermerk des PP Bielefeld zur Vernehmung der VP vom 26. September 2012, A13119 S. 236 f. (VS-nfD). Vernehmung der VP vom 25. September 2012, A13119 S. 234 f. (VS-nfD). Eindrucksvermerk des PP Bielefeld zur Vernehmung der VP vom 26. September 2012, A13119 S. 237 (VS-nfD). Vernehmung der VP vom 25. September 2012, A13119 S. 234 f. (VS-nfD). 625 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Vernehmung beantragt worden seien und ob sich ausschließlich auf diesen Filter verlassen worden sei, hat die Zeugin Anette Greger geantwortet: „Wenn uns eine Zeugenaussage wichtig erschien – das ist unsere Beurteilung: Ist sie für die Sachverhaltsaufklärung relevant? –, wenn uns eine Zeugenaussage wichtig erschien, haben wir erforderlichenfalls auch selber die Zeugen dann noch mal nachvernommen. Wenn sich ein Zeuge auf Erinnerungslücken beruft, ist es aus meiner staatsanwaltschaftlichen Erfahrung letztendlich unmöglich, diesen Zeugen zu zwingen, die Wahrheit zu sagen. Wir haben diese Gegebenheiten auch in der Hauptverhandlung in München im Prozess. Wenn ein Zeuge angibt, sich nicht erinnern zu können, sind wir als Strafverfolger am Ende, außer wir könnten ihm dann wirklich das Gegenteil nachweisen. Aber das ist keine Verweigerung der Zeugenaussage. Der Zeuge sagt, er kann sich nicht erinnern. Wir müssen das als Staatsanwälte und Richter letztendlich so hinnehmen – außer, wir können ihm dann durch andere Zeugenaussagen oder durch andere Beweismittel das Gegenteil dann nachweisen. Dann ist es eine Falschaussage. Aber letztendlich müssen wir – das sehe ich im Prozess in München auch immer wieder – als Strafverfolger damit umgehen.“3551 cc. Kritische Würdigung Es ist nicht nachvollziehbar, warum der VP nach ihrem Treffen mit Carola nicht erneut Bilder von Beate Zschäpe vorgelegt wurden. Warum der GBA bereits am 24. September 2012 zu der Einschätzung gelangte, dass keine Anhaltspunkte für einen Zusammenhang des Sachverhaltes mit dem NSU bestünden, obwohl die VP zu diesem Zeitpunkt noch nicht vernommen worden war, ist ebenfalls unklar. Die Äußerungen der Carola, dass von ihrer Gruppe geplante Anschläge über ganz Deutschland verteilt verübt werden sollen, damit nicht feststellbar sei, wer dahinter stecke und von wo aus diese geplant wurden, beschreibt eine der Schwierigkeiten, vor der die Ermittler und Ermittlerinnen im Zusammenhang mit den Taten des NSU standen, sehr gut. Auch diese Taten waren über ganz Deutschland verteilt und keine der Sicherheitsbehörden kam dahinter, von wo aus diese geplant worden sind. 2. Aufenthalt von Beate Zschäpe in Solingen Im Dezember 2011 meldete sich C. W. beim PP Nordhessen und gab an, 2004 Beate Zschäpe in Solingen in der Wohnung ihres ehemaligen Freundes M. W. gesehen zu haben. Diesen habe sie 2001 bei einem Fußballspiel kennengelernt und bis ins Jahr 2002 eine etwa acht Monate dauernde Beziehung mit ihm geführt. Sie habe sich dann von ihm getrennt, da sie mit seiner rechten Gesinnung nicht einverstanden gewesen sei und er von ihr erwartet habe, dass auch sie diese Gesinnung nach außen hin vertrete. Zu seiner Mutter habe sie auch nach der Trennung Kontakt gehabt und diese auch 2002 nochmal besucht. Bei diesem Besuch sei sie auch in das Zimmer von M. W. der noch bei seinen Eltern gewohnt habe, gegangen, und habe ihn und seine Besucherin begrüßt. Im Zusammenhang mit der Berichterstattung zum NSU habe sie in Beate Zschäpe die Frau wiedererkannt, die damals M. W. besucht habe. Sie sei sich diesbezüglich direkt sicher gewesen. Außerdem habe sie mal gemeinsam mit M. W. bei dessen Onkel Wolfgang Blumen gegossen. Diesen habe sie 2002 in einer Dokumentation im Fernsehen gesehen, in welcher er erzählt habe, dass er V-Mann gewesen sei.3552 3551 3552 626 Greger, APr 16/1353 S. 66. f. Vernehmung der C. W. vom 14. Dezmber 2011, A13089 S. 85 ff. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Beamte, der die Vernehmung durchführte, bewertete die Hinweisgeberin als glaubwürdig.3553 Ermittlungen ergaben, dass es sich bei dem genannten Onkel Wolfgang um Wolfgang Frenz handelt. Dieser war nach eigenen Angaben von 1960 bis 1995 für den Verfassungsschutz NRW tätig und seit ihrer Gründung 1964 Mitglied der NPD. Im Rahmen des ersten NPD-Verbotsverfahrens 2002 wurde seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz NRW öffentlich bekannt.3554 Wolfgang Frenz bestätigte, dass er etwa 2002 im Zusammenhang mit seiner Enttarnung in den Medien gewesen sei. Der Name C. W. sage ihm nichts und er wisse auch nicht, ob sie damals mit seinem angeheirateten Neffen M. W. liiert gewesen sei. Auf die Frage, ob er Beate Zschäpe mal begegnet sei, antwortete er: „Mir ist das nicht bekannt. Ich habe ja tausende Bekannte und war auch frührer war in der NPD stellvertretender Landesvorstand und Bundesvertreter. Da bin ich vielen Menschen begegnet. […] Die Frau Zschäpe kenne ich jetzt natürlich vom Fernsehen her. Ich hatte aber keinen Kontakt, also mir ist das nicht bewusst.“ Von einem Kontakt seines Neffen zu Beate Zschäpe wisse er nichts, und könne sich dies auch nicht vorstellen.3555 M. W. gab an, dass er C. W. in einem Chat von RTL kennengelernt habe und etwa zweieinhalb Jahre mit ihr zusammen gewesen sei. Er sei damals schon rechts gewesen, habe seine Einstellung aber im Laufe der Zeit geändert. Er habe sich von ihr getrennt, da er eine andere Frau kennengelernt habe. Einen Besuch von C. W. bei ihm oder seiner Mutter habe es seines Wissens nach anschließend nicht mehr gegeben.Beate Zschäpe kenne er nur aus dem Fernsehen und habe nie etwas mit ihr zu tun gehabt. Auf Nachfrage, wie C. W. auf die Idee gekommen sein könne, Beate Zschäpe bei ihm gesehen zu haben, antwortete er: „Keine Ahnung, ich kann mir das nicht erklären. Ich weiß es nicht, Frau W. […] war nicht zu Besuch bei uns und daher kann es auch zu keiner Verwechslung mit meiner damaligen Freundin gekommen sein. Ich kann mir das alles nicht erklären. Ich hatte auf jeden Fall nichts mit Frau Zschäpe zu tun.“3556 Die Protokolle der Vernehmungen von Wolfgang Frenz und M. W. wurden an das LKA Hessen übermittelt, welches mit der Bearbeitung des Hinweises befasst war.3557 Ob dort weitere Ermittlungen zu diesem Sachverhalt erfolgten, ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht. Der Untersuchungsausschuss konnte keine weiteren Hinweise darauf finden, dass M. W. Kontakt zu Mitgliedern des NSU oder zu Personen aus dessen Umfeld hatte. 3553 3554 3555 3556 3557 Vermerk des LKA NRW vom 12. Januar 2012, A13089 S. 81 (VS-nfD). Artikel „Bekenntnisse eines V-Manns“ auf stern.de vom 22. November 2011, A95285. Vernehmung des Wolfgang Frenz vom 22. August 2012, A13089 S. 128 f. (VS-nfD). Vernehmung des M. W. vom 28. August 2012, A13089 S. 132 ff. (VS-nfD). E-Mail des LKA NRW vom 28. August 2012, A13089 S. 135 (VS-nfD). 627 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3. Aufenthalt von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Dortmund a. Sachverhalt 2013 meldete sich V. A. und gab an, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Anfang April 2006 im Garten ihres Nachbargrundstücks in Dortmund gesehen zu haben. Neben den Dreien habe ein bulliger, stämmiger Mann gestanden, der wie ein Skinhead ausgesehen habe. Kurzzeitig sei auch eine fünfte Person, ein langer, schmaler Mann, anwesend gewesen. Diese Personen habe sie in der Dämmerung aus dem Fenster ihres Dachgeschosses gesehen. Zeitweise habe sie auch durch ein Fernglas geschaut. Die Frau habe zu ihr hochgeschaut und anschließend etwas zu den Männern gesagt, woraufhin alle ins Haus gegangen seien. Nachdem sie Bilder von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Fernsehen gesehen habe, sei sie sich sicher gewesen, dass es sich um die Personen handelt, die sie 2006 im Garten ihres Nachbargrundstücks gesehen hat. Ende März 2006 habe außerdem ein großes Wohnmobil bei ihr in der Straße gestanden. Um die Zufahrt für einen von ihr am 31. März 2006 erwarteten Möbelwagen freizubekommen, habe sie einen Zettel an das Wohnmobil gehängt mit der Bitte, dieses wegzufahren. Dies sei auch geschehen. Einige Tage später habe sie das Wohnmobil dann auf einem Parkplatz am Hauptfriedhof gesehen. Zwei bis vier Jahre zuvor sei ihr aufgefallen, dass auf dem Nachbargrundstück, teilweise auch nachts, schwere Grabungsarbeiten durchgeführt worden seien. Besonders auffällig sei gewesen, dass auch eine Folie verlegt und Erde darauf geschüttet worden sei. Eine Schaukel sei so nah an der Gartenbegrenzung aufgestellt worden, dass darauf kein Kind habe schaukeln können. Auch zu dieser Zeit seien schon ein oder mehrere Wohnwagen in der Umgebung geparkt worden. Zur Begründung, warum sie nicht schon 2011 von ihren Beobachtungen berichtet hat, gab sie an: „Als es zur Enttarnung des NSU gekommen ist, habe ich mein Wissen um die Wohnmobile, die Grabungen und Personen in Zusammenhang gebracht und bin über diesen erschrocken gewesen. Ich habe nachgedacht und mich gefragt, was ich jetzt machen soll. Ich habe für mich den Schluss gezogen, dass so gravierende Dinge mit dem Nachbarhaus der Polizei bzw. den Ermittlungsbehörden auch ohne meine Aussage bekannt werden würden. Im Dezember/Januar 2011/2012 wurde bekannt, dass in Dortmund weitere Ziele ausgespäht worden waren durch den NSU. Ich sagte mir, dass ich mein Wissen klar halten wolle, ohne darüber zu reden. Ich war mir sicher, es wird eines Tages in der Zeitung stehen, dass das Nachbarhaus durchsucht worden ist. Dann wäre für mich die Zeit gekommen, meine Beobachtungen beizusteuern.“3558 Außer mit ihrem Mann habe sie zuvor mit niemandem über ihre Beobachtungen gesprochen. Nur einem Bekannten habe sie erzählt, dass sie in ihrer Gegend viele Nazis „herumtreiben“ würden. Auf die Nachfrage „Wie erklären Sie sich dann, dass letzte Woche in der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht München ein Beweisantrag zu diesem Thema gestellt worden ist?“3559 3558 3559 628 Vernehmung der V. A. vom 23. Septmeber 2013, A62169 S. 27 ff. Vernehmung der V. A. vom 23. Septmeber 2013, A62169 S. 27 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gab sie an, dass sie sich zuvor nur auf die Jahre 2011 und 2012 bezogen habe. „Entscheidender Zeitpunkt für mich war, als ich von dem Briefwechsel von Frau Zschäpe mit einem Dortmunder aus der Presse erfahren hatte und die Verteidigung behauptet hatte, Frau Zschäpe hätte keine Verbindungen nach Dortmund. Das war für mich der Zeitpunkt, wo ich mir sagte, dass ich jetzt einen Ansatz finden müsste, um meine Beobachtungen einzubringen. Als ich von dem Briefwechsel gehört hatte, habe ich auch erfahren, dass Rechtsanwalt Bliwier im Prozess in München aufgetreten ist und beantragt hat, dass der Dortmunder geladen wird. Ich habe mir gedacht, dass die Nebenkläger-Anwälte auch dazugehören würden und habe mich am selben Tag per E-Mail an den Rechtsanwalt Bliwier gewandt, um dort mein Wissen abzugeben. Ich habe ihm per EMail mitgeteilt, dass ich Beobachtungen gemacht hätte.“ Auf Nachfrage, ob sie kein Vertrauen zur Polizei habe, gab sie an, dass sie im Zusammenhang mit der Entwicklung der rechten Szene in Dortmund seit 1996 verunsichert sei.3560 Ermittlungen zu möglichen Fahrzeuganmietungen Ende März und Anfang April 2006 durch Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe ergaben, dass vom 27. März bis zum 30. März 2006 bei der Autovermietung Zwickau auf den Namen Holger Gerlach ein schwarzer VW Passat und vom 03. April bis zum 07. April 2006 beim Caravanbetrieb Horn ebenfalls auf den Namen Holger Gerlach ein Wohnmobil der Marke Welcome 70 Chausson angemietet wurden.3561 Der Ehemann der Zeugin V. A., gab an, dass auch er Grabungsarbeiten und das Verwenden einer schwarzen Folie auf dem Nachbargrundstück beobachtet habe. Die Personen, die diese Arbeiten durchgeführt hätten, seien für ihn Sympathisanten der rechten Szene gewesen. Er habe das Gefühl gehabt, dass dort „etwas gelaufen“ sei. Darüber habe er auch zu diesem Zeitpunkt mit seiner Frau gesprochen. Im Frühjahr 2006 habe in der Nähe des Hauses eine Zeitlang ein Wohnmobil gestanden. Das Kennzeichen könne „PL“ gewesen sein. 2011 habe seine Frau ihm erzählt, dass sie auf den Fahndungsplakaten im Zusammenhang mit dem NSU die Personen wiedererkannt habe, die sie 2006 auf dem Nachbargrundstück gesehen habe. „Man muss sagen, dass meine Frau in solchen Sachen eine sehr genaue Beobachtungsgabe hat und es wäre das Letzte für sie, dass sie sich bei einer solchen Sache in den Vordergrund drängen wollte.“ Er selber habe diese Personen jedoch nicht gesehen und habe es seiner Frau überlassen, wie sie in dieser Sache weiter vorgehen wolle. „An einem Prozesstag kam eine Verlautbarung, dass es zu Dortmund keine Berührungspunkte gab, was meine Frau dann Unheimlich aufbrachte, weil sie das TRIO ja in Dortmund gesehen hatte. Es hieß im Prozess, dass mit diesem ROBJN SCH. die einzige Beziehung nach Dortmund bestand. Dann war es doppelt klar, dass man jetzt aktiv werden muss.“3562 3560 3561 3562 Vernehmung der V. A. vom 23. Septmeber 2013, A62169 S. 27 ff. Vermerk des BKA vom 25. September 2013, A62169 S. 6. Vernehmung des Ehemann der V. A. durch BKA vom 25. September 2013, A62169 S. 58 ff. 629 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 T. D., von 2001 bis 2010 Bewohner der Erdgeschosswohnung des Nachbarhauses 3563, erklärte auf Vorhalt der Aussage der V. A. und die Frage, um wen es sich bei den von dieser beschriebenen Personen handeln könnte: „Bei den von Ihnen genannten Personen könnte es sich sowohl um Verwandtschaft als auch um Bekanntschaft von mir gehandelt haben. Genau kann ich das aber nicht sagen. In das genannte Profil passen aber Verwandte und Bekannte von mir.“ Weiter gab er an, dass er selbst damals auch kurz geschorene Haare gehabt habe. Am 31. März 2006 habe er seine jetzige Ehefrau kennengelernt, welche dann ab April 2006 regelmäßig bei ihm zu Besuch gewesen sei. Nachdem diese einen Tag vor seiner Vernehmung von der Polizei kontaktiert worden sei, habe sie sich im Internet Bilder von Beate Zschäpe angeschaut und festgestellt, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit zu dieser habe. Etwa 2005 habe er in einer Ecke des Gartens einen Teich angelegt und dafür Erdreich abgetragen und Teichfolie ausgelegt. Außerdem habe er eine Schaukel aufgestellt, die seine Kinder auch genutzt hätten.3564 Meldedaten und mehrere Zeugenaussagen belegen, dass T. D.eine Zeitlang gemeinsam mit einer Frau und zwei Kindern in der Wohnung lebte.3565 Im weiteren gab T. D. an, dass er in der Gegend keine Wohnmobile wahrgenommen habe. Zu den Vornamen seiner Söhne, Odin und Thor, befragt, gab er an: „Ich habe einen Hang zum Germanischen und zu Ritterspielen. Ich besuche mit meinen Kindern auch solche Rittertreffen. Ich bin aber kein Angehöriger der rechten Szene und war auch nie Mitglied in einer entsprechenden Partei.“3566 N. K., der von 2003 bis 2010 im ersten Obergeschoss des Nachbarhauses wohnte, hatte nach eigenen Angaben ein gutes Verhältnis zu T. D.. Eine rechte Gesinnung sei ihm weder bei diesem noch bei anderen Personen aufgefallen.3567 Auch sein Bruder, I. K., der im zweiten Obergeschoss des Nachbarhauses gewohnt hat, gab an, dass T. D. kein Rechter gewesen sei, auch wenn er vielleicht so ausgesehen habe. Seine Ehefrau stellte ebenfalls keine Hinweise auf eine Zugehörigkeit zur rechten Szene fest.3568 Von den im Jahr 2013 befragten Anwohnern und Anwohnerinnen hat niemand Personen mit einer augenscheinlich rechten Gesinnung in der Gegend wahrgenommen.3569 b. Kritische Würdigung Es liegen keine weiteren Hinweise dafür vor, dass sich Mitglieder des NSU-Trios auf dem Grundstück in Dortmund aufgehalten haben. Für den Zeitraum Ende März wurde auch nach bisherigen Erkenntnissen kein Wohnmobil durch den NSU angemietet. Das von der Zeugin in diesem Zeitraum beobachtete Wohnmobil dürfte daher nicht in Verbindung mit dem NSU 3563 3564 3565 3566 3567 3568 3569 630 Vermerk des BKA vom 25. September 2013, A62169 S. 14. Vernehmung des T. D. vom 24. September .2013, A62169 S. 120 ff. Vermerk des BKA vom 25. Septmeber 2013, A62169 S. 13 ff. Vernehmung des T. D. vom 24. September 2013, A62169 S. 120 ff. Vernehmung der N.K vom 24. September 2013, A62169 S. 130 f. Vermerk des BKA vom 26. Mai 2013, A62169 S. 137 f. Vermerk des BKA vom 25. September 2013, A62169 S. 162. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 stehen. Die Angaben des T. D. zu den Arbeiten in seinem Garten sind plausibel und nachvollziehbar. Es konnten keine Hinweise gefunden werden, dass T. D. Kontakte zur Dortmunder Neonaziszene oder zu Mitgliedern bzw. Umfeld des NSU hatte. 4. Mögliche Teilnahme von Uwe Böhnhardt an Veranstaltungen der „Kameradschaft Aachener Land“ und der „Kameradschaft Sturm Rhein-Sieg“ a. Jahrestreffen der „Kameradschaft Aachener Land“ am 10. Januar 2009 in Hückelhoven Am 10. Januar 2009 fand in Hückelhoven das Jahrestreffen der „Kameradschaft Aachener Land“ statt. Anwesend waren unter anderem T. M. in Begleitung eines Gerry.3570 b. Siebengebirgsmarsch der „Kameradschaft Sturm Rhein-Sieg“ am 24. Januar 2009 Zwei Wochen später, am 24. Januar 2009, fand der alljährliche Siebengebirgsmarsch der „Kameradschaft Sturm Rhein-Sieg“ mit 23 Teilnehmern und Teilnehmerinnen statt. Beginn des Marsches war gegen 9:00 Uhr auf dem Wanderparkplatz in Königswinter-Margarethenhöhe, wo die Teilnehmenden fotografiert werden konnten.3571 Von dort ging es etwa 30 Kilometer durch das Siebengebirge. An dieser Veranstaltung nahmen ebenfalls unter anderem T. M. und ein Gerry teilgenommen.3572 c. Nutzung des Aliasnamen Gerry durch Uwe Böhnhardt Uwe Böhnhardt nannte sich in verschiedenen Zusammenhängen Gerry. Beispielsweise war er bei dem Onlinespiel „World of Warcraft“ unter diesem Namen aktiv und nannte sich so gegenüber Urlaubsbekanntschaften.3573 Außerdem hatte er E-Mail-Adressen mit Gerry als Bestandteil.3574 Auf einer im Brandschutt in Zwickau aufgefundenen Festplatte wurde eine Datei sichergestellt, die „gerri auf kamera.avi“ hieß. In dieser befand sich ein Bild eines mutmaßlichen Täters des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße. Vermutlich ist damit Uwe Böhnhardt gemeint.3575 d. Ermittlungen nach dem 04.11.2011 zu einer möglichen Teilnahme von Uwe Böhnhardt an diesen Veranstaltungen aa. Ermittlungen des Verfassungsschutzes NRW Die Vermerke des Verfassungsschutzes NRW zu den beiden oben genannten Veranstaltungen wurden im Rahmen der Aktenüberprüfung des Verfassungsschutzes NRW in Bezug auf den NSU aufgefunden. Am 22. Dezember 2011 wurden von der Leiterin des Verfassungsschutz NRW, der Zeugin Mathilde Koller, folgende Erklärungen an den GBA übermittelt: „Mir liegen dienstlich erlangte Erkenntnisse vor, dass am 10.01.2009 ein so genanntes ‚Jahrestreffen‘ der ‚Kameradschaft Aachener Land‘ stattfand, bei dem der Sohn des hier bekannten [C. M.], [T. M.], einen nicht näher identifizierten Begleiter ‚NNU., Gerry‘ mitbrachte. Zu dieser Person liegen keine weiteren Erkenntnisse vor. Es kann insoweit weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, dass es sich um den mit Aliasnamen ‚Gerry‘ auftretenden Uwe BÖHNHARDT handeln könnte.“3576 3570 3571 3572 3573 3574 3575 3576 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 13. Januar 2009, A14913 S. 128 ff. (VS-nfD). Vermerk des PP Bonn vom 28. Januar 2009, A13121 S. 213 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 28. Januar 2009, A14913 S. 136 ff. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 15. August 2012, A62136 S. 5 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 12. November 2012, A62129 S. 5, 7 (VS-nfD). Sachstandsbericht des BKA vom 25. September 2012, A60760 S. 112 (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 22. Dezember 2011, A14003 S. 9 f. 631 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Mir liegen dienstlich erlangte Erkenntnisse vor, dass ein ‚NNU., Gerry‘ - neben circa 30 anderen Teilnehmern - zusammen mit dem hier bekannten [T. M] am 24.01.2009 am so genannten ‚Siebengebirgsmarsch‘ der Kameradschaft ‚Sturm Rhein-Sieg‘ teilgenommen hat.“3577 Auf die Frage, ob der Verfassungsschutz NRW ermitteln konnte, um wen es sich bei „Gerry“ gehandelt habe, hat der Zeuge Dirk Weinspach angegeben: „Aus der Erinnerung heraus: Wir haben genau das auch so wahrgenommen wie Sie und intensiv überprüft und, ich meine, die auch Erkenntnisse an den GBA übermittelt. Wenn ich mich recht entsinne: Es sprach nach alledem alles dagegen, dass das einer aus dem Trio war, also Böhnhardt oder Mundlos. Und wir haben eine Erklärung, dass das ein Niederländer ist. Der Name ist mir jetzt nicht mehr geläufig. Aber abschließend haben wir es nicht klären können. Es sprach aber alles dagegen, dass das das Pseudonym war für Böhnhardt oder Mundlos und dass einer von den beiden dabei war. – Das haben wir versucht, abzuklären. Wer es denn jetzt letztendlich war, haben wir nicht zu 100 Prozent klären können. Eine war: ein niederländischer Rechtsextremist. Was auch ein bisschen ... [M.] hat den ja mitgebracht, und der, wie Sie wissen, hat ja enge Verbindungen in die Niederlande und zur rechtsextremistischen Szene dort. Also insofern war das die näherliegende Erklärung.“3578 Auf die Frage, ob die VP, über die der Verfassungsschutz Kenntnis von der Teilnahme des Gerry erlangt hatte, 2012 erneut dazu befragt worden sei, hat der Zeuge Dirk Weinspach ausgeführt: „Wenn ich jetzt wüsste, welche Quelle das ist. Das weiß ich nicht. Und dann wird es schwierig, ob ich das hier beantworten könnte. – Also, sagen wir mal so: Ganz allgemein kann ich sagen: Wenn wir das konnten ... Wir haben alle Quellen noch mal zu allen aufklärungsbedürftigen Sachverhalten befragt. […] Soweit verfügbar und möglich, muss ich natürlich jetzt einschränken.“3579 bb. Ermittlungen von BKA und LKA NRW Das BKA regte zweimal gegenüber dem LKA NRW an, T. M. zu dem Sachverhalt zu vernehmen. Aus den vorliegenden Akten geht nicht hervor, dass eine solche Vernehmung erfolgt ist. Am 22. März 2013 bat das BKA das LKA NRW um Abklärung, ob polizeiliche Erkenntnisse zu einer Teilnahme von André Kapke an dem Jahrestreffen der „Kameradschaft Aachener Land“ am 10. Januar 2009 in Borna/SN (sic!) und dem bundesweiten Führungstreffen der „Freien Kräfte“ am 27. Dezember 2008 in Borna vorliegen, da im Rahmen der Ermittlungen des BKA eine mögliche Teilnahme bekannt geworden wäre.3580 Mit Schreiben vom selben Tag wurde außerdem nach beim LKA NRW vorliegenden Erkenntnissen zu einer Teilnahme von André Eminger an dem Siebengebirgsmarsch 2009 gefragt.3581 3577 3578 3579 3580 3581 632 Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 22. Dezember 2011, A14003 S.11. Weinspach, APr 16/1340 S. 103 f. Weinspach, APr 16/1340 S. 104. Schreiben des BKA vom 22. März 2013, A13121 S. 205 f. (VS-nfD); Schreiben des BKA vom 22. März 2013, A13121 S. 255 f. (VS-nfD). Schreiben des BKA vom 22. März 2013, A13121 S. 205 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Das LKA NRW übersandte daraufhin einen Vermerk des PP Bonn zu dem Siebengebirgsmarsch sowie die Lichtbilder, die am Treffpunkt gemacht wurden, an das BKA mit dem Hinweis, dass es sich nach Ansicht des LKA NRW bei einer der abgebildeten Personen um André Kapke handeln könnte. Diese Person sei mit einem Fahrzeug angereist, dessen Halter eine Firma aus Meerbusch gewesen sei.3582 Der Inhaber dieser Firma gründete 2007 eine Militärkampfgruppe und führte mit dieser auf seinem Grundstück in Krefeld-Fischeln Übungen durch.3583 Der Frage, ob und inwiefern er Kontakte zu André Kapke hatte, wurde nicht weiter nachgegangen. Außerdem wurde dem BKA mitgeteilt, dass dem LKA NRW keine Erkenntnisse zu einem Jahrestreffen der „Kameradschaft Aachener Land“ am 10. Januar 2009 in Borna vorlägen. Das PP Aachen hatte zuvor dem LKA NRW gemeldet, dass dort keine Informationen zu einem Jahrestreffen der örtlichen Kameradschaft in Borna bekannt seien.3584 Aus den vorliegenden Akten Akten ergibt sich nicht, dass das LKA NRW oder das PP Aachen nach Hinweisen zu dem Jahrestreffen der „Kameradschaft Aachener Land“ am 10. Januar 2009 in Hückelhoven bei Aachen gesucht oder das BKA darüber informiert haben, dass ein entsprechendes Treffen in Hückelhoven und nicht in Borna stattgefunden hat. cc. Bewertung Der Ausschuss hält es nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass Uwe Böhnhardt unter dem Namen „Gerry“ an den Veranstaltungen teilgenommen hat. Zur weiteren Abklärung dieser Frage hätten jedoch weitere Ermittlungen und Vernehmungen von Teilnehmern und Teilnehmerinnen durch das LKA NRW erfolgen müssen. 5. Treffen in Erftstadt 2009 a. Jahresabschlussfeier Am 6. November 2009 fand in Gymnich bei Erftstadt die Jahresabschlussfeier der Kölner „Kameradschaft Walter Spangenberg“ statt. Eine VP des Verfassungsschutzes NRW berichtete, dass an der Veranstaltung etwa 120 Personen teilgenommen hätten, darunter auch Personen aus Aachen, Düren, Erftkreis, Leverkusen, Düsseldorf, Dortmund, Unna, Wuppertal, Rhein-Sieg, Koblenz und aus Belgien. Johann Helfer habe die Veranstaltung eröffnet, bevor Axel Reitz einen Jahresrückblick gegeben habe. Anschließend hätten noch weitere Personen gesprochen. Nachdem gemeinsam das Deutschlandlied und das Lied „Einst kommt der Tag der Rache“ gesungen worden sei, habe es noch einen ruhigen inoffiziellen Teil gegeben.3585 Dieser Bericht wurde erst gut zwei Jahre nach der Veranstaltung erstellt. Ihm lagen zehn Bilder von der Veranstaltung bei.3586 Eine weitere VP hatte bereits 2009 von dem Treffen berichtet. Dabei schilderte sie im Wesentlichen den oben dargestellten Sachverhalt. Zusätzlich gab sie an, dass der Eintritt fünf Euro betragen habe und alle Teilnehmenden aufgefordert worden seien, ihre Handys auszuschalten.3587 3582 3583 3584 3585 3586 3587 Schreiben des LKA NRW vom 9. April 2013, A13121 S. 209 (VS-nfD); E-Mail des LKA NRW vom 09. April 2013, A13121 S. 223 (VS-nfD). Interne E-Mail des Verfassungsschutzes NRW vom 12. September 2007, A12286 S. 5 f. (VSnfD). Schreiben des PP Aachen vom 27. März 2013, A13121 S. 258 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 21. November 2011, A13947 S. 38 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 21. November 2011, A13947 S. 38 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 20. November 2009, A14913 S. 490 (VS-nfD). 633 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 b. Bericht in der Sendung „WESTPOL“ des WDR Am 20. November 2011 berichtete der WDR in der Sendung „Westpol“ in einem Beitrag mit dem Titel „Brauner Terror auch in NRW“ über das Treffen in Erftstadt. In diesem Bericht erzählte ein Teilnehmer der Veranstaltung, dass Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt dort gewesen seien.3588 Dieser Teilnehmer, einen Aussteiger der „Kameradschaft Aachener Land“3589, gab an: „Die sind mir aufgefallen, weil die zuerst wohl Probleme hatten, da rein zu kommen. Weil die von den Ordnungskräften, die vor Ort waren nicht erkannt worden sind, weil die da keiner kannte. Der Herr REITZ hat die dann persönlich reingeholt. Deshalb sind die mir so gut in Erinnerung geblieben. Der Herr REITZ kannte die definitiv.“3590 Axel Reitz kam in der Sendung ebenfalls zu Wort und äußerte, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe ihm nicht bekannt seien. Außerdem wurde ein Foto der Veranstaltung gezeigt, verbunden mit dem Hinweis, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hinten rechts im Saal gesessen hätten. Im weiteren Verlauf der Sendung äußerte sich der Innenminister NRW zu Verbindungen zwischen Rechtsextremisten aus NRW und Mitgliedern des NSU: „Nein, es gibt aus unserem Kenntnisstand heute keinerlei Verbindungen zwischen Rechtsextremisten aus Nordrhein-Westfalen und dieser NSU-Zelle in Thüringen beziehungsweise Sachsen. Das ist uns nicht bekannt, dass ist übrigens auch anderen Verfassungsschutzbehörden der anderen Länder nicht bekannt.“3591 Im Anschluss daran wurde ein Foto von Axel Reitz und Thomas Gerlach aus dem Jahr 2006 gezeigt und darauf hingewiesen, dass Axel Reitz zu Thomas Gerlach und auch zu Ralf Wohlleben und André Kapke Kontakte habe.3592 c. Maßnahmen des Verfassungsschutzes aa. Verfassungsschutz NRW Die Zeugin Mathilde Koller hat angegeben, dass nach dem Bericht in der Sendung „Westpol“ eine VP des Verfassunggschutzes NRW, die an der Veranstaltung teilgenommen hatte, befragt worden sei. Diese VP habe bestritten, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe anwesend gewesen seien. Auf die Frage, ob nochmal überprüft worden sei, ob Axel Reitz Kontakte nach Thüringen gehabt habe, oder ob dies aufgrund der Angaben der VP nicht erfolgt sei, hat sie geantwortet: „Im Nachklapp sind noch mal die Akten natürlich durchschaut worden, ob es Verbindungen gibt. Und es war klar, dass Axel Reitz auch Verbindungen nach Thüringen hat und auch dort an Treffen teilgenommen hat.“ Deshalb habe sie es auch gar nicht für unwahrscheinlich gehalten, dass die drei bei der Veranstaltung gewesen seien, habe jedoch keinen Beleg dafür gefunden. 3588 3589 3590 3591 3592 634 Vermerk des LKA NRW vom 21. November 2011, A13056 S. 181 (VS-nfD). E-Mail des W. M. an Pressestelle des PP Köln vom 5. Dezember 2011, A13282 S. 389. Vermerk des LKA NRW vom 21. November 2011, A13056 S. 182 f. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 21. November 2011, A13056 S. 182 f. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 21. November 2011, A13056 S. 182 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Es habe noch andere Quellen in der Neonaziszene gegeben und sie gehe davon aus, dass alle zu diesem Sachverhalt befragt worden seien. Weiter hat sie angegeben: „Das war im Zeitfenster, in dem ich eben noch im Urlaub war. Ich weiß nicht, diese Sendung ‚WESTPOL‘, die war irgendwann – 21., und ich bin erst Ende des Monats zurückgekommen, bin aber informiert worden, als ich zurückgekommen bin, dass man diese Sache genau geprüft hat und dass das Ergebnis eben ist, dass die Leute nicht da waren.“3593 Auch der Zeuge Dirk Weinspach hat dargestellt, was der Verfassungsschutz NRW unternommen hat, um zu verifizieren, ob Mitglieder des NSU bei der Veranstaltung anwesend waren. Nach seiner Darstellung seien sämtliche Erkenntnisquellen und Möglichkeiten genutzt worden, die der Verfassungsschutz gehabt habe. Unter anderem sei versucht worden, Fotos der Veranstaltung aufzubereiten. Letztendlich sei man jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Hinweisgeber aus dem Fernsehbeitrag ein „Wichtigtuer“ war.3594 Der Zeuge Burkhard Freier hat angegeben, dass die Ähnlichkeit zwischen Johann Helfer und dem Phantombild, das den Täter des Anschlages in der Probsteigasse zeigt, im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu der Veranstaltung in Erftstadt keine Rolle gespielt habe. Diese Veranstaltung sei im November 2011 ein Thema gewesen, dass Phantombild hingegen sei dem Verfassungsschutz NRW erst im darauffolgenden Januar / Februar bekannt geworden.3595 Zu einer möglichen Observation des Treffens hieß es in einem Vermerk des LKA NRW: „Laut Hr. H.[…], LfV NRW; Treffen beobachtet, keine Feststellungen getroffen bezüglich einer Anwesenheit der Personen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt.“3596 Unterlagen zu einer Observation der Veranstaltung durch den Verfassungsschutz NRW oder andere Behörden lagen dem Ausschuss nicht vor. Der Zeuge Uwe Reichel-Offermann, der beim Verfassungsschutz NRW für Observationen zuständig war, hat angegeben, dass er sich nicht mehr daran erinnern kann, ob dieses Treffen observiert worden ist.3597 bb. Schreiben des BfV an den Verfassungsschutz NRW Das BfV schlug am 11. Januar 2012 vir, dass der Wirt der Gaststätte oder die Servicekräfte dazu befragt werden sollten, ob sie sich an eine Teilnahme von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe an der Veranstaltung erinnern können. Dabei sei die Vorlage von Lichtbildern sinnvoll.3598 In einem Schreiben an den Verfassungsschutz NRW wurden diese möglichen Ermittlungen nicht erwähnt. Das BfV wies den Verfassungsschutz NRW jedoch auf einen Bericht auf der Internetseite der „Antifa Köln“ vom 30. November 2011 hin, in welchem die engen Verbindungen von Axel Reitz zu Ralf Wohlleben und Thomas Gerlach dargestellt wurden. Weiter hieß es in diesem Bericht, dass nach Informationen der „Antifa Köln“ der Neonazi S. Z. die Veranstaltung in Erftstadt fotografiert habe. Bei diesem sei 2009 eine Hausdurchsuchung erfolgt. Es wird die Frage aufgeworfen, ob die Fotos von der Veranstaltung dabei sichergestellt 3593 3594 3595 3596 3597 3598 Koller, APr 16/234 S. 12 f., 32 f. Weinspach, APr 16/1340 S. 96. Freier, APr 16/1349 S. 61. Undatierter Vermerk des Verfassungsschutzes NRW, A12759 S. 214 (VS-nfD). Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 87. Vermerk des BfV vom 11. Januar 2012, A72484 S. 6. (VS-nfD). 635 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und anschließend ausgewertet worden seien. Außerdem habe S. D., ein Betreiber des Medienprojekts „medinest-west“ die Veranstaltung gefilmt. Weiter hieß es in dem Schreiben des BfV an den Verfassungsschutz NRW: „Können andere Teilnehmer die Beobachtung des im WDR ‚Westpol‘-Beitrag gezeigten Augenzeugen bestätigen? Dabei sollte ganz konkret auf die angebliche Rolle REITZ abgestellt werden, der das ‚Trio‘ persönlich an der Tür abgeholt und in den Saal begleitet haben soll. […] Außerdem ist von Interesse, ob tatsächlich eine Hausdurchsuchung bei [Z.] erfolgt und entsprechendes Bildmaterial sichergestellt worden ist und ob ggf. von [D.] oder anderweitig erstelltes Material vorliegt bzw. beschaffbar ist. […] Seitens der LoS BfV wurde bereits an die BAO des BKA mit Fragen zum Ergebnis der Hausdurchsuchung bei [S.] [Z.] herangetreten. Bei Vorliegen von Informationen aus dem BAO-Bereich werden diese unmittelbar an Sie weiter gegeben. Bitte teilen sie uns ihre Ergebnisse schriftlich [...] mit.“3599 Aus den vorliegenden Akten geht nicht hervor, dass durch das BKA bzw. das LKA NRW ermittelt wurde, ob Bildmaterial von S. Z. und S. D. existiert und was darauf zu sehen ist. Ein Antwortschreiben des Verfassungsschutzes NRW an das BfV befindet sich ebenfalls nicht in den Akten. Auch findet sich in den Akten kein Hinweis darauf, dass der Verfassungsschutz NRW das LKA NRW über die Erkenntnisse und Vorschläge des BfV informierte. Die Zeugin Mathilde Koller hat auf die Frage, ob sie etwas zu bei S. Z. aufgefundenem Bildmaterial wisse, geantwortet: „Das weiß ich nicht. Das wäre jetzt auch Polizeisache. Also, Verfassungsschutz macht keine Durchsuchung. Aber wir könnten vom Ergebnis informiert worden gewesen sein. Das weiß ich nicht. Ich kann abschließend zu dem Thema sagen: Ich habe da sehr intensiv nachgehakt, aber mir ist zu dem Komplex gesagt worden: Man kann davon ausgehen, dass die nicht da waren, aus dem Fachbereich.“3600 d. Bericht vom 21. November 2011 Wie oben bereits dargestellt, datiert einer der beiden Berichte des Verfassungsschutz NRW zu dieser Veranstaltung vom 21. November 2011 und wurde somit nach Bekanntwerden des NSU und nach Ausstrahlung des Beitrags im WDR zu dieser Veranstaltung erstellt. Auf dem Bericht steht, dass der Leiter des Referats 625 die verspätete Vorlage mündlich begründete. Der Zeuge Burkhard Schnieder hat versucht, die Erstellung des Berichts erst gut zwei Jahre nach der Veranstaltung wie folgt zu erklären: „Eine richtig plausible Erklärung kann ich Ihnen nicht liefern. Es ist damals nachgefragt worden: Was ist denn mit dem Deckblattbericht zu dieser Veranstaltung? – Es konnte zunächst offensichtlich kein Deckblattbericht aufgefunden werden. Der Leiter der Beschaffung, der für den Bereich verantwortlich war, sah sich dann auch veranlasst, das zu erklären. Es wurde dann versucht, im Nachhinein einen Deckblattbericht auf den Weg zu bringen, der diese Veranstaltung dann beschreibt. Aber das ist in keiner Form irgendwie .... Man hat damals offensichtlich die Veranstaltung nicht für wichtig angesehen. Erst im Nachhinein kam ihr Wichtigkeit zu. Dann hat man 3599 3600 636 Schreiben des BfV vom 16. Januar 2012, A72485 S. 3 f. (VS-nfD). Koller, nöAPr 16/234 S. 13. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 versucht, das in irgendeiner Form aufzuklären, konnte aber keine Erklärung dafür liefern, warum damals zu dieser Veranstaltung kein Bericht zeitnah gemacht wurde. Daraus irgendetwas zu schließen, ist aus meiner Sicht nicht opportun – auch nicht, was den Leumund der Quelle angeht. Das war erst einmal ein stinknormales Treffen. Im Nachhinein bekam dieser Vorgang aufgrund einer angeblichen Information einer Person, die da Personen des Trios gesehen haben will, plötzlich eine ganz andere Relevanz. Man hat versucht, das im Nachhinein aufzuklären. Aber man konnte nie in irgendeiner Form vermitteln, warum es damals keinen Deckblattbericht gegeben hat. Da muss ich Ihnen eine vernünftige Antwort schuldig bleiben.“3601 Der Zeuge Dirk Weinspach hat dazu angegeben: „Ich könnte in allgemeiner Form antworten. Ich könnte sagen: Wir haben auch im Nachhinein ... Das ist ja immer ... auch wenn man neue Erkenntnisse hat, findet noch mal eine Überprüfung der Erkenntnisquellen statt. Und insofern gibt es für einen bestimmten Vorgang möglicherweise in zeitlichen Abständen mehrere Fortschreibungen einer Erkenntnis. – Das war jetzt ein bisschen verklausuliert.“3602 Zu den zehn Fotos, die dem Deckblattbericht beilagen, hat der Zeuge Burkhard Freier ausgeführt: „Gleichwohl haben wir die damalige Quelle befragt zu dieser ‚WESTPOL‘-Sendung, weil wir nämlich die Fotos ... Also, wir haben versucht, an die Fotos heranzukommen, um das zu erkennen. Denn das, was wir in ‚WESTPOL‘ gesehen haben, da konnte man, ehrlich gesagt, nicht viel drauf erkennen, also auch wir nicht. Also, da waren ganz viele ... Irgendwie sahen die alle gleich aus: glatzköpfig und irgendwo ein Tattoo – also, wir konnten das in sich nicht unterscheiden. Dann haben wir versucht, von dieser Veranstaltung im Jahr 2009 noch mal an die Fotos heranzukommen, und dazu sind wir dann an unsere Quelle herangegangen und haben gesagt: Gibt es da noch Fotos zu? – Hatte auch welche und dann haben wir die vergrößert. Und diese vergrößerten Fotos, die haben wir dann auch dem GBA gegeben, sodass ... Wir haben damals niemanden darauf gefunden, aber das heißt nichts. Da haben wir gesagt: ‚Das ist ja eine Ermittlung der Generalbundesanwaltschaft‘, und dann haben wir das so weitergegeben.“3603 Der Zeuge Johann Helfer hat auf die Frage, ob an dem Treffen der „Kameradschaft Köln“ in Erfstadt am 6. November 2009 Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos teilgenommen haben, geantwortet, dass er die drei nicht gesehen habe. Nachdem der WDR nach der Selbstentarnung des NSU in einem Beitrag über das Treffen in Erfstadt berichtet hatte und Vermutungen laut geworden seien, dass das Trio an dem Treffen teilgenommen habe, sei er von Axel Reitz angesprochen worden, der vehement eine Teilnahme des Trios ausgeschlossen habe. Weiter hat er erklärte, dass er bereits unmittelbar nach der Veranstaltung seinem VP-Führer hierüber berichtet und diesem auch die Lichtbilder von der Veranstaltung gegeben habe. Nach der Ausstrahlung der Sendung sei festgestellt worden, dass von ihm kein Bericht im Aktenbestand auffindbar gewesen sei. Darauf sei der neue Bericht aus dem Jahr 2011 erstellt worden. Er habe zudem erneut die Fotos übergeben.3604 3601 3602 3603 3604 Schnieder, nöAPr 16/160 S. 15. Weinspach, APr 16/1340 S. 96. Freier, APr 16/1349 S. 61 f. Helfer, geh. 16/1 S. 26 (herabgestuft). 637 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 e. Polizeiliche Ermittlungen zu diesem Treffen aa. Maßnahmen des LKA NRW Aufgrund des Berichts im WDR ermittelte das LKA NRW zu dieser Veranstaltung, die dort zuvor nicht bekannt war.3605 In einem ersten Vermerk dazu hieß es: „Axel REITZ ist bundesweit bekannt und verfügt über eine Vielzahl von Kontakten. Seine Ausführungen im Interview, dass er am Rande von Veranstaltungen mit ‚hunderten von Leuten‘ spricht, können durchaus als zutreffend bezeichnet werden. In diesem Kontext überrascht auch nicht, dass REITZ Kontakte zu Führungsfunktionären anderer Bundesländer hat bzw. mit diesen im Austausch ist. Dazu passt auch, dass er zusammen mit Thomas Gerlach auf einem Bild zu sehen ist. Bei diesem handelt es sich um einen führenden Aktivisten der Thüringer Kameradschaftsszene. […] Ob die Terroristen tatsächlich in der Gaststätte waren lässt sich aus den bislang zur Verfügung stehenden Informationen nicht ableiten. Dies ist aber insbesondere für das beim BKA zu führende Ermittlungsverfahren nach § 129a StGB von Bedeutung. Darüber hinaus wäre zu klären, warum die Terroristen bei dieser Veranstaltung anwesend waren und inwieweit REITZ mit diesen bekannt ist und vor allem, welche Kenntnis er über deren Aktivitäten hat. Seine im Beitrag ‚Westpol‘ getätigten Einlassungen können auch Schutzbehauptungen sein. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass in dem Internetartikel des ‚Infoportal Nationaler Sozialisten‘ ausgeführt wird, man habe ‚zu einer internen Veranstaltung geladen‘. Hier ist zu klären, ob eine Gästeliste mit Namen zu der Veranstaltung existiert. Der Sachverhalt bietet aufgrund der bereits jetzt namentlich bekannten Personen, die an der Veranstaltung anwesend waren, eine Vielzahl von Ermittlungsansätzen. Es wird angeregt diesen Komplex zeitnah als Spur anzulegen und an den EA Ermittlungen der BAO Trio zu übersenden.“3606 Das LKA NRW führte eine Internetrecherche durch und stieß dabei auf einen Bericht mit dem Titel „Kampfversammlung der Freien Kräfte Köln zum Jahresabschluß“, in welchem über die Veranstaltung berichtet wird. Dieser wurde am 19. November 2009 im Internet-Blog „Freies Netz Köln“ zusammen mit Bildern des Treffens eingestellt.3607 Darunter ist auch das in dem Fernsehbeitrag verwendete Bild.3608 Auch eine Veröffentlichung von R. L., in welcher dieser ebenfalls über den Ablauf der Veranstaltung berichtete und die gute Organisation lobte, wurde aufgefunden.3609 Das LKA NRW versuchte mit Hilfe verschiedener Programme die Qualität der Bilder, die den hinteren rechten Bereich des Saals zeigen, zu verbessern, um darauf Gesichter erkennen zu können, was jedoch nicht gelang. Somit konnte auf Grund der Bilder keine Aussage über eine mögliche Anwesenheit von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe getroffen werden.3610 Auf entsprechende Nachfrage des LKA NRW teilte das PP Köln mit, dass die Veranstaltung dort im Vorfeld nicht bekannt gewesen und erst durch Berichte in lokalen Medien und im Internet zur Kenntnis gelangt sei. Wie viele Personen teilgenommen hatten und welche Redner 3605 3606 3607 3608 3609 3610 638 Vermerk des LKA NRW vom 21. November 2011, A13056 S. 185 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 21. November 2011, A13056 S. 184 ff. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 21. November 2011, A13056 S. 192 f. (VS-nfD). Ausdruck eines Internetbeitrags, A13056 S. 195 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 24. November 2011, A13056 S. 192 f. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 24. November 2011, A13056 S. 213 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 aufgetreten sind, war dem PP Köln auch 2011 nicht bekannt. Polizeiliche Maßnahmen wurden vor, während oder nach der Veranstaltung nicht getroffen.3611 Auch das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Erftstadt wusste im Vorfeld nichts von der Veranstaltung. Diese war dort erst durch eine Anfrage eines Stadtverordneten vom 16. November 2009 bekannt geworden.3612 bb. Einschätzung des BKA Am 27. Februar 2013 teilte das BKA dem LKA NRW mit, dass sich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe am Tag der Jahresabschlussfeier in Zwickau aufgehalten hatten und führten aus: „Den Nachweis erbringt ein Barzahlungsbeleg aus dem Elektronikgeschäft Saturn in Zwickau, wonach dort am 06.11.2009 um 15:02 Uhr u.a. ein LCD-TV gekauft wurde. Der Beleg wurde in der Wohnung Frühlingstraße unter der Nummer 2.1.6.6. asserviert. Es ist davon auszugehen, dass zumindest eines der NSU-Mitglieder den Kauf getätigt hat, wonach die Anwesenheit der NSU-Mitglieder auf der Jahresabschlussversammlung der FNE am 06.11.2009 unwahrscheinlich ist. Zwischen Zwickau und Erftstadt besteht eine Entfernung von grob 510 km, so dass eine Anreise nach Erftstadt zumindest 5 Stunden in Anspruch genommen hätte.“3613 Die Spur war für das BKA damit ausermittelt.3614 cc. Vernehmung von Teilnehmenden (1) Axel Reitz Am 29. November 2011 vernahm das LKA NRW Axel Reitz bei ihm zu Hause zu der Veranstaltung. Er gab an, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe nicht zu kennen und dass es ihn wundern würde, wenn diese auf der Veranstaltung gewesen wären, da es sich um eine regionale Veranstaltung gehandelt habe. Es habe an dem Abend auch keinen Ordnungsdienst gegeben und er habe keine Person gesprochen, um ihr Einlass zu gewähren. Er bestätigte, dass er Thomas Gerlach kenne und bestritt weitere Kontakte nach Thüringen und Sachsen. Auf entsprechende Nachfrage gab er an, nicht gewusst zu haben, wer für den Nagelbombenanschlag in Köln verantwortlich war und die Abkürzung NSU vor November 2011 nicht gehört zu haben, diese sei auch szeneintern nicht gefallen.3615 Axel Reitz hatte noch Bilder von der Veranstaltung auf seinem PC. Drei dieser Bilder kopierte er auf einen USB-Stick und gab sie den Vernehmungspersonen. Auf zwei der Bilder ist ausweislich des Vernehmungsprotokolls der komplette Veranstaltungssaal zu sehen, auf dem Dritten die hintere rechte Reihe.3616 Das LKA NRW schloss definitiv aus, dass auf diesen Bildern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zu sehen waren.3617 Anfang Dezember 2011 wurde der USB-Stick durch das PP Köln an Axel Reitz zurückgegeben.3618 Im März 2013 teilte das PP Köln dem LKA NRW mit, dass dieser USB-Stick beim PP 3611 3612 3613 3614 3615 3616 3617 3618 Bericht des PP Köln vom 22. November 2011, A13056 S. 214. Vermerk des LKA NRW vom 29. November 2011, A13056 S. 285 (VS-nfD); Anfrage eines Stadtverordneten vom 16. November 2009, A13056 S. 287. Vermerk des LKA NRW vom 27.02.2013, A13056 S. 322 (VS-nfD). E-Mail des PP Bonn vom 27. Februar 2013, A13056 S. 323 (VS-nfD). Vernehmung des Axel Reitz vom 29. November 2011, A13056 S. 279 ff. (VS-nfD). Vernehmung des Axel Reitz vom 29. November 2011, A13056 S. 279 ff. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 29. November 2011, A13056 S. 286 (VS-nfD). Übergabevermerk des PP Köln vom 7. Dezember 2011, A13282 S. 436. 639 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Köln nicht mehr vorhanden und sein Verbleib unklar sei. Möglicherweise befinde er sich beim BKA.3619 (2) Johann Helfer Johann Helfer wurde nicht zu dieser Veranstaltung vernommen. Der Leiter der BAO Trio des BKA, der Zeuge Otmar Soukup, hat dazu angegeben, dass er nicht wisse, warum Johann Helfer nicht vernommen worden und dass er nicht in diese Entscheidung eingebunden gewesen sei. Diese sei im Zentralen Einsatzabschnitt getroffen worden.3620 Der Zeuge Michael Schweikert war als Teamleiter innerhalb der BAO Trio des BKA im Zentralen Einsatzabschnitt, Unterabschnitt Ermittlungen tätig und zuständig für die Bombenanschläge in Köln.3621 In diesem Team wurde auch die Spur „Helfer“ im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse bearbeitet. Er hat angegeben, dass ihm die Veranstaltung in Erftstadt nicht bekannt sei. Da es bei dieser Sache um eine mögliche Beteiligung von Mitgliedern des NSU gegangen sei, sei diese Spur bei dem Team bearbeitet worden, welches für die Personen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zuständig gewesen sei.3622 Die Zeugin Anette Greger hat ausgesagt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bei der Veranstaltung gewesen seien. Auf die Frage, ob dazu nicht auch Johann Helfer hätte befragt werden können, hat sie geantwortet: „Ich sehe keinen Sinn in dieser Frage. Wir haben keine Anhaltspunkte, dass die drei vor Ort waren. Wir haben sogar in den Asservaten eine Quittung über einen Kauf an diesem Tag, an dem die Veranstaltung in Gymnich stattgefunden hat, ich meine, im Raum Zwickau. Es gibt für uns keine Anhaltspunkte, dass die drei an dieser Veranstaltung teilgenommen haben. Wir haben ja im Laufe der Ermittlungen Hunderte solcher Hinweise, wo die drei bei Veranstaltungen, bei rechten Veranstaltungen, aufgetreten sein sollen. Wir haben diese Hinweise auch immer versucht zu verifizieren, weil das für uns natürlich ein ganz wichtiger Aspekt ist: Hatten die drei Kontakte in die rechte Szene Nordrhein-Westfalen? In Kassel gab es zum Beispiel auch Hinweisgeber, die drei wären in Kassel gesehen worden in der rechten Szene. Wir haben diese Hinweise überprüft und versucht zu verifizieren. Wir konnten aber solche derartigen Hinweise nicht verifizieren. Es gab keine Anhaltspunkte, dass die drei in der rechten Szene aufgetreten sind, weder in Nordrhein-Westfalen noch in Kassel, noch in Kiel, noch im Raum Bayern. Ich will damit nicht sagen, dass das für uns keine wertigen Hinweise sind. Aber wir versuchen, die zu verifizieren oder auch entsprechend dann aufzuklären. Und diese Gymnich-Aussage, die drei wären bei dieser Veranstaltung gewesen ... Es war wohl eine Veranstaltung regional. Die Aussage in der ‚WESTPOL‘-Sendung, man könne die drei auf einem Foto erkennen, oder es gäbe Fotomaterial, hat sich so nicht verifizieren lassen. Darum machte es für uns auch keinen Sinn, die Teilnehmer noch dazu zu befragen; auch nicht, wenn Johann Helfer anwesend war. Johann Helfer hat für uns – ich kann das nur noch mal wiederholen – keine Bedeutung.“3623 3619 3620 3621 3622 3623 640 Vermerk des LKA NRW vom 1. März 2013, A13056 S. 439 (VS-nfD). Soukup, APr 16/1347 S. 44 f. Schweikert, APr 16/1088 S. 33 f. Schweikert, APr 16/1088 S. 84. Greger, APr 16/1353 S. 64 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Johann Helfer habe als Beschuldigter keine Rolle gespielt und auch nicht als Zeuge, da es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass er Kontakte zu den relevanten Personen gehabt habe.3624 (3) Informant des WDR Das LKA unternahm keinen Versuch, den Informanten aus dem Fernsehbeitrag zu vernehmen. Zu der Frage, ob es eine Kontaktmöglichkeit zur Redaktion der Sendung „Westpol“ gegeben habe, teilte die Pressestelle des LKA NRW mit, „[…] dass die Redaktion Westpol mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Personalien des Informanten nicht preisgeben wird und polizeiliches Interesse in hiesiger Sache sofort zur eigenen Informationsgewinnung und Verwertung nutzen wird.“ Aus diesem Grund verzichtete das LKA NRW auf ein Herantreten an die Redaktion.3625 (4) Weitere Teilnehmende Zur möglichen Vernehmung von weiteren Personen, die an dem Treffen teilgenommen haben, vermerkte das LKA am 29. November 2011, dass es sich bei den Angaben des Informanten aus dem Fernsehbeitrag um Falschinformationen handeln dürfe. Daher seien weitere Ermittlungen wie beispielsweise die Vernehmung weiterer Teilnehmender der Veranstaltung nicht mehr relevant.3626 dd. Hinweise auf weitere Augenzeugen und Augenzeuginnen (1) K. K. und M. S. Im Februar 2013 meldete sich ein Journalist beim PP Bonn und teilte mit, dass er sich gerne mit K. K oder M. S. unterhalten wolle und bat um Mitteilung, wer von den beiden „leichter ansprechbar“ sei. Die beiden seien befreundet und führende Mitglieder der „Freien Nationalisten Euskirchen“. K. K habe bei der Jahresabschlussfeier in Erftstadt neben Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos gesessen, nachdem diese gemeinsam mit Beate Zschäpe von Axel Reitz eingelassen worden seien. Seitens des PP Bonn erhielt der Journalist keine Auskünfte.3627 K. K und M. S. waren beim PP Bonn als Mitglieder der „Freien Nationalisten Euskirchen“ bekannt. Das PP Bonn bat das LKA NRW mit Schreiben vom 13. Februar 2013, den Sachverhalt an die BAO Trio des BKA weiterzugeben und ersuchte zugleich um weitere Informationen zu diesem Treffen. In dem Schreiben hieß es: „Eine personelle Beteiligung an dem genannten Jahresabschlusstreffen von Personen, die dem hiesigen rechten Extremistenspektrum zuzurechnen sind, war hier bislang nicht bekannt. Insofern bitte ich auch diesbezüglich um entsprechende Auskunft, insbesondere zu der Frage, um wen es sich konkret gehandelt hat und ob diese Personen zum Ermittlungskomplex ‚NSU‘ befragt worden sind. Sollten sich in diesem Zusammenhang Verbindungen der hiesigen rechten Szene zum Umfeld des NSU bestätigen lassen, wäre dies für künftige Ermittlungen und Lageeinschätzungen von erheblicher Bedeutung.“3628 Das LKA NRW teilte dem PP Bonn daraufhin mit, dass der Sachverhalt bereits bearbeitet worden sei und ein Aufenthalt von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei der 3624 3625 3626 3627 3628 Greger, APr 16/1353 S. 64 f. Vermerk des LKA NRW vom 29. November 2011, A13056 S. 285 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 29. November 2011, A13056 S. 286 (VS-nfD). Schreiben des PP Bonn vom 13. Februar 2013, A13056 S. 316 (VS-nfD). Schreiben des PP Bonn vom 13. Febraur 2013, A13056 S. 316 f. (VS-nfD). 641 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Veranstaltung nicht habe nachgewiesen werden können und auch von Axel Reitz im Rahmen seiner Vernehmung abgestritten worden sei.3629 Außerdem bat es das PP Bonn darum, K. K. und M. S. zu vernehmen, die dem LKA NRW nicht bekannt waren.3630 Am 27. Febraur 2013 wandte sich das PP Bonn erneut an das LKA NRW und teilte mit, dass beim PP Bonn trotz entsprechender Nachfrage noch nicht bekannt sei, wer an der Veranstaltung in Gymnich teilgenommen hat. Die Aussagen von Axel Reitz zu dieser Veranstaltung schätzte das PP Bonn darin wie folgt ein: „Zwar dürfte grundsätzlich der Wahrheitsgehalt einer Aussage eines deutschlandweit führenden Rechtsextremisten im Zusammenhang mit dem NSU- Strafverfahren fraglich sein; die Angaben des Axel REITZ werden aber durch die bereitwillige Herausgabe vorhandenen Fotomaterials scheinbar gestützt. Da zwischen der Versammlung und der Herausgabe jedoch rund drei Jahre liegen, ist andererseits eine ‚vorlagegerechte‘ Aufbereitung zumindest nicht auszuschließen.“ 3631 Weiter stellte das PP Bonn dar, dass dort nicht bekannt sei, ob weitere Vernehmungen stattgefunden hätten, ob von staatlichen Stellen gefertigte Bilder der Veranstaltung vorlägen und ob überprüft worden sei, wer am 6. November 2009 tatsächlich den LCD-TV gekauft hatte. Es stellte jedoch fest: „Gleichwohl schwenkte der Duktus in der schriftlichen Kommunikation von ‚Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Teilnahme des Trios an der Veranstaltung‘ hin zu ‚Es ist nicht auszuschließen, dass das Trio in Erftstadt war‘. Die offensichtlich entstandene Verunsicherung mündete in dem Auftrag an den Polizeilichen Staatsschutz Bonn vom 27.02.2013, die durch den Redakteur […] benannten Veranstaltungsteilnehmer [K] und [S] zu vernehmen.“ Das PP Bonn schlug vor, zunächst zu klären, wer an der Veranstaltung teilgenommen hatte und stellte fest, dass Axel Reitz weder nach der Anzahl der Teilnehmenden noch nach deren Namen befragt worden war. Insoweit hieß es in dem Schreiben: „Sodann sollte geklärt werden, welche dieser Personen zeugenschaftlich zu vernehmen sind. Eine Priorisierung könnte ggf. anhand ihrer hierarchischen Position innerhalb der rechtsextremen Szene festgelegt werden. Eine quasi stichprobenartige Vernehmung von genau der beiden Personen, deren Namen der Polizei durch einen Redakteur übermittelt wurden, erweckt den Eindruck, die Polizei würde erst ‚auf Zuruf‘ der Presse handeln, zumal im Internet bereits Namen weiterer angeblicher Veranstaltungsteilnehmer veröffentlicht wurden, an die in diesem Zusammenhang vermutlich ebenfalls noch nicht herangetreten wurde.“ Zur Vorbereitung der durchzuführenden Vernehmungen bat das PP Bonn zudem um Zusendung der bisher vorliegenden Ermittlungsberichte und eines Fragenkataloges.3632 Eine direkte Reaktion des LKA NRW auf dieses Schreiben erfolgte nicht. 3629 3630 3631 3632 642 Schreiben des PP Bonn vom 28. Februar 2013, A13056 S. 324 f. (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 26. Februar 2013, A13056 S. 321 (VS-nfD). Schreiben des PP Bonn vom 28. Februar 2013, A13056 S. 324 ff. (VS-nfD). Schreiben des PP Bonn vom 28. Februar 2013, A13056 S. 324 ff. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 8. März 2012 verfasste das LKA NRW einen Abschlussbericht zu diesem Treffen, in welchem es hieß, dass sich die Angaben des Informanten in der Sendung „WESTPOL“ als haltlos herausgestellt hätten. Zur Begründung wurde angeführt, dass das Trio auf den Lichtbildern nicht feststellbar gewesen sei und keine Verbindungen von Axel Reitz zu diesen Personen habe nachgewiesen werden können. Außerdem bestünden keine weiteren Ermittlungsansätze und auch kein Zusammenhang mit der BAO Trio. K. K. und M. S. wurden in diesem Bericht nicht erwähnt.3633 Am selben Tag teilte das LKA NRW dem MIK NRW mit, dass weiter in der Sache ermittelt werde und die Vernehmungen von K. K. und M. S. geplant seien, an welche sich möglicherweise weitere Ermittlungshandlungen anschließen würden.3634 K. K. wurde am 11. März 2013 durch das PP Bonn angesprochen und sagte nach Absprache mit ihrem Lebensgefährten M. S. zu, sich zeugenschaftlich vernehmen zu lassen. Zu diesem Gesprach vermerkte das PP Bonn: „Frau [K.] fragte aus eigenem Antrieb den Unterzeichner, ob es bei der Vernehmung um ‚Axel Reitz‘ oder um ‚Zschäpe‘ gehen würde. Auf Nachfrage gab sie dann an, dass sie der Prozess von Ahrweiler gegen ‚Reitz‘ nicht interessieren würde und bei ‚Zschäpe‘ könnte es sich ja nur um das Gerücht handeln, was irgendwann mal aufgekommen sei, dass die damals in der Kneipe dabeigewesen sein soll. […] In einem danach geführten ‚rein informatorischen‘ Gespräch gab Frau [K.] an, dass sie und ihr Freund nicht mehr bei den ‚Freien Nationalisten Euskirchen‘ (FNE) seien. Da Unterzeichner nicht glaubte, dass sie ihre Gesinnung geändert hätten, gab sie an, dass man lediglich Ruhe haben wolle und nicht mehr auf irgendwelche Demos oder Treffen gehen würde. (Möglicher Auslöser dieser ‚gewollten Ruhe‘ könnte die Outingaktion im Internet der Frau Kirschhausen im Oktober/November 2011 gewesen sein, bei der [M. S.] im Anschluss ein junges Mädchen der Partei ‚Die Linke‘ angegriffen haben soll. Urteil für Seidel dazu vor ca. 1 Monat: 500,-€ an gemeinnützige Einrichtung und 500,-€ Schmerzensgeld an Mädchen).“3635 Wenige Tage später teilte K. K. mit, dass sie und M. S. sich nun anwaltlich vertreten ließen und bat um Zusendung einer schriftlichen Vorladung zur Vernehmung.3636 Eine entsprechende Vorladung wurde am 18. März 2013 nunmehr durch das LKA NRW versandt, da nicht ausgeschlossen wurde, dass trotz des o. g. Kaufbelegs zumindest eines der Mitglieder des NSU an der Veranstaltung teilgenommen hatte.3637 Der Rechtsanwalt von K. K. und M. S. teilte daraufhin mit, dass seine Mandaten ihn beauftragt hätten, sie als Zeugenbeistand zu einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung zu begleiten und bat das LKA NRW darum, von weiteren polizeilichen Vernehmungsversuchen abzusehen.3638 3633 3634 3635 3636 3637 3638 Abschlussbericht des LKA NRW vom 08. März 2012, A13056 S. 312 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 08. März 2012, A13183 S. 189 ff. (VS-nfD). Schreiben des PP Bonn vom 11. März 2013, A13056 S. 480 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 19. März 2013, A13056 S. 329 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 15. April2013, A13056 S. 338 (VS-nfD). Schreiben des Rechtsanwalts vom 1. April 2013, A13056 S. 334 (VS-nfD). 643 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Nach Rücksprache mit dem GBA teilte das BKA dem LKA NRW mit, dass der GBA K. K und M.S. zunächst nicht vernehmen wird. Zwischenzeitlich hatte der Journalist mitgeteilt, dass er Kontakt zu einer weiteren Person hat, die Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in Erftstadt gesehen habe. Diese soll zunächst vernommen werden, anschließend wird der GBA entscheiden, ob er K. K und M. S. vernehmen werde.3639 (2) Weitere Person Anfang März 2013 hatte der Journalist der Pressestelle des LKA NRW mitgeteilt, dass es eine weitere Person gebe, die die Anwesenheit des Trios an der Veranstaltung bestätigen könne.3640 In einem weiteren Telefonat mit dem Journalisten wurde diesem mitgeteilt, dass man zur Zeit keine Veranlassung für ein von ihm gewünschtes informelles Gespräch sehe. Zu dem Telefonat wurde vermerkt: „Im weiteren Gesprächsverlauf äußerte Herr Minder, dass er vielleicht doch Interesse für ein solches Gespräch wecken könne, wenn er mitteilen würde, dass seine neue Quelle der Verfassungsschutz des Landes NRW sei. Nähere Angaben hierzu machte er nicht.“3641 Darüber informierte das LKA NRW das MIK NRW.3642 Der Zeuge Burkhard Schnieder teilte daraufhin mit, dass die Angelegenheit beim Verfassungsschutz NRW bekannt sei und darauf beim nächsten „jour fixe“ mit dem LKA NRW eingegangen werde.3643 Ob der Journalist tatsächlich weitergehende Informationen zu dem Treffen in Erftstadt vom Verfassungsschutz NRW erhalten hatte und ob es weitere Gespräche mit ihm dazu gab, geht aus den vorliegenden Akten nicht hervor. Das BKA teilte dem LKA NRW mit, dass die Angaben des Journalisten dort nicht zu einer anderen Bewertung des Sachverhalts führen und die BAO Trio des BKA keine Notwendigkeit dafür sehe, die Sachbearbeitung zu übernehmen. Das LKA NRW könne jedoch in eigener Zuständigkeit weitere Ermittlungen unternehmen.3644 Im April 2013 stellte der Journalist in Aussicht, dass sich der weitere Zeuge auch polizeilich vernehmen lassen würde und sicherte zu, diesem die Erreichbarkeit des LKA NRW zukommen zu lassen.3645 Bei einem weiteren Gespräch zwischen dem LKA NRW und dem Journalist wurde diesem mitgeteilt, dass sich die Zeugin noch nicht beim LKA NRW gemeldet habe, woraufhin sich der Journalist verwundert zeigte, da diese ihm eine Kontaktaufnahme zugesichert hätte.3646 Daraufhin versuchte er ebenfalls erfolglos die Zeugin zu kontaktieren.3647 3639 3640 3641 3642 3643 3644 3645 3646 3647 644 Schreiben des BKA vom 22. April 2013, A13056 S. 339 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 8. März 2013, A13183 S. 189 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 8. März 2013, A13183 S. 190 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 8. März 2013, A13183 S. 190 (VS-nfD). E-Mail des Verfassungsschutzes NRW vom 11. März 2013, A12496 S. 231 (VS-nfD). Schreiben des BKA vom 6. März 2013, A13056 S. 375 (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 15. April 2013, A13056 S. 337 f. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 24. April 2013, A13056 S. 342 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 10. Mai 2013, A13056 S. 343 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Am 14. April 2013 berichtete die Sendung „WESTPOL“ erneut unter anderem über das Jahresabschlusstreffen der Kameradschaft Köln in Erftstadt. Dazu sagte eine Zeugin, die unerkannt bleiben wollte: „Es kam schon so rüber, als wenn sie quasi da hingehörten beziehungsweise mit wem sie sich gut unterhalten können."3648 Ob es sich dabei um die Zeugin handelte, zu der der Journalist Kontakt hatte, konnte nicht geklärt werden. Der Vorgang wurde am 6. Mai 2013 an das BKA mit der Anregung zur Weiterleitung an den GBA zwecks Durchführung einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung von K. K. und M. S. versandt.3649 Aus den vorliegenden Akten geht nicht hervor, dass weitere Vernehmungen zur Klärung der Frage, ob Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei der Veranstaltung anwesend waren, erfolgt sind. ee. Kritische Würdigung Der Ausschuss teilt die Ansicht des PP Bonn, dass eine Vernehmung von weiteren Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Jahresabschlussfeier angebracht gewesen wäre. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der NSU zwei Sprengstoffanschläge in Köln verübte, sind mögliche Kontakte zwischen dem NSU und der „Kameradschaft Köln“ von erheblichem Interesse. Eine Teilnahme von Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe aufgrund des aufgefundenen Kassenbeleges auszuschließen, erscheint voreilig, da nicht bekannt ist, wer den dazugehörigen Einkauf getätigt hat. VI. Hinweise auf Unterstützer und Unterstützerinnen des NSU aus NRW und Kontakte von Neonazis aus NRW zu Mitgliedern und Unterstützern und Unterstützerinnen des NSU 1. Carsten Schultze Carsten Schultze ist in dem Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG Münchens wegen Beihilfe zu neun Morden angeklagt.3650 Vor seiner Festnahme am 1. Februar 2012 wohnte er in Düsseldorf.3651 a. Werdegang in der rechten Szene Carsten Schultze gab bei der Haftbefehlseröffnung an, dass er Ende 1997 oder Anfang 1998 über Christian Kapke in die rechtsextreme Szene gekommen sei. Etwa sechs Monate später habe er Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und André Kapke kennengelernt.3652 Im Mai 1999 gründeten Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ einen NPD-Kreisverband in Jena.3653 Carsten Schultze gab an, dass Ralf Wohlleben Vorsitzender geworden sei und er 3648 3649 3650 3651 3652 3653 Vermerk des LKA NRW vom 18. April 2013, A13056 S. 455 f. (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 6. Mai 2013, A13056 S. 392 f. (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 10 (VS-nfD). WE-Meldung des PP Düsseldorf vom 1. Februar 2012, A13042 S. 95 (VS-nfD). Haftbefehlseröffnung beim BGH am 1. Februar 2012, A13892 S. 181. Schreiben des BfV vom 12. Dezember 2011, A13042 S. 34 (VS-nfD). 645 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 selbst stellvertretender Vorsitzender. Laut Carsten Schultze habe den „Thüringer Heimatschutz“ die Botschaft erreicht, dass dieser bald verboten werden könnte, darum hätten sich dessen Mitglieder in einer Partei organisieren wollen. Etwa ein halbes Jahr später sei er JNStützpunktleiter geworden und Anfang 2000 stellvertretender Bundesvorsitzender der JN. Später habe er in Thüringen Landesvorsitzender der JN werden sollen, was er jedoch abgelehnt habe, da er aus der Szene habe aussteigen wollen.3654 b. Unterstützung für die Untergetauchten Carsten Schultze gab an, dass er nach dem Abtauchen von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe einige Zeit keinen Kontakt zu diesen gehabt habe. Ende 1998 oder Anfang 1999 sei er dann von Ralf Wohlleben angesprochen und um Hilfe für die drei gebeten worden. Bei diesem Gespräch sei auch André Kapke anwesend gewesen. Bei allen weiteren Gesprächen zu diesem Thema habe er nur mit Ralf Wohlleben gesprochen. Dieser habe ihm erklärt, wie er telefonisch Kontakt mit den Untergetauchten halten könne. Die Telefonate hätten in regelmäßigen Zeitabständen stattgefunden und seien hauptsächlich von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos geführt worden. Beate Zschäpe sei nur ein oder zwei Mal am Telefon gewesen. Gelegentlich hätten die Untergetauchten auch mit Ralf Wohlleben sprechen wollen.3655 Nach Informationen des LfV Thüringen hielt zeitweise nur Carsten Schultze Kontakt zu den Untergetauchten.3656 Carsten Schultze ist nach eigenen Angaben in die Wohnung von Beate Zschäpe in Jena eingestiegen, um dort Unterlagen herauszuholen. Den Auftrag dazu habe er telefonisch von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bekommen. Die Ausweispapiere, die er aus der Wohnung mitgenommen habe, habe er gemeinsam mit Ralf Wohlleben im Wald vergraben, die Unterlagen aus den Aktenordnern hätten sie teilweise verbrannt und den anderen Teil in einem Fluss versenkt.3657 Bei der Nachsuche wurde eine Plastiktüte mit zwei Klarsichtfolien und einer Zeugnismappe sowie mehrere Personalunterlagen von Beate Zschäpe gefunden.3658 Gemeinsam mit Ralf Wohlleben suchte Carsten Schultze Anfang 1999 einen Rechtsanwalt, den damaligen Landesvorsitzenden des NPD-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern, auf und sprach mit diesem über eine mögliche anwaltliche Vertretung von Beate Zschäpe.3659 Carsten Schultze gab dazu an, dass es bei dem Treffen nicht nur um die Vertretung von Beate Zschäpe, sondern auch um die von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gegangen sei. Er sei sich zu 90 Prozent sicher, dass diese drei auch bei einem Zusammentreffen entsprechende Vollmachten unterschrieben hätten. In der zweiten Jahreshälfte 1999 hätten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihn dann nach einer scharfen Waffe gefragt. Diese habe er auch besorgt und in Chemnitz an Böhnhardt und Mundlos übergeben.3660 Welche anderen Personen in welchem Umfang in die Beschaffung der Waffe eingebunden waren und ob gezielt eine Waffe mit Schalldämpfer gekauft und übergeben wurde und ob es sich bei dieser Waffe um eine der verwendeten Tatwaffen des „NSU“ handelt, kann nicht abschließend beurteilt werden, da dies Gegenstand des noch laufenden Strafverfahrens gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München ist. c. Ausstieg und möglicher Anwerbeversuch 3654 3655 3656 3657 3658 3659 3660 646 Vernehmung des Carsten Schultze vom 15. Februar 2012, A13892 S. 218 f. Haftbefehlseröffnung beim BGH am 1. Februar 2012, A13892 S. 181 f. Schreiben des LfV Thüringen vom 21. November 2011, A13393 S. 7 (VS-nfD). Haftbefehlseröffnung beim BGH am 1. Februar 2012, A13892 S. 182. 41. Lagebricht der EG Trio des BKA vom 27. September 2012, A13199 S. 179 (VS-nfD). Haftbefehlseröffnung beim BGH am 1. Februar 2012, A13892 S. 187. Haftbefehlseröffnung beim BGH am 1. Februar 2012, A1389 S. 183 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Nach eigenen Angaben ist Carsten Schultze Ende 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen: „Ich hatte ja wie bereits in der letzten Vernehmung geschildert dass ich bereits mit den neun Tagen Präventionsgewahrsam im August 2000 und den Reaktionen der anderen darauf, dass ich mich hätte erwischen lassen, einen Ausstieg beschlossen hatte. Ich sollte ja Landesvorsitzender der JN in Thüringen werden. Bereits Monate vorher wurde mir seitens Tino BRANDT und WOHLLEBEN gesagt, dass ich eben Landesvorsitzender werden solle. Ich hatte das erst einmal abgenickt und nichts dazu gesagt. Einige Zeit später habe ich dann zum ersten Mal gesagt, dass ich das nicht machen will. Ich dachte mir, dass ich dann nie wieder aus der Szene raus käme. Das hing auch mit meinem Coming Out und der ganzen diesbezüglichen inneren Entwicklung zu dieser Zeit zusammen. Meine Ablehnung des Postens musste ich gegenüber BRANDT und WOHLLEBEN auch vehement verteidigen, habe es aber durchgebracht.“3661 In den Monaten nach seinem Ausstieg habe er noch vereinzelt Kontakt zu Ralf Wohlleben gehabt.3662 Zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe habe nach seinem Ausstieg jedoch kein Kontakt mehr bestanden.3663 Bei seinem Ausstieg sei er der Meinung gewesen, dass die Untergetauchten ins Ausland gehen wollen.3664 „Spiegel-Online“ berichtete über einen möglichen Versuch des LfV Thüringen, Carsten Schultze in diesem Zeitraum als VP anzuwerben, wie folgt: „Carsten S. wurde 1980 in Neu-Delhi geboren. […] Der Geburtsort von Carsten S. war auch der Deckname für den Forschungs- und Werbungsvorgang, den das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz 2001 plante: Nach Informationen des MDR Thüringen belegen Dokumente, dass die Verfassungsschützer damals versucht haben, Carsten S. als V-Mann anzuwerben. Die NSU-Untersuchungsausschüsse erfuhren jedoch erst vor wenigen Wochen von der Existenz der Unterlagen. […] Bei den bislang verheimlichten Akten über den Fall ‚Delhi‘ handelt es sich um die sogenannten Anwerbungsbögen, in denen alle Hinweise vermerkt werden. Aus den Papieren ist nicht ersichtlich, ob die Anwerbung erfolgreich war. Ein Nebenklagevertreter hatte Carsten S. vor dem OLG München gefragt, ob er vom Verfassungsschutz angeworben worden sei. Dieser hatte verneint. Der Verteidiger von Carsten S., der Düsseldorfer Rechtsanwalt Johannes Pausch, sagte nun: ‚Mein Mandant hatte nie Kontakt zum thüringischen Verfassungsschutz. Wir können uns nicht erklären, wie Unterlagen, die einen solchen Schluss zulassen, entstanden sind.‘ Die tagelange Observation durch Verfassungsschützer - solch eine Überwachung ist Standard, bevor ein V-Mann angesprochen wird - hatte Carsten S. jedoch bemerkt. Er habe damals drei Autos bemerkt, die ihn abwechselnd verfolgten, gab er in einer Vernehmung durch den Haftrichter im Februar 2012 zu Protokoll. Weil er wissen wollte, wer dahinter steckte, kontaktierte er Wohlleben und suchte später die Polizei auf. Carsten S. behauptet, er habe sich Anfang 2001 losgesagt von der rechtsextremen Szene. Es wäre also der ideale Zeitpunkt gewesen, ihn als V-Mann anzuwerben. Denn bereits sein Kamerad und Freund Martin G.* soll - so sagte es S. am 18. Juni im NSU3661 3662 3663 3664 Vernehmung des Carsten Schultze vom 15. Februar 2012, A13892 S. 218. Haftbefehlseröffnung beim BGH am 1. Februar 2012, A13892 S. 179. Haftbefehlseröffnung beim BGH am 1. Februar 2012, A13892 S. 186. Vernehmung des Carsten Schultze vom 6. Februar 2012, A13892 S. 194. 647 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Prozess aus - mit Hilfe des Verfassungsschutzes ausgestiegen sein. Die Behörde soll auch den Umzug von G.* aus Jena nach Berlin finanziert haben. Womöglich als Gegenleistung fragte dieser Carsten S. nach dem untergetauchten Trio. Wie SPIEGEL ONLINE aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll damals ein weiterer Freund aus der Jenaer Neonazi-Szene von Carsten S. und Martin G.* in Kontakt mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gestanden haben. Frank B.* soll sich beim Aussteigerprogramm des BfV gemeldet haben und in seiner Ausstiegsphase noch für das Amt Informationen aus der Szene beschafft haben. […] *Die Namen sind der Redaktion bekannt“3665 d. Umzug Am 27. August 2003 zog Carsten Schultze von Jena nach Köln und von dort am 1. Dezember 2003 nach Düsseldorf.3666 Hierüber berichtete die Zeitschrift „TERZ“ am 30. Juni 2004 wie folgt: „Ein weiterer lokaler Fall ist der aus Jena nach Düsseldorf zugezogene FH-Student der Sozial- und Kulturwissenschaften Carsten Schultze. Bis ungefähr Ende 2000 war dieser einer der führenden Aktivisten und Funktionäre der Neonazi-Szene in Thüringen, insbesondere im Raum Jena. Er brachte es bis zum NPD-Kreisvorsitzenden, stellvertretenden JN-Landesvorsitzenden, ‚Landesbeauftragten der JN-Bundesführung‘, sogar kurzzeitig in den JN-Bundesvorstand. Er dürfte zu den wichtigsten Organisatoren und Koordinatoren der damaligen Thüringer Neonazi-Szene gehört haben, war auch für Schulungen des Nachwuchses und als ‚Versammlungsleiter‘ für Aufmärsche zuständig. Heute ist Schultze nach Angaben des Antifa-Arbeitskreises an der FH Düsseldorf im gemeinsamen Schwulenreferat an der FH Düsseldorf und Heinrich-Heine-Universität aktiv, wurde sogar kürzlich auf der Schwulen-Vollversammlung zum Schwulen-Referenten (FH) gewählt. Eine derartige Wahl führt aufgrund des autonomen Status des Schwulenreferates grundsätzlich zur Bestätigung durch das StudentInnenparlament und damit zu einer stimmberechtigten Mitgliedschaft im AStA der Fachhochschule. Eine Auseinandersetzung über seine politische Vergangenheit fand indes bis zu seiner Wahl nicht statt, die Schwulen-Vollversammlung war von Schultze schlichtweg im Unklaren gelassen worden.“3667 Dem Verfassungsschutz NRW lagen bis zum 15. November 2011 keine Informationen über Carsten Schultze vor. Das LfV Thüringen hatte den Verfassungsschutz NRW nicht über dessen Zuzug informiert. Nach dem Zuzug wurden dem Verfassungsschutz NRW nach dessen Angaben keine Tatsachen bekannt, die eine Beobachtung von Carsten Schultze gerechtfertigt hätten. Selbst wenn der Verfassungsschutz NRW über den Umzug informiert worden wäre, hätte dies allenfalls zu einer Speicherung mit einer Prüffrist von zwei Jahren geführt. Auch der oben genannte Bericht in der Zeitschrift „TERZ“ enthielt für den Verfassungsschutz NRW keine Hinweise, welche ein Tätigwerden hätten begründen können.3668 Zu der nicht erfolgten Unterrichtung des Verfassungsschutz NRW durch das LfV Thüringen hat die Zeugin Mathilde Koller angegeben: 3665 3666 3667 3668 648 Artikel „Die unterschlagene Akte der Operation 'Delhi'“ auf Spiegel-online vom 10. Juli 2013, A95340. Vermerk des BfV vom 16. Januar 2012, A13393 S. 18 (VS-nfD). Artikel „Von neonazistischen 'Aussteigern', Rückziehern und Umsteigern“ vom 30. Juni 2004 veröffentlicht auf www.terz.org, A13393 S. 36. Leitungsvorlage des Verfassungsschutzes NRW vom 10. Februar 2012, A13393 S. 21 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Die Thüringer – ich glaube, der kam aus Thüringen – haben uns nicht mitgeteilt, dass der nach Nordrhein-Westfalen umgezogen ist. Wir haben das nicht gewusst. Das ist aber auch gar nichts Ungewöhnliches, weil der Verfassungsschutz ja keine Einzelpersonen beobachtet. Er rennt ja nicht hinter jemandem her und verfolgt ihn, sondern er beobachtet Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. Insofern ist es für mich als Bürger ganz beruhigend, dass man nicht jede Bewegung von einem selber mitkriegt. Aber in dem Fall war es halt so, dass wir nichts von dem Umzug dieses Carsten S. wussten. Was sich bei mir allerdings auch festgesetzt hat, ist, dass er in Nordrhein-Westfalen in der rechtsextremistischen Szene keine Rolle gespielt hat, weil er nämlich da rausgegangen ist – wahrscheinlich schon in Thüringen.“3669 Bereits am 2. Februar 2012 gab Mathilde Koller vor dem Innenausschuss des Landtags NRW an, das kein automatisiertes melderechtliches Mitteilungssystem existiere, dass aber in der Regel die Verfassungsschutzbehörde des Landes, welches ein Extremist verlasse, eine entsprechende Meldung mache.3670 e. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 Durch die Vernehmungen von Holger Gerlach und A. S. rückte Carsten Schultze in den Blickpunkt der Ermittlungsbehörden. Holger Gerlach gab an, dass er 2002 den Untergetauchten eine Waffe übergeben habe. Diese sei bei A. S. gekauft worden. A. S. wiederum erkannte auf einer Wahllichtbildvorlage Carsten Schultze als Käufer einer Waffe. Daraufhin erließ der BGH am 31. Januar 2012 einen Haftbefehl gegen Carsten Schultze, woraufhin dieser am 1. Februar 2012 festgenommen wurde.3671 Am 29. Mai 2012 wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen.3672 f. Sprengstoffanschlag an der S-Bahnhaltestelle Düsseldorf Wehrhahn Das PP Düsseldorf überprüfte, ob möglicherweise eine Verbindung zwischen Carsten Schultze und dem Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn am 27. Juli 2000 besteht. Dieser Anschlag ereignete sich kurz bevor Carsten Schultze beschloss, aus der rechten Szene auszusteigen. Carsten Schultze wurde 2013 zeugenschaftlich zu dem Anschlag in Düsseldorf vernommen, insbesondere um zu erfahren, wo sich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zum Zeitpunkt des Anschlags aufhielten. Dazu gab er an, dass er diesen die Waffe in Chemnitz übergeben, aber nicht gewusst habe, wie lange sich die drei in Chemnitz aufgehalten hätten und wo sie ansonsten gewesen seien. Er habe aber mitbekommen, dass die drei nach Südafrika oder Namibia gewollt hätten, ohne dass er sagen könne, wie und von wem er das erfahren habe. Insgesamt habe sich der Kontakt zu den Untergetauchten im Jahr 2000 ruhiger gestaltet, da er sich hauptsächlich mit sich und seinem Ausstieg aus der Szene beschäftigt habe. Der Anschlag in Düsseldorf sei damals kein Thema und ihm auch nicht bekannt gewesen. Er habe allerdings schon von dem Anschlag gehört, möglicherweise im Zusammenhang mit seinem Umzug nach Düsseldorf. Auch nach Bekanntwerden des NSU habe er keine Verbindung zu dem Anschlag am Wehrhahn hergestellt. Er wisse auch nichts zu Verbindungen zwischen der rechten Szene in Thüringen und Gruppierungen in NRW. Er 3669 3670 3671 3672 Koller APr 16/96, S. 15. Protokoll der Sitzung des Innenausschusses des Landtags NRW vom 2. Februar 2012, Landtag NRW APr 15/413 S. 23. Haftbefehl des BGH vom 31. Januar 2012, A13240 S. 391 ff. Lagebericht Nr. 38 der EG Trio des BKA vom 5. Juli 2012, A13199 S. 23 f. (VS-nfD). 649 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 selbst habe immer wieder in Düsseldorf das „Nationale-Info-Telefon“ angerufen. Er habe damals jedoch nicht gewusst, dass dieses von Sven Skoda betrieben wurde.3673 g. Kritische Würdigung Der Ausschuss nimmt erstaunt zur Kenntnis, dass Carsten Schultze vor der Selbstenttarnung des NSU den Sicherheitsbehörden in NRW nicht bekannt war. Immerhin war dem LfV Thüringen bereits zum Zeitpunkt des Umzuges von Carsten Schultze nach NRW bekannt, dass dieser Kontakt zu den drei Untergetauchten hatte. Hinweise auf rechtsradikale Tätigkeiten von Cartsen Schultze nach seinem Umzug liegen nicht vor. 2. Teilnahme von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos an Konzerten von „Oidoxie“ in Kassel a. Hinweis auf Konzertbesuch 2004 aa. Hinweis des C. B. Der erste Hinweis, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ein Konzert der Band „Oidoxie“ besucht haben könnten, kam von dem Neonazi C. B. , der am 18. Dezember 2011 in Bonn aufgrund eines Haftbefehls der StA Braunschweig festgenommen wurde. Er wurde durch Beamte des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Bonn vernommen, da er bei seiner Festnahme behauptet hatte, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 2004 auf einem Konzert in Kassel gesehen zu haben.3674 Das PP Bonn vermerkte: „Herr [B.] gab zu seiner Person an, dass er seit Jahren in der rechten Szene tätig sei. Früher (etwa 2001) sei er Mitglied der NPD gewesen. Dort habe er regelmäßig an NPDTreffen in der Gaststätte ‚Säckchen‘ teilgenommen. [...] Des weiteren habe er regelmäßig an Konzerten und Versammlungen der rechten Szene teilgenommen. Zuletzt sei er im Jahr 2010 bei einer Versammlung in Dortmund und im April 2011 in Stolberg sowie am 19.11.2011 in Remagen gewesen. […] Das Vernehmungsbeamte des PP Bonn schätzt die Einbindung des [B.] in die rechte Szene als scheinbar oberflächlich ein. Feste Kontakte zu rechten Gruppierungen habe er nach eigenen Angaben derzeit nicht. Er könne als Mitläufer bezeichnet werden. Untypisch für die rechte Szene sei seine Gesprächsbereitschaft. Ob diese auf den Drogenkonsum oder auf Geltungsbedürfnis zurückgeführt werden kann, kann derzeit nicht beurteilt werden.“3675 C. B. gab an, dass B. T. ihn 2004, wohl im Herbst, zu einem Konzert in Kassel eingeladen habe. B. T. habe er bei einer ehemaligen Freundin kennengelernt, seitdem habe er häufiger Kontakt zu ihm. B. T. habe die Teilnehmenden am Bahnhof abgeholt und zu der Kegelbahn gebracht, auf der das Konzert stattgefunden habe. Es seien etwa 200 Personen anwesend gewesen. Aufgetreten seien „Sturmwehr“ aus Gelsenkirchen und mehrere andere Bands. Möglicherweise habe auch „Kraftschlag“ gespielt. Während der Veranstaltung sei er mit zwei Personen ins Gespräch gekommen und habe sich etwa 20 Minuten mit ihnen über das Konzert und die Party unterhalten. Heute wisse er, dass es Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gewesen seien. Diese hätten sich zwar nicht vorgestellt, dennoch sei er sich diesbezüglich sicher. Er habe bisher noch keine Bilder der beiden gesehen, doch habe er im Nachhinein mit Kameraden gesprochen, die ihm die Namen der beiden genannt hätten. Die beiden seien etwas kleiner als 1,92 m und etwa zwischen 25 und 29 Jahre alt gewesen.3676 3673 3674 3675 3676 650 Vernehmung des Carsten Schultze vom 26. Februar 2013, A13892 S. 164 ff. Vermerk des PP Bonn vom 18. Dezember 2011, A13075 S. 321 (VS-nfD). E-Mail des LKA NRW vom 21. Dezember 2012, A13075 S. 342 (VS-nfD). Vernehmung des C. B. vom 18. Dezember 2011, A13075 S. 323 ff. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Aufgrund dieser Angaben fragte das LKA NRW bei den LKÄ Hessen und Niedersachsen an, welche Erkenntnisse dort zu einem entsprechenden Konzert im Herbst 2004 und zu B. T. vorliegen.3677 Recherchen des PP Nordhessen ergaben, dass weder dort noch beim LfV Hessen Erkenntnisse zu einem von B. T. organisiertem Konzert in Kassel im Herbst 2004 mit der Band „Sturmwehr“ vorliegen. Ebenso lagen keine Hinweise auf sonstige Skinheadkonzerte im Jahr 2004 im Raum Kassel vor, die von der Gruppierung „Sturm 18“ um B. T. organisiert wurden. Außerdem wurde festgestellt, dass B. T. Kontakte nach Thüringen und Zwickau hat. Unter anderem hat dessen Bruder von September 2003 bis April 2005 in Zwickau gewohnt. Erkenntnisse dazu, dass B. T. Kontakt zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatte, lagen jedoch nicht vor.3678 Auch das LKA Niedersachsen hatte keine weiterführenden Erkenntnisse.3679 Das PP Nordhessen regte am 26. Januar 2012 an, C. B. erneut zu vernehmen, um nachzufragen, ob er sich möglicherweise in Bezug auf Ort, Datum und Bandnamen geirrt hat.3680 Ob eine weitere Vernehmung von C. B. erfolgte, ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht. Es wurden jedoch weitere Zeugen dazu befragt, ob Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ein Konzert in Kassel bzw. ein Konzert der Band „Oidoxie“ besucht haben. Die Angaben der Zeugen lassen sich teilweise Konzerten zuordnen, die den Behörden bekannt geworden sind. bb. Erstes Gespräch mit B.T. Am 3. Februar 2012 wurde B. T. durch Beamte des LKA Hessen befragt. Hintergrund des Treffens waren zwei zur Person B. T. eingegangene Hinweise bei der BAO Trio des BKA, darunter der erwähnte Hinweis des C. B. sowie ein Hinweis auf Kontakte des NSU-Mitglieds Uwe Mundlos zu ‚Sturm 18‘-Mitgliedern, u. a. B. T. im Sommer 2008 / 2009 in Kassel in Verbindung mit geheimen Konzerten.3681 Außerdem wurde als Grund für das Gespräch ein Schreiben des B. T. an das LfV Hessen, mit dem Angebot Angaben zur rechten Szene machen zu können, genannt.3682 Zu Beginn der Vernehmung äußerte B. T., dass er großen Wert auf eine Entlassung am planmäßigen Ende seiner Haftzeit lege, da es ihm andernfalls nicht möglich sei, dass Sorgerecht für seine Tochter zu erlangen. Daher werde er nur Angaben machen, wenn sein Widerspruch gegen den Widerruf der Bewährung in einem anderen Verfahren Erfolg habe. Seitens der vernehmenden Beamten wurden keinerlei Zusagen in diese Richtung gemacht. Ausweislich eines Vermerks des LKA Hessen äußerte B. T. gegenüber den Vernehmungsbeamten: „Auf die Frage, ob Böhnhardt und Mundlos in der Kasseler rechten Szene als Konzertbesucher in den Jahren 2004 und 2008 auftauchten, bestätigte [T.] die Konzerte selbst. Lies die Anwesenheit der beiden aber offen. [T.] bemerkte jedoch, dass Böhnhardt und Mundlos in Kassel bekannt gewesen seien. […] [T.] bestätigte ohne Zögern, dass es im Jahr 2004 ein Konzert in Hessisch Lichtenau gegeben habe, bei dem neben den bereits im Hinweis benannten Bands Sturmwehr und 3677 3678 3679 3680 3681 3682 E- Mail des LKA NRW vom 21. Dezember 2012, A13075 S. 339 ff. (VS-nfD). Ermittlungsbericht des PP Nordhessen vom 26. Januar 2012, A13075 S. 370 ff. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 09.01.2012, A13075 S. 363 (VS-nfD). E-Mail des PP Nordhessen vom 26. Januar 2012, A10580 S. 172. E-Mail des PP Nordhessen vom 26. Januar 2012, A13075 S. 498 (VS-nfD). Vermerk des LKA Hessen vom 3. Februar 2012, A13075 S. 373 ff. (VS-nfD). 651 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Kraftschlag auch die die Band Oidoxie gespielt habe. Das Konzert sei als Geburtstagsfeier getarnt, in einer Gaststätte durchgeführt worden. Ein Konzert in der Stadt Kassel habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Ein weiteres Konzert habe es Anfang 2008 im Industriegebiet Kassel gegeben. Konzertort sei eine Räumlichkeit in der Nähe des heutigen OBI-Marktes gewesen. Das Objekt sei auch heute noch existent und es würden dort weiterhin Veranstaltungen der rechten Szene stattfinden. Es seien 30 Besucher vor Ort gewesen, die vorher vom Bahnhof abgeholt worden wären. Bei der Veranstaltung hätten Mitglieder verschiedener Bands zusammengespielt.“3683 Zu dieser Vernehmung teilte das BKA dem LKA NRW mit, „dass die meisten Angaben des [T.] in seiner Befragung vom 03.02.2012 eher geringen Wahrheitsgehalt hätten. Im Zusammenhang mit der Spurenbearbeitung beim BKA wurden dort weitere Personen aus dem rechten Spektrum vernommen, die [B. T.] als ‚Wichtigtuer‘ bezeichnen. So soll es z. B. im Raum Kassel zwei ‚Sturm 18‘ Organisationen geben. Dieses resultiert daraus, dass Mitglieder der ‚Stammgruppe‘ Sturm 18 sich mit [T.] zerstritten haben und dieser daraufhin seinen eigenen Zweig der Organisation gebildet hat.“3684 Einen Kontakt von B. T. zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt konnte das BKA nicht verifizieren.3685 cc. Vernehmung des S. R. zum Konzert 2004 S. R. wurde am 23. Mai 2012 seitens des BKA vernommen. Er bestätigte, dass B. T. 2004 ein Konzert organisiert habe, welches in den Kellerräumen einer Firma stattgefunden habe. Welche Bands gespielt hätten, konnte er nicht mehr sagen. Das Konzert, an dem etwa 30 bis 40 Leute teilgenommen hätten, sei von ihrer Gruppe in Kassel organisiert worden. Befragt, ob Personen aus Ostdeutschland unter den Gästen gewesen seien, konnte er sich an zwei Bekannte aus Leipzig erinnern. Die Namen dieser Personen wollte er nicht nennen.3686 Auch dem PP Nordhessen liegen Informationen dazu vor, dass B. T. Kontakte zu Personen aus Leipzig hatte: „Im 16.03.2002 ging hier ein Hinweis auf ein auf der I-Seite ‚Sturm 18‘ angekündigtes Skinheadkonzert ein, dass im Raum Kassel stattfinden sollte. T. sollte diesbezüglich als Gefährder angesprochen werden, konnte an der seinerzeit bekannten Meldeanschrift jedoch nicht angetroffen werden. Am 17.03.2002 wurden 3 Personen aus Leipzig an der B 7 in Höhe der Stadt Hessisch Lichtenau einer Kontrolle unterzogen. Die Personen bestätigten auf Nachfrage, dass sie den T. an dessen Kasseler Wohnung treffen und besuchen wollten. Hinweise auf ein tatsächlich durchgeführtes Konzert gab es nicht.“3687 S. R. sagte aus, dass er vom NSU aus den Medien erfahren habe und keinerlei Kontakte zu Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt oder sonstigen Mitgliedern des NSU hatte.3688 3683 3684 3685 3686 3687 3688 652 Vermerk des LKA Hessen vom 3. Februar 2012, A13075 S. 373 ff. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 19. April 2012, A13075 S. 382 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 19. April 2012, A13075 S. 382 (VS-nfD). Vernehmung des S. R. vom 23.05.2012, A64798 S. 3 f. Vermerk des PP Nordhessen vom 26.01.2012, A13075 S. 370 (VS-nfD). Vernehmung des S. R. vom 23.05.2012, A64798 S. 3 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 dd. Konzerte von „Oidoxie“ und „Sturmwehr“ Gegenüber der Polizei sprachen B. T. und C. B.von einem gemeinsamen Konzert der Bands „Sturmwehr“ und „Oidoxie“ im Jahr 2004 im Großraum Kassel. S. R. bestätigte, dass der B. T. 2004 ein Konzert organisiert habe, konnte sich aber an keine Bands erinnern. Dem Sachverständigen Jan Raabe ist 2004 kein Konzert von „Oidoxie“ und Sturmwehr“ bekannt.3689 In seinem Gutachten führt er lediglich ein Konzert von „Oidoxie“, „Sturmwehr“ sowie weiteren Bands am 3. Dezember 2005 in Schwerte an.3690 Das BKA vermerkte, dass dieses Konzert von „Sturmwehr“, „Oidoxie“ u. a. am 3. Dezember 2005 in Holzwickede mit 300 Teilnehmenden störungsfrei stattgefunden habe.3691 Eine VP berichtet, dass am 3. Dezember 2005 ein Konzert im Clubhaus der Bandidos Unna stattgefunden habe. Die Security sei von der „Oidoxie Streetfightung Crew“ gestellt worden und es seien T-Shirts von „Combat 18“ verkauft worden.3692 Das „Bandidos Chapter Unna“ verfügte über ein Clubhaus in Schwerte. Eine Supporter-Gruppierung der Bandidos hatte ihr Haus in Holzwickede. Beide Räumlichkeiten wurden zeitweise von der Dortmunder NeonaziSzene für Rechtsrock-Konzerte benutzt. b. Hinweis auf Konzertbesuch 2006 aa. Zeugenschaftliche Vernehmung des B. T. Am 29. März 2012 wurde B. T. von einem Staatsanwalt, einem Beamten des BKA und einem Vertreter des PP Nordhessen vernommen. Ihm wurde in Aussicht gestellt, dass er bei einer umfangreichen Aussage in einem weiteren gegen ihn anhängigen Verfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegebenenfalls mit einer Rücknahme der Anklage bzw. Einstellung rechnen könne.3693 B. T. machte bei dieser Vernehmung zu einem Konzertbesuch von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahr 2006 in Kassel folgende Angaben: „Zunächst will ich etwas sagen zu einem Konzert, was im Jahr 2006 in Kassel stattfand, d.h. es war in dem Sinne nicht ein Konzert, sondern vielmehr Geburtstagsfeier, bei der die Musikgruppe Oidoxie spielte. Es handelte sich dabei um die Geburtstagsfeier von [S.] Rückmeldung[…], der die Feier mitorganisiert hat. Zu dieser Feier waren auch die jetzt im Verfahren NSU bekannt gewordenen Mundlos und Böhnhardt anwesend. Die waren an dem Tag der Feier mit dem Zug angereist und zwar zum Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe. Ich habe sie dort abgeholt mit meinem Bus, einem auf mich zugelassenen blauen VW T3, der aber nicht von mir sondern von meinem Bruder […] geführt wurde.“3694 B. T. konnte sich nicht an das genaue Datum des Konzertes erinnern: Es habe an einem Samstag, entweder am 18. März oder zu einem späteren Zeitpunkt, jedoch noch vor dem Mord an Halit Yozgat am 06. April 2006 stattgefunden.3695 3689 3690 3691 3692 3693 3694 3695 Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351. Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 40. Bandprofil Non Plus Ultra, A15201 S. 5. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 7. Dezember 2005, Ordner 4 PUA Bund S. 99 (VS-V-herabgestuft). Vernehmung des B. T. vom 29. März 2012, A64799 S. 1 f. Vernehmung des B. T. vom 29. März 2012, A64799 S. 2. Vernehmung des B. T. vom 29. März 2012, A64799 S. 2, 4. 653 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zum Ort der Feier berichtete er, dass dieser der Keller eines Parketthandels im Industriegebiet hinter der Hafenbrücke in Kassel gewesen sei. In der Nähe befinde sich nun ein ObiBaumarkt.3696 Hier äußerte er sich widersprüchlich zu den Angaben in seinem ersten Gespräch mit der Polizei im Februar 2012, als er ein Konzert in einem Parketthandel in der Nähe des OBI-Baumarktes für das Jahr 2008 erwähnte.3697 Weiter sagte B. T. aus, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Begleitung von sieben Männern mit dem Zug angereist seien. Nach dem Konzert hätten beide in Kassel übernachtet, er wolle aber nicht sagen bei wem.3698 Der Kontakt zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sei etwa 2003 über das Netzwerk „Sturm 18 Kassel“ zustande gekommen und sei über „Sturm 18 Leipzig, Halle“ sowie die „Brigade Ost“ in Jena gelaufen. Bei der „Brigade Ost“ sei Uwe Böhnhardt damals „Ortsgruppenleiter“ gewesen. B. T. gab an, er sei selbst einmal auf einer Feier in einer Garagenanlage am Stadtrand von Zwickau gewesen und habe dort Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos getroffen.3699 Zum Mord an Halit Yozgat befragt, behauptete B. T., er wisse, wer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Kassel eingeladen habe und wo sie genächtigt hätten. Weitere Angaben machte er dazu in der Vernehmung nicht.3700 bb. Vernehmung des B. G. B. G., der als V-Mann des hessische LfV von Andreas Temme als VP-Führer geführt wurde, gab bei seiner Vernehmung durch das BKA am 26. April 2012 zu seinem Wissen über rechte Konzerte, die im Jahr 2006 von der Gruppierung „Sturm 18“ organisiert worden sind3701, an dass er sich an ein Konzert der Band „Oidoxie“ erinnere. Weiter führte er aus: „Ich bin darauf gekommen, weil ich den ‚Leihgabe‘darauf angesprochen hatte, warum er ein T-Shirt mit der Aufschrift Security trug. Er sagte mir, dass er bei dem genannten Konzert für die Sicherheit zuständig war. Wer das Konzert organisiert hat, habe ich von ihm nicht erfahren. Ich weiß auch nicht, was der Anlass des Konzerts bzw. dieser Feierlichkeit war. Ich weiß nur, dass wohl auch Belgier auf diesem Konzert waren“3702 An den genauen Zeitpunkt des Konzerts konnte er sich nicht erinnern. Allerdings gebe es von dem Konzert einen Videomitschnitt. Diesen habe er auf einer DVD von M. F. bekommen. Da auf der Hülle die Jahreszahl 2006 angegeben sei, wisse er, dass auch das Konzert 2006 stattgefunden habe. In dem Video seien unter anderem M. F. und eine weitere Person zu sehen, die ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Security“ tragen und die Veranstaltung bewachen würden. Er habe sich die DVD angesehen, sei aber selbst nicht bei dem Konzert gewesen.3703 Vom NSU habe er nach dessen Selbstentarnung durch die Medien erfahren, dessen Mitglieder kenne er nicht.3704 Über einen Konzertbesuch von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Kassel berichtete er nicht. 3696 3697 3698 3699 3700 3701 3702 3703 3704 654 Vernehmung des B. T. vom 29. März 2012, A64799 S. 3. Vermerk des LKA Hessen vom 3. Februar 2012, A13075 S. 373 ff. (VS-nfD). Vernehmung des B. T. vom 29. März 2012, A64799 S. 2, 4. Vernehmung des B. T. vom 29. März 2012, A64799 S. 3. Vernehmung des B. T. am 29. März 2012, A64799 S. 4. Weinspach, APr 16/1340 S. 101. Vernehmung des B. G. durch BKA am 26. April 2012, A64796 S. 15. Vernehmung des B. G. durch BKA am 26. April 2012, A64796 S. 15 f. Vernehmung des B. G. durch BKA am 26. April 2012, A64796 S. 16 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die von B. G. erwähnte DVD enthält einen Mitschnitt eines Konzertes mit „Oidoxie“ und anderen Bands am 25. Februar 2006 in Greven / NRW. Im Intro der DVD gibt sich eine „Streetfighting Productions“ als Produzent zu erkennen.3705 Nach Erkenntnissen des LKA NRW fand am 25. Februar 2006 ein Konzert in Greven mit etwa 200 Teilnehmern statt, bei dem die Bands „Extressiv“, „Hauptkampflinie“, „Cherusker“, „Words of Anger“, „Projekt Vril“ und „Oidoxie“ spielten.3706 Nach Erkenntnissen des PP Bielefeld und des Sachverständigen Jan Raabe ist zusätzlich auch die Band „Sense of Pride“ aufgetreten.3707 Der Verfassungsschutz NRW erhielt bereits am 16. Februar 2006 den Hinweis, dass am 25. Februar 2006 ein Skinheadkonzert in einer Halle in Greven stattfinden wird, bei dem die Bands „Hauptkampflinie“ und „Cherusker“ auftreten sollen.3708 Dem Verfassungsschutz NRW lag die DVD mit dem Konzertmitschnitt seit 2006 vor.3709 Da die DVD, auf der vielfache strafbare Handlungen im Sinne der §§ 86, 86a StGB zu sehen sind, öffentlich vertrieben wurde, geriet der Konzertveranstalter und Vertreiber der DVD in die Kritik und musste daraufhin seine Mitgliedschaft in der „Oidoxie Streetfighting Crew“ niederlegen und konnte erst nach einjähriger Bewährung als Supporter seinen alten Status wieder erlangen.3710 Nach Durchsicht der DVD durch den PUA kann festgestellt werden, dass bei diesem Konzert in einheitlichen roten T-Shirts gekleidete Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ Security-Aufgaben übernahmen. Auf diesem Mitschnitt sind außerdem unter anderem M. F. und S. R. zu sehen. cc. Vernehmung des S. R. zum Konzert 2006 Das BKA befragte S. R. am 23. Mai 2012 zu seiner Geburtstagsfeier im Jahr 2006. Er erklärte, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nicht an dieser Feier teilgenommen hätten: „Das kann ich mit Sicherheit ausschließen, da waren nur geladene Gäste dort. Das war so meine ich, ich Clubhaus der ‚Bandidos‘ neben dem MASSA Markt.“3711 B. T. sei definitiv nicht auf dieser Geburtstagsfeier gewesen, da sie zu diesem Zeitpunkt schon zerstritten gewesen seien. Grund des Streits sei gewesen, dass B. T. die Gruppe „Sturm 18“ alleine gemacht habe. S. R. machte in der Vernehmung deutlich, dass er von den Angaben des B. T. gegenüber der Polizei wisse, bezeichnete diese aber als „Quatsch“.3712 Auf die Frage, ob auf der Feier eine Band gespielt habe, sagte S. R. aus, dies sei geplant gewesen, aber die Polizei habe dies verhindert. Nach der Band „Oidoxie“ wurde er nicht konkret befragt.3713 Angaben, wie er an die Konzert-Location in den Räumen des Rockerclubs „Bandidos“ gekommen sei, verweigerte er.3714 S. R. gab an, dass er keine Informationen zum Mord an Halit Yozgat habe und er persönlich bis zur Selbstenttarnung des NSU davon ausgegangen sei, dass das „eine Angelegenheit 3705 3706 3707 3708 3709 3710 3711 3712 3713 3714 DVD “Greven-live”, A64096. Bandprofil zu Extressiv, A10530 S. 174 (VS-nfD). Vermerk des PP Bielefeld vom 16. April 2008, A10360 S. 431; Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 40. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 16. Februar 2006, A14791 S. 135 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 20. Juli 2006, A14783 S. 48 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 28. Dezember 2006, A14908 S.72 (VS-nfD). Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 4. Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 5. Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 5. Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 4 f. 655 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ‚unter Türken‘ gewesen sei.“3715 Er sagte weiter aus, dass er vom NSU aus den Medien erfahren habe und keinerlei Kontakte zu Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt oder sonstigen Mitgliedern des NSU gehabt habe.3716 Ihm wurden vier Wahllichtbildvorlagen vorgelegt, auf denen jeweils ein Foto von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe sowie „Dummys“ abgebildet waren. S. R. gab an, niemanden erkannt zu haben.3717 Eine Wahllichtbildbildvorlage mit anderen der Unterstützung des NSU verdächtigten Personen wurde ihm nicht vorgelegt. dd. Vernehmung des M.F. Der Kasseler M.F. wurde am 26. April 2012 durch das BKA vernommen. Auf die Eingangsfrage, ob er Uwe Böhnhardt und / oder Uwe Mundlos kenne, antwortete er: „Ja, die habe ich irgendwo mal gesehen. Auf einer Demo oder sonstigen Veranstaltung. Als in den Medien über den NSU berichtet wurde, habe ich die Bilder von den beiden gesehen und da ist mir eingefallen, dass ich einen von denen schon mal gesehen habe.“3718 Wo und wann er die Personen gesehen habe, konnte er nicht genau sagen. Da er zwischen 2007 und 2009 inhaftiert gewesen sei, müsste die Begegnung vor 2007 gewesen sein: „Das muss vor 2007 gewesen sein. Wir haben in 2006 mehrere Konzerte durchführen wollen, davon ist eins durchgeführt worden, die anderen wurden von der Polizei verhindert.“3719 Das Konzert habe er gemeinsam mit S. R. zwischen März und Juni 2006 anlässlich dessen Geburtstag organisiert. Zu dem Konzert, bei dem die Band „Oidoxie“ gespielt habe, sei durch Mundpropaganda, Telefon und Briefe eingeladen worden. Das Konzert habe im Clubhaus der Bandidos in Kassel stattgefunden. Bei diesem Konzert seien etwa 100 bis 150 Personen aus Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen anwesend gewesen: „Die Jungs von Streetfighter Crew kommen aus dem Ruhrpott. Bei der Streetfighter Crew handelt es sich um die Security der Band Oidoxie, die da gespielt hatten. Aus Thüringen waren Leute von Sturm 18, Sektion Thüringen, da. Ich kann mich erinnern, dass der [M.] da war. Der ist immer einem T-Shirt ‚Sturm 18, Thüringen‘ rumgerannt.“ 3720 M. F. sagte zunächst, dass er sich nicht erinnere, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bei diesem Konzert gewesen seien. Er habe aber einen der beiden mal in Kassel gesehen, könne sich jedoch nicht mehr erinnern, wann und wo.3721 Wenig später bejahte er dann die Frage, ob er sagen würde, dass wenn er einen der zwei in Kassel gesehen habe, dies dann bei diesem Konzert gewesen sein muss.3722 M.F sagte, er habe bei dem Konzert den Einlass gemacht und einen der beiden entweder bei der Einlasskontrolle gesehen oder an einer Tonne stehen sehen. Weiter sagte er: 3715 3716 3717 3718 3719 3720 3721 3722 656 Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 6. Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 3 f. Vernehmung des S. R. vom 23. Mai 2012, A64798 S. 6. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S. 2. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S. 2. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S 5. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S 3. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S 4. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „An eine genaue Begebenheit kann ich mich aber nicht erinnern. Ich weiß, dass ich einen von den beiden schon mal gesehen habe. Und in Kassel kann es eigentlich nur bei diesem Konzert gewesen sein.“3723 B. T. sei nicht bei dem Konzert gewesen. Dieser habe gemeinsam mit S. R. „Sturm 18“ gegründet, sei dann aber vor 2004 oder 2005 aufgrund seines „asozialen Verhaltens“ aus der Gruppe ausgeschlossen worden, weshalb er auch keinen Zutritt zu dem Konzert gehabt hätte.3724 Informationen zum Mord an Halit Yozgat könne er nicht geben, er habe von dem Mord nur aus den Medien erfahren.3725 Ihm wurde eine Lichtbildvorlagedatei mit Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und einigen mutmaßlichen Unterstützern gezeigt. M. F. gab dazu an, dass er die Person Nr. 2, Uwe Böhnhardt, schon mal in Thüringen, er glaube auf einer Party, gesehen habe. Dazu sollte man den M. fragen. Die Person Nr. 13, Jan Werner, habe er schon einmal irgendwo gesehen. Die Person Nr. 16, Uwe Mundlos, sei derjenige, von dem er glaube, dass er ihn in Kassel gesehen habe. Weitere Personen erkannte er nicht.3726 ee. Hinweis auf Feier am 25. März 2006 Am 24. Juni 2013 berichtete der „Stern“ in dem Artikel „Party machen mit den NSU-Terroristen“: „Am 18. März 2006, getarnt als Geburtstagsfeier eines weiteren Sturm-18-Führungskader, trat der Dortmunder Marco G. mit seiner Band im Bandidos-Clubhaus in Kassel auf und brachte seine eigene Schlägertruppe mit: Die „Oidoxie Streetfighting Crew sorgte an diesem Abend für Sicherheit.“3727 Der „Stern“ schrieb weiter, dass bei diesem Konzert Uwe Mundlos anwesend gewesen sei. Das Magazin berief sich dabei auf Aussagen des M. F. gegenüber dem BKA.3728 Aufgrund dieser Medienberichterstattung führte der Verfassungsschutz NRW eine Aktenrecherche zu Hinweisen auf dieses Konzert durch. Dabei wurde festgestellt, dass Marko Gottschalk 2005 und 2006 in unregelmäßigen Zeitabständen anlassbezogen durch den Verfassungsschutz NRW observiert worden war, am 18. März 2006 jedoch keine Observation stattgefunden hatte.3729 Bekannt war, dass Marko Gottschalk am 25. März 2006 mit anderen Personen zu einer Grillhütte im Bereich Baunatal in Hessen fuhr. Dort fand eine Feier statt, an der auch S. R. teilgenommen hat.3730 Der Verfassungsschutz NRW fertigte ein Schreiben an den GBA an, in dem diese Erkenntnisse zusammengefasst wurden.3731 Auf die Frage, ob es nicht üblich sei, dass bei Observationen auch Videoaufnahmen oder Fotos zur Ergebnissicherung gemacht werden, hat der Zeuge Uwe Reichel-Offermann, ab 2004 beim Verfassungsschutz NRW für Observationen zuständig, angegeben: „Das ist im Regelfall ... Also, Art und Umfang der Observation – das heißt, was soll, wie Sie es geschildert haben, gegebenenfalls an Fotosaufzeichnungen gemacht werden – bestimmt das Auswertungsreferat. Das geht in den Auftrag ein. Das Referat sagt: Ja, wir 3723 3724 3725 3726 3727 3728 3729 3730 3731 Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S 4. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S. 6. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S. 6. Vernehmung des M. F. vom 17. April 2012, A64795 S 8. Artikel „Party machen mit den NSU-Terroristen“ auf stern.de vom 24. Juni 2013, A13715 S. 23 f. Artikel „Party machen mit den NSU-Terroristen“ auf stern.de vom 24. Juni 2013, A13715 S. 23 f. Zu vgl. Kapitel A. III. 5. b. Erkenntnismitteilung des MIK NRW vom 30. Oktober 2013, A13396 S. 46 ff. (VS-nfD). Erkenntnismitteilung des MIK NRW vom 30. Oktober 2013, A13396 S. 47. (VS-nfD). 657 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 brauchen Fotos. – Dann versucht die Observationsgruppe, so gute Fotos wie möglich zu liefern. Ich kann mich an etliche Fälle erinnern, dass mir meine Leute dann gesagt haben: Auftrag war so, konnten wir nicht erfüllen, weil Lichtverhältnisse, örtliche Verhältnisse waren so, dass wir nicht fotografieren konnten. – Aber die konkrete Festlegung – da sollen Fotos gemacht werden – bestimmt die Obs-Gruppe nicht aus sich heraus selbst, sondern der Auftraggeber sagt: ‚Ich brauche Lichtbilder‘, oder: ‚Ich brauche keine Lichtbilder‘.“3732 In einer Leitungsvorlage vom 30. Oktober 2013 hielt der Verfassungsschutz NRW fest, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass möglicherweise Angehörige des NSU an der Veranstaltung am 25. März 2006 teilgenommen haben, da man einige Teilnehmer nicht habe identifizieren können.3733 Die Zeugin Mathilde Koller hat sich bei ihrer Vernehmung an keine Details zu dem Konzert erinnern können und angegeben: „Es gab Verbindungen zu Kassel, und es gab auch ein Konzert, da erinnere ich mich aber nur schemenhaft. Es gab in Kassel ein Konzert, wo auch Dortmunder teilgenommen haben, oder umgekehrt.“3734 Der Zeuge Dirk Weinspach sagte aus, dass es mit dem LfV Hessen ein Informationsaustausch zur Person S. R. und der Geburtstagsfeier gegeben habe.3735 Ermittlungen der hessischen Polizei ergaben, dass S. R. bereits am 16. Februar 2006 einen Mietvertrag über eine Grillhütte in Braunatal für den 25. bis 26. März 2006 abgeschlossen hatte.3736 ff. Weitere Ermittlungen Es wurden seitens des BKA keine weiteren Zeugenvernehmungen des S. R. oder des M. F. durchgeführt, in denen diese zu der Feier am 25. März 2006 befragt wurden. So wurde nicht geklärt, ob S. R. sich möglicherweise irrte, als er als Veranstaltungsort das Clubheim der „Bandidos“ angab. Auch die Frage nach der Teilnahme der Band „Oidoxie“ wurde so nicht geklärt. Unklar ist weiter geblieben, ob M. F. Uwe Mundlos möglicherweise bei der Feier in der Grillhütte traf. c. Konzerte mit „Oidoxie“ 2006 und 2007 Die Angaben der Zeugen über das „Oidoxie“-Konzert 2006 in Kassel sind widersprüchlich. Während B. T. davon spricht, dieses Konzert habe im Keller eines Parketthandels in Kassel stattgefunden, hat S. R. ausgesagt, seine Geburtstagsfeier 2006 habe im Clubheim der „Bandidos“ stattgefunden. M. F. sagte aus, dass 2006 nur ein einziges von vier geplanten Konzerten in Kassel stattgefunden habe und dies sei im Clubheim der „Bandidos“ über die Bühne gegangen. Folgende weitere Konzerte von „Oidoxie“ im fraglichen Zeitraum sind bekannt: aa. Konzert am 17. März 2007 in Kassel Gesicherte Informationen zu einem Konzert am 18. März 2007 fanden sich in den vorliegenden Akten nicht. Allerdings war für den 17. März 2007 anlässlich des Geburtstags von S. R. 3732 3733 3734 3735 3736 658 Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 88. Leitungsvorlage des Verfassungsschutzes NRW vom 30. Oktober 2013, A13396 S. 52. Koller, nöAPr 16/234 S. 36. Weinspach APr 16/1340 S. 103. Schreiben des PP Nordhessen vom 30. Oktober 2013, A85346 S. 2 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ein Konzert mit „Oidoxie“ und „Celtic Dawn“ aus Heldrungen / Thüringen in Räumen der „Bandidos“ in Kassel geplant. Diese Veranstaltung wurde durch vor Ort eingesetzte Polizeikräfte im Einvernehmen mit dem Vermieter vor Beginn des Konzertes beendet. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits etwa 50 Personen in dem Clubheim anwesend. Die von den „Oidoxie“-Bandmitgliedern mitgeführten E- bzw. Bassgitarren wurden in amtliche Verwahrung genommen und am 19. März 2007 an den jeweiligen Wohnortdienststellen in NRW bzw. TH wieder ausgehändigt.3737 Dadurch sollte eine mögliche Ausweichveranstaltung verhindert werden.3738 bb. Geplantes Konzert am 21. Juni 2006 Nach Erkenntnissen des PP Nordhessen mietete M. F. für S. R. am 21. Juni 2006 die Räumlichkeiten des Clubheims der „Bandidos“ in Kassel für angebliche Geburtstagsfeiern an: „Tatsächlich waren Musikveranstaltungen mit eigens angereisten Musikgruppen der rechten Szene geplant, die durch Polizeipräsenz verhindert werden konnten. Friedrich bezeichnete sich seinerzeit schon als ‚Supporter‘ des MC Bandidos.“3739 cc. Konzert am 21. Oktober 2006 in Kassel und Erntedankfest in Düren Für den 21. Oktober 2006 war in Kassel in den Clubräumen der „Bandidos“ ein Skinheadkonzert mit Auftritten von „Oidoxie“, „Underground Rebels“, einer unbekannt gebliebenen Band und dem Sänger der Band „Hauptkampflinie“ geplant. Als Anlass sollte eine private Geburtstagsfeier des Ma. K. aus Thüringen angegeben werden. Am Tag des Konzertes wurde Ma. K. gemeinsam mit M. F. und S. R. durch die eingesetzten Kräfte gegen 17:00 Uhr an dem Clubhaus angetroffen und angesprochen. Durch das Vorgehen der Polizei wurde das Konzert verhindert. Die Anreise von Bandmitgliedern, deren Auftritt für den Abend eigentlich geplant war, konnte nicht festgestellt werden.3740 Am 21. Oktober 2006 fand auch ein Erntedankfest der „Kameradschaft Aachener Land“ und des NPD Kreisverbandes Düren in einer Gaststätte in Düren mit etwa 120 Teilnehmenden statt.3741 Dort trat ein Balladensänger aus Leipzig auf, der von Marko Gottschalk unterstützt wurde.3742 Ob zunächst ein Auftritt der Band „Oidoxie“ in Kassel geplant war und Marko Gottschalk nach dessen Absage spontan nach Düren gefahren ist oder ob der Auftritt in Düren von vornherein geplant war, ist nicht bekannt. dd. Konzert in Dassel am 18. Februar 2006 Nicht in Kassel, sondern im rund 90 Kilometer entfernten niedersächischen Dassel fand am 18. Februar 2006 auf einem privaten Anwesen ein Skinheadkonzert statt. Die Scheune dieses Anwesens war bereits im Dezember 2005 für eine Sonnenwendfeier genutzt worden.3743 Der Besitzer des Anwesens, eine Führungsperson der Kameradschaft Northeim, pflegte gute Kontakte zu Thorsten Heise, den er aus der FAP kannte.3744 Durch Kräfte der PI Northeim / Osterode konnten etwa 120 Besucher des Konzertes festgestellt werden, denen unter anderem sechs Kfz aus Thüringen und zwei aus Sachsen-Anhalt zugeordnet werden konnten. Nach den vor Ort getroffenen Feststellungen der Polizei geht 3737 3738 3739 3740 3741 3742 3743 3744 E-Mail des PP Nordhessen vom 2. April 2007, A85293 S. 2 ff. (VS-nfD). Bandprofil des LKA NRW zu „Oidoxie”, A10525 S. 217 (VS-nfD). Scheiben des PP Nordhessen vom 19. September 2012, A85346 S. 252 (VS-nfD). E-Mail des PP Nordhessen vom 24. Oktober 2006, A85292 S. 2 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 2. November 2006, A14911 S. 486 ff. (VS-nfD). Aufstellung des BKA über Veranstaltungsauftritte, A54386 S. 495 (VS-nfD). E-Mail des LKA Hannover vom 27. Februar 2006, A12220 S. 145 f. (VS-nfD). Artikel „Neonazis in der Kameradschaft Nordheim, veröffentlicht in „Neonazis in Südniedersachsen“, A54314 S. 402 (VS-nfD). 659 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 diese davon aus, dass etwa drei bis vier Bands gespielt haben, darunter „Agitator“ aus Göttingen und „Gegenschlag“ aus Kirtorf.3745 Nach Erkenntnissen des BfV spielten M. M., „Stolz und Treu“ sowie „Extressiv“ bei diesem Konzert. Zu einem Auftritt von „Agitator“ und „Gegenschlag“ ist es wegen ruhestörenden Lärms nicht gekommen.3746 Die Band „Extressiv“ ist eng mit „Oidoxie“ verwoben. Ihre Mitglieder sind Teil der „Oidoxie Streetfighting Crew“.3747 Die Polizei kontrollierte 131 Teilnehmer dieses Konzerts, darunter M. F. und S. R.. Bekannte Alias-Namen von Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt befinden sich nicht auf der Liste.3748 d. Kritische Würdigung Letztlich konnte nicht sicher geklärt werden, ob und bei welchem Konzert von „Oidoxie“ Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt anwesend waren. Da von mehreren Zeugen angegeben wurde, dass sich die beiden in Kassel aufhielten, scheint dies jedoch möglich zu sein. Ebenso kann aufgrund der Zeugenaussagen nicht ausgeschlossen werden, dass 2006 ein Konzert mit „Oidoxie“ im Clubheim der „Bandidos“ in Kassel stattfand. 3. Bundesweites Führungstreffen der „Freien Kräfte“ in Borna / Sachsen am 27. Dezember 2008 a. Erkenntnisse über das Treffen 2008 / 2009 Im Januar 2009 erhielt der Verfassungsschutz NRW Kenntnis, dass am 27. Dezember 2008 in den Räumen des „Gedächtnisstätten e.V.“ in Borna ein bundesweites Treffen der Führungspersonen der „Freien Kräfte“ stattgefunden hat. An diesem Treffen hätten insgesamt 24 Personen aus Berlin, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Nordrhein-Westfalen teilgenommen3749, unter ihnen auch Thomas Gerlach.3750 Der Leiter des Treffens habe erklärt, dass Sinn und Zweck der zukünftig regelmäßig stattfindenden, bundesweiten Treffen darin bestehe, die bestehenden Strukturen auszubauen. Weiter habe er über die zu diesem Zeitpunkt schwierige Zusammenarbeit mit der NPD und seinen beinahe erfolgten Rauswurf aus dieser gesprochen. Seiner Ansicht nach solle aber die Arbeit auf Landesebene dort, wo sie funktioniere, fortgesetzt werden. Beispielhaft habe er hier die Zusammenarbeit mit einem Neonazi in NRW genannt. Außerdem habe er dazu geraten, dass die Kameradschaften vor Ort keine Mitgliederlisten und Funktionsbezeichnungen führen, da im Zusammenhang mit Verbotsmaßnahmen gegen Kameradschaften zu rechnen sei.3751 Nach Einschätzung des Zeugen Burkhard Schnieder handelte es sich um ein besonderes Treffen. Insoweit hat er ausgeführt: „Ein Treffen dieser Art ist sicherlich außergewöhnlich. Wenn man sich die Namen anguckt, dann ist man da bei den Führungsfiguren des Rechtsextremismus. Deshalb war es besonders interessant und auch besonders wichtig, da eine Quelle zu platzieren und die Informationen zu bekommen, um über Strategien und mögliche Aktionen informiert zu sein und diese Informationen dann an andere Verfassungsschutzbehörden oder, wenn sich das zu einer möglichen Gefahr konkretisiert, an die Polizei zu steuern.“3752 3745 3746 3747 3748 3749 3750 3751 3752 660 E-Mail des LKA Hannover vom 27. Februar 2006, A12220 S. 146 (VS-nfD). Bandprofil „Extressix“, A10530 S. 173 (VS-nfD). Gutachten Jan Raabe vom 6. Januar 2016, A95351 S. 15. Schreiben der PI Northeim vom 25. April 2006, A85346 S. 202 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 6. Januar.2009, A14913 S. 104 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 18. Februar 2009, A14913 S. 178 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 6. Januar 2009, A14913 S. 104 ff., 110 (VS-nfD). Schnieder, APr 16/952 S. 156. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Dirk Weinspach hat auf die Frage, wie der Verfassungsschutz NRW dieses Treffen verfolgt habe, geantwortet: „Also, die Frage ‚wie?‘ wäre jetzt schwierig hier zu beantworten gewesen. Die allgemeine Frage: Haben wir es verfolgt? – Wir haben das eingeordnet in diese regelmäßigen Führungstreffen, die Vernetzungsstruktur, die es bundesweit zwischen Nazi-Kameradschaften und Nazi-Strukturen gibt. Und auch der Personenkreis, der dort war ... Wenn ich mich richtig entsinne: Sven Skoda war da, Laube […] Kapke, Gerlach. – Das war das ‚Who is Who‘ des Rechtsextremismus, die sich bei solchen Gelegenheiten trafen. Das war für uns jetzt nichts Überraschendes. […] Das war ein Führungstreffen, wo allgemeine Absprachen zunächst mal getroffen wurden, das Übliche: Wer organisiert die nächste Großveranstaltung? Wie mobilisiert man dahin? Lauter solche Sachen. Das waren die Dinge, die da Thema waren unter anderem.“3753 Auf die Frage, wie viele Quellen des Verfassungsschutz NRW anwesend waren, hat der Zeuge Burkhard Schnieder angegeben: „Theoretisch könnte eine zweite Person dabei gewesen sein, dass ein V-Mann-Führer das dann in einem Bericht vermengt hat. Ich gehe aber davon aus, da es ein Treffen von ‚hochrangigen‘ – in Anführungszeichen; obwohl dieser Begriff auch immer ... – … […] ... Führungskräften war, dass dann allenfalls eine Person als Quelle dabei gewesen ist. Alles andere wäre, glaube ich, völlig außergewöhnlich.“3754 b. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 aa. Ermittlungen durch den Verfassungsschutz NRW Der Zeuge Dirk Weinspach gab an, dass der Verfassungsschutz NRW den Vorgang „elektrisiert“ zur Kenntnis genommen und ihn sich sehr genau angeschaut hat, nachdem festgestellt worden ist, dass bei diesem Treffen Personen aus dem engeren Unterstützerumfeld des NSU waren.3755 Die Zeugin Mathilde Koller gab am 22. Dezember 2011 dem GBA gegenüber folgende dienstliche Erklärung zu diesem Treffen ab: „Mir liegen dienstlich erlangte Erkenntnisse vor, dass am 27.12.2008 in Borna / Sachsen ein bundesweites Führungstreffen der ‚Freien Kräfte‘ (Neonazis) stattfand, an dem mindestens 5 Aktivisten der Neonazi-Szene aus Nordrhein-Westfalen teilnahmen (u.a. [M. B., R. L., C. M.], Sven Skoda und [D. W.]) sowie der Andreas KAPKE aus Thüringen und ein [P. N.], bei dem es sich vermutlich um einen persönlichen Mitarbeiter des ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten [K. M.] aus Sachsen handelt. Bei diesem Treffen war auch eine zunächst als Mike GERLOCH bezeichnete Person anwesend, die später als Thomas GERLACH identifiziert wurde.“3756 Der Zeuge Burkhard Schnieder hat auf die Frage nach Verbindungen zwischen Personen aus NRW und dem Umfeld des NSU geantwortet: „Das wird eines von mehreren Treffen gewesen sein – viele Personen aus NRW, die ersichtlich sind, und andere Personen. Das war kein Einzelfall. Man hat sich dort getroffen. 3753 3754 3755 3756 Weinspach, APr 16/1340 S. 99. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 13. Weinspach, APr 16/1340 99 f. Dienstliche Erklärung des Verfassungsschutzes NRW vom 22. Dezember 2011, A14003 S. 7 f. 661 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Es ist ja auch bekannt, dass Personen aus Nordrhein-Westfalen auch bei Demonstrationen etwa in Ostdeutschland, in Thüringen, mit präsent waren und dass es auch etwa nach dem Fall der Mauer eine Aufbauphase gab, wo auch Rechtsextremisten von Westdeutschland aus dann Aufbauarbeit da geleistet haben. Von daher gab es immer wieder Berührungspunkte auch zwischen Rechtsextremisten in Ostdeutschland oder eben in Westdeutschland, in NRW. Aber wir haben in unseren Akten, soweit ich weiß, nie Erkenntnisse gefunden, die so verdichtet waren, dass man sagen kann: Es gab irgendwie Berührungspunkte zur NSU-Ebene oder zu den abgetauchten Personen.“3757 bb. Ermittlungen durch BKA und LKA NRW Auf entsprechende Nachfrage des BKA teilte das LKA NRW mit, dass dort keine Erkenntnisse zu dem Treffen in Borna vorlägen.3758 Aus den vorliegenden Akten geht nicht hervor, dass weitere Ermittlungen zu diesem Sachverhalt erfolgt sind. c. Kristische Würdigung Das Treffen ist zum einen ein weiteres Beispiel dafür, dass zahlreiche Aktivisten aus der nordrhein-westfälischen Neonaziszene sehr gut mit der bundesweiten Szene vernetzt waren. Zum anderen wird durch die Teilnahme von Andreas, bzw. vermutlich André Kapke und Thomas Gerlach deutlich, dass Kontakte aus NRW zumindest zum engsten Umfeld des NSU bestanden. Die Bewertung des Treffens durch den Zeugen Dirk Weinspach als „nicht Überraschendes“ und „das Übliche“ macht deutlich, dass die gute Vernetzung auch dem Verfassungsschutz NRW bekannt war. 4. Kontakte von Mitgliedern der „Kameradschaft Aachener Land“ zu Mitgliedern des NSU und dessen Umfeld a. „Zwickau rulez“ auf der Homepage der „Kameradschaft Aachener Land“ Am 21. November 2011 stellte der Verfassungsschutz NRW fest, dass die „Kameradschaft Aachener Land“ am Wochenende der 46. Kalenderwoche 2011 ein Bild auf ihre Homepage eingestellt hatte, auf dem Paulchen Panther, Inspektor Clouseau und der Schriftzug „Zwickau rulez“ zu sehen waren. Diese Abbildung war mit einem Link versehen, der zum Text des Liedes „Döner Killer“ der Band „Gigi & Die braunen Stadtmusikanten“ führte. Am 22. November 2011 war das Bild nicht mehr auf der Homepage eingestellt. Über diesen Sachverhalt informierte der Verfassungsschutz NRW am 9. Dezember 2011 den GBA.3759 Die StA Aachen leitete ein Ermittlungsverfahren wegen der Billigung von Straftaten ein. Das PP Aachen teilte dem LKA NRW und dem Verfassungsschutz NRW mit Schreiben vom 7. Februar 2012 die Gründe der StA Aachen für diese Verfahrenseinleitung wie folgt mit: „Denn auf dem Bekennervideo des NSU wurde die Figur des rosaroten Panthers dazuverwendet, sich der Mordserie zu rühmen und die Täter – entsprechend dem Charakter der Zeichentrickfigur – als listige und trickreiche, aber zugleich sympathische und liebenswerte Gauner darzustellen, die dem ‚trotteligen‘ Inspektor Clouseau (=Polizei) immer wieder entwischen. Diese verharmlosende und die Opfer verhöhnende Selbstdarstellung der Täter wird auf der Homepage der KAL erkennbar mit gleicher Zielrichtung übernommen. 3757 3758 3759 662 Schnieder, APr 16/952 S. 155 f. Schreiben des BKA vom 22. März 2013 und Vermerke des LKA NRW vom 27. März 2013, A13121 S. 255 ff. (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 9. Dezember 2011, A14003 S. 3 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der KAL um eine rechtsextremistische Vereinigung handelt, die im Ergebnis die gleiche rechtsradikale Weltanschauung wie der NSU vertritt. Im Rahmen dieser gebotenen Gesamtbetrachtung ist daher festzustellen, dass die Homepage der KAL offen mit den Tätern und ihren Motiven sympathisiert und sich von den Morden nicht distanziert. Ist aber der Darstellende einer Schrift erklärter Sympathisant eines Täters kann auch eine an sich nur beschreibende Schilderung von Taten im Sinne des § 140 Nr. 2 StGB eine Billigung beinhalten, wenn eine Distanzierung nicht erfolgt. Dies ist hier der Fall. So die Begründung der StA Aachen unter dem Az.: 1 AR 30/11.“3760 Die Ermittlungen ergaben, dass die Domain www.k-a-l.org auf eine Person in Hong Kong registriert und Provider eine Person aus Ankara in der Türkei war.3761 Nach Auskunft des Türkischen Innenministeriums waren diese Angaben zur Internetseite jedoch gefälscht.3762 Auch weitere Mitglieder der „Kameradschaft Aachener Land“ nahmen positiven Bezug auf den NSU bzw. die Ceska-Mordserie. Am 20. November 2011 schrieb ein Mitglied eine SMS, die ebenfalls die Worte „Zwickau rulez!!“ enthielt. Ein weiteres Mitglied leitete eine Nachricht weiter, in welcher die Bestellung von T-Shirts mit der Aufschrift „Killer-Döner“ angeregt wird.3763 b. Kontakte der „Kameradschaft Aachener Land“ nach Thüringen Das LKA NRW überprüfte, ob es Verbindungen zwischen Mitgliedern der „Kameradschaft Aachener Land“ und Personen aus Thüringen gab. Der Zeuge Dieter Kretzer hat zum Ergebnis dieser Prüfung ausgeführt: „Wir haben aber keine Personenverbindungen zur ‚Kameradschaft Aachener Land‘ herstellen können. Wir haben natürlich auch Auswerteprojekte gehabt, die sich auf die Szenen bezogen haben. Das hat ja nachher auch dazu geführt, dass der Minister entschieden hat, der Polizei in Aachen, in Köln, in Wuppertal und in Dortmund Personal zuzuweisen, damit diese Szenen intensiver überwacht und kontrolliert werden konnten. Von daher haben wir uns mit der ‚Kameradschaft Aachener Land‘ in dem Kontext auch auseinandergesetzt. Wir haben eine zusätzliche Ermittlungskommission gehabt. Das war die EG ‚Rose‘, die im Zusammenhang mit den Aktivitäten der ‚Kameradschaft Aachener Land‘ ermittelt hat. Aber auch in dem Zusammenhang sind mir keine Verbindungen erinnerlich. Konkrete Personenverbindungen oder Verbindungen zu Aktivitäten der Vertreter von ‚Kameradschaft Aachener Land‘ und Thüringen sind mir nicht bekannt.“3764 c. Person D. T. D. T. war nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes NRW Mitglied der „Kameradschaft Aachener Land“ und fiel das erste Mal am 8. November 2008 auf einer Demonstration in Aachen auf. Er gilt als gewaltbereiter Rechtsextremist und beging rechtsmotivierte Straftaten und Gewaltdelikte. Unter anderem wurde er am 22. September 2010 wegen des Auffindens von USBV im Zusammenhang mit einer Demonstration zum 01. Mai 2010 in Berlin verhaftet. 3760 3761 3762 3763 3764 Schreiben des PP Aachen vom 7. Februar 2012, A14004 S. 4 (VS-nfD). Vermerk der BAO REMOK vom 8. Mai 2012, A10330 S. 24. Schreiben des Türkisches Innenministerium vom 9. Juli 2012, A10332 S. 283 ff. (VS-nfD) Vermerk des PP Aachen vom 27. August 2013, A14010 S. 203. Kretzer, APr 16/952 S. 103. 663 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Außerdem wurde seine DNA an einer USBV, die am 17. Juli 2010 vor dem Autonomen Zentrum in Aachen deponiert worden war, identifiziert. Am 03. Oktober 2011 ist D. T. nach München gezogen.3765 Gemeinsam mit zwei führenden Kadern der „Neuen Kameradschaft München“, mietete D. T. ein freistehendes Einfamilienhaus in München und verlegte seinen Wohnsitz dorthin. In diesem sogenannten „Braunen Haus“ finden regelmäßig Treffen und Veranstaltungen der rechten Szene statt. Für die Dauer des Strafverfahrens gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München soll André Eminger und der Mutter von Ralf Wohlleben in dem Haus Obdach gewährt werden.3766 Erkenntnisse, dass D. T. schon zuvor Kontakte zu Personen aus dem Umfeld des NSU hatte, lagen dem Verfassungsschutz NRW nicht vor. Nach dessen Ansicht spricht jedoch dagegen, dass D. T. zum Zeitpunkt des Abtauchens von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 erst 13 Jahre alt war und seine erkennbaren Aktivitäten erst 2008 begannen. Mit Sicherheit kann der Verfassungsschutz NRW entsprechende Kontakte jedoch nicht ausschließen.3767 Auch nach seinem Umzug nach München hielt D. T. Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern der inzwischen verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“. Dazu stellte der Verfasssungsschutz NRW fest: „Der harte Kern der Aachener Aktivisten um [A. P.] orientiert sich seit einiger Zeit im zunehmenden Maße in Richtung der militanten und gewaltbereiten bayerischen Neonaziszene und weist wenig Affinität zur politischen Arbeit im Sinne von Parteiarbeit auf.“3768 Bei einer Feier der „Kameradschaft Aachener Land“ anlässlich des 10-jährigen Bestehens dieser Kameradschaft wurden außerdem erstmalig Kontakte zur damaligen „Jagdstaffel D.S.T. (Deutsch-Stolz-Treu)“ aus Bayern bekannt. Mitglieder dieser „Jagdstaffel D.S.T.“ standen im Verdacht des Waffenhandels. Der Verfassungsschutz NRW kam daher im November 2013 zu der Einschätzung, dass aufgrund der Nähe einiger bayerischen Aktivisten zum Rechtsterrorismus die Kontakte der ehemaligen Mitglieder der „Kameradschaft Aachener Land“ nach Bayern eine erhöhte Aufmerksamkeit und einen engen Informationsaustausch mit den dortigen Behörden erfordern würden.3769 d. Person A. P. A. P. war bis zu deren Verbot Mitglied bei der „Kameradschaft Aachener Land“ und wurde bei der Gründung des Kreisverbandes Aachen der Partei „Die Rechte“ am 2. Februar 2013 zu dessen Kreisvorsitzenden gewählt.3770 Erkenntnissen des PP München zufolge nahmen D. T. und A. P. am 21. Januar 2012 an einer „rechten“ Versammlung in München teil. A. P. trug dabei einen Pullover der „Kameradschaft Aachener Land“. Bei dieser Veranstaltung wurde das „Paulchen-Panther-Lied“ abgespielt. Aufgrund dessen wurde ein Strafverfahren gegen N.B., der ursprünglich aus NRW stammt, wegen Belohnung und Billigung von Straftaten eingeleitet.3771 3765 3766 3767 3768 3769 3770 3771 664 Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 19. Juni 2013, A14003 S. 21 ff. (VS-nfD). Ergänzte Tagesordnung des Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, A10571 S. 248 f. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 19. Juni 2013, A14003 S. 21 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 22. November 2013, A14060 S. 428 (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 22. November 2013, A14060 S. 428 (VS-nfD). Power-Point-Präsentation zu rechten Strukturen im Bereich Aachen vom 14. Januar 2014, A14026 S. 21, 32 (VS-nfD). E-Mail des des Verfassungsschutzes NRW vom 15. Oktober 2013, A14060 S. 325 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 e. Ermittlungen durch das LKA NRW Auch die BAO Trio des LKA NRW überprüfte ab dem 14. November 2011, inwiefern es Kontakte zwischen D. T. und dem Umfeld des NSU gab. Auslöser dafür war der Angriff von Personen aus der rechten Szene auf das Lokal „HirschQ“ in Dortmund am 26. August 2010. An diesem Angriff waren unter anderem D. T. und P. L. aus Thüringen beteiligt. Ob und inwieweit P. L. Kontakte zum „Thüringer Heimatschutz“ hatte, war dem LKA NRW nicht bekannt. Eine Überprüfung durch den Polizeilichen Staatsschutz des PP Aachen ergab, dass ein direkter Kontakt zwischen der „Kameradschaft Aachener Land“ und dem „Thüringer Heimatschutz“ nicht belegt werden kann.3772 P. L. hatte auch Kontakte zu Führungspersonen der „Autonomen Nationalisten“ in Dortmund. Erstmalig trat er in Dortmund am 1. Mai 2009 im Zusammenhang mit gewalttätigen Ausschreitungen der rechten Szene in Erscheinung und hielt sich seitdem immer wieder in Dortmund auf, insbesondere bei Demonstrationen zum „Antikriegstag“.3773 Dies wurden auch dem LKA Thüringen mitgeteilt, welches am 17. November 2011 nach Erkenntnissen zu Verbindungen zwischen dem „Thüringer Heimatschutz“ und der rechten Szene in Dortmund angefragt hatte.3774 f. Sachbeschädigungen in NRW und Bayern Im Mai 2013 kam es in NRW zu mehreren Sachbeschädigungen an Moscheen und in einem Fall am Wohnobjekt eines Moscheevorsitzenden. Am 9. Mai 2013 wurden die Scheiben der Moschee in Lengerich durch Steinwürfe eingeschlagen. In Düren wurde in der Nacht des 18. Mai 2013 der Eingang der Islamischen Gemeinde mit dem Schriftzug „NSU lebt weiter und ihr werdet die nächsten Opfer sein“ beschmiert. Außerdem erstattete der Vorsitzende der Moschee in Elsdorf Anzeige, da zwischen dem 19. und 21. Mai 2013 die Balkontür seines Wohnhauses offenbar durch einen Schuss mit einer Luftpistole oder ähnlichem beschädigt wurde. Die Moscheen in Düren, Lengerich und Elsdorf, jedoch nicht Name und Anschrift des Moscheevorsitzenden in Elsdorf, stehen auf aufgefundenen Listen des NSU, welche mit „Das Telefonbuch für Deutschland“ überschrieben waren. Nach Einschätzung des BKA sollten diese Adresslisten möglicherweise als Basis für die Planung weiterer Straftaten dienen oder die DVD mit dem Bekennervideo des NSU sollte an die auf der Liste stehenden Adressen versandt werden. Es ist nicht bekannt, ob die Täter Kenntnis von dem Inhalt dieser Listen hatten und die Moscheen deswegen ausgesucht haben. Auch in Bayern kam es im April und Mai 2013 zu mehreren Sachbeschädigungen, die nach Einschätzung des LfV Bayern von Rechtsextremen begangen wurden.3775 g. Kritsiche Würdigung Der Ausschuss stimmt der Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW zu, dass die Kontakte von ehemaligen Mitgliedern der „Kameradschaft Aachener Land zu Neonazis aus Bayern einer intensiven Beobachtung bedürfen. Die positive Bezugnahme der „Kameradschaft 3772 3773 3774 3775 Vermerk des LKA NRW vom 13. Februar 2012, A13053 S. 66 ff. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 13. Februar 2012, A12759 S. 43 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 13. Februar 2012, A13051 S. 166 ff. (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 27. Juni 2013, A14003 S. 26 f. (VS-nfD). 665 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Aachener Land“ auf die Taten des NSU und der Kontakt zu militanten Neonazis zeigt, dass die Ideologie dieser Personen in nicht unerheblichen Teilen mit der des NSU übereinstimmt. 5. Hinweise des Sebastian Seemann zu Tatwaffen „Bruni“ und „TT33“ Neben der bei den neun Morden der Ceska-Mordserie verwendeten Pistole Marke Ceska Zbrojovka Modell 83, Kaliber 7,65 mm nutzten die Täter bei den Morden an Enver Şimşek und Süleyman Tasköprü eine umgebaute Schreckschusspistole der italienischen Marke Bruni, Modell 315 Auto, Kaliber 6,35 mm.3776 Diese Waffe wurde im Brandschutt der Wohnung von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau gefunden.3777 Dort wurde auch die Pistole TOZ TT 33 aufgefunden, mit der auf den Polizeibeamten Martin Arnold geschossen wurde.3778 Bei der TT 33 handelt es sich um eine von der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg benutzte Selbstladepistole. a. Angaben von Sebastian Seemann gegenüber der Polizei Dortmund 2011 Am 25. November 2011 trafen sich zwei Mitarbeiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund mit dem Zeugen Sebastian Seemann, um ihn zu Verbindungen des „Thüringer Heimatschutzes“ nach Dortmund zu befragen.3779 In diesem Gespräch berichtete der Zeuge Sebastian Seemann, dass ihn die Mordserie des NSU an die Vorgehensweise in den „Turner Diaries“ erinnere und dass Dortmunder Neonazis eine „Combat 18“-Zelle haben bilden wollen.3780 Im Nachgang zu diesem Gespräch teilte der Zeuge Sebastian Seemann am 5. Dezember 2011 unaufgefordert telefonisch mit, er könne möglicherweise Angaben zur Herkunft von zwei der vom NSU genutzten Waffen machen, sofern diese umgebaut worden seien. Dabei nannte er insbesondere eine „TT 33“ und eine „Bruni“. Von der Existenz der Waffen habe er aus der Presse erfahren. Zur Beurteilung der Waffe reiche ein Foto aus.3781 Darauf kam es zu einem weiteren Gepräch am 12. Dezember 2011. Hier machte der Zeuge Sebastian Seemann ausweislich eines Vermerks des PP Dortmund die folgenden Angaben: „Zu den Schusswaffen gab er an, dass für einen Umbau von Waffen der [S.] in Betracht kommen könnt. Dieser habe mal eine PTB-Waffe zu einer scharfen Waffe umgebaut. Besonders an diesem Umbau war, dass der neue Lauf mit Bolzen von außen gehalten wurde. Die Waffe war schießfähig. Der [S.] war vermutlich zeitweise im Besitz einer Pistole RADOM. [...] Zu den Wegen der Schusswaffen gab er an, dass diese möglicherweise aus Belgien stammen könnten. In Belgien sei es ohne große Schwierigkeiten möglich, an scharfe Schusswaffen zu kommen. Auf dortigen Märkten frage niemand nach, wenn Schusswaffen gekauft werden. Die Belgier (B&H) seien möglicherweise mit Schusswaffen nach Deutschland gekommen, um diese hier zu verteilen. Im Gegenzug haben diese sich hier mit Pfefferspray versorgt, da dieses in Belgien verboten war. Die Verteilung und Vermittlung der Schusswaffen erfolgte über GOTTSCHALK. Selbst besessen habe der GOTTSCHALK vermutlich keine scharfe Schusswaffe.“3782 3776 3777 3778 3779 3780 3781 3782 666 Vermerk des BKA vom 21. August 2012, A62156 S.127 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 21. August 2012, A62156 S.165 (VS-nfD). Schreiben des BKA vom 8. Oktober 2012, A62156 S. 303; Vermerk des BKA vom 21. August 2012, A62156 S.125 (VS-nfD). Vermerke PP Dortmund vom 19. und 13. Dezember 2011, A13290 S. 40 f., 42 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A13290 S. 42 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A13290 S. 43 f. (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A13290 S. 44 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 b. Abklärung des Hinweises durch das PP Dortmund und BAO Trio 2012 Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund leitete diesen Hinweis am 19. Dezember 2011 an die von dem Zeugen Michael Schenk geleitete EK Kiosk des PP Dortmund. Der Zeuge Michael Schenk leitete wiederum sämtliche Vermerke zu den Angaben des Zeugen Sebastian Seemann am 20. Dezember 2011 auf dem Dienstweg über das LKA NRW an die BAO Trio des BKA und die BAO Bosporus und bat zugleich um Mitteilung, durch wen eine weitere Abklärung des Hinweises erfolgen solle. Sofern das PP Dortmund weiter ermitteln soll, bat er um Beantwortung der Frage, ob dem Zeugen Sebastian Seemann Bilder der umgebauten Waffen vorgelegt werden sollen. Zugleich wies er darauf hin, dass dem PP Dortmund keine entsprechenden Lichtbilder vorlägen.3783 Die BAO Trio des BKA äußerte sich in einem Vermerk vom 6. Januar 2012, welcher dem PP Dortmund zugeleitet wurde3784, wie folgt: „Die von SEEMANN benannten Personen und Sachverhalte weisen derzeit keinen unmittelbaren Bezug zu den hier aufgeführten Ermittlungen auf. Die benannte mutmaßliche Tatwaffen zum Polizisten Mord in Heilbronn war kein Umbau […] Daher wird angeregt, dem Vorschlag des PP Dortmund [...] zu folgen und die weiteren Ermittlungen dort vornehmen zu lassen.“3785 Mit der Abklärung des Hinweises war demnach das PP Dortmund beauftragt worden. Der Vermerk des BKA enthielt allerdings nur Informationen zu einer der beiden von Sebastian Seemann erwähnten Waffen. Während es sich bei der in Heilbronn verwandten „TT 33“ tatsächlich nicht um einen Umbau handelte, war die bei zwei Ceska-Morden verwandte „Bruni“ eine durch Umbauten „scharf gemachte“ PTB-Pistole, deren Kaliber von 8mm auf 6,35 mm verkleinert wurde. Dass es sich bei der „Bruni“ um einen Umbau handelte, war dem BKA seit einem Behördengutachten vom 9. Dezember 2011 bekannt.3786 Zu der „Bruni“ äußerte sich das BKA in dem Vermerk vom 6. Januar 2012 nicht. Der Zeuge Michael Schenk hielt daraufhin am 17. April 2012 in einem Vermerk fest, dass der Hinweis des Zeugen Sebastian Seemann ohne weitere Relevanz sei: „Seemann machte gegenüber KHK […] Angaben zur rechten Szene und zu der möglichen Tatwaffe Bruni TT33, die angeblich umgebaut worden sein soll und er dann zur Herkunft der Waffe etwas sagen könnte. Ein Umbau der aufgefundenen Tatwaffe wurde durch das BKA verneint. Somit ergaben sich daraus keine weiteren Ermittlungsschritte.“3787 In diesem Vermerk vom 17. April 2012 wurden aus den zwei Tatwaffen „Bruni“ und „TT 33“ eine einzige Waffen „Bruni TT33“ gemacht. Auf die Frage, wie es zu dieser Vermengung kommen konnte, hat der Zeuge Michael Schenk geantwortet: „Also, ich kann mich daran erinnern, dass ich beim BKA nachgefragt habe und den Hinweis von Seemann abgeklärt habe bezüglich der Waffe Bruni TT33, ob das in irgendeiner Form überhaupt in Betracht kommt. Mir wurde vom BKA mitgeteilt, dass die Waffe erstens nicht in den Überresten der Wohnung gefunden wurde und dass es offensichtlich auch nicht die Waffe ist, die als zweite Waffe, auf die ich ganz zu Beginn meiner 3783 3784 3785 3786 3787 Schreiben des PP Dortmund vom 20. November 2011, A13293 S. 300 f. (VS-nfD). E-Mail des BKA vom 6. Januar 2012, A13290 S. 13 ff. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 6. Januar 2012, A13290 S. 16 f. (VS-nfD). Anklageschrift des GBA im Verfahren gegen Zschäpe u. a., A62153 S. 217 (VS-nfD). Vermerk des PP Dortmund vom 17. April 2012, A13290 S. 111 (VS-nfD). 667 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Aussage eingegangen bin, dass es sich dabei um eine Bruni handelt. Somit ergaben sich daraus keine weiteren Ermittlungsschritte – so, wie ich es hier geschrieben habe – bezüglich der Tatwaffe oder dieser Waffe ‚Bruni TT33‘, die von Seemann angesprochen wurden.“3788 Auf den Hinweis, dass es sich bei „Bruni“ und „TT33“ um zwei verschiedene Waffen handelt, hat der Zeuge Michael Schenk erwidert, dass ihm dies nicht bekannt sei.3789 Der Zeuge Christian Hüser, Polizeibeamter der KTU des PP Dortmund, hat auf die Frage nach den Waffenkenntnissen des Zeugen Michael Schenk sowie die Frage, ob diesem bekannt sei, dass es sich bei der „Tokarev“ und der „Bruni“ um zwei verschiedene Waffen handelt, ausgeführt: „Das weiß ich nicht. Ich denke, dass er schon, sagen wir, ein gewisses Grundwissen hat. Als langjähriger Mitarbeiter des Kriminalkommissariats 11 hat er auch sehr viel mit Tötungsdelikten und dementsprechend auch dem Einsatz von Waffen zu tun. Aber wie detailliert da seine Kenntnisse sind, das weiß ich nicht.“3790 In den nächsten drei Jahren erfolgten seitens des PP Dortmund oder des BKA keinerlei Ermittlungsschritte zu den Hinweisen des Zeugen Sebastian Seemann. c. Weitere den Behörden aus NRW vorliegende Informationen Dem Polizeilichen Staatschutz des PP Dortmund lagen bereits Hinweise aus dem Jahr 2004 vor, wonach F. S. für den Zeugen Sebastian Seemann Waffen repariert bzw. umgebaut haben soll.3791 Dem Verfassungsschutz NRW war im Jahr 2005 darüber hinaus bekannt, dass der Zeuge Sebastian Seemann über vier Pump-Action-Schrotflinten verfügt haben soll, die als Dekowaffen über den Versandhandel gekauft und dann „scharf gemacht“ worden sein sollen.3792 Bei dem von dem Zeugen Sebastian Seemann genannten S. handelt es sich nach Erkenntnissen des PP Dortmund um F. S. Dieser ist wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vorbestraft und hat eine Haftstrafe wegen Totschlages verbüßt, nachdem er 1992 im Vollrausch einen Marokkaner erschossen und zwei weitere Personen angeschossen hatte.3793 Bei seiner Festnahme gab F. S. gegenüber der Polizei an, dass er von den Arabern als Drecksdeutscher beschimpft und angespuckt worden sei und dass eine solche Handlung einem Todesurteil gleichkäme.3794 Am 17. April 2000 wurden F. S. und ein Mittäter wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Waffengesetz durch SEK-Beamte in Kamen verhaftet. Die Polizei hatte zuvor von einem geplanten Waffendeal erfahren. Bei der Festnahme stellte die Polizei drei scharfe Waffen sowie zahlreiche Munition sicher. Anschließende Hausdurchsuchungen führten zum Auffinden von „erheblichen Mengen an Waffen und Munition an der Wohnanschrift des F. S.“3795 Das AG Unna verurteilte F. S. am 22. Januar 2001 „wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Schußwaffe und wesentliche Teile von Schuß- 3788 3789 3790 3791 3792 3793 3794 3795 668 Vermerk des PP Dortmund vom 17. April 2012, A13290 S. 111 (VS-nfD). Schenk, APr 16/1142 S. 55. Hüser, APr 16/1216 S. 9. Vermerk PP Dortmund vom 3. Februar 2012, A10383 S. 79 ff. Behördenzeugnis zu Sebastian Seemann vom 1. Oktober 2005, A12223 S. 52 f. Vermerk des PP Dortmund vom 13. Dezember 2011, A13324 S. 8. Vermerk des PP Dortmund vom 6. Oktober 1992, A10775 S. 446 (VS-nfD). Merkblatt der KPB Unna vom 17. April 2000, A10384 S. 11. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 waffen in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schußwaffe sowie unerlaubten Herstellens von Schußwaffen, wobei es sich jeweils um minderschwere Fälle handelte zu Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr (3 x 6 Monate) verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wird zu Bewährung ausgesetzt.“3796 F. S. ist der Vater eines Mitglieds der „Oidoxie Streetfighting Crew“, das nach Aussage des Zeugen Sebastian Seemann der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund angehörte.3797 Die Polizei notierte 2003 über F. S., dieser sei: „[…]mindestens ein Deutschnationaler […], möglicherweise auch Rechtsradikaler. Er haßt die Ausländer und ist ein Waffennarr.“3798 Aus den vorliegenden Akten ergibt sich nicht, dass diese Informationen in die Abklärung der Hinweise des Zeugen Sebastian Seemann aus dem Jahr 2011 eingeflossen sind. d. Abklärung des Hinweises durch das BKA 2014 / 2015 Im Juni 2013 und im November 2014 beantragten Vertreter der Nebenklage in dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München Sebastian Seemann als Zeugen zu laden und ihm unter anderem im Wege der Beweisermittlung die in Zwickau aufgefundene Pistolen „Bruni“ und „TOZ TT33“ bzw. Bilder davon vorzulegen und ihn zu fragen, ob ihm bekannt sei, wer diese Waffen umgebaut habe.3799 Am 9. Dezember 2014, drei Jahre nachdem der Zeuge Sebastian Seemann angegeben hatte, dass er möglicherweise Angaben zu den umgebauten Waffen machen könne, führte das BKA erstmals eine zeugenschaftliche Vernehmung durch. Bei der Vernehmung wurden ihm Bilder der Pistole „Bruni“ vorgelegt, mit dem Hinweis, dass diese umgebaut worden sei. Der Zeuge Sebastian Seemann gab an, dass er auf den Bildern nicht erkennen könne, ob diese Waffe umgebaut worden sei und gab weiter an: „Ich würde gerne die Pistolen sehen, wie der Lauf neu verschweißt wurde, ob der Stoßboden neu verschweißt wurde etc.. Dann könnte ich vielleicht was sagen, aber so erkenne ich leider nichts. Ich würden es Ihnen mitteilen, wenn es sich um einen Waffenumbau aus der Dortmunder Szene handeln könnte, insofern ich die Detailaufnahmen aus dem Inneren sehen würde.“ Auch von der Pistole „TOZ TT33“ wurde dem Zeugen Sebastian Seemann ein Foto gezeigt, er konnte jedoch zur Herkunft der Waffe nichts sagen. Außerdem gab er an, dass Marko Gottschalk ihm mit Sicherheit davon erzählt hätte, wenn Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Kontakte nach Dortmund oder nach Kassel gehabt hätten und sich Waffen von dort hätten besorgen wollen.3800 Am 28. Januar 2015 vernahm das BKA den Zeugen Sebastian Seemann erneut. Er machte weitere Angaben zur Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ in Dortmund.3801 Das BKA legte ihm nun Fotos einer zerlegten „Vergleichswaffe für Pistole Bruni, geändert auf 6,35mm“ sowie der Pistole „TT 33“ vor.3802 Dazu gab er an, dass ihm nicht bekannt sei, dass F. S. jemals 3796 3797 3798 3799 3800 3801 3802 Urteil des AG Unna vom 20. Dezember 2000, A10775 S. 436 f. (VS-nfD). Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 58. Merkblatt der PP Dortmund vom 17.04.2000, A10775 S. 449 f. (VS-nfD). Beweisantrag der Nebenklagevertreter vom 6. November 2014, A62171 S. 9 ff. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 9. Dezember 2014, A62171 S. 47 ff. Zu vgl. Zweiter Teil A. I. 4. f. hh. (1). Lichtbildtafel für Zeugenvorlage, A62171 S.77 f. 669 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 eine solche Waffe umgebaut habe und dass ein solcher Umbau sehr umfangreich sei. Weiter sagte er aus, dass er die „T33“ nur erwähnt habe, weil er selbst mal eine solche Waffe besessen habe. Diese habe es früher in Ostdeutschland und Russland häufig gegeben. Auf Bildern einer Pistole „TOZ TT33“ zeichnete er die Stellen ein, die für den Umbau zu einer scharfen Waffe bearbeitet werden müssten und gab an, dass für den Umbau das Anschweißen einer neuen Verriegelung notwendig sei und F. S.Schweißnähte grundsätzlich schlecht ausgeführt habe. Das BKA legte dem Zeugen Sebastian Seemann Bilder von zwei weiteren Waffen vor, die bei Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gefunden wurden und die umgebaut waren. Dabei handelte es sich um einen Revolver „MeZeher“, umgeändert von 9mm Knall auf .38 Special und Revolver „Kora“, umgeändert von 6mm Flobert auf 22ljb. Der Zeuge Sebastian Seemann gab an, dass F. S. aufgrund von Sicherheitsbedenken keinen Umbau auf das Kaliber .38 Special gemacht habe. Grundsätzlich habe F. S. vor allem Dekowaffen umgebaut, einen Schreckschussrevolver hätte er, wenn überhaupt, nur in ein kleines Kaliber umgebaut. Da es den Revolver Flobert in Deutschland sowieso als scharfe Waffe gebe, hätte F. S. auch diesen eher nicht umgebaut. Er glaube daher nicht, dass F. S.die Umbauten der gezeigten Waffen vorgenommen habe. Zu F. S. gab der Zeuge Sebastian Seemann an, dass dieser ein alter Mann, der nur Waffen im Sinn gehabt habe, aber kein Nazi gewesen sei. Dessen Sohn habe sich jedoch in der rechten Szene in der Terrorzelle um Gottschalk bewegt.3803 e. Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss Der Zeuge Sebastian Seemann hat auch vor dem Ausschuss ausgesagt, dass seiner Meinung nach keine Person aus der Dortmunder Szene die Umbauten vorgenommen habe.3804 Der Zeuge Leopold Pfoser, der beim BKA als Spezialist für Schusswaffen tätig war, hat angegeben, dass er sich auch mit der umgebauten Schreckschusspistole „Bruni“ befasst habe. Es sei offensichtlich zu sehen gewesen, dass der Schlagbolzen von Hand bearbeitet worden sei. Ein solcher Umbau sei auch ohne tiefer gehende technische Kenntnisse möglich. Die Angaben des Zeugen Sebastian Seemann zu dieser Waffe seien ihm nicht bekannt, auch sei er nie nach Bildern der Waffe für eine Vorlage bei Sebastian Seemann gefragt worden. Nach seiner Einschätzung sei es etwas „aus der Luft“ gegriffen, dass jemand auf Grund der Art und Weise des Umbaus erkennen könne, von wem die Waffe umgebaut wurde.3805 Der Zeuge Otmar Soukup hat auf die Frage, warum Sebastian Seemann erst drei Jahre nach seiner ersten Vernehmung im Zusammenhang mit dem NSU Bilder der Waffen vorgelegt worden seien, angegeben: „Um Ihnen das wirklich umfassend beantworten zu können, müsste ich mir den Vorgang im Einzelnen anschauen. Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich meine, dass der Vorgang bei uns gelandet ist, und relativ zeitnah, und auch bei uns bewertet worden ist – davon muss man ausgehen, wenn der Vorgang, wenn wir uns danach rühren ... Da muss man schauen, welche Bewertung auf diesen Sachverhalt gelegt worden ist, wie weit wir bei den Herkunftsermittlungen der Waffen insgesamt schon waren, und ob das jetzt noch für uns von besonderer Bedeutung war, oder ob man gesagt hat: Das stellen wir erst mal zurück. Dass er – ich sage mal – nicht untergegangen ist, zeigt ja auch die, wenn auch späte, 3803 3804 3805 670 Vernehmung des Sebastian Seemann vom 28. Januar 2015, A62171 S. 61 ff. Seemann, nöAPr 16/230 S. 30 f. Pfoser, APr 16/1211 S. 54 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Vernehmung – aber immerhin, dass er in den Akten war. Aber vielleicht hat er in dem Moment zunächst mal keine Rolle gespielt und wurde zurückgestellt.“3806 f. Ergebnis Verkaufswegefeststellung Das BKA konnte den Verkaufsweg der Pistole „Bruni“ nicht ermitteln, da diese ursprünglich eine erlaubnisfrei zu erwerbende Schreckschusspistole war.3807 Zu der Pistole „TOZ TT 33“ teilten russische Behörden mit, dass diese Waffe in den Jahren 1930 bis 1942 hergestellt wurde, aus dieser Zeit jedoch keine Unterlagen mehr vorlägen, so dass eine Verkaufswegefeststellung nicht möglich sei.3808 g. Kritische Würdigung Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich das BKA in dem Vermerk vom 6. Januar 2012 nicht zu der „Bruni“ geäußert hat. Dass der Zeuge Michael Schenk in dem Vermerk vom 17. April 2012 aus den zwei Tatwaffen eine „Bruni TT33“ gemacht hat, ist zumindest als fahrlässig anzusehen. Dafür, dass diese Spur lange Zeit unberücksichtigt blieb und weitere Vernehmungen des Zeugen Sebastian Seemann erst Ende 2014 bzw. Anfang 2015 erfolgten, gibt es keine plausible Erklärung. Gerade bei der Frage nach der Herkunft der beim NSU aufgefundenen Waffen wäre eine bevorzugte Behandlung der Hinweise des Zeugen Sebastian Seemann angezeigt gewesen. 6. Kontakt zwischen Beate Zschäpe und Robin Schmiemann Der aus Dortmund stammende Zeuge Robin Schmiemann hatte zumindest nach Bekanntwerden des NSU Kontakt zu Beate Zschäpe. a. Briefkontakt zwischen Beate Zschäpe und Robin Schmiemann Anfang 2013 stellte die JVA Bielefeld-Senne fest, dass der Zeuge Robin Schmiemann regelmäßig in Briefkontakt mit Beate Zschäpe stand. Der Zeuge Robin Schmiemann verbüßte in dieser JVA eine achtjährige Haftstrafe wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.3809 Vor seiner Haftzeit war der Zeuge Robin Schmiemann in der rechten Szene in Dortmund aktiv. Während der Haftzeit fiel auf, dass der Zeuge Robin Schmiemann weiterhin mit der rechten Szene sympathisiert und dieser auch noch angehört.3810 Unter anderem wurden in seiner Haftzelle ein USB-Stick mit Musik der Bands „Sturmwehr“ und „Sturm 18“ und T-Shirts mit der Aufschrift „Terrormachine“ und „Oidoxie Streetfighting Crew“ gefunden.3811 Zudem hielt er innerhalb der JVA Kontakt zu einem führenden Mitglied der Düsseldorfer Kameradschaft LDU.3812 Der JVA Bielefeld-Senne waren die Hintergründe zu dem Briefkontakt zwischen Robin Schmiemann und Beate Zschäpe nicht bekannt, weshalb der Verfassungsschutz NRW um eine Sichtung und Bewertung der Briefe gebeten wurde.3813 Dieser informierte am 25. März 3806 3807 3808 3809 3810 3811 3812 3813 Soukup, APr 16/1347 S. 56. Vermerk des BKA vom 28. August 2012, A62162 S. 266 f. Vermerk des BKA vom 21. August 2012, A62156 S.125 (VS-nfD). Urteil des LG Dortmund vom 27.08.2007, A10081 S. 213 ff. Beschluss des LG Bielefeld vom 14.06.2013, A20157 S. 38. Schreiben der JVA Bielefeld-Senne vom 10. Mai 2013, A20160 S. 387 f. Schreiben der JVA Bielefeld-Senne vom 27. Juni 2013, A20158 S. 9; Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 10. März 2006, A13750, S. 84 (VS-nfD). Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 30. April 2013, A62164 S. 305. 671 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2013 den Polizeilichen Staatsschutz des PP Dortmund über den Briefkontakt.3814 Mitarbeiter des Verfassungsschutz NRW trafen sich daraufhin mit dem Leiter der JVA Bielefeld-Senne, der Ablichtungen der ihm vorliegenden Briefe von Beate Zschäpe und Robin Schmiemann übergab. Diese Ablichtungen leitete der Verfassungsschutz NRW an den Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund.3815 Dieser leitete die Ablichtungen über das LKA NRW im März 2013 an das BKA.3816 Das BKA erhielt vorher keine Kenntnisse von Inhalten, Absendern und Adressaten der Post an bzw. von Beate Zschäpe, da auf Grund eines Beschlusses des BGH die gesamte Postkontrolle durch den GBA erfolgte.3817 b. Angaben von Robin Schmiemann zum Briefkontakt Der Zeuge Robin Schmiemann hat eingeräumt, dass er Beate Zschäpe angeschrieben habe. Seitdem stehe er mit ihr in Briefkontakt, wobei die Abstände zwischen den Briefen inzwischen größer geworden seien. Vor seiner Inhaftierung habe er Beate Zschäpe nicht gekannt. Zu seiner Motivation zur Kontaktaufnahme hat er angegeben, dass er gut einschätzen könne, wie sich jemand in Untersuchungshaft fühle und mit welchen Konsequenzen das verbunden sei. Deswegen könne er jemandem wie Beate Zschäpe nicht nur Rat geben, sondern sie auch psychisch aufbauen.3818 c. Kennverhältnis zwischen Beate Zschäpe und Robin Schmiemann vor Bekanntwerden des NSU Auf Grund des intensiven Briefkontakts ist denkbar, dass sich Beate Zschäpe und der Zeuge Robin Schmiemann bereits vor der Inhaftierung von Beate Zschäpe kannten. Der GBA konnte jedoch keine Anhaltspunkte dafür finden und geht daher davon aus, dass der Kontakt während der Haftzeit der beiden entstanden ist.3819 Auch der Zeuge Sebastian Seemann hat angegeben, dass er nichts von einem Kontakt von Robin Schmiemann zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe vor November 2011 wisse und auch nicht glaube, dass dieser bestanden habe. Seiner Meinung nach hätte Schmiemann ihm ansonsten davon erzählt. Zu der Frage, wie der Kontakt zu Beate Zschäpe entstanden sei, hat er angegeben: „Ich weiß nicht wie der an die ZSCHÄPE geraten ist, […]. Der ist […], wie ein Kind, aber in gewisser Weise auch hochgefährlich. […] Der würde niemals was mit ZSCHÄPE insofern zu tun gehabt haben, als dass er da was von den Aktivitäten der Gruppe wusste. Der war ein Frauenheld, hatte viele weibliche Bekannte. Ich kann mir nur vorstellen dass die sich kennen über die Anwälte, oder über die mittlerweile verbotene HNG.“3820 Die Sachverständige Andrea Röpke hat zum Briefkontakt zwischen dem Zeugen Robin Schmiemann und Beate Zschäpe ausgeführt: „Beate Zschäpe tauscht nicht nur ihre innersten Gefühle, ihre politische Gesinnung, ihre Wut aus. Sie tauscht sich tatsächlich mit einem militanten, wegen eines massiven 3814 3815 3816 3817 3818 3819 3820 672 Schreiben des PP Dortmund vom 27. März 2013, A10088 S. 4 ff.. Schreiben des PP Dortmund vom 27. März 2013, A10088 S. 4 ff. Schreiben des PP Dortmund vom 17. April 2013, A62164 S. 302 ff.; Vermerk des BKA vom 23. Mai 2013, A62164 S. 370. Vermerk des LKA NRW vom 2. April 2013, A13121 S. 302 (VS-nfD). Schmiemann, APr 16/1187 S. 18 ff., 35 f. Greger, APr 16/1353 S. 88. Vernehmung des Sebastian Seemann vom 9. Dezember 2014, A62171 S. 50 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Schusswechsels bei einem Raubüberfall verurteilten Kameraden aus Nordrhein-Westfalen aus. Mit ihm hetzt sie über V-Leute wie Sebastian Seemann. Zu ihm sucht sie den Kontakt. Ich finde es äußerst bezeichnend, weil Robin Schmiemann zu einer militanten und gefährlichen ‚Combat 18‘-Gruppe gehörte.“3821 Der Sachverständige Jan Raabe hat die Frage aufgeworfen, woher der seiner Meinung nach vertrauliche Ton zwischen Beate Zschäpe und Robin Schmiemann komme und ob dies alleine aus dem gemeinsamen Sozialisationsraum komme oder ob es einen älteren Kontakt aus der Zeit vor der Inhaftierung von Robin Schmiemann gebe.3822 Auch der Sachverständige Jan Schedler hat betont, dass nachvollziehbar sei, warum Robin Schmiemann Beate Zschäpe angeschrieben habe. Interessant sei hingegen die Beantwortung der Briefe durch Beate Zschäpe. Insoweit hat er ausgeführt: „Die Verbindung von Herrn Schmiemann ist vielfältig. Es verwundert eigentlich nicht, dass er diesen Brief an Frau Zschäpe geschrieben hat, weil er schon im Vorfeld zu dieser Gruppe um den Oidoxie-Sänger Marko Gottschalk gehörte und diese Band nachweislich immer dieses Label ‚Combat 18‘ massiv vor sich hergetragen hat. Nicht nur, dass die Band selbst Songs hat, die sich für diesen bewaffneten Arm von Combat 18 – in England für eine Reihe von Attentaten verantwortlich – starkgemacht habt, auch ansonsten hat sie mit ihren Tätowierungen, T-Shirts etc. dieses Label immer stärker als andere Neonazis vor sich hergetragen. Deshalb verwundert es erst einmal nicht. […] Man muss dazu sagen, dass Beate Zschäpe nicht fünf Briefe bekommt, sondern sie bekommt Hunderte Briefe. Deshalb ist dieser Aspekt schon interessant. Ich habe zwar keinen vollständigen Überblick, aber sie wird sicherlich nicht jedem 26 Seiten zurückschreiben. Insofern mutmaßt die Bundesanwaltschaft natürlich, dass es vielleicht schon vorher Kontakte gegeben hat.“3823 Beate Zschäpe selber schrieb in ihrem Brief vom 2. März 2013, dass sie und der Zeuge Robin Schmiemann sich erst seit zwei Monaten kennen würden und sich nie gesehen hätten. Zu ihrer Motivation, Robin Schmiemann zu schreiben, führte sie aus: „Dir zu schreiben ist mein Gesprächsersatz und lässt das Alleinsein ertragen. Wenn Du wüsstest was für Vollpfosten mir teilweise geschrieben haben. […] Ja und dann kam Dein Brief, mit der präzisen Auflistung meinen damaligen/heutigen Empfindungen... [...] Ja, auch das Bild. Dazu steh ich immer noch, es ist fraglich, ob ich sonst geantwortet hätte. Durch die Ähnlichkeit beschlichen mich halt vertraute Gefühle.“ Um was für ein Bild es sich dabei handelte und zu wem Beate Zschäpe eine Ähnlichkeit erkannte, geht aus dem Brief nicht hervor. Außerdem erwähnte Beate Zschäpe in dem Brief, dass sie davon ausgeht, dass ihre Briefe kontrolliert werden, bevor sie den Zeugen Robin Schmiemann erreichen.3824 Es ist zumindest denkbar, dass Beate Zschäpe auch deshalb betonte, dass sie und Robin Schmiemann sich nicht vor ihrer Inhaftierung kannten. 3821 3822 3823 3824 Röpke, APr 16/872 S. 11 f. Raabe, APr 16/1154 S. 10. Schedler, APr 16/868 S. 19. Brief der Beate Zschäpe an Robin Schmiemann, A10088 S. 10 ff. 673 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 d. Kritische Würdigung Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass sich Beate Zschäpe und der Zeuge Robin Schmiemann bereits vor Bekanntwerden des NSU kannten. Insbesondere auf Grund der ideologischen Nähe der beiden und des intensiven Austauschs ist das jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. e. Bedeutung der Briefe in dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe Der 6. Strafsenat des OLG München beschlagnahmte in dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. mit Beschlüssen vom 26. Juli und 3. September 2013 die Teile der Briefe von Beate Zschäpe an den Zeugen Robin Schmiemann, in denen diese sich zu den Angaben eines Mitangeklagten und zu dem Zeugen Sebastian Seemann äußerte, da diese Teile eine potentielle Beweisbedeutung hätten.3825 7. Kontakte des M. W. zum NSU Das LKA NRW überprüfte, ob M. W. aus Duisburg möglicherweise Kontakte zu Mitgliedern des NSU hatte. a. Person des M. W. M. W. gründete nach eigenen Angaben Anfang 2011 die Kameradschaft „Sturm 18 Duisburg“. Zuvor habe er Kontakt mit B. T. aufgenommen, da dieser Ansprechperson für „Sturm 18“ war. B. T. habe M. W. nach dessen Angaben die Erlaubnis gegeben, eine Kameradschaft „Sturm 18“ in Duisburg zu gründen und habe auch mit ihm abgesprochen, welche Aktionen diese Kameradschaft durchführen solle.3826 M.W. sympathisiert mit „Combat 18“ und hat auf dem linken Unterarm „Combat“ und auf dem Rechten „18“ tätowiert.3827 2006 wurde er wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt.3828 b. Möglicher Bezug zum NSU Anfang 2012 wurde im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen mehrmaligen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen die Wohnung von M. W. in Duisburg durchsucht. Dabei wurde ein Netbook sichergestellt.3829 Außerdem wurden Aufkleber der NPD und ein Button mit der Aufschrift „Blood & Honour“ festgestellt.3830 Bei der Auswertung des Netbooks wurden etwa 70.000 Bilddateien festgestellt, die überwiegend pornografische sowie rechtsextreme Fotos enthielten. Die rechtsextremen Bilder zeigten insbesondere Hakenkreuze, Keltenkreuze und Runen, aber auch Fotos von Adolf Hitler und anderen bekannten Nazis. Außerdem befand sich auf der Festplatte ein Bild, auf welchem der Kopf von „Paulchen Panther“ und darunter die Buchstaben „SUA“, die „Solidarität und Anerkennung“ bedeuten sollen, zu sehen ist.3831 Zu diesem Bild befragt gab M.W. an: „Das habe ich über Facebook heruntergeladen und zwar von der Pinnwand eines Facebook-Freundes. Ich glaube der Profilname war: ‚Andie Fresse‘. Mehr weiß ich nicht 3825 3826 3827 3828 3829 3830 3831 674 Beschluss des OLG München vom 3. September 2013, A62164 S. 10 ff. Vernehmung des M. W. vom 20. Januar 2012, A13094 S. 38 f. (VS-nfD). Personagramm zu M. W., A13195 S. 171 (VS-nfD). Personagramm zu M. W., A13195 S. 175 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 23. Januar 2012, A13094 S. 47 (VS-nfD). Durchsuchungsbericht des PP Duisburg vom 5. Januar 2012, A25291 S. 60. Vermerk PP Duisburg vom 19. Januar 2012, A13094 S. 36 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 mehr. Das war kurz nachdem die Dönermorde publik geworden sind, so Mitte November 2011. Ich fand es sah cool aus und habe mir keine weiteren Gedanken gemacht. Heute würde ich sagen, es war unglücklich. Die Buchstaben SUA bedeuten: Solidarität und Anerkennung! Aber das sage ich hier ausdrücklich, ich unterstütze keinerlei terroristische Unterstützung oder Aktionen. Das ist alles, was ich sagen kann.“3832 Es konnte nicht ermittelt werden, zu welchem Zeitpunkt M. W. dieses Bild heruntergeladen hat. Seine Angaben, dass er dies nach der Selbstentarunung des NSU gemacht habe3833, konnte somit nicht widerlegt werden. Befragt zu „Andie Fresse“ gab M. W. an, dass er vermute, dass dieser mit Vorname Andreas heiße, ihn jedoch nicht kenne. Er habe auch keinen Kontakt zu ihm gehabt. Er sei mit ihm auf Facebook befreundet gewesen, da dieser ihm eine Freundschaftsanfrage habe zukommen lassen, wohl um eine höhere Anzahl an Freunden zu haben. Er habe diese Anfrage angenommen, da man dies bei Facebook so mache.3834 Die Ermittlungen ergaben, dass es insgesamt sechs Profile auf Facebook mit dem Nutzernamen „Andie Fresse“ gab. Auf welchem dieser Profile das Bild eingestellt wurde, konnte nicht geklärt werden.3835 Ein Beitrag auf Facebook von der Partei „Die Rechte Dortmund“ vom 27. August 2012 wurde von einem „Andie Fresse“ mit „ gefällt mir“ bewertet. Ob es sich dabei um den Nutzer handelt, der das bei M. W. gefundene Bild auf seiner Seite eingestellt hat, ist nicht bekannt.3836 Der Zeuge Dirk Weinspach hat sich an diesen Sachverhalt nicht mehr erinnern können.3837 Der Zeuge Burkhard Freier hat keine Angaben machen können, ob der Verfassungsschutz NRW überprüft hat, inwiefern die bei M. W. gefundenen Dateien mit denen auf der „NSU-CD“ übereinstimmen.3838 Bei der Durchsuchung wurde auch ein Handzettel gefunden, auf welchem unter anderem der Name „Böni“ stand. Zu diesem Zettel befragt, gab M. W. an, dass der Name „Böni“ ihm nichts sagen würde. Den Zettel habe auch nicht er, sondern jemand anderes geschrieben.3839 „Böni“ war einer der Spitznamen von Uwe Böhnhardt.3840 Aus den vorliegenden Akten geht nicht hervor, dass die beteiligten Sicherheitsbehörden der Frage nachgegangen sind, ob Uwe Böhnhardt auf dem aufgefundenen Zettel gemeint war und dass dieser nach der Vernehmung von M. W. weiter Gegenstand der Ermittlungen war. Auch der von M. W. genannte Urheber des Zettels wurde nicht befragt, ob die Notiz tatsächlich von ihm stamme und wer mit „Böni“ gemeint sei. Am 21. November 2012 vermerkte das LKA NRW, dass ein Bezug von M. W. zu den Mitgliedern des NSU nicht nachgewiesen werden konnte.3841 3832 3833 3834 3835 3836 3837 3838 3839 3840 3841 Vernehmung M. W. durch PP Duisburg am 13. Januar 2012, A13195 S. 56 (VS-nfD). Vermerk LKA NRW vom 23. Januar 2012, A13094 S. 48 (VS-nfD). Vernehmung M. W. durch PP Duisburg vom 20. Januar 2012, A13094 S. 39 f. (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 16. Januar 2012, A13094 S. 34 (VS-nfD). Ausdruck facebook, A14042, S. 295. Weinspach, APr 16/1340 S. 96 f. Freier, APr 16/1349 S. 53. Vernehmung des M. W. vom 20. Januar 2012, A13094 S. 40 (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 22. Juni 2012, A12385 S. 793 (VS-nfD). Vermerk des LKA NRW vom 21. November 2012, A13076 S. 141 (VS-nfD). 675 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 c. Bezüge von M. W. nach Thüringen M. W. nahm 2007 am „Fest der Völker“ in Jena teil. Das „Fest der Völker“ fand erstmals 2005 statt. Der Name des Festes geht zurück auf den gleichnamigen NS-Propagandafilm von Leni Riefenstahl, der die Olympischen Spiele 1936 in Szene setzte.3842 Bei diesem Fest traten im Laufe der Jahre unter anderem „Gigi & Die braunen Stadtmusikanten“, von denen das Lied „Döner-Killer“ stammt, und „Sleipnir“ aus Gütersloh sowie weitere Bands aus dem „Blood & Honour“-Spektrum auf.3843 Neben anderen Mitgliedern der NPD Thüringen organisierten Ralf Wohlleben und André Kapke diese Veranstaltung.3844 In einem Vermerk des LKA NRW wird zu diesem Fest ausgeführt: „Der [M. W.] suchte stark angetrunken das ‚Fest der Völker‘ in Jena auf. Aufgrund seiner erheblichen Trunkenheit wurde er (vom Veranstalter) von der Veranstaltung ausgeschlossen, woraufhin er randalierte. Bei Eintreffen der Polizei leistete er Widerstand und wurde in Gewahrsam genommen. Eine Blutprobe ergab einen Wert von 1,5 Promille. [W.] war von seinem damaligen Wohnort in Siegen mit dem Bus nach Jena gereist. Aufenthaltsmöglichkeiten besaß er dort nicht. Das Verfahren wurde später mit Hinweis auf laufende andere Verfahren in Siegen, wegen Geringfügigkeit eingestellt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass [W.] als angetrunkener Alleintäter zunächst randalierte und später nach Eintreffen der Polizei Widerstand leistete. Dieses war auch der Grund für das Strafverfahren vor dem Amtsgericht Jena am 06.05.2008. Es liegen keine Hinweise auf Kontakte, Mittäter oder Aufenthaltsmöglichkeiten in Jena vor.“3845 Bei den Vernehmungen 2012 wurde M. W. nicht zu möglichen Kontakten nach Thüringen und zum NSU bzw. dessen Umfeld befragt. Auch sein Besuch auf dem von Personen aus dem engen Umfeld des NSU organisierten „Fest der Völker“ war nicht Gegenstand der Vernehmungen.3846 d. Kritische Würdigung Eine Verbindung von M. W. zum NSU konnte der Ausschuss nicht belegen. Aufgrund seiner Einbindung in die Organisation „Sturm 18“, seine Kontakte zu B. T., seine Sympathie für „Combat 18“ und „Blood&Honour“ sowie dem bei ihm aufgefundenen Bild von Paulchen Panther hätte er jedoch im Rahmen seiner Vernehmungen zu seinem Aufenthalt beim „Fest der Völker“ in Jena und möglichen Kontakten zum NSU befragt werden müssen. 8. Munitionsschachtel SS-Siggi Bei den Ermittlungen zu dem Mord an Mehmet Kubaşık in Dortmund stellte die BAO Trio des BKA fest, dass in der Wohnung des Trios in Zwickau eine Munitionspackung mit der handschriftlichen Notierung „Siggi“ aufgefunden wurde.3847 Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen dieser Schachtel und Siegfried Borchardt aus Dortmund. 3842 3843 3844 3845 3846 3847 676 Armin Pfahl-Traughber, Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2014 (I), A13795 S. 96. Bandprofil „Sleipnir“, A10521, S. 447 (VS-nfD); Röpke, 8. öffentliche Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode des BT, A92410 S. 18, 69. E-Mail des LKA Thüringen vom 24. September 2006, A10521, S. 449 (VS-nfD); Personagramm, A12658 S. 395 (VS-nfD). Vermerk LKA NRW vom 16. Januar 2012, A13195 S. 49 (VS-nfD). Vernehmung des M. W. vom 13. Januar 2012, A13195 S. 52 ff. (VS-nfD); Vernehmung des M. W. vom 20. Januar 2012, A13094 S. 38 ff. (VS-nfD). E-Mail des BKA vom 29. August 2012, A13119 S. 139 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 a. Munitionsschachtel mit der Aufschrift „Siggi“ Bei der Munitionspackung handelt es sich um eine stark brandgeschädigte Packung des Munitionsherstellers „Sellier & Bellot“ mit einem Patronenhalter aus Kunststoff zur Aufnahme von 25 Patronen mit elf eingesteckten Patronen. Auf Vorder- und Rückseite befindet sich jeweils die Aufschrift „Siggi“, wobei die beiden Buchstaben „g“ jeweils als Sigrunen dargestellt sind. Diese stellten das Emblem der „SS“ dar.3848 Das BKA stellte durch Auswertung von Kriminalakten und Recherchen im Internet fest, dass der Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt unter dem Namen „SS-Siggi“ agiert. Außerdem enthält die Kriminalakte verschiedene Wohnanschriften von Siegfried Borchardt, die sich zum Teil in der Nähe der Mallinckrodtstraße 190, also dem Tatort des Mordes an Mehmet Kubaşık, befinden.3849 b. Anfrage des BKA zu Erkenntnissen des LKA NRW Das BKA stellte im August 2012 folgende Anfrage an das LKA NRW: „Es wird gebeten, die Meldehistorie des BORCHARDT zu übermitteln sowie mitzuteilen, ob bekannt ist, dass BORCHARDT das ‚g‘ in seinem Spitznamen ‚Siggi‘, wie oben beschrieben, in Anlehnung an eine SS-Rune schreibt. An einer ehemaligen Wohnanschrift des o. g. BORCHARDT In Dortmund, Östermärsch 63, wohnt bzw. wohnte nach hiesigen Erkenntnissen [M. K.] geb. […] in Oberhausen , welcher in der Vergangenheit ebenfalls mit BORCHARDT gemeinsam in Erscheinung getreten ist. Es wird gebeten, die vorhandenen polizeilichen Erkenntnisse zur Person [K.] mitzuteilen Ebenfalls aus der Kriminalakte des BORCHARDT ist bekannt, dass [K. L.] […] in der Nähe des Tatortes wohnhaft war. Es wird gebeten, auch zu ihr die vorhandenen Erkenntnisse mitzuteilen. Nach einer Internetrecherche existierte in Mallinckrodtstr. 277 ein bei Rechtsextremisten überregional bekannter Szenetreffpunkt unter der Bezeichnung ‚Deutscher Hof‘. Die bekannten Wohnanschriften des Siegfried BORCHARDT und der [K. L.] sollen sich in unmittelbarer Umgebung zu diesem Treffpunkt befunden haben. Es wird gebeten, die Erkenntnisse zu diesem Szenetreffpunkt zu übermitteln.“3850 Das LKA NRW teilte daraufhin insgesamt acht Meldeanschriften von Siegfried Borchardt in Dortmund mit und dass er seit Juni 1998 in der Mallinckrodtstraße 278 gemeldet sei. Ob Siegfried Borchardt das „g“ in seinem Vornamen jemals mit einer Sigrune schrieb, war dem LKA NRW nicht bekannt. Zu M. K. übermittelte das LKA NRW die Erkenntnis, dass dieser bis 1996 eine gemeinsame Wohnung mit Siegfried Borchardt bewohnt habe und bis zu einem körperlichen Angriff und Überfall des Siegfried Borchardt mit diesem befreundet gewesen sei. Außerdem fiel M. K. 1995 wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz und 1997 wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlages auf. 3848 3849 3850 Vermerk des BKA vom 16. Dezember 2013, A13385 S. 35 f. E-Mail des BKA vom 29. August 2012, A13119 S. 139 (VS-nfD). E-Mail des BKA vom 29. August 2012, A13119 S. 139 (VS-nfD). 677 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 K. L. war nach Erkenntnissen des LKA NRW Mitglied der „Kameradschaft Dortmund“ und wurde 2000 wegen Landfriedensbruch auffällig. Ihr Ehemann war mit Siegfried Borchardt befreundet. Zum „Deutschen Hof“ teilte das LKA NRW mit, dass dieser nach dort vorliegenden Erkenntnissen kein Treffpunkt der rechten Szene in Dortmund war und ist. Am 25. März 2005 habe die „Borussenfront“ die Gaststätte für eine Feier zum Gründungstag angemietet, an der auch Personen aus der rechten Szene teilnahmen.3851 Bereits 2004 feierte die „Borussenfront“ in dieser Gaststätte ihren Gründungstag.3852 Siegfried Borchardt war maßgeblicher Verantwortlicher der 1982 gegründeten Hooligan-Gruppierung „Borussenfront“. Auf Kleidungsstücken der „Borussenfront“ wurden die beiden Buchstaben „S“ als Sigrune dargestellt.3853 Die Gruppierung war in das Geflecht aus FAP, NPD und dem Umfeld von Siegfried Borchardt eingebunden und fiel immer wieder durch gewalttätige Aktionen im Umfeld von Fußballspielen auf.3854 c. Erkenntnisse und Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW Das BfV informierte den Verfasssungsschutz NRW über die aufgefundene Munitionspackung. Dem Verfassungsschutz NRW war bekannt, dass die in der Schachtel befindliche Munition mit der Pistole Marke Ceska verschossen werden kann, die bei der dem NSU zugerechneten Mordserie verwendet wurde. Nach den beim Verfassungsschutz NRW vorliegenden Erkenntnissen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Siegfried Borchardt Kontakt zu Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatte oder mit dem Mord an Mehmet Kubaşık in Verbindung stand. Der Verfassungsschutz NRW teilte dem GBA nachfolgende Erkenntnisse und Einschätzungen mit:3855 aa. Verbindung von Siegfried Borchardt zur aufgefundenen Munitionsschachtel Zur Verbindung von Siegfried Borchardt mit der Munitionsschachtel teilte der Verfassungsschutz NRW mit: „Obwohl der Name ‚Siggi‘ handschriftlich auf der Munitionsschachtel vermerkt ist, gibt es keinen konkreten Hinweis darauf, dass es sich um Siegfried BORCHARDT (SS-Siggi) handelt. Neben der Person Siegfried BORCHARDT sind weitere Personen mit dem Kürzel ‚Siggi‘ mit rechtsextremistischen Bezügen in Nadis (bundesweites nachrichtendienstliches Informationssystem) gespeichert.“ 3856 Bezüglich dieser Personen aus NRW lagen dem Verfassungsschutz NRW ebenfalls keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit der Munitionsschachtel vor. bb. Wohnort von Siegfried Borchardt in Tatortnähe Zur Nähe des Wohnortes von Siegfried Borchardt zum Tatort führte der Verfassungsschutz NRW aus: 3851 3852 3853 3854 3855 3856 678 Erkenntnismitteilung des PP Dortmund vom 30. August 2012, A13119 S. 143 (VS-nfD). WE-Meldung des PP Dortmund vom 26. März 2005, A13736 S. 195. Analyse- und Auswertebericht des PP Dortmund aus Mai 2007, A10400 S. 42 (VS-nfD). Vermerk PP Dortmund vom 20. Oktober 2014, A10400 S. 461. Undatiertes Schreiben des Verfassungsschutzes NRW, A13385 S. 18 f. (VS-nfD). Undatiertes Schreiben des Verfassungsschutzes NRW, A13385 S. 18 f. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Obwohl der Tatort des Mordes z. N. KUBAŞIK und der damalige Wohnort des BORCHARDT auf derselben Straße (Mallinckrodtstraße) in Dortmund liegen, ergeben sich daraus noch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verbindung. Denn bei der Mallinckrodtstraße handelt es sich um einen in direkter Innenstadtlage befindlichen Wohnort, der mehrere hundert Meter auf einer mehreren Kilometer langen Straße auseinander liegt und aufgrund der mehrgeschossigen Bauweise von einigen tausend Anwohnern bewohnt wird. Im Umfeld der Mallinckrodtstraße wohnen überdies weitere Mitglieder der rechtsextremistischen Szene aus Dortmund.“3857 Der Zeuge Dirk Weinsprach, Verfasser dieser Ausführungen, hat auf die Frage, was er damit gemeint habe, dass der Umstand, dass der Tatort in der Nähe des Wohnortes von Siegfried Borchardt lag, nicht zielführend sei, da es sich um eine direkte Innenstadtlage mit mehreren Tausend Anwohnern handele, ergänzend ausgeführt: „Ja, also, wenn ich mich recht erinnere, steht in dieser Ministervorlage nicht nur das mit den Tausenden drin, sondern auch die tatsächliche Entfernung. Also, was ich damit sagen wollte, ist nur: Die Tatsache, dass Tatort und Wohnort in einer Straße waren, führt in dem Fall in die Irre, weil die Luftlinie, also die Entfernung, schon eine erhebliche ist und weil das eine Riesenstraße ist, die mehr oder minder durch die halbe Stadt führt. Das heißt, die Tatsache: ‚Es ist die gleiche Straße‘, sagt nicht viel aus. Wenn das jetzt die gleiche Ecke oder wenn das jetzt ein paar Meter voneinander entfernt gewesen wäre, dann wäre das eine naheliegende Verbindung. Nicht mehr und nicht minder wollte ich eigentlich sagen. Ich wollte sagen: In dieser Straße wohnen eine Menge Leute. Und ich habe es vorhin auch schon angedeutet: Auch der eine oder andere Rechtsextremist hat dort gewohnt oder wohnt dort auch noch. Und es gab dort auch – in Anführungsstrichen – Treffs, wo die Szene sich zumindest auch traf. Also, die Bewertung war einfach: Die Tatsache allein: ‚Tatort und Wohnort haben den gleichen Straßennamen‘, hat uns hier nicht viel weiterführt. […] Aber ich meine, es wären 500 m oder was, was ich schon eine relativ große Entfernung finde.“3858 Zu einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Wohnort von Siegfried Borchardt und dem Tatort in der Mallinckrodtstraße und einem sich daraus ergebenden Ermittlungsansatz, hat die Zeugin Anette Greger ausgeführt: „Wir haben selbstverständlich ein Augenmerk gelegt auf mögliche Orte von bekannten Rechtsextremisten. Ich muss aber auch hier noch mal sagen: Wir sind immer von unseren Beweismitteln ausgegangen, von unseren Zeugenaussagen, von unseren Asservaten, von unseren Ausspähungen. Wir sind nicht an diesen Komplex so rangegangen, dass wir gesagt haben: Wer lebt in der Stadt, in der ein Anschlag begangen wurde? Vernehmen wir dann alle Rechten mal zu diesem Anschlag. Das war nicht unsere Vorgehensweise. Wir haben immer versucht und versuchen das auch heute noch. Das Verfahren ist für uns auch nicht abgeschlossen, also gehen wir auch weiter Hinweisen nach: Hat irgendeine rechte Person oder auch eine überhaupt nicht bekannte, den Behörden überhaupt nicht bekannte Person eine Mitverantwortlichkeit an den Taten? - Das ist für uns auch weiter die Fragestellung. Wir beschränken das auch nicht auf Rechte, sondern es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein den Behörden in keinster Weise bekannter Mittäter oder Unterstützer noch irgendwo lebt. 3857 3858 Undatiertes Schreiben des Verfassungsschutzes NRW, A13385 S. 18 f. (VS-nfD). Weinspach, APr 16/1340 S. 102 f. 679 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Aber wir haben dieses Ermittlungsverfahren. Wir ermitteln, wir gehen Hinweisen nach, wir gehen Spuren nach, wir bewerten. Aber letztendlich gibt es natürlich auch offene Sachverhalte oder Spuren, die sich nicht weiter aufklären lassen. Aber noch mal: Wir haben im Zuge unserer wirklich sehr breit angelegten Ermittlungen und unserer Asservatenauswertungen ... Sie wissen selber, wir haben über 7.000 sächliche Asservate gefunden, und die Wohnung in der Frühlingsstraße war ein richtiges Lager, ja, ein Fundus für Beweismittel. Und die Bewertung dieser Beweismittel der Kontakte der drei hat uns aus heutiger Sicht keine tragfähigen Anhaltspunkte auf Unterstützer in den jeweiligen Regionen gegeben.“3859 cc. Aufenthalt von Siegfried Borchardt in Thüringen 2004 / 2005 Aus den vorliegenden Akten des Verfassungsschutz NRW ergibt sich, dass Siegfried Borchardt sich zum Jahreswechsel 2004 / 2005 in Thüringen aufhielt, ohne dass Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er dabei Kontakt zu Mitgliedern des NSU hatte. Wo und mit wem Siegfried Borchardt genau in Thüringen war, ist nicht ersichtlich.3860 dd. Hinweise auf Kontakte von Siegfried Borchardt zu Mitgliedern des NSU Zu Kontakten von Siegfried Borchardt zu Mitgliedern des NSU führte der Verfassungsschutz NRW in dem Schreiben an den GBA aus: „Weiterhin wurden Berichte zu Observationseinsätzen gegen andere Zielpersonen im maßgeblichen Zeitraum in Dortmund ausgewertet. Daraus ergaben sich keine Hinweise auf den Aufenthalt des NSU Trios in Dortmund oder Kontakte zu BORCHARDT. Informelle Nachbefragungen zu VM-Führern über ihre Wahrnehmungen im maßgeblichen Zeitraum haben keine neuen Erkenntnisse erbracht.“3861 Auch wenn sich durch die o. g. Erkenntnisse keine Hinweise auf einen Aufenthalt des NSUTrios ergeben, so ist doch davon auszugehen, dass sich Mitglieder des NSU zum Zeitpunkt des Mordes an Mehmet Kubaşık in Dortmund aufhielten, auch wenn dies im Rahmen der Observation nicht bekannt wurde. d. Weitere Ermittlungen des BKA Das BKA führte kriminaltechnische Untersuchungen an dem Asservat durch. Dabei konnten keine Feststellungen getroffen werden, die einen Zusammenhang zwischen dem Asservat und Siegfried Borchardt erkennen ließen. Daktyloskopische Spuren wurden an der Pappschachtel nicht gefunden. Von den Patronen, dem Patronenhalter und der Verpackung wurden Abriebe für eine molekulargenetische Untersuchung gefertigt. Die Analyse ergab keine verwertbaren Ergebnisse. Die handschriftliche Aufschrift auf der Munitionsschachtel war qualitativ und quantitativ nicht ausreichend für schriftvergleichende Untersuchungen. Das BKA ermittelte, dass die Munition mit der Seriennummer V310232 am 18. März 2003 hergestellt und ausschließlich an Abnehmer aus der Tschechischen Republik ausgeliefert worden war.3862 Das BKA vermerkte am 16. Dezember 2013, dass sich aus den bisherigen Ermittlungen keine Hinweise auf eine Beteiligung oder Verbindung von Siegfried Borchardt an der Ermordung von Mehmet Kubaşık ergeben hätten und dass keine Erkenntnisse zu einem direkten Kontakt von Siegfried Borchardt zu Personen des Trios oder weiteren Beschuldigten vorlä- 3859 3860 3861 3862 680 Greger, APr 16/1353 S. 72. Undatierte Erkenntnismitteilung des Verfassungsschutzes NRW, A13385 S. 20 (VS-nfD). Undatierte Erkenntnismitteilung des Verfassungsschutzes NRW, A13385 S. 21 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 16. Dezember 2013, A13385 S. 36. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gen. Weiter heißt es in dem Vermerk, dass Siegrfried Borchart am 1. Mai 1998 an einer Demonstration in Dresden teilgenommen habe, bei der auch André und Maik Eminger, Armin Fiedler und Thorsten Heise anwesend gewesen seien und dass es sich dabei um den einzig bislang bekannten Bezug von Siegfried Borchart zum Ermittlungsverfahren handele. 3863 Auf die Frage, warum dieser Hinweis nicht weiter verfolgt worden sei, hat die Zeugin Anette Greger ausgeführt: „Es ist ja – das ergibt sich ja auch aus den Unterlagen – versucht worden, dem nachzugehen. Es sind ja verschiedene Abklärungen gemacht worden, wobei ich jetzt im Einzelnen – haben Sie dafür bitte Verständnis – nicht im Kopf habe, welche Abklärungen dazu erfolgt sind. Wir müssen aber auch immer wieder als Strafverfolger hinnehmen, dass man manches nicht aufklären kann. Wir haben aber in diesem Verfahren eine Fülle von Asservaten. Wir haben eine Fülle von Zeugen. Wir versuchen, die zusammenzutragen und zusammen zu bewerten. Dieses Puzzle wird ein Stück weit unvollständig bleiben. Damit müssen wir, fürchte ich, leben. Dieser Zusammenhang aber, dieser mögliche Zusammenhang Siggi Borchardt und Schachtel ist natürlich zunächst mal bekannt gewesen. Das haben Sie selber ja auch referiert. Wir sind bloß irgendwo mit den Ermittlungen dann auch am Ende, wenn sich kein Zusammenhang ergibt.“3864 9. „NSU-Brief“ a. Auffinden des „NSU-Briefes“ in Zwickau Im Brandschutt in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau wurde bei der ersten Sichtung die Festplatte „USB IIDD Seagate 320 GB“ aufgefunden.3865 Auf dieser befindet sich ein einseitiges Dokument mit dem Dateinamen ,,NSU Brief.cdr". In der linken oberen Ecke des Dokuments befindet sich das Logo des NSU. Außerdem enthält es folgenden Text: „VERBOTE ZWINGEN UNS NATIONALISTEN IMMER WIEDER NACH NEUEN WEGEN IM WIDERSTANDSKAMPF ZU SUCHEN. VERFOLGUNG UND STRAFEN ZWINGEN UNS ANONYM UND UNERKANNT ZU AGIEREN. DER NATIONALSOZIALISTISCHE UNTERGRUND VERKÖRPERT DIE NEUE POLITISCHE KRAFT IM RINGEN UM DIE FREIHEIT DER DEUTSCHEN NATION. KEINE PARTEI ODER VEREIN IST DIE GRUNDLAGE DES NATIONALSOZIALISTISCHEN UNTERGRUNDES (NSU ) SONDERN DIE ERKENNTNIS NUR DURCH WAHREN KAMPF DEM REGIME UND SEINEN HELFER ENTGEGENTRETEN ZU KÖNNEN. DIE AUFGABEN DES NSU BESTEHEN IN DER ENERGISCHEN BEKÄMPFUNG DER FEINDE DES DEUTSCHEN VOLKES UND DER BESTMÖGLICHEN UNTERSTÜTZUNG VON KAMERADEN UND NATIONALEN ORGANISATIONEN. SOLANGE SICH KEINE GRUNDLEGENDEN ÄNDERUNGEN IN DER POLITIK, PRESSE UND MEINUNGSFREIHEIT VOLLZIEHEN, WERDEN DIE AKTIVITÄTEN WEITERGEFÜHRT. GETREU DEM MOTTO: "SIEG ODER TOD" WIRD ES KEIN ZURÜCK GEBEN. ENTSCHLOSSENES, BEDINGUNGSLOSES HANDELN SOLL DER GARANT DAFÜR SEIN, DAS DER MORGIGE TAG DEM DEUTSCHEN VOLKE GEHÖRT. 3863 3864 3865 Vermerk des BKA vom 16. Dezember 2013, A13385 S. 37. Greger, APr 16/1353 S. 71. Vermerk des BKA vom 5. Januar 2012, A62155 S. 13 ff. 681 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 JEDER KAMERAD IST GEFRAGT! AUCH DU ! ! ! GIB DEIN BESTES- WORTE SIND GENUG GEWECHSELT, NUR MIT TATEN KANN IHNEN NACHDRUCK VERLIEHEN WERDEN. DER NSU IST KEINE ABSTRAKTE SACHE. JEDER KAMERAD GEHÖRT DAZU, SOFERN ER DEN MUT FINDET ZU HANDELN UND SEINEN BEITRAG ZU LEISTEN. WIE ERFOLGREICH DER NATIONALSOZIALISTISCHE UNTERGRUND IN DER ZUKUNFT SEIN WIRD HÄNGT AUCH VON DEINEM VERHALTEN AB. DAS ZEICHEN DES NSU SYMBOLISIERT DIE SYMPATHIE UND VERBUNDENHEIT GEGENÜBER DER NEUEN BEWEGUNG. ES VERKÖRPERT JEDOCH AUCH DIE ABLEHNUNG DER BESTEHENDEN VERHÄLTNISSE UND DIE BEREITSCHAFT DAGEGEN VORZUGEHEN. EINE VERBREITUNG IST AUS DIESEM GRUND ERWÜNSCHT! DER NSU WIRD NIEMALS DURCH EINE KONTAKTADRESSE ODER NUMMER ERREICHBAR SEIN, WAS ABER NICHT BEDEUTET DAS ER UNERREICHBAR IST. INTERNET, ZEITUNGEN UND ZINE'S SIND GUTE INFORMATIONSQUELLEN -AUCH FÜR DEN NSU. BEACHTE: BEILIEGENDE UNTERSTÜTZUNGEN ZIEHEN KEINERLEI VERPFLICHTUNGEN NACH SICH. ANMERKUNG ZUM ABSENDER: BEI DEM ABSENDER HANDELT ES SICH IN WAHRHEIT UM EINE AUSWEICHADRESSE AN DIE DER BRIEF UND DIE UNTERSTÜTZUNG WEITERGELEITET WERDEN SOLL(TE) WENN DIE ANSCHRIFT NICHT RICHTIG BZW. NICHT MEHR AKTUELL IST. DER EMPFÄNGER DES SCHREIBENS (GLEICHGÜLTIG OB HAUPTANSCHRIFT ODER ABSENDER) DARF DEN BRIEF UND DIE SPENDE EINBEHALTEN UND FÜR SEINE ZWECKE NUTZEN.“3866 Die Auswertung dieser Datei durch das BKA ergab Folgendes: „Gemäß Zeitstempel der Datei erfolgte der letzte Zugriff am 14.01.2008, 14:07:36·Uhr und die letzte Änderung am 05.03.2002, 12:00:24 Uhr. Das Erstelldatum lautet 12.02.2007, 17:43:07 Uhr, was sich auf die Erstellung auf dem vorliegenden Datenträger bezieht. Da das Erstelldatum zeitlich nach der letzten Änderung liegt, kann es sich bei der vorliegenden Datei um eine Kopie einer anderen Datei oder von einem anderen Datenträger handeln. Das angegebene Datum der letzten Änderung bezieht sich direkt auf den Inhalt der Datei.“3867 Auf dieser Festplatte befindet sich auch eine Datei, die nach Einschätzung des BKA die Rückseite des „NSU-Briefes“ darstellt und ein Adressfeld mit Angaben zum Absender und Empfänger enthält. Als Absender steht dort „Nation und Europa, Postfach 2554, 96414 Coburg“ und als Empfänger „Fahnenträger, Postfach 1343, 06766 Wolfen“.3868 In der Frühlingsstraße 26 in Zwickau wurde außerdem ein Zettel mit folgender handschriftlicher Aufzeichnung gefunden: „HNG – Dt. Rechtsbüro UN – Nordische Zeitung 3866 3867 3868 682 Vermerk des BKA vom 5. Januar 2012, A62155 S. 13 ff. Vermerk des BKA vom 5. Januar 2012, A62155 S. 15. Vermerk des BKA vom 6. Mai 2013, A62164 S. 424. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weiße Wolf – Der Förderturm Der Landser -Foiersturm Nation Europa - Fahnenträger“3869 Die Ermittlungen des BKA zu dieser Aufzeichnung ergaben, dass es sich dabei um die jeweiligen Anschriften und Ausweichanschriften (als Absenderangabe) von Publikationen der rechten Szene handeln dürfte, an die der NSU-Brief versandt werden sollte. Durch schriftvergleichende kriminaltechnische Untersuchungen stellte das BKA fest, dass die Notizen auf dem Notizzettel mit hoher Wahrscheinlichkeit von Uwe Mundlos stammen.3870 Nach Einschätzung des BKA diente dieses Schreiben der Anwerbung und Unterstützung von ausgewählten Kameraden der rechtsextremistischen Szene, die aus Sicht des NSU geeignet erschienen, dessen Kampf zu unterstützen oder in gleicher Weise aus dem Untergrund heraus zu ergänzen oder fortzuführen.3871 Das BfV teilte den Verfassungsschutzbehörden der Länder zu diesem Brief mit: „Nach Einschätzung des BfV ist der Brief nur abstrakt als Werbung für den NSU zu bewerten, da er nicht um konkrete Mitglieder wirbt, sondern 'jede(n) Kameraden' als dem NSU zugehörig beschreibt, der 'den Mut findet zu handeln und seinen Beitrag zu leisten'. Der in der Presse geäußerte Verdacht, dass die Gelder aus den Überfällen zum Aufbau weiterer NSU-Zellen gedacht gewesen seien, dürfte überhöht dargestellt sein. “3872 b. Danksagung an den NSU in der Zeitschrift „Der Weisse Wolf“ Durch eine Veröffentlichung des „apabiz“ wurde bekannt, dass in der Zeitschrift „Der Weisse Wolf“ im Jahr 2002 ein Gruß an den „NSU“ abgedruckt war. „'Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;-) Der Kampf geht weiter…'. Dieser Satz steht – fett und deutlich hervorgehoben – mitten im Vorwort der Ausgabe 1/2002 (Nr. 18) des neonazistischen Fanzines 'Der Weisse Wolf'. Ein Gruß der damals nicht auffiel – aber heute Fragen aufwirft. Ein Gruß wie hunderte andere an die 'Kameraden' und Freunde, die in den einfach gestalteten Magazinen der Szene abgedruckt werden. Durch einen Hinweis stieß das apabiz in einem neonazistischen Fanzine auf den bemerkenswerten Gruß 'an den NSU'. Der kurze Satz erschien bereits in der ersten Jahreshälfte 2002, als die Öffentlichkeit noch nichts von der Terrorzelle des 'Nationalsozialistischen Untergrund' ahnte, diese aber bereits mitten in ihrer Serie von Terror und Morden steckte. Die Buchstaben 'NSU' sind jedenfalls kein bekanntes Kürzel in der Szene, der Hinweis im 'Weissen Wolf' ist die erste uns bekannte Verwendung in Veröffentlichungen der Neonazi-Szene oder in derem Kontext.“3873 c. „Der Weisse Wolf“ Die Zeitschrift „Der Weisse Wolf“ wurde 1996 als „Rundbrief inhaftierter Kameraden der Justizvollzugsanstalt Brandenburg“ ins Leben gerufen und verbreitete sich auch in anderen Haftanstalten. Über die Zeitschrift wurden Informationen zwischen den Gefangenen ausgetauscht. Sie stand in Verbindung mit der HNG, welche Brief- und Besuchskontakte für rechtsextreme Inhaftierte organisierte. Daran beteiligten sich auch die späteren Mitglieder des NSU 3869 3870 3871 3872 3873 Vermerk des BKA vom 6. Mai 2013, A62164 S. 426. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 324 f. Vermerk des BKA vom 5. Januar 2012, A62155 S. 15. Schreiben des BfV vom 29. März 2012, A13394 S. 10 (VS-nfD). Artikel „Vielen Dank an den NSU“- Was wusste der „Weisse Wolf“ apabiz vom 28. März 2012, A13394 S. 4 (VS-nfD). 683 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 vor ihrem Abtauchen. In der Ausgabe Nr. 4, von der auch ein Exemplar in der von Beate Zschäpe angemieteten Garage gefunden wurde, findet sich ein Gruß eines JVA-Insassen an „Uwe Memdlos, Jena“.3874 In der Ausgabe Nr. 17 aus 2001 bat der Herausgeber der Zeitschrift um Werbepartner, um Speicherplatz für eine Internetseite bezahlen zu können und bot im Gegenzug an, Werbung für die Spender auf der Internetseite zu machen. In der darauffolgenden Ausgabe findet sich die oben genannte Botschaft an den NSU.3875 In einem Bericht des PKGr an den Bundestag wird außerdem zu dieser Ausgabe ausgeführt: „Ferner ist im Nachhinein betrachtet bereits das Titelbild der Ausgabe 18 von Interesse. Es zeigt ein Kleinkind ohne weitere Erläuterung. Das entsprechende Foto stammt aus dem Buch 'Hitler wie ihn keiner kennt: 100 Bilddokumente aus dem Leben des Führers', herausgegeben von Heinrich Hoffmann. Auf Seite 3 dieses Buches ist ein Kleinkind abgebildet, fotografiert von einem Berufsfotografen in Braunau. Hierzu ein Ausriss aus einer Zeitung vom 05.05.1889: 'Familiennachrichten aus Braunau ... am 20.04. Adolf Hitler'. In dem gleichen Buch sind auf Seite 26 auch zwei ineinandergreifende Hände abgebildet, darunter der Text: 'Die Hände des Führers'. Dieses Foto wiederum diente der sogenannten 'NSU-CD' als Vorlage für das auszudruckende CD-Cover.“3876 Die Ausgabe Nr. 18 wurde zwischen Oktober 2002 und Januar 2003 im BfV von insgesamt 13 Personen ausgewertet. Der Bedeutung der Abkürzung NSU wurde dabei nicht nachgegangen. Der Mitarbeiter des BfV, der mit der Erstauswertung der Publikation befasst war, gab an, dass eine gesonderte Speicherung der Abkürzung NSU nicht möglich gewesen sei und führte dazu aus: „Da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass damit ein relevanter Ort, eine konkrete Person, eine Gruppierung oder ein sonstiges Sozialphänomen gemeint gewesen sein könnte, habe nach dem damaligen Arbeitsplan der Abteilung 2 mangels Zuordnungsmöglichkeit auch keine Chance zur Speicherung der Abkürzung beziehungsweise des Begriffs bestanden.“3877 Die beiden ursprünglich beim BfV vorliegenden Originalhefte der Ausgabe Nr. 18 waren 2012 nicht mehr auffindbar.3878 Der Verfassungsschutz NRW übersandte daraufhin das dort vorliegende Original der Ausgabe an das BfV.3879 Laut Bericht der Frankfurter Rundschau vom 20. Juni 2012 habe eine VP des LfV Mecklenburg-Vorpommern diesem am 9. April 2002 berichtet, dass bei der Zeitschrift „Weißer Wolf“ eine Spende in Höhe von 2.500,- Euro eingegangen sei. Dieser Spende sei ein Brief gefolgt, in dem sinngemäß gestanden habe, dass die Empfänger weiter machen sollten und das 3874 3875 3876 3877 3878 3879 684 Bericht des PKGr des Deutschen Bundestags an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 8. „Vielen Dank an den NSU“- Was wusste der „Weisse Wolf“, apabiz vom 28.03.2012, A13394 S. 4 f. (VS-nfD); Bericht des PKGr des Deutschen Bundestags an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 8. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestags an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 9. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestags an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 9. Bericht des PKGr des Deutschen Bundestags an den Deutschen Bundestag vom 4. November 2015, A13902 S. 9. Weinspach, APr 16/1340 S. 79. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Geld bei ihnen gut aufgehoben sei. Das LfV Mecklenburg-Vorpommern sei dieser Information nicht nachgegangen.3880 In der 20. Ausgabe der Zeitschrift war ein Artikel über den führerlosen Widerstand, „leaderless resistance“, abgedruckt. In diesem wird zur Abkehr von größeren Organisationen und zur Bildung von geheimen, unabhängig voneinander agierenden Zellen aufgerufen.3881 Über den Herausgeber der Zeitschrift schrieb das BfV an die Landesbehörden für Verfassungsschutz: „[P.] gehört seit den 1990-er Jahren der neonazistischen Szene in MecklenburgVorpommern an. Neben der Herausgabe des 'Weißen Wolfes' betrieb er eine gleichnamige Internet-Homepage. Er war führender Aktivist der 'Mecklenburger Aktionsfront' (MAF), die am 28. Mai 2009 vom Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern verboten wurde. Im Jahr 2005 trat [P.] in die NPD ein, wo er seit 20. November 2010 stellvertretender Landesvorsitzender des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern ist. Seit dem Wiedereinzug der NPD in den Schweriner Landtag am 4. September 2011 gehörte [P.] der dortigen NPD-Fraktion als MdL an.“3882 Im Zusammenhang mit der Herausgabe der Zeitschrift nutzte D. P. zeitweise das Pseudonym „Ehiwaz“.3883 Anfang Mai 2012 wurden die Wohn-und Geschäftsräume des D. P. durchsucht. In einem Vermerk des BKA vom 23. Mai 2012 heißt es dazu, dass an der Wohnanschrift der Freundin des D. P. der „NSU-Brief“ aufgefunden worden sei.3884 In einem späteren Vermerk heißt es hingegen: „Es bestand der Verdacht, dass [P.] den 'NSU-Brief' zusammen mit einer Geldspende erhalten hatte. Im Rahmen der Durchsuchung seiner oben genannten Wohnanschrift wurde ein Exemplar des 'NSU-Briefes' aufgefunden und sichergestellt.“3885 Auf der Rückseite des Briefes ist als Absender „Der Förderturm“ und dessen Adresse angegeben.3886 Zur Vernehmung des D. P. vermerkte das BKA: „Im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung bestritt [P.], Kenntnis von dem 'NSU'-Brief erlangt zu haben. Er habe keine Erinnerung an den Brief und eine damit verbundene Geldspende. Er habe nach der oben genannten Presseveröffentlichung seine Unterlagen zum Fanzine hinsichtlich des 'NSU'-Briefes überprüft und diesen nicht gefunden. Hätte [P.] den Brief gefunden, so hätte er ihn, seiner Auskunft nach, vernichtet. An die im Fanzine veröffentliche Grußbotschaft an den 'NSU' konnte sich [P.] ebenfalls nicht erinnern. 3880 3881 3882 3883 3884 3885 3886 Artikel „NSU-Terroristen spendeten an Neonazi-Blatt“ in Frankfurter Rundschau vom 20. Juni 2012, A13387 S. 351 (VS-nfD). Artikel „Leaderless Resistance (Führerloser Widerstand)“ in „Der Weisse Wolf“ Ausgabe Nr. 20, A13394 S. 62 ff. (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 29. März 2012, A13394 S. 9 f. (VS-nfD). Artikel „Vielen Dank an den NSU“- Was wusste der „Weisse Wolf“ in apabiz vom 28. März 2012, A13394 S. 5 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 23. Mai 2012, A62158 S. 292. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 324. Vermerk des BKA vom 2. August 2012, A62155 S. 324. 685 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 [P.] sei zwar erst für Ausgabe Nr. 20 des Fanzines Verantwortlicher im Sinne des Presserechts gewesen, habe aber bereits vermutlich ab der Ausgabe Nr. 16 die Hauptverantwortung für die Erstellung des Fanzines übernommen. Das Trio habe [P.] nicht gekannt und vom 'NSU' habe er erst durch die Medien erfahren.“3887 Eine Verbindung zwischen D. P. und Mitgliedern des NSU war den Sicherheitsbehörden zuvor nicht bekannt. Die Danksagung bewertete das BfV wie folgt: „Es liegen aus der bisherigen Auswertung der LoS und den dem BfV bekannten Ermittlungsergebnissen keine Hinweise auf eine Verbindung [P.] zum NSU vor. Die Diktion der Danksagung im „Weißen Wolf“ könnte ein Hinweis darauf sein, dass entgegen der bisherigen Einschätzung doch ein Exemplar des NSU-Briefes mit einer signifikanten finanziellen Unterstützung für die Erstellung des Heftes von den mutmaßlichen NSU-Mitgliedern an [P.] versandt wurde. [P.] könnte diese Art der öffentlichen Danksagung an den NSU in dem von ihm herausgegebenen Heft deswegen gewählt haben, weil der Brief – zumindest in der den Sicherheitsbehörden bekannten Fassung – ohne Erreichbarkeit der Verfasser formuliert war. Daher ist davon auszugehen, dass [P.] wegen des anonymen Schreibens die hinter dem Brief stehenden Verfasser nicht persönlich kannte oder identifizieren konnte. Diese These wird durch den zeitlichen Konnex unterstützt: Der Zeitraum der letzten Bearbeitung des Schreibens (5. März 2002) lag nur wenige Wochen vor dem Erscheinungstermin des Heftes (frühestens Mitte/Ende April 2002).“3888 d. Weitere Ermittlungen des BKA Anfang September 2012 durchsuchte das BKA die Räumlichkeiten der ehemals Verantwortlichen der Publikationen „Fahnenträger“, „Landser“, „Der Förderturm“ sowie des Verlages „Nation Europa“. Dabei wurde kein weiteres Exemplar des „NSU-Briefes“ aufgefunden.3889 Bei den anderen auf dem Notizzettel genannten potenziellen Empfängern des Schreibens fanden keine Durchsuchungen statt. e. „Fahnenträger“ Verantwortlicher für die Publikation „Fahnenträger“ im Jahr 2002 war T. W. Dessen Wohnung wurde durchsucht, ohne dass ein Exemplar des „NSU-Briefes“ aufgefunden wurde. Bei seiner Vernehmung gab T. W. jedoch an, dass auch der „Fahnenträger“ den „NSU-Brief“ erhalten habe. Als Absender sei der Verlag „Nation Europa“ angegeben gewesen. An den Text des Briefes könne er sich nicht mehr erinnern, er wisse lediglich noch, dass dieser mit „Nationalsozialistischer Untergrund“ überschrieben gewesen sei. Außerdem sei das Logo des NSU abgebildet gewesen. Den Brief habe er vermutlich 2002 bekommen. Er habe keine Erklärung dafür, warum der „Fahnenträger“ eine Spende erhalten habe und habe auch keinen Kontakt zu Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehabt. Den Brief habe er seiner Mutter sowie D. K. gezeigt. 3890 D. K. war ab Mai 2004 verantwortlich für den „Fahnenträger“3891 Zu seiner Vernehmung vermerkte das BKA: 3887 3888 3889 3890 3891 686 Vermerk des BKA vom 26. Juni 2012, A62164 S. 468. Schreiben des BfV vom 29. März 2012, A13394 S. 10 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 6. Mai 2013, A62164 S. 427. Vermerk des BKA vom 26. Juni 2013, A62164 S. 474 f. Schreiben des BfV vom 18. Mai 2012, A13779 S. 33 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Zum 'NSU'-Brief befragt gab er an, dass er sich nicht daran erinnern könne, ob [W.] ihm den Brief gezeigt habe oder nicht. Er könne sich nur an die Spende in Form einer 500,- € Banknote erinnern, die [W.] ihm vermutlich im Frühjahr nach der 'Euro-Umstellung' (Anmerkung: 2002) gezeigt habe. [W.] habe sich über die Spende gefreut, aber ebenso wenig wie [K.] gewusst, warum der 'Fahnenträger' diese erhalten hatte. [K.] habe das Trio nicht gekannt.“3892 Die Mutter von T. W. gab an, dass ihr Sohn angekündigt habe, das Geld für einen Rechtsanwalt zu verwenden, der die Inhalte des „Fahnenträger“ rechtlich überprüfen solle.3893 f. Publikationen mit Bezug zu NRW aa. „Der Förderturm“ (1) Inhalt der Zeitschrift Das BfV schrieb über die Zeitschrift „Der Förderturm“: „In der Publikation „Der Förderturm“ werden sowohl NS-Propaganda, Verschwörungstheorien, 'historische' Berichte als auch die in der Fanzine-Szene üblichen Reviews von CDErscheinungen unterschiedlicher musikalischer Ausrichtung und den entsprechenden Konzerten veröffentlicht. Bei der ideologischen Ausrichtung gibt es viele Anklänge aus der US-amerikanischen 'White-Power'-Bewegung. Vereinzelt finden sich aus Sicht der Szene sog. 'witzige' Karikaturen mit Ku-Klux-Klan-Motiven.“3894 Auch über Konzerte der Dortmunder Band „Oidoxie“ erschienen immer wieder Artikel. Außerdem wurde ein Aufruf veröffentlicht, in dem um Spenden für die Anwaltskosten der Band gebeten wurde.3895 In einem 2003 bei Marco Gottschalk sichergestelltem Mobiltelefon befand sich im Telefonbuch der Eintrag „Markus Förderturm“.3896 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat angegeben, dass „Der Förderturm“ eine untypischere Zeitschrift war, da diese etwas „gehaltvoller“ und nicht ganz so platt wie andere Publikationen gewesen sei. Zur Wirkung der Zeitschrift auf die rechte Szene hat er ausgeführt: „Ob das jetzt ein Blatt war, das ausdrücklich die Gewaltbereitschaft befördert hat oder ein entscheidender Mosaikstein oder Baustein war – auch das wäre wieder Spekulation. Auch jetzt muss ich mich wiederholen. Ich hatte schon verschiedentlich gesagt und sage es jetzt noch mal, dass die Gewaltbereitschaft in dieser Szene schon stets präsent war und eigentlich gar nicht so großartig befördert werden musste. Deswegen bin ich immer etwas zurückhaltend mit solchen Bewertungen: Das war jetzt das Blatt, der Aufsatz oder diese Periodika, die diese Gewaltbereitschaft erst hervorgerufen hat. Es wäre ein großer Irrtum, das zu glauben. Gewaltbereitschaft entsteht und wächst aus ganz anderen Zusammenhängen, auch gerade aus dem sozialen Kontext, in dem man sich befindet, wie das dort goutiert wird. 3892 3893 3894 3895 3896 Vermerk des BKA vom 26. Juni 2012, A62164 S. 476. Vermerk des BKA vom 26. Juni 2012, A62164 S. 476. Schreiben des BfV vom 18. Mai 2012, A13779 S. 37 (VS-nfD). Antrag der Nebenklagevertretern in dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vom 6. November 2014, A62171 S. 36. Durchsuchungsbericht des PP Dortmund vom 07. Mai 2003, A24753 S. 25, Auflistung Telefonbuch Gerätespeicher, A24753 S. 176. 687 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Wenn man dafür dann gelobt wird und gehuldigt wird nach dem Motto „Jetzt hast du wieder einen umgehauen“, und dafür dann Streicheleinheiten oder Lob kriegt, dann befördert so etwas natürlich viel mehr als eine reine Lektüre.“3897 In der ersten Ausgabe der Zeitschrift wurde in der Rubrik „Grüße an: folgende Oberhausener/Mülheimer:“ auch ein „Uwe M.“ gegrüßt. Darunter folgten Grüße an Personen, die nicht aus Oberhausen bzw. Mülheim kommen.3898 Auch in der zweiten Ausgabe wird bei den Grüßen an Personen aus dem „Ruhrpott“ ein „Uwe M.“ aufgeführt.3899 J. K., ehemaliger Verantwortlicher der Zeitschrift, gab dazu an, dass ihm die Grüße an „Uwe M.“ nichts sagen würden. Die Grüße seien keine Zuschriften von Lesern gewesen, sondern vor allem dazu gedacht gewesen, Platz zu füllen.3900 Der Verfassungsschutz NRW ging aufgrund der Art der Auflistung davon aus, „[…] dass ein enger örtlicher Bezug des genannten Uwe M. ins Ruhrgebiet / NRW anzunehmen ist. Erkenntnisse zu einer Person, die als Uwe M. identifiziert werden könnte, liegen hier nicht (mehr) vor.“3901 Das BfV hielt es nicht für ausgeschlossen, dass die Grüße an Uwe Mundlos gerichtet waren und hielt dazu fest: „Ob bei den in Ausgabe 2/2001 und 4/2002 aufgefunden Grußbotschaften an 'Uwe M.' Uwe MUNDLOS gemeint war, kann nicht beurteilt werden. Vor dem Hintergrund einer potenziellen Spende durch den NSU sollte diese Möglichkeit jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden.“3902 (2) Verantwortliche und Vertrieb der Zeitschrift Insgesamt erschienen im Zeitraum von 2000 bis 2004 sechs Ausgaben der Zeitschrift.3903 Die erste Ausgabe entstand 2000 nach Angaben der Verantwortlichen in Finnland unter der Führung eines ausgewanderten Rechtsextremisten.3904 Dieses konnte über das Postfach von „Blood & Honour“ in Finnland bezogen werden.3905 Ab der zweiten Ausgabe war J. K. Verantwortlicher im Sinne des Presserechts.3906 D. Kr., J. K. und M. M. gaben an, dass sie gemeinsam an der Publikation gearbeitet hätten.3907 Nach Angaben der Verantwortlichen sei „Der Förderturm“ bundesweit vertrieben worden. Zum einen habe es die Möglichkeit gegeben, das Magazin über das Postfach zu bestellen, zum anderen sei es bei Veranstaltungen verkauft worden.3908 Außerdem sei der Vertrieb 3897 3898 3899 3900 3901 3902 3903 3904 3905 3906 3907 3908 688 Lüngen, APr 16/1097 S. 82 ff. „Der Förderturm“ Ausgabe Nr. 1 (2000), A13778 S. 186 (VS-nfD). „Der Förderturm“, Ausgabe 2 (2001), A13778 S. 253 (VS-nfD). Vernehmung des J. K. vom 4. September 2012, A13252 S. 274 (VS-nfD). Schreiben des Verfassunggschutzes NRW vom 16. Mai 2012, A13779 S. 21 (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 18. Mai 2012, A13395 S. 37 (VS-nfD). Schreiben des BfV vom 4. Juni 2012, A13779 S. 46 ff. (VS-nfD). Vermerk des BfV vom 13.07.2001, A13378 S. 200 (VS-nfD). „Der Förderturm“, Ausgabe Nr. 1 (2000), A13778 S. 145 (VS-nfD). „Der Förderturm“, Ausgabe 2 (2001), A13778 S. 208 (VS-nfD): Vernehmung J. K. vom 4. September 2012, A13252 S. 270 ff. (VS-nfD); Vernehmung des M. M. vom 11. Oktober 2012, A13252 S. 276 ff. (VS-nfD); Vernehmung D. Kr. vom 24.Oktober 2012, A13120 S. 281 ff. (VS-nfD). Vernehmung M. M. vom 11. Oktober 2012, A13252 S. 276 ff. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 über verschiedene Versandhändler erfolgt.3909 Die Angaben zur Auflage variieren zwischen 200 bis 1000 Stück pro Auflage.3910 Am 4. September 2012 vernahm das BKA J. K.. Dieser gab an, dass er Nationalist sei, aber noch nie Mitglied einer politischen Organisation oder Partei gewesen sei. Er habe bundesweite Kontakte in die rechte Szene gehabt und habe beispielsweise an Demonstrationen oder Konzerten teilgenommen. Auch zu ein oder zwei Personen aus Thüringen habe er Kontakt gehabt, allerdings könne er sich an deren Namen nicht erinnern. Personen aus Sachsen habe er nicht gekannt. Den sogenannten „NSU-Brief“ habe er nie gesehen. Er würde es wissen, wenn sie einen Brief mit Geld bekommen hätten. Wenn D. Kr. einen Brief mit Geld erhalten hätte, hätte dieser ihm auf jeden Fall davon erzählt. Aber die Post an den „Förderturm“ wäre sowieso an ihn selber gegangen, da er verantwortlich für das Postfach gewesen sei. Als Grund dafür, warum „Der Förderturm“ als Empfänger des „NSU-Briefes“ ausgewählt worden sein könnte, gab er an, dass diese Publikation großen Zuspruch in der Szene gehabt und nicht nur szenetypische Dinge angesprochen habe. Beispielsweise hätten sie Interviews mit Bands, die nicht dem rechten Spektrum angehörten, gemacht. Kontakt zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe habe er nicht gehabt. Auch die Namen Kapke, Eminger und Wohlleben würden ihm nichts sagen. Die Abkürzung NSU kenne er nur aus der Presse.3911 Das PP Essen vernahm auf Bitten des BKA M. M.3912 Dieser gab an, dass es insgesamt fünf oder sechs Ausgaben von „Der Förderturm“ gegeben habe, an denen er mitgearbeitet habe. Er sei für die Gestaltung des Heftes zuständig gewesen. An Geldspenden könne er sich nicht erinnern. Auf die Frage, ob er Kenntnis von der Existenz des „NSU-Briefes“ bzw. dessen Versand an „Der Förderturm“ habe, sagte er: „Ich kann mich an eine solche Organisation zu damaligen Zeiten nicht erinnern. Klar, als die ganze Geschichte ans Tageslicht kam, hat man ja in den Medien gehört, was die 'NSU' für eine Organisation war. Ich habe auch angefangen, darüber nachzudenken. Aber eine solche Organisation war mir bis dato nicht bekannt. Die Beate Zschäpe, an die konnte ich mich aber schwach erinnern. Aber nicht vom Namen her, sondern nur vom Gesicht. Sie war damals auch auf Demos. Daher konnte ich mich an ihr Gesicht erinnern, als ich die Bilder im Fernsehen sah. Früher waren nicht ganz so viele Frauen auf Demos. Deshalb ist mir ihr Gesicht wohl auch in Erinnerung geblieben. Auf welchen Demos und wann ich sie genau gesehen habe, dass kann ich nicht mehr sagen. Ich vermute so mal in Hamburg, Antiwehrmachtsausstellung. Aber das ist alles so lange her, ich weiß es nicht mehr genau. Ob sie damals in Begleitung von irgendjemandem war, weiß ich natürlich dementsprechend auch nicht mehr. […] Frauen waren auf damaligen Demos selten und da kann man sich noch gut an die paar Gesichter erinnern. Aber Kontakt zu ihr und den anderen beiden hatte ich nie, geschweige denn, dass ich sie persönlich kannte. Auch Personen aus deren Umfeld kenne ich deshalb zumindest nicht wissentlich.“ 3909 3910 3911 3912 Vernehmung D. Kr. vom 24. Oktober 2012, A13120 S. 281 (VS-nfD). Vernehmung M. M. vom 11. Oktober 2012, A13252 S. 276 ff. (VS-nfD); Vernehmung D. Kr. vom 24. Oktober 2012, A13120 S. 281 ff. (VS-nfD). Vernehmung J. K. vom 4. September 2012, A13252 S. 270 ff. (VS-nfD). Schreiben des LKA NRW vom 08. Oktober 2012, A13252 S. 288 (VS-nfD). 689 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dass „Der Förderturm“ vom NSU für eine mögliche Geldspende ausgewählt wurde, könne seiner Meinung nach daran liegen, dass möglicherweise Mitglieder des NSU mal eines der Hefte gekauft hätten.3913 Auch D. Kr. bestritt, Kontakt zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gehabt zu haben. Deren Namen und Gesichter kenne er nur aus der Presse. Von Geldspenden aus der rechten Szene wisse er nichts. Wenn „Der Förderturm“ den „NSU-Brief“ erhalten hätte, könnte er sich daran erinnern. Von der Existenz dieses Briefes habe er jedoch erstmals von J. K. gehört, nachdem dessen Wohnung durchsucht wurde. Für „Der Förderturm“ habe er im Zeitraum von 2000 bis 2002 Artikel verfasst. Zeitweilig sei er auch für das Postfach der Publikation verantwortlich gewesen.3914 bb. „Unabhängige Nachrichten“ Auf dem in der Frühlingsstraße aufgefundenen Zettel stand auch „UN-Nordische Zeitung“, wobei „UN“ die Abkürzung der Publikation „Unabhängige Nachrichten“ ist.3915 Diese wurde von dem 1969 gegründeten „Freundeskreis Unabhängige Nachrichten“ herausgegeben.3916 2001 betrug die Auflage 10.000 Stück. Zumindest Anfang der 2000er Jahre wurde als Kontaktadresse auch ein Postfach in Bochum angegeben, dessen Inhaber der NPD-Vorsitzende in NRW war. Die Publikation wurde oftmals gemeinsam mit Veröffentlichungen der NPD verbreitet. M. V. war bei diesem Postfach zugriffberechtigt. Außerdem wurde ein Postfach in Oberhausen genutzt.3917 M. V. gab an, vor ca. 40 Jahren Mitbegründer der Zeitschrift „UN“ gewesen zu sein. Inzwischen würde er altersbedingt nur noch begrenzt mitarbeiten. Er habe hauptsächlich Einsendungen und Zuschriften rechtlich überprüft und außerdem auch selber Artikel verfasst. Welche weiteren Personen an der Erstellung und dem Vertrieb der Zeitschrift beteiligt gewesen seien, könne er nicht mehr sagen. Er habe das Postfach für die „UN“ eingerichtet, die Bevollmächtigten für dieses Postfach hätten jedoch regelmäßig gewechselt. Die Zeitschrift sei bundesweit verbreitet gewesen und habe auch teilweise Abnehmer im Ausland gehabt. Auf die Frage, ob die Zeitschrift auch Geldspenden bekommen habe, antwortete er: „Ja. Wir leben von den Spenden. Sonst könnten wir die Zeitung gar nicht weiter finanzieren. Von wem genau und in welcher Höhe diese Geldspenden waren kann ich jetzt nicht mehr genau sagen. Die Spenden werden verbucht. Die Spender kriegen alle einen Dankesgruß. Unterlagen über Namen von Spendern und genaue Höhe der Beträge aus den Jahren 2001 I 2002 gibt es nicht mehr.“3918 Er habe keine Kenntnis von der Existenz des „NSU-Briefes“ und dessen Versand an die „UN“. Er könne aber sicher ausschließen, dass sich ein solcher Brief seinen Unterlagen oder den archivierten Unterlagen der „UN“ befinde. Den NSU kenne er nur aus der Medienberichterstattung und weder Mitglieder noch Personen aus dessen Umfeld seien ihm bekannt. Er habe keine Erklärung dafür, warum die „UN“ vom NSU für eine Geldspende ausgewählt worden seien.3919 3913 3914 3915 3916 3917 3918 3919 690 Vernehmung des M. M. vom 11. Oktober 2012, A13252 S. 276 ff. (VS-nfD). Vernehmung des D. Kr. vom 24. Oktober 2012, A13120 S. 281 (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 06. Mai 2013, A62164 S. 426. Verfassungsschutzbericht des Landes NRW für das Jahr 1992, A10347 S. 174. Vermerk des PP Bielefeld vom 26. September 2001, A10350 S. 180 f.. Vernehmung des M. V. vom 14. November 2012, A13252 S. 299 ff. (VS-nfD). Vernehmung des M. V. vom 14. November 2012, A13252 S. 299 ff. (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 H. U. gab an, dass er seit 2001 für die „UN“ tätig sei. Er sei auf Bitte von M. V. stellvertretender Vorsitzender des Vereins geworden, schreibe immer wieder kleinere Artikel und kümmere sich ansonsten vor allem um die Beantwortung von Zuschriften. Diese würden auf Grund der Menge von über 100 pro Woche nicht archiviert. Er selber habe jedoch keinen Zugriff auf das Postfach und käme auch nur einmal pro Monat nach Oberhausen. Spender erhielten regelmäßig Dankesbriefe. Anonyme Spenden kämen seiner Einschätzung nach höchst selten vor und würden nicht vermerkt werden. Er habe keinen Kontakt zu Personen des NSU gehabt. Die „Unabhängigen Nachrichten“ sei eine der ältesten Zeitschriften der rechten Szene und dementsprechend bekannt und möglicherweise deswegen als Spendenempfänger ausgewählt worden.3920 cc. „Nordische Zeitung“ Die „Nordische Zeitung“ ist die Zeitschrift des Vereins "Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." mit Sitz in Charlottenburg. Von 1989 bis 2009 war J. R. Schriftleiter der Zeitschrift. Redakteur der Zeitschrift war unter anderem J. M. aus Oberhausen.“3921 Dieser wurde durch das PP Essen vernommen und gab an, Mitglied der NPD, Kreisgruppe Oberhausen, zu sein. Seit dem Tod von J. R. vor etwa drei Jahren sei er verantwortlicher Redakteur der „Nordischen Zeitung“, an der er bereits seit den 1980er Jahren mitwirke. Die Zeitschrift werde bundesweit und auch im näheren europäischen Ausland, in Südafrika und den USA vertrieben. Es habe keine Geldspende vom NSU gegeben und der „NSU-Brief“ befinde sich nicht in den archivierten Unterlagen der Zeitschrift. Den NSU kenne er nur aus dem Fernsehen, die im Zusammenhang stehenden Personen seien ihm nicht bekannt. Die Erklärung von Jürgen Mosler, warum die „Nordische Zeitung“ für eine Geldspende des NSU vorgesehen war, lautete: „Wir haben Mitglieder in ganz Deutschland. Die Zeitschrift gibt es ja schon seit über achtzig Jahren. Auch im Internet sind wir präsent. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass einer dieser NSU-Leute mal Kenntnis von unserer Zeitschrift genommen hat.“3922 VII. Tatortauswahl 1. Tatort Probsteigasse: Bezüge zu NS-„Blutzeugen“ Die „Kameradschaft Köln“ nannte sich seit 1999 „Kameradschaft Walter Spangenberg“. Dieser Name wurde öffentlich, z. B. auf Propagandamaterial wie Aufklebern, genutzt und war auch dem Polizeilichen Staatsschutz des PP Köln und dem Verfassungsschutz NRW bekannt. Walter Spangenberg war Mitglied der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) in Köln und wurde am 24. Februar 1933 von Kommunisten erschossen. Die Historiker Fritz Bilz und Ulrich Eumann beschrieben den Fall anhand der noch vorhandenen Quellen. Sie rekonstruieren, dass sich zwei Mitglieder der kommunistischen „Roten Jungfront“ namens Hamacher und Waeser mit Pistolen bewaffnet gegen 23:00 Uhr auf eine Streife begeben haben. Gegen 23:30 Uhr trafen sie am Hansaplatz auf den 28-jährigen Walter Spangenberg. Dieser befand sich auf dem Weg von einer NSDAP-Versammlung, bei der er als Saalschützer tätig gewesen war, zu seiner Wohnung in der Von-Werth-Straße. Als Walter Spangenberg die beiden passierte, rief Hamacher „Hände hoch“. Walter Spangenberg sprang um Hilfe rufend auf die Fahrbahn und wurde von Hamacher erschossen.3923 3920 3921 3922 3923 Vernehmung des H. U. vom 22. Oktober 2012, A13120 S. 288 ff. (VS-nfD). Vermerk des BKA vom 26. Juni 2012, A62164 S. 479. Vernehmung des J. M. vom 30. November 2012, A 13120 S. 322 ff. (VS-nfD). Fritz Bilz/Ulrich Eumann: Der Fall Winterberg-Spangenberg und der Kampf um die Deutungshoheit, Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 79/2008, online: unter www.mbr-köln.de, A95401 S. 4 f.. 691 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Tatort Hansaplatz liegt in unmittelbarer Nähe zum Lebensmittelgeschäft des Djavad M. in der Probsteigasse, in dem am 19. Januar 2001 eine Sprengfalle explodierte. Die VonWerth-Straße, in welcher der SA-Mann Spangenberg lebte, ist eine Parallelstraße der Probsteigasse. Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat während der Inaugenscheinnahme des Tatorts in der Probsteigasse ausgeführt: „Sie haben in der Probsteigasse vielleicht in diese Richtung geschaut, wo die Bäume standen, also wo sich dieser kleine Park befand. In der Nazi-Zeit hieß dieser Park ‚Spangenbergpark‘. […] Es ist auffällig, dass eine geografische Nähe zu genau diesem Ort besteht, wo dieser SA-Mann erschossen wurde, und wo er von den Nazis glorifiziert wurde. […].“3924 In derselben Nacht des 24. Februar 1933 erschossen Kommunisten in Köln den 21 Jahre alten SA-Mann Winand Winterberg.1 Walter Spangenberg und Winand Winterberg waren die ersten beiden Nationalsozialisten der Kölner NSDAP, die von politischen Gegnern in Köln getötet wurden und fortan als „Blutzeugen“ verehrt wurden.3925 Aus den vorliegenden Akten ergibt sich, dass die „Kameradschaft Köln“ über Leben und Tod von Walter Spangenberg sowie der während der NS-Zeit praktizierten Heldenverehrung umfassend informiert war. So findet sich ein Ausdruck der Internetseiten der „Kameradschaft Köln“ mit dem Stand vom 21. Februar 2002. Auf der Hauptseite ist ein Foto Walter Spangenbergs in SA-Uniform veröffentlicht.3926 Auf der Seite „Bilder“ sind historische Fotografien aus der NS-Zeit dokumentiert, wobei ein Foto den Gedenkstein für Walter Spangenberg und Winand Winterberg auf dem Melatenfriedhof zeigt. 3927 Auf anderen Fotos sind das in der NSZeit errichtete Denkmal für Walter Spangenberg auf dem Hansaplatz sowie das Spangenberg-Haus abgebildet. 3928 Die „Kameradschaft Köln“ versuchte in ihrer Anfangszeit, in der Nähe des Todesortes von Walter Spangenberg zu demonstrieren. In der Verbotsverfügung des PP Köln für eine für den 9. Dezember 2000 angemeldete Demonstration hieß es: „Die ‚Kameradschaft Köln‘ hat sich zwischenzeitlich in ‚Kameradschaft Walter Spangenberg Köln‘ umbenannt. Walter Spangenberg gehörte der SA an. Er wurde am 25.02.1933 in Köln von Kommunisten erschossen. Zur Zeit des Nationalsozialismus gab es in Köln einen Walter-Spangenberg-Platz und ein Walter-Spangenberg-Haus, wobei es sich um ein Heim der SA handelte. Der damalige Walter-Spangenberg-Platz heißt heute Hansaplatz und befindet sich an der Ecke Hansaring / Am Kümpchenshof. Die Tatsache, dass Sie darauf bestehen, den Demonstrationszug an dieser Stelle vorbeizuführen, ist ein weiterer Beleg für das Wirken des ‚KDS‘ im Hintergrund der Versammlung. In diesem Licht ist auch Ihr Festhalten am Ebertplatz als Kundgebungsort zu sehen. Der Ebertplatz hieß zur Zeit des Nationalsozialismus Adolf-Hitler-Platz.“3929 3924 3925 3926 3927 3928 3929 692 Killgus, APr 16/1044 S. 6. Fritz Bilz/Ulrich Eumann: Der Fall Winterberg-Spangenberg und der Kampf um die Deutungshoheit, Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 79/2008, online: unter www.mbr-köln.de, A95401 S. 5.. Ausdruck Internetseite, A12229 S. 42. Ausdruck Internetseite, A12229 S. 53. Ausdruck Internetseite, A12229 S. 54. Verbotsverfügung des PP Köln vom 9. Dezember 2000, A12233 S. 102 ff., 116. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Keine zwei Wochen später wurde der Präsentkorb mit der Sprengfalle im Ladenlokal der Familie M. in der Probsteigasse abgelegt. In einem Kontaktgespräch des PP Köln mit der geschädigten Familie M. am 10. Juli 2014 erwähnte die Familie die Demonstration im Dezember 2000. In dem Vermerk hieß es, dass die Familie nach wie vor keine konkrete Erklärung habe, warum ihr Geschäft als Ziel des Bombenanschlags ausgewählt worden sei. Eine Vermutung bezöge sich auf eine Demonstration im Agnesviertel im Jahr 2000: „Zu dem Aufzug fand eine Gegendemonstration statt und die Teilnehmer wollten sich in dem Geschäft der Familie [M.] mit Wurfmaterial in Form von Tomaten pp. versorgen. Das Ansinnen wurde von den [M.] damals abgelehnt.“3930 Die „Kameradschaft Köln“ griff die in der NS-Zeit übliche Verehrung der beiden SA-Männer als Märtyrer in ihrer eigenen Praxis wieder auf. Dies wurde besonders durch die Änderung des Namens in „Kameradschaft Walter Spangenberg Köln“ im Jahr 1999 deutlich. Die Bezugnahme auf getötete „Blutzeugen“ der NS-Bewegung spielte bereits bei der zweiten Versammlung der Gruppierung im Jahr 1998 eine Rolle, als Axel Reitz in einer dort gehaltenen Rede zum Gedenken an die Kameraden der SA und NSDAP aufrief, die in den beiden Weltkriegen für Deutschland gefallen seien und „ohne die wir heute hier nicht sitzen würden.“3931 Durch die Gedenkrituale an die „Blutzeugen der Bewegung“ wurde eine Traditionslinie der „Kameradschaft Köln“ zur NSDAP konstruiert. Die Mitglieder der „Kameradschaft Köln“ erfuhren auf diesem Weg eine Aufwertung als „politische Soldaten“ ihrer Zeit, die das Erbe der nationalsozialistischen Bewegung anträten. Die „Kameradschaft Köln“ imitierte zu diesem Zweck Rituale des nationalsozialistischen Märtyrer-Kultes. Dazu zählten vor allem „Heldengedenken“ an Friedhöfen oder Kriegsgräberstätten. So veranstaltete die „Kameradschaft Köln“ am 25. Februar 2012 anlässlich des 79. Todestages von Walter Spangenberg und Winand Winterberg ein Heldengedenken auf dem Melatenfriedhof.3932 Als Veranstalter eines Heldengedenkens zu Ehren von Walter Spangenberg und Winand Winterberg auf dem Melatenfriedhof am 9. März 2003 trat der „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ in Erscheinung.3933 Bei größeren Saalveranstaltungen der „Kameradschaft Köln“ war eine Ehrung der „Blutzeugen“ fester Bestandteil des Programms.3934 2. Tatort Dortmund: Bezüge zu NS-„Blutzeugen“ Zwischen dem Tatort des am 4. April 2006 verübten Mordes an Mehmet Kubaşık in der Mallinckrodtstraße und dem Todesort des ersten in Dortmund getöteten „Blutzeugen“ der NSDAP, Adolf Höh, an der Ecke Münsterstraße / Heckenstraße in der Dortmunder Nordstadt besteht eine räumliche Nähe. Die Entfernung beträgt ungefähr 550 Meter. Der Historiker Daniel Schmidt beschreibt den Tatverlauf wie folgt: „Adolf Höh gehörte zu einem Trupp von etwa 20 Männern, der zwei Mitglieder des Sturms 83 in der Nacht zum 6. Dezember 1930 zu ihren Wohnungen in der Zimmer- 3930 3931 3932 3933 3934 Vermerk des PP Köln vom 10. Juli 2014, A62164 S. 147 (VS-nfD). Vermerk des PP Köln vom 18. November 1998, A10427 S. 23. Interneteintrag vom 29. Februar 2012, A10228 S. 21. Vermerk, A12252 S. 98. Vermerk, A14913, S. 493 (VS-nfD), Vermerk, A12285, S. 134 (VS-nfD). 693 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 straße eskortieren sollte. [...] Auf dem Rückweg geriet die Gruppe an der Ecke Münsterstraße/Heckenstraße mit etwa 12 bis 15 Kommunisten aneinander. Es fielen Schüsse, Höh wurde in den Kopf getroffen und erlag am folgenden Tag seinen Verletzungen.“3935 In der NS-Zeit wurde Adolf Höh als Märtyrer verehrt. 1933 wurde die Ernst-Mehlich-Straße im Dortmunder Süden in Adolf-Höh-Straße umbenannt. Höh wurde als „Ermordeter des Gaues Westfalen-Süd“ auf dem Gauehrenmal im Haus der Gauleitung in Bochum geführt. Mit seinem Umzug von Coburg nach Dortmund trat Höh 1926 in den SS-Sturm 2/I/30 ein. Der Bochumer SS-Sturm 11/30 und die SS-Standarte 30 wurden nach Adolf Höh benannt.3936 Der Verfassungsschutz NRW hielt 2002 fest, dass sich die „Kameradschaft Dortmund“ von nun an auch „Sturm 11 – Adolf Höh“ nenne.3937 Die „Projektgruppe Skinmusik“ des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund führte in ihrem „Analyse- und Auswertungsbericht“ aus dem Jahr 2004 aus, dass sich der Dortmunder Neonazi J., der in die Organisation von Rechtsrockkonzerten eingebunden war, als „Mitglied von Sturm 11 und Combat 18“ bezeichnete.3938 Nach Erkenntnissen des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund veranstalteten Thorsten Heise und J. gemeinsam rechtsradikale Konzerte.3939 Nach Angaben des LKA Berlin wurde er am 28. September 2002 als Teilnehmer der 20-Jahr Feier der „Ariogermanischen Kampfgemeinschaft der Vandalen“ in Berlin polizeilich festgestellt. Unter den 136 polizeilich festgestellten Teilnehmer befanden sich auch die NSU-Symphatisant H. L., der geschiedene Ehemann der NSU- Symphatisantin Antje Probst3940, sowie der Bruder des im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a vor dem OLG München Mitangeklagten André Eminger.3941 Der geschiedene Ehemann der Antje Probst hat als Zeuge im Verfahren gegen Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München ausgesagt, dass Antje Probst ebenfalls an der Feier teilgenommen habe.3942 Der Leiter „Projektgruppe Skinmusik“ des Polizeilichen Staatsschutzes des PP Dortmund, der Zeuge Robert Preuß, hat auf die Frage, ob er Näheres zu der Gruppe „Sturm 11“ sagen könnte, ausgeführt: „Also, jetzt ertappen Sie mich tatsächlich, wo ich erst mal sagen muss: Nee, das weiß ich nicht mehr. ‚Sturm 11‘ ... – ich vermute mal, das wird irgendeine Bezeichnung gewesen sein, die … Habe ich das nicht erläutert da in dem Bericht? Das werde ich erläutert haben, oder nicht?“3943 3935 3936 3937 3938 3939 3940 3941 3942 3943 694 Daniel Schmidt: Terror und Terrainkämpfe. Sozialprofil und soziale Praxis der SA in Dortmund 1925-1933, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Band 96/97, Essen 2007, A95403 S. 271. Marcus Weidner: Die Straßenumbenennungspraxis in Westfalen und Lippe während des Nationalsozialismus. Datenbank der Straßenumbenennungen 1933-1945, A95404. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW aus Februar 2002, A13724 (VS-nfD). Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinbands des PP Dortmund aus April 2004, A13399 S. 310. Analyse- und Auswertebericht der Projektgruppe Skinmusik, A13399 S. 338. Nicht amtliches Protokoll des 171. Verhandlungstag vom 16. Dezember 2014 im Verfahren gegn Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlicht auf nsu-watch-info, A95405 Email vom 4.Oktober 2002, A54580 S, 75 ff.. Nicht amtliches Protokoll des 171. Verhandlungstag vom 16. Dezember 2014 im Verfahren gegn Beate Zschäpe u. a. vor dem OLG München, veröffentlicht auf nsu-watch-info, A95405. Preuß, APr 16/1160 S. 23. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 […] Ja. Also ganz häufig sind Namen übernommen worden. Das mag sein, dass ‚Sturm 11‘ vielleicht auch eine historische Bezeichnung war, die übernommen worden ist.“3944 Nach einem Vorhalt aus dem ihm verfassten Bericht hat er ausgesagt: „Wenn ich das nicht näher erläutert habe, dann werde ich wahrscheinlich damals davon ausgegangen sein, dass es einfach nur eine Namensnennung, Namensübernahme ist, also dass da tatsächlich keine Gruppierung hinter stand.“ Auf die Nachfrage, ob „Sturm 11“ möglicherweise ein Synonym für die „Kameradschaft Dortmund“ sein könnte und eine Bezugnahme auf den SS-Sturm 11/30 aus der NS-Zeit, der sich den Ehrennamen Adolf Höh gegeben hat, sein kann, hat der Zeuge Robert Preuß erklärt: „Wenn Sie es mir so vorhalten, würde ich sagen: Ja, habe ich schon mal gehört, dass das so war. Also, der Name Adolf Höh im Zusammenhang mit Dortmund ist mir ein Begriff. Ja, also wenn Sie das so sagen, würde ich sagen: Ja, das wird wahrscheinlich der Hintergrund sein von ‚Sturm 11‘.“3945 Der Zeuge Patrick Dittmann, der 2004 Teil der Neonazi-Szene in Dortmund war, hat auf die Frage, ob er etwas zum „Sturm 11“ sagen kann, geantwortet: „Selber kann ich dazu nichts sagen. Aber irgendwoher kenne ich das. Aber was es genau ist, weiß ich jetzt nicht.“3946 Der Zeuge Sebastian Seemann, ebenfalls ein ehemaliger Teil der Neonazi-Szene in Dortmund, hat auf die Frage nach „Sturm 11“ angegeben: „Wäre jetzt reine Mutmaßung, wenn ich da jetzt was zu sagen würde. ‚Sturm 18‘ kenne ich. Ich glaube, das ist auch nur eine Band. Kann sein, dass irgendwann mal der Name ‚Sturm 11‘ gefallen ist; kann ich mich nicht mehr dran erinnern.“3947 Das erste öffentlich bekannt gewordene Gedenken an Adolf Höh durch Dortmunder Neonazis fand am 19. November 2006 statt und wurde vom „Nationalen Widerstand Dortmund“ veranstaltet.3948 3. Tatort Kassel: Bezüge zu NS-„Blutzeugen“ Eine räumliche Nähe besteht zwischen dem Tatort des Mordes an Ismail Yozgat am 6. April 2006 in seinem Internetcafé in der Holländischen Straße und Orten, die mit dem 1930 getöteten SA-Mannes und NSDAP-Stadtverordneten Heinrich Messerschmidt verbunden sind. Das von der „Hannoverschen-Niedersächsischen Allgemeinen“ betriebene „HNA-Regiowiki“ schreibt zum Tatgeschehen am 18. Juni 1930, dass die Nationalsozialisten an diesem 18. Juni u. a. in der Gasthaus „Stadt Stockholm“, die häufig den Kommunisten als Treffpunkt diente, eine Versammlung abhielt. Diese als Provokation empfundene Wahl des Veranstaltungsorts führte dazu, dass sich mehrere Hundert Bürger versammelten und „Nazis raus!“ skandierten. Die Polizei konnte die Gruppe bis auf 100 Metern fernhalten und sicherte die Versammlungsteilnehmer auch beim Verlassen der Gaststätte. Dennoch eskalierte auf dem 3944 3945 3946 3947 3948 Preuß, APr 16/1160 S. 24. Preuß, APr 16/1160 S. 24 f. Dittmann, APr 16/1249 S. 22. Seemann, nöAPr 16/230, S. 36. Internetausdruck, A13737 S. 205. 695 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Königsplatz, wo die Polizei nicht anwesend war, die Situation und es kam zu blutigen Straßenkämpfen, in deren Verlauf der NS-Stadtverordnete Messerschmidt von einem Unbekannten mit mehreren Messerstichen derart verletzt wurde, dass er wenige Tage später seinen Verletzungen erlag.3949 Die am Königsplatz beginnende Untere Königsstraße wurde später zur Holländischen Straße, an der auch das Internetcafè des Mordopfers Yozgat lag. Die Entfernung zwischen Königsplatz und Tatort beträgt zirka 1,3 Kilometer. Noch heute existiert an der Ecke Mittelgasse / Entenanger in Kassel das Gasthaus „Stadt Stockholm“, das auch unter dem Namen „Stocki“ firmiert.3950 Die Gaststätte wurde von der rechtsradikalen Szene in Kassel genutzt. In den Akten finden sich Bezüge zwischen der Gaststätte „Stadt Stockholm“ und dem Kasseler Neonazi B. G., der seit 2001 als V-Mann des LfV Hessen tätig war. Sein VP-Führer Andreas Temme hielt sich zur Tatzeit im Internetcafè des ermordeten Halit Yozgat auf, will aber keine Beobachtungen zum Mord gemacht haben. Kurz vor der Tat führten der VP-Führer und B. G. ein elfminütiges Telefonat, an dessen Inhalt sich beide nicht mehr erinnern können. In seiner Vernehmung durch das BKA am 26. April 2012 bezeichnete B. G. die Kneipe „Stadt Stockholm“ als „bekannten Szenetreff“.3951 Weiter berichtete, er sei von 1997 bis 2000 Mitglied der „Kameradschaft Kassel“ gewesen.3952 Zum „Sturm 18“, einer neonazistischen Kameradschaft aus Kassel, erklärte er: „In Kassel gab es noch den Sturm 18. Meines Erachtens ist Sturm 18 gegründet worden von dem [B. T.] Das weiß ich aber nur vom Hörensagen. Der [S.] hat sich immer damit gebrüstet, dass er den Sturm 18 gegründet hatte. Andere Leute von Sturm 18 haben mir dann aber erzählt, dass der [B. T.] auch dabei gewesen sei. Den Nachnamen von dem [S.]“ Weiteres Mitglied von „Sturm 18“ sei M. F. gewesen, der aber wieder ausgetreten und jetzt bei den Bandidos ist.3953 Bei dem genannten S. könnte es sich um ein Mitglied der „Oidoxie Streetfighting Crew“ handeln.3954 Der genannte M. F. war ebenfalls Mitglied der „Oidoxie Streetfighting Crew“. Beide Mitglieder des „Sturm 18“ verfügten über enge Beziehungen zur Dortmunder Neonazis aus den Reihen der Band „Oidoxie“ und der „Oidoxie Streetfighting Crew“. 4. Ermittlungen nach dem 4. November 2011 In den ab November 2011 durchgeführten Ermittlungen zur Probsteigasse spielte die Tatsache, dass der Todesort Spangenbergs in unmittelbarer Nähe zum Tatort der Bombenexplosion in der Probsteigasse liegt, keine Rolle. Ebenso wenig finden sich in den Akten zu den ab November 2011 durchgeführten Ermittlungen zum Mord an Mehmet Kubaşık Hinweise auf den „Blutzeugen“ Adolf Höh. 3949 3950 3951 3952 3953 3954 696 Beitrag "Nationalsozialismus und Arbeiterbewegung" auf www.regiowiki.hna.de, A95409. Internetauftritt der Gaststätte Stadt Stockholm unter http://www.stadt-stockholm.de, A95411. Vernehmung von B. G. vom 26. April 2012, A64796 S. 5. Vernehmung von B. G. vom 26. April 2012, A64796 S. 3. Vernehmung von B. G. vom 26. April 2012, A64796 S. 4. Vermerk vom 28. Dezember 2006, A14908 S. 71 (VS-nfD). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Dieter Kretzer, hat auf die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem Tatort in der Probsteigasse und dem Blutzeugen Walter Spangenberg geprüft worden sei und ob es Hinweise in diese Richtung gegeben habe, geantwortet: „Wir haben das zusammen mit dem PP Köln überprüft. Wir haben keine Hinweise über einen möglichen Zusammenhang bekommen.“3955 Der Zeuge Michael Schweikert hat ausgesagt, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass Walter Spangenberg in der Nähe der Probsteigasse erschossen wurde. Dass hier ein Motiv für die Auswahl des Tatortes des Bombenanschlags liegen könnte, war ihm ebenfalls nicht bekannt.3956 Auch der Zeugin Mathilde Koller war zum Zeitpunkt der Aufarbeitung des Anschlags in der Probsteigasse der Todesort Spangenbergs nicht bekannt.3957 Auf die Frage, ob nach November 2011 bei der Überprüfung des Verfassungsschutzes NRW zu den NSU-Taten auch der Name Adolf Höh in Dortmund thematisiert worden sei, hat sie erklärt: „Weiß ich nicht. Also nicht, dass ich es Ihnen nicht sagen will; ich weiß es nicht.“3958 Der mit der Aufarbeitung der NSU-Taten beim Verfassungsschutz NRW befasste Zeuge Dirk Weinspach, hat auf die Frage nach der „Blutzeugentheorie“ erwidert, dass er von dieser These erst nach seinem Weggang aus dem Verfassungsschutz gehört habe und er sie für „weit hergeholt“ halte.3959 Klarstellend hat er ergänzend ausgeführt: „Ich habe nur gesagt: Ich kann kein durchgängiges Muster erkennen, und ich habe keine sonstigen Anhaltspunkte dafür. – Also insofern: So weit würde ich nicht gehen, das für abwegig zu halten. Aber wir haben es damals nicht geprüft, und nach allem, was ich heute weiß, gibt es diese Nähe da zu dem Platz, aber nicht mehr. Und das ist auch kein durchgängiges Muster.“ 3960 5. Kritische Würdigung Die Beweisaufnahme erbrachte Verbindungen zwischen den NSU-Tatorten in Köln, Dortmund und Kassel zu Todesorten von SA-Männern, die sowohl von der NSDAP als auch von Neonazis als „Blutzeugen“ verehrt wurden. Am offensichtlichsten ist diese Verbindung am Anschlagsort Probsteigasse, bei dem es keine schlüssige Erklärung gibt, warum die Täter ausgerechnet dieses von außen nicht erkennbar als von Migranten geführtes Geschäft in einer unbedeutenden Nebenstraße auswählten. In Köln sind auch die Bezüge der hiesigen Neonaziszene auf den „Blutzeugen“ am offensichtlichsten, aber auch in Dortmund konnte eine Bezugnahme der hiesigen Neonazi-Szene auf den getöteten SA-Mann festgestellt werden. Dass die Tatortwahl der dem NSU zugerechneten Morde tatsächlich in Verbindung mit den „Blutzeugen“ steht, konnte nicht festgestellt werden. 3955 3956 3957 3958 3959 3960 Kretzer, APr 16/952 S. 71 f. Schweikert, APr. 16/1088 89. Koller, APr 16/234 S. 33. Koller, nöAPr 16/234 S. 35. Weinspach, APr 16/1340 S. 98. Weinspach, APr 16/1340 S. 101. 697 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 F. Einsatz von VP in NRW I. Grundlagen des Einsatzes von VP Bedingt durch das Trennungsgebot zwischen Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutzbehörden, stehen letzteren keine repressiven Eingriffsmittel, wie etwa Durchsuchungsrechte oder Festnahmebefugnisse zu. Insoweit gründet sich das Selbstverständnis des Verfassungsschutzes auf den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln, worunter insbesondere der Einsatz menschlicher Quellen zur Informationsgewinnung zu verstehen ist. Der Zeuge Dr. Hartwig Möller, zwischen 1999 und 2009 Leiter des Verfassungsschutzes NRW, hat zur Bedeutung der Quellen erklärt: „Man muss sehen […], dass die V-Leute sozusagen – ich sage es mal salopp – das Eingemachte des Verfassungsschutzes sind, an die man keine anderen ranlässt. Das ist ja das, was den Verfassungsschutz von anderen Organisationen unterscheidet. Sonst können Sie die Sache auch von der Landeszentrale für politische Bildung betreiben lassen. Das ist der große Unterschied.“3961 Die Bedeutung der Quellen für den Verfassungsschutz hat auch der bis 2003 als Referatsleiter Auswertung Rechtsextremismus tätige Zeuge Hans-Peter Lüngen geteilt, indem er den Bereich der Quellen als das „Allerheiligste jedes Verfassungsschutzes“ bezeichnet hat.3962 Die Bezeichnung der menschlichen Quellen divergierte zwischen so genannten V-Leuten oder V-Männern (VM) zum heute genutzten Begriff V-Personen (VP). Vertrauenspersonen sind keine Mitarbeiter staatlicher Stellen, sondern Zuträger der sie anwerbenden Behörden. Bei ihrer Informationsbeschaffung handelt es sich um eine geheime (verdeckte) Tätigkeit, von der das jeweilige Beobachtungsobjekt keine Kenntnis erlangen soll. Nachrichtendienstliche menschliche Mittel zur Informationsbeschaffung sind neben Vertrauenspersonen sonstige geheime Informanten, zum Zwecke der Spionageabwehr überworbene Agenten, Gewährspersonen und verdeckte Ermittler. 1. Definition V-Personen Der Begriff „Vertrauenspersonen“ (VP) wird in § 5 Absatz 2 Nummer 1 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) seit der Gesetzesnovellierung 2013 verwendet. Davor wurde seit 1994 der Begriff „Vertrauensleute“ in § 5 Absatz 2 Nummer 1 VSG NRW a. F. genutzt. Eine gesetzliche Definition der Vertrauenspersonen (VP) bzw. der Vertrauensleute existiert bis heute nicht. Jedoch definierte schon die Dienstanweisung Beschaffung von 1983 den „Vertrauensmann“ als einen geheimen Mitarbeiter, „der einer Organisation, Gruppierung oder Einrichtung im Sinne von Nr. 1 angehört oder in sie Eingang finden soll oder über sie aus anderen Gründen Angaben machen kann und der planvoll und systematisch über einen längeren Zeitraum hinweg zur Beschaffung von Nachrichten über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne von Nr. 1 eingesetzt wird.“3963 3961 3962 3963 698 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 103. Lüngen, APr 16/1097 S. 44. Dienstanweisung Beschaffung von 1983, Nr. 17 - Begriffsbestimmung, Ordner 161 S. 537 (VSV-herabgestuft). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Durch das Inkrafttreten des Leitfadens für den Verfassungsschutz NRW im Jahre 1999 wurde die Definition des Begriffs „V-Leute“ dahingehend angepasst, dass „V-Leute“ nunmehr Personen waren, „die einer Organisation, Gruppierung oder Einrichtung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 oder 4 VSG NW angehören oder in sie Eingang finden sollen oder über sie aus anderen Gründen Angaben machen können und die planvoll und systematisch über einen längeren Zeitraum hinweg zur Beschaffung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne von § 3 Abs. 1 VSG NRW eingesetzt werden.“3964 2007 definierte der damalige Innenminister Wolf in einem Bericht an den Innenausschuss des Landtags NRW Vertrauensleute als „geheime, der jeweiligen Behörde nicht angehörende Personen, die regelmäßig gegen Bezahlung mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten und wegen ihrer Zugehörigkeit oder Nähe zu extremistischen Bestrebungen aus den Beobachtungsobjekten geheim berichten können.“3965 Worauf sich diese Definition gründete, erläuterte der Bericht nicht. In dem seit Mai 2014 gültigen Handbuch für den Verfassungsschutz NRW wurde die Definition dahingehend aktualisiert, dass Vertrauenspersonen Personen sind, „die einer den gesetzlichen Aufgabenbereich von § 3 Abs. 1 VSG NRW betreffenden Organisation, Gruppierung oder Einrichtung angehören oder in sie Eingang finden sollen oder über sie aus anderen Gründen Angaben machen können und die planmäßig und systematisch über einen längeren Zeitraum hinweg zur Beschaffung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne von § 3 Abs. 1 VSG NRW eingesetzt werden. VP sind keine Mitarbeiter des Verfassungsschutzes.“3966 In der „Dienstanweisung Beschaffung“ vom 5. Mai 1983, die bis zur Einführung des Leitfadens für den Verfassungsschutz NRW im Jahr 1999 gültig war, wurde der „geheime Mitarbeiter“ als eine von drei zu unterscheidenden Formen der Informationsbeschaffung aufgeführt. Unter dem übergeordneten Begriff wurden sowohl die noch als „Vertrauensmänner“ (VM) bezeichneten V-Personen als auch die „Gelegenheitsinformanten“ (GI) und die „Freien Mitarbeiter“ (FM) zusammengefasst.3967 Gelegenheitsinformant war hiernach ein geheimer Mitarbeiter, der „entweder selbst oder über Dritte Zugang zu einer Organisation, Gruppierung oder Einrichtung im Sinne von Nr. 1 besitzt oder über sie aus anderen Gründen Angaben machen kann, jedoch nur gelegentlich Nachrichten über die Bestrebungen und Tätigkeiten dieser Organisation oder Einrichtung liefert.“3968 3964 3965 3966 3967 3968 Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, 2. Abschnitt, 5 – Begriffsbestimmung, Absatz 2, Ordner 161 S. 666 ff. (VS-V-herabgestuft). Bericht des Innenministers im Innenausschuss am 12. September 2007, A20143 S. 103. Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Nr. 1 Begriffsbestimmung, Ordner 161 S. 717 (VS-V-herabgestuft). Dienstanweisung Beschaffung vom 5. Mai 1983, Ordner 161, Nr. 18 – Status, Ordner 161 S. 538 (VS-V-herabgestuft). Dienstanweisung Beschaffung vom 5. Mai 1983, Ordner 161, Nr. 17 – Begriffsbestimmung, S. 537 (VS-V-herabgestuft). 699 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Hingegen wurden freie Mitarbeiter so definiert, dass sie der jeweils zu beobachtenden Organisation nicht angehörten und nur anfallende Nachrichten meldeten. Ein Einsatz konnte insoweit auch offen erfolgen.3969 Im Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW aus dem Jahr 1999 wurden als weitere nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsbeschaffung in Abgrenzung zu den V-Leuten noch die „sonstigen geheimen Informanten“ (GI), die „Gewährspersonen“ (GP) beziehungsweise die „Freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (FM) aufgeführt.3970 Die „sonstigen geheimen Informanten“ (GI) unterschieden sich von den V-Leuten dadurch, dass sie nur „gelegentlich“ Hinweise geben konnten.3971 Eine Unterscheidung zwischen „Gewährspersonen“ (GP) und „Freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ (FM) sah die Dienstvorschrift nicht vor. Sie wurden definiert als: „Personen, die ohne VM oder GI zu sein – der Abteilung Verfassungsschutz logistische oder sonstige Hilfe leisten (z.B. eine Sonderverbindung bei Legendierungsmaßnahmen). Sie können auch offen eingesetzt werden.“3972 Im seit Mai 2014 gültigen Handbuch für den Verfassungsschutz NRW wurden die Bezeichnungen für die unterschiedlichen Arten von Quellen nochmals geändert. Die „sonstigen geheimen Informanten“ (GI) firmieren nun nur noch unter dem Begriff „Informanten“ (INF), während die Definition der „Gewährsperson“ (GP) beibehalten wurde.3973 Grundsätzlich von diesen Quellen zu unterscheiden sind die erstmals im Handbuch von 2014 aufgeführten „Verdeckten Ermittler“ (VE), die definiert werden als: „Angehörige der Verfassungsschutzbehörde, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten Legende in einer Organisation, Gruppierung oder Einrichtung im Sinne des Aufgabenbereiches der Verfassungsschutzbehörde oder in deren Umfeld planmäßig und systematisch über einen längeren Zeitraum hinweg zur Beschaffung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des Aufgabenbereiches eingesetzt werden.“3974 Die zuvor gültigen Dienstanweisungen kannten den „Verdeckten Ermittler“ nicht. Insbesondere ist der „Verdeckte Ermittler“ auch nicht mit dem „geheimen Mitarbeiter“ zu verwechseln bzw. gleichzusetzen. Den Begriff „geheimer Mitarbeiter“, erläuterte der Zeuge Burkhardt Schnieder, zwischen 2012 und 2015 Gruppenleiter beim Verfassungsschutz NRW, wie folgt: „Wenn Sie sich mal verschiedene Akten aus der damaligen Zeit angucken, taucht dieser Begriff häufiger auf, dass man so umgangssprachlich statt von ‚Quelle‘ vom ‚geheimen Mitarbeiter‘ sprach. Dahinter verbirgt sich nichts Besonderes. Er war insbesondere kein Mitarbeiter im engeren Sinne des Innenministeriums oder des Verfassungsschutzes. Es war eigentlich ein Synonym für ‚Quelle‘. Das hörte sich vielleicht 3969 3970 3971 3972 3973 3974 700 Dienstanweisung Beschaffung vom 5. Mai 1983, Ordner 161, Nr. 17 – Begriffsbestimmung, S. 538 (VS-V-herabgestuft). Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, 2. Abschnitt, 5 – Begriffsbestimmung, Absatz 1, Ordner 161 S. 666 ff. (VS-V-herabgestuft). Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, 2. Abschnitt, 5 – Begriffsbestimmung, Absatz 3, Ordner 161 S. 666 ff. (VS-V-herabgestuft). Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, 2. Abschnitt, 5 – Begriffsbestimmung, Absatz 4, Ordner 161 S. 666 ff. (VS-V-herabgestuft). Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Nr. 1 Begriffsbestimmung, Punkte 1.3 und 1.4, Ordner 161 S. 717 (VS-V-herabgestuft). Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Nr. 1 Begriffsbestimmung, Punkt 1.1, Ordner 161 S. 717 (VS-V-herabgestuft). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 etwas netter, besser an als ‚Quelle‘. Von daher hat man, ohne dass man sich dabei, glaube ich, irgendwie viel gedacht hat, diesen Begriff dann verwendet. Er war einfach umgangssprachlich so eingeführt. Man hat sich dann später in Sachen NSU darauf verständigt, dass man klare Begriffe haben muss, und spricht inzwischen eigentlich von ‚VP‘ und ‚VP-Datei‘. Auch im Gesetz NRW wird es ‚VP‘ genannt. Damals hat es diese klaren Unterschiede nicht so gegeben. Das war ein mehr oder weniger eingeführter Begriff und sollte nicht irgendwie zum Ausdruck bringen, dass er eine Sonderfunktion hatte – Undercover oder sonst was, verdeckter Ermittler. Er war ein üblicher V-Mann – eine VP jetzt.“3975 2. Rechtliche Grundlagen des Einsatzes von Vertrauenspersonen a. Verfassungsschutzgesetz NRW Das VSG NRW enthielt bis zu seiner Novellierung 1994 keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage zum Einsatz von VP. Einzig § 4 Absatz 1 Satz 1 VSG NRW a.F. besagte, dass „die Verfassungsschutzbehörde im Rahmen des allgemeinen Rechts nach pflichtgemäßem Ermessen die zur rechtmäßigen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Maßnahmen treffen und dabei nachrichtendienstliche Mittel anwenden“ durfte.3976 Seit 1994 wird der Verfassungsschutz NRW in § 5 Absatz 2 Nummer 1 VSG NRW unter anderem zum Einsatz von Vertrauensleuten und sonstigen geheimen Informanten ausdrücklich ermächtigt. Insoweit änderte sich seitdem lediglich der Wortlaut zu der seit 2013 gültigen Fassung. In der Neufassung des am 28. Juni 2013 in Kraft getretenen § 7 VSG NRW wurde erstmals gesetzlich geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz unter anderem von Vertrauenspersonen, sonstigen geheimen Informantinnen und Informanten, Gewährspersonen und verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern, zulässig ist.3977 Bis zu diesem Zeitpunkt existierte keine entsprechende Regelung im VSG NRW. Lediglich auf untergesetzlicher Ebene existierten Verwaltungsvorschriften, welche unter anderem als Verwaltungsrichtlinien, Dienstanweisungen, Leitfäden oder Handbücher bezeichnet wurden, die den Einsatz von V-Personen und anderen Informanten und Informantinnen regelten. b. Verwaltungsvorschriften Verwaltungsvorschriften für den Verfassungsschutz NRW existieren bereits seit den 1980erJahren. Wurden diese anfangs noch unterteilt, unter anderem in solche der Beschaffung und der Auswertung, fasste 1999 der „Leitfaden für die Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen“3978 die bestehenden Vorschriften in einer Sammlung zusammen. Die Überarbeitung war aufgrund der Reform des VSG NRW 1994 erforderlich geworden. Sodann wurde durch die erneute Gesetzesnovellierung im Jahr 2013 wiederum eine Änderungen der Vorschriften erforderlich, welche das 2014 in Kraft getretene „Handbuch des Verfassungsschutzes NRW - Sammlung der Dienstanweisungen“3979 enthielt und damit den Leitfaden aus dem Jahr 1999 ablöste. Insbesondere der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat inhaltlich Stellung zu den zu seiner Zeit als Leiter des Verfassungsschutzes NRW zwischen 1999 und 2009 geltenden Verwaltungsvorschriften genommen. So hat er ausgeführt, dass es bereits zum Zeitpunkt seiner Übernahme 3975 3976 3977 3978 3979 Schnieder, nöAPr 16/160 S. 4 f. Gesetz über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, vom 21.6.1981, GV. NRW. 1981, S. 406 ff. Gesetzesbegründung Anlage 5, Neuausrichtung VSG NRW, A30626 S. 80. Im Folgenden „Leitfaden“ genannt. Im Folgenden „Handbuch“ genannt. 701 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der Leitung des Verfassungsschutzes NRW im September 1999 interne Verwaltungsvorschriften gab, die ein klar strukturiertes Verfahren für die Anwerbung und den Einsatz von VP vorgaben und welche im Wesentlichen den heutigen gesetzlichen Regelungen entsprächen.3980 Gleichwohl hat er die Regelungsdichte während seiner Tätigkeit als Leiter des Verfassungsschutzes NRW gerade in Bezug auf VPén als „nicht so ausgefeilt“ und nicht so „detailliert geregelt“ beschrieben.3981 Auch hat er betont, dass es einen Unterschied macht, ob etwas in einer Verwaltungsvorschrift oder wie heute in einem Gesetz geregelt ist.3982 Hierdurch hätten sich zudem mehr „Auslegungsmöglichkeiten“ ergeben, insbesondere der Bereich der VP-Führung habe demnach sehr viele Freiräume und sehr viel Flexibilität im Umgang mit bestehenden Regelungen zugelassen.3983 Diese Ansicht wurde schon bei der Vorbereitung des Leitfadens 1999 vertreten, da es in einem Begleitschreiben hierzu hieß, dass von einer Einbindung des Ministers in den Entscheidungsprozess abgesehen würde, da die Arbeit des Verfassungsschutzes bereits durch das VSG NRW umfassend gesetzlich geregelt sei und der Leitfaden deshalb deutlich geringere Bedeutung habe, als die ihm vorausgehenden Dienstanweisungen im Zeitpunkt ihres Erlasses.3984 Seit 2013 sind die gesetzlichen Grundlagen zum Erlass von Verwaltungsvorschriften, hier „Dienstanweisungen“ genannt, in § 7 Absatz 2 Satz 6 und 7 VSG NRW normiert. Danach ist das „Nähere zum Einsatz von Personen im Sinne des § 5 Absatz 2 Nummer 1 […] in einer Dienstanweisung zu regeln, die nach Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums erlassen wird. Vor jeder Änderung der Dienstanweisung ist das Parlamentarische Kontrollgremium zu hören.“ Der Leitfaden von 1999 wurde daraufhin 2014 durch ein neues Handbuch für den Verfassungsschutz NRW ersetzt, das verschiedene Dienstanweisungen zusammenfasste. Der Untersuchungszeitraum des Ausschusses liegt im Wesentlichen vor dem Zeitpunkt der Neufassung des VSG NRW im Jahr 2013, so dass im Folgenden der Schwerpunkt auf die Regelungen für Werbung, Führung und Abschaltung von V-Personen gelegt wird, wie sie in den von 1983 bis 1999 und 1999 bis 2014 gültigen Verwaltungsvorschriften bestanden. aa. Forschung und Werbung Der Werbung einer Person als Quelle sollte ausweislich der seit 1984 gültigen Dienstanweisung Beschaffung sowie des zwischen 1999 und 2014 gültigen Leitfadens für den Verfassungsschutz NRW, ein Vorgang der Forschung vorausgehen, bei dem Informationen über die anzuwerbende Person erlangt werden sollten. Die Dienstanweisung von 1984 besagte, dass die Abteilungsleitung zu unterrichten war, wenn bei der Forschung festgestellt worden war, dass es sich bei der anzuwerbenden Person um einen Spitzenfunktionär einer Organisation, Gruppierung oder Einrichtung oder um eine Person von besonderer Bedeutung handelte.3985 3980 3981 3982 3983 3984 3985 702 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 105. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 134. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 134. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 134. Anschreiben des Verfassungsschutzes an den Innenminister, Ordner 161 S. 660 f. (VS-V-herabgestuft). Dienstanweisung Beschaffung von 1983, Nr. 22 - Forschung, Ordner 161 S. 539 (VS-V-herabgestuft). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Unter Punkt „6 – Forschung“ des Leitfadens von 1999 hieß es in Absatz 1, dass vor einem Werbeversuch die Eignung der Person zu prüfen und zudem festzustellen sei, ob und welche Erkenntnisse bei Verfassungsschutzbehörden, anderen Diensten und sonstigen Behörden über die jeweilige Person vorlägen.3986 Aufgrund der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse sollten sodann die Abteilungsleiter über den Versuch einer Werbung entscheiden.3987 Regelungen, bei welchen Erkenntnissen über eine VP diese nicht für den Versuch einer Werbung infrage kam, lagen nicht vor. Vielmehr lag es in den Händen der Abteilungsleitung, bis zu welcher Grenze ein Werbeversuch unternommen werden sollte. Eine Verwaltungsvorschrift, in der Ausschlusskriterien für die Anwerbung einer Person als Quelle formuliert wurden, existierte nach Aussage des bis Juni 2001 tätigen Leiters des Beschaffungsreferat des Verfassungsschutzes NRW nicht. Insoweit hat er angegeben: „Nein, die hatten wir nicht. Das gab es nicht. Es gab da keine ausschließenden Regelungen. Das mussten wir schon selbst wissen, was da zu verantworten ist.“3988 Weiter hat er ausgesagt, dass im Rahmen der Forschung auch die kriminelle Vergangenheit überprüft worden sei, wobei die im Strafregister aufgeführten Delikte abgewogen worden seien. Man habe nicht mit „Schwerverbrechern“ gearbeitet.3989 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat für den Zeitraum von 1999 bis 2009, in dem er Leiter des Verfassungsschutzes NRW war, bekundet, dass aus seiner Sicht Ausschlusskriterien für eine Anwerbung einer VP deren Affinität zu Waffen, ein Hang zu Gewalttaten und bestimmte Vorstrafen waren.3990 bb. Formelle Voraussetzungen der Verpflichtung Der zwischen 1999 und 2014 gültige Leitfaden regelte unter Punkt „7 – Verpflichtung“ in Absatz 1, dass „bei erfolgreicher Werbung […] die angeworbene Person grundsätzlich zu verpflichten [war], [sie] ihre Obliegenheiten nach dem Verpflichtungsgesetz gewissenhaft zu erfüllen und die Verhaltensmaßregeln zu ihrer und der Sicherheit der VM-Führung zu beachten [hatte].“3991 Zudem war die Unterrichtung, die der Verpflichtung zugrunde lag, gemäß Nummer 7 Absatz 3 des Leitfadens im Regelfall alle zwei Jahre zu wiederholen.3992 Ab Ende der 1990er Jahre erfolgten mindestens in einem Fall Gespräche mit einer nicht verpflichteten VP. Diese Gespräche wurden bis mindestens 2007 fortgesetzt.3993 3986 3987 3988 3989 3990 3991 3992 3993 Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, Nr. 6 – Forschung Absatz 1, Ordner 161 S. 666 ff. (VS-V-herabgestuft). Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, Nr. 6 – Forschung Absatz 2, Ordner 161 S. 666 ff. (VS-V-herabgestuft). Zeuge, nöAPr 16/285 S. 17. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 19. Dr. Möller, APr 1263 S. 107. Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, Nr. 7, Ordner 161 S. 666 ff. (VSV-herabgestuft). Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, Nr. 7, Ordner 161 S. 666 ff. (VSV-herabgestuft). Freier, geh 16/13 S. 24 f. (herabgestuft); Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW, geh 16/2 S. 11, 19 f., 29; geh 16/3 S. 37, 39, 41, 71; geh 16/5 S. 48 f., 52 (herabgestuft). 703 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 cc. Stellung der VP im Beobachtungsobjekt Bereits in der Dienstanweisung Beschaffung von 1984 hieß es, dass eine V-Person die Zielsetzung und Tätigkeit eines Beobachtungsobjektes nicht entscheidend bestimmen darf.3994 Auch der Leitfaden von 1999 enthielt unter Punkt „11 – Stellung der VM im Objekt“ eine derartige Regelung: „VM dürfen weder die Zielsetzung noch die Tätigkeit des Beobachtungsobjektes entscheidend bestimmen.“3995 Die Verwaltungsvorschriften von 1984 und 1999 nennen den Begriff „Führungsperson“ nicht. Jedoch steht es regelmäßig zu vermuten, dass Führungspersonen des Beobachtungsobjektes dieses auch entscheidend bestimmen. Sollte diese Vermutung im Einzelfall widerlegt werden können, würde eine Anwerbung einer entsprechenden VP zumindest einer argumentativen Erläuterung bedürfen. Der Zeuge Dr. Hartwig Möller sagte aus, dass nach dem ersten gescheiterten NPD-Verbotsverfahren klar gewesen sei, „dass eine steuernde Einflussnahme durch V-Leute zumindest auf politische Parteien und sonstige wesentliche Organisationen nicht zulässig ist. Das war klar. Und das ist danach auch alles geändert worden, die sind ja rausgezogen worden.“3996 Im ersten NPD-Verbotsverfahren war öffentlich bekannt geworden, dass der Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen NPD als VP des BfV tätig war.3997 Gleichzeitig war der stellvertretende Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen NPD, Wolfgang Frenz, der zudem Mitglied des Bundesvorstandes der NPD war, zwischen 1961 und Oktober 1995 als VP für den Verfassungsschutz NRW tätig.3998 Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum ersten NPDVerbotsverfahren hat der Zeuge Dr. Möller ergänzend zum Einsatz von VP in Führungspositionen ausgeführt: „Diese Linie ist uns ja nach 2003, war das, glaube ich, durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vorgegeben worden. Das Verfahren ist ja nicht zustande gekommen, weil die Befürchtung bestand, dass Quellen des Verfassungsschutzes steuernden Einfluss hatten. Das hat natürlich die Verfassungsschutzbehörden aufgewirbelt, und dann hat es bundesweit … Das ist ja nicht nur bei uns gelaufen, sondern bundesweit. Natürlich wurde das aufgearbeitet. Und daraufhin – das wurde dann ja auch beim zweiten Verfahren tunlichst zu vermeiden versucht – wurde großer Wert darauf gelegt, dass Quellen nicht mehr steuernden Einfluss auf solche Organisationen, vor allem auf politische Parteien, nehmen dürfen. Diese Auffassung des Verfassungsgerichtes ist dann natürlich auch konkret umgesetzt worden, und dann sind diese Quellen abgeschaltet worden, wie das heißt.“3999 3994 3995 3996 3997 3998 3999 704 Dienstanweisung Beschaffung von 1983, Nr. 28 – Stellung der VM im Objekt, Ordner 161 S. 541 f. (VS-V-herabgestuft). Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, Nr. 11 – Stellung der VM im Objekt, Ordner 161 S. 666 ff. (VS-V-herabgestuft). Dr. Möller, APr 16/1263 S. 122. Artikel „Katastrophale Pannen“ in „Der Spiegel“ Ausgabe 6/2002, A95653. Beschluss des BVerfG vom 18. März 2003 - 2 BvB 1/01, 2 BvB 2/01, 2 BvB, 3/01 – Rdnr. 23 f., 111. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 152. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weiter hat er darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung von VP in Parteien gegenüber solchen in Kameradschaften und anderen Organisationsformen wichtig sei. Der Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 2003 habe sich nur auf die NPD bezogen, weshalb zu seiner aktiven Zeit bis 2009 der Verfassungsschutz NRW keine VPen mehr in Führungspositionen von Parteien eingesetzt habe, diese Beschränkung jedoch nicht auf Kameradschaften und andere Organisationsformen ausgedehnt worden sei.4000 Grund hierfür sei gewesen, dass im Unterschied zur Begründung im Beschluss des BVerfG im ersten NPD-Verbotsverfahren, Kameradschaften gerade nicht nur davon lebten, dass der Hauptakteur und Hauptprotagonist eine bezahlte VP des Verfassungsschutzes war, die von einem Fortbestand der Kameradschaft finanziell profitierte.4001 Insoweit widersprechen sowohl die seit 1984 bestehende Dienstanweisung Beschaffung als auch der zwischen 1999 und 2014 gültige Leitfaden dem Verständnis des Zeugen Dr. Hartwig Möller, nach dem die VP weder die Zielsetzung noch die Tätigkeit des Beobachtungsobjekts entscheidend bestimmen durfte. Hier unterschied somit schon die damalige Dienstanweisung mit der Bezeichnung „Beobachtungsobjekt“ nicht zwischen Parteien und anderen Organisationsformen. Auch die Interpretation des BVerfG-Beschlusses durch den Zeugen Dr. Hartwig Möller, wonach das Hauptinteresse einer VP am Fortbestand des Beobachtungsobjektes, die fortgeführte staatliche finanzielle Unterstützung, nur für Parteien gelte, greift zu kurz, da eine längerfristige Bezahlung für die Informationslieferung auch bei anderen Organisationsformen als Motiv für einen aktiven Einsatz für den Fortbestand einer Organisation in Betracht kommt. Wo genau die Linien zwischen einer entscheidenden Bestimmung der Zielsetzung und Tätigkeit eines Beobachtungsobjektes und der Einnahme einer Führungsposition innerhalb des Beobachtungsobjektes verlaufen, war schon im ersten NPD-Verbotsverfahren umstritten. So galt für das BfV 2007, dass Personen, die die Zielsetzung und Aktivitäten eines Beobachtungsobjektes entscheidend bestimmten, nicht als VP angeworben und geführt werden durften.4002 Diese Dienstvorschrift durfte jedoch nicht mit einem generellen Verbot, Spitzenfunktionäre einer Organisation zu werben oder zu führen, gleichgesetzt werden.4003 So besagte Ziffer 9 (2), der Dienstvorschrift „DV-Beschaffung“ für das BfV: „Die Aufträge an den V-Mann dürfen nicht weitergehen als die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde. Der V-Mann hat Informationen nur entsprechend seinem Auftrag zu beschaffen. Er darf weder die Zielsetzung noch die Aktivitäten eines Beobachtungsobjektes entscheidend bestimmen.“4004 Begründet wurde die Beschränkung auf die entscheidende Beeinflussung damit, dass Spitzenfunktionäre nicht generell Steuerungsfunktionen inne hätten.4005 Kriterien seien demnach die Bedeutung der Personen als ideologische Köpfe bzw. Vordenker, die die strategisch-politischen Leitlinien der Organisation prägten oder die als „Gallionsfiguren“ fungierten.4006 Nach diesen Kriterien sei auch die Führung einer VP möglich gewesen, die Letztentscheidungsträger oder Vorsitzender war, wenn der Verfassungsschutz die VP bloß abschöpfte und sich selbst einer aktiven Verhaltenslenkung versagte.4007 Nach diesem Verständnis war es auch 4000 4001 4002 4003 4004 4005 4006 4007 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 152. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 152. Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, A95654 S. 270. Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, A95654 S. 270. DV-Beschaffung, in Auszügen abgedruckt in Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, A95654 S. 273. Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, A95654 S. 270. Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, A95654 S. 272. Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, A95654 S. 272. 705 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 2007 nicht ausgeschlossen, dass bei extremistischen Organisationen von überregionaler Bedeutung im Landesvorstand neben einer hochrangigen VP des jeweiligen Landesverfassungsschutzes auch eine Spitzenquelle des BfV geführt wurde.4008 Begründet wurde diese Möglichkeit mit den unterschiedlichen Ausforschungszielsetzungen der Ämter, also zum einen der länderspezifischen Bestrebungen und zum anderen der bundespolitischen Bedeutung.4009 dd. Straftaten von VP Das VSG NRW enthielt bis zur Novellierung 2013 keine Regelung in Bezug auf Straftaten durch VP. Auch enthielt weder die Dienstanweisung „Beschaffung“ von 1984, noch der ihr folgende und bis 2014 gültige Leitfaden hierzu eine Regelung. Einzig unter dem Punkt „Abschaltung“ wurde ausgeführt, dass die Mitarbeit einer VP auf ihren Wunsch oder aus operativen Gründen zu beenden sei. Welche operativen Gründe insoweit für eine Abschaltung sprachen, führten weder die Dienstanweisung noch der Leitfaden aus. Der bis Juni 2001 tätige Leiter des Beschaffungsreferat des Verfassungsschutzes NRW hat ausgesagt, dass V-Personen keine Straftaten begehen durften. Allerdings habe es immer Diskussionen gegeben, ob sie nicht wenigstens mit ihren „Kameraden“ Plakate kleben dürften.4010 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat bekundet, dass aus seiner Sicht Ausschlusskriterien für eine Anwerbung einer VP deren Affinität zu Waffen, ein Hang zu Gewalttaten und bestimmte Vorstrafen waren.4011 Diese Kriterien galten demnach auch für bereits angeworbene VPen. Es habe allerdings immer Streit zwischen den Verfassungsschutzämtern gegeben, was als „szenetypische Straftat“ galt. Diesbezüglich hat er ausgeführt: „Was darf ein V-Mann, und was darf er nicht? […] Wir haben da immer sehr enge Maßstäbe angelegt. Ich glaube, wenn es zu Gewalttaten kommt, wenn es zu Waffenbesitz kommt, alles, was über relativ harmlose Propagandadelikte hinausgeht, um nicht auszufliegen [gemeint: aufzufliegen], da, meine ich, sind dann Grenzen überschritten.“ 4012 Weiter hat er angegeben, dass bei diesen Straftaten auch eine Weitergabe der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes NRW erfolgt sei. Angesprochen auf durch von VPen begangene Betäubungsmitteldelikte, erläuterte er, dass ihm derartige Fälle nicht bekannt seien, es sich seiner Ansicht nach aber um Grenzfälle handele, es somit auf den Handel, die Art der Betäubungsmittel und deren Menge ankomme.4013 Auf die Frage, ab wann eine VP abgeschaltet werden musste, wenn sie Straftaten begangen oder als „Agent Provocateur“ agiert hat und wie lange die Führung einer VP in dieser Grauzone zu verantworten war, hat der Zeuge Burkhard Schnieder geantwortet: „Wenn es eine Person ist, die zu Straftaten oder Gewaltdelikten neigt, ist sie in keiner Weise akzeptabel. Auch damals [vor der Gesetzesnovellierung 2013] hätte sie in keiner Weise als V-Person akzeptabel sein dürfen – heute sowieso nicht. Wenn es eine Person ist, die zu Straftaten oder Gewaltdelikten neigt, ist sie nicht akzeptabel.”4014 4008 4009 4010 4011 4012 4013 4014 706 Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, A95654 S. 272. Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, A95654 S. 272. Zeuge, nöAPr 16/285 S.7 f., 13. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 107. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 135. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 135. Schnieder, APr 16/952 S. 162. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weiter auf die Frage, ob volksverhetzende Reden auch hierrunter fallen würden, hat er geantwortet: „Wenn das aufhetzend oder so was ist und die Öffentlichkeit dann auch wirklich bewegt, dann ist das auch in keiner Weise akzeptabel.“4015 Zum selben Thema der Begehung von Straftaten durch VPen, hat der Zeuge Burkhard Freier, seit 2012 Leiter des Verfassungsschutzes NRW, ausgeführt: „Es ist so, dass wir sagen: Eine Quelle darf keine Straftaten von besonderer Bedeutung und auch keine Verbrechen begehen, sonst wird er gar nicht erst verpflichtet. Wenn eine Quelle aber sogenannte – was ein schräger Begriff ist, den könnte man ins Gesetz gar nicht übernehmen – szenetypische Straftaten begeht, dann ist er trotzdem strafbar, und er muss das Strafverfahren über sich ergehen lassen. Nur, wir als Verfassungsschutz sagen: Das ist noch kein Grund für uns, uns von der Quelle zu trennen, wenn der – was weiß ich – ein Hakenkreuz schmiert oder ‚Heil Hitler‘ ruft. Das ist eine Straftat, aber das heißt für uns nicht, dass wir ihn abschalten. Aber das Strafverfahren wird durchgeführt. Und es ist nicht so, dass wir dann das gegenüber der StA oder der Polizei zurückziehen – das tun wir genau eben nicht, weil wir nicht den Eindruck erwecken wollen, dass das Führen einer Quelle dazu führt, dass er Straftaten begehen kann. Was wir allerdings tun, ist, dass wir der Polizei oder auch der StA dann offenbaren und sagen: ‚Ja, mach was du willst, aber es ist möglicherweise ein V-Mann‘, und manchmal stellt die StA das ein. Oder sie zieht das Verfahren durch; möglicherweise auch, um die Quelle nicht zu verraten, wird das Strafverfahren durchgeführt.“4016 Zur Frage, ob VPen Straftaten begehen dürfen, hat der Sachverständige Roland Appel angegeben: „Das wird überwiegend, was sogenannte szenetypische Delikte anbelangt – in der rechtsextremen Szene sind dies beispielsweise Hakenkreuz-Schmierereien, das Rufen von Parolen oder das Kaufen oder Vertreiben von indizierten CDs –, bejaht. Aber dann gibt es natürlich Grenzfälle, wo es um tätliche Auseinandersetzungen oder andere schwere Straftaten geht.“4017 2007 erläuterte der damalige Innenminister Wolf in einem Bericht an den Innenausschuss des Landtags NRW, dass im Falle einer besonderen Gefährlichkeit des Beobachtungsobjektes eine Abwägung erfolge, ob mit einer Person in Kontakt zu treten sei, die wegen eines Vergehens straffällig geworden war.4018 Klarstellend wurde weiter ausgeführt, dass Verbrecher im Sinne des Strafgesetzbuches keine Vertrauensleute des Verfassungsschutzes werden könnten.4019 Für den Fall, dass VPen nach ihrer förmlichen Verpflichtung Verbrechen begingen, wäre die Zusammenarbeit unverzüglich zu beenden gewesen.4020 Eine gesetzliche oder untergesetzliche Normierung für die Verbindlichkeit dieser klaren Abgrenzung enthielt der Bericht nicht. 4015 4016 4017 4018 4019 4020 Schnieder, APr 16/952 S. 162. Freier, APr 16/1349 S. 63. Appel, APr 16/815 S. 9. Bericht des Innenministers im Innenausschuss am 12. September 2007, A20143 S.103. Bericht des Innenministers im Innenausschuss am 12. September 2007, A20143 S.103. Bericht des Innenministers im Innenausschuss am 12. September 2007, A20143 S.103. 707 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat auf die Frage, ob etwa durch Dienstanweisungen sichergestellt wurde, dass Informationen über mögliche bevorstehende Straftaten weitergegeben wurden, ausgeführt: „Man ist täglich mit den Kollegen zusammen, die in der Auswertung tätig sind. Man sieht sich wirklich täglich, und da machen Sie jetzt nicht noch eine große Besprechung, wo Sie sagen: Wenn ihr so etwas habt, dann mir bitte Bescheid sagen. – Also, es gibt Selbstverständlichkeiten und Banalitäten, die man nicht jeden Tag noch mal extra untermauern muss. Für mich eine reine Selbstverständlichkeit, und ich behaupte mal, auch für alle Kollegen, die in diesem Bereich tätig waren, war es reine Selbstverständlichkeit.“4021 ee. Anwerbung Ausstiegswilliger als VP Die Verwaltungsvorschriften von 1984 und 1999 erhielten keine Regelungen zur Zulässigkeit einer Verpflichtung von ausstiegswilligen Personen als Quellen. Zur Abwägung des Verfassungsschutzes NRW zwischen dem in NRW im Jahr 2001 eingeführten Aussteigerprogramm und der Anwerbung als VP in den Jahren 1999 bis 2009 hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller erklärt: „Ich glaube, da gab es klare Regeln, dass das verboten war. Bin ich aber nicht mehr ganz sicher. Ich meine aber, da hat es eine Regel gegeben, dass die nicht die Aussteiger … Die sollten ja aus der Szene gelöst werden. Die mussten ja zum Teil … Denen musste ja geholfen werden. Die musste man ja sozusagen aus der Gefahrenzone ziehen. Die durften ja nicht als Verräter irgendwie Nachteile haben. Die mussten also möglicherweise in ein Zeugenschutzprogramm zum Teil, oder sie mussten neue Wohnsitze bekommen – das war ja zum Teil eine recht aufwendige Geschichte –, damit sie vor der Rache ihrer früheren Kameraden geschützt würden. Es wäre kontraproduktiv, die dann noch weiter in der Szene zu halten. Eigentlich passt das nicht zusammen.“4022 Ein Beispiel für die Anwerbung eines Ausstiegswilligen als VP wurde 2003 durch einen Artikel des „Stern“ bekannt. Ein ehemaliger JN-Funktionär aus Hamm erklärte gegenüber Journalisten, er habe sich Ende 1998 an den Verfassungsschutz NRW mit der Bitte um Hilfe bei einem Ausstieg aus der NPD gewandt und sei daraufhin mehrfach „abgeschöpft“ worden. Beim vierten Treffen sei ihm dann deutlich gemacht worden, er solle in der Szene bleiben und als VP arbeiten.4023 Dass es mindestens einen derartigen Fall gegeben haben muss, bestätigte das MIK NRW in einer Pressemitteilung 2012, in der es hieß: „In einem Fall wurde ein Klient unter dem Label des Aussteigerprogramms jahrelang eingesetzt, um Informationen aus der Neonazi-Szene zu gewinnen. Dies entspricht nicht den aktuellen Grundsätzen des Aussteigerprogramms.“4024 Dieser Fall sei im Rahmen einer internen Schwachstellenanalyse beleuchtet worden.4025 Dafür, dass eine klare Trennung zwischen dem Referat Beschaffung und dem für das Aussteigerprogramm zuständigen Referat in der Vergangenheit nicht existierte, spricht, dass 4021 4022 4023 4024 4025 708 Lüngen, APr 16/1097 S. 7. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 153. Artikel „Kamerad V-Mann“ im Magazin „Stern“ vom 16. Dezember 2003, A95280. Pressemitteilung des MIK NRW vom 31. Januar 2012, A10030 S. 31. Pressemitteilung des MIK NRW vom 31. Januar 2012, A10030 S. 31. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Geld, das bei der Haushaltsaufstellung für den Verfassungsschutz für das Aussteigerprogramm bereitgestellt wurde, mindestens in einem Fall zur Finanzierung einer nicht verpflichteten VP genutzt wurde.4026 ff. Kritische Würdigung Die Erkenntnisse des Ausschusses, dass der Verfassungsschutz NRW ausstiegswillige Neonazis als Informanten anwarb, bzw. Neonazis, die sich in einem Distanzierungsprozess von der Szene befanden, nicht an das Aussteigerprogramm vermittelte, sondern ihre Lage für Informantendienste ausnutzte, offenbarte folgende Problematik: Sobald Neonazis sich als nützliche Quellen erwiesen, war der Verfassungsschutz an einem Ausstieg nicht mehr interessiert. Er motivierte diese Personen vielmehr, sich der Szene wieder anzunähern und Kontakt zu Führungspersonen aufzubauen, um so wertvolle Informationen zu gewinnen. Dass auch Polizei und Staatsschutz Rechtsextreme, die entweder im Zuge einer Ermittlung befragt wurden oder sich eigenständig mit Informationen an die Behörden wandten, schlicht an den Verfassungsschutz verwiesen, ungeachtet, ob diese ins Aussteigerprogramm oder an die Beschaffungsabteilung gerieten, verstärkte das Phänomen. Es herrschte keine Transparenz darüber, ob und wie der Verfassungsschutz Rechtsextreme, die mit ihm im Kontakt standen, als „ausstiegswillig“ definierte. Der Ausstieg ist ein Prozess, der im besten Fall begleitet und forciert wird. Ein Neonazi, der anfangs lediglich Informationen weitergeben will, ist am Ende vielleicht für einen endgültigen Ausstieg bereit. Es war keine Seltenheit, dass sich Ausstiegswillige nicht direkt an das Aussteigerprogramm wandten, sondern an irgendeine (Polizei)-Behörde oder allgemein an den Verfassungsschutz. Die Gewinnung von Neonazis als Informanten, gerade sofern sich diese in einem Distanzierungsprozess befanden, führte dazu, dass sie langfristig an die Szene gebunden wurden. Der Verfassungsschutz wird stets abwägen, ob er einen bestimmten Rechtsextremen wirklich „verlieren“ will. Angesichts der Vielzahl an VPen in NRW stellt sich die Frage, ob die Szene nicht hätte minimiert werden können, wenn Einzelne stärker zum Ausstieg ermuntert worden wären. Im Fall der vom BfV geführten VP „Corelli“ kam der Zeuge Jerzy Montag zu dem Schluss, dass er ohne das BfV wahrscheinlich nicht über 20 Jahre in der rechten Szene geblieben wäre. Insoweit muss die Stabilisierung der Szene durch den Verfassungsschutz kritisch hinterfragt werden. Grundsätzlich stellt sich hierbei die Frage, inwieweit die Ansiedlung des Aussteigerprogramms im Verfassungsschutz ohne einen Interessenkonflikt möglich ist. So steht momentan das für den Ausstieg zuständige Referat im Verfassungsschutz neben der vom Zeugen Dr. Hartwig Möller als Kernaufgabe angesehenen Gewinnung von Informationen durch den Einsatz von VP. Ein Interessenkonflikt bei jedem möglichen neuen Informationsüberbringer ist insoweit vorprogrammiert. c. Neufassung des VSG NRW im Jahr 2013 Die am 28. Juni 2013 in Kraft getretene Novellierung führte durch die Neufassung des § 7 VSG NRW auch zu einer Konkretisierung der gesetzlichen Grundlage des Einsatzes von VPen. Die Neufassung enthielt erstmals Bestimmungen, die den Einsatz unter anderem von VPen, sonstigen geheimen Informanten, Gewährspersonen und Verdeckten Ermittlerinnen 4026 Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW, geh 16/2 S. 11, 19 f., 29; geh 16/3 S. 37, 39, 41, 71; geh 16/5 S. 48 f., 52 (herabgestuft). 709 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und Ermittlern regelten.4027 Bis zu diesem Zeitpunkt existierte keine entsprechende Regelung im VSG NRW. Der Einsatz von VPen wurde bis dahin lediglich durch Verwaltungsrichtlinien geregelt. Die Einsatzmöglichkeit von VPen wurde seit 2013 dahingehend gesetzlich beschränkt, dass gemäß § 5 Abs. 2 VSG NRW der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht entgegenstehen darf. Das BVerfG macht die Reichweite des Kernbereichs privater Lebensgestaltung davon abhängig, ob der Betroffene den Bereich geheim halten will, ob dieser nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.4028 Der Zeuge Burkhard Schnieder hat ausgesagt, dass die strukturellen Veränderungen in den Nachrichtendiensten in Folge der Aufdeckung des NSU in gewisser Weise den Charakter des Verfassungsschutzes verändert hätten. Dieser habe jetzt weniger rechtliche Möglichkeiten und der Schwerpunkt gehe bewusst mehr in den Bereich Analyse und Prävention. Die Möglichkeiten der unmittelbaren Gefahrenabwehr seien jetzt natürlich auch durch Restriktionen, gerade auch was den VP-Einsatz angehe, limitiert worden.4029 Seit 2013 sind die gesetzlichen Grundlagen zum Erlass einer Dienstanweisung in § 7 Absatz 2 Satz 6 und 7 VSG NRW normiert, wonach das „Nähere zum Einsatz von Personen im Sinne des § 5 Absatz 2 Nummer 1 […] in einer Dienstanweisung zu regeln [ist], die nach Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums erlassen wird. Vor jeder Änderung der Dienstanweisung ist das Parlamentarische Kontrollgremium zu hören.“ Der Leitfaden von 1999 wurde daraufhin 2014 durch ein neues Handbuch, welches verschiedene Dienstanweisungen zusammenfasste, ersetzt. aa. Forschung und Werbung Im seit Mai 2014 gültigen Handbuch für den Verfassungsschutz NRW ist festgelegt, dass im Zuge der Werbung vor einer Ansprache Erkenntnisse zu der Zielperson durch Anfragen an öffentliche Register, Dateianfragen und Internetrecherchen zu erlangen sind. Weiter ist hiernach festzustellen, ob und welche Erkenntnisse bei Verfassungsschutzbehörden, anderen Diensten und sonstigen Behörden vorliegen. Sodann entscheidet die Referatsleitung oder der Beschaffungsreferent nach schriftlicher Vorlage durch den Sachbearbeiter aus dem Referat Werbung über das Herantreten an eine Person zum Zwecke der Sondierung.4030 Anschließend bedarf die Erstansprache der als VP zu werbenden Person einer förmlichen Genehmigung durch die Abteilungsleitung oder durch eine von dieser beauftragten Person.4031 bb. Formelle Voraussetzungen der Verpflichtung Die formellen Voraussetzungen der Verpflichtung und des Einsatzbereiches regelt § 7 Absatz 2 VSG NRW seit 2013 dahingehend, dass die Leitung der Verfassungsschutzabteilung 4027 4028 4029 4030 4031 710 Gesetzesbegründung Anlage 5, Neuausrichtung VSG NRW, A30626 S. 80. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 1107/09 –, juris Rdnr. 25, A95655. Schnieder, APr 16/952 S. 153. Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 5 Werbung und Führung von VP, Punkt 5.1, Ordner 161 S. 719 (VS-V herabgestuft). Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 5 Werbung und Führung von VP, Punkt 5.2, Ordner 161 S. 720 (VS-V herabgestuft). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 die Verpflichtung und den Einsatzbereich zu genehmigen hat und die Genehmigung schriftlich und befristet zu erfolgen hat. Das Handbuch für den Verfassungsschutz NRW enthält seit 2014 die Konkretisierung, dass die Leitung der Verfassungsschutzbehörde über die Verpflichtung und den Einsatzbereich einer Zielperson als VP entscheidet und die Verpflichtung auf fünf Jahre zu befristen ist.4032 Nur soweit die Voraussetzungen des § 7 VSG NRW fortbestehen, ist eine Verlängerung des Einsatzes zulässig.4033 Gemäß § 7 Absatz 2 Satz 4 VSG NRW ist der Einsatz fortlaufend zu dokumentieren. cc. Stellung der VP im Beobachtungsobjekt Gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 2 VSG NRW in der seit 2013 gültigen Fassung ist die Verpflichtung einer einzusetzenden Person nur noch dann zulässig, wenn die zu verpflichtende Person weder die Zielsetzung noch die Tätigkeit des Beobachtungsobjektes entscheidend bestimmt. Das Handbuch für den Verfassungsschutz NRW konkretisiert diese Beschränkung seit 2014 dahingehend, dass die VP „die Zielsetzung oder die Aktivitäten eines Beobachtungsobjektes weder durch ihr Handeln noch durch den Einsatz von Geld- oder Sachmitteln mittelbar oder unmittelbar steuernd beeinflussen“ darf und deshalb „innerhalb der Organisation keine Führungsfunktion übernehmen und Aktionen nicht entscheidend prägen“ darf. Weiterhin dürfen Mitgliedsbeiträge und Zuwendungen der VP nicht die wesentliche Einnahmequelle der zu beobachtenden Organisation sein.4034 Zur veränderten Blickrichtung bei der Auswahl der VP durch den Verfassungsschutz NRW hat der Zeuge Burkhardt Schnieder ausgeführt: „Schließlich ist es auch Gesetz geworden, neues Gesetz. Man muss sicherlich deutlich machen, dass eine der Lehren aus NSU dann auch war – und das wurde schließlich in das Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen gegossen –, dass man über die Art und Weise, welche Funktion Quellen in Organisationen haben dürfen, sicherlich noch mal nachgedacht hat und möglicherweise gesagt hat: Wir müssen unsere Philosophie ändern. Sie dürfen eben nicht Führungsfiguren sein – obwohl man dann natürlich im Zentrum einer Organisation ist und Möglichkeiten hat, sie in irgendeiner Form in einem bestimmten Sinne möglicherweise positiv zu steuern. Da sagt man aber: Das geht nicht. Das liegt außerhalb dessen, was akzeptabel ist. – Und das ist in NRW der Fall gewesen. Der Landtag hat dieses Gesetz beschlossen. Es ist nämlich eine Regelung in unser Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden, dass V-Personen eben keine Führungsfunktion haben und Organisationen nicht steuern dürfen.“4035 dd. Straftaten durch VP Die seit 2013 gültige Fassung des § 7 VSG NRW regelt in Absatz 1 Nr. 4, dass die Verpflichtung und der Einsatz einer VP nur noch zulässig sind, wenn sie keine Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen hat oder während des Zeitraums ihrer Verpflichtung begeht. Gemäß § 7 Absatz 5 VSG NRW sind Straftaten von erheblicher Bedeutung solche des § 8 Ab- 4032 4033 4034 4035 Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 5 Werbung und Führung von VP, Punkt 5.4, Ordner 161 S. 721 (VS-V herabgestuft). Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 5 Werbung und Führung von VP, Punkt 5.4, Ordner 161 S. 720 (VS-V herabgestuft). Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 3 Status der VP und Grenzen des Einsatzes, Punkt 3.4, Ordner 161 S. 718 (VS-V herabgestuft). Schnieder, APr 16/952 S. 146. 711 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 satz 3 PolG NRW. Demnach sind insbesondere Verbrechen sowie die in § 138 StGB genannten Vergehen, Vergehen nach § 129 StGB und gewerbs- oder bandenmäßig begangene Vergehen nach 1. den §§ 243, 244, 260, 261, 263 bis 264a, 265b, 266, 283, 283a, 291 oder 324 bis 330 StGB, 2. § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) oder d) des Waffengesetzes, 3. §§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 oder 29a Abs. 1 Nr. 2 des Betäubungsmittelgesetzes, Straftaten von erheblicher Bedeutung. Das Handbuch für den Verfassungsschutz NRW regelt seit 2014 die „Abschaltung“ von VPen insoweit neu, als dass neben den bisherigen Abschaltungsmöglichkeiten auf Wunsch der VP und aus operativen Gründen4036 auch eine unverzügliche Beendigung der Zusammenarbeit möglich ist und eine Mitteilung über die Abteilungsleitung an die Strafverfolgungsbehörden zu fertigen ist, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die VP eine Straftat von erheblicher Bedeutung rechtswidrig verwirklicht hat.4037 Insoweit entspricht die Regelung im Handbuch § 7 Abs. 4 VSG NRW, wonach die Maßnahme, sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die VP oder Informanten und Informantinnen rechtswidrig Straftatbestände von erheblicher Bedeutung verwirklicht haben, unverzüglich zu beenden ist und die Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten sind. Jedoch wird in § 7 Absatz 4 Satz 2 VSG NRW eine Ausnahme formuliert: Die Übermittlung der Informationen unterbleibt, wenn die Leitung der Verfassungsschutzabteilung entscheidet, dass überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, wobei zwischen dem staatlichen Interesse an einer Strafverfolgung und einer Gefährdung von Leib und Leben der beteiligten Personen abzuwägen ist. Die Begründung der Entscheidung ist zu dokumentieren und das Parlamentarische Kontrollgremium darüber zu unterrichten.4038 Das seit 2014 gültige Handbuch für den Verfassungsschutz NRW besagt zudem, dass die VP „grundsätzlich nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich zu verpflichten und über die rechtlichen Folgen von Straftaten und Pflichtverletzungen zu belehren“ ist.4039 Zum Umgang damit in der Praxis hat der Zeuge Burkhard Freier erläutert, dass von den VPen eine Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen sei, nach welcher die Begehung von Straftaten untersagt sei.4040 Vor dem Hintergrund der Gesetzesnovellierung 2013 und dem Einsatz einer VP, die diesen Anforderungen nicht entsprach, hat der Zeuge Burkhard Freier auf die Frage nach der Entwicklung des Einsatzes von VPen in NRW ausgeführt: „Ich glaube, dass der Verfassungsschutz insgesamt nach den rechtsterroristischen Morden gelernt hat, seine Philosophie, was die Quellen betrifft, zu verändern, und zwar 4036 4037 4038 4039 4040 712 Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 3 Status der VP und Grenzen des Einsatzes, Punkt 5.14, Ordner 161 S. 720 (VS-V herabgestuft). Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 3 Status der VP und Grenzen des Einsatzes, Punkt 5.16, Ordner 161 S. 720 (VS-V herabgestuft). Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 5 Werbung und Führung von VP, Punkt 5.16, Ordner 161 S. 10 (VS-V herabgestuft). Handbuch für den Verfassungsschutz NRW, Teil II – Beschaffung & Werbung, Stand 23. Mai 2014, Abschnitt 1 Nr. 3 Status der VP und Grenzen des Einsatzes, Punkt 3.3, Ordner S. 7 (VSV herabgestuft). Freier, APr 16/1349 S. 63. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 diese riskanten Quellen, die wir bis dahin gehabt haben […] Wenn wir heute Quellen haben, dann durch die Standards, die wir eingeführt haben. Quellen, die bestimmte Straftaten gar nicht mehr begehen, die auch nicht gewaltbereit sind, die auch nicht an der Führungsebene der Szene sind, sondern mehr am Rand, die haben wir, aber die sind natürlich nicht so tief in der Szene drin.“4041 ee. Anwerbung Ausstiegswilliger als VP Gemäß § 7 Absatz 1 Nummer 6 VSG NRW in der seit 2013 gültigen Fassung ist die Verpflichtung als VP nur noch zulässig, wenn die einzusetzende Person nicht an einem Aussteigerprogramm des Bundes oder eines Landes teilnimmt. Auf die Frage, wie der Verfassungsschutz NRW heute reagieren würde, wenn es um die Anwerbung einer ausstiegswilligen VP geht, antwortete der Zeuge Burkhard Freier: „Auch da hat es einen Mentalitätswechsel gegeben. Wir haben selber auch Personen, wo ich heute sagen würde, es hätte eigentlich der Ausstieg Vorrang gehabt vor einer Werbung als Quelle. […Wenn] heute jemand, den wir treffen, sagt: ‚Ich möchte aussteigen‘, oder nur die Signale setzt – das gilt für den Rechtsextremismus wie auch für den Salafismus –, dann werben wir ihn nicht mehr als Quelle. Das ist dann ... untersagt, und schon gar nicht, dass man beides gleichzeitig macht. Und deswegen wäre es heute so, wenn jemand sagt: ‚Ich möchte aussteigen‘, dann nehmen wir das als einen Wunsch hin, den wir prüfen. Und wenn der Ausstiegswille realistisch ist, dann lassen wir ihn aussteigen, und dann werden operative Maßnahmen nicht mehr durchgeführt.“4042 Erneut auf den Vorrang des Ausstiegs vor der Anwerbung angesprochen, hat der Zeuge Burkhard Freier weiter ausgeführt: „Das ist in so einer Sicherheitsbehörde durchaus auch ein Mentalitätswechsel, zu sagen: Wenn jemand im Aussteigerprogramm ist, dann ist der für den operativen Zweck tabu, selbst wenn er noch so wertvoll wäre als Quelle. Aber wir haben gelernt. Sie kennen wahrscheinlich die Fälle. Wir haben aus unseren eigenen Fällen gelernt und gesagt: Das soll jedenfalls nie wieder passieren.“4043 Zur organisatorischen Trennung der operativen von den präventiven Bereichen innerhalb des Verfassungsschutzes NRW hat der Zeuge Burkhard Freier angegeben, dass das Referat 616 „Prävention, Aussteigerprogramme“ einer anderen Gruppe des Verfassungsschutzes NRW zugeordnet sei, als der operative Bereich. Hierdurch würde eine Datenmischung verhindert. 4044 3. Organisatorische Grundlagen Der Verfassungsschutz ist in NRW im Gegensatz zu anderen Bundesländern kein eigenständiges Amt, sondern als Abteilung 6 dem MIK NRW angegliedert. Die Abteilung 6 teilt sich in zwei Gruppen, die wiederum in mehrere Referate untergliedert sind. An der Spitze der jeweiligen Referate stehen Referatsleiter. Die Werbung und Führung von VPen und anderen Quellen oblag bis 2013 dem Referat Beschaffung.4045 Der von 1986 bis Juni 2001 tätige Leiter des Beschaffungsreferat des Verfassungsschutzes NRW hat erklärt, dass zu Beginn sei- 4041 4042 4043 4044 4045 Freier, APr 16/1349 S. 44. Freier, APr 16/1349 S. 19 f.. Freier, APr 16/1349 S. 33. Freier, APr 16/1128 S. 20. Organigramm MIK NRW, Stand 1. Februar 2013, A12508 S. 12. 713 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ner Amtszeit noch sechs Außenstellen des Verfassungsschtzes NRW mit eigenen Außenstellenleitern existierten, die für die Führung der Quellen in ihrem Bereich zuständig gewesen seien.4046 Diese Außenstellen seien schließlich aus Gründen der Effizienzsteigerung abgeschafft worden und durch ein „Großreferat im Haus“ ersetzt worden4047, das sowohl für den Phänomenbereich Rechtsextremismus wie für den Linksextremismus zuständig gewesen sei. Im Referat hätten ihm drei „Koordinatoren“ zugearbeitet.4048 Die Zeugin Cornelia de la Chevalerie hat bestätigt, dass die bereiche Auswertung und Beschaffung beim Verfassungsschutz NRW getrennt gewesen seien. Dies habe sich nunmehr aber geändert. Offene Hinweise habe die Beschaffung stets an die Auswertung weitergegeben. Die Beschaffung sei für die Treffen mit Quellen zuständig gewesen. Darüber seien Vermerke angelegt worden, die dann auch an die Auswertung gegangen seien. Daneben habe es aber auch noch interne Treffberichte gegeben. Die habe sie nur gesehen, wenn es als notwendig angesehen worden ist.4049 Die von den VP gelieferten Informationen werden nach einem Bewertungsschema eingeordnet und unterliegen nach Aussage des Zeugen Burkhard Schnieder einer ständigen Überprüfung, die auch darüber Aufschluss gebe, ob die VP vertrauenswürdig ist.4050 Zur Frage, wie sich die Organisation nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 verändert habe, konnte die Zeugin Koller, zwischen 2009 und 2012 Leiterin des Verfassungsschutzes NRW, keine zufriedenstellende Antwort geben. Auf den Vorhalt, dass 2011 „das größte Desaster der Sicherheitsbehörden in Deutschland aufgedeckt worden“4051 sei und sie als Reaktion hierauf zur Erhöhung der Qualität nur regelmäßige Dienstbesprechungen veranlasst habe, reagierte die Zeugin Mathilde Koller mit einer Gegenfrage: „Was möchten Sie bitte hören?“4052 Und auf die Nachfrage, ob sie versucht habe, die Mitarbeiter im Verfassungsschutz NRW stärker dafür zu sensibilisieren, dass es das größte Desaster in der deutschen Sicherheitsgeschichte war, hat sie repliziert: „Das ist die Hauptaufgabe, die man hat. Ich verstehe jetzt die Frage dahin nicht ... Das Verständnis einer Behördenleitung ist, dass es versucht, dass die Mitarbeiter in einem guten Qualitätszustand arbeiten. Und das habe ich auch gemacht.“4053 Erst nach der Umorganisation des Verfassungsschutzes NRW im Jahr 2013 wurden die zuvor unterschiedlichen Referaten zugeordneten Bereiche Beschaffung und Auswertung zu jeweils einem einzigen für einen Phänomenbereich zuständigen Referat zusammengefasst. So ist seitdem das Referat 623 für die Auswertung und Beschaffung im Bereich Rechtsextremismus und -terrorismus zuständig. a. Zusammenarbeit der Referate Beschaffung und Auswertung Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat das mit der Werbung und Führung von V-Personen befasste Referat Beschaffung als abgeschotteten Bereich beschrieben: 4046 4047 4048 4049 4050 4051 4052 4053 714 Zeuge, nöAPr 16/285 S. 7. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 7. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 8. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 43. Schnieder, nöAPr 16/160, S. 16. Koller, nöAPr 16/234 S. 18. Koller, nöAPr 16/234 S. 18. Koller, nöAPr 16/234 S. 19. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Das ist der Bereich, der auch am meisten abgeschottet wird, auch innerhalb einer Behörde. Und da gilt auch der alte Grundsatz, den ich so vorgefunden habe: Kenntnis nur so weit wie nötig. – Und wenn das nicht notwendig war, dann hat auch das Nachbarreferat nichts davon erfahren.“4054 Diese Mentalität wurde durch die, in den Worten des Zeugen Hans-Peter Lüngen, „strikte Trennung“ zwischen den für die „Auswertung“ und für die „Beschaffung“ zuständigen Referaten begünstigt.4055 Zur Begründung dieser von ihm als „alte traditionelle Sichtweise“ bezeichneten Mentalität des „Wissen nur, wenn nötig“ und „Bloß nicht zu viel erzählen“ 4056 hat er ausgführt: „Gerade weil ja der Bereich der Quellen das Allerheiligste jedes Verfassungsschutzes ist, gab es da natürlich auch Probleme oder Gegenauffassungen nach dem Motto: ‚Je mehr davon wissen, umso gefährlicher ist es‘. Da kann man immer nur ein gewisses Vertrauen in die damit befassten Personen haben, dass sie eben dann auch dicht halten, weil ohne Quellen kann ein Verfassungsschutz gerade in den Bereichen, um die es hier geht, eigentlich nicht arbeiten; denn in der Regel sind die Extremisten ja nicht so dumm und kündigen vorher an, was sie tun werden. Da müssen Sie klandestin vorgehen.“4057 Weiter hat der Zeuge Hans-Peter Lüngen angegeben, dass das Referat Auswertung während seiner Amtszeit grundsätzlich nur schriftliche Berichte über Quellenmeldungen erhalten habe. Diese seien nicht immer von „extremem Gehalt“ gewesen und „Zwischentöne“ seien häufig verloren gegangen.4058 Persönlich bewerte er deshalb die inzwischen erfolgte Aufhebung der Trennung zwischen Beschaffung und Auswertung positiv, da die Mitarbeiter der Auswertung auf diese Weise persönlichen Kontakt zu den VP-Führern erhalten und Zwischentöne und psychologische Einschätzungen erfahren, die in schriftlichen Berichten verloren gehen würden.4059 Er glaube, dass durch die Aufhebung auch die Qualität der Auswertungsberichte gesteigert werde, da es hierdurch eine verbesserte Grundlage der Bewertungen gebe.4060 Im Gegensatz dazu hat der bis Juni 2001 tätige Leiter des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW angegeben, dass die Zusammenarbeit seiner Ansicht nach bereits zu seiner Zeit gut funktioniert habe, da die Berichte den zuständigen Referaten „in die Hand gedrückt“ worden seien.4061 Diesbezüglich hat er ausgesagt: „Das waren kurze Wege. Und das hat auch zu einer stärkeren Zusammenarbeit geführt, weil immer was besprochen werden konnte, erörtert und korrigiert werden musste.“4062 Dieser Ansicht hat die Zeugin Mathilde Koller widersprochen. So habe sie versucht, eine zeitnahe Auswertung der beschafften Informationen zu erreichen, was jedoch aufgrund des Selbstverständnisses der Referate Beschaffung und Auswertung problematisch gewesen sei. Die beiden Referate standen ihrer Wahrnehmung nach „nicht in einem ganz engen 4054 4055 4056 4057 4058 4059 4060 4061 4062 Möller, APr 16/1263 S. 106. Lüngen, APr 16/1097 S. 4. Lüngen, APr 16/1097 S. 44. Lüngen, APr 16/1097 S. 44. Lüngen, APr 16/1097 S. 45. Lüngen, APr 16/1097 S. 45. Lüngen, APr 16/1097 S. 45. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 8. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 8 715 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Abstimmungsmaße oder Abstimmungsverhältnis“.4063 Zu den von ihr umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit hat sie angegeben: „Ich habe regelmäßige Dienstbesprechungen gemacht; ich habe Anweisungen gegeben, wie bestimmte Komplexe analysiert werden sollen, und ich habe veranlasst, dass in der Beschaffung das beschaffte Material auch mit der Auswertung eng abgesprochen wird. [… Die] Referatsleiter sind an der ersten Stelle diejenigen, die die Arbeit in der Auswertung und Beschaffung kontrollieren und auch organisieren müssen.“4064 Der Sachverständige Wolfgang Ridder, der beruflich lange Jahre für das BfV tätig war, hat zum Verhältnis zwischen Beschaffung und Auswertung ausgeführt: „Wir haben im Verfassungsschutz eigentlich seit Jahrzenten eine klassische Trennung zwischen der Beschaffung und der Auswertung. Das sind getrennte Einheiten. Insbesondere in den Landesämtern, aber auch im Bundesamt besteht ein jahrzehntelanger Krieg zwischen diesen beiden Einheiten. Es ist also immer wieder für die Führungsebene sehr schwer, die operativen Einheiten und die analytischen Einheiten in eine vernünftige Arbeitsbeziehung zu bringen. Daher gibt es auch vor dem Hintergrund der operativen Auswertung immer wieder Versuche, diese beiden Arbeitseinheiten zu verzahnen. Aber generell sind diese beiden Stränge autonom und haben immer ein sehr schwieriges Verhältnis zueinander. Das Selbstverständnis der Auswertung ist, dass sie sagt, dass sie die Beschaffung steuert, indem sie ihr die Aufträge gibt. Aber ein richtiger Beschaffer lässt sich natürlich nicht steuern. Der startet dorthin und dann, wie er will, um seine entsprechenden Aufgaben wahrzunehmen.“4065 Das interne Verhältnis zwischen Auswertung und Beschaffung bezeichnete er gar als „ein Jahrhundertproblem“.4066 b. Die Rolle der VP-Führer Die Mitarbeiter aus dem Bereich Beschaffung, die so genannten Werber und VP-Führer, haben innerhalb des Verfassungsschutzes, bedingt durch die Organisation des Verfassungsschutzes, schon immer eine besondere Bedeutung gehabt. Sie fungieren in mehrerer Hinsicht als „Gatekeeper“, welche die Entscheidungsfindungsprozesse und Informationsflüsse betreffend der VPen und anderer Quellen entscheidend prägen. Zuallererst obliegt ihnen die Anwerbung von VPen, der ein umfangreicher Forschungsvorgang über die anzuwerbenden Personen voran gestellt ist, den ebenfalls die Mitarbeiter aus dem Bereich Beschaffung durchführen. Obliegt die Entscheidung über eine Anwerbung auch den vorgesetzten Hierarchieebenen, so liegt nicht nur die Auswahl der anzuwerbenden Personen bei den Mitarbeitern des Bereichs Beschaffung, ebenso geben diese eine Empfehlung für die Anwerbung der betreffenden Person ab. Sie können dabei fachliche Gründe ins Feld führen, die eine Anwerbung erforderlich machen. Arbeitet eine Person als Quelle mit dem Verfassungsschutz zusammen, dann wird der Kontakt zum Verfassungsschutz NRW ausschließlich über die VP-Führer und VP-Führerinnen vermittelt. Es sind diese, die sich mit der Quelle treffen, eine persönliche Beziehung zu selbiger aufbauen, die Honorare und Spesen auszahlen und letztlich die zur Informationsgewinnung notwenigen Gespräche mit ihr führen. Auf Grundlage dieser Gespräche verfasst der 4063 4064 4065 4066 716 Koller, nöAPr 16/234 S. 17. Koller, nöAPr 16/234 S. 18. Ridder, APr 16/815, S. 6. Ridder, APr 16/815, S. 8. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 VP-Führer bzw. die VP-Führerin den Deckblattbericht, der den Mitarbeitern des Bereichs Auswertung und anderen Referaten zur Verfügung gestellt wird. Sonstige Vermerke über Treffen mit einer Quelle gelangten, zumindest bis 2006, nur dann zur Kenntnis anderer Referate oder der vorgesetzten Gruppenleitung, wenn dies der Referatsleiter Beschaffung entschied.4067 Im Kontakt mit den Quellen zeigt sich die mehrfache „Gatekeeper“-Funktion des VP-Führers. Erstens entscheidet der VP-Führer, ob die in einem Gespräch mit der Quelle erlangten Informationen die Wertigkeit besitzen, in einem Deckblattbericht niedergeschrieben zu werden. Zweitens liefert der VP-Führer kein Wortprotokoll seiner Quelle, sondern eine von ihm selbst verfasste Zusammenfassung, die notwendigerweise eine Komprimierung und Reduktion der Information darstellt. Der Geheimschutz setzt voraus, dass aus dem Deckblattbericht nicht die Identität der Quelle ersichtlich sein soll. Dies wirkt sich auf die Aufbereitung der Information aus, vor allem dann, wenn eine Quelle auch über sich selbst bzw. die eigenen Aktivitäten berichtet hat. Drittens ist aus dem Deckblattbericht in der Regel nicht ersichtlich, welche Fragen der Quelle seitens des VP-Führers gestellt wurden. Die Formulierung von Fragen obliegt ebenso wie die gesamte Gesprächsführung mit der Quelle der Entscheidung des VPFührers. Dieser kann so auf die Themen des Gesprächs Einfluss nehmen und eigene Interessen einbringen. Zwar ist vorgesehen, dass die Auswertung der Beschaffung Aufträge erteilt, die Quellen zu bestimmten Themen, Personen oder Ereignissen zu befragen. Welche Quellen befragt werden und wie diese Befragungen von statten gehen, obliegt jedoch wieder der Verantwortung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich Beschaffung. Erschwerend kommt hinzu, dass nach Aussage des Zeugen Dr. Hartwig Möller, die Aufträge für solche Quellenbefragungen teilweise mündlich, z. B. im Rahmen von Dienstbesprechungen erteilt und die Ergebnisse dieser Befragungen wiederum ebenfalls mündlich präsentiert worden seien.4068 Wenn eine Quelle zu einem abgefragten Sachverhalt keine Informationen habe liefern können, sei keine „Negativmeldung“ schriftlich festgehalten worden.4069 So ist nachträglich nicht mehr nachzuvollziehen, welche Quellen überhaupt befragt wurden. Insoweit hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller ausgesagt: „Nein, es werden ja keine Negativvermerke fabriziert. Also, Sie werden nicht in einem Vorgang finden: ‚Habe das und das geprüft; ist aber nichts bei rausgekommen‘, oder so. Die Ergebnisse der Quellenbefragungen sind mündlich übermittelt worden. So ist es jedenfalls immer gewesen.“4070 Die fehlende Dokumentation von Quellenbefragungen mit negativem Ergebnis und die NichtNachvollziehbarkeit der an die Quellen gerichteten Fragen hat auch der Zeuge Burkhard Freier bestätigt: „Das macht es uns heute schwer, nachzuvollziehen: Was sind eigentlich für Fragen gestellt worden? Und selbst wenn die Antwort lautete: ‚Ich weiß nichts‘, hat man sie nicht.“4071 4067 4068 4069 4070 4071 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 43. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 148. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 148. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 148. Freier, APr 16/1349 S. 50. 717 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die auch innerhalb des Verfassungsschutzes geltenden Geheimhaltungsvorschriften unter dem Paradigma „Kenntnis nur so weit wie nötig“4072 stärken die Machtposition der VP-Führer, die über Wissen wie die Identität der Quellen verfügen, das anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, beispielsweise aus der Auswertung, vorenthalten bleibt. Die organisatorische Verfasstheit der Verfassungsschutzabteilung hatte zur Folge, dass die Angehörigen des Beschaffungsreferats, selbst wenn sie nur in der Sachbearbeitung tätig waren, innerhalb der Behörde eine machtvollere Position erlangten als solche in derselben hierarchischen Position, die in einem anderen Referat tätig waren. Hinzu kommt, dass die VP-Führer aufgrund der Anforderungen ihres Arbeitsfeldes weniger stark den Kontrollmechanismen und Zwängen der Behörde unterliegen. Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat über die Freiheiten dieses Personenkreises ausgesagt: „Das gehört eben zu den Freiheiten, die ein V-Mann-Führer hat. Der hat natürlich ganz andere Möglichkeiten, seinen Arbeitstag zu gestalten. Der verabschiedet sich und sagt: Ich treffe mich mit meiner Quelle. – Dann ist er weg. Der andere sitzt am Schreibtisch und wird beobachtet. Deswegen machen ja manche Leute das auch ganz gerne, weil das natürlich sehr viel mehr Freiräume bietet.“4073 Erst seit 2013 enthält das VSG NRW in § 7 Absatz 2 eine Regelung, wonach die Führungsverantwortlichkeit von VP-Führern für ein VP zeitlich zu befristen ist. Zur Frage nach Kontrollmechanismen und Kriterien für die Zeit und Dauer des Einsatzes von VP-Führern hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller ausgesagt, dass er von Anfang an für Personalrotation, nicht nur innerhalb der Abteilung geworben habe, der Erfolg jedoch sehr unterschiedlich gewesen sei.4074 Weiter hat er ausgeführt: „[… Ich] habe noch keine Behörde vorgefunden - und ich habe in vielen Behörden gearbeitet -, wo Rotation so schwer durchzusetzen ist wie in diesem Bereich. Das ist eine ganz schwierige Aufgabe. Der darf man sich nicht entziehen, aber das ist ja eine sehr spezielle Tätigkeit, die auf Vertrauen und langjährigen Beziehungen beruht. Da kann man nicht von heute auf morgen was Neues machen. Wir haben oft genug natürlich, weil Leute in Pension gegangen sind, Nachfolger mit der Aufgabe betrauen müssen. Das ist ein mühseliges Übergabegeschäft gewesen, um das Vertrauen der V-Personen durch einen neuen Betreuer wiederzugewinnen. Es spricht einiges dafür aus grundsätzlichen Gründen, diese Tätigkeit nicht zu lange zu machen. Andererseits gibt es auch manchmal gute Gründe, bei einer bestimmten Person länger festzuhalten, weil keine andere Alternative besteht. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man diese Tätigkeit nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in einer Behörde durchführen sollte.“4075 Und weiter: „Es gab eine Gruppe, die sich besonders heftig jeder Veränderung widersetzt hat, und das waren die V-Mann-Führer. Von Anfang an waren das die Hartleibigsten überhaupt. Sie können ja auch niemanden zwingen, da haben Sie sofort den Personalrat im Hintergrund. Das geht eben auch nicht. Also, das ist ein sehr schwerer … Das können Sie nur durch Überzeugungsarbeit leisten, und das habe ich versucht.“4076 4072 4073 4074 4075 4076 718 Möller, APr 16/1263 S. 106. Dr. Möller, nöAPr 16/254 S. 5. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 126. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 109. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 126. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ein weiteres Problem der Rotation der VP-Führer allgemein sei gewesen, dass diese eine pensionswirksame Sicherheitszulage erhielten, welche beim Verlassen des Verfassungsschutzes zu einer Verringerung der Altersversorgung geführt hätte.4077 Auf die Frage, inwieweit sich die Qualitätsstandards des Verfassungsschutzes NRW seit 2004 verändert hätten, hat die Zeugin Mathilde Koller bezüglich der Führung von VP ausgesagt: „Ich habe festgestellt - jetzt auch im Zusammenhang mit der Analyse der Akten im Nachklapp zu den NSU-Morden -, dass sich der Qualitätsstandard der Nachrichteninformationsbeschaffung in der Abteilung im Laufe der Jahre und vor allem in dem Jahrzehnt 2000 bis 2010 verbessert hat. Es sind andere Leute gewesen. Es gab also Personalwechsel. Man hat dann auch die V-Leute anders geführt als vielleicht früher in dem einen oder anderen Fall. Die Qualität der gewonnenen Informationen hat sich in diesem Jahrzehnt also verändert.“4078 Zum praktischen Ablauf der zeitlichen Befristung der Führungsverantwortlichkeit durch VPFührer hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller ausgefüht: „Darauf habe ich geachtet, dass nach Möglichkeit die Verbindungen nicht zu intensiv und zu langwierig werden. Das ist schon richtig. Aber es gab eben auch wichtige V-Personen, die mit jedem anderen eben nicht zusammengearbeitet hätten. Und dann muss man eben abwägen: Was ist einem wichtiger: die Gefahr, dass da eine zu enge Verbindung besteht, oder die wichtigen Informationen, die ich möglicherweise durch diese VPerson bekomme? Das ist ein Abwägungsprozess.“4079 Auf die Frage der Kumpanei zwischen VP-Führern und VPen angesprochen, hat der Sachverständige Prof. Dr. Hans-Peter Bull ausgeführt: „Der häufige Wechsel der V-Mann-Führer kann vielleicht helfen, aber ich glaube nicht, dass das ein grundsätzlich neues Instrument oder Hebel wäre. Da muss eine höhere Instanz, also die Behördenleitung, dafür sorgen, dass nicht Kumpanei einreißt. Wie die das herauskriegen soll, ist das große Geheimnis, das mit unserem vorhin erörterten Thema der internen Abschottung selbst innerhalb der Verfassungsschutzbehörden zusammenhängt. Selbst dazu gibt es Anekdoten, die haarsträubend sind. Das heißt, man weiß nicht einmal, was die andere Instanz, die im selben Hause sitzt, tut. Also, das ist sicher richtig, aber man wird dem sehr schwer beikommen.“4080 Einen Einblick in das Verständnis der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Verfassungsschutzes NRW bezüglich der Tragweite bestehender Regelungen bis zur Gesetzesreform 2013 hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller gegeben: „Der Verfassungsschutz hat ja eine gewisse Opportunitätsmöglichkeit. Er muss nicht bei jeder Straftat, von der er erfährt, die Staatsanwaltschaft einschalten, sondern er hat ein bisschen mehr Möglichkeiten, abzuwägen: Was passiert, wenn ich das tue, und was passiert, wenn ich das nicht tue? Wir haben ja vorhin über den Nutzen oder Nichtnutzen von V-Leuten gesprochen. Das ist eine ähnliche Abwägung, will sagen: Die Vorschriftenlage im Verfassungsschutz ist nicht so ausgefeilt gewesen und nicht so detailliert 4077 4078 4079 4080 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 127. Koller, APr 16/960 S. 60. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 108. Prof. Dr. Bull, APr 16/815, S. 25 f. 719 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 geregelt. Da sind mehr, sagen wir mal, Auslegungsmöglichkeiten gewesen und so. Das meine ich. Im Übrigen richtete sich das mehr auf die Frage der Rotation; auch in dem Zusammenhang habe ich das gesagt. Wenn jemand aus einer normalen Verwaltungsabteilung des Innenministeriums kommt und wirklich immer nur ohne solche Freiräume, ohne so Bereiche wie V-Mann-Führung, die ja sehr viel Flexibilität und sehr viele Freiräume zulassen, da arbeitet, dann ist das … man ist viel, viel strenger an Vorschriften gebunden als im Verfassungsschutz. Da einen Austausch durchzuführen und auch beim Verfassungsschutz noch mehr, als das bisher vielleicht der Fall war, sich eng an die Regeln zu halten, die ja zum Teil noch gar nicht da waren, die ja jetzt zum Teil erst geschaffen wurden … Ich erinnere an die V-Mann-Führung. Das waren Regeln. Aber das war eine Verwaltungsrichtlinie, und jetzt ist es ein Gesetz. Das ist schon ein Unterschied. Das ist damit gemeint, dass es dem Verfassungsschutz sicherlich guttut, wenn man in der Beziehung zwar nicht ein sturer Beamter ist, aber trotzdem immer im Hinterkopf hat: ‚Wo sind die Vorschriften?‘ und: Daran habe ich mich zu halten.“4081 Ohne konkret die VP-Führung zu erwähnen, sondern allgemein auf die Angehörigen des Verfassungsschutzes bezogen, hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller eine „Mentalitätsveränderung“ gefordert, die notwendig sei, damit Informationen vom Verfassungsschutz zur Polizei transportiert würden: „Das halte ich für ganz wichtig, dass also klargemacht wird: Nicht das Hüten von Geheimnissen und das Ablegen in irgendwelchen Akten ist das Entscheidende, sondern dass Lebenssachverhalte aufgeklärt werden und dass die Erkenntnisse, die ich habe, anderen Leuten, anderen Behörden mit ihren Aufgaben nutzen und genutzt werden. Das muss man in die Leute reinbringen. Ich weiß nicht, wie, aber das ist jedenfalls meine Philosophie. Und da hat es gelegentlich natürlich dran gehapert, wenn jemand jahrzehntelang andere Motive hatte und anders gearbeitet hat; kann ich mir sehr gut vorstellen. In dem Ministerium, kann ich nur sagen, hat das geklappt. Aber je weiter Sie von dem Ministerium weg sind, hat es nicht geklappt. […] Aber grundsätzlich gebe ich Ihnen recht: Da sind sicherlich immer noch Defizite – und damals waren sie wahrscheinlich auch, denn sonst hätte das alles besser laufen müssen –, dass man sich zu sehr abschottet und nicht offen genug ist und sich nicht in die Lage der anderen Behörde hineinversetzt. Das gilt aber auch länderübergreifend, das ist nicht nur ein Problem innerhalb von Nordrhein-Westfalen.“4082 Auf die Frage, ob er in seiner Funktion als Leiter des Verfassungsschutzes NRW Strukturen geändert habe, damit Informationen aus dem Verfassungsschutz NRW der Polizei zugänglich gemacht werden können, hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller geantwortet, dass man dazu keine Vorschriften, sondern die Mentalität ändern müsse. „Unnötige Geheimniskrämerei und Abschottungsmentalität“ müssten aufgebrochen werden.4083 Als Abteilungsleiter könne er bei Dienstbesprechungen in der Regel nur die untergebenen Mitarbeiter wie Gruppenleiter und Referatsleiter erreichen, nicht aber die Sachbearbeiter: „Wenn ihre Mitarbeiter andere Wertungen haben oder andere Akzente setzen und das nicht weitergeben, dann können Sie predigen – Entschuldigung, wenn ich den Ausdruck noch mal nehme – so viel Sie wollen.“4084 4081 4082 4083 4084 720 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 134. Dr. Möller. APr 16/1263 S. 114 f. Dr. Möller. APr 16/1263 S. 125. Dr. Möller. APr 16/1263 S. 126. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dies sei ein Strukturproblem in allen Organisationseinheiten, auch in Polizeipräsidien.4085 Nicht in seinen Vergleich hat er mit einbezogen, dass die besondere, durch das Paradigma der Geheimhaltung geprägte Struktur der Verfassungsschutzbehörde und die Rolle der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Beschaffung mit ihren weitgehenden Freiheiten und Möglichkeiten sich der Kontrolle ihrer Tätigkeit durch Dienstvorgesetzte zu entziehen, sich in dieser Form nicht in anderen Behörden der öffentlichen Verwaltung bzw. bei Exekutivorganen wie der Polizei findet. c. Kritische Würdigung Die Tätigkeit der VP-Führer konnte insgesamt durch den Ausschuss nur eingeschränkt beurteilt werden. Akten, die die Werbung und Führung der Vertrauenspersonen betreffen, konnten aus Gründen des Geheimschutzes nur von den Mitgliedern des Ausschusses in den Räumen des Verfassungsschutzes eingesehen werden, ohne dass diese zu einer Weitergabe der dabei erlangten Erkenntnisse befugt sind. Darüber hinaus ist der Eindruck entstanden, dass die VP-Führer wenig verschriftlicht haben. Vielmehr waren diese schwerpunkmäßig im operativen Geschäft tätig. II. Einsatz von VP in der rechtsradikalen Szene 1. Art und Umfang des Einsatzes in NRW Der Verfassungsschutz NRW beschäftigte eine nicht bezifferbare Anzahl von VPen. Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat für die Zeit seiner Amtsleitung zwischen 1999 und 2009 konnte ausgeführt: „Ich weiß es einfach nicht mehr. Tut mir leid. Das ist jetzt zu lange her. In Dortmund sicherlich mehrere, und in Köln natürlich auch, in den Großstädten, natürlich. Aber was heißt ‚mehrere‘? Ob das jetzt nun fünf oder zehn sind, kann ich nicht genau sagen. Aber sicherlich mehr als zwei, würde ich mal sagen - zumal es ja verschiedene Bereiche waren, die wir befragt haben. Die Quelle, die beispielsweise im Bereich Islamismus tätig ist - oder PKK -, ist eine ganz andere Quelle als eine, die Rechtsextremisten macht. Das heißt: Wenn es schon drei Phänomenbereiche sind, dann sind es - sagen wir mal, aus jeder Szene mindestens ein oder zwei – schon von daher mehrere.“4086 Auf die Frage, ob zu viele VPen in der rechtsextremen Szene eingesetzt worden seien, hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller geantwortet: „Ja. Das ist wohl so richtig gewesen, und zwar einfach deshalb, weil man V-Leute in der rechten Szene am leichtesten gewinnen konnte. In der islamistischen Szene ist es sehr viel schwieriger, einen V-Mann zu gewinnen, als bei den Rechtsextremisten.“4087 Und konkret auf die zu hohe Anzahl an VPen im Verhältnis zur Zahl der aktiven Rechtsextremisten angesprochen, hat er erwidert: „Ja. Das Thema ist ja hochgekommen nach dem Scheitern des ersten NPDVerbotsverfahrens.“4088 4085 4086 4087 4088 Dr. Möller. APr 16/1263 S. 126. Dr. Möller, nöAPr 16/254 S. 6. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 104. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 104. 721 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 a. Vergütung der VP aa. Feststellungen Zum Honorarrahmen von VPen des Verfassungsschutzes NRW lassen sich keine allgemeinen Aussagen treffen, da die diesbezüglichen Akten einer Verschlusssacheneinstufung unterliegen. Die zwischen 1983 und 1999 bestehende Dienstanweisung - Beschaffung regelte unter Nr. 30 - Zuwendungen an geheime Mitarbeiter -, dass diese Zuwendungen nicht die alleinige oder überwiegende Existenzgrundlage ausmachen durften.4089 Die Entscheidungskompetenz über die Auszahlung der Zuwendungen war innerhalb des Verfassungsschutzes abhängig von der Höhe der Zuwendung gestaffelt geregelt.4090 Der Sachverständige Ronald Appel hat angegeben, dass die VP Bernd Schmitt aus Solingen 400,- DM im Monat als Honorar erhalten haben soll.4091 Der von 1959 / 1960 bis 1995 als VP des Verfassungsschutzes NRW tätige NPD-Funktionär Wolfgang Frenz hat in einem Zeitungsinterview angegeben, dass sein monatliches Honorar mit Gründung der NPD 1964 von 400,- DM auf 800,- DM angestiegen sei. Zudem habe er sich mit seinem VP-Führer in Spezialitätenrestaurants getroffen. Später sei sein Honorar auf 1000,- DM angestiegen und er habe technische Geräte und sogar eine Pistole der Marke „Walter“ als Spesen des Verfassungsschutzes bekommen.4092 Die Aussagen der ehemaligen VP waren für den Ausschuss nicht überprüfbar, weshalb ihr Wahrheitsgehalt nicht beurteilt werden kann. Der bis Juni 2001 tätige Leiters des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW hat ausgeführt, dass sich der Vorsitzende einer rechten Organisation habe anwerben lassen, um die Honorare in die Kasse seiner Organisation umzuleiten.4093 Zur Frage der finanziellen Ausstattung von VPen hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller angegeben, dass die VP davon nicht haben leben können und auch nicht, dass ganze Organisationen von der Unterstützung des Verfassungsschutzes gelebt hätten.4094 So habe es sich um „relativ geringe Summen“ gehandelt.4095 bb. Kritische Würdigung Bei der Vergütung von VPen muss aber auch die Einkommenssituation der VP berücksichtigt werden. So stellt ein Betrag von 300,- bis 400,- Euro monatlich für einen Empfänger von Grundsicherungsleistungen annährend eine Verdoppelung seines verfügbaren Monatseinkommens dar. Ebenso kann ein Honorar des Verfassungsschutzes einer VP ermöglichen, in Teilzeit zu arbeiten, womit ihr ein größeres Zeitbudget für politische Aktivitäten bleibt. Wenn der Verfassungsschutz seinen VPen auf Spesenbasis technische Geräte, beispielsweise Mobiltelefone, Fotoapparate oder Computer, finanziert, die diese für ihre politischen Aktivitäten 4089 4090 4091 4092 4093 4094 4095 722 Dienstanweisung Beschaffung von 1983, Nr. 30 – Zuwendungen an geheime Mitarbeiter, Ordner 161 S. 543 (VS-V herabgestuft). Dienstanweisung Beschaffung von 1983, Nr. 30 – Zuwendungen an geheime Mitarbeiter, Ordner 161 S. 543 f. (VS-V herabgestuft). Appel, APr 16/815 S. 28. Artikel „Wie Wolfgang Frenz die NPD „rettete“. Bekenntnisse eines V-Mannes“ im Magazin „Stern“ vom 22. November 2011, A95285 S. 2. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 32. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 106. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 107. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 einsetzen, so findet auch hier eine indirekte Förderung der politischen Aktivitäten des Beobachtungsobjektes durch den Verfassungsschutz statt. b. Führungspersonen der rechtsextremen Szene als VP In den zu dieser Zeit gültigen Dienstanweisungen für die Werbung und Führung von V-Personen war festgelegt, dass VPen weder die Zielsetzung noch die Tätigkeit des Beobachtungsobjekts entscheidend bestimmen durften.4096 Aus dem Umstand, dass dem Verfassungsschutz NRW Erkenntnisse über Treffen von Führungskräften von Organisationen und Kameradschaften vorliegen, kann geschlossen werden, dass entgegen der Dienstanweisungen auch VPen geführt wurden, die in Führungspostionen ihrer Organisationen waren. Auf die Frage, inwieweit die Einnahme von Führungsfunktionen bei einer VP akzeptabel sei, hat der Zeuge Burkhard Schnieder geantwortet, „dass in den Zeiten damals eine etwas andere Philosophie geherrscht hat, dass man sicherlich auch mitunter in Einzelfällen den Versuch gemacht hat, Organisationen von oben herab zu steuern und sie zu befrieden oder in irgendeiner Form, wie gesagt, unter Kontrolle zu bekommen, damit von ihnen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese Philosophie ist in dieser Form aufgegeben worden. Wie eben gesagt worden ist, verzichten wir darauf, in dieser Art und Weise Einfluss zu nehmen. Wir wollen keine VPersonen haben, die Führungsfunktionen haben, die steuernde Funktionen haben. Wie gesagt, ist das jetzt bewusst die rechtliche Grenze für den Verfassungsschutz geworden. Damals galt diese rechtliche Grenze nicht. Und mitunter hat man es als Vorteil, als wichtig angesehen, auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit, mitunter zu versuchen, auf bestimmte Organisationen Einfluss zu nehmen und sie auf diese Art und Weise möglicherweise weniger schlimm zu machen und auch zu wissen, was diese Organisationen vorhaben. Und das kann man manchmal nur, wenn man in interne Zirkel eindringt; denn nicht das einzelne Mitglied einer Kameradschaft oder Organisation ist über alles informiert, sondern manchmal nur die Führungsfiguren.“4097 Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen Burkhard Schnieder, dass beim Verfassungsschutz NRW eine Philosophie geherrscht habe, nach der über als VPen verpflichtete Führungspersonen eine Steuerung der Szene und Befriedung versucht werden sollte, hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller geantwortet: „Ich vermute – ich weiß ja nicht, was er gesagt hat –, dass er gesagt hat, dass man zumindest dämpfen könnte, also dass man zumindest über die V-Leute allzu scharfe Reaktionen, Gewalttätigkeiten abmildern könnte. Denn nach dem NPD-Verbotsverfahren war ja ziemlich klar, dass eine steuernde Einflussnahme durch V-Leute zumindest auf politische Parteien und sonstige wesentliche Organisationen nicht zulässig ist. Das war klar. Und das ist danach auch alles geändert worden, die sind ja rausgezogen worden. Ich vermute nur, dass er meint, sagen wir mal, die hätten mäßigend wirken können. So würde ich es mal ausdrücken, dass er das gemeint hat.“4098 Zur Frage, ob dies gelungen sei, hat er weiter ausgeführt: 4096 4097 4098 Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, Nr. 11 – Stellung der VM im Objekt, Ordner 161 S. 666 ff. (VS-V herabgestuft). Schnieder, APr 16/952 S. 162 f. Dr. Möller, APr. 16/1263 S. 122. 723 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Das weiß man ja im Nachhinein nicht. Das ist ja eine hypothetische Frage: Was wäre passiert, wenn er das nicht gemacht hätte? Hätte es dann eine Gewalttat gegeben? Das weiß ich nicht. Aber ich könnte mir vorstellen, dass man das zumindest auch als eine Chance gesehen hat, Vertrauenspersonen sinnvoll einzusetzen. Das könnte ich mir vorstellen.“4099 Und weiter: „Kann ich nicht … Dass das ein Handlungsschwerpunkt war … ich glaube, das ist mehr ein Abfallprodukt, würde ich mal sagen, aber nicht ein Handlungsschwerpunkt, der sozusagen bei der Einsetzung einer V-Person zielführend gewesen wäre. Das wäre mir neu.“4100 Die Frage, ob die Praxis einer Einflussnahme auf die Neonazi-Szene durch VPen in Führungspositionen rechtlich gedeckt gewesen sei, hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller nicht beantwortet.4101 Obwohl der Zeuge Dr. Hartwig Möller eine andere Wortwahl - „dämpfen“ statt „befrieden“ - als der Zeuge Burkhard Schnieder benutzt hat und den Versuch der Steuerung der Szene nicht als „Philosophie“ des Verfassungsschutzes NRW, sondern als „Abfallprodukt“ anstelle eines „Handlungsschwerpunktes“ bezeichnet hat, widersprach er der Aussage des Zeugen Burkhard Schnieder im Grundsatz nicht. Demgegenüber hat der Zeuge Burkhard Freier ausgesagt, dass „auch das Steuern einer Organisation (…) nie das Ziel“ gewesen sei.4102 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat weiter ausgesagt, dass nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren 2003 die Praxis des Einsatzes von VPen mit Führungsfunktion bei den Parteien eingestellt worden sei, die neonazistischen „Kameradschaften“ aber von dieser Einschränkung nicht betroffen waren.4103 Der Einsatz von VPen habe, „dem Staat eine Menge Geld erspart“, weil so erkannt worden sei, dass eine beispielsweise in Dortmund angemeldete Demonstration nicht dort, sondern in einer anderen Stadt stattfinden sollte. Insoweit hat er ausgeführt: „Diese Informationen habe ich aber nur durch V-Leute bekommen, und das ist nicht einmal passiert, das ist in vielen Fällen passiert. Es hat Katz-und-Maus-Spiele mit der Polizei und den Demonstranten in vielen, vielen Bereichen gegeben. Wenn wir da nicht gewesen wären und gesagt hätten: ‚Das dürft ihr nicht ernst nehmen, das ist soundso gemeint‘, dann hätten wir eine Menge Aufwand betrieben an Überstunden für die Polizei und ich weiß nicht was alles.“4104 Aus den vorliegenden Akten ergeben sich solche Scheinanmeldungen für drei Veranstaltungen zwischen 1999 und 2006.4105. Sollte es sich dabei um die einzigen Fälle in diesem Zeitraum handeln - was vom Ausschuss nicht sicher festgestellt werden kann -, wäre die Bilanz dürftig. 4099 4100 4101 4102 4103 4104 4105 724 Dr. Möller, APr. 16/1263 S. 122. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 122. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 122. Freier, geh 16/13 S. 24 f. (herabgestuft). Dr. Möller, APr 16/1263 S. 152. Dr. Möller, APr. 16/1263 S. 110. Schreiben des Verfassungsschutzes NRW vom 2. Juni 1999, A12231 S. 95; Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 8. Oktober 2004, A14910 S. 584 (VS-nfD; Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. November 2006, A14911 S. 508 (VS-nfD. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Gegen die Einschätzung des Zeugen Dr. Hartwig Möller, der Einsatz von VPen habe den Aufwand der Polizei in Bezug auf rechtsradikale Demonstrationen nennenswert vermindert, spricht zudem, dass die Zeit, in der sich Neonazis, Polizei und antifaschistische Gegendemonstranten und Gegendemonstrantinnen ein „Katz-und-Maus-Spiel“ um Aufmärsche, z. B. anlässlich des Todestages von Rudolf Hess, lieferten, in seiner Amtszeit bereits vorbei war. Seit 1998 / 1999 stieg vielmehr die Zahl angemeldeter und durchgeführter neonazistischer Demonstrationen stark an.4106 Dies war unter anderem bedingt durch eine mittels Urteilen der Verwaltungsgerichte erstrittene, größere Rechtssicherheit für die Anmelder. Hauptträger dieser „Demonstrationspolitik“ waren seit Mitte 2000 nicht länger die NPD, sondern die neonazistischen „Kameradschaften“, aus deren Reihen auch häufig Führungspersonen wie Axel Reitz oder C. W. Demonstrationen anmeldeten. Viele dieser Demonstrationen wurden immer aufwändiger vorbereitet, teilweise lange im Voraus beworben und ihre Organisatoren achteten auf eine möglichst rechtssichere Durchführung.4107 Zudem zeigte sich insbesondere am 1. Mai 2009, als sich mehrere hundert am Hauptbahnhof Dortmund versammelte Neonazis nicht zu einer Demonstration nach Siegen begaben, sondern spontan in der Dortmunder Innenstadt aufmarschierten und den Demonstrationszug des „Deutschen Gewerkschaftsbundes“ attackierten, dass spontane und konspirativ vorbereitete Aufmärsche trotz VPen nicht vorhergesehen wurden bzw. die Polizei nicht rechtzeitig über solche Pläne informiert wurde.4108 Der Zeuge Dr. Hartwig Möller hat zudem ausgesagt, dass Informationen von VPen über Waffen in der Szene oder andere Dinge zur Aufklärung von Straftaten beigetragen hätten.4109 Demgegenüber hatder der Zeuge Hans-Peter Lüngen angegeben, er könne sich an keine Straftat, insbesondere kein Gewaltdelikt, erinnern, das durch Informationen von Quellen aufgeklärt worden sei.4110 Die Durchdringung der neonazistischen Szene in NRW mit VPen begünstigte allerdings die Erwartung innerhalb des Verfassungsschutzes NRW, dass man terroristische Bestrebungen, die über die Planungen und Taten Einzelner oder von Kleinstgruppen hinausgingen, frühzeitig erkennen werde. Diese Erwartung wurde in zwei Vermerken aus den Jahren 20024111 und 20034112 formuliert. Entsprechend haben sich auch die Zeugen Hans-Peter Lüngen4113 und Dr. Hartwig Möller4114 geäußert. Auch die Bewertung von Verbotsmaßnahmen gegen neonazistische Kameradschaften war im Verfassungsschutz NRW geprägt von der Rücksichtnahme auf die Durchdringung dieser Gruppierungen mit V-Personen. So sagte der Zeuge Hans-Peter Lüngen aus, dass man abwägen müsse, ob man Gruppierungen verbieten und damit Quellen verbrennen wolle, oder mittels VP weiterhin „ein Ohr dran“ haben wolle, um „gefährliche Tendenzen“ zu erkennen.4115 Auch der Zeuge Dr. Hartwig Möller gab an, dass er nicht ausschließen wolle, dass 4106 4107 4108 4109 4110 4111 4112 4113 4114 4115 Artikel „Tief im Westen, Demonstrationspolitik der extremen Rechten in NRW“ aus Lotta Nr. 58 Frühjahr 2015, A95656. Fabian Virchow „Dimensionen der „Demonstrationspolitik“ der extremen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland“ in Andreas Klärner/Michael Kohlstruck: Moderner Rechtsextremismus in Dortmund, 2006, A95657. Artikel „Dortmunder Polizei ermittelt gegen 404 Gewalttäter“ in Der Westen vom 4. Mai 2009, A95658 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 110. Lüngen, APr 16/1097 S. 52. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom August 2002, A12244 S. 2. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. September 2003, A31652 S. 4. Lüngen, APr 16/1097 S. 72. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 96. Lüngen, APr 16/1097 S. 50. 725 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ein Argument gegen Verbote von neonazistischen Kameradschaften die Gefahr des „Verbrennens“ von V-Personen war.4116 In seiner Amtszeit sprach sich der Verfassungsschutz gegen Verbotsmaßnahmen von Kameradschaften aus.4117 Im Falle des von der Kölner Polizei angestrebten Verbotes der „Kameradschaft Köln“ im Jahr 1999 hat der Verfassungsschutz gegenüber dem Innenministerium erfolgreich gegen ein Verbot votiert.4118 Für den Ausschuss entstand durch den Einsatz von Führungspersonen der Neonazi-Szene als V-Personen der Eindruck, dass der Verfassungsschutz, vermittelt über diese Personen, indirekt am Aufbau und der Festigung der entsprechenden Gruppierungen wie der Szene insgesamt mitwirkte. Es war nicht ersichtlich, dass der Verfassungsschutz NRW mit dem Einsatz dieser V-Personen eine über die bloße Informationsgewinnung hinausgehende Strategie verfolgte. Vielmehr wuchs durch den Einsatz von Führungspersonen als VP die Gefahr, dass die Interessen von Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutzabteilung miteinander kollidierten. c. Konflikt zwischen BKA / GBA und Verfassungsschutz NRW über den Einsatz von Vertrauenspersonen Mitte der 1990er Jahre aa. Feststellungen Am 4. Februar 1997 durchsuchte die Polizei die Wohnung einer VP, weil sie in einem Ermittlungsverfahren beschuldigt wurde, zum Herausgeberkreis eines rechtsextremen Fanzines zu zählen. Die Polizei konnte zwar umfangreiche Anschriftenlisten, rechtsextremes Schriftgut und über 100 Disketten sicherstellen, im sichergestellten PC fehlte zum Zeitpunkt der Durchsuchung allerdings die Festplatte. Die VP erklärte den Polizeibeamten, die Festplatte sei vor zwei Tagen kaputt gegangen und befinde sich bei einem Freund, dessen Namen er nicht nennen wolle.4119 Später erlangte das PP Dortmund Kenntnis von der Identität dieses Freundes der VP und beschlagnahmte in dessen Wohnung eine Wechselfestplatte.4120 Am 18. September 1997 durchsuchte dann das BKA im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des GBA wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung und anderer Straftaten erneut die Wohnung der VP.4121 Die Durchsuchung der Wohnung führte nicht zum Auffinden von Beweismitteln und nährte beim GBA den Verdacht, der Verfassungsschutz NRW könnte seine VP vor der Exekutivmaßnahme gewarnt haben. Der für das Verfahren gegen die VP u. a. wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB beim GBA zuständige Dezernent, OStA G., bestellte darauf am 27. März 1998 den Leiter des Verfassungsschutzes NRW, Dr. Baumann nach Karlsruhe ein. Ausweislich eines von OStA G. über das Gespräch gefertigten Vermerks erklärte Dr. Baumann, dass er nichts zu verheimlichen und im Übrigen sich - und soweit er es beurteilen könne - auch seinen Mitarbeitern nichts vorzuwerfen habe. Er habe ein vom BKA im ersten Halbjahr 1996 erarbeitetes Papier durchgesehen und wolle darauf hinweisen, dass die dort geschilderten Sachverhalte auf den Verfassungsschutz in NRW nur teilweise zuträfen.4122 Im Vermerk heißt es weiter, dass OStA G. daraufhin die Umstände aufgeführt habe, 4116 4117 4118 4119 4120 4121 4122 726 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 123. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 16. November 2000, A12256 S. 54 ff. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 15. April 1999, A10427 S. 33 ff. Schreiben des PP Dortmund vom 5. Februar 1997, A13863 S. 81. Telefax des PP Dortmund vom 18. Februar 1997, A13863 S. 87. Vermerk des BKA vom 16. Juli 2001, A54487 S. 193 (VS-nfD). Vermerk des GBA vom 30. März 1998, A13865 S. 37 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „welche zum einen eine Vorabinformation des [geschwärzt] über die bevorstehende Durchsuchung am 18. September 1997 belegen, zum anderen auf eine versuchte Erlangung der bei der Durchsuchung nicht gefundenen Festplatte durch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes hindeuten.“4123 Weiter heißt es in dem Vermerk, dass Dr. Baumann daraufhin gegenüber OStA G. erklärt habe, dass die VP schwer zu führen gewesen sei und Anweisungen nicht immer beachtet habe. Weiter erklärte er zum Verhältnis des Verfassungsschutzes NRW zur VP: „Die ‚erste Abschaltung‘ sei im Februar 1995 erfolgt, danach sei [geschw.] unter eine ‚fürsorgerische Betreuung‘ gestellt worden (Vermerk vom Mai 1995). Damals habe es in Nordrhein-Westfalen ein ‚Aussteigerprogramm Rechts‘ gegeben, welches aber im Gegensatz zu anderen bei [geschw.] nicht erfolgreich gewesen sei. Anlässlich des ‚HessGedenkmarsches 1995‘ habe man ihn wieder als Informanten in die Nachrichtenbeschaffung einbezogen; er sei praktisch wieder zur Quelle geworden. [...] Am 21. November 1996 seien verschiedene [Veröffentlichungen] aufgetaucht. [geschw.] sei nochmals ermahnt worden und habe auch die Weisung erhalten, solche Veröffentlichungen zu unterlassen. Als Folge hierauf habe [geschw.] am 5. Dezember 1996 eine „Unterwerfungserklärung“ in diesem Sinne unterzeichnet. Ebenfalls im Dezember 1996 sei die erneute Abschaltung der Quelle [geschw.] erfolgt, […].“4124 Bemerkenswert erscheint an der Schilderung des Dr. Baumann, dass eine als unzuverlässig erscheinende Quelle zuerst „abgeschaltet“, wenige Monate später aber wieder abgeschöpft wird, so dass sie faktisch erneut zur Quelle wurde. Ab diesem Zeitpunkt firmierte die VP in Vermerken unter der Bezeichnung „Ex-VM“.4125 Ausweislich des Gesprächsvermerks berichtete Dr. Baumann dem OStA G. weiter, dass der Verfassungsschutz NRW dann im Januar 1997 von einem anderen LfV erfahren habe, dass der Betreffende wieder in die Szene zurückkehren wolle, woraufhin der VP-Führer die abgeschaltete Quelle aufgefordert habe, sich weiterhin von der Szene fernzuhalten. Als dann der Hess-Gedenkmarsch 1997 anstand, setzte der Verfassungsschutz einen Journalisten ein, um in Kontakt mit der VP zu treten: „Ein Journalist habe sich an den Verfassungsschutz gewandt, um frühzeitig Informationen zu erhalten. Dieser Journalist habe dann Kontakt mit [geschw.] aufgenommen, so daß auch die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes auf indirektem Wege über die Informationen von [geschw.] verfügen konnten. Der Journalist sagte [geschw.] einen bestimmten Betrag für die Mitarbeit zu; später sei dann durch Mitarbeiter seiner Behörde [geschw.] ein Betrag von […] (etwa 15./16.09.1997) übergeben worden. [geschw.] sei nicht mehr durch den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ‚geführt‘ worden; die Zahlung von […] sei praktisch als endgültiger Abschied anzusehen gewesen. Er, Dr. Baumann, habe in der Folge jede weitere Überlegung, [geschw.] zu reaktivieren, abgelehnt.“4126 Einer der beiden VP-Führer bestätigte in einem Gespräch mit OStA G. am 3. April 1998 in Düsseldorf, dass die etwa 1990 angeworbene VP zweimal abgeschaltet worden sei, zuletzt im Dezember 1996. Im Februar 1997 habe man ihm einen Restbetrag seiner Entlohnung ausbezahlt, dabei sei noch einmal Material zur Auswertung an den Verfassungsschutz NRW übergeben worden, was der VP-Führer im März 1997 zurückgegeben habe. Welches Material im Februar 1997 übergeben wurde, ist aus dem Vermerk nicht ersichtlich, ebenso wenig 4123 4124 4125 4126 Vermerk des GBA vom 30. März 1998, A13865 S. 38. Vermerk des GBA vom 30. März 1998, A13865 S. 38 f. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 2. Mai 1999, A13853 S. 43. Vermerk des GBA vom 30. März 1998, A13865 S. 39. 727 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ist ersichtlich, ob diese Übergabe vor oder nach der Hausdurchsuchung durch das PP Dortmund erfolgte.4127 Als es dann Hinweise gegeben habe, die Hess-Gedenktage 1997 könnten in NRW stattfinden, habe man sich um Informationen bemüht, wie der GBA in dem Vermerk festhielt. Der VP-Führer schilderte den weiteren Kontakt 1997 wie folgt: „Da es im Bereich […] keine andere Möglichkeit gegeben habe, hab man den [geschw.] und unter einer Legende an [geschw.] herangespielt. [geschw.] (Arbeitsname: [geschw.]) habe sich an [geschw.] mit einem Interview wegen dessen beabsichtigter Kandidatur in […] gewandt. [geschw.] habe ihm dann Geld dafür in Aussicht gestellt (im Auftrag des LfV), daß [geschw.] ihm Informationen über den Ablauf der Gedenktage vermittelt. Er, [geschw.], habe selbst am 17. August 1997 während des Ablaufs des Gedenktages zwei- bis dreimal mit [geschw.] unter dem Namen [geschw.] telefoniert, um den Standort und den möglichen Ablauf in Erfahrung zu bringen. [geschw.] hatte wohl zwischenzeitlich bemerkt, daß [geschw.] im Auftrag des LfV handelte. Nach Mitte August 1997 habe es aber keine Kontakt mehr zu [geschw.] durch das LfV Nordrhein-Westfalen gegeben.“ 4128 Der ebenfalls zum Gespräch hinzugerufene zuständige Referatsleiter schilderte, ausweislich des Vermerks von OStA G., er habe die Idee gehabt, einen Kontakt über einen Journalisten, den er von früher kannte, herzustellen, weil: „Die Führung des [geschw.] sei ja untersagt gewesen.“4129 Während der eine VP-Führer angab, es habe nach August 1997 keinen Kontakt seitens des Verfassungsschutzes NRW zu der VP gegeben, sagte der Referatsleiter aus, es hätten noch weitere Treffen des „Journalisten“ mit der VP am 16. September 1997 - zwei Tage vor der Hausdurchsuchung des BKA - sowie im Oktober 1997 und am 19. November 1997 stattgefunden. Bei dem letzten Treffen sei eine „Frageliste der Auswertungsabteilung vom 4. November 1997 über die mögliche Veröffentlichung eines Fanzines besprochen worden.4130. Der zweite VP -Führer sagte zudem ausweislich des Vermerks von OStA G., dass die VP im März 1997 ein „Sparbuch mit etwa […] DM (zurückbehaltener Teil der Entlohnung) ausgehändigt habe.4131 Aus dem Vermerk ist der Grund nicht nachvollziehbar, warum der offiziell abgeschalteten VP im Jahr 1997 insgesamt […] DM vom Verfassungsschutz NRW gezahlt wurden. Die von den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes NRW dargestellten Gegenleistungen erscheinen als zu gering. Im Gespräch mit OStA G. teilte einer der VP-Führer zudem mit, dass es nach der Abschaltung Kontaktversuche von der ehemaligen VP zum BfV gegeben habe, näheres ihm hierzu aber nicht bekannt sei.4132 Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW stritten gegenüber dem Mitarbeiter des GBA ab, die VP vor der Durchsuchung gewarnt zu haben: „Hinsichtlich der Durchsuchung am 18. September 1997 erklärte Dr. Baumann, daß seine Mitarbeiter ihm versichert hätten, keine Mitteilung hierüber an [gesch.] gemacht zu haben. Tatsächlich habe [gesch.] die Festplatte unmittelbar vor der Durchsuchung in 4127 4128 4129 4130 4131 4132 728 Vermerk des GBA vom 8. April 1998, A13865 S. 47. Vermerk des GBA vom 8. April 1998, A13865 S. 47. Vermerk des GBA vom 8. April 1998, A13865 S. 47. Vermerk des GBA vom 8. April 1998, A13865 S. 49. Vermerk des GBA vom 8. April 1998, A13865 S. 48. Vermerk des GBA vom 8. April 1998, A13865 S. 48. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 eine Plastiktüte gepackt und auf das Nachbargrundstück geworfen; dort sei sie wegen des hohen Schnees nicht entdeckt worden.“4133 Im Gespräch mit OStA G. räumte der zweite VP-Führer ein, dass er nach dem Tod der VP die Festplatte eines Computers im Rahmen eines Kondolenzbesuches bei der Freundin des Verstorbenen an sich genommen habe und sie der Auswertung des Verfassungsschutzes NRW zur Verfügung stellen wollte: „Auf Nachfrage des Unterzeichners [OStA Dr. Graf], ob er denn nicht gewußt hätte, daß die Festplatte bereits bei der Durchsuchung am 18. September 1997 und einer nachfolgenden Durchsuchung gesucht worden sei und hierfür ein Beschlagnahmebeschluß bestanden habe, sagte [geschw.], er habe ja nicht gewußt, welche Festplatte Ziel der Durchsuchung des Generalbundesanwalt gewesens sei. [geschw.] habe viele Adressen auf der Festplatte gehabt, welche er für das Landesamt habe sicherstellen wollen.“4134 Im Gespräch mit OStA G. behauptete einer der VP-Führer in einem Gespräch mit dem BKA und dem BfV im Frühjahr 1996 im BfV, habe er ausdrücklich angeboten, die Quelle abzuschalten, das BKA habe aber darum gebeten, die Quelle in der Szene als VP zu belassen.4135 Im vorliegenden Vermerk des BKA über dieses Treffen, an dem die beiden VP-Führer teilnahmen, ist ein solches Angebot nicht vermerkt.4136 Notiert ist vielmehr, dass die Vertreter des Verfassungsschutzes ihre Bedenken äußerten, dass durch ein Ermittlungsverfahren wegen der Veröffentlichung eines Fanzine ihre Quelle gefährdet würde. Verabredet worden sei, in einer gemeinsamen Besprechung mit dem GBA die „Problematik des Quellenschutzes und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu erörtern.“4137 bb. Kritische Würdigung Es begegnet erheblichen Bedenken, dass die abgeschaltete VP nach ihrer quasi-„Wiederanschaltung“ in Vermerken unter „VM-Ex“ geführt wurde. Eine solche Kategorie des „Ex-VM“ ist in den Dienstanweisungen für Beschaffung nicht vorgesehen, schließlich handelt es sich auch um eine zutiefst widersprüchliche Figur: Einerseits ist die Quelle „abgeschaltet“, andererseits wird sie weiter als Informationsquelle genutzt, als habe die Aufkündigung der Zusammenarbeit nicht stattgefunden. d. Umgang mit straffälligen VP Der bis Juni 2001 tätige Leiter des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW hat angegeben, dass er sich nicht an „gravierende Fälle“, bei denen V-Personen Straftaten vorgeworfen wurden, erinnere. Weiter sagte er aus: „Aber eines war für mich ganz klar gewesen. Wenn irgendwas war, gab es nicht die Polizei für mich, sondern den Staatsanwalt. Der ist immer der Herr des Ermittlungsverfahrens gewesen. Und daran haben wir uns gehalten, und im Zweifelsfall auch mal mit einem Richter gesprochen; aber nicht so, dass der Mann nun mit Glanz und Gloria dargestellt wurden, sondern es ist wichtig, weder einen Staatsanwalt noch einen Richter zu übertölpeln versuchen, sondern Sie müssen da die Karten auf den Tisch legen. Sie müssen dazu stehen und notfalls die Konsequenzen ziehen.“4138 4133 4134 4135 4136 4137 4138 Vermerk des GBA vom 30. März 1998, A13865 S. 40. Vermerk des GBA vom 8. April 1998, A13865 S. 48 f.. Vermerk des GBA vom 8. April 1998, A13865 S. 47 f.. Vermerk des BKA über eine Besprechung am 6. März 1996, A54477 S. 406 ff. (VS-nfD). Vermerk des BKA über eine Besprechung am 6. März 1996, A54477 S. 408 (VS-nfD). Zeuge, nöAPr 16/285 S. 14. 729 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Auf die Frage, bei welcher Straftat die Schwelle überschritten war, bei der eine V-Person nicht mehr akzeptabel und deshalb abgeschaltet worden ist, hat er nach einem Moment des Nachdenkens lediglich: „Also, schwerwiegend… Wenn die falsch gespielt haben, wurden die abgeschaltet. Wenn die nicht mehr tragbar…“4139 Der Zeuge Burkhard Freier hat zu gewaltbereiten und Straftaten begehenden VP ausgesagt: „Gewaltbereitschaft, also Straftaten waren nie das Ziel, auch das Steuern einer Organisation war nie das Ziel, aber Straftaten und Gewaltbereitschaft sind noch zwei andere Dinge. - Das heißt ja, der Verfassungsschutz hatte durchaus Quellen, die gewaltbereit waren. Und diese Schwierigkeit hat man damals damit erklärt, dass man gesagt hat: Dafür waren wir auch nah dran an der Szene.“4140 Weiter gab er an, dass der Verfassungsschutz NRW bei Strafverfahren gegen V-Personen deren Tätigkeit für den Verfassungsschutz gegenüber Polizei und StA offenbart. Auf Polizei und StA würde aber kein Einfluss genommen.4141 e. Weitere Auskunftspersonen Der Zeuge Burkhard Freier, seit 2012 Leiter des Verfassungsschutzes NRW, hat angegeben, dass bei der Anwerbung neuer Vertrauenspersonen in Einzelfällen eine Abwägung von der Eignung der Person als VP nach den Vorgaben für eine Verpflichtung einerseits und den von dieser Person zu erwartenden Informationen andererseits zum Ergebnis geführt habe, dass Personen als VP förmlich verpflichtet worden seien, die den Vorgaben nicht entsprochen hätten. Ebenfalls unter Nichtbeachtung der eigenen Vorgaben und allein um des Zwecks einer Informationsgewinnung sind neben förmlich verpflichteten Quellen weitere Personen in Absprache mit der Abteilungsleitung über längere Zeiträume, teilweise mehrere Jahre als Gesprächspartner befragt und für ihre Auskünfte entlohnt worden. Der Gedanke an eine förmliche Verpflichtung sei dabei nicht aufgekommen, obwohl diese Personen trotz ihrer Bezeichnung als „Gesprächspartner“ tatsächlich Quellen waren.4142 Diese Gesprächspartner ebenso wie förmlich verpflichtete VPen seien bis zur Änderung des VSG NRW teilweise auch genutzt worden, um Einfluss auf die Organisation zu nehmen. Dies sei geschehen, obwohl der steuernde Einfluss weder Aufgabe des Verfassungsschutzes noch des Gesprächspartners oder der VP selbst gewesen sei und schon vor der Einführung der entsprechenden gesetzlichen Regelung in den Richtlinien verankert gewesen sei, dass die Stellung der Quelle in der Organisation der Quellenführung zu beachten sei. Mit dieser Vorgabe sei ebenfalls gemeint gewesen, dass eine Quelle weder eine führende Position inne haben durfte noch über die Quelle eine Einflussnahme habe erfolgen dürfen.4143 In dieser Hinsicht habe beim Verfassungsschutz NRW zwischenzeitlich ein Umdenken dahin stattgefunden, der Informationsgewinnung nicht wie zuvor und unter Nichtbeachtung eigener Vorgaben den Vorrang zu geben – getreu dem Motto „Der Zweck heilt die Mittel“. Heute 4139 4140 4141 4142 4143 730 Zeuge, nöAPr 16/285 S. 15. Freier, APr 16/1349 S. 44. Freier, APr 16/1349 S. 63. Freier, geh 16/13 S. 24 f. (herabgestuft). Freier, geh 16/13 S. 24 f. (herabgestuft). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 seien die früher in Teilen als „betriebliche Übung“ bestehend und später als Dienstanweisungen niedergeschriebenen Regeln bei der Informationsgewinnung mit klaren Grenzen ausgestattet, die gesetzlich fixiert sind.4144 Weiter hat der Zeuge Burkhard Freier darauf hingewiesen, dass dieser Mentalitätswechsel aus seiner Sicht bedeutsam sei. Der Ruf des Verfassungsschutzes sei mehr als nur ein Ruf, sondern eigentlich das gesamte Vertrauen der Bevölkerung. Eine Kette von Quellen zu führen, die entweder ohne förmliche Verpflichtung wie eine VP geführt oder die trotz beachtlicher strafrechtlicher Vorkenntnisse förmlich als VP verpflichtet werden, sei ein Fehler gewesen, weil sie das Vertrauen in den Verfassungsschutz zerstören. Als Folge melde sich kein Bürger und keine Bürgerin mehr beim Verfassungsschutz, weil er gar nicht wisse, „wo er da landet“ und damit erhalte der Verfassungsschutz dann Informationen, die ggf. viel wertvoller seien, nicht. Das sei fatal. Zwischenzeitlich habe das Vertrauen der Bevölkerung in den Verfassungsschutz teilweise wieder aufgebaut werden können.4145 Auch weitere vom Ausschuss in nach § 9 Absatz 5 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags NRW eingestuften Sitzungen vernommene Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW haben bestätigt, dass sowohl bei der Anwerbung als auch bei der Entscheidung, ob eine VP wegen eines Fehlverhaltens abzuschalten zu sei, in Einzelfällen eine Abwägung der Eignung der Person einerseits und der von der VP zu erwartenden Informationen andererseits dazu geführt habe, die Person als VP anzuwerben bzw. weiterzuführen.4146 Zudem haben sie bestätigt, dass im Hinblick auf das Informationsbedürfnis des Verfassungsschutzes NRW in Absprache mit der Abteilungsleitung Personen ohne förmliche Verpflichtung teilweise über Jahre als Gesprächspartner abgeschöpft und für ihre Informationen entlohnt worden seien.4147 Heute werde lieber auf Informationen verzichtet als mit einer Quelle zusammenzuarbeiten, die nicht den Vorgaben entspricht und deren Verpflichtung mit einem hohen Risiko verbunden wäre.4148 Zur Art und Weise der Gewinnung von Quellen hat ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ausgesagt, dass es verschiedene Möglichkeiten gebe, an eine neue Quelle zu gelangen. Zum einen gebe es Selbstanbieter, d. h. Personen, die von sich den Kontakt zum Verfassungsschutz suchen. Zum anderen würden Kontakte über den Polizeilichen Staatsschutz vermittelt oder der Verfassungsschutz halte aufgrund eigener Erkenntnisse eine Person für potentiell geeignet.4149 2. Ausgewählte Vertrauenspersonen in NRW a. Enttarnte Vertrauenspersonen aus den 1990er Jahren aa. Bernd Schmitt Am 29. Mai 1993 wurden bei einem Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç in Solingen fünf Familienangehörige im Alte von vier bis 27 Jahren getötet. Der Anschlag war der 4144 4145 4146 4147 4148 4149 Freier, geh 16/13 S. 24 f. (herabgestuft). Freier, geh 16/13 S. 24 f. (herabgestuft). Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW, geh 16/2 S. 11, 19 f., 29; geh 16/9 S. 8 f. (herabgestuft). Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW, geh 16/2 S. 11, 19 f., 29; geh 16/3 S. 37, 39, 41, 71; geh 16/5 S. 48 f., 52 (herabgestuft). Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW, geh 16/2 S. 20, 29 (herabgestuft). Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW, geh 16/2 S. 5 (herabgestuft). 731 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „fatale Höhepunkt“4150 einer rassistischen Gewaltwelle in Deutschland. Der Sachverständige Roland Appel wies darauf hin, dass der Verfassungsschutz NRW eine VP namens Bernd Schmitt, der später durch parlamentarische Arbeit enttarnt worden sei, sozusagen als Quelle an den Tätern geführt habe.Seine Rolle sei bis heute ungeklärt.4151 Der Sachverständige Dr. Hajo Funke führte aus, dass die Brandstiftung in Solingen von jungen rechtsextrem Orientierten ausgeführt worden wäre, „die zuvor auch von dem V-Mann Bernd Schmitt, dem Leiter einer Kampfsportschule, offenkundig ideologisch radikalisiert worden waren.“4152 Der Sachverständige Hans-Peter Killguss schätzte Bernd Schmitt so ein, dass er über seine Kampfsportschule eine Gelegenheitsstruktur geschaffen habe. Das heißt, einerseits war sie ein Ort der Begegnung, an dem rechte Jugendliche an ein organisiertes Spektrum herangeführt wurden, und andererseits ging es natürlich auch um das Kampfsporttraining. So trainierten beispielsweise Mitglieder des „Deutschen Hochleistungskampfkunstverbandes“ (DHKKV), welcher den Saalschutz für die „Nationalistische Front“ und die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ übernahm, in der Kampfsportschule von Bernd Schmitt.4153 Ansprechpartner und Leiter des DHKKV war Bernd Schmitt.4154 Er war eine wichtige Figur, und zwar weniger im ideologischen Sinne als vielmehr in der Schaffung solcher Treffpunktmöglichkeiten.4155 Der Sachverständige Hans-Peter Killguss hat Bernd Schmitt als einen „Angebertypus“ charakterisiert, der auch im Rotlichtmilieu beheimatet und somit nicht nur Neonazi war.4156 Laut dem Sachverständigen Roland Appel erhielt die VP 400 D-Mark Honorar im Monat.4157 Der bis Juni 2001 tätige Leiter des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW hat ausgesagt, dass Bernd Schmitt eine „ganz gute Quelle“ gewesen sei, die nicht auf die Solinger Szene, sondern speziell auf Meinholf Schönborn angesetzt gewesen sei.4158 Er hat auf die Frage, wie aus seiner Sicht der Kontakt mit Bernd Schmitt zu Stande kam, dargelegt: „Der Bernd Schmitt war im Solingen-Prozess auch als Zeuge geladen. Er ist nicht das, was man ihm alles nachgesagt hat, bis dann bei ihm alles kaputt war. Er hatte ein HakPao-Studio, hat da mit den Leuten trainiert. Dann liefen ihm ein paar Rechte da rein, Republikaner und Sonstige noch. Und dann ist der in Solingen zur Polizei und hat sich selbst dargestellt und hat gesagt: Wollt ihr nicht mal da gucken? Dann ist das von der Außenstelle zur Hauptstelle und von der Hauptstelle direkt zu uns gekommen. Das war nämlich ein operativer Ansatz. Der war ein Selbstanbieter, ja? Und den haben wir natürlich eingekauft, und der wurde auch von diesem jungen V-Mann-Führer geführt, und zwar mit großer Sorgfältigkeit […].“4159 Weiter hat er ausgesagt, dass die Festnahme der vier Solinger Brandstifter der Verdienst von Bernd Schmitt gewesen sei: „Jedenfalls war der Bernd Schmitt nicht auf die Solinger Szene angesetzt, kannte aber trotzdem viele von diesen rechten Vögeln, die auch bei ihm trainiert hatten. Und wir hatten das große Glück, innerhalb kürzester Zeit die vier Leute, die ich auch noch in Erinnerung habe […] Und die wurden ja sehr schnell festgenommen. Das war also schon eine 4150 4151 4152 4153 4154 4155 4156 4157 4158 4159 732 Prof. Dr. Funke, APr 16/860 S. 15. Appel, APr 16/815 S. 9. Prof. Dr. Funke, APr 16/860 S. 15. Killguss, APr 16/868 S. 11. Antifaschistische Zeitung NRW, Ausgabe 1, Mai 1993, A15062 S. 115, 142. Killguss, APr 16/868 S. 26. Killguss, APr.16/868 S. 25. Appel, APr 16/815 S. 28. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 11. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 11. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 gute Sache, dass das wenigstens noch gelungen ist, dass man nicht noch weiß Gott wie lange hätte fahnden müssen, und so. Und das beruhte auch auf den Angaben von diesem Bernd Schmitt gegenüber seinem V-Mann-Führer, der damit natürlich ... Sofort ging das über die Kanäle. Und damit waren die also geschnappt.“4160 Diese Aussage deckt sich nicht mit der Erklärung des damaligen Innenministers Schnoor, die dieser am 9. Juni 1994 im Hauptausschuss des Landtags NRW unter Beteiligung der Mitglieder des Ausschusses für Innere Verwaltung und des Rechtsausschusses zur Tätigkeit von Bernd Schmitt für das IM NRW abgab. Die Behauptung, dass die Informationen von Bernd Schmitt wichtig für die Verhaftung der Tatverdächtigen und deren spätere Verurteilungen waren, ist nicht nachweisbar. Innenminister Dr. Schnoor sagte dazu am 9. Juni 1994: „Durch Herrn SCHMITT wurden ca. 20 Personenhinweise gegeben. Unter den Personeninformationen befand sich ein Hinweis auf den Angeklagten [M. G.]. Dieser Hinweis ist dem BKA über das BfV mitgeteilt worden. Zum Zeitpunkt der Informationsübermittlung befand sich [G] jedoch bereits im polizeilichen Verhör. Die Angeklagten R., B. und K. befanden sich nicht unter den mitgeteilten Namen. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die mutmaßlichen Brandstifter hat das BKA keinerlei Hinweise ermittelt, wonach die mutmaßlichen Täter aus dem Umfeld der Sportschule HAK PAO angestiftet worden sind. Dies hat das BKA dem PP Wuppertal am 2.12.1993 mitgeteilt.“4161 Der bis Juni 2001 tätige Leiter des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW hat geäußert, dass der Prozess gegen die Brandstifter für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz eine Belastung war; „drei Jahre hat uns das Ding gekitzelt“. Aber an Bernd Schmitt sei „nichts hängengeblieben“.4162 Der V-Mann-Führer von Bernd Schmitt habe sich im Prozess wegen des Solinger Brandanschlags sehr bewährt, „wo wir wirklich geschwitzt haben in der Sorge, dass der Minister auch schon wackelte. So böse war ja auch die Presseposition.“4163 Die in den Medien geäußerte Kritik an der Führung der VP Bernd Schmitt gründete sich darauf, dass drei der vier Täter des Solinger Brandanschlags bei Bernd Schmitt trainiert hatten, bzw. Mitglieder seines Vereins waren. Der Lebensgefährte der Mutter des vierten Täters war Mitglied beim DHKKV.4164 Die Solinger Täter waren nicht die einzigen Neonazis, die der VMann in Kampfsporttechniken ausbildete, auch Neonazis aus anderen Landesteilen, u. a. aus dem Umfeld der zwischenzeitlich verbotenen NF wurden von Bernd Schmitt ausgebildet. Dies geschah schon vor seiner VP-Tätigkeit. Bernd Schmitt stand in Verdacht, dass sein Verein ein spezielles „kanackenfreies Training“ durchführte, was dieser aber in seiner Vernehmung beim BKA abstritt.4165 Dass bei dem angesprochenen Freitagstraining nur ein geringer Ausländeranteil gewesen sei, erklärte er dem BKA mit der Vermutung, dass „diese Personengruppe, die Ausländer, lieber Ringsportarten machten.“4166 Bei den Freitagstrainings, an dem die Neonazis teilnahmen, sei „Special Forces Combat Karate“ gelehrt worden, was Bernd Schmitt als „überwiegend aus Karatetechniken und einem zusätzlichen Schwer- 4160 4161 4162 4163 4164 4165 4166 Zeuge, nöAPr 16/285 S. 11. Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Innenministers vom 9. Juni 1994, A15307 S. 11. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 11. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 11. Erklärung des Innenministers vom 9. Juni 1994, A15307 S. 17; Zeugenaussage Bernd Schmitt vom 5. Juli 1993, A15063 S. 160 f. Vernehmung des Bernd Schmitt vom 5. Juli 1993, A15063 S. 159. Vernehmung des Bernd Schmitt vom 5. Juli 1993, A15063 S. 159. 733 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 punkt Selbstverteidigung, wie Abwehrtechnikern gegen Stock- oder Messerangriffe“ beschrieb.4167 Aus seiner Aussage ist ersichtlich, dass die VP den Neonazis Kampfsporttechniken lehrte, die sich gut im Straßenkampf anwenden lassen. Dem Aktenbestand ist zu entnehmen, dass seine Kampfsportschule als gute Adresse für Neonazis angesehen wurde. So beklagte sich ein Schreiber in dem Fanzine „Wehr` Dich“ aus Rheda-Wiedenbrück, dass die „deutsche Jugend“ sich nicht in Kampfsport ausbilden lasse, was er aber aufgrund eines Ausländeranteils von 95 Prozent in Vereinen nachvollziehen könne. Aber es müsse doch deutsche Verbände für Deutsche geben. Daraufhin gab der Herausgeber des Fanzines den Hinweis, dass der „Kamerad Schmitt“ einen solchen Sportclub leite.4168 Bernd Schmitt selbst bewarb den DHKKV in einem Flugblatt mit den Worten: „Leider sind die meisten Deutschen zu bequem geworden, sich einem intensiven sportlichen Training zu unterziehen. In den meisten Clubs und Schulen in Deutschland liegt der Ausländeranteil bei über 80% Sollte dies nicht zu denken geben?“4169 Der bis Juni 2001 tätige Leiter des Beschaffungsreferats des Verfassungsschutzes NRW hat auf die Frage nach den Freitagstrainings des DHKKV geantwortet, dass er daran keine Erinnerung mehr habe.4170 Bernd Schmitt trainierte auch Mitglieder der „Nationalistischen Front“ (NF).4171 Seit Januar 1992 ermittelte der GBA gegen Mitglieder der NF wegen des Verdachts der Bildung eines „Nationale Einsatzkommando“ (NEK).4172 Bei einer groß angelegten Hausdurchsuchung am 11. März 1992 in insgesamt 18 Objekten fand die Polizei Schusswaffen, Munition und eine USBV (unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung), Molotow-Cocktails, ein Zielfernrohr und umfangreiches Schriftgut.4173 Bernd Schmitt benutzte für seinen „Deutschen Hochleistungskampfkunstverband“ (DHKKV) dieselben Personalfragebögen wie Meinolf Schönborn für das NEK.4174 Es besteht daher der Verdacht, dass Bernd Schmitt zumindest einen Teil der für das NEK vorgesehenen Neonazis ausbildete. Knapp zwei Jahre nach dem Verbot der NF ermittelte die StA Düsseldorf gegen Bernd Schmitt wegen des Verdachts der Fortführung der verbotenen NF.4175 bb. Wolfgang Frenz Wolfgang Frenz wurde 2003 im Zuge des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens als ehemalige VP des Verfassungsschutzes NRW enttarnt Er machte seine von 1959/1960 bis zur Abschaltung im Jahr 1995 andauernde Tätigkeit4176 selbst öffentlich.4177 Wolfgang Frenz war über viele Jahre Funktionär der NPD, zeitweise amtierte er als stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in NRW. Von ihm verfasste antisemitische Texte waren in der Begründung für ein NPD-Verbot als Belege angeführt worden. Der Zeuge Dr. Fritz Behrens, der damalige Innenminister in NRW, sagte aus, dass das NPD-Verbotsverfahren letztlich daran scheiterte, weil im Vorstand der NPD auf Landesebene und später auch auf Bundesebene 4167 4168 4169 4170 4171 4172 4173 4174 4175 4176 4177 734 Vernehmung des Bernd Schmitt vom 5. Juli 1993, A15063 S. 159. Fanzine „Wehr` Dich“ Nr. 7, Herbst 1992, A15062 S. 86. DHKKV Werbeflugblatt, „Ein Verband stellt sich vor“, A95344. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 26. Vernehmung des Bernd Schmitt vom 5. Juli1993, A15063 S. 169 ff.. Mitteilung des BfV, A15063 S. 46 ff.(VS-nfD). Mitteilung des BKA vom 16. März 1992, A15063 S. 55 f. (VS-nfD); Wöchentliche Information des BfV, 29. Juni bis 6. Juli 1992, A15063 S. 86 (VS-nfD). Vernehmung des Bernd Schmitt vom 30. Juni 1992, A15063 S. 145. Vernehmung des Bernd Schmitt vom 5. Juli 1992, A15063 S.165. Artikel „Wie Wolfgang Frenz die NPD „rettete“. Bekenntnisse eines V-Mannes“ in „Stern“ vom 22. November 2011, A95285. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 17.. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 einige V-Leute des Verfassungsschutzes NRW gesessen haben.4178 Das Bundesverfassungsgericht habe seine Entscheidung, den Verbotsantrag abzulehnen, damit begründet, „dass die NPD maßgeblich von V-Leuten gesteuert worden ist.“4179 In seiner Funktion als Innenminister hatte sich Dr. Behrens bereits 2003 in einer Sitzung des Landtags über die Tätigkeit des enttarnten V-Mannes für den Verfassungsschutz NRW geäußert.4180 b. Dortmund Seit Januar 2007 ermittelte die StA Bielefeld gegen eine Person, die verdächtigt wurde, illegalen Handel mit Kokain zu betreiben.4181 Am 14. August 2007 wurde sie vorläufig festgenommen.4182 Bei einer in diesem Zusammenhang durchgeführten Wohnungsdurchsuchung stellte die Polizei ein umfangreiches Arsenal an Schusswaffen sicher.4183 Im Zusammenhang mit einem Prozess gegen einen wegen eines Raubüberfalls angeklagten Dortmunder Neonazi vor dem Landgericht Dortmund wurde im Sommer 2007 der Öffentlichkeit bekannt, dass es sich bei der oben genannten Person um eine VP des Verfassungsschutzes NRW handelte.4184 Am 10. März 2008 verurteilte das Landgericht Bielefeld die VP wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.4185 Sie stand auch in Verdacht, dem Angeklagten die Tatwaffe besorgt und ihn zu dem Raubüberfall angestiftet zu haben. Das Landgericht Dortmund sprach die VP mit Urteil vom 20. Januar 2009 von dem Vorwurf der versuchten schweren räuberischen Erpressung frei und verurteilte sie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in vier Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 14 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen des Urteils vom 10. März 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten.4186 aa. Straffälligkeit der VP Die spätere VP trat vor ihrer Verpflichtung zwölfmal strafrechtlich in Erscheinung. Unter anderem wurde sie 1997 wegen gemeinschaftlicher gefährlicher und 1998 wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.4187 1999 wurde sie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Gegenstand im Sinne des Waffengesetzes nach Jugendstrafrecht zu einer einjährigen Jugendstrafe verurteilt.4188 Die Strafe wurde zunächst für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Nachdem die Bewährungszeit verlängert worden war, wurde die Strafaussetzung widerrufen.4189 2000 erfolgte wegen eines tätlichen Angriffs auf einen jungen Türken eine richterliche Weisung durch das AG Diepholz.4190 Zwischen Oktober 2003 und September 2004 wurde die spätere VP wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und in der Folge zweimal wegen vorsätzlichen Fahrens 4178 4179 4180 4181 4182 4183 4184 4185 4186 4187 4188 4189 4190 Dr. Behrens, APr 16/1004 S. 48. Dr. Behrens, APr 16/1004 S. 50. Sitzung des Landtags NRW vom 24 Sitzung des Landtags NRW vom 24.01.2002, Plenarprotokoll 13/49 S. 4916 ff. Strafanzeige vom 17. Januar 2007, A25137 S. 11. Urteil des LG Bielefeld vom 10. März 2008, A25139 S. 155. Asservatenliste vom 20. August 2007, A25138 S. 96 f. Presseberichte vom 29.8.2007, A25146, S. 3 f.; Urteil des Landgerichts Dortmund vom 20. Januar 2009, A25124 S. 65. Urteil des LG Bielefeld vom 10. März 2008, A25139 S. 150 ff. Urteil des LG Dortmund vom 20. Januar 2009, A25124 S. 62. Urteil des AG Lünen vom 8. Dezember 2006, A10726 S. 54 (VS-nfD); Psychiatrisches Gutachten vom 8. August 2011, A25131 S. 32. Urteil des AG Lünen vom 8. Dezember 2006, A10726 S. 54 (VS-nfD). Urteil des LG Bielefeld vom 10. März 2008, A25139 S. 154. Gutachten vom 8. August 2011, A25131 S. 32. 735 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ohne Fahrerlaubnis zu Geldstrafen verurteilt. 4191 Im April 2005 untersagte das PP Dortmund der späteren VP die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition.4192 Nach seiner Haftentlassung im Sommer 20064193 wurde er als VP vom Verfassungsschutz NRW angeworben.4194 Der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund gab im März 2004 die Einschätzung ab, dass die spätere VP „sehr gewaltbereit“ sei und Schusswaffen gegen Polizeibeamte einsetzen könnte.4195 Seit Herbst 2005 stand die Beschaffung des Verfassungsschutzes NRW in Kontakt mit der späteren VP.4196 bb. Ermittlungsverfahren gegen die VP wegen Drogenhandels Die VP wurde seit dem 17. Januar 2007 verdächtigt, mit Kokain in nicht geringen Mengen Handel zu treiben. Anlass für die Ermittlungen der Polizei Bielefeld war die Observation eines Drogendeals zwischen der VP und einer Person, gegen welche die Polizei bereits umfangreich wegen des Verdachts des Drogenhandels ermittelte. Im Anschluss an diesen Deal kontrollierte die Polizei den Pkw, in dem sich die VP sowie drei weitere Personen befanden.4197 Aus diesem Grund wurden die von ihr benutzten Telefone seit dem 22. Januar 2007 überwacht.4198 Mit Beginn der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen (TKÜ-Maßnahmen) erfuhren die ermittelnden Beamten, dass die überwachte Person in regelmäßigem Kontakt mit einem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW stand. Zudem hegten sie den Verdacht, dass die überwachte Person am 16. März 2007 durch diesen Mitarbeiter über das laufende Ermittlungsverfahren informiert wurde. Aufgrund der laufenden TKÜ-Maßnahmen konnte die Polizei Gespräche zwischen der VP und ihrem VP-Führer mitschneiden, die eine Straftat einer dritten Person zum Gegenstand hatte. Den TKÜ-Protokollen ist zu entnehmen, dass der VP-Führer der VP um 17:21 Uhr Anweisungen für Verhaltensweisen gab und verlauten ließ, dass er Einfluss auf die Ermittlungshandlungen nehmen wolle.4199 Außerdem wandte sich die VP mit einer SMS an den VP-Führer, um zu erfragen, wie er sich bezüglich des Besitzes verbotener Steroide zu verhalten habe.4200 Am 2. August 2007 begann vor dem LG Dortmund der Prozess gegen die dritte Person. Der Angeklagte wollte sich zuerst nicht zur Sache äußern. Am 14. August 2007 verhaftete das PP Bielefeld schließlich die VP wegen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen in der Zeit vom 14. Januar bis 1. Februar 2007.4201 Das PP Bielefeld 4191 4192 4193 4194 4195 4196 4197 4198 4199 4200 4201 736 Gutachten vom 8. August 2011, A25131 S. 32. Urteil des AG Lünen vom 8. Dezember 2006, A10726, S. 54 (VS-nfD). Urteil des LG Bielefeld vom 10. März 2008, A25139 S. 154. Urteil des LG Dortmund vom 20. Januar 2009, A25124 S. 65. Vermerk des PP Dortmund vom 16. März 2004, A10385 S. 7. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 62. Vermerk des PP Bielefeld vom 17. Januar 2007, A25137 S. 30 f. Vermerk des PP Bielefeld vom 6. Februar 2007, A21515 S. 364. TKÜ-Protokoll vom 3. Februar 2007, A21515 S. 224. SMS, A21515 S. 228. Haftbefehl vom 13. August 2007, A25137 S. 146; Festnahmeanzeige vom 14. August 2007, A25137 S. 148. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 hatte Anhaltspunkte für den Verdacht, dass die VP seit Ende Juli 2007 wieder Kontaktversuche zu ihrem Kokain-Lieferanten unternehme, nachdem dieser Kontakt seit Mitte März2007 ausgeblieben sei und sich der Verdächtige zudem sehr zurückhaltend verhalten habe. Dieses zurückhaltende Verhalten der VP hatte sich die Polizei mit der mutmaßlichen Information über das laufende Ermittlungsverfahren durch den VP-Führer erklärt.4202 Nach der Verhaftung der VP informierte das PP Bielefeld den die Anklage gegen die Person vertretenden Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper, dass das bislang verdeckt geführte Ermittlungsverfahren nun offengelegt werden könne. Gemeinsam wurde zudem ein Gespräch mit der inhaftierten dritten Person geführt, die aber keine Angaben zur Sache machen wollte.4203 Auch die StA Dortmund hatte die Vermutung, dass das Motiv der dritten Person für ihre Straftat in dem fehlgeschlagenen Drogendeal zu finden sein könnte. Um die Ermittlungen des PP Bielefeld nicht zu gefährden, wurde von einer Einbeziehung der Verfahrensakten zunächst abgesehen. Nach der Verhaftung der VP gab die StA Bielefeld die Aktenteile frei, die für das Verfahren gegen die dritte Person von Bedeutung waren. Die Akten wurden am 20. August 2007 dem LG Dortmund übergeben, am 21. August 2007 erhielt der Verteidiger der dritten Person antragsgemäß Einsicht in diese Akten. Am 22. August 2007 legte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ab, bei dem er die VP belastete.4204 Die dritte Person sagte vor Gericht zur Rolle der VP aus: „Die Tat sei vorher nicht geplant gewesen. Er habe sich vielmehr erst eine halbe Stunde vorher mit dem Bekannten, von dem er jetzt wisse, dass er für das Innenministerium gearbeitet habe, in der Wohnung getroffen. Von diesem Bekannten habe er eine Waffe in die Hand gedrückt bekommen, [die er anschließend für die Begehung seiner Tat verwendet habe] […] Auf weitere Nachfragen hat der Angeklagte sich dann ergänzend dahingehend eingelassen, dass es sich bei dem Bekannten, der für das Innenministerium gearbeitet habe, um den Zeugen […] handele, er diesen seit 10 Jahren kenne, und sie bis vor einer halben Stunde – bezogen auf den Zeitpunkt seiner Einlassung in der Hauptverhandlung – noch Freunde gewesen seien.“4205 In einem Schreiben an das JM NRW berichtete die StA Dortmund, dass der Verfassungsschutz NRW am 21. August 2007 Kontakt mit der StA aufgenommen habe und am Nachmittag ein Gespräch mit dem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW LKS S. geführt worden ist. In diesem Gespräch habe LKD S. die StA Dortmund über die Tätigkeit der VP als Vertrauensperson des Verfassungsschutzes informiert, die man im Falle einer Enttarnung für gefährdet hielt. Ziel des Gespräches sei es gewesen, in Erfahrung zu bringen, „ob die Telekommunikationsprotokolle zwischen […] und dem Innenministerium noch für eine ‚vorrübergehende Zeit aus dem Dortmunder Verfahren heraus gehalten werden könnten, bis Schutzmaßnahmen für […] getroffen seien. Nachdem der Berichtsverfasser erklärt hatte dies sei unmöglich, weil die Protokolle zur Akteneinsicht bereits an die Kammer und die Verteidigung übergeben worden seien, erklärte einer der beiden Besucher, dass dann wohl nichts mehr zu machen sei. In Bezug auf den ergänzenden Wunsch der Mitarbeiter des Innenministeriums, die Kontakte [der VP] zum Verfassungsschutz möglichst nicht in der öffentlichen Hauptverhandlung zu erörtern, wurde darauf hingewiesen, dass nach den Grundsätzen der Aktenführung der Strafprozessordnung eine derartige Einführung unerlässlich sei.“4206 4202 4203 4204 4205 4206 Vermerk des PP Bielefeld vom 6. August 2007, A25137 S. 133. Vermerk des PP Bielefeld vom 17. August 2007, A25137 S. 198 ff. Bericht des LOStA Dortmund vom 30. August 2007, A20143 S. 6 ff. Urteil des LG Dortmund vom 27. August 2007, A25138 S. 235 ff. Bericht der LOStA´in Dortmund vom 30. August 2007, A20143 S. 7. 737 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Dr. Heiko Artkämper hat nach Vorhalt des Schreibens, das ihn als Verfasser ausweist, ausgesagt: „Ich habe mit – ob es Herr [S.] war, weiß ich nicht, habe ich keine Erinnerung – jemanden dort gesprochen, und ich weiß, dass es darum ging, zu diesem Zeitpunkt entsprechend die Akten, wenn es geht, rauszuhalten. Wobei ich ihm sagte: Das funktioniert nicht, weil das ansonsten den Bach runtergeht.“4207 Weiter hat der Zeuge Dr. Heiko Artkämper angegeben, dass er keine weitere Erinnerung an ein solches Gespräch habe.4208 Auch gegenüber der StA Bielefeld gab es einen Kontaktversuch seitens des Verfassungsschutzes NRW. In diesem Fall aber offenbar vermittelt über einen leitenden Beamten des PP Bielefeld, der die StA Bielefeld um ein Gespräch bat. Dies geht aus einem Bericht der StA Bielefeld an das JM NRW hervor. Danach kontaktierte ein Vertreter der StA Bielefeld am 15. August 2007 den leitenden Beamten des PP Bielefeld, der erklärt habe: „der Leitungsebene des Verfassungsschutzes gehe es in dem BtM-Verfahren darum, Eindeutigkeit herzustellen. Es gehe konkret darum, ob im Rahmen dieses Verfahrens TÜ-Protokolle, die Verbindungen zur rechten Szene belegten, offengelegt würden. Es bestehe ein erhöhtes Interesse des Ministeriums an der Klärung. Einzelheiten sollten nicht ohne Not offenbart werden, und zwar auch nicht in einem bei dem Landgericht Dortmund anhängigen Strafverfahren.“4209 Weiter hieß es in dem Schreiben, der Gesprächspartner der StA Bielefeld habe eine Prüfung zugesagt, „aber deutlich gemacht, dass Aktenmanipulationen ausgeschlossen seien.“4210 Die StA Bielefeld signalisierte, dass sie für ein Telefonat mit dem Verfassungsschutz NRW zur Verfügung stünde. Gespräche mit Mitarbeitern des Verfassungsschutzes NRW hätten aber bis zum 7. September 2007 nicht stattgefunden.4211 Am 10. März 2008 verurteilte das LG Bielefeld die VP wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und, da in der Wohnung des Angeklagten Schusswaffen sichergestellt wurden, die dieser nicht besitzen durfte4212, auch wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.4213 Obwohl in der Anklageschrift zahlreiche Zeugen benannt wurden, wurde während der drei Hauptverhandlungstage keiner dieser Zeugen vernommen. Grund hierfür war, dass der Verteidiger der VP direkt nach Verlesung der Anklageschrift am 1. Tag der Hauptverhandlung um eine Unterbrechung bat, in der ein Rechtsgespräch stattfand. Nach der Unterbrechung beantragte die Verteidigung, für den Fall eines Geständnisses nach Anklage die Höchststrafe festzulegen. Nach weiteren Unterbrechungen verlas die Verteidigung eine Erklärung zur Sache für den Angeklagten.4214 An den folgenden beiden Verhandlungstagen wurden lediglich schriftliche Dokumente verlesen.4215 Von dem Verzicht der Vernehmung von Zeugen profitierte der Verfassungsschutz NRW, da so die VP-Tätigkeit des Angeklagten nicht näher thematisiert wurde. 4207 4208 4209 4210 4211 4212 4213 4214 4215 738 Dr. Artkämper, APr. 16/1126 S. 55. Dr. Artkämper, APr. 16/1126 S. 57. Bericht der LOStA´in Dortmund vom 7. September 2007, A20143 S. 58. Bericht der LOStA´in Dortmund vom 7. September 2007, A20143 S. 58. Bericht der LOStA´in Dortmund vom 7. September 2007, A20143 S. 58. Asservatenliste vom 20. August 2007, A25138 S. 96 f. Urteil des LG Bielefeld vom 10. März 2008, A25139 S. 150 ff. Protokoll der Hauptverhandlung vom 11. Februar 2008, A25140 S. 4 ff. Protokoll der Hauptverhandlung vom 3. März 2008, A25140 S. 7 ff.; Protokoll der Hauptverhandlung vom 10. März 2008, A25140 S. 9 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 cc. Ermittlungsverfahren gegen den VP-Führer 2007 ermittelte die Polizei Bielefeld gegen die VP weil sie verdächtigt wurde, mit Kokain in nicht geringen Mengen Handel zu treiben.4216 Im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung der VP ergaben sich Anhaltspunkte, dass der Verdächtige regelmäßig mit einer Kontaktperson aus dem IM NRW telefonierte. Aus den Erkenntnissen der Telekommunikationsüberwachung erwuchs der Verdacht, dass ein VPFührer die VP über die noch nicht abgeschlossenen Strafverfolgungsmaßnahmen gegen die VP und den Verfahrensgegenstand informiert.4217 Am 22. März 2007 wurde deshalb ein Verfahren gegen Unbekannt bei der StA Bielefeld wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen und versuchter Strafvereitelung eingeleitet.4218 Das PP Bielefeld hielt in einem Vermerk fest: „Am Freitag, den 16.03.2007 um 15:58 Uhr erhielt [VP] von seinem Kontaktmann eine Kurzmitteilung mit dem Text ‚Wir sehen uns am Dienstag nach der Arbeit wie bisher!‘ über den oben genannten Anschluss. Diese Kurzmitteilung wurde zunächst als unverfänglich eingestuft, da es gerade dienstags aufgrund der Erkenntnisse aus der TKÜ schon mehrfach zu Treffen zwischen [VP] und [VP-Führer] gekommen war. Am selben Tag, nur 22 Minuten später, um 16:20 Uhr, rief der Kontaktmann von seinem o.g. Anschluss auf den überwachten Anschluss des [VP] an und forderte diesen auf, umgehend eine Telefonzelle aufzusuchen und ihn daraus anzurufen. Der Kontaktmann wiederholte in diesem Gespräch, dass [VP] ihn nur aus einer Telefonzelle anrufen solle. [VP] bestätigte diese Aufforderung mit ‚ja‘. […] Der Umstand, dass nun mehr eine Telefonzelle aufgesucht werden sollte, begründet den Verdacht, dass dem Kontaktmann vermutlich zwischen 15:58 Uhr und 16:20 Uhr hiesige polizeiliche Maßnahmen gegen [VP] bekannt geworden waren und er aus diesem Grund auf die Nutzung einer Telefonzelle für ein Gespräch mit ihm beharrte. In diesem dann folgenden nicht aufgezeichneten Telefonat dürfte er [VP] über die gegen ihn gerichtete Telefonüberwachung und die Ermittlungen der Polizei Bielefeld unterrichtet haben. Die Aufforderung eine Telefonzelle zu nutzen, dürfte ausschließlich das Ziel gehabt haben, den Gesprächsinhalt zwischen ihm und [VP] einer polizeilichen Überwachung zu entziehen. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass [VP] noch am selben Tag um 20:52 Uhr und 20:55 Uhr jeweils in einem Telefongespräch mit [A.S.] mitteilte, dass er die Bullen am Hals habe, aber so richtig". Aus diesem Grund wollte [VP] zukünftig nicht mehr nach Bielefeld zu [A.S.] kommen. Außerdem teilt [VP] seinem Gesprächspartner noch mit, dass die Polizei Bielefeld gegen ihn ermittelt, das Ermittlungsverfahren seinen Ursprung in Bielefeld habe und „er mit jemandem in Bielefeld etwas dreht.“ […] Das nächste Telefongespräch mit [VP-Führer] erfolgte am 17.03,2007 um 21:07 Uhr, wobei der Anruf bei [VP] als eingehend verzeichnet ist. Dem Gespräch ist zu entnehmen, dass [VP] zuvor Kontakt zu [VP-Führer] über einen hier nicht überwachten Anschluss hatte. Auffällig ist, dass der Kontaktmann sich sehr kurz hielt und knapp fragte, was es gibt. [VP] war erstaunt, dass er überhaupt auf diesem Telefonanschluss von [VP-Führer] erfolgte angerufen wird. Im Gespräch kamen schließlich beide überein, zur Fortsetzung des Telefonats eine andere Telefonleitung zu nutzen.“4219 4216 4217 4218 4219 Vermerk des PP Bielefeld vom 6. Februar 2007, A21515 S. 364. Bericht der StA Bielefeld vom 29. August 2007, A20143 S. 3. Bericht der StA Bielefeld vom 7. September 2007, A20143 S. 56. Bericht des PP Bielefeld vom 11. Mai 2007, A21511 S. 23 ff. 739 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die zur Strafverfolgung der Verletzung des Dienstgeheimnisses erforderliche Genehmigung der obersten Landesbehörde gemäß § 353b Absatz 4 Satz 1 StGB wurde durch das IM NRW nicht erteilt.4220 Dementsprechend teilte das IM NRW der StA auch nicht die Personalien des VP-Führers mit. Wegen der versuchten Strafvereitelung ergaben die Ermittlungen keinen hinreichenden Tatverdacht, da das IM NRW der VP keine Aussagegenehmigung erteilte und diese mit Verweis auf ihre Verpflichtung als VP keine Angaben machte. Weitere Beweismittel standen nicht zur Verfügung.4221 Begründet wurde die ablehnende Haltung des IM NRW zur Erteilung einer Aussagegenehmigung mit dem Wohl des Landes NRW, wonach die Genehmigung diesem Nachteile bereiten und die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben ernstlich gefährden bzw. erschweren würde.4222 Die sich in den Akten befindlichen Gründe hierfür konnten von der StA Bielefeld aufgrund deren Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht für das Verfahren eingesehen werden.4223 Mit Verfügung vom 17. März 2008 stellte die StA Bielefeld das Verfahren gegen Unbekannt deswegen ein.4224 Ausweislich eines Vermerks des JM NRW, teilte der damalige Gruppenleiter beim Verfassungsschutz NRW, der Zeuge Burkhard Freier, nach einem Gespräch mit der StA Bielefeld dem JM NRW im September 2007 mit, dass er entschieden habe, keine Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den VP-Führer zu erteilen.4225 Diese Entscheidung wurde den betroffenen Justizbehörden rund einen Monat später in einem offiziellen Schreiben des IM NRW mitgeteilt.4226 Auf die Frage, ob es einen „V-Mann-Führer-Schutz“ vor Strafverfolgung gebe, gerade auch vor dem Hintergrund des Falles dieser VP, hat der Zeuge Burkhard Freier geantwortet: „Nein. Es gibt ihn nicht.“4227 Und weiter: „Also, wenn er eine Straftat begeht, dann ist er nicht geschützt, weil er V-Mann Führer ist, sondern das Strafverfahren wird ganz normal durchgeführt. In diesem konkreten Fall ist das so, dass ein Strafverfahren ja auch sogar eingeleitet worden ist, aber derjenige, der ... Straftatbestand zu verwirklichen, war das Verrat eines Dienstgeheimnisses. Dazu muss der Dienstherr sagen: ‚Ja, ich finde, ein Dienstgeheimnis ist verraten‘, und muss dann seine Zustimmung geben. Das haben wir damals nicht getan. Das Innenministerium hat es in diesem speziellen Fall nicht getan, und zwar nicht einfach so, sondern wir haben den Sachverhalt abgewogen. Das ist quasi … Die Entscheidung, die man trifft, ist eine Abwägung: Gibt es Hinweise auf eine Straftat? – Die gab es aus unserer Sicht nicht; kann man auch erklären. Und gleichzeitig gab es kein Interesse des Staates, dass hier ein Dienstgeheimnis verraten worden ist. Und deswegen ist das Verfahren nicht eingeleitet worden. Und nach allen Ermittlungen, die durchgeführt worden sind, hat der V-Mann-Führer kein Dienstgeheimnis verraten. Er hat die Quelle nicht gewarnt vor einem Strafverfahren, und zwar konnte er das in dem Moment gar nicht, weil er in dem Moment, als er die Äußerung getan hat, gar nicht wusste, dass ein Verfahren eingeleitet ist, weil die Staatsschutzdienststelle zu diesem Verfahren den Verfassungsschutz nicht unterrichtet hat. Zu Recht, war gar nicht notwendig, weil die gar nicht wussten, dass es eine Quelle ist. Von 4220 4221 4222 4223 4224 4225 4226 4227 740 Vermerk des JM NRW vom 3. April 2008, A20144 S. 114. Vermerk des JM NRW vom 3. April 2008, A20144 S. 114. Bericht der StA Bielefeld vom 18. März 2008, A20144 S. 110. Bericht der StA Bielefeld vom 18. März 2008, A20144 S. 110. Bericht der StA Bielefeld vom 18. März 2008, A20144 S. 109. Vermerk des JM NRW vom 19.10.2007, A20143 S. 190. Schreiben des IM NRW vom 16. November 2007, A20143 S. 232. Freier, APr 16/1349 S. 63. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 daher konnte der V-Mann-Führer keine Straftat begehen; denn er wusste nichts von einer Strafverfolgung.“4228 Gegen die Aussage des Zeugen Burkhard Freier, der VP-Führer habe nichts von einem Ermittlungsverfahren gegen die VP gewusst, sprechen die vom PP Bielefeld dokumentierten Indizien. Zudem vermerkte ein Mitarbeiter des JM NRW, dass er wenige Tage nach der turnusgemäßen Besprechung der IGR Land am 14. März 2007 die Mitteilung erhalten habe, er solle dringend bis 11:00 Uhr einen Herrn S. (phonetisch) vom Verfassungsschutz anrufen. Im Telefongespräch habe ihm Herr S. dann mitgeteilt: „eine VP in Bielefeld benötige dringend ‚Zeugenschutz‘, weil sie in ein Rauschgiftverfahren hineingeraten sei. Er benötige Informationen über mögliche Ansprechpartner bei der StA Bielefeld, möglichst auf Abteilungsleiterebene. Näheres zu dem angesprochenen Verfahren ist weder mitgeteilt noch erfragt worden.“4229 Aus dieser Kontaktaufnahme des Verfassungsschutzes NRW mit dem JM NRW kann geschlossen werden, dass der Verfassungsschutz NRW über das Ermittlungsverfahren gegen die VP informiert war, bevor das verdächtige Telefongespräch mit der VP stattfand. Am 16. März gegen 16.20 Uhr schnitt die das PP Bielfeld das Telefongespräch zwischen der VP und dem VP-Führer mit, das Anlass des Verdachts des Verrats eines Dienstgeheimnisses war.4230 Weiter hieß es in dem bereits zitierten Vermerk aus dem JM NRW, dem Verfassungsschutzmitarbeiter seien daraufhin die Namen von Staatsanwälten aus der BtM- und OK-Abteilung mitgeteilt worden. Der Mitarbeiter des JM NRW notierte weiter, an der Reaktion des Herrn S. ließe sich entnehmen, dass dieser offenbar beabsichtige, noch am selben Tag nach Bielefeld zu reisen.4231 Einem Bericht der StA Bielefeld an das JM NRW ist zu entnehmen, dass einer der genannten Staatsanwälte angab, im Frühjahr 2007 von einem Mitarbeiter des Verfassungsschutz aufgesucht worden zu sein, wobei er den Eindruck gewonnen habe, dass er ausgeforscht werden sollte. Das genaue Datum dieses Treffens wurde nicht notiert.4232 Am 20. September 2007 versuchte der Verfassungsschutz NRW einen Besuchstermin bei der inhaftierten VP zu erhalten. Zu diesem Zweck wandte sich der Zeuge Burkhard Freier, damaliger Gruppenleiter, an das JM NRW. Dieses informierte die GStA in Hamm, dass der Verfassungsschutz NRW einen Antrag stellen werde. Zugleich wurde einem Vertreter des Zeugen Burkhard Freier mitgeteilt, dass das JM NRW nicht in die Unabhängigkeit der zuständigen StA eingreife und zurzeit keine Veranlassung zu einer Bewertung durch das JM sehe. Weiter hieß es in dem Vermerk, der Verfassungsschutzvertreter habe insistiert und mitgeteilt, der Besuch diene lediglich dazu, die „Nachsorge“ der VP durch den Verfassungsschutz nach der Haftentlassung anzukündigen und sie davon zu überzeugen, der „Frankfurter Rundschau“ kein Interview zu geben.4233 Der Vertreter des JM NRW hielt als seine eigene – als persönliche Auffassung gekennzeichnete – Antwort fest, er habe sodann: 4228 4229 4230 4231 4232 4233 Freier, APr 16/1349 S. 64. Vermerk vom 11. September 2007, A20143 S. 106. Vermerk des PP Bielefeld vom 11. Mai 2007, A21511 S. 24. Vermerk des JM NRW vom 11. September 2007, A20143 S. 106 f. Bericht des LOStA Bielefeld vom 7. September 2007, A20143 S. 57. Vermerk des JM NRW vom 21. September 2007, A20143 S. 176 f. 741 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „mit Nachdruck darauf hingewiesen, welchen Eindruck ein Besuch des Verfassungsschutzes in der Haft im parlamentarischen Raum und in den Medien erwecken würde, zumal es sich bei […] ersichtlich um das zentrale Beweismittel in dem UJS-Verfahren gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes handele.“4234 In dem Vermerk ist abschließend festgehalten, dass sich der Verfassungsschutz noch mal intern beraten wolle, ob ein Besuch der VP in der Haft sinnvoll sei.4235 dd. Betreuung nach der Abschaltung Trotz der erheblichen Probleme in der Führung der VP setzte sich der Verfassungsschutz NRW auch nach der Abschaltung für ihre ehemalige VP ein und betreute sie über mehrere Jahre. So vermerkte eine Richterin am Landgericht Bielefeld am 11. Mai 2011, dass sich bei ihr zwei Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW gemeldet und um einen Gesprächstermin gebeten hätten. Bei diesem Gespräch teilten sie ausweislich des Vermerks mit: „Herr […] teilte mit, das Aussteigerprogramm betreue einen Strafgefangenen, Herrn (…), […] und bei dem demnächst der Zwei-Drittel-Termin anstehe. (…) Herr (…) sei im ‚Aussteigerprogramm Rechtsextremismus‘, das vom Verfassungsschutz NRW geführt werde. Herr (…) sei V-Mann für den Verfassungsschutz gewesen, […] und habe nach seiner Anwerbung mehrere Jahre für den Verfassungsschutz gearbeitet. Er selbst sei nicht als wirklich Rechtsextremer einzuordnen, habe sich aber eben […] in der Szene bewegt. Schließlich sei seine Tätigkeit als V-Mann jedoch bekannt geworden, was eigentlich nicht habe passieren sollen. Auch aus diesem Grund solle er jetzt durch das Aussteigerprogramm, dessen Zielgruppe eigentlich nicht ehemalige V-Leute seien, unterstützt werden.“4236 Auf welcher Grundlage die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW zur Einschätzung gelangten, die ehemalige VP „sei nicht als wirklich Rechtsextremer einzuordnen“, ist nicht bekannt. Dem Vermerk ist zu entnehmen, dass sich die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW erkundigten, ob die ehemalige VP frühzeitig entlassen werden könne. So notierte die Richterin: „Auf Nachfrage der Unterzeichnerin wurde mitgeteilt, die Delikte wegen derer Herr (…) inhaftiert sei, hätten keinen Zusammenhang zu der V-Mann-Tätigkeit gehabt. Es sei richtig, dass die Begleitung durch das Aussteigerprogramm nicht vom Zeitpunkt der Entlassung abhänge, davon hänge ab, inwiefern jetzt bestimmte Dinge (beispielsweise der Studienplatz zum Wintersemester) zu organisieren wären. Ebenfalls auf entsprechende Nachfrage, wurde angegeben, es bestünden keinerlei Bedenken und es sei kein Problem die oben benannten Umstände seitens der StVK aktenkundig zu machen - aus der Akte ergebe sich wohl sowieso die frühere V-Mann-Tätigkeit, im Übrigen sei das Aussteigerprogramm auch nicht geheim. Mit der StA Dortmund habe es bereits telefonischen Kontakt gegeben. Falls es zu einer bedingten Entlassung kommen sollte, sei eine Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe kein Problem, ebenso wenig die Mitteilung der genannten Umstände an einen Sachverständigen, sollte ein Prognosegutachten einzuholen sein.“4237 Am 17. September 2011 lehnte das LG Bielefeld eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe ab. Die ehemalige VP hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits den 4234 4235 4236 4237 742 Vermerk des JM NRW vom 21. September 2007, A20143 S. 177. Vermerk des JM NRW vom 21. September 2007, A20143 S. 177. Vermerk des LG Bielefeld vom 11. Mai 2011, A25130 S. 132. Vermerk des LG Bielefeld vom 11. Mai 2011, A25130 S. 132. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Status des Freigängers im offenen Vollzug.4238 Am 24. Mai 2012 beantragte die StA Dortmund, dass die ehemalige VP noch einmal begutachtet werde, woraufhin am 7. Juli 2012 ein kriminalprognostisches psychiatrisches Gutachten gemäß § 454 Absatz 2 Nummer 2 StPO erstellt wurde.4239 In diesem Gutachten wurde festgehalten, dass der Verfassungsschutz NRW allem Anschein nach bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens der ehemaligen VP das Angebot gemacht habe, „bei einem Neuanfang an einem beliebigen Ort in Deutschland unterstützt zu werden, was auch einen neuen Namen mit einschließen würde“.4240 Ein Tag vor seiner erneuten Anhörung meldete sich ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW und teilte der zuständigen Richterin am LG Bielefeld mit, dass die ehemalige VP weiterhin im Aussteigerprogramm sei und im Falle einer Haftentlassung alle vier Wochen, zu Anfang auch zweiwöchentlich begleitet werde. Zudem habe sie eine Festanstellung in Aussicht.4241 Am 2. August 2012 fasste das Landgericht Bielefeld den Beschluss, dass der Verurteilte nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln seiner Freiheitsstrafe alsbald aus der Strafhaft entlassen und der Rest der Strafe auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Zugleich erteilte das Gericht die Weisung, dass der Verurteilte während der gesamten Bewährungszeit im Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes NRW bleibt und sich mit dessen Mitarbeitern regelmäßig besprechen muss.4242 Nach eigener Aussage vom 8. August 2013 gegenüber dem Ambulanten Sozialen Dienst ist der Kontakt der ehemaligen VP zum Verfassungsschutz NRW wieder intensiver geworden, seitdem die Möglichkeit bestand, dass sie als möglicher Zeuge im NSU-Prozess in München geladen werden könnte.4243 Noch im Februar 2015 teilte die ehemalige VP dem Ambulanten Justizsozialdienst mit, dass sie weiterhin telefonischen und gelegentlichen persönlichen Kontakt zum Verfassungsschutz NRW halte.4244 Aus den vorliegenden Schreiben ist ersichtlich, dass die ehemalige VP auch im Untersuchungszeitraum des Ausschusses weiterhin in Kontakt mit dem Verfassungsschutz NRW stand.4245 ee. Kritische Würdigung Die Anwerbung und Führung der VP ist als hochproblematisch und nicht durch die damals geltenden Dienstanweisungen gedeckt zu bewerten. Vor ihrer Verpflichtung war die VP erheblich vorbestraft. Zwar befand sich darunter keine Verurteilung wegen eines Verbrechens, aber eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und eine weitere Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Die große Anzahl an Verurteilungen hätte dazu führen müssen, von der Verpflichtung einer Person mit einer derartigen kriminellen Karriere Abstand zu nehmen. Darüber hinaus hatte der Staatsschutz der PP Dortmund zuvor vor der Gewaltbereitschaft der späteren VP gewarnt und eine Einschätzung ihrer Persönlichkeit formuliert, die einer Eignung für die Arbeit als VP entgegenstand. Während des Zeitraums, in welchem die VP vom Verfassungsschutz angeworben und geführt wurde, war der Zeuge Dr. Hartwig Möller Leiter des Verfassungsschutzes NRW. Dieser sagte aus, dass aus seiner Sicht Ausschlusskriterien für eine Anwerbung einer VP und auch 4238 4239 4240 4241 4242 4243 4244 4245 Gutachten vom 7. Juli 2012, A25130 S. 212. Gutachten vom 7. Juli 2012, A25130 S. 215 f. Gutachten vom 7. Juli 2012, A25130 S. 206. Vermerk des LG Bielefeld vom 2. August 2012, A25130 S. 257. Beschluss des LG Bielefeld vom 2. August 2012. A25130 S. 262 f. Schreiben des Ambulanten Sozialen Dienstes vom 8. August 2013, A25151 S. 116. Schreiben des Ambulanten Sozialen Dienstes vom 5. Februar 2015, A25151 S. 131. Schreiben des Ambulanten Sozialen Dienstes vom 29. Februar 2016, A25151 S. 134. 743 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Weiterführung einer bereits angeworbenen VP deren Affinität zu Waffen, ein Hang zu Gewalttaten und bestimmte Vorstrafen waren.4246 Demnach war eine Verpflichtung der VP nicht angezeigt. Auf den Umgang mit Vertrauenspersonen angesprochen, die Betäubungsmitteldelikte begangen haben, erläuterte der Zeuge Dr. Hartwig Möller, dass ihm derartige Fälle nicht bekannt seien, es sich seiner Ansicht nach aber um Grenzfälle handele, es somit auf den Handel, die Art der Betäubungsmittel und deren Menge ankomme.4247 Obwohl es an einem eindeutigen rechtlichen Rahmen fehlte, war die Brisanz einer straffälligen VP somit zumindest an der Spitze des Verfassungsschutzes NRW bekannt. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den VP-Führer wegen des Verdachts des Verrats eines Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung wurden durch das Innenministerium blockiert, da zum einen die für die Verfolgung des Straftatbestands des Verrats eines Dienstgeheimnisses notwendige Ermächtigungsgrundlage für Ermittlungen nicht erteilt wurde und zum anderen dem Hauptzeugen, der VP selbst, keine Aussagegenehmigung erteilt wurde. c. Köln In Köln war seit 1989 Johann Helfer als VP für den Verfassungsschutz NRW tätig. aa. Werdegang und Aktivitäten Johann Helfer wurde 1985 wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verurteilt.4248 Er war seit 1998 Mitglied der „Kameradschaft Köln“ und seit dessen Gründung im „Kampfbund Deutscher Sozialisten“. Er erbrachte in der Kölner Kameradschaftsszene Unterstützungsleistungen, indem er u.a. das Email-Postfach betreute.4249 Daneben übernahm er die Pflege des Verteilers der Kameradschaft.4250 Johann Helfer wurde vom Ausschuss in einer nach § 9 Absatz 5 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags NRW eingestuften Sitzung als Zeuge vernommen. Zu seinem „Werdegang“ hat er angegeben, sich im Alter von 14 Jahren zunächst linksradikalisiert zu haben. Nachdem er aufgrund seiner Anarcho-Aktivitäten verhaftet worden sei und darauf seine Ausbildungsstelle verloren habe, habe er seinen Grundwehrdienst geleistet und sich nach seiner Bundeswehrzeit im Heimatschutzbund weiter militärisch betätigt. Ende der 1980er Jahre sei er Mitglied der NF geworden und über diese zur FAP gekommen. Drei Jahre nach deren Verbot habe er sich der von Axel Reitz gegründeten „Kameradschaft Köln“ angeschlossen, an deren Gründungsveranstaltung er bereits teilgenommen habe.4251 In der „Kameradschaft Köln“ habe er als Stellvertreter des Axel Reitz fungiert.4252 Axel Reitz habe über den KDS Kontakte nach Thüringen zu Thomas Gerlach gehabt und habe gelegentlich an Demonstrationen in Thüringen teilgenommen.4253 4246 4247 4248 4249 4250 4251 4252 4253 744 Dr. Möller, APr 16/1263 S. 107. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 135. Vermerk des BKA vom 29. Februar 2012, A15341 S. 113. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 21 f. Vermerk vom 4. November 2011, A15342 S. 2161 ff. (VS-nfD). Helfer, geh. 16/1 S. 6 ff., 95 (herabgestuft). Helfer, geh. 16/1 S. 13 (herabgestuft). Helfer, geh. 16/1 S. 24 (herabgestuft). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zum besonderen Wert der Tätigkeit des Johann Helfer für den Verfassungsschutz hat der Zeuge Burkhard Schnieder ausgeführt: „Sie können sich ja selber noch mal ein Bild von ihm machen, von seiner Person – ein durch und durch bürgerlicher Mensch eigentlich. […] Ich kann auch noch mal sagen, dass die Informationen von Johann Helfer von hoher Bedeutung waren und dann für das Verbot der ‚Kameradschaft Walter Spangenberg‘ zusammengetragen wurden. Da sind viele Informationen dann auch in die Verbotsverfügung eingeflossen. Von daher war das also auch eine wertvolle, eine wertige Quelle.“4254 Zur Bewertung hat er weiter ausgeführt: „Aber nach alledem, was in den Akten steht, hieß es immer wieder: Er macht einen guten Job. Er ist eigentlich total bürgerlich. Er ist kein Extremist, sondern er macht das ein bisschen aus Abenteuerlust und will sich etwas dazuverdienen, aber er macht es nicht, weil er ein überzeugter Extremist ist und jetzt irgendwie versucht, die Gelder für Zwecke der Organisation zu vereinnahmen. […] Ich habe jetzt im Nachhinein auch einmal persönlich mit ihm gesprochen und wollte auch einmal wissen, was das für einen Mensch ist. Ich habe mir einen Eindruck verschafft und habe auch den Eindruck gewonnen, dass das eigentlich ein ganz normaler Bürger ist, der etwas abenteuerlustig ist.“4255 Nach Einschätzung des Zeugen Burkhard Schnieder habe Johann Helfer eine Art „Doppelleben“ geführt, da seine VP-Führer ihn als „Nicht-Extremisten“ bezeichnet hätten.4256 Auch die Zeugin Mathilde Koller hat ihn als „Nicht-Extremisten“ beschrieben, der nur im Auftrag des Verfassungsschutzes die Szene ausgeforscht habe. Dies hätten ihr die Mitarbeiter, welche die VP führten, versichert.4257 Die Zeugin Mathilde Koller hat auf die Frage, ob sie wüsste, dass die VP in den 1980er Jahren Kontakte in militante Szenen gehabt habe, angegeben, dass sie bei ihrem Dienstbeginn als Abteilungsleiterin im Jahr 2009 „diese Person vorgefunden“ habe und in dem Moment, in dem sie sich im Zusammenhang mit der Phantombildvorlage mit der Person befasst habe, habe sie die Konsequenzen gezogen, indem die VP abgeschaltet worden sei.4258 Am 1. Juli 2013 teilte der GBA dem MIK als Antwort auf ein Schreiben vom 19. Juni 2013 mit, dass der Hinweis auf Johann Helfer durch das BKA abgeklärt worden ist und sich Hinweise auf eine Täterschaft dieser Person am Anschlag in der Probsteigasse nicht ergeben haben.4259 Die Entstehung und der Umgang mit der Spur „Johann Helfer“ sind im Kapitel zum Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse dargestellt. bb. Führungsfunktion Problematisch an Johann Helfer als VP ist seine Führungsfunktion in der rechten Szene. Nach Erkenntnissen des Ausschusses fungierte er seit der Gründung der „Kameradschaft Köln“ als Stellvertreter des Kameradschaftsführers Axel Reitz und übernahm eingenommen während dessen Inhaftierung dessen Führungsfunktion.4260 Insoweit stellt sich bereits die 4254 4255 4256 4257 4258 4259 4260 Schnieder, nöAPr 16/160 S. 7. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 16. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 19. Koller, APr 16/960 S. 27. Koller, APr 16/960 S. 26 f. Schreiben des GBA vom 1. Juli 2013, A13385 S. 12 (VS-nfD). Zweiter Teil A. I. 4. b. cc. (2). 745 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Frage der Vereinbarkeit mit den zwischen 1999 und 2014 geltenden Dienstanweisungen, welche unter Nr. 11 aufführten, dass die VP weder die Zielsetzung noch die Tätigkeit des Beobachtungsobjektes entscheidend bestimmen durfte.4261 Es bleibt jedoch offen, inwieweit die Kameradschaft zu dieser Zeit fortbestanden hätte, wenn Johann Helfer nicht zum einen den Kontakt zu Axel Reitz gehalten hätte und sich zum anderen um Leitung der Treffen, die Sammlung der Monatsbeiträge und die Betreuung des E-Mail Postfachs gekümmert hätte. Auch nachdem Axel Reitz aus der Haft entlassen wurde, war die Bedeutung von Johann Helfer unter anderem daran zu erkennen, dass dieser bei verschiedenen Treffen die Eröffnungsreden hielt.4262 Wenn die VP auch weniger repräsentative Funktionen ausübte, schien sie doch eine wichtige Rolle innerhalb der Kameradschaft eingenommen zu haben. In jedem Fall überschritt Johann Helfer mit seinen Handlungen die durch die Dienstanweisung definierte Grenze. III. Austausch mit anderen Behörden über VP 1. Austausch zwischen dem Verfassungsschutz NRW und den Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes der nordrhein-westfälischen Polizei und der Staatsschutzabteilung des LKA NRW a. Feststellungen Gesetzlich ist der Informationsaustausch zwischen dem Verfassungsschutz und den Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden in § 18 VSG NRW festgelegt. Demnach übermittelt die Verfassungsschutzbehörde den Staatsanwaltschaften und den Polizeibehörden die ihr bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Verbrechen oder von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Auf die Frage nach dem konkreten Austausch über eingesetzte VPen des Verfassungsschutzes im jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsbereich des Polizeilichen Staatsschutzes hat der Zeuge Günter Gebert, zwischen 2000 und 2013 Leiter eines KK des Polizeichen Staatsschutzes des PP Köln, dass der Staatsschutz Köln generell nicht über eingesetzte VPen informiert worden sei.4263 In der Praxis ist der Verfassungsschutz NRW regelmäßig bei den Tagungen aller Leiter des Staatsschutzes der Polizeibehörden in NRW, den sogenannten „Staatsschutzleitertagungen“, anwesend und berichtet dort von seinen Fällen.4264 Falls der Polizeiliche Staatsschutz zu einem laufenden Ermittlungsverfahren im Bereich Rechtsextremismus Informationen benötigt, ist er selbst das Bindeglied der Polizei zum Verfassungsschutz NRW.4265 In diesen Fällen erfolgte zumindest während der Zeit, als die Zeugin Cornelia de la Chevallerie zwischen 2003 und 2006 Gruppenleiterin war und noch eine Trennung zwischen Beschaffungsund Auswertungsreferaten bestand, die Anfrage direkt über die jeweiligen Auswertungsreferate.4266 Zudem gingen auch Meldungen der Polizeibehörden nicht über die Gruppenleiter, sondern direkt an die Auswertungsreferate.4267 4261 4262 4263 4264 4265 4266 4267 746 Leitfaden für den Verfassungsschutz NRW vom 18. Mai 1999, Nr. 11 – Stellung der VM im Objekt, Ordner 161 S. 666 ff. Vermerke vom 13. Oktober 2008, A15342 S. 1325 ff. (VS-nfD); 21. November 2011, A15342 S. 2185 ff. (VS-nfD). Gebert, APr 16/994 S. 28. Freier, APr 16/1349 S. 26. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 5. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 5. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 5. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Der Zeuge Burkhard Freier hat zum konkreten Ablauf der aktuellen Zusammenarbeit zwischen Polizeilichem Staatsschutz und Verfassungsschutz NRW ausgeführt, dass in den an den Polizeilichen Staatsschutz weitergegebenen Informationen, sofern diese von einer VP kommen, die Formulierung „aus gut informierten Erkenntnissen“ oder „aus glaubhaften Erkenntnissen haben wir folgende Information“ verwendet werde.4268 Ein Austausch der eingesetzten VPen erfolge somit zumindest in diesen Fällen, den sogenannten Behördenzeugnissen“ nicht, da eingestufte Informationen nur durch die „Übersetzung“ in ein Schreiben ohne Einstufung als Verschlusssache der Gehimhaltungsgrade „VS-Vertraulich“ oder „GEHEIM“ zu den Ermittlungsakten genommen werden können.4269 Insoweit hat der Zeuge Burkhard Freier jedoch auf die Nutzungsmöglichkeit durch die Polizeibehörde abgestellt und die Weitergabe eines „Geheimschreibens“ nicht prinzipiell ausgeschlossen.4270 Bezüglich der Aufbereitung der Akten zum NSU führte er aus, dass zwar alle Unterlagen für den GBA aufbereitet worden seien, eine Unterrichtung hierüber aber nicht in allen Fällen gegenüber der BAO Trio beim LKA NRW erfolgt sei.4271 Die Grenze der Informationsweitergabe an das LKA NRW hat der Zeuge Burkhard Freier dort gezogen, wo der Verfassungsschutz NRW durch eine VP selbst involviert war: „Die Fälle unterschwellig, also Fälle, wo wir sagen würden: ‚Die könnten was mit NSU zu tun gehabt haben, aber nicht im Sinne einer V-Person des Verfassungsschutzes nah dran‘, haben wir mit dem Landeskriminalamt und möglicherweise auch zum Beispiel mit PP Dortmund über diese BAO ‚Trio‘ abgeklärt.“4272 Weiterhin würde nach Aussage des Zeugen Burkhard Freier dieser selbst bei möglichen Gerichtsverfahren als Zeuge auftreten4273, was auch in diesen Fällen gegen eine Weitergabe der Daten der VP spricht. In der Praxis besteht ein Austausch zwischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Beschaffungsreferats und einzelnen Staatsschutzdienststellen der Polizeibehorden. So hat der bis in das Jahr 2001 tätige Leiter des Beschaffungsreferat des Verfassungsschutzes NRW ausgesagt: „Und wir hatten also auch – das möchte ich mal betonen – eigentlich eine ganz gute Zusammenarbeit in den polizeilichen Bereich.“4274 Zwar sei das Referat Auswertung die Adressatin für den Nachrichtenaustausch seitens des Polizeilichen Staatsschutzes gewesen, wenn es allerdings „um rein operative Dinge ging, […]. Dann haben wir unmittelbar mit den Staatsschutzdienststellen gesprochen. Das ging auch im großen Ganzen ganz gut.“ 4275 Dieser häufig persönliche, teils informelle Austausch zwischen Mitarbeitern des Beschaffungsreferats und der Polizeilichen Staatsschutzdienststellen bestand nach Aussage der Zeugin Cornelia de la Chevallerie auch in ihrer von 2001 bis 2006 dauernden Amtszeit.4276 4268 4269 4270 4271 4272 4273 4274 4275 4276 Freier, APr 16/1349 S. 27. Freier, APr 16/1349 S. 31. Freier, APr 16/1349 S. 32. Freier, APr 16/1349 S. 40. Freier, APr 16/1349 S. 41. Freier, APr 16/1349 S. 27. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 7. Zeuge, nöAPr 16/285 S. 10. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 5. 747 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 So hat sie geschildert, dass es üblich gewesen sei, „dass die Beschaffung hin und wieder immer persönlichen Kontakt“ 4277 mit dem Polizeilichen Staatsschutz, beispielsweise in Köln, hatte. Weiter hat sie ausgeführt: „Ich weiß aber, dass ganz enger Kontakt bestanden hat zwischen unserer Beschaffung und dem Staatsschutz Dortmund – also mir ist er immer als gut geschildert worden, als informativ –, und dass man sich gerade dann – ich meine, 2004 und 2005; also da legen Sie mich jetzt von den Zeiten nicht genau fest – … gab es ja auch Ermittlungsverfahren gegen ‚Oidoxie‘ und auch gegen ‚Weisse Wölfe‘. Und darüber gab es einen ganz engen Austausch.“4278 Aus den vorliegenden Akten ist ersichtlich, dass der Polizeiliche Staatsschutz des PP Dortmund Kontakte zum Beschaffungsreferat hielt.4279 Zudem wechselten ehemaliger Mitarbeiter des Polizeilichen Staatsschutzes in den Verfassungsschutz NRW wechselte.4280 Der Zeuge Uwe Reichel-Offermann, seit 2015 Gruppenleiter beim Verfassungsschutz NRW, hat ausgesagt, dass der Kontakt zur Polizei intensiver geworden sei: „Ich habe das immer begrüßt, dass wir zunehmend in die Sachbearbeitung, nicht nur in die Beschaffung, sondern auch im Auswertungsbereich Kollegen aus der Polizei übernommen haben, die als Sachbearbeiter dort tätig geworden sind, und die natürlich einen schnellen und engen Draht zur Polizei haben.“4281 Nach Ansicht des Zeugen Burkhard Schnieder habe „immer eine recht gute Basis“ und ein „gutes Verhältnis“ zwischen Verfassungsschutzabteilung und Polizeilichem Staatsschutz bestanden. Grund dafür sei der Umstand der hohe Anteil von Polizeibeamten im Verfassungsschutz NRW gewesen, der bis zu einem Drittel der Mitarbeiter betragen habe. Dies habe dafür gesorgt, dass „enge Verbindungen“ bestanden haben.4282 b. Kristische Würdigung Von Seiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Beschaffungsreferats ist ein Kontakt zu den Staatsschutzdienststellen auch deshalb gewinnbringend, weil der Staatsschutz als Strafverfolgungsbehörde vielfach Kontakt zu tatverdächtigen oder zu als Zeugen in Ermittlungsverfahren involvierten Neonazis hat, die potentiell für einen Werbungsversuch in Frage kommen. Haben Mitarbeiter der Staatsschutzdienststellen einen Tipp gegeben, wer als V-Person seitens des Verfassungsschutzes NRW angeworben werden könnte, so ist ihnen in der Folge bekannt, dass diese Person möglicherweise in eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz eingewilligt haben könnte. 2. Austausch zwischen dem Verfassungsschutz NRW und dem BfV sowie anderen Landesbehörden für Verfassungsschutz Der Zeuge Burkhard Freier hat ausgesagt, dass ein Austausch über eingesetzte V-Personen bis zur im Jahr 2015 eingeführten gemeinsamen VP-Datei nur bilateral zwischen dem BfV 4277 4278 4279 4280 4281 4282 748 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 9 De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 40. Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 10. März 2003, A15157 S. 1 ff. (VS-nfD). Vermerk des Verfassungsschutzes NRW vom 12. November 2007, A14794 S. 4; E-Mail des Verfassungsschutzes NRW vom 21. Mai 2013, A13925 S. 484. Reichel-Offermann, APr 16/1184 S. 75. Schnieder, APr 16/952 S. 134. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und der jeweiligen Landesbehörde für Verfassungsschutz stattgefunden habe: „Was es nicht gab, ist, dass die Länder irgendwie einen Überblick kriegen: Wie sind wir denn aufgestellt gegenüber anderen? – Es gibt also nur so einen bilateralen BfV-Thüringen, BfV-Nordrhein-Westfalen, aber das ist noch kein Gesamtüberblick.“4283 Seine Vorgängerin in der Funktion der Gruppenleiterin, die Zeugin Cornelia de la Chevallerie hat hingegen auf die zu ihrer Amtszeit zwischen 2001 und 2006 regelmäßig erfolgten, gemeinsamen Auswerter- und Beschaffungstagungen des BfV und der Landesbehörden für Verfassungsschutz hingewiesen, bei denen ein Austausch über eingesetzte Quellen stattgefunden habe: „Auch die Beschaffung sagte mir: Wenn wir auf diesen Auswerter- und Beschaffertagungen zusammengesessen habe – da ist darüber ja auch gesprochen worden -, wir haben sogar teilweise ganz offen geredet – jedenfalls die Beschaffer untereinander -, wir haben Quellen ausgetauscht - nicht unbedingt mit Klarnamen -, aber wir wussten, wo welche Informationen sind.“4284 Zum Austausch zwischen dem Verfassungsschutz NRW und dem BfV während seiner Amtszeit zwischen 1999 und 2009 hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller ausgesagt: „Es sind ja viele Mitarbeiter von uns auch auf Dienstgängen oder Dienstreisen in Köln beim Bundesamt gewesen und haben sich ausgetauscht. Da hat schon ein reger Austausch stattgefunden.“4285 Speziell auf die Konsequenzen aus dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren 2003 bezogen, hatder Zeuge Dr. Hartwig Möller weiter ausgeführt: „Und dann hat man erstmals unter Federführung des Bundesamtes eine Aufarbeitung vorgenommen, und zwar mit allen Betroffenen – ich glaube, es sind bilaterale Gespräche gewesen zwischen dem Bundesamt und den einzelnen Landesämtern –, eine Bestandsaufnahme: Wie viele – nicht die Namen, aber die Anzahl – Personen haben wir in den jeweiligen Extremismusbereichen, und wo haben wir Redundanzen? Wo haben wir viel zu viele, und wo haben wir zu wenig? Kann man das nicht steuern? Es gibt ja auch Konkurrenzen zwischen den Landesämtern und dem Bund. Und es kann durchaus sein, dass in einer bestimmten Organisation, in einem bestimmten Bereich das Bundesamt V-Leute hat und das Landesamt auch noch, und das muss ja vielleicht nicht nötig sein. Das heißt, es ist sehr intensiv nach 2003/2004, würde ich mal sagen, untersucht worden: Kann man das in ein richtiges Maß bringen? Es hat eine erhebliche Bereinigung – so würde ich das mal nennen – in dem Bereich gegeben.“4286 Als eine Konsequenz aus der Selbstenttarnung des NSU wurde eine Zentrale Datei zu Vertrauenspersonen (VP-Datei) eingeführt, in welche alle deutschen Verfassungsschutzbehörden ihre Vertrauenspersonen eingeben müssen. Die VP-Datei wurde im November 2015 in Dienst gestellt4287 und wird vom BfV verwaltet.4288 4283 4284 4285 4286 4287 4288 Freier, APr 16/1349 S. 55 f. De la Chevallerie, APr 16/1184 S. 21. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 93. Dr. Möller, APr 16/1263 S. 105. Freier, APr 16/1349 S. 55. Freier, APr 16/1349 S. 55; Pressemitteilung des BfV vom 2. November 2015. A95663. 749 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Zur Funktionsweise der VP-Datei hat der Zeuge Burkhard Freier erläutert: „[Es] sind alle V-Personen aller 16 Bundesländer und des Bundesamtes für Verfassungsschutz drin. So weit, so gut. Was in dieser Datei nicht drin ist – sonst könnte man sie kaum handeln –, sind die Namen der Personen; aber sie sind sozusagen gekennzeichnet, sodass jede Behörde mit einem Schlüssel weiß, wer da drin ist. Es kommt auch nicht darauf an … Wenn in so einer Datei, wenn ich so überprüfe: ‚Wie dicht ist das Netz der V-Personen? Welche Qualität haben die V-Personen? Wo sind sie eingesetzt?‘, – da brauche ich den Namen eigentlich nicht, sondern nur die Tatsache, dass das ist. Das Bundesamt koordiniert das und meldet den Ländern zurück: Im Land NordrheinWestfalen gibt es in der Szene in dem Bereich Ostwestfalen keine einzige V-Person, auch das BfV hat keinen, auch Niedersachsen keinen – wir müssen da nachsteuern, das ist das Ziel. Und der Warnlampeneffekt für die eigene Behörde, zu sagen: Wir sind hier zu dicht oder zu wenig dicht. – Das ist deswegen gemacht worden mit den Namen, weil wenn man eine Datei errichten würde mit den V-Leuten ganz Deutschlands – in einer Datei, die könnte man gar nicht genug schützen, um das zu warnen, aber ich glaube, das ist auch nicht erforderlich.“4289 3. Austausch zwischen dem Verfassungsschutz NRW und dem Generalbundesanwalt Der Zeuge Burkhard Schnieder hat ausgeführt, dass Informationen mit einem besonderen Wichtigkeitsgrad, wie etwa der Einsatz von Johann Helfer vom Verfassungsschutz NRW, exklusiv dem GBA zur Verfügung gestellt worden seien.4290 Der GBA habe dann entscheiden müssen, inwieweit diese Erkenntnisse in den Polizeiapparat gesteuert wurden. Zumindest in Bezug auf Johann Helfer habe der Verfassungsschutz NRW auf Landesebene nach der Prämisse „wir geben nichts nach außen“ daraufhin nichts darüber Hinausgehendes unternommen.4291 Eine Information der Polizeibehörden über Johann Helfer erfolgte durch den Verfassungsschutz NRW demnach nicht. Zur Frage, ob dem GBA bewusst Aussagen oder Informationen vorenthalten worden seien, um gewisse VP zu schützen, hat die Zeugin Anette Greger geantwortet: „Mir ist jedenfalls kein Fall geläufig, wo das ein Problem gewesen wäre.“4292 Wie die Zeugen Burkhard Schnieder, Dirk Weinspach und Anette Greger übereinstimmend ausgesagt haben, leitete der Verfassungsschutz NRW alle Informationen mit unmittelbarem Bezug zum NSU-Ermittlungsverfahren an den GBA weiter.4293 Der Zeuge Burkhard Freier hat angegeben, dass in sieben Fällen die Informationen des Verfassungsschutzes NRW an den GBA wegen eines möglichen NSU-Bezugs weitergeleitet worden seien.4294 In einem dieser Fälle ging es um eine VP aus Ostwestfalen-Lippe.4295 Weiter hat der Zeuge Burkhard Schnieder konkretisiert, dass die Informationsübermittlung „in der Regel mit dienstlichen Erklärungen, um den Anlass und Hintergrund zu erläutern“, erfolgt sei. 4296 Der Zeuge Burkhard Freier hat erklärt, insoweit habe der Grundsatz gegolten, alle 4289 4290 4291 4292 4293 4294 4295 4296 750 Freier, APr 16/1349 S. 55. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 5 f.. Schnieder, nöAPr 16/160 S. 6. Greger, APr 16/1353 S. 93. Schnieder, APr 16/952 S. 159; Weinspach, APr 16/1340 S. 61; Greger, APr 16/1353 S. 77. Freier, APr 16/1349 S. 40. Freier, APr 16/1349 S. 40. Schnieder, APr 16/952 S. 159. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Akten zusammenzustellen und an den GBA zu leiten, auch unter Öffnung der Quellen.4297 Demnach seien dem GBA ausdrücklich auch sämtliche Klarnamen der Vertrauenspersonen genannt worden.4298 Allerdings bestanden wesentliche Unterschiede, mit welchem Verschlusssachengrad die Informationen zu den betroffenen V-Leuten übermittelt wurden. Im Falle der betroffenen ehemaligen VP aus Ostwestfalen wurde ein Sachverhalt aus dem Jahr 1999 dem GBA, nicht aber dem nordrhein-westfälischen LKA, übermittelt.4299 In diesem Fall wurden die Personalien der VP in einem Schreiben mit dem VS-Grad „Nur für den Dienstgebrauch“ übermittelt, ebenso wurden Deckblattberichte der Quelle weitergeleitet Anders gelagert ist der Fall des als möglicher Tatverdächtiger ins Visier geratenen Johann Helfer. In diesem Fall wurde die Tätigkeit des Verdächtigen als VP des Verfassungsschutzes NRW nicht in einer „Dienstlichen Erklärung“ des Verschlusssachen-Grades „Nur für den Dienstgebrauch“ übermittelt. Die Sachbearbeiter des BKA hatten keine Kenntnis über die VP-Tätigkeit und nicht sämtliche Informationen vorliegen.4300 4. Maßnahmen zum Quellenschutz Aufgrund der zurückhaltenden Weitergabe von Informationen durch den Verfassungsschutz NRW gegenüber anderen Behörden spielte die Frage des Quellenschutzes primär im Austausch mit dem GBA eine Rolle. So hat der Zeuge Burkhard Schnieder auf die Frage, inwieweit die Informationen des Verfassungsschutzes, insbesondere im Hinblick auf die Kommunikation mit dem GBA, dem Quellenschutz unterlagen, ausgesagt: „An den GBA sind Dinge gegangen, wo man wirklich einen konkreten Anhaltspunkt hatte: Da könnte was in Zusammenhang mit dem laufenden Ermittlungsverfahren in Sachen NSU stehen. - Der normale Informationsaustausch mit der Polizei ist dann natürlich weiter gelaufen. Mit Quellenschutzaspekten muss man eben umgehen, dass man versucht, sie in irgendeiner Form so zu relativieren, dass der Quellenschutz nicht mehr tangiert ist. Beim GBA haben wir, wie gesagt, immer die Fälle präsentiert, wo wir aus unserer Sicht meinen: Das muss unbedingt aufgeklärt werden. Dort haben wir dann alles mitgeteilt - ohne Rücksicht auf Quellenschutz. Wir haben allerdings mit dem GBA ein Verfahren verabredet, wie das dann gehandelt werden kann.“4301 Der Zeuge Hans-Peter Lüngen hat auf die Frage, ob es aus seiner Sicht aus Gründen des Quellenschutzes eine Einschränkung der Verpflichtung gegeben hat, Informationen an die Polizeibehörden weiterzugeben, geantwortet: „Ich kann […] sagen, dass ich einen solchen Fall, wo das hätte eine Rolle spielen können, nicht präsent habe. […] Nach so vielen Jahren behält man solche spektakulären Bedingungen eher; aber das ist mir jetzt nicht präsent.“4302 Auf die Frage, ob es besondere Absprachen gibt, wenn der GBA die Information erhält, dass ein Verdächtiger oder Zeuge VP des Verfassungsschutzes ist, hat die Zeugin Anette Greger ausgeführt: 4297 4298 4299 4300 4301 4302 Freier, APr 16/1349 S. 40. Freier, APr 16/1349 S. 40. Schnieder, APr 16/952 S. 142. Voggenreiter, APr 16/952 S, 130; Schweikert, APr 16/1088 S. 82. Schnieder, APr 16/952 S. 159. Lüngen, APr 16/1097 S. 7 f. 751 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Nein, die gibt es nicht. Politische Absprachen gibt es nicht. Für uns ist die Rolle eines VManns im Zuge der Ermittlungen uninteressant. Wir hätten auch keine Skrupel, bei einer Verfassungsschutzbehörde zu durchsuchen; wir haben auch keine Skrupel, einen VMann zu vernehmen. Es spielt für uns bei den Vernehmungen auch keine Rolle, ob jemand V-Mann ist oder nicht. Das macht den nicht zu einem bessern oder zu einem schlechteren Zeugen. Wir vernehmen Zeugen und versuchen, zu den einzelnen Zeugen Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden zu erhalten. Wir fragen jetzt nicht zu unseren Zeugen an, ob diese Person V-Mann ist oder nicht. Das spielt bei uns bei der Bewertung auch keine Rolle. Selbstverständlich ist es dann interessant, wenn wir die Kenntnis von den Verfassungsschutzbehörden bekommen, um die Arbeit und die Aussage zu beurteilen. Aber es macht für uns keinen Sinn, jeden Zeugen abzufragen, ob er V-Mann ist oder nicht. Er dürfte es ja auch nicht sagen.“4303 Weiter hat sie auf die Frage zur Sicherstellung des Quellenschutzes angegeben: „Der V-Mann darf auch uns gegenüber keine Angaben zu seiner V-Mann-Tätigkeit machen. Vielleicht habe ich jetzt auch Ihre Frage zum Quellenschutz missverstanden. Weil Quellenschutz hat zunächst einmal mit unseren Zeugenvernehmungen weniger zu tun. Wir fragen nach Erkenntnissen des Zeugen. Und die muss er uns natürlich sagen, wenn er Erkenntnisse hat.“4304 Der Zeuge Burkhard Freier hat auf die Frage, welche Folgen eine einseitige Aufkündigung der Verpflichtung auf Vertraulichkeit, wie im Falle von Johann Helfer geschehen, der über seinen Rechtsanwalt den Medien mitteilte, dass er bis 2015 für den Verfassungsschutz gearbeitet hat, für den Umgang des Verfassungsschutzes mit dem Quellenschutz bedeutet, ausgesagt: „Ich bleibe dabei, dass selbst wenn sich eine Quelle selbst enttarnt, ich es nicht tue. Weil ich fühle mich an die Verpflichtungen immer noch gebunden. Und wir hatten andere Quellen, die dann auch durch die Medien gegangen sind, wo die Medien gesagt haben, es sei eine Quelle und deswegen an mich die Frage kam: Na ja, jetzt wissen es die Medien, jetzt kannst du es ja sagen. Ich tue es trotzdem nicht. Also, ich fühle mich immer noch an die Verpflichtung gebunden und rede deswegen in der Öffentlichkeit auch dann nicht darüber, wenn er selbst quasi den Schutz aufgegeben hat, weil ich das Prinzip wahren will, zu sagen: Dafür haben wir ein PKG und dafür haben wir auch andere Möglichkeiten. - Ich muss es in der Öffentlichkeit nicht sagen.“4305 Im Falle der VP Bernd Schmitt aus Solingen, in dessen Kampfsportschule die Neonazis trainierten, die den Brandanschlag auf das Haus einer türkischen Familie verübten, bei dem fünf Mädchen und Frauen getötet wurden, hat der damalige Innenminister Herbert Schnorr 1994 die V-Mann-Tätigkeit nach einiger Zeit öffentlich bestätigt.4306 Auch NRW-Innenminister Dr. Fritz Behrens äußerte sich 2003 öffentlich über den enttarnten V-Mann und ehemaligen stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Wolfgang Frenz.4307 4303 4304 4305 4306 4307 752 Greger, APr 16/1353 S. 91. Greger, APr 16/1353 S. 91. Freier, APr 16/1349 S. 62. Artikel „Politischer Stammtisch“ in „Der Spiegel“ Ausgabe 24/1994, A95283. 24. Sitzung der 13. Wahlperiode des Landtags NRW vom 24. Januar 2002, Landtag NRW Plenarprotokoll 13/49, S. 4915 ff. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dritter Teil: Handlungsempfehlungen Die von allen Ausschussmitgliedern gemeinsam getragenen kritischen Würdigungen sind in allen Abschnitten des Schlussberichtes jeweils direkt an die getroffenen Feststellungen angeschlossen worden. Zu dieser in der Gliederung von den Schlussberichten anderer Untersuchungsausschüsse abweichenden Darstellung der gemeinsamen Bewertungen hat der Ausschuss sich aus Gründen der besseren Lesbarkeit und des besseren Verständnisses entschlossen. Nach seiner Auffassung kann eine in direkter Beziehung zum behandelten Kapitel stehende positive wie negative Kritik nachhaltiger reflektiert werden als eine vom Anlass für den jeweiligen Kritikpunkt losgelöste zusammenfassende Würdigung. Die Ausschussmitgleider haben sich aufgrund der Feststellungen und kritischen Würdigungen auf die nachfolgenden Handlungsempfehlungen verständigt: Sicherheits- und Ermittlungsbehörden 1. Der Informationsaustausch zwischen den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern aller Polizeidienststellen eines Bezirks und dem Staatsschutz der zuständigen Kriminalhauptstelle in Fällen von Gewalttaten, die wegen der Person des Opfers oder aus anderen Gründen einen politisch motivierten Hintergrund haben könnten, ist von Beginn der Ermittlungen an sicherzustellen. Es ist notwendig, dass der Staatsschutz in die Ermittlungen eingebunden wird. Dazu bedarf es einer entsprechenden polizeiinternen Anweisung. 2. Es muss bei der Polizei und dem Verfassungsschutz eine Handlungsanweisung geben, dass fremdsprachige Vermerke grundsätzlich übersetzt werden. 3. Die Fallbearbeitungsprogramme aller Bundesländer müssen bundesweit vereinheitlicht werden. In den „Polizeilichen Informations- und Analyseverbund“ (PIAV), der im Jahr 2016 seinen Wirkbetrieb aufgenommen hat, ist die PMK mit zeitlicher Priorität zu integrieren. 4. Das Land NRW soll sich in der Innenministerkonferenz für die Möglichkeit einer zentralen Ermittlungsführung durch eine Landespolizeibehörde mit Weisungsrecht gegenüber den bei anderen Behörden gebildeten regionalen Ermittlungsabschnitten einsetzen und den Abschluss eines entsprechenden Staatsvertrages unter den Ländern initiieren. 5. Bei den 16 Polizeipräsidien mit Kriminalhauptstellenfunktion sollen Organisationseinheiten eingerichtet werden, die sich bei komplexen Ermittlungsverfahren der kontinuierlichen und kritischen Evaluation der einzelnen Ermittlungsschritte und Auswertungsergebnisse widmen, um rechtzeitig falsche Schwerpunktsetzungen oder unterlassene Ermittlungsansätze zu identifizieren und ihnen entgegenzuwirken. 6. Der bereits begonnene Austausch zwischen den Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und den Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt mit dem LKA soll fortgeführt und auf die 16 Polizeipräsidien mit Kriminalhauptstellenfunktion in ihrem Zuständigkeitsgebiet in einem verbindlichen Rahmen ausgeweitet werden. Damit soll der Informationsaustausch zwischen Zivilgesellschaft und Polizei gestärkt werden. 753 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 7. Asservate zu ungeklärten Verbrechen dürfen nicht vor Ablauf der jeweiligen gesetzlichen Verjährungsfrist bzw. vor Ablauf der längsten gesetzlichen Verjährungsfrist amtlich vernichtet werden. 8. Bei der Übersendung der Akten von der Polizei an die Staatsanwaltschaft sind Vollständigkeitserklärungen durch die Polizei zu unterzeichnen. 9. Soweit der Einsatz verdeckter Ermittler der Zustimmung des Gerichts bedarf (§ 110b Absatz 2 StPO), ist das Gericht umfassend über den Stand der Ermittlungen zu unterrichten, da der Einsatz verdeckter Ermittler nur dann zulässig ist, wenn die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 10. Notwendig ist die Überprüfung der Kriterien für den Einsatz von Vertrauenspersonen durch die Polizei. 11. Eine beim LKA einzurichtende Revisionsgruppe (Innenrevision) soll in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Altfälle und deren Handhabung durch die Polizei untersuchen und somit überprüfen, ob allen möglichen Ermittlungsansätzen nachgegangen worden ist. 12. Die Informationsweitergabe von Verfassungsschutz an die Polizei zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten unter Berücksichtigung des Trennungsgebotes muss weiter verbessert werden. Alle auf Tatsachen beruhenden Informationen über geplante oder begangene Straftaten – insbesondere Gewaltdelikte, Waffenhandel und -besitz und auf Bildung von kriminellen / terroristischen Vereinigungen – muss der Verfassungsschutz umgehend und nachvollziehbar dokumentiert an Polizei und Staatsanwaltschaft weitergeben. 13. Um die Weitergabe von Informationen des Verfassungsschutzes an die Polizei zu gewährleisten, muss der Einstufung von Informationen als VS-NfD, VS-Vertraulich bzw. VS-Geheim durch den Verfassungsschutz eine sachgerechte Prüfung vorangehen. Insbesondere öffentlich zugängliche Informationen bedürfen keiner Einstufung. 14. Da Gewaltdelikte mit rechtsextremistischem Hintergrund in der Regel in dem für das Delikt zuständigen Kommissariat einer Polizeibehörde und nicht in der Staatsschutzabteilung bearbeitet werden, ist eine Sensibilisierung der Polizei, insbesondere der Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamten, auf das Erkennen rassistischer und rechtsextremistischer Motive durch eine veränderte Ausbildung und eine verpflichtende Fortbildung erforderlich. In diesem Rahmen müssen ihnen auch Kenntnisse über die Arbeitsweise und die Aufgaben des Verfassungsschutzes übermittelt werden. 15. Ein verpflichtender regelmäßig stattfindender Erfahrungsaustausch (Lagebesprechungen) mit dem örtlich zuständigen polizeilichen Staatsschutz soll den für politische Strafsachen zuständigen Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaften die erforderliche Kenntnis über die örtliche rechtsextremistische Szene vermitteln. 16. Durch eine Intensivierung der Aus- und Fortbildung von Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten im Bereich „Rechtsextremismus“ ist sicherzustellen, dass Delikte mit einem rassistischen oder anderweitig menschenfeindlichen Hintergrund auch als solche erkannt werden. 17. Im Bereich des Verfassungsschutzes sowie des Polizeilichen Staatsschutzes muss durch regelmäßige verpflichtende Aus- und Fortbildung sowie Supervision der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichergestellt sein, dass ausreichende Kenntnisse über Organisation, 754 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Handlungsformen und Ideologien der rechtsextremen Szene vorhanden sind, so dass insbesondere Gewaltdelikte mit einem rassistischen oder anderweitig menschenfeindlichen Hintergrund auch als solche erkannt werden können. 18. Die Opferschützerinnen und Opferschützer (Betreuung von Opfern) bei der Polizei müssen regelmäßige Fort- und Weiterbildungsangebote erhalten und wahrnehmen. 19. Wenn die Polizei Kontakt zu Opfern mutmaßlich rechtsextremer oder rassistischer Gewalt hat, muss sie diese auf die spezialisierten Beratungsstellen hinweisen. Die betroffenen Personen müssen gefragt werden, ob sie mit der Weitergabe ihrer Daten an die Beratungsstelle einverstanden sind. Falls ja, werden die Daten direkt von der Polizei zur weiteren Kontaktaufnahme an die Beratungsstelle weitergeleitet. Dazu bedarf es einer entsprechenden polizeiinternen Anweisung. 20. Der Verfassungsschutz, die Polizei und die Justiz sollen die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln. Deshalb sollen die Behörden verstärkt Personen mit Migrationshintergrund anwerben und einstellen. 21. Die Fähigkeit mit Menschen mit und ohne Migrationshintergrund angemessen, erfolgreich und zur gegenseitigen Zufriedenheit kommunizieren und agieren zu können, muss eine Schlüsselkompetenz bei den Beschäftigten beim Verfassungsschutz, bei der Polizei und im Bereich der Justiz sein. Dazu gehört die Fähigkeit, diskriminierende und ausgrenzende Mechanismen zu erkennen und zu überwinden. Darauf muss in der Aus- und Fortbildung verstärkt hingearbeitet werden. 22. Durch eine Aufwertung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) könnte die Kontrolle der Arbeit des Verfassungsschutzes verbessert werden. Die für den PUA NSU neu geschaffenen Landtagsressourcen sollten dabei für das PKG genutzt werden. Zur Stärkung der Kontrolle des Verfassungsschutzes soll das PKG die Möglichkeit bekommen, mit einer breiten Mehrheit (z.B. von Zweidritteln seiner Mitglieder) mindestens eine ständige Sachverständige / einen ständigen Sachverständigen (Referentin / Referenten) bei der Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben beauftragen zu können. Opferschutz und Prävention 23. Generell muss Opfern noch mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht und ihre Situation bei der polizeilichen Arbeit besser berücksichtigt werden. Die Anzahl der Opferschützerinnen und Opferschützer muss erhöht werden. 24. Für die Kommunikation mit Opfern und deren Angehörigen muss Personal eingesetzt werden, welches für den persönlichen und kulturellen Hintergrund dieser Personen sensibilisiert ist und diesen angemessen berücksichtigt. 25. Es muss gewährleistet sein, dass Opfer bzw. Hinterbliebene schwerster Straftaten, auch in Fällen, in denen eine Täterin oder ein Täter nicht ermittelt wurde, spätestens nach Abschluss der Ermittlungen von deren Ergebnis unterrichtet werden. Diese Unterrichtung muss aktenkundig gemacht werden. 26. Die landesweite Beratungsstruktur gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist dauerhaft zu verstetigen. Dazu gehören u.a. die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus, die spezialisierten Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt, das Aussteigerprojekt NINA und die Antidiskriminierungsstellen. 755 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 27. Das bereits vorhandene integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus muss zügig umgesetzt sowie kontinuierlich weiterentwickelt und an aktuelle Herausforderungen angepasst werden. Darüber hinaus soll ein Landesförderprogramm zur Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus und Rassismus aufgelegt werden. 28. Die wissenschaftliche Forschung zu den unterschiedlichen Formen und Ideologien des Rechtsextremismus und des Rassismus muss angemessen unterstützt werden. Sie kann einen erheblichen Beitrag zur Dokumentation und Analyse, aber auch zur Entwicklung von Gegenstrategien sowie Präventions- und Interventionsmaßnahmen leisten. 29. Die Angebote der interkulturellen, psychiatrischen Ambulanzen müssen bedarfsdeckend sichergestellt sein, zudem sollte eine Spezialisierung auf rassistische Diskriminierungsund Gewalterfahrungen geprüft werden. Länderübergreifende Zusammenarbeit Der NSU-Komplex und insbesondere die Arbeit des NRW-Untersuchungsausschusses hat deutlich gemacht, dass es zur länderübergreifenden Aufklärung notwendig ist, dass alle damit befassten Gremien und Institutionen kooperativ zusammenarbeiten und sich gegenseitig so weitgehend wie möglich unterstützen und gegebenenfalls ergänzen. Nur so kann es bei der Vielzahl der zuständigen Stellen gelingen, ein möglichst vollständiges Bild der Geschehnisse zu erarbeiten. Deshalb ersuchen auch wir die Landesregierung, wie andere Untersuchungsausschüsse auch, eine Bundesratsinitiative zu beschließen, in das PKGrG eine Ermächtigungsgrundlage zur Übermittlung personenbezogener Daten an Untersuchungsausschüsse des Bundestags und der Landtage, die zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags der jeweiligen Gremien erforderlich sind, aufzunehmen sowie die Einschränkung der Übermittlungsmöglichkeit personenbezogener Daten des § 5 Absatz 4 Satz 2 PKGrG für die entsprechenden Fällen ebenso abzuändern. 756 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Vierter Teil: Verfahren I. Verfahrensregeln Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (PUA III) hat sich in seiner ersten Sitzung am 16. Dezember 2014 auf Verfahrensregeln geeinigt. Die Verfahrensregeln wurden einvernehmlich in der dritten Sitzung am 27. Januar 2015 um den Punkt 4 „Arbeitsunterlagen“ ergänzt. In seiner achten Sitzung hat der PUA III bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN einstimmig die unter Punkt 9 lit. b ursprünglich enthaltene Regelung eines 20minütigen Fragerechts je Fraktion und Fragerunde in eine Begrenzung des Fragerechts je Fraktion und Fragerunde auf fünf Fragen geändert. Zugleich wurden die Regelung zur Beweisaufnahme einvernehmlich um die Regelungen unter Punkt 9 lit. c ergänzt. Die Verfahrensregeln lauteten in ihrer letzten Fassung: Verfahrensregeln für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss III der 16. Wahlperiode des Landtages Nordrhein–Westfalen (Beschlüsse des Ausschusses vom 16.12.2014, 27.01.2015 und 22.06.2015) 1. Information der Medien Die Unterrichtung der Presse und der Informationsmedien erfolgt gemeinsam durch die Vorsitzende und die Obleute der Fraktionen. Pressekonferenzen sollen regelmäßig stattfinden; die Einladung erfolgt durch die Vorsitzende nach Rücksprache mit den Obleuten der Fraktionen. 2. Vereinbarung der Sitzungstermine des Ausschusses Aufgrund des Umfangs des Untersuchungsgegenstandes vereinbart der Ausschuss keinen festen Tagungstag. Die Sitzungstermine sollen möglichst einvernehmlich mit der Vorsitzenden und den Obleuten der Fraktionen vereinbart werden. Folgende Sitzungstermine gelten als bisher vereinbart: 1. 20. Januar 2015, 14.00 Uhr 2. 27. Januar 2015, 15.00 Uhr 3. 3. März 2015, 14.00 Uhr 4. 13. März 2015, 13.00 Uhr 5. 24. März 2015, 14.00 Uhr 6. 25. März 2015, 10.00 Uhr 3. Gliederung der Abarbeitung des Untersuchungsgegenstandes Zur Abarbeitung des Untersuchungsgegenstandes verständigt sich der Untersuchungsausschuss auf nachfolgende Vorgehensweise a) Drei Sachverständigengespräche zu dem Themenkomplex „Aufbau und Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden und der Justiz in NRW“ aa) 1. Sachverständigengespräch zum Themenbereich „Polizei“ bb) 2. Sachverständigengespräch zum Themenbereich „Verfassungsschutz“ cc) 3. Sachverständigengespräch zum Themenbereich „Justiz“ b) Drei Sachverständigengespräche zum Themenkomplex „Radikalisierung und Organisationsstrukturen der rechten Szene in NRW seit 1991 bis zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Einsetzungsantrag vom 28.10.2014“ 757 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 c) Zwei Sachverständigengespräche zu den Themenkomplexen „Blood & Honour“, „Combat 18“, „Oidoxie Streetfighting Crew“, „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ „Hammerskins“, Neonazi- Kameradschaften sowie weiterer militanter rechtsradiakler Gruppierungen in NRW. d) Tatkomplexe entsprechend der Aufnahme im Einsetzungsbeschluss: aa) Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse in Köln bb) Nagelbombenanschlag in der Keupstrasse in Köln cc) Mord an Mehmet Kubaşık in Dortmund einschließlich Vertrauensperson der Polizei „Heidi“ dd) Mord an drei Polizeibeamt/innen in Dortmund und Waltrop ee) Sprengstoffanschlag am S- Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn ff) Tod des V-Mannes „Corelli“ Der Ausschuss behält sich vor, die Reihenfolge der Bearbeitung der Tatkomplexe zu ändern. 4. Arbeitsunterlagen a. Akten und Unterlagen, die nicht als Verschlusssache eingestuft sind sowie Unterlagen und Akten des Geheimhaltungsgrades VS-Nur für Dienstgebrauch Angeforderte Unterlagen erhalten - die Mitglieder des Untersuchungsausschusses - die stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschuss - die Mitarbeiter/innen der Fraktionen im Untersuchungsausschuss - das Ausschusssekretariat, sofern sie nicht als VS - Vertraulich, VS - Geheim oder VS - Streng Geheim eingestuft sind. Alle von öffentlichen Stellen des Landes NRW angeforderten Unterlagen sind im Original an das Ausschusssekretariat zu übersenden. Dasselbe gilt grundsätzlich für Anforderungen gegenüber anderen Adressaten von Beweisbeschlüssen. Das Ausschusssekretariat gewährleistet die Einsichtnahme in die händischen Unterlagen. Die Arbeitsunterlagen können nach Anmeldung beim Ausschusssekretariat am vorangegangenen Arbeitstag während der Dienstzeiten von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr eingesehen werden; gegebenenfalls können nach vorheriger Absprache längere Zeiten vereinbart werden. Ausfertigung der Unterlagen in elektronischer Form werden dem o.a. Adressatenkreis auf Kennwort gesicherten externen Festplatten zu ständigem Gebrauch überlassen. b. Akten und Unterlagen VS- Vertraulich, Geheim und Streng Geheim Alle von öffentlichen Stellen des Landes NRW angeforderten Unterlagen sind im Original an das Ausschusssekretariat zu übersenden. Dasselbe gilt grundsätzlich für Anforderungen gegenüber anderen Adressaten von Beweisbeschlüssen. Das Ausschusssekretariat gewährleistet die Einsichtnahme in die händischen Unterlagen. 758 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Arbeitsunterlagen können nach Anmeldung beim Ausschusssekretariat am vorangegangenen Arbeitstag während der Dienstzeiten von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr eingesehen werden; gegebenenfalls können nach vorheriger Absprache längere Zeiten vereinbart werden. Darüber hinaus werden o. a. Adressatenkreis die Unterlagen in elektronischer Weise in einem gesondert gesicherten Raum (Verwahrgelass) durch (einen) gesondert gesicherte(n) Computer zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. Zu diesem Zweck wird in dem Gebäude des Landtags in der Lippestraße ein Verwahrgelass eingebaut wird. In dem Verwahrgelass werden jeweils ein PC für jede Fraktion sowie ein PC für die Vorsitzende eingerichtet. Eventuell benötigter Sichtschutz soll durch mobile spanische Wände erreicht werden. Für den gesamten Umgang mit Verschlusssachen gilt die Verschlusssachenordnung des Landtags NRW. Werden für Sitzungen des Untersuchungsausschuss VS – Unterlagen benötigt, so sorgt das Ausschusssekretariat dafür, dass diese für die Dauer der Sitzung zur Verfügung stehen und anschließend in dem gesondert gesicherten Raum zurückgebracht werden. Die Fraktionen sollten möglichst anmelden, welche Akten sie speziell wünschen, damit nicht der Gesamtbestand mitgebracht werden muss. 5. Einladungen Einladungen erhalten: - Die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Ausschusses - Die Präsidentin des Landtages NRW - Die benannten Mitarbeiter/innen der Fraktion Nachrichtlich: - Die Landesregierung 6. Foto-, Film- und Tonaufnahmen, Live-Streaming, Mitschriften Bei nichtöffentlichen Sitzungen sind Aufnahmen der Medien nur bis zur Eröffnung der Sitzung zulässig. Gemäß § 9 Absatz 1 PUAG NRW erfolgt die Beweisaufnahme in öffentlicher Sitzung. Tonund Filmaufnahmen sowie Ton- und Bildübertragungen sind nicht zulässig. Ausnahmen von Satz 2 bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder sowie der Zustimmung der zu vernehmenden oder der anzuhörenden Person. Diese Grundsätze gelten auch für ein Live–Streaming durch den Landtag. Tonaufnahmen werden auch bei Zustimmung der Zeug/innen oder Sachverständigen grundsätzlich nur zum Zwecke aktueller Berichterstattung erlaubt. Ausnahmen bedürfen eines ausdrücklichen Beschlusses des Ausschusses. Live – Übertragungen, auch in den sog. Sozialen – Netzwerken wie Twitter, Facebook etc. sind auch durch Ausschussmitglieder oder Mitarbeiter/innen der Fraktionen nicht gestattet. 759 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Mitschriften von Vertretern/innen der Presse oder von Besucher/innen sind grundsätzlich gestattet. Schriftliche Aufzeichnungen werden untersagt, wenn der Verdacht besteht, dass sie zum Zweck der Zeugenbeeinflussung weitergegeben werden sollen. 7. Regelungen zum Personenkreis, der über den Kreis der Ausschussmitglieder hinaus zur Teilnahme an den Sitzungen berechtigt ist: a) Besucher/innen Die Teilnahme von Besucher/innen an öffentlichen Sitzungen ist grundsätzlich möglich. Für Besucher/innen an öffentlichen Sitzungen wird gegebenenfalls ein gesonderter Raum, in den die Sitzung des Ausschusses übertragen wird, zur Verfügung gestellt. Gemäß § 9 Absatz 2 PUAG NRW kann die Vorsitzende die Öffentlichkeit oder einzelne Personen ausschließen, wenn das öffentliche Interesse oder berechtigte Interessen eines / einer Einzelnen dies gebieten, oder wenn es zur Erlangung einer wahrheitsgemäßen Aussage erforderlich erscheint. Bei Widerspruch eines Ausschussmitgliedes entscheidet der Untersuchungsausschuss mit Zweidrittelmehrheit. Demgemäß sollen Besucher/innen der Vorsitzenden unter Hinweis auf einen ggf. nach dieser gesetzlichen Bestimmung erforderlichen Ausschluss vor der Teilnahme an der Sitzung darauf hingewiesen werden, dass sie verpflichtet sind, Kontakte zu Personen, die möglicherweise als Zeug/innen gehört werden können, anzugeben. Rechtsanwälte/- innen als Organ der Rechtspflege dürfen nicht ausgeschlossen werden. b) Mitglieder der Landesregierung / Beauftragte Mitglieder der Landesregierung und die von ihnen Beauftragten sowie sonstige Personen, die nicht dem Untersuchungsausschuss angehören, können gemäß § 9 Absatz 4 PUAG NRW an nichtöffentlichen Sitzungen mit Zustimmung des Untersuchungsausschusses teilnehmen. Über die Teilnahme beschließt der Untersuchungsausschuss mit Zweidrittelmehrheit. Für im öffentlichen Dienst Beschäftigte besteht die Verpflichtung auf Nachfrage offenzulegen, wenn sie bei einer von den zu untersuchenden Vorfällen betroffenen Dienststelle tätig waren oder sind. c) Nichtöffentliche Sitzungen Es dürfen grundsätzlich nur die Ausschussmitglieder, deren Stellvertreter/innen, die benannten Fraktionsmitarbeiter/innen sowie die Mitarbeiter/innen der Landtagsverwaltung teilnehmen. Für Mitglieder der Landesregierung / Beauftragte gilt 7. b) entsprechend. Bei Sitzungen, die als VS – Vertraulich oder höher eingestuft werden, dürfen außer den Ausschussmitgliedern und deren Stellvertreter/innen nur solche Personen anwesend sein, die in der entsprechenden Geheimhaltungsstufe ermächtigt sind (Sicherheitsüberprüfung). 8. Anträge und Beweisanträge der Fraktionen Alle Beweisanträge der Fraktionen sind fortlaufend nummeriert unter Bezugnahme auf den betreffenden Komplex des Untersuchungsauftrages schriftlich über das Ausschusssekretariats an die Vorsitzende zu richten. Die Anträge müssen substantiiert / begründet sein 760 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und sollen in der Regel die für die Umsetzung erforderlichen Angaben, insbesondere ladungsfähige Anschriften enthalten. Die Anträge sollten spätestens drei Arbeitstage vor einer Ausschusssitzung im Ausschusssekretariat eingehen, damit eine geordnete Verteilung in die Fächer der Ausschussmitglieder und deren Stellvertreter/innen möglich ist. 9. Beweisaufnahmen a. Öffentlichkeit der Sitzung Beweisaufnahmen erfolgen gemäß § 9 Absatz 1 PUAG NRW grundsätzlich in öffentlicher Sitzung. Die Beratungssitzungen des Ausschusses sind gemäß § 9 Absatz 4 PUAG NRW nichtöffentlich. b. Ablauf der Zeugenbefragung Zeugen werden zunächst durch den Vorsitzenden vernommen. Anschließend dürfen die Fraktionen die Zeugen befragen, wobei je Fragerunde bis zu 5 Fragen je Fraktion gestellt werden dürfen. Die Anzahl der Fragerunden ist nicht begrenzt. Bei gemeinsamen Beweisanträgen hat im Anschluss an den Vorsitzenden die CDU das Fragerecht und die weitere Reihenfolge der Befragung richtet sich sodann nach der Größe der Fraktionen. Sofern Zeugen nur auf Antrag einer/einzelner Fraktion/en geladen werden, liegt das erste Fragerecht nach dem Vorsitzenden bei der/den antragstellenden Fraktion/en. c. Verhaltensregeln 1. Während der öffentlichen Sitzungen des PUA III findet eine Bewirtung im Sitzungsraum nicht statt. 2. Vor dem Sitzungsraum soll 15 Minuten vor Beginn der öffentlichen Sitzungen und jeweils nach etwa 2 Stunden eine Möglichkeit zum Erwerb von Speisen und Getränken bestehen. 3. Während der öffentlichen Sitzungen wird auf den Verzehr von Speisen im Sitzungsraum verzichtet. 4. Bei ganztägigen Sitzungen wird die Sitzung in der Regel durch eine Mittagspause unterbrochen. 5. Die Nutzung von Laptops während der Sitzungen ist gestattet. Aufbau und Herstellung der Stromversorgung soll zu Beginn der Sitzung bereits erfolgt sein. 6. Die Ausschussmitglieder und andere Personen betreten das Umfeld des Zeugentisches („innerer Kreis“) in der Regel nicht. 7. Die Ausschussmitglieder verzichten während der Vernehmungen darauf, den Sitzungsraum häufig zu verlassen und wieder zu betreten. 8. Angemessene Pausen werden durch den Vorsitzenden sichergestellt. 9. Zu Beginn der öffentlichen Sitzungen weist der Vorsitzende auf die Regelungen hin und bittet andere Anwesende, sich hieran zu halten. 10. Protokolle a) Über jede Sitzung – öffentlich oder nichtöffentlich – wird ein Beschlussprotokoll erstellt. Darüber hinaus werden über die Beweiserhebungssitzungen des Ausschusses Wortprotokolle gefertigt (§ 12 Absatz 2 PUAG NRW). 761 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Über die Verhandlungen in Beratungssitzungen werden auf Antrag Wortprotokolle erstellt. Die Tonaufzeichnungen der Sitzungen werden nach Abschluss des Untersuchungsverfahrens bis zum Ende der Legislaturperiode aufbewahrt. Das Recht, Tonaufzeichnungen abzuhören, haben nur die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses sowie die benannten Fraktionsmitarbeiter/-innen und die Ausschussmitarbeiter/-innen des Landestages NRW. Tonaufzeichnungen über VS – Verhandlungen sind den Mitarbeitern/innen der Fraktionen im Untersuchungsausschuss und den Mitarbeitern/-innen des Ausschusssekretariats nur zugänglich, sofern sie entsprechend sicherheitsüberprüft sind. b) Protokolle - öffentlicher und nichtöffentlicher Sitzungen - erhalten die Ausschussmitglieder, die stellvertretenden Mitglieder und die benannten, entsprechend sicherheitsüberprüften Mitarbeiter/-innen der Fraktionen sowie das Ausschusssekretariat. Protokolle, die VS- Vertraulich oder höher eingestuft sind, werden je einmal o Pro Fraktion o Ausschusssekretariat gefertigt und verbleiben beim VS–Beauftragten des Landtages NRW. c) Die Fraktionsvorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen können in die Protokolle Einsicht nehmen. Sie werden auf Wunsch durch das Ausschusssekretariat zur Verfügung gestellt II. Geheimhaltung 1. Geheimhaltungsbeschluss Der Ausschuss hat in seiner dritten Sitzung am 27. Januar 2015 einstimmig einen Beschluss gemäß § 9 Absatz 5 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen (UAG) betreffend den Umgang mit nach der Verschlusssachenordnung des Landtags NNRW oder aufgrund anderer Rechtsnormen eingestufter Verschlusssachen gefasst. In der siebten Sitzung am 16. April 2015 ist einstimmig der Kreis der einsichtsberechtigten Personen in den Punkten 2 und 3 jeweils um die benannten persönlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Sprecher und Sprecherinnen der Fraktionen ergänzt worden. Der Geheimhaltungsbeschluss lautet in seiner letzten Fassung: Beschluss des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III der 16. Wahlperiode des Landtages Nordrhein–Westfalen gemäß § 9 Abs. 5 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags NordrheinWestfalen (UAG) Beschlüsse des Ausschusses vom 27.01.2015 und 16.04.2015 1. Die aufgrund eines Beschlusses des Untersuchungsausschusses vorgelegten Akten oder Datenträger werden der Geheimhaltung unterworfen, soweit diese nach der Verschlusssachenordnung des Landtags eingestuft sind oder sich dies aus anderen Rechtsnormen ergibt oder dies nach Ansicht der Mitglieder des Untersuchungsausschusses geboten erscheint. Handelt es sich bei den vorgelegten Akten oder den digitalen Datenträgern um Verschlusssachen im Sinn der Verschlusssachenordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen, bestimmt sich der Geheimhaltungsgrad der Verschlusssachen nach § 5 Abs. 2 Verschlusssachenordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen, wobei dieser Geheimhaltungsgrad gemäß § 5 Abs. 2 Verschlusssachenordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen für die Behandlung der Akten verbindlich ist. 762 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Für den gesamten Umgang mit derartigen Verschlusssachen gilt die Verschlusssachenordnung des Landtags NRW. 2. Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH werden verschlossen verwahrt. Den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, den für den Untersuchungsausschuss benannten Mitarbeitern/innen der Fraktionen sowie den benannten persönlichen Mitarbeitern/innen der Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen können und der Landtagsverwaltung können Ausfertigungen in Form von Ablichtungen - oder in elektronischer Form auf Kennwort gesicherten externen Festplatten - zum dauerhaften Gebrauch mit der Maßgabe überlassen werden, dass diese eine Verwahrung der überlassenen Ausfertigungen (Ablichtungen oder digitale Datenträger) nach Maßgabe des § 10 Abs. 5 der Verschlusssachenordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen gewährleisten. 3. Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades VS-VERTRAULICH und höher werden in einem VS-Verwahrgelass, welches in dem Gebäude Lippestraße 4 in Düsseldorf eingebaut wird4308 - und bis zu dessen Fertigstellung beim Geheimschutzbeauftragten in bereits im Gebäudes des Landtags vorhandenen VS-Verwahrgelassen - aufbewahrt. Einsicht in derartige Verschlusssachen erhalten die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses, die von den Fraktionen und der Landtagsverwaltung für den Untersuchungsausschuss benannten und nach § 6 Abs. 6 i.V.m. Abs. 9 der Verschlusssachenordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen ermächtigten Mitarbeiter/innen sowie die benannten persönlichen Mitarbeiter/innen der Sprecher/innen der Fraktionen nach § 6 Abs. 7 i.V.m. Abs. 9 der Verschlusssachenordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen in dem VS-Verwahrgelass in dem Gebäude Lippestraße 4. Zum Zweck der Einsichtnahme der digitalisiert angelieferter Akten wird dort für alle Fraktionen sowie für die Vorsitzende je ein stand-alone-Rechner ohne Speicher- und Druckfunktion eingerichtet. Vor Einsichtnahme ist die als Anlage zu diesem Beschluss beigefügte Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen. 4. Ausfertigungen (Ablichtungen oder digitale Datenträger) von Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades VS-VERTRAULICH und höher werden den Fraktionen und der Vorsitzenden vom Geheimschutzbeauftragten ausschließlich für die Dauer der Ausschusssitzungen ausgehändigt. _____________________________ (Name, Vorname) Düsseldorf, ______________ (Datum) VERPFLICHTUNGSERKLÄRUNG Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III hat in seiner Sitzung am 27. Januar 2015 gemäß § 9 Absatz 5 PUAG einstimmig einen Beschluss zur Gewährleistung des notwendigen Geheimschutzes bzw. zur Wahrung der Vertraulichkeit für aufgrund eines Beschlusses des Untersuchungsausschusses vorgelegte Akten, soweit dies von der herausgebenden Stelle verlangt wird oder es sich um Verschlusssachen im Sinnes der Verschlusssachenordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen handelt, beschlossen. 4308 Abweichend von dieser Vereinbarung und entgegen der ursprünglichen Planung ist das Verwahrgelass aus haushälterischen Gründen, insbesondere mit Blick auf weitere Nutzungsmöglichkeiten nach Beendigung des PUA III (NSU), nicht im Gebäude in der Lippestraße 4, sondern im Gebäude des Landtags errichtet worden. 763 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ich erkläre hiermit, dass ich auf die Strafbarkeit einer Geheimnisverletzung nach § 353b StGB hingewiesen worden bin und verpflichte mich zur Einhaltung der Geheimhaltungsvorschriften und zur Wahrung der Vertraulichkeit. _________________________________ (Unterschrift*) *) Die Unterschrift ist eigenhändig vor dem Geheimschutzbeauftragten des Landtags abzugeben. 2. Umgang mit Verschlusssachen in Beweisaufnahmesitzungen Der Ausschuss ist der Rechtsauffassung, dass in öffentlichen Sitzungen ohne vorherige Einholung einer Zustimmung der übersendenden Behörde Vorhalte aus „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Akten gemacht werden können, weil derartige Vorhalte (noch) als Dienstgebrauch für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss anzusehen sind. Entsprechend sieht die VSO NRW erst bei einer Beratung über eine Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS-Vertraulich“ oder höher eine Beschlussfassung über den Geheimhaltungsgrad der Sitzung und einen Ausschluss unbefugter Personen aus dem Sitzungssaal vor. Beweisaufnahmen, die „VS-Vertraulich“ oder höher eingestufte Sachverhalte zum Gegenstand hatten, sind in nach § 9 Absatz 5 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags NRW eingestuften Sitzung erfolgt. 3. Umgang mit Verschlusssachen im Schlussbericht In entsprechender Anwendung der oben dargestellten Rechtsaufassung hat der Ausschuss Verschlusssachen in den öffentlichen Schlussbericht nach folgenden Maßgaben aufgenommen: a. „VS-Vertraulich“ und „Geheim“ eingestufte Aktenstücke oder Zeugenaussagen Eine Aufnahme von „VS-Vertraulich“ oder höher eingestuften Aktenstücken oder Zeugenaussagen ist nur erfolgt, sofern und soweit die einsendende Behörde (Aktenstücke) bzw. die die Aussagegenehmigung erteilende Behörde (Protokolle) mit der Aufnahme von Textpassagen, die auf entsprechend eingestufte Verschlusssachen Bezug nehmen, in den öffentlichen Schlussbericht ihr Einverständnis erklärt hat. b. „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestufte Aktenstücke Soweit in Textpassagen des Schlussberichts auf “VS-nfD“ eingestufte Aktenstücke Bezug genommen wird, ist den einsendenden Behörden mit Übersendung der entsprechenden Textpassagen zur Kenntnis gegeben worden, dass und in welchem konkreten Umfang die Aufnahme einer Verschlusssachen des Grades „VS-nfD“ in den öffentlich Schlussbericht erfolgen soll. Die einsendenden Behörden konnten dann entweder ihr Einverständnis mit der Aufnahme erklären oder substantiiert begründete Bedenken gegen die beabsichtigte Aufnahme vortragen. Bei Bedenken gegen die beabsichtigte Aufnahme hat sich der Ausschuss mit der substantiierten Begründung auseinandergesetzt. Sofern und soweit der Ausschuss der Begründung folgen konnte, erfolgte keine Aufnahme der Verschlusssache in den Schlussbericht. Vermochte die Begründung indes nicht zu überzeugen und konnte auch keine anderweitige Einigung mit der einsendenden Behörde erreicht werden, hat der Ausschuss in Einzelfällen beschlossen, die Textpassage trotz der geäußerten Bedenken im Schlussbericht zu verwenden. 764 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 III. Beweisaufnahme Der PUA III hat durch die Auswertung von Akten sowie in insgesamt 42 öffentlichen und nicht-öffentlichen Sitzungen durch die Vernehmung von 75 Zeugen und Zeuginnen, Anhörung eines Sachverständigen und Inaugenscheinnahmen der Tatorte in Dortmund und Köln Beweis erhoben. In 42 nicht-öffentlichen Sitzungen hat der Untersuchungsausschuss Fragen der Strukturierung des Verfahrens und der Beweisaufnahme sowie des Geheimschutzes erörtert, die Anforderung von Akten von der Landesregierung und anderen Behörden, die Inaugenscheinnahme von Tatorten, die Beauftragung eines Sachverständigen und die Vernehmung von Zeugen und Zeuginnen beschlossen. 1. Sitzungsübersicht Eine Übersicht über die in den jeweiligen Sitzungen – soweit diese nicht nach § 9 Absatz 5 UAG NRW als „VS-Vertraulich“ oder „Geheim“ eingestuft waren, aufgerufenen Tagesordnungspunkte sowie die Nummern der jeweiligen Ausschussprotokolle sind in der Anlage 1 zu diesem Bericht dargestellt. 2. Übersicht der Beweisbeschlüsse Lfd. Num- Datum des Be- mer des schlusses Stichwort Nr. des Ausschusspro- Beweisbe- tokolls schlusses 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 16. Dezember 2014 20. Januar 2015 3. März 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 Aktenanforderung von Behörden Bestellung Ermittlungsbeauftragter Ergänzung Ermittlungsbeauftragter Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin 16/116 16/120 16/129 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 765 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 766 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 22. Juni 2015 19. August 2015 19. August 2015 19. August 2015 19. August 2015 19. August 2015 19. August 2015 19. August 2015 25. August 2015 25. August 2015 7. September 2015 10. September 2015 22. September 2015 22. September 2015 22. September 2015 21. Oktober 2015 27. Oktober 2015 27. Oktober 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 24. November 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 1. Dezember 2015 13. Januar 2016 13. Januar 2016 21. Januar 2016 Vernehmung einer Zeugin Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Selbstleseverfahren Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Inaugenscheinnahme Köln Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Inaugenscheinnahme Dortmund Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Anhörung Sachverständiger Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin Vernehmung einer Zeugin Vernehmung einer Zeugin Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Drucksache 16/14400 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/152 16/157 16/157 16/157 16/157 16/157 16/157 16/157 16/164 16/164 16/168 16/170 16/175 16/175 16/175 16/186 16/189 16/189 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/196 16/200 16/200 16/200 16/200 16/200 16/200 16/200 16/200 16/200 16/200 16/200 16/210 16/210 16/211 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 21. Januar 2016 17. Februar 2016 17. Februar 2016 17. Februar 2016 17. Februar 2016 17. Februar 2016 17. Februar 2016 26. Februar 2016 26. Februar 2016 26. Februar 2016 26. Februar 2016 4. März 2016 4. März 2016 4. März 2016 4. März 2016 10. März 2016 10. März 2016 18. März 2016 18. März 2016 18. März 2016 18. März 2016 18. März 2016 18. März 2016 6. April 2016 6. April 2016 6. April 2016 7. April 2016 14. April 2016 14. April 2016 15. April 2016 15. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 27. April 2016 12. Mai 2016 25. Mai 2016 25. Mai 2016 Drucksache 16/14400 Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin Anforderung Protokolle anderer PUA Aktenanforderung von Behörden Anforderung Protokolle anderer PUA Anforderung Protokolle anderer PUA Anforderung Protokolle anderer PUA Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Sichtung Akten beim BfV Aktenanforderung von Behörden Vernehmung einer Zeugin Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Vernehmung einer Zeugin Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Einsetzung Unterausschuss Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugin 16/211 16/219 16/219 16/219 16/219 16/219 16/219 16/226 16/226 16/226 16/226 16/230 16/230 16/230 16/230 16/234 16/234 16/238 16/238 16/238 16/238 16/238 16/238 eingestuft eingestuft eingestuft 16/243 16/249 16/249 16/251 16/251 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/254 16/263 16/270 16/270 767 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 25. Mai 2016 17. Juni 2016 17. Juni 2016 17. Juni 2016 1. Juli 2016 1. Juli 2016 1. Juli 2016 1. Juli 2016 1. Juli 2016 1. Juli 2016 1. Juli 2016 1. Juli 2016 1. Juli 2016 7. Juli 2016 7. Juli 2016 9. September 2016 9. September 2016 5. Oktober 2016 9. Dezember 2016 9. Dezember 2016 9. Dezember 2016 9. Dezember 2016 9. Dezember 2016 9. Dezember 2016 17. Februar 2017 Drucksache 16/14400 Anforderung Protokolle anderer PUA Vernehmung einer Zeugin Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Vernehmung einer Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung einer Zeugen Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Aktenanforderung von Behörden Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Vernehmung eines Zeugen Beiziehung von Unterlagen 16/270 16/283 16/283 16/283 16/290 16/290 16/290 16/290 16/290 16/290 16/290 16/290 16/290 16/292 16/292 16/305 16/305 16/319 16/336 16/336 16/336 16/336 16/336 16/336 16/354 Der Text der in dieser Übersicht aufgelisteten Beweisbeschlüsse ist der Anlage 2 zu diesem Bericht zu entnehmen. Den Beweisbeschlüssen liegen mit Ausnahme der Beweisbeschlüsse 28 und 47 von allen fünf Fraktionen gemeinsam gestellte Beweisanträge zugrunde. Eine Übersicht mit weiteren Details auch über weitere Verfahrensbeschlüsse enthält die Anlage 3. 3. Zeugen Der Ausschuss hat insgesamt 75 Zeuginnen und Zeugen in öffentlichen und nicht-öffentlichen Beweisaufnahmesitzungen vernommen. Von den 75 Zeuginnen und Zeugen sind 62 ausschließlich öffentlich, neun ausschließlich nicht-öffentlich und 4 im Anschluss an ihre Vernehmung in öffentlicher Sitzung ergänzend in nicht-öffentlicher Sitzung vernommen wurden. Weitere Zeugen und Zeuginnen sind in gemäß § 9 Absatz 5 UAG NRW als „GEHEIM“ eingestuften Sitzungen vernommen worden. In der Sitzung am 13. Januar 2015 hat der Ausschuss einstimmig beschlossen, auf die Vernehmung des Zeugen Reuber, Beweisbeschluss 70 vom 1. Dezember 2015, zu verzichten. Der Ausschuss hat in seiner Sitzung am 6. April 2016 beschlossen, auf die mit Beweisbeschluss Nr. 92 am 4. März 2016 vom Untersuchungsausschuss beschlossene Vernehmung 768 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 der Zeugin Claudia M. zu verzichten, weil die Zeugin glaubhaft versichert hat, keine Angaben zum Beweisthema machen zu können. Weiterhin hat er in seiner Sitzung am 9. September 2016 einstimmig beschlossen, auf die Vernehmungen des Zeugen H. (Arbeitsname), Beweisbeschluss 38 vom 19. August 2015, und des Zeugen Dern, Beweisbeschluss 119 vom 27. April 2016, zu verzichten, weil beide Zeugen durch Vorlage entsprechender ärztlicher Atteste nachgewiesen haben, dass gesundheitliche Gründe einer Vernehmung als Zeuge durch den Untersuchungsausschuss entgegen stehen. Schließlich hat der Ausschuss in seiner Sitzung am 17. Februar 2017 beschlossen, auf die mit den Beweisbeschlüssen 133 bis 138 und 150 bis 152 vom Untersuchungsausschuss beschlossenen Vernehmungen der jeweils benannten Zeugen zum Sprengstoffanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn auch vor dem Hintergrund des bevorstehenden Legislaturendes zu verzichten. Der Zeuge Toni Stadler ist zu seiner Vernehmung am 18. Februar 2016 ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen. Der Ausschuss hat darauf seinen Vorsitzenden beauftragt, beim zuständigen Ermittlungsrichter beim OLG Düsseldorf einen Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes und polizeiliche Vorführung des Zeugen zum nächsten Vernehmungstermin zu stellen. Auf den Antrag des Vorsitzenden vom 26. Februar 2016 hat der Ermittlungsrichter beim OLG Düsseldorf mit Verfügung vom 1. März 2016 ein Ordnungsgeld gegen den Zeugen Stadler festgesetzt und zugleich seine polizeiliche Vorführung für den nächsten Vernehmungstermin angeordnet. Auf Grundlage dieses Verfügung hat der Ausschuss den Zeugen Toni Stadler am 27. April 2016 durch Beamte des PP Dortmund polizeilich von seinem Wohnort zum Landtag verbringen und sodann von Beamten des OLG Düsseldorf und des JM NRW zur Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss vorführen lassen. Eine Übersicht über die befragten Zeugen sowie die Nummer der Ausschussprotokolle über die Vernehmungen sind in der Anlage 3 zu diesem Bericht dargestellt. 4. Sachverständige a. Vorbereitende Hearings Zur Vorbereitung der Beweisaufnahme hat der Ausschuss an sechs Sitzungsterminen in Hearings Sachverständige gehört. Im 1. Hearing haben Reinhard Mokros, Präsident der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Prof. Dr. Thomas Feltes, Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, Michael Kniesel, PP a.D., Prof. Dr. Hartmut Aden, Fachbereich 5 – Polizei und Sicherheitsmanagement – der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin als Sachverständige zum Aufbau und zur Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden und der Justiz in NRW - Bereich Polizei – Ausführungen gemacht. Zum Aufbau und zur Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden und der Justiz in NRW - Bereich Verfassungsschutz - waren als Sachverständige im 2. Hearing Winfried Ridder, Diplompolitologe und bis 1995 Referatsleiter beim BfV, Prof. Dr. Hans Peter Bull, Staats-und Verwaltungsrechtler und Heike Kleffner, Journalistin, geladen. Die Sachverständige Heike Kleffner 769 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 ist nach wenigen Ausführungen vom Untersuchungsausschuss entlassen worden, weil sie nach ihren Ausführungen als Zeugin in Betracht kam. Dr. Thomas Därnstädt, Jurist und Journalist beim Maganzi „Der Spiegel“, Dr. Gerhard Pauli, OStA bei der StA Hagen und Dr. Kati Lang, Rechtsanwältin, haben als Sachverständige im 3. Hearing zum Aufbau und zur Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden und der Justiz in NRW - Bereich Justiz – Ausführungen gemacht. Im 4. Hearing zu den Entwicklungen der extremen Rechten vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bedingungen seit 1990/1991 hat der Untersuchungsausschuss Michael Sturm, Prof. Dr. Hajo Funke, Politikwissenschaftler und Prof. Dr. Juliane Karakayali, Professorin für Soziologie, als Sachverständige gehört. Zum Thema „Die Neonazi-Szenen in NRW in den 1990 er und 2000er-Jahren“ haben HansPeter Killguss, Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) Köln und Jan Schedler, Politikwissenschaftler im 5. Hearing als Sachverständige ausgeführt. Abschließend hat der Ausschuss im 6. Hearing zum Thema „Organisierte Gewalt durch Neonazis und militante rechtsradikale Gruppierungen in NRW“ als Sachverständige Andrea Röpke, Diplompolitologin und Tobias Bezler, Journalist, gehört. b. Ermittlungsbeauftragter Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg In seiner zweiten Sitzung am 20. Januar 2015 hat der AusschusscProf. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg als Sachverständigen mit der Sichtung und Vorauswahl der beim OLG München, dem GBA, dem BKA, dem BfV und dem MAD elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten hinsichtlich ihrer Bedeutung und Erforderlichkeit für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages beauftragt. In Erfüllung dieses Gutachtenauftrags hat der in Anlehnung an die Begrifflichkeiten im Untersuchungsausschussgesetz des Deutschen Bundestages als Ermittlungsbeauftragter bezeichnete Sachverständige an mehreren Tagen beim GBA, dem BfV und dem BKA Akten für den Ausschuss gesichtet. Die Akten des vor dem OLG München gegen Beate Zschäpe u. a. geführten Strafverfahrens sind ihm dabei über den GBA zur Verfügung gestellt worden. c. Sachverständige Jan Raabe Schließlich hat der Ausschuss in seiner Sitzung am 24. November 2015 mit Beweisbeschluss 53 den Sachverständigen Jan Raabe mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens über nordrhein-westfälische „Blood & Honour“- sowie Combat 18“-Strukturen mit Schwerpunkt auf den neonazistischen Bandprojekten „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ beauftragt. Zu dem Ergebnis seines Gutachtens ist der Sachverständige auf der Grundlage dieses Beweisbeschlusses vom Untersuchungsausschuss III in der Sitzung am 21. Januar 2016 angehört worden. 5. Inaugenscheinnahmen Am 20. Oktober 2015 hat der Ausschuss den Tatort des Mordes an Mehmet Kubaşık in Dortmund in Augenschein genommen. Die Tatorte der Sprengstoffanschläge in der Probsteigasse im Jahr 2001 und in der Keupstraße im Jahr 2004 in Köln hat der Ausschuss am 27. Oktober 2015 in Augenschein genommen. Während der Inaugenscheinnahme der Keupstraße hatte der Ausschuss dabei Gelegenheit mit dem Inhaber des Friseursalons zu sprechen, vor dem 2004 die Nagelbombe detoniert ist. Zudem hat der Ausschuss im Anschluss an die öffentliche Inaugenscheinnahme des Tatort in einem nicht-öffentlichen Teil der Sitzung ein Gespräch mit Opfern, Opfervertretern sowie Vertretern der IG Keupstraße geführt. 770 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 6. Beigezogene Akten Abgebende Stelle Ministerium für Inneres und Kommunales Abkürzung der Stelle Anzahl der Aktenstücke MIK – Abt. 4 1630 MIK – Abt. 6 860 Justizministerium JM 446 Staatskanzlei StK 75 BKA / GBA 417 BfV 28 ohne 179 Landtag LT 1040 Bundestag BT 140 NRW Abteilung 4 Ministerium für Inneres und Kommunales NRW Abteilung 6 Bundeskriminalamt und Generalbundesanwaltschaft Bundesamt für Verfassungsschutz Behörden und Landtage anderer Bundesländer Gesamtzahl der Aktenstücke 4815 Die Angaben in der vorstehenden Tabelle beziehen sich auf die von den benannten Behörden offenen und als Verschlusssachen der Einstufung „VS-nfD“ übergebenen Akten. Erfasst sind ebenfalls Aktenstücke, die aus Aktenordner der Verschlusssachengrade „VS-Vertraulich“ und „Geheim“ in Absprache mit den übergebenen Behörden ausgetrennt worden sind. Angaben zu Art und Umfang der weiteren dem Ausschuss auf der Grundlage der gefassten Beweisbeschlüsse übergebenen Akten der Verschlusssachengrade „VS-Vertraulich“ und „Geheim“ können aus Gründen des Geheimschutzes nicht in der oben geschilderten detaillierten Form erfolgen. Eine Übersicht der vom Ausschuss beigezogenen Akten enthält die Anlage 4. Auf die Verlesung von Schriftstücken und Protokollen die als Beweismittel dienen, hat der Ausschuss mit Beweisbeschluss 30 verzichtet, soweit diese allen ordentlichen Ausschussmitgliedern zugänglich gemacht worden sind. Soweit der Ausschuss entsprechend einer vorherigen Absprache mit Vertretern des BfV getroffenen Vereinbarung am 18. März 2016 mit Beweisbeschluss 99 eine Sichtung von Akten des BfV zum Zweck einer vom BfV geforderten Konkretisierung der Aktenanforderung beschlossen hat, ist die zugesagt Sichtung dem Untersuchungsausschuss III vom BfV verwehrt worden. Eine Sichtung der Akten konnte daher nicht erfolgen. Auf den in der Sitzung am 22. Juni 2015 gefassten Beweisbeschluss 29 hat der Deutsche Bundestag dem Untersuchungsausschuss die öffentliche Fassung des vom PKGr des Deutschen Bundestages dem deutschen Bundestag vorgelegten Bericht des Sonderermittlers 771 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Jerzy Montag vorgelegt. Auch nach Hinweis auf den vom Untersuchungsausschuss III gefassten Geheimhaltungsbeschluss erfolgte keine Vorlage des als „Geheim“ eingestuften Berichts des Sonderermittlers Jerzy Montag. 772 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Fünfter Teil: Sondervoten der Fraktionen A. Sondervotum der Fraktion der CDU Mängel in der Ermittlungsarbeit Die Untersuchungen des Ausschusses haben eine Vielzahl von Unzulänglichkeiten und Fehlern nordrhein-westfälischer Sicherheits-und Justizbehörden aufgedeckt. Das betrifft die Beobachtung und Auswertung der Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene von Beginn der 1990 er Jahre an gleichermaßen wie die Ermittlungen zu den mutmaßlich von dem NSU -Trio begangenen Straftaten und zu den weiteren im Untersuchungszeitraum begangenen Verbrechen, die aus politisch rechtsextremen Motiven begangen worden sein könnten. Inwieweit die in der Ermittlungsarbeit aufgetretenen Mängel oder die unzureichende Zusammenarbeit der Behörden untereinander dazu geführt haben, dass die dem NSU zuzurechnenden Taten in Nordrhein-Westfalen vor dessen Selbstenttarnung nicht aufgeklärt werden konnten, bleibt Spekulation. Aktenlage spricht gegen Unterstützung des NSU-Trios aus NRW Auch wenn es schwer zu glauben ist, scheint das Kerntrio des NSU seine Taten in NordrheinWestfalen ohne die Mittäterschaft oder Unterstützung der nordrhein-westfälischen rechtsextremistischen Szene zuzuordnender Personen verübt zu haben. Umfangreiche Aktenauswertungen und Zeugenbefragungen haben keinen Anhaltspunkt für nähere Kontakte zum NSU oder gar ein konspiratives Zusammenwirken von nordrhein-westfälischen Rechtsextremisten insbesondere in den Tatortstädten Köln und Dortmund mit dem NSU ergeben. Die in den Tatzeiträumen und danach erstellten Quellenberichte des Verfassungsschutzes NRW enthalten nicht einen Hinweis darauf, dass die Taten Gegenstand von Erörterungen in der rechtsextremistischen Szene waren. Erst recht erfolgten aus dieser Szene keine Mutmaßungen, die auf Täter hingedeutet hätten. Wie von den Zeugen des Verfassungsschutzes und des Staatsschutzes immer wieder hervorgehoben wurde, sind auch wir der Auffassung, dass die ausgesetzte extrem hohe Belohnung zur Ergreifung der Täter in Höhe von 300.000 € für die Mitglieder der rechtsextremistischen Szene ein enormer Anreiz gewesen wäre, auch nur vage Erkenntnisse zu den Tathintergründen oder den Tätern an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Wenig Kenntnisse über Rechtsextremismus in den Strafverfolgungsbehörden Trotz fehlender konkreter auf Täter aus dem rechtsextremistischen Milieu hinweisender Spuren hätten die Sicherheitsbehörden an den Tatorten in Köln und Dortmund - wie im Feststellungsteil dieses Berichtes dargestellt - allen Grund gehabt, verstärkt auch Ermittlungen in Richtung eines politisch motivierten Delikts durchzuführen. Beispielhaft dafür seien - den Sprengstoffanschlag in der Keupstraße betreffend - nochmals das Schreiben des BfV an den Verfassungsschutz NRW vom 9. Juli 2004, der Hinweis von Scotland Yard über die vergleichbaren Nagelbombenanschläge des David Copeland in London und die Aussage der Nürnberger Zeugin B. K. genannt. In Dortmund hätten insbesondere die Aussage der Zeugin Jelica Dzinic und das Ergebnis der 2. OFA den Ermittlungsbehörden Veranlassung geben müssen, ihre Ermittlungen auf die rechtsextremistische Szene in Dortmund auszudehnen. Dieses Erfordernis haben die Ermittler entweder nicht erkannt oder falsch eingeschätzt. Dass der Grund für die fehlenden Ermittlungen in diese Richtung ein den Sicherheitsbehörden von verschiedener Seite vorgeworfener „institutioneller Rassismus“ gewesen wäre, war aber nach Ansicht der CDU in keinem Fall festzustellen. Eine wesentliche Ursache für das Unterlassen der gebotenen Ermittlungen dürfte in dem nur rudimentär vorhandenen Kenntnisstand der Strafverfolgungsbehörden des Landes NRW über die rechtsextremistische Szene und deren internationale Vernetzung zu suchen sein. Weder die „Turner Diaries“, die dem NSU als eine Art „Blaupause“ für seine Taten gedient haben 773 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 könnten, noch „Combat 18“ noch das BfV – Spezial Nr. 21 noch der Name David Copeland waren den Ermittlungskommissionen bekannt. Soweit der Verfassungsschutz NordrheinWestfalen und in Teilen auch der polizeiliche Staatsschutz zwar die hinter den Publikationen und Maßnahmen stehende Ideologie erkannt haben, haben sie sie jedenfalls mit den Ermittlungsbeamten vor Ort nicht kommuniziert. Die ermittelnden Polizeibeamten und Staatsanwälte ihrerseits haben allerdings auch nicht proaktiv beim polizeilichen Staatsschutz oder dem Verfassungsschutz NRW dort eventuell vorhandene Kenntnisse abgefragt. Entsprechende dahingehende Informationen wären für die Strafverfolgungsbehörden möglicherweise ein Ermittlungsansatz in Richtung eines rechtsextremistischen Motivs gewesen. Aus Fehlern lernen Zukünftig darf es nicht mehr passieren, dass politisch motivierte Straftaten als solche nicht oder nur mit einem erheblichen Zeitverzug erkannt werden und notwendige Ermittlungsmaßnahmen deshalb nicht oder nicht rechtzeitig ergriffen werden. Der für die Bekämpfung rechtsextremistischer Straftaten erforderliche Kenntnisstand ist dabei nicht nur für die Verfolgung terroristischer Gewalttaten von grundlegender Bedeutung, sondern ist auch für die Analyse der politischen Alltagskriminalität unabdingbar. Nur so können rechtsextremistische Hintergründe und Motive einschlägiger Straftaten frühzeitig erkannt werden. Dazu gehört auch die Einordnung rechtsextremistischer Literatur und Symbole, rechtsextremistischen Liedgutes/Musikgruppen sowie das Wissen über regional und national wie auch international agierende Kameradschaften und sonstige rechtsextremistische personelle Verflechtungen. Auch der Kenntnisstand in diesem Bereich ist nach dem Eindruck des Untersuchungsausschusses bei den Strafverfolgungsbehörden in NRW erheblich unterentwickelt. In den Sonderabteilungen der Staatsanwaltschaften ebenso wie in den Staatsschutzabteilungen der Polizeidienststellen herrscht eine hohe Personalfluktuation, sodass erworbenes Spezialwissen in diesen Abteilungen langfristig nicht vorgehalten werden kann. Das hat weiterhin zur Folge, dass bei diesen Dienststellen Spezialkenntnisse über einen längeren Zeitraum immer wieder mühsam aufgebaut werden müssen. Sonderwissen auf dem Gebiet des Rechtsextremismus muss ferner schnell und zuverlässig von ansonsten sachfern tätigen Beamten im Bereitschaftsdienst bei besonderen Vorkommnissen, wie etwa Demonstrationen oder Gewalttätigkeiten in Fußballstadien, abgerufen werden können. Diese Beamten sind auf einen raschen Zugriff auf bereits vorhandenes, fundiertes und umfassendes Wissen auf tatsächlicher und rechtlicher Ebene angewiesen, um ohne Zeitverzug eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können. Zusätzliche Handlungsempfehlung: Einrichtung einer zentralen elektronischen Bibliothek Zusätzlich zu den von allen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses gemeinsam ausgesprochenen Handlungsempfehlungen schlagen wir als Lösung dieses Problems die Errichtung einer zentralen Wissensdatenbank als elektronische Bibliothek vor, auf die alle mit einer besonderen Zugriffsberechtigung ausgestatteten ermittelnden Beamtinnen und Beamten der Strafverfolgungsbehörden zugreifen können. Eine derart zentral geführte elektronische Bibliothek muss ständig auf dem aktuellen Stand gehalten, d.h. gepflegt werden. Neben juristischen und historischen Schlagworten und Ausarbeitungen zu speziellen Phänomenen soll sie auch polizeiliche und nachrichtendienstliche Erkenntnisse zur Verfügung halten, ohne das Trennungsgebot zu verletzen. 774 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Als zentrale Einrichtung des Landes NRW und Schnittstelle auf höherer Ebene zwischen staatsanwaltlicher, polizeilicher und nachrichtendienstlicher Tätigkeit dürfte das Landeskriminalamt NRW mit seiner bereits vorhandenen Kommunikationstechnik der kompetente Dienstleister für diese politisch wichtige Aufgabe sein. 775 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 B. Sondervotum der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen I. Versagen bei den NSU-Verbrechen Angesichts des eklatanten staatlichen Versagens in Bezug auf die Ermittlungen gegen den rechtsterroristischen NSU ist die gute Zusammenarbeit aller Fraktionen im nordrhein-westfälischen Untersuchungsausschuss von enormer Bedeutung. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Landtag war notwendig, um das Behördenhandeln in NordrheinWestfalen aufzuarbeiten. Als vor mehr als fünf Jahren eine Pistole der Marke „Ceska“ in den Trümmern der ausgebrannten oberen Stockwerke eines Hauses in Zwickau gefunden wurde, konnte die Mordserie an neun türkei- und griechischstämmigen Männern in Deutschland aufgeklärt werden. Die Polizistin Michèle Kiesewetter wurde mit einer anderen Tatwaffe getötet. Auch für diesen Mord macht die Bundesanwaltschaft die drei 1998 untergetauchten Neonazis aus Jena verantwortlich. Zudem werden dem rechtsterroristischen NSU drei Sprengstoffanschläge, davon zwei in Nordrhein-Westfalen, sowie zahlreiche Raubüberfälle zugerechnet. Es ist nach wie vor unbegreiflich, dass eine terroristische Gruppierung über 13 Jahre hinweg morden, Anschläge verüben und rauben konnte, ohne dass sie von den Sicherheitsbehörden aufgedeckt und gestoppt wurde. Hier offenbart sich ein staatliches Versagen, das beispiellos ist. Zu dem staatlichen Versagen gehören neben der Nicht-Ermittlung des NSU auch die Beschuldigungen gegen die Opfer. Der NSU-Untersuchungsausschuss konnte feststellen, dass auch in Nordrhein-Westfalen Fehler bei den Sicherheitsbehörden gemacht wurden. Umso unverständlicher ist es, dass nur wenige Zeuginnen und Zeugen aus den Behörden ihre Arbeit vor dem Ausschuss kritisch reflektierten. Diese kritische Reflektion ist aber immanent wichtig, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. Neben dem staatlichen Versagen gibt es ein gesellschaftliches und politisches Versagen. Dafür steht sinnbildlich der Begriff „Dönermorde“. So wurden in vielen Presseberichten die Morde mit der Ceska-Tatwaffe bezeichnet, weil einzelne Opfer in Imbissen arbeiteten und sich die Taten bis auf eine Ausnahme gegen türkeistämmige Menschen richteten. Auch in der breiten Öffentlichkeit schenkte man den Berichten der Polizei Glauben, dass es sich bei der Ceska-Mordserie und dem Anschlag in der Keupstraße jeweils um organisierte Kriminalität, Schutzgelderpressungen oder Drogenkriminalität handeln müsse. In der Begründung für die Wahl der Bezeichnung „Dönermorde“ zum Unwort des Jahres 2011 heißt es zurecht: „Mit der sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechts-terroristischen Mordserie werden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden.” Der Begriff „Dönermorde“ ist daher als rassistisch zu werten, weil er Menschen durch ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe in Verbindung mit dem Vergleich zu einer Sache, einem Fleischspieß, abwertet und sie in ihrer Würde verletzt. Die Hilferufe der Angehörigen der Mordopfer, die nach dem 8. und 9. Mord der Ceska-Serie an Mehmet Kubaşık in Dortmund und Halit Yozgat in Kassel mit der Forderung „Kein 10. Opfer“ in den beiden Tatortstädten demonstrierten, wurden von der Gesellschaft und Politik letztendlich nicht gehört. Für die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Untersuchungsausschuss steht fest, dass Konsequenzen aus dem Versagen im Falle des NSU gezogen werden müssen. Die gemeinsamen Handlungsempfehlungen aller Fraktionen sind – vorausgesetzt sie werden in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt – ein notwendiger Baustein bei der Bekämpfung rechtsextremer Strukturen und zur Unterstützung von Opfern rassistischer und rechtsextremer Gewalt. Darüber hinaus schlagen wir weitergehende Handlungsempfehlungen vor. 776 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode II. Drucksache 16/14400 Kriminalisierung der Opfer Den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses war es fraktionsübergreifend wichtig, die Opfer der NSU-Verbrechen im Ausschuss zu hören. Der nordrhein-westfälische Untersuchungsausschuss war der erste parlamentarische Untersuchungsausschuss bundesweit, der die Opfer der NSU-Verbrechen in ihrem Ausschuss zu Wort kommen ließ. In Absprache mit den Betroffenen hat der Ausschuss die Opfer des Anschlags auf der Kölner Keupstraße, Abdulla Özkan, Sandro D’Alauro und Muhmammet Ayazgün, sowie die Ehefrau und Tochter des in Dortmund ermordeten Mehmet Kubaşık, Elif und Gamze Kubaşık, geladen. Die Zeuginnen und Zeugen schilderten sehr eindrücklich, dass sie bzw. ihre Familien sich von der Polizei verdächtigt fühlten und ihren Aussagen nicht geglaubt wurde. Durch die Anschuldigungen und die Art und Weise der Ermittlungen der Polizei wurden die Opfer zu potentiellen Täterinnen und Tätern gemacht. Das Verhalten der Polizei führte zu einer erneuten Viktimisierung der Opfer. Die Zeugin Gamze Kubaşık sagte vor dem Untersuchungsausschuss auf die Nachfrage zu den Verhaltensweisen der Polizei aus: „Ich muss sagen, es ist ja schon schlimm, wenn man den Vater verliert. Aber dass man uns dann auch noch den Stolz wegnimmt, das war das Schlimmste für mich. Die haben uns so viel kaputt gemacht. Wir hatten wenigstens Leute bzw. Bekannte, Verwandte, Nachbarschaft, die uns gemocht haben und die meinen Vater sehr gemocht haben. Immer wenn ich mit meinem Vater draußen war, hat jeder ihn gegrüßt. Ja, man mochte ihn einfach. Und durch diese ganzen Gerüchte haben die das alles kaputt gemacht. Jahrelang hat man uns verdächtigt, und es wurde so schlecht über uns geredet.“4309 Bei den Ermittlungen zum Anschlag in der Keupstraße suchte die Polizei die Täter während der gesamten Ermittlungsdauer im Bereich der organisierten Kriminalität, Schutzgelderpressungen und Drogendelikten bzw. im Umfeld der Keupstraße und der Geschädigten. Obwohl sämtliche dieser, oftmals lediglich auf Gerüchten und Mutmaßungen basierenden Spuren zu keinen konkreten Ermittlungsergebnissen führten, hat die Ermittlungsgruppe diese Ermittlungsrichtung auch in den Jahren 2005 und 2006 verbissen weiter verfolgt. Dabei setzte die Polizei auch Verdeckte Ermittler und V-Personen gegen die Bewohnerinnen und Bewohner der Keupstraße ein. Auch bei den Ermittlungen zum Mord an dem Dortmunder Kioskbetreiber Mehmet Kubaşık ist nicht nachvollziehbar, warum man den Ansatz der Drogenkriminalität nicht vollständig aufgab, obwohl es keine belastbaren Anhaltspunkte für BTM-Delikte des Mehmet Kubaşık gab. Die Ehefrau Elif Kubaşık und die Tochter Gamze Kubaşık berichteten dem Untersuchungsausschuss eindrücklich, dass die Ermittlungen in Richtung Drogenkriminalität zu einer Stigmatisierung in ihrem Umfeld und in der Familie führte. Unverhältnismäßig erscheinen uns auch die polizeilichen Observationen der Familie, ihrer Angehörigen und ihres Freundeskreises bei der Trauerfeierlichkeit sowie der Zusammenkunft anlässlich der Geburtstagsfeier für Mehmet Kubaşık. Auch die Befragung der in der Türkei lebenden Mutter und Schwester des Mordopfers durch türkische Polizisten eines Dezernats für „Organisierte Kriminalität“ belegt, dass zumindest bei Teilen der Ermittlungsbehörden auch zu einem späteren Zeitpunkt die Motive des Mordes im Zusammenhang mit der Person des Mordopfers gesucht wurden. Trotz der Beschreibungen der Täter durch Zeuginnen und Zeugen, den analysierten Ermittlungsansätzen aus der 2. Operativen Fallanalyse zur Ceska-Mordserie sowie weiteren, allgemeinen Hinweisen auf ein rechtsmotiviertes Delikt wurde nicht ernsthaft in Richtung eines 4309 Gamze Kubaşık, APr 16/1124 S. 36. 777 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 rassistischen Motivs ermittelt und stattdessen über Jahre nicht haltbare Ermittlungsansätze verfolgt. Da sich das Muster der Ermittlungen nicht nur bei dem Anschlag in der Kölner Keupstraße und dem Mord an Mehmet Kubaşık in Dortmund, sondern auch bei den anderen migrantischen Mordopfern des NSU wiederfand, muss hier von strukturellen Mechanismen ausgegangen werden, die dazu führten, dass Kriminalität gegen Migrantinnen und Migranten als Kriminalität im Umfeld des Opfers wahrgenommen wurde. Im Abschlussbericht der Macpherson-Kommission vom Frühjahr 1999, die die Arbeit der Polizei im Falle des rassistischen Mordes an Stephen Lawrence am 22. April 1993 in London untersuchte, wird „institutioneller Rassismus“ definiert als das „kollektive Versagen einer Organisation, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Kultur oder ethnischen Herkunft eine angemessene und professionelle Dienstleistung zu bieten. Er [institutioneller Rassismus] kann in Prozessen, Einstellungen und Verhaltensweisen gesehen und aufgedeckt werden, die durch unwissentliche Vorurteile, Ignoranz und Gedankenlosigkeit zu Diskriminierung führen und durch rassistische Stereotypisierungen, die Angehörige ethnischer Minderheiten benachteiligen.“ Die Ermittlungen bei den NSU-Verbrechen sind Ausdruck eines solchen institutionellen Rassismus bei den Sicherheitsbehörden. III. Gefahr des Rechtsterrorismus in NRW Den Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Untersuchungsausschuss war es besonders wichtig neben der Aufarbeitung der dem NSU zugerechneten Taten in NRW, dem Tod des V-Mannes Corelli, den Morden des Michael Bergers und des Anschlags am Düsseldorfer Wehrhahn die Entwicklung rechtsextremistischer Strukturen und das damit in Verbindung stehende Behördenhandeln seit den 1990er Jahren intensiv zu untersuchen. Der Verfassungsschutz NRW äußerte sich öffentlich seit 2000 stets dahingehend, dass mit der Entstehung eines Rechtsterrorismus nicht zu rechnen sei, unter anderem da die Szene nicht über die notwendigen logistischen Mittel und Infrastruktur verfüge. Zudem wog sich der Verfassungsschutz offenbar in der falschen Annahme, dass die V-Leute in der neonazistischen Szene ermöglichen würden, rechtsterroristische Strukturen bereits in ihren ersten Ansätzen erkennen zu können. Aufsehenerregende Gewalttaten, wie die Morde des Neonazis Michael Berger oder der Anschlag am Düsseldorfer Wehrhahn oder Veröffentlichungen der Neonazi-Szene über „Untergrundzellen“ führten dazu, dass der Verfassungsschutz NRW interne Einschätzungen zur Gefahr des Rechtsextremismus erstellte. Allerdings wurden keine Anhaltspunkte für rechtsterroristische Strukturen oder Bestrebungen ausgemacht.4310 Zwar formulierte der Verfassungsschutz NRW dabei ebenso regelmäßig, dass es keine vollständige Sicherheit vor rechtsterroristischen Gewalttaten geben könne und Taten von Einzeltäterinnen und -tätern oder Kleinstgruppen im Vorfeld nicht zu erkennen seien. Doch sobald neonazistische Einzeltäter, wie Michael Berger und Thomas A. oder die beiden auf den VivaÜberwachungskameras aufgezeichneten Bombenleger aus der Keupstraße, schwere Gewalttaten verübten, wurden diese nicht als möglicherweise rechtsterroristische Taten gewertet. Während über die Motive des Michael Berger auch nach Ende der Beweiserhebung dieses Ausschusses keine Klarheit besteht, so stellte Thomas A. in seinen Einlassungen gegenüber der Polizei und vor Gericht seine Taten explizit als politisch motiviert dar. Wir kommen deshalb zu dem Schluss, dass der Verfassungsschutz NRW seinem Anspruch, als „Frühwarnsystem“ zu fungieren, nicht gerecht geworden ist. Der Untersuchungsausschuss ist auch der immer noch ungeklärten Frage nachgegangen, ob der NSU auch in Nordrhein-Westfalen über Unterstützerinnen und Unterstützer verfügte. 4310 778 Vgl. Zweiter Teil, A. IV. 8. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Dazu hat sich der Ausschuss insbesondere mit Dortmunder Neonazis befasst, die als Propagandisten von „Combat 18“ bekannt waren und somit eine Sympathie für Rechtsterrorismus erkennen ließen. Ein Augenmerk wurde dabei insbesondere auf die „Oidoxie Streetfighting Crew“ gelegt, ein gemeinsames Projekt von Neonazis aus Dortmund und Kassel, wobei ein Kasseler Neonazi sogar eine Führungsposition innerhalb der Crew einnahm. Diese Verbindung wurde sowohl durch den Verfassungsschutz NRW als auch durch die BAO Trio nur unzureichend ausgeleuchtet. Der Untersuchungsausschuss konnte keine Belege finden, dass Personen aus dieser Gruppierung dem NSU bei seinen Taten geholfen haben. Allerdings ist festzustellen, dass Bestrebungen erkennbar waren, aus der „Oidoxie Streetfighting Crew“ Mitte der 2000er Jahre eine „Combat 18“-Zelle in Dortmund zu bilden. Und zwar in einen Zeitraum, in welchem in verschiedenen „Combat 18“ zugerechneten Magazinen eine Strategie des „führerlosen Widerstandes“ als bewaffneter Kampf von unabhängigen, kleinen Zellen propagiert wurde. Zeitgleich lagen Polizei und Verfassungsschutz zahlreiche Kenntnisse vor, dass sich Dortmunder Neonazis mit Schusswaffen ausrüsteten und versuchten, sich Sprengstoff zu verschaffen. Im Oktober 2003 wurde sogar eine funktionstüchtige Rohrbombe in Dortmund aufgefunden, die zwei Neonazis aus dem Kreis der „Oidoxie Streetfighting Crew“ bzw. der „Kameradschaft Dortmund“ zugerechnet werden konnte. Ebenso lagen Hinweise auf Schießübungen dieser Neonazis vor. Verfassungsschutz und Polizei war auch bekannt, dass der Personenkreis Kontakte zu einem verurteilten Waffenhändler aus Dortmund unterhielt, welcher der Vater eines der Crew-Mitglieder war. Ebenso war bekannt, dass der Dortmunder Personenkreis in Kontakt zu führenden „Combat 18“-Vertretern in England und Belgien stand. Lediglich konkrete Anschlagsplanungen wurden nicht bekannt. IV. Handlungsempfehlungen Aus dem Versagen bei den NSU-Verbrechen müssen Konsequenzen gezogen werden, damit rechtsterroristische Bestrebungen zukünftig frühzeitig erkannt und unterbunden werden können. Angesichts eines massiven Anstiegs rassistischer und rechtsextremer Gewalt, der sich zeitgleich zu der Arbeit des Untersuchungsausschusses aufgrund verschiedener gesellschaftlicher und politischer Faktoren vollzogen hat, gibt es keinerlei Anlass bei der Bekämpfung von rechtsextremen Strukturen und Organisationen sowie rassistischen und menschenfeindlichen Einstellungen nachzulassen. Dabei ist wichtig zu beachten, dass rassistische, antisemitische, autoritäre, nationalistische und andere dem Sammelbegriff „Rechtsextremismus“ zugeordneten Einstellungen tief in der Mitte der Gesellschaft verankert sind. Deshalb ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, gegen diese Einstellungen anzugehen. Die Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist unerlässlich und muss deshalb auch auskömmlich finanziert werden. Neben Demokratiebildung an allen Bildungseinrichtungen und Lernorten, Projekten der politischen Bildung, Wissensvermittlung und Sensibilisierung zu Rechtsextremismus und Rassismus sowie der Forschung in diesem Themenbereich braucht es die Unterstützung der demokratischen Zivilgesellschaft und der zu diesem Thema arbeitenden Beratungsstellen. Nordrhein-Westfalen kann auf starke Institutionen, die sich auf die Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus sowie auf Antidiskriminierung spezialisiert haben, zurückgreifen. Dazu gehören die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus, die Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt, die Aussteigerprogramme sowie die Antidiskriminierungsstellen. Sie stellen eine zentrale Unterstützungsstruktur in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus sowie gegen Diskriminierung sowohl für Betroffene und die demokratische Zivilgesellschaft als auch für staatliche Institutionen dar. Daher müssen diese Einrichtungen auch zukünftig vom Land auskömmlich gefördert werden. 779 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Die Untersuchungen des Ausschuss haben zahlreiche Ermittlungsfehler und Defizite bei Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaften gezeigt, insbesondere was das Erkennen(wollen) eines rechtsextremen Tatmotivs angeht. Dass man bei Opfern mit Migrationshintergrund die Täter im eigenen Umfeld der Geschädigten suchte und die Ermittlungsansätze der organisierten Kriminalität, Schutzgelderpressungen und Drogendelikte trotz fehlender Anhaltspunkte nicht fallen ließ, ist Ausdruck des Vorhandenseins eines institutionellen Rassismus bei den Ermittlungsbehörden. Das bedeutet weder den pauschalen Vorwurf eines individuellen Rassismus bei den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörden noch schließt diese Feststellung aus, dass die Beschäftigten unserer nordrhein-westfälischen Behörden für unsere demokratische Werte einstehen und dass es sehr wohl gegen Rechtsextremismus engagierte Beamtinnen und Beamte gibt. Das Erkennen und der selbstreflektierte Umgang mit solchen strukturellen Denk- und Handlungsweisen ist jedoch ein notwendiger Schritt, damit die Sicherheitsbehörden ihren Auftrag gegenüber allen Personen unabhängig ihrer Herkunft und ihres gesellschaftlichen Status erfüllen können. Der Untersuchungsausschuss hat sich intensiv mit der Arbeit und Rolle des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen auseinandergesetzt. Bereits im Jahr 2013 – vor Beginn des Untersuchungsausschusses – wurde das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz umfassend reformiert. Seitdem sind die Richtlinien für den Einsatz von V-Leuten gesetzlich geregelt. Sie umfassen zum Beispiel, dass V-Leute nicht vom Honorar des Verfassungsschutz leben können dürfen, dass die Verpflichtung befristet ist sowie dass die Zuständigkeit eines V-Mann-Führers für einen bestimmten V-Mann befristet ist, damit es nicht zu Abhängigkeiten kommt. Beschlossen wurden auch zusätzliche Regelungen zur Schaffung von Transparenz und zusätzlicher Kontrolle, zudem wurden die Befugnisse des Verfassungsschutzes abschließend und transparent im Gesetz aufgeführt. Diese Reform gilt es weiter zu entwickeln, zum Beispiel durch die Einführung einer oder eines ständigen Sachverständigen beim Parlamentarischen Kontrollgremium zur Unterstützung dieses Gremiums, wie in den gemeinsamen Handlungsempfehlungen aller Fraktionen aufgeführt. Neben den gemeinsamen Handlungsempfehlungen, die als Konsequenz aus dem Staatsversagen bei den NSU-Ermittlungen u.a.  die Gewährleistung der Weitergabe von Informationen vom Verfassungsschutz an die Polizei,  die Unterstützung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bei der Ausübung seiner Tätigkeit,  eine verbesserte Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verfassungsschutz, Polizei und Justiz zum Themenkomplex Rechtsextremismus und Rassismus,  eine vernetzte Zusammenarbeit von Beratungsstellen in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft und der Polizei,  einen verbesserten Opferschutz, z.B. durch den verpflichtenden Hinweis auf die spezialisierten Opferberatungsstellen und – im Einverständnis mit dem Opfer – die Weitergabe der Daten des Opfers an eine Beratungsstelle, damit diese sich an das Opfer wenden kann,  die auskömmliche Finanzierung von Beratungsstellen in der Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antidiskriminierung fordern, haben wir als Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Untersuchungsausschuss darüber hinausgehende Handlungsempfehlungen erarbeitet, die aus unserer Sicht wichtige Ergänzungen zu den obengenannten Forderungen enthalten: 780 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 1.) Einrichtung einer bzw. eines unabhängigen Polizeibeauftragten Notwendig ist eine Arbeitskultur, die die Diskurs- und Kritikfähigkeit bei der Polizei stärkt. Für Kritik, Beschwerden und Hinweise auf Missstände sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten soll die Stelle einer oder eines unabhängigen Polizeibeauftragten beim Landtag NRW eingerichtet werden. Dieses Amt soll unabhängig vom Innenministerium sein und vom Parlament gewählt werden. Die bzw. der Polizeibeauftragte soll Verbesserungsvorschläge für die Polizeiarbeit erarbeiten sowie Anliegen aus der Polizei an die Politik herantragen. Die bzw. der Polizeibeauftragte soll auch bei Beschwerden über die polizeiliche Ermittlungsarbeit bei rassistisch motivieren Fällen ansprechbar sein. 2.) Beauftragung einer Kommission zur Analyse rassistischer und diskriminierender Handlungsweisen bei der Polizei Die Polizei hat den Auftrag, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und Straftaten zu verfolgen. Diesen Schutzauftrag hat sie gegenüber allen Personen zu erfüllen, unabhängig der Herkunft oder des gesellschaftlichen Status. Rassistische Einstellungen und Vorurteile sind breit in der Bevölkerung vorhanden. Die Polizei ist auch ein Spiegel der Gesellschaft. Vorurteile und rassistische Einstellungen können, insbesondere wenn diese nicht nur individuell bei einzelnen Polizeibeamtinnen und -beamten vorhanden sind, sondern sich auch strukturell auf die Arbeitsweise oder die Ansicht über bestimmte Stadtteile oder Straßenzüge niederschlagen, gravierende Auswirkungen auf die Ermittlungsarbeit haben, wie im Falle der NSU-Verbrechen geschehen. Deshalb sollte eine Kommission eingerichtet werden, bestehend u.a. aus unabhängigen Expertinnen und Experten sowie Angehörigen der Polizei, um in einem ersten Schritt mögliche rassistische und diskriminierende Handlungsweisen der Polizei zu untersuchen sowie eine Untersuchung zu Vorurteilen bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten durchzuführen. Darauf aufbauend sollen in einem zweiten Schritt Handlungsmaßnahmen zur Vorbeugung und Verhinderung diskriminierender Polizeiarbeit entwickelt werden. 3.) Untersuchung zu Vorurteilen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin im Bereich der Justiz Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen und staatlichen Institutionen sind auch die Beschäftigten in der Justiz ein Spiegel der Gesellschaft, in der rassistische Einstellungen und Vorurteile quer durch alle gesellschaftlichen Schichten, Altersgruppen und Geschlechter verbreitet sind. Zu möglichen Vorurteilen bei Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sowie Richterinnen und Richtern sollte eine unabhängige Untersuchung durchgeführt werden. Zudem sollte überprüft werden, ob sich die Ergebnisse der Untersuchungen zu vorurteilsmotivierten Straftaten und deren Verfolgung durch Polizei und Justiz der Sachverständigen im Untersuchungsausschuss, Dr. Kati Lang, auch auf NRW übertragen lassen. Die Sachverständige analysierte in einer Untersuchung, wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte die Vorurteilsmotivation entsprechender Straftaten insbesondere mit Blick auf die Strafzumessung in einem eventuell später erfolgenden Urteil in den einzelnen Stadien des Strafverfahrens behandelten. Dazu untersuchte sie das polizeiliche Erfassungssystem der PMK-rechts und wertete sämtliche Verfahrensakten zu rechtsmotivierte Gewalttaten in Sachsen aus den Jahren 2006 und 2007 aus. Im Bereich der Polizei kommt sie zu dem Ergebnis, dass trotz eindeutiger Hinweise auf das Motiv der Tat in vielen Fällen nach Gründen gesucht wurde, die Tat nicht als politisch moti- 781 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 viert rechts einzuordnen. Schließlich machte die Sachverständige auf das nicht unbeachtliche Dunkelfeld aufmerksam, dass etwa durch Erfahrungen von institutionellem Rassismus, Diskriminierung, einer Opfer-Täter-Umkehr durch die Polizei oder auch aus Angst vor Rache durch die Täterinnen und Täter entstehe. In dem Bereich der Justiz stellte die Sachverständige fest, dass obwohl die Rechtslage bereits heute die Berücksichtigung entsprechender Tatmotive im Rahmen der Strafzumessung zulasse, die Praxis zeige, dass sie nur in geringem Maße berücksichtigt werden: Nur in jedem fünften der untersuchten Urteile wurden vorurteilmotivierte Beweggründe in die Strafzumessung einbezogen. Die Sachverständige kritisierte außerdem, dass die Besonderheit von vorurteilsmotivierten Straftaten nicht hinreichend gewürdigt werde und mehr als ein Viertel der untersuchten Verfahren und in denen die Täterinnen und Täter bekannt waren, eingestellt wurden. Sollten Untersuchungen in NRW zu ähnlichen Ergebnissen gelangen, müssen Maßnahmen gefunden werden, um den ursächlichen Mechanismen entgegenzuwirken. 4.) Untersuchung von nicht anerkannten Tötungsdelikten Es soll eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung der von zivilgesellschaftlichen Initiativen recherchierten aber von staatlichen Stellen nicht anerkannten Tötungsdelikte des polizeilichen Erfassungssystems „Politisch motivierte Kriminalität-rechts“ (PMK-rechts) in Nordrhein-Westfalen geben, wie in Brandenburg bereits geschehen. Sollten diese Untersuchungen zu dem Schluss kommen, dass eine rechte oder rassistische Motivation der Auslöser für die Tötungsdelikte waren, müssen diese entsprechend als politisch motivierte Gewalttaten anerkannt werden. 5.) Einführung eines NRW-Monitorings Vom Land sollte ein dauerhaftes Forschungsprojekt mit dem Ziel eines kontinuierlichen Monitorings rassistischer Einstellungen und Vorfälle in Nordrhein-Westfalen finanziert werden, um so auf Entwicklungen reagieren und nachhaltige Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus entwickeln zu können. Eine genaue Analyse der Phänomene Rechtsextremismus und Rassismus geht über die Beobachtung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen und politisch motivierten Straftaten hinaus. Sie muss Veränderungen in den Einstellungen und Diskursen der Gesellschaft einbeziehen, um hieraus weitere Handlungsoptionen ableiten zu können. 782 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 C. Sondervotum der Fraktion der FDP 1. Zusammenarbeit im Ausschuss und vorgelegter Bericht Die Zusammenarbeit zwischen allen Fraktionen war sowohl vertrauens- als auch qualitätsvoll. Letzteres spiegelt der Bericht in einigen Teilen leider nicht wieder. Das beruht zum einen auf Grund der Form, zum anderen auf Grund von Streichungen. 2. Motivation für die Tatortauswahl Seit der Selbstenttarnung des NSU sind über fünf Jahre vergangen. Trotz umfangreicher Aufarbeitung des NSU-Komplexes sind noch Fragen unbeantwortet. Dazu gehört auch, nach welchen Kriterien der NSU die Tatorte ausgewählt hat. Die im Bericht ausführlich geschilderte Theorie der „Blutzeugen“ ist dabei durchaus eine mögliche Erklärung. Eine weitere Erklärung hat die FDP im April 2015 vorgestellt. Ausgehend von der Annahme, dass Symbolik eine wichtige Rolle innerhalb der rechten Szene spielt, wurden die bisherigen bekannten Tatorte auf der Deutschlandkarte verbunden: Diese ergeben das NSU-Logo. Wobei ein Markerpunkt in Richtung Osten fehlt. Dies könnte ein Hinweis auf ein schon durchgeführtes aber noch nicht zugeordnetes Verbrechen sein, oder darauf, dass noch weitere Taten geplant waren. Eine entsprechende grafische Dokumentation hat die FDP im April 2015 sowohl dem GBA als auch dem OLG München zukommen lassen. Daraufhin teilte der GBA mit, dass in diesem Zusammenhang keine Anhaltspunkte für ein noch nicht zugeordnetes Verbrechen vorlägen. Eines hat sich während der Arbeit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss jedoch deutlich gezeigt: Fehlende Hinweise sind noch lange keine Garantie dafür, dass eine Theorie nicht zutreffen könnte. 783 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 3. Veralteter Terrorismusbegriff Nordrhein-westfälische Sicherheitsdienste sind weitestgehend durch den Terrorismusbegriff der RAF-Zeit geprägt (feste Strukturen, das Handeln wird von einer Führungsfigur vorgegeben, Anschläge müssen der eigenen Klientel vermittelbar sein). Dabei hat sich auch der Terrorismus angepasst, wie sich an den Beispielen von Al Quida, dem sogenannten Islamischen Staat und nicht zuletzt dem NSU gezeigt hat: Statt größerer Gruppen, die von einem Anführer geleitet werden, hat sich das Konzept der Einzeltäter durchgesetzt, die ohne Führungsfigur autonom Anschläge durchführen. Dieser „Paradigmenwechsel“ innerhalb der terroristischen Szenen sollte auch bei den Ermittlungen im Vordergrund stehen und umgesetzt werden. Es ist nicht zielführend, wenn breite theoretische Debatten darüber geführt werden, ob beispielsweise Combat-18 als „Gruppe“ oder „Terrorzelle“ bezeichnet werden kann, aber gleichzeitig Waffen gefunden werden. Die Meinung, es handele sich bei der rechten Szene in Nordrhein-Westfalen um vornehmlich harmlose rechte Spinner und Maulhelden, wie sie einige Zeugen vor dem PUA vertreten haben, ist irreführend. 4. Das Aussteigerprogramm aus dem Verfassungsschutz heraustrennen Das Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten muss organisatorisch von der Abteilung Verfassungsschutz getrennt werden. Es reicht nicht aus, dass es nur in einem eigenen Referat beim Verfassungsschutz angesiedelt ist. In der Vergangenheit ist es in mehreren Fällen vorgekommen, dass ausstiegswillige Personen bei ihrem angestrebten Ausstieg aus der Szene vom Verfassungsschutz nicht unterstützt worden sind. Im Gegenteil, sind sie vielmehr von ihm motiviert worden, sich der Szene wieder anzunähern, um so Informationen für den Verfassungsschutz zu gewinnen. Um einen solchen Interessenskonflikt gar nicht erst aufkommen zu lassen, ist es daher erforderlich, das Aussteigerprogramm vom Verfassungsschutz abzutrennen und in eine andere Abteilung zu integrieren. 784 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 D. Sondervotum der Fraktion der PIRATEN 1. Der Umgang der Ermittlungsbehörden mit den Opfern Gegenstand des Untersuchungsausschusses war nicht nur die Frage, welches Leid den Opfern des NSU durch dessen Taten zugefügt wurde, sondern auch, inwiefern die Ermittlungsbehörden dieses Leid noch vergrößert haben. Die dazu gewonnenen Erkenntnisse waren erschreckend und beschämend. „Elf Jahre lang durften wir nicht reines Gewissens Opfer sein“, so hat Semiya Şimşek, die Tochter des ersten Mordopfers Enver Şimşek, die Zeit zwischen dem Mord an ihrem Vater und dem Bekanntwerden des NSU beschrieben. Dies gilt auch für die Opfer des NSU und deren Angehörige in Nordrhein-Westfalen. Die Ermittler*innen haben sie über Jahre hinweg verdächtigt, haben verdeckte Ermittlungen gegen sie durchgeführt, haben ihnen vorgeworfen, nur unzureichend mit der Polizei zu kooperieren und mehr über die Hintergründe der Taten zu wissen und haben die Überlegungen der Opfer, dass die Taten einen rechtsradikalen Hintergrund haben müssen, bis zuletzt konsequent ignoriert. Dies hat dazu geführt, dass die zum Teil schwer verletzten und traumatisierten Menschen nicht die ihnen als Opfer zustehende Hilfe und Aufmerksamkeit bekommen haben. Stattdessen mussten sie unzählige, stundenlange Vernehmungen über sich ergehen lassen, in denen sie zwar formell als Zeug*innen geführt, von den Vernehmungspersonen jedoch wie Täter*innen behandelt wurden. In diesen wurden ihnen Vorhalte seitens der Polizei gemacht, die jeglicher Grundlage entbehrten und völlig haltlos waren. Dabei muss angemerkt werden, dass diese Vernehmungen nicht im Wortlaut protokolliert wurden. Somit bleibt die Vermutung, dass die tatsächlichen Vorhalte und Fragen der Vernehmungsbeamt*innen noch weit über das niedergeschriebene hinausgingen. Dies wurde auch durch Zeug*innen vor dem Untersuchungsausschuss so bestätigt. Hinzu kamen Ermittlungen im Umfeld der Opfer, die dazu geführt haben, dass diese stigmatisiert wurden und ihr Leben in erheblichem Maße zusätzlich erschwert wurde. Auch als klar war, dass die Opfer und ihre Angehörigen nicht in „kriminelle Machenschaften“ verwickelt waren und kein Täter*innenwissen haben, wurde durch die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft dies nicht nach außen kommuniziert, so dass das Umfeld der Opfer diese weiter verdächtigt hat. Die Schilderungen der Witwe und der Tochter von Mehmet Kubaşık und der durch den Nagelbombenanschlag in der Keupstraße verletzten Personen vor dem Untersuchungsausschuss haben sehr eindrücklich geschildert, wie diese Ermittlungen und Verdächtigungen sie und ihre Familien in großem Ausmaß zusätzlich belastet haben. Auch an dieser Stelle sei ihnen für ihre offenen Aussagen und ihre damit verbundenen Mühen gedankt! Wie diese Menschen, die durch die Taten verursachten seelischen und körperlichen Verletzungen und ihre Trauer dargestellt haben, war tief bewegend. Ihre Schilderungen zu ihren zusätzlichen, vermeidbaren Schmerzen, die durch die Behandlung durch die Polizei und Darstellung als Täter*innen und eben nicht als Opfer ausgelöst wurden, haben wütend gemacht. In welchem Umfang und über welchen Zeitraum hinweg es diesen Menschen fast unmöglich gemacht wurde, ihren Verlust zu verarbeiten, ihre Wunden zu heilen und den Weg zurück ins Leben zu finden, ist unfassbar. Es bleibt die Frage, wie es zu diesem Umgang mit den Opfern kommen konnte. 785 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ein Teil der Antwort befindet sich in den Ermittlungsakten. Beispielhaft sei hier ein Teil der polizeilichen Begründung zur Verlängerung des Einsatzes von verdeckten Ermittlern auf der Keupstraße genannt. Darin heißt es: „Aufgrund des besonderen Milieus der Keupstr.- es handelt sich fast ausschließlich um Türken - gestaltet sich die Kontaktanbahnung naturgemäß schwierig.“4311 Hier wird ganz deutlich, dass ein vorgefertigtes, völlig undifferenziertes Bild „der Türken“ bei der Polizei vorhanden ist. Die Menschen auf der Keupstraße, zu denen die verdeckten Ermittler Kontakt aufnehmen sollten, werden nicht als Opfer des Nagelbombenanschlags, als Geschäftsinhaber*innen oder als Bewohner*innen und Besucher*innen der Straße gesehen, sondern ausschließlich als „Türken“. Außerdem wird all diesen Menschen gleichermaßen zugeschrieben, dass eine Kontaktaufnahme zu ihnen schwierig sei. Diese Aussage ist insgesamt nicht nur falsch, sie zeugt auch von einer erschreckenden Weltanschauung. Auch an unzähligen anderen Stellen wird deutlich, dass ein vorgefertigtes Bild der Opfer bei den ermittelnden Personen vorhanden war. Es wurde jahrelang und mit großem Aufwand ermittelt, ob die Opfer Kontakte zur organisierten Kriminalität hatten, mit Drogen handelten, in Schutzgelderpressungen involviert waren, mit der PKK zu tun hatten oder Teil des Rotlichtmilieus waren. Auch als ziemlich klar war, dass die Opfer der Mordserie und Anschläge nichts mit dem gerade genannten zu tun und auch keinerlei Verbindung untereinander hatten, wurde weiter in diese Richtung ermittelt und ein krimineller Hintergrund der Opfer in Betracht gezogen. Schwer vorstellbar, dass dies in diesem Ausmaß auch bei „deutschen“ Opfern geschehen wäre. Bei den beteiligten Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften war dieses vorgefertigte Bild sehr gefestigt. Aus den Akten geht deutlich hervor, dass nicht nur einzelne Ermittler*innen die Opfer entsprechend eingeordnet haben, sondern dass dies insgesamt die vorherrschende Auffassung war, die sich durch die gesamten Ermittlungen gezogen hat. Zu keinem Zeitpunkt wurde dieses Bild thematisiert oder in Frage gestellt. Dies hat auch dazu geführt, dass ein außerhalb der Personen der Opfer liegender Hintergrund der Taten, namentlich ein rechtsterroristischer Hintergrund, nie ernsthaft in Betracht gezogen und nicht in diese Richtung ermittelt wurde. Weder nach den Sprengstoffanschlägen in Köln, noch nach dem Mord in Dortmund, hat die Polizei sich mit dieser Möglichkeit befasst. Es wurde zwar regelmäßig seitens Polizei und Staatsanwaltschaft gesagt, dass ein rechtsterroristisches Motiv nicht ausgeschlossen worden sei. Trotzdem wurde nie in diese Richtung ermittelt, so dass es letztendlich auch unerheblich ist, ob ein rechter Hintergrund „offiziell“ ausgeschlossen oder ob einfach nur nicht in diese Richtung ermittelt wurde. Diese, möglicherweise unbewussten, Handlungsmuster staatlicher Behörden müssen als das benannt werden, was sie sind. Es handelt sich dabei um institutionellen Rassismus. Der institutionelle Rassismus war jedoch nicht der einzige Grund, warum ein rechtsterroristischer Hintergrund der Taten nicht in Betracht gezogen wurde. Weitere wesentliche Faktoren, die dazu beigetragen haben, waren Unwissenheit und Fehleinschätzungen der handelnden Personen. Unzählige Male wurde bereits im Rahmen der Ermittlungen, aber auch noch vor dem Untersuchungsausschuss durch Vertreter*innen von Polizei und Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass ein politisches Motiv nicht in Betracht zu ziehen war, da keine Tatbekennung erfolgte. Oftmals wurde auf die RAF verwiesen, die sich schließlich in Erklärungen 4311 786 Vermerk des PP Köln vom 29.11.2005, A62167 S. 177. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 zu ihren jeweiligen Taten bekannt habe. Auch von Ermittler*innen, die regelmäßig mit Staatsschutzdelikten befasst sind, war dies zu hören. Es war quasi kein Wissen bei Polizei und Staatsanwaltschaft dazu vorhanden, dass in zahlreichen Schriften der rechtsextremen Szene gerade dieses Vorgehen propagiert wird und auch schon oftmals in die Tat umgesetzt wurde. „Taten statt Worte“, also das Konzept, dass die Tat für sich spricht und keiner Bekennung bedarf, hat der NSU nicht erfunden, er hat es übernommen von anderen Rechtsterrorist*innen. Es ist erschreckend, dass diese Handlungsweise bei den Ermittler*innen nicht bekannt war und nicht erkannt wurde. Dabei muss festgestellt werden, dass dieses perfide Konzept aufgegangen ist. Die Opfer bzw. deren Angehörige, aber auch andere Kleingewerbetreibende mit einem migrantischen Hintergrund haben genau gemerkt, dass sich die Taten gegen sie richten und waren verunsichert. Die staatlichen Institutionen haben es nicht erkannt. Bei den Vernehmungen von Zeug*innen vor dem Untersuchungsausschuss musste leider festgestellt werden, dass diese bis jetzt nicht erkannt haben, dass es ein Fehler war, dass ein rechtsterroristischer Hintergrund zumindest faktisch ausgeschlossen wurde. Regelmäßig hieß es in den Aussagen, dass es ja keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben habe und dass alles Notwendige getan worden sei. Dabei wird zum einen nach wie vor völlig verkannt, dass es auch für eine Einbindung der Opfer in wie auch immer geartete kriminelle Geschäfte, wenn überhaupt, nur ganz, ganz vage Anhaltspunkte gab, die oftmals auf sehr dubiosen Aussagen beruhten. Dennoch wurde diesen „Spuren“ regelmäßig intensiv nachgegangen. Hinweise der Opfer, dass Neonazis die Täter*innen seien, operative Fallanalysen, die einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Täter darstellten, Hinweise auf vergleichbare Anschläge mit rechtsterroristischem Hintergrund durch Dave Copeland und vieles mehr wurde hingegen konsequent ignoriert. Auch wenn diese Anhaltspunkte in den meisten Fällen nicht auf eine konkrete Person hingewiesen haben und es durchaus ungewiss ist, ob Ermittlungen zu einem rechtsterroristischen Hintergrund zum NSU geführt hätten, hätten diese erfolgen müssen. Die Bekundungen von Polizei und Staatsanwaltschaft, dass die Ermittlungen im Wesentlichen korrekt gewesen seien, sind absolut erschreckend. Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, dass sich ein solches Versagen der Ermittlungsbehörden nicht wiederholt. Dafür ist zunächst notwendig, dass auch Polizei und Staatsanwaltschaft erkennen, dass die Ermittlungen völlig unzureichend waren. Solange diese jedoch weiter darauf beharren, im Wesentlichen alles richtig gemacht zu haben, wird keine Aufarbeitung der Fehler stattfinden. Weiter ist notwendig, dass auch innerhalb der Behörden der vorhandene institutionelle Rassismus erkannt wird, die Ursachen dafür ausfindig gemacht und benannt werden und anschließend entschieden dagegen vorgegangen wird. 2. Ermittlungen nach 2011 Zahlreiche Versäumnisse haben dazu geführt, dass die schrecklichen Taten des NSU nicht verhindert werden konnten. Nach dem Bekanntwerden des NSU wurde den Opfern und ihren Angehörigen von verschiedenen staatlichen Stellen größtmögliche Aufklärung versprochen. Es muss jedoch festgestellt werden, dass diesem Versprechen von staatlicher Seite nicht ausreichend nachgekommen wurde. a. Ermittlungsbehörden Nicht nachvollziehbar ist, warum sich die ermittelnden Behörden sehr schnell darauf festgelegt haben, dass dem NSU lediglich drei Personen angehörten. Dagegen spricht schon das Video, mit dem sich der NSU zu den Taten bekennt. Darin heißt es gleich zu Beginn, dass es sich bei dem NSU um ein Netzwerk von Kameraden handele. Ein Netzwerk bestehend aus drei Personen ist jedoch nur schwer vorstellbar. Zumindest aus den ersten Jahren nach dem 787 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 „Abtauchen“ des NSU liegen außerdem auch eine Fülle von Informationen dazu vor, dass zahlreiche Personen in die Unterstützung von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eingebunden waren. Bis zum Bekanntwerden des NSU gab es Personen, die Kontakt zu den Dreien hatten. Zu keinem Zeitpunkt handelte es sich um eine von dem Rest der Szene isolierte Gruppe. Zur Aufklärung der Verbrechen ist es notwendig, nicht nur die einzelnen Tatbeiträge von Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe sowie den wenigen weiteren vor dem 6. Strafsenat des OLG München Angeklagten zu ermitteln. Es bedarf einer viel grundlegenderen Aufarbeitung der Einbindung dieser drei Personen in bundesweite Neonazistrukturen. Durch die frühe und womöglich vorschnelle Festlegung darauf, dass der NSU aus nur drei Personen bestand, wurde unzureichend ermittelt, ob möglicherweise weitere Personen in die Taten involviert waren. Insbesondere bei dem Anschlag in der Probsteigasse bestehen ganz erhebliche Zweifel daran, dass tatsächlich Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos der Ableger des Sprengsatzes waren. Weitere Neonazis, die aufgrund der Aussage der Zeug*innen bzw. ihrer Ähnlichkeit zu dem Phantombild auffielen, wurden nicht zu diesem Anschlag befragt und es fanden auch keine nennenswerten weiteren Ermittlungen in diese Richtung statt. Es gab verschiedene Hinweise auf einen Aufenthalt von Mitgliedern des NSU in NRW und auf Kontakte zwischen diesen Mitgliedern und Neonazis aus NRW. Diese Hinweise wurden insgesamt kaum verfolgt. Beispielhaft sei hier genannt, dass den Hinweisen darauf, dass Mitglieder des NSU an dem Jahresabschlusstreffen der Kameradschaft Köln 2009 teilgenommen haben sollen, nur völlig unzureichend nachgegangen wurde.4312 Der Anregung des PP Bonn, weitere Teilnehmer*innen dieser Veranstaltung zu vernehmen, wurde aus unerklärlichen Gründen nicht gefolgt. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Auswahl der Probsteigasse als Tatort durch Böhnhardt und Mundlos sehr fragwürdig ist, wäre es außerordentlich wichtig gewesen, Verbindungen zwischen dem NSU und der Kameradschaft Köln zu überprüfen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sich die Kameradschaft Köln nach Walther Spangenberg benannt hat und dieser ganz in der Nähe der Probsteigasse gestorben ist. Gerade auch die Frage, wie, von wem und warum die Opfer und Tatorte ausgewählt wurden, beschäftigt viele der Opfer und Angehörigen bis heute sehr. Hier ist es durchaus möglich, dass Mitglieder der Neonaziszenen in den Tatortstädten an der Auswahl in irgendeiner Form beteiligt waren. Die Ermittlungen dazu waren bislang völlig unzureichend. Leider konnte auch der Untersuchungsausschuss diesbezüglich keine neuen Erkenntnisse gewinnen. Allerdings wurde an vielen Stellen deutlich, wo weitere Ermittlungen stattfinden müssen. Beispielsweise müsste die Verbindung von Neonazis aus Dortmund und Kassel sehr intensiv untersucht werden. Die Ermittlungsbehörden müssen dringend weiter in diese Richtung ermitteln. b. Verfassungsschutzbehörden Die Verfassungsschutzbehörden haben vor 2011 überhaupt nicht dazu beigetragen, die Morde, Anschläge und Überfälle des NSU aufzuklären und zu stoppen. Unzählige V-Personen im nächsten und weiteren Umfeld der Terrorist*innen haben keine Informationen geliefert, die zu einer Ergreifung dieser Personen geführt haben. Fast noch erschreckender jedoch ist das Verhalten der Verfassungsschutzbehörden nach 2011. Die versprochene rückhaltlose Aufklärung wurde mit zahlreichen Mitteln verhindert. 4312 788 Zu Vgl. Zweiter Teil E. V. 5. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Manche Aktenschredderei und Geheimniskrämerei lässt sogar den Gedanken zu, dass die (unzureichenden) Aufklärungsbemühungen anderer Stellen bewusst nicht unterstützt wurden. Auch der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hat nur sehr bedingt zur Aufklärung der Taten beigetragen. Grund dafür war zum einen, dass ihm schlicht Erkenntnisse gefehlt haben. Oftmals lagen jedoch auch Erkenntnisse vor, die dann jedoch nicht zusammengeführt und ausgewertet wurden. Zwar wurden zu einigen wenigen Sachverhalten Erkenntnisse an den GBA weitergegeben, diese waren jedoch insgesamt unzureichend. Über „Combat 18“ Strukturen in Dortmund wurden beispielsweise keinerlei Informationen übermittelt. 3. Grundsätzliche Probleme des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz hat jedoch nicht „nur“ in diesen konkreten Fällen versagt, vielmehr bestehen grundsätzliche Probleme. a. Der Einsatz von V-Personen Eines davon stellt die Führung von V-Personen in der rechten Szene dar. Diese erhalten für ihre Tätigkeit Geld, welches oft nicht „privat“ ausgegeben, sondern zur Finanzierung rechtsextremer Aktionen genutzt wird. Dadurch wird der Aufbau der Szene gefördert. Außerdem gibt es V-Personen, die nach ihrer Enttarnung angaben, dass die Organisation, welche sie im Auftrag des Verfassungsschutzes beobachten sollten, über ihre Tätigkeit für den Verfassungsschutz informiert waren. Zwar mag dies zumindest zum Teil auch eine Schutzbehauptung der V-Personen sein, um nicht als „Verräter*innen“ dazustehen, es kann aber davon ausgegangen werden, dass diese in einigen Fällen auch zutraf. Dabei ist für den Verfassungsschutz nicht erkennbar, welche V-Personen in der Szene ihre Tätigkeit für den Verfassungsschutz offenbaren und kann dementsprechend auch nicht darauf reagieren und die entsprechende V-Person abschalten. Zwar können Informationen von V-Personen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden, indem sie mit denen anderer V-Personen bzw. öffentlich zugänglichen Informationen abgeglichen werden. Es ist aber nur sehr schwer bzw. fast unmöglich nachprüfbar, ob die Angaben einer V-Person vollständig sind. Im Gegenteil, es muss davon ausgegangen werden, dass sie in den meisten Fällen nicht vollständig sind. Zahlreiche Verfassungsschutzmitarbeiter*innen haben vor dem Untersuchungsausschuss angegeben, dass sie keine Informationen von V-Personen bekommen haben, die dazu beitragen konnten, erhebliche Straftaten zu verhindern oder aufzuklären. Im Untersuchungszeitraum wurden jedoch auch in NRW zahlreiche ganz erhebliche Straftaten von Neonazis begangen. Alleine das zeigt, dass der Verfassungsschutz zu keinem Zeitpunkt umfassend informiert war. Besonders problematisch daran ist, dass sowohl der Verfassungsschutz als auch die Polizei, davon ausgegangen sind, dass sie umfassend informiert seien und es mitbekommen würden, wenn erhebliche, insbesondere auch terroristische Straftaten, von Neonazis verübt werden. Da die V-Personen aber keine entsprechenden Informationen geliefert haben, wurde oftmals davon ausgegangen, dass Straftaten auch keinen rechtsextremen Hintergrund haben, so dass nicht in diese Richtung ermittelt wurde. Auch diese fatale Fehleinschätzung hat dazu geführt, dass insbesondere nach dem Anschlag in der Keupstraße ein rechtsterroristischer Hintergrund nicht in Betracht gezogen wurde – die Polizei ist davon ausgegangen, dass bei dessen Vorliegen der Verfassungsschutz Informationen dazu haben müsste. 789 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 b. Unzureichende Kontrolle Auch die Kontrolle des Verfassungsschutzes ist völlig unzureichend. Schon innerhalb des Verfassungsschutzes sind erhebliche Defizite feststellbar. Bereits die Zusammenarbeit zwischen einer V-Person und deren Führungsperson ist nicht kontrollierbar. Ob die Führungsperson tatsächlich alle Informationen weiterleitet, die sie von der V-Person bekommt, ist für niemanden nachvollziehbar. So entscheidet bereits die Führungsperson darüber, welche Informationen als erheblich einzustufen sind und welche Informationen vorgesetzte Stellen nicht bekommen sollen, um die V-Person nicht in Misskredit zu bringen und möglicherweise kritische Nachfragen zu umgehen, warum diese V-Person angeworben und geführt wurde. Die „Kontrolle“ des Verfassungsschutzes durch das Parlament verdient diesen Namen kaum. Das parlamentarische Kontrollgremium hat keinerlei Möglichkeiten, um nachzuvollziehen, ob es tatsächlich umfassend informiert wird. Es muss darauf vertrauen, dass alle erheblichen Informationen auch weitergegeben werden. Die Vergangenheit hat jedoch oft genug gezeigt, dass dieses Vertrauen durch den Verfassungsschutz missbraucht wurde. c. Schlussfolgerung Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Defizite des Verfassungsschutzes in allen Bereichen so erheblich sind, dass dieser nicht reformierbar ist. Diese Behörde finanziert die Arbeit von Neonazis, analysiert die rechtsextreme und rechtsterroristische Szene nur völlig unzureichend, genügt rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht und ist nicht kontrollierbar. Eine solche Institution muss abgeschafft werden. Die gemeinsamen Handlungsempfehlungen sind, soweit sie sich auf den Verfassungsschutz beziehen, lediglich als Sofortmaßnahmen zu verstehen, da sich auf absehbarer Zeit keine politische Mehrheit für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes finden wird. Mittelfristiges Ziel muss jedoch die Abschaffung des Verfassungsschutzes sein. Stattdessen bedarf es unabhängiger, wissenschaftlicher Forschung zum Thema Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus, welche die gewonnen Erkenntnisse der Öffentlichkeit uneingeschränkt zur Verfügung stellt. d. Ergebnisse der Arbeit des Untersuchungsausschusses Der Untersuchungsausschuss sollte sich mit einem möglichen Fehlverhalten des nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzes befassen. Die Ergebnisse dazu konnten nur in einem völlig unzureichenden Maße in diesem Abschlussbericht dargestellt wurde, da zahlreiche Akten und Aussagen von Mitarbeiter*innen aus „Quellenschutzgründen“ und ähnlichem nicht öffentlich dargestellt werden dürfen. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses bleibt somit an dieser Stelle wirkungs- und damit sinnlos. 4. Umgang mit rechter Gewalt Ein Problem, das nicht nur im Rahmen des Untersuchungsausschusses sehr deutlich wurde, ist die Darstellung von rechtsterroristischer Gewalt durch die Ermittlungsbehörden und den Verfassungsschutz. Im Bereich der Polizei und Staatsanwaltschaft wurde dies ganz besonders bei Michael Berger, der drei Menschen ermordet hat, deutlich. Sehr schnell nach dessen Taten wurde er in der Öffentlichkeit als Einzeltäter dargestellt, der die Tat aus „privaten“ Motiven begangen habe. Seine offen zur Schau getragene rechte Gesinnung wurde nicht als mögliches Motiv benannt und seine Einbindung in die Dortmunder Neonaziszene heruntergespielt. Es gibt zahlreiche andere Fälle, in denen klar rechtsmotivierte Straftäter als „Einzeltäter“, „Waffennarren“ und insgesamt „unpolitisch“ dargestellt werden. 790 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Ein ähnliches Munster ist auch bei den Bewertungen des Verfassungsschutzes zu erkennen. Beispielhaft seien hier die „Combat 18“ - Strukturen in Dortmund genannt. Obwohl es zahlreiche Hinweise darauf gab, dass sich dort eine Zelle gebildet hatte und 2011 auch ein Mitglied dieser Zelle deren Existenz bestätigte, verneint der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz bis heute deren Existenz. Seiner Meinung nach sei das „C18-Label“ nur zur eigenen Aufwertung genutzt worden. Die Gefährlichkeit dieser Strukturen wird damit massiv herabgespielt. Notwendig ist jedoch eine konsequente Benennung und Bekämpfung rechtsterroristischer Strukturen und Gewalt. Der erste Schritt dafür ist, dass eine umfassende Analyse und Bewertung rechter Strukturen erfolgt und anschließend entschlossen dagegen vorgegangen wird. Durch Verharmlosen und Herabspielen werden diese Strukturen und Personen nicht von der Bildfläche verschwinden. Dabei ist die Bekämpfung der rechtsextremen Gewalt nicht nur eine Aufgabe der Behörden, sondern der ganzen Gesellschaft. Wir alle müssen uns entschieden gegen jede Form dieser Gewalt stellen. Außerdem verdienen die Opfer rechtsextremer Gewalt nicht nur, dass sie von der Polizei angemessen behandelt werden, sie verdienen auch gesellschaftliche Aufmerksamkeit, Solidarität und Unterstützung. Dafür ist auch notwendig, dass entsprechend spezialisierte Opferberatungsstellen viel weitergehender unterstützt werden als bisher, nicht zuletzt auch finanziell. Es muss sichergestellt werden, dass diese ausreichend und langfristig alle notwendigen Mittel zur Verfügung haben. 5. Der Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn Der Untersuchungsausschuss sollte sich laut Einsetzungsbeschluss auch mit dem Sprengstoffanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn befassen. Um die parallel laufenden Ermittlungen der Polizei zu diesem Anschlag nicht zu gefährden, befasste sich der Ausschuss erst nach der Festnahme eines Tatverdächtigen mit diesem Anschlag. Dadurch konnte sich der Ausschuss nicht ansatzweise in ausreichendem Maße mit einem möglichen Fehlverhalten der Behörden in diesem Zusammenhang befassen. Wichtig ist nun, dass die Behörden aus den Ermittlungen zum NSU gelernt haben und nicht die gleichen Fehler machen. Sie dürfen sich nicht vorschnell darauf festlegen, dass es sich bei dem festgenommenen Ralf S. um einen Alleintäter gehandelt hat und dessen Einbindung in rechte Strukturen ignorieren. Es ist durchaus vorstellbar, dass Ralf S. die Tat nicht alleine geplant und ausgeführt hat und dass es weitere Tatbeteiligte oder zumindest Mitwisser*innen gab. Hier muss weiter ermittelt werden, um gegen mögliche Mittäter*innen vorgehen zu können. Dazu muss das Umfeld von Ralf S., die rechtsextreme Szene in Düsseldorf, und deren Einfluss auf Ralf S. eingehend untersucht werden. Welche Personen haben dort eine maßgebliche Rolle gespielt? Warum wurde auf dem von Sven S betriebenen „Nationalen Infotelefon“ wenige Tage nach dem Anschlag Bezug auf diesen genommen und von „Bombenstimmung in Düsseldorf“ gesprochen? Wieso gab es sowohl 2000 als auch 2006 Aufzüge von Neonazis, die ebenfalls die „Bombenstimmung“ thematisierten? Welche Personen wussten mehr über den Anschlag, als sie bislang angegeben haben? Warum hat der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die Polizei erst 2012 darüber informiert, dass es eine V-Person im direkten Umfeld des schon damals Tatverdächtigen gab? Gab es weitere V-Personen in der Düsseldorfer Neonaziszene 791 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 und welche Informationen haben diese über den Anschlag und den Tatverdächtigen geliefert? Welche Kontakte hatten Neonazis aus Düsseldorf zu Neonazis aus anderen Städten und Ländern? Inwiefern waren Neonazis in rechtsterroristische Strukturen wie „Blood&Honour“ und „Combat 18“ eingebunden? Was wussten die Behörden aus Nordrhein-Westfalen über diese Kontakte und wie wurde damit umgegangen? Und nicht zuletzt: Warum wurde Ralf S. erst knapp 17 Jahre nach der Tat festgenommen? 6. Fazit und Ausblick Nach Beendigung der Arbeit des Untersuchungsausschusses bleiben leider zu viele Fragen offen. Zwar wurde an zahlreichen Stellen sehr deutlich, dass Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und der Verfassungsschutzbehörden bei den Ermittlungen zum NSU versagt haben. An vielen Stellen war jedoch eine weitere Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss nicht möglich. Dafür sind verschiedene Gründe anzuführen. Nicht zuletzt hat Zeit gefehlt, um weitere Zeug*innen zu vernehmen und weitere Akten anzufordern und auszuwerten. Einige Gründe dafür liegen jedoch auch außerhalb des Untersuchungsausschusses. Zeug*innen bekamen zum Teil nur Aussagegenehmigungen für nicht-öffentliche Sitzungen, so dass auch deren Aussagen nur einer sehr überschaubaren Anzahl an Personen bekannt geworden sind und somit nicht zur dringend notwendigen öffentlichen Aufarbeitung des Behördenhandelns beigetragen haben. Zu oft wurden Akten durch die herausgebenden Behörden als Verschlusssachen eingestuft, so dass eine öffentliche Thematisierung der Inhalte nicht möglich war. Herabstufungen dieser Akten, die zumindest eine Darstellung der wesentliche Komplexe im Abschlussbericht möglich gemacht hätten, erfolgten nicht oder reichlich spät. Auf angeforderte Akten musste der Untersuchungsausschuss teilweise länger als erhofft warten. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass auch den zuliefernden Behörden bekannt war, dass der Untersuchungsausschuss nur einen begrenzten Zeitraum für seine Arbeit zur Verfügung hat. Insgesamt konnte der Untersuchungsausschuss daher nicht in dem Maße zur Aufklärung beitragen, wie er es den Opfern und ihren Angehörigen, aber auch der gesamten Öffentlichkeit schuldig gewesen wäre. Eine konsequente Aufarbeitung der Taten und der Strukturen, die sie ermöglicht haben, ist dringend notwendig. Es bleibt zu hoffen, dass diese nicht nur weiter von Journalist*innen und außerparlamentarischen Organisationen, sondern auch endlichen von staatlicher Seite betrieben wird. 792 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14400 Anlagenband zur Drucksache 16/14400 793 Anlage 1 zu Drucksache 16/14400 Übersicht der Sitzungen des PUA III lump s unkte o 4) s kz—z,—.2.4tZ:+--7,-:---.%--Fer'‹ ;-2.--Z77----Z neZanta—faZ:IL'ar;:alfzteigz, efügittefi=ia r -a urt 01. 16.12.2014 n. ö. 1. Konstituierung 2. Vorläufige Verfahrensregeln 3. Festlegung von Sitzungsterminen im Jahr 2015 4. Beweisanträge 5. Beschlüsse zu Hearings 6. Verschiedenes nöAPr 16/116 02. 20.01.2015 ö. 1. Hearing — Polizei APr 16/794 n.ö. 2. Verschiedenes nöAPr 16/120 ö. 1. Hearing — Verfassungsschutz APr 16/815 n.ö. 2. Verschiedenes nöAPr 16/123 ö. 1. Hearing — Justiz APr 16/837 n.ö. 2. Verschiedenes nöAPr 16/129 1. Hearing — Die Entwicklung der extremen Rechten vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bedingungen seit 1990/1991 APr 16/860 n.ö. 2. Verschiedenes nöAPr 16/132 ö. 1. Hearing — Die Neonazi-Szenen in NRW in den 1990er und 2000er Jahren APr 16/868 03. 04. 05. 06. 27.01.2015 03.03.2015 13.03.2015 24.03.2015 2. Verschiedenes 07. 08. 794 16.04.2015 22.06.2015 ö. 1. Hearing— Militante rechtsradikale Gruppierungen in NRW und Organisierte Gewalt durch Neonazis APr 16/872 n.ö. 2. Verschiedenes nöAPr 16/135 n.ö. 1. Beweisanträge der Fraktionen 2. Termine 2016 3. Verschiedenes nöAPr 16/152 Anlage 1 zu Drucksache 16/14400 09. 10. 19.08.2015 20.08.2015 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Jansen 2. Vernehmung des Zeugen Schlotterbeck 3. Vernehmung des Zeugen Mittler APr 16/949 n.ö. 4. Verschiedenes nöAPr 16/157 ö. 1. 2. 3. 4. APr 16/952 n.ö. 11. 12. 13. 25.08.2015 07.09.2015 09.09.2015 10.09.2015 17.09.2015 Fortsetzung TOP 4 5. Verschiedenes nöAPr 16/160 ö. 1. Vernehmung der Zeugin Koller 2. Vernehmung des Zeugen Hoppe APr 16/960 n.ö. 3. Verschiedenes nöAPr 16/164 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Wolf 2. Vernehmung des Zeugen Lehmann APr 16/982 n.ö. 3. Verschiedenes nöAPr 16/168 ö. 1. 2. 3. 4. APr 16/983 n.ö. 5. Verschiedenes nöAPr 16/169 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Demir 2. Vernehmung des Zeugen Baumeister 3. Vernehmung des Zeugen Klonz 4. Vernehmung des Zeugen Clauer APr 16/984 n.ö. 5. Verschiedenes nöAPr 16/170 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Voß 2. Vernelimung des Zeugen Gebert APr 16/994 n.ö. 3. Verschiedenes nöAPr 16/172 14. 15. Vernehmung des Zeugen Trumm Vernehmung des Zeugen Kretzer Vernehmung der Zeugin Vaggenreiter Vernehmung des Zeugen Schnieder Vernehmung des Zeugen Weber Vernehmung des Zeugen Setzer Vernehmung des Zeugen Spliethoff Vernehmung des Zeugen Schu 795 Anlage 1 zu Drucksache 16/14400 16. 22.09.2015 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Dr. Behrens n.ö. 2. Verschiedenes APr 16/1004 nöAPr 16/175 17. 19.10.2015 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Sagdic 2. Vernehmung des Zeugen Ayazgün 3. Vernehmung des Zeugen Özkan APr 16/1026 18. 20.10.2015 ö. Inaugenscheinnahme des Tatorts auf der Mallinckrodtstraße APr 16/1029 19. 21.10.2015 n.ö: 1. Vernehmung Zeuge Beweisbeschluss 35 2. Verschiedenes nöAPr 16/168 20. 27.10.2015 ö. 1. Inaugenscheinnahme der Tatorte auf der Probsteigasse und Keupstraße APr 16/1044 n.ö 2. Gespräch mit der Interessengemeinschaft Keupstraße sowie der Initiative Keupstraße ist überall und Anwohnern 3. Verschiedenes nöAPr 16/189 ö. 1. Vernehmung des Zeugen D'Alauro 2. Vernehmung des Zeugen Schweikert APr 16/1088 n.ö 3. Verschiedenes nöAPr 16/196 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Lüngen APr 16/1097 n.ö Fortsetzung TOP 1 2.. Verschiedenes , 21. 22. 23. 24. 796 24.11.2015 01.12.2015 13.01.2016 15.01.2016 nöAPr 16/0200 ö. 1. Vernehmung der Zeugin E. Kuba§ik 2. Vernehmung der Zeugin G. Kuba§ik n.ö 3. Vernehmung des Zeugen A. 4. Verschiedenes nöAPr 16/210 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Artkämper 2. Vernehmung der Zeugin Dzinic 3. Vernehmung der Zeugin Lichtenfeld APr 16/1126 n.ö 4. Verschiedenes nöAPr 16/241 'APr 16/1124 Anlage 1 zu Drucksache 16/14400 25. 26. 27. 28. 29. 21.01.2016 17.02.2016 18.02.2016 26.02.2016 04.03.2016 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Schenk 2. Vernehmung des Zeugen Geier APr 16/1142 n.ö. 3. Verschiedenes nöAPr 16/211 ö. 1. Anhörung des Sachverständigen Raabe 2. Vernehmung des Zeugen Lukat 3. Vernehmung des Zeugen Gricksch APr 16/1154 n.ö. 4. Verschiedenes nöAPr 16/219 n.ö. 1. Vernehmung des Zeugen BB 66 nöAPr 16/220 ö. 2. Vernehmung des Zeugen Preuß APr 16/1160 ö. 1. Vernehmung der Zeugin de la Chevallerie 2. Vernehmung des Zeugen ReichelOffermann APr 16/1184 n.ö. 3. Verschiedenes nöAPr 16/226 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Schmiemann 2. Vernehmung des Zeugen BB 45 3. Verschiedenes APr 16/1187 nöAPr 16/230 n.ö. 30. 10.03.2016 n.ö. 1. Vernehmung der Zeugin Koller 2. Verschiedenes nöAPr 16/234 31. 18.03.2016 ö. 1. Vernehmung der Zeugin Köppen 2. Vernehmung des Zeugen Pfoser APr 16/1211 n.ö 3. Vernehmung des Zeugen BB 67 4. Verschiedenes nöAPr 16/238 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Hüser 2. Vernehmung des Zeugen Schenk APr 16/1216 3. Verschiedenes nöAPr 16/243 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Heßmann 2. Vernehmung des Zeugen Anders APr 16/1242 n.ö 3. Verschiedenes nöAPr 16/249 32. 07.04.2016 n.ö 33. 14.04.2016 • 797 Anlage 1 zu Drucksache 16/14400 34. 35. 15.04.201.6 27.04.2016 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Dittmann 2. Vernehmung der Zeugin Me. APr 16/1249 n.ö 3. Vernehmung des Zeugen BB 90 nöAPr 16/251 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Szemmeitat 2. Vernehmung des Zeugen Stadler 3. Vernehmung des Zeugen Dr. Möller APr 16/1263 n.ö Fortsetzung TOP 3 4. Verschiedenes nöAPr 16/254 36. 12.05.2016 n.ö. 1. Beweisanträge der Fraktionen 2. Verschiedenes nöAPr 16/263 37. 25.05.2016 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Weber 2. Vernehmung des Zeugen Seck APr 16/1297 n.ö 3. Verschiedenes nöAPr 16/270 38. 02.06.2016 ö. 1. Vernehmung der Zeugin Dr. Varchmin- APr Schultheiß 16/1331 2. Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. Scherbaum 3. Vernehmung des Zeugen Grimme 39. 03.06.2016 n.ö. 1. Vernehmung der Zeugin W. 2. Verschiedenes nöAPr 16/277 40. 15.06.2016 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Ostermann 2. Vernehmung des Zeugen Weinspach APr 16/1340 n.ö 3. Verschiedenes nöAPr 16/280 41. 16.06.2016 ö. Vernehmung des Zeugen Montag APr 16/1344 42. 17.06.2016 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Soukup APr 16/1347 n.ö 2. Verschiedenes nöAPr 16/283 rt.ö. 1. Vernehmung des Zeugen Zeugen 118 nöAPr 16/285 ö 2. Vernehmung des Zeugen Freier APr 16/1349 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Meyer 2. Vernehmung der Zeugin Greger APr 16/1353 43. 44. 798 22.06.2016 23.06.2016 • Anlage 1 zu Drucksache 16/14400 45. 01.07.2016 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Heimann APr 16/1374 n.ö 2. Verschiedenes nöAPr 16/290 46. 07.07.2016 n.ö. 1. Beweisanträge der Fraktionen 2. Verschiedenes nöAPr 16/292 47. 09.09.2016 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Dr. Glorius 2. Vernehmung der Zeugin Pflug APr 16/1422 n.ö 3. Verschiedenes nöAPr 16/305 48. 05.10.2016 n.ö. 1. Beweisanträge der Fraktionen 2. Verschiedenes nöAPr 16/319 49. 28.10.2016 ö. 1. Vernehmung der Zeugin Büddefeld APr 16/1487 2. Verschiedenes 50. 09.12.2016 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Meyer 2. Vernehmung des Zeugen Lüngen APr • 16/1561 n.ö. 3. Verschiedenes nöAPr 16/336 51. 10.01.2017 n.ö. 1. Verschiedenes nöAPr 16/340 52. 07.02.2017 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Wixfort 2.. Vernehmung des Zeugen Moll APr 16/1596 53. 17.02.2017 ö. 1. Vernehmung des Zeugen Herrenbrück APr 16/1618 n.ö. 2. Verschiedenes nöAPr 16/354 n.ö. 1. Beratung des Schlussberichtes nöAPr 16/365 54. 23.03.2017 2. Entscheidung über die Endfassung zum Schlussbericht 3. Verschiedenes 799 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Übersicht der Beweisbeschlüsse des PUA III 1. Beweisbeschluss Beschlossen am 16. Dezember 2014 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 16. Dezember 2014 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Ausschusses — Drucksache 16/7148 (Neudruck)— Beschluss des Landtags vom 5.11.2014 (Plenarprotokoll 16/70) sollen — auch elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten — sämtliche Akten, sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsguiachten, sämtliche Kabinettvorlagen, sämtliche internen Vermerke einschließlich Entwürfe von Vermerken und sämtliche sonstige Unterlagen angefordert werden: 1. Aus dem Geschäftsbereich der Präsidentin des Landtags NRW sämtliche Landtagsdrucksachen und -protokolle sowie Vorlagen an den Landtag betreffend den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Hauptausschuss, den Integrationsausschuss und den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend sowie das Parlamentarischen Kontrollgremium sowie der jeweiligen Vorgängergremien betreffend III. 1.-4. und V. 1.-7. des Einsetzungsbeschlusses. Aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW sowie der Behörden seines Geschäftsbereiches betreffend sämtliche Unterlagen -unbeschadet nach Funktion und Art —, einschließlich Spuren-, Neben-, Bei- und Handakten, sowie Vermerke und ähnliche Dokumente betreffend III. 1.-4., V. 1.-7. und die unter Vl. des Einsetzungsbeschlusses erwähnte Analyse von Schubmann-Wagner. 800 a. Die Vorlage sämtlicher an den auf Grundlage des in der Bundestagsdrucksache 17/8453 eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages der 17. Wahlperiode übergebenen Unterlagen bis zum 30.01.2015. b. Die Vorlage sämtlicher Organisations- und Geschäftsverteilungspläne, inklusive namentlicher Benennung der Referatsleitungsebene der Abteilung 6 Verfassungsschutz sowie der Ermittlungspersonen sämtlicher Ermittlungshandlungen, sowie sämtlicher Aktenpläne und Dateiverzeichnisse des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW und der mit den zu • untersuchenden Gegenständen befassten nachgeordneten Behörden im Untersuchungszeitraum dieses Untersuchungsausschusses (Drucksache 16/7148 Neudruck) bis zum 30.01.2015. Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 c. Die Vorlage der in VI. des Einsetzungsbeschlusses angesprochenen Analyse von Schubmann-Wagner bis zum 15.01.2015. Die Vorlage sämtlicher im Einsetzungsbeschluss angesprochenen gesetzlichen Grundlagen, Dienstvorschriften, Verordnungen, Erlasse und Richtlinien in der jeweilig geltenden Fassung bis zum 27.02.2015. e. Die Vorlage sämtlicher zu V. 1.1.-1.18., 2.1.-27., 3.1., 3.2., 3.5 sowie 6.1.-6.4. zuzuordnenden Unterlagen bis zum 27.02.2015. f. Die Vorlage sämtlicher zu V. 3.3. zuzuordnenden Unterlagen bis zum 30.04.2015. g. Die Vorlage sämtlicher zu V. 3.4., 4.1.- 4.2., zuzuordnenden Unterlagen bis zum 26.06.2015. 5.1.-5.3. sowie. 7.1.-7.4. Sollten sich Unterlagen ganz oder teilweise nicht im Geschäftsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW sowie der Behörden seines Geschäftsbereiches befinden, wird das Ministerium gebeten mitzuteilen, wo (insbesondere Angabe der Behörde bzw. Gericht unter Angabe der genauen Anschrift) sich diese Unterlagen (insbesondere unter welchen Aktenzeichen) befinden. Es wird um Mitteilung gebeten, welche der vorgenannten Unterlagen, Akten, Aktenbestandteile und Dokumente sowie darin enthaltene Daten seit 1991 vernichtet bzw. gelöscht sowie im Original bzw. in Kopie an dritte Stellen abgegeben wurden. Es wird darum gebeten, die Akten auch in digitalisierter Form mit Texterkennung zur Verfügung zu stellen. Aus dem Geschäftsbereich des Justizministeriums NRW sowie der Behörden seines Geschäftsbereiches betreffend sämtliche Unterlagen — unbeschadet nach Funktion und Art-, einschließlich Spuren-, Neben-, Bei- und Handakten, sowie Vermerke und ähnliche Dokumente betreffend III. 1.-4. und V. 1.-7. des Einsetzungsbeschlusses. a. Die Vorlage sämtlicher an den auf Grundlage des in der Bundestagsdrucksache 17/8453 eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages der 17. Wahlperiode übergebenen Unterlagen bis zum 30.01.2015.. Die Vorlage sämtlicher Organisations- und Geschäftsverteilungspläne, inklusive namentlicher Benennung der Ermittlungspersonen sämtlicher Ermittlungshandlungen, sowie Aktenpläne und Dateiverzeichnisse des Justizministeriums und der mit den zu untersuchenden Gegenständen befassten nachgeordneten Behörden, im Untersuchungszeitraum dieses Untersuchungsausschusses (Drucksache 16/7148 Neudruck) bis zum 30.01.2015. Die Vorlage sämtlicher im Einsetzungsbeschluss angesprochenen gesetzlichen Grundlagen, Dienstvorschriften, Verordnungen, Erlasse und Richtlinien in der jeweilig geltenden Fassung bis zum 27.02.2015. d. Die Vorlage sämtlicher zu V. 1.1.-1.18, 2.1.-2.27., 3.1., 3.2.,3.5. sowie 6.1.-6.4. zuzuordnenden Unterlagen bis zum 27.02.2015. Die Vorlage sämtlicher zu V. 3.3. zuzuordnenden Unterlagen bis zum 30.04.2015. 801 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 f. Die Vorlage sämtlicher zu V. 3.4., 4.1.- 4.2., zuzuordnenden Unterlagen bis zum 26.06.2015. 5.1.-5.3. sowie 7.1.-7.4. Sollten sich Unterlagen ganz oder teilweise nicht im Geschäftsbereich des Justizministeriums NRW befinden, wird das Ministerium gebeten mitzuteilen, wo (insbesondere Angabe der Behörde bzw. Gericht unter Angabe der genauen Anschrift) sich diese Unterlagen (insbesondere unter welchen Aktenzeichen) befinden. Es wird um Mitteilung gebeten, welche der vorgenannten Unterlagen, Akten, Aktenbestandteile und Dokumente sowie darin enthaltene Daten seit 1991 vernichtet bzw. gelöscht sowie im Original bzw. in Kopie an dritte Stellen abgegeben wurden. Es wird darum gebeten, die Akten auch in digitalisierter Form mit Texterkennung zur Verfügung zu stellen. Sämtliche Akten Staatskanzlei NRW betreffend III. 1.-4. und V. 1.-7. des Einsetzungsbeschlusses. a. Die Vorlage sämtlicher die an den auf Grundlage des in der Bundestagsdrucksache 17/8453 eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages der 17. Wahlperiode übergebenen Unterlagen bis zum 30.01.2015. b Die Vorlage sämtlicher Organisations- und Ges9häftsverteilungspläne sowie Aktenpläne und Dateiverzeichnisse der Staatskanzlei NRW im Untersuchungszeitraum dieses Untersuchungsausschusses (Drucksache 16/7148 Neudruck) bis zum 30.01.2015. c. Die Vorlage sämtlicher zu V. 1.1.-1.18., 2.1.-2.17., 3.1., 3.2., 3.5. sowie 6.1.-6.4. zuzuordnenden Unterlagen bis zum 27.02.2015. d. Die Vorlage sämtlicher zu V. 3.3. zuzuordnenden Unterlagen bis zum 30.04.2015. e Die Vorlage sämtlicher zu V. 3.4., 4.1.- 4.2., zuzuordnenden Unterlagen bis zum 26.06.2015. 5.1.-5.3. sowie 7.1.-7.4. Sollten sich Unterlagen ganz oder teilweise nicht im Geschäftsbereich der Staatskanzlei NRW befinden, wird die Staatskanzlei gebeten mitzuteilen, wo (insbesondere Angabe der Behörde bzw. Gericht unter Angabe der genauen Anschrift) sich diese Unterlagen (insbesondere unter welchen Aktenzeichen) befinden. Es wird um Mitteilung gebeten, welche der vorgenannten Unterlagen, Akten, Aktenbestandteile und Dokumente sowie darin enthaltene Daten seit 1991 vernichtet bzw. gelöscht sowie im Original bzw. in Kopie an dritte Stellen abgegeben wurden. Es wird darum gebeten, die Akten auch in digitalisierter Form mit Texterkennung zur Verfügung zu stellen. Aus dem Geschäftsbereich des Präsidenten des Deutschen Bundestages sämtliche, auf Grundlage der Bundestagsdrucksache 17/8453 eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages der 17. Wahlperiode, von Dritten zugeleiteten sowie originäre (insbesondere Bundestagsdrucksachen, Wortprotokolle, Vorlagen und ähnliches) Unterlagen betreffend III. 1.-4. und V.1.-7. des Einsetzungsbeschlusses. II. Die Beweiserhebung ist gemäß Artikel 41 Abs. 1 Satz 2 LV NRW erforderlich und gemäß §§ 13, 14 UAG NRW geboten. 802 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 2. Beweisbeschluss Beschlossen am 20. Januar 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU,'der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 2. Sitzung am 20. Januar 2015 einstimmig beschlossen: 1. Entsprechend Ziffer VIII des Einsetzungsbeschlusses (Drucksache 16/7148) wird zur Unterstützung der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Herr Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, Kanzlei Wittmann & Kollegen, Mittlere Bachstr. 29 in 94315 Straubing, als externer Sachverständiger beauftragt. 2. Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist die Sichtung und Vorauswahl der bei a. dem Oberlandesgericht München, b. dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe, c. dem Bundeskriminalamt, d. dem Bundesamt für Verfassungsschutz und e. dem Amt für den militärischen Abschirmdienst (MAD) elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten, insbesondere sämtlicher Akten, sämtlichen Schriftverkehrs, sämtlicher Protokolle, sämtlicher Berichte, sämtlicher Rechtsgutachten und sämtlicher sonstiger Unterlagen hinsichtlich ihrer Bedeutung und Erforderlichkeit für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages, unabhängig davon, wo sich die Beweismittel körperlich befinden. 3. Dabei soll der Sachverständige insbesondere auch den Gesichtspunkt möglicher Gefährdungen der Zwecke des Strafverfahrens (vgl. § 477 StPO) sowie die Rechte Dritter, insbesondere die Interessen der Angehörigen der Opfer der Straftaten, im Hinblick auf die Übermittlung der Beweismittel an den Untersuchungsausschuss berücksichtigen. Eine sachliche Auswertung der Akten ist nicht Gegenstand des Ermittlungsauftrags. 4. Zum Abschluss seiner Tätigkeit legt der Sachverständige dem Untersuchungsausschuss eine zusammenfassende Übersicht vor, welche der gesichteten Daten im, Sinn der Ziffer 2 dieses Beschlusses zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags beigezogenen werden sollten. 5. Dem Sachverständigen wird das Recht eingeräumt, für seinen Ermittlungsauftrag in angemessenem Umfang Hilfskräfte einzusetzen. 6. Auf die Verpflichtung des Sachverständigen nach § 10 Absatz 1 PUAG NRW, keine öffentlichen Erklärungen abzugeben, wird noch einmal ausdrücklich hingewiesen. 803 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 3. Beweisbeschluss Beschlossen am 3. März 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 4. Sitzung am 3. März 2015 einstimmig beschlossen: Sämtliche Akten, sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten, sämtliche Vorlagen, sämtliche internen Vermerke einschließlich Entwürfen von Vermerken und sämtliche sonstige Unterlagen, samt elektronisch oder auf andere Weise gespeicherter Daten, die der mit Beschluss des Untersuchungsausschusses Nr. 2 vom 20. Januar 2015 als externer Sachverständiger beauftragte Herr Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg im Zuge seiner Ermittlungen zu der Unterstützung der Arbeit des Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Erfüllung des gesamten Untersuchungsauftrages (Drucksache 16/7148) als bedeutsam und erforderlich benennt, sollen durch die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses bei der jeweils aktenfuhrenden Stelle angefordert werden, ohne dass es hierzu eines weiteren Beschlusses des Untersuchungsausschusses bedarf. Die Vorlage der vollständigen Übersicht zum Abschluss seiner Tätigkeit (Ziffer 4 des Beweisbeschlusses Nr. 2 vom 20. Januar 2015) bleibt hiervon unberührt. 804 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 4. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn All Demir Begründung: Der Zeuge hielt sich zu der Zeit des Anschlages in der Keupstraße in Köln 2004 wenige Häuser vom Tatort entfernt in seinem Steuerberatungsbüro auf und kann u.a. Informationen zu zwei bewaffneten Männern liefern, die sich unmittelbar nach dem Anschlag am Tatort • aufhielten. 1 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 805 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 5; Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19.Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. vieiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Polizeihauptkommissar Peter Baumeister, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung; Der Zeuge war zu der Zeit des Sprengstoffanschlags vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln 2004 Polizeibeamter bei dem Polizeipräsidium Köln und verrichtete am Tag des Anschlags mit einem Kollegen in der Schanzenstraße unweit der Keupstraße einen Sonderstreifendienst. Er war einer der ersten Polizeibeamten am Tatort. 806 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 6. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vorn 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sich'erheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Minister a.D. Dr. Fritz Behrens, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war von 1998 bis 2005 Minister für Inneres des Landes Nordrhein-Westfalen und oberster Dienstherr der Verfassungsschutzabteilung des Ministeriums (Abteilung 6) sowie der Polizei in Nordrhein-Westfalen. In seine Amtszeit fällt u.a. der Sprengstoffanschlag in der Keupstraße 2004 in Köln. 807 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 7. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminaloberrat Tobias Clauer, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war zu der Zeit des Sprengstoffanschlags vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln Leiter der Kriminalinspektion 1 (Gewalt und Eigentumsdelikte) des Polizeipräsidiums Köln. Er wurde vom Polizeipräsidenten Köln sodann mit der Leitung der eingerichteten Besonderen Aufbauorganisation Keupstraße betraut. In der weiteren Folge errichtete der Zeuge verschiedene Einsatzabschnitte (darunter offene Ermittlungen, verdeckte Ermittlungen, Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, operative Maßnahmen, einsatzbegleitende Pressearbeit, Versorgung) und erstattete regelmäßig Bericht u.a. an das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, das Landeskriminalamt und die Bezirksregierung Köln. 808 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 8. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Johann Detlef Helfer 2 Begründung: Der Zeuge war zum Zeitpunkt der Anschläge in Köln ein aktives und gut vernetztes Mitglied rechtsextremer Vereinigungen in Köln und Umgebung. Anfang des Jahres 2012 prüften die Ermittlungsbehörden seine mögliche Verbindung zum Sprengstoffanschlag vom 19. Januar 2001. 2 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 809 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 9. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag • der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2615 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 1617148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseidorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Oberstaatsanwalt a.D. Hans-Bernhard Jansen, zu laden über das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Begründung: Der Zeuge war bis 2003 Leiter der Abteilung IX (Zuständigkeit u.a. für Kapital- und Leichensowie Brand- und Sprengstoffsachen) bei der Staatsanwaltschaft Köln und Vorgesetzter des das Ermittlungsverfahren zum Anschlag vom 19. Januar 2001 in der Probsteigasse in Köln bearbeitenden und nunmehr verstorbenen Staatsanwalts als Gruppenleiter a.D. Utermann. 810 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 10. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, 'der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen ' Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei.und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppiörung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3, weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalrat Klonz, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war zur Zeit des Sprengstoffanschlags vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln Leiter der Kriminalinspektion 4 (Polizeilicher Staatsschutz) des Polizeipräsidiums Köln und führte nach dem Anschlag zunächst die Ermittlungsabschnitte EA 1 (SchadensortNerkehrsmaßnahmen) und EA 2 (Ermittlungen). 811 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 11. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss'll in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Leitenden Kriminaldirektor Kretzer, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war Leiter und Polizeiführer der nach dem Auffinden des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund" im Land Nordrhein-Westfalen gebildeten Besonderen Aufbauorganisation „Trio NRW". 812 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 12. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3.. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Lehmann, zu laden über das Bundeskriminalamt, Wiesbaden. Begründung: Die Zeuge war im Jahr 2012 nach Aufdeckung des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund" in der bei dem Bundeskriminalamt gebildeten Besonderen Aufbauorganisation „Trio" als Ermittler tätig. Im Zuge seiner Tätigkeit befasste er sich unter anderem mit der Anmietung von Kfz, die als mögliche Tatfahrzeuge für die Anschläge in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln genutzt worden sein könnten. 813 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 13. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27: Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: N.N., den Leiter der Kriminalinspektion „Polizeilicher Staatsschutz" im Polizeipräsidium Köln im Jahr 2001, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge führte zur Zeit des Anschlages vom 19. Januar 2001 in der Probsteigasse in Köln vorbezeichnete Kriminalinspektion „Polizeilicher Staatsschutz" im Polizeipräsidium Köln und kann unter anderem Aussagen darüber treffen, in welcher Weise der Polizeiliche Staatsschutz in das Ermittlungsverfahren eingebunden war. 814 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 14. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Ministerialrat Hans-Peter Lüngen, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war von 1998 bis 2003 Leiter des für die Auswertung Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus zuständigen Referats der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. In diese Zeit fällt der Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse in Köln vom 19. Januar 2001. 815 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 15. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und 'Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien Lind der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Edgar Mittler, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes‘NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war seinerzeit als Leiter der Ermittlungskommission „Probst" verantwortlich für die Durchführung der Ermittlungen zu dem Sprengstoffanschlag vom 19. Januar 2001 in der Probsteigasse in Köln. 816 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 16. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vorn Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)-, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3.. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Ministerialdirigent a.D. Dr. Hartwig Möller, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war von 1999 bis 2009 Leiter der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Ministeriums für Inneres des Landes Nordrhein-Westfalen. In diese Zeit fallen unter anderem die Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und 9. Juni 2004 in der Probsteigasse 2001 bzw. in der Keupstraße 2004 in Köln. 817 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 17. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Staatsanwalt als Gruppenleiter Karl-Heinz Schlotterbeck, zu laden über das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Begründung: Der Zeuge war ab 2003 bei der Staatsanwaltschaft Köln als Dezernent in Abteilung IX (Zuständigkeit u.a. für Kapital- und Leichen- sowie Brand- und Sprengstoffsachen) für Brandund Sprengstoffsachen zuständig. Er verfügte im Jahre 2006 die Vernichtung sämtlicher Asservate des Verfahrens zum Anschlag vom 19.12001 in der Kölner Probsteigasse. 818 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 18. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vorn Landtag beschlossenen ' Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1 die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Leitenden Ministerialrat Burkhard Schnieder, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge arbeitet in der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen. Spätestens seit dem Jahr 2012 ist er Leiter der u.a. für Berichtswesen, Extremismus, Terrorismus, und Nachrichtenbeschaffung zuständigen Gruppe sowie ständiger Vertreter des Leiters der Abteilung 6 des Ministeriums. 819 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 19. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikaler; Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Michael Schu, zu laden über das Bundeskriminalamt, Wiesbaden. Begründung: Der Zeuge war im Jahr 2005 Fallanalytiker der Kriminalinspektion 13 des Bundeskriminalamtes. Im Februar 2005 war er verantwortlicher Fallanalytiker einer Operativen Fallanalyse des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße am 9. Juni 2004 zur Rekonstruktion des Tatgeschehens, der Bewertung des Täterverhaltens und des Täterprofils. Die Fallanalyse wurde vom Polizeipräsidium Köln in Auftrag gegeben. 820 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 20. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vorn Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Ersten Kriminalhauptkommissar Ernst Setzer, zu laden über das Bundeskriminalamt, Wiesbaden. Begründung: Der Zeuge war bis zum 30. September 2002 Leiter einer der beiden Ländergruppen des Sachgebiets „Sprengstoffermittlungen" im Bundeskriminalamt und übernahm nach deren Zusammenlegung die alleinige Leitung dieses Sachgebiets. Er kann Auskunft u.a. über den Umgang mit dem beim Bundeskriminalamt eingerichteten Tatmittelmeldedienst geben. 821 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 21. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vorn 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, 1 beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Dirk Spliethoff, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war zu der Zeit des Sprengstoffanschlags vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln Leiter der Tatortgruppe im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen und steuerte und koordinierte die Sprengstoffermittlungen. 822 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 22. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und VValtrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Trumm, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war zur Zeit des Sprengstoffanschlags vom 19. Januar 2001 in der Probsteigasse in Köln Sachbearbeiter der Tatortgruppe „Sprengstoff / Brand" im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen. Im Zuge der Ermittlungen war er mit der Sicherung und Auswertung der Asservate des Tatorts betraut. 823 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 23. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion, der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich-der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfaien von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 200Q in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Polizeikommissar Stefan Voß, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war zu der Zeit des Sprengstoffanschlags vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln Polizeibeamter bei dem Polizeipräsidium Köln und verrichtete am Tag des Anschlags mit einem Kollegen in der Schanzenstraße unweit der Keupstraße einen Sonderstreifendienst Er war einer der ersten Polizeibeamten am Tatort. 824 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 24. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom'5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Wältrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Markus Weber, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war zu der Zeit des Sprengstoffanschlags vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln Leiter des Kriminalkommissariats 11 (Zuständigkeit: Tötungsdelikte, Todesermittlungen, schwere Verletzungs- und Gefährdungsdelikte) des Polizeipräsidiums Köln. Er führte die eingesetzte Ermittlungskommission MK „Sprengstoff". 825 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 25. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fräktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Oberstaatsanwalt Josef Rainer Wolf, zu laden über das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Begründung: Der Zeuge war bis Ende November 2011 Leiter der für Staatsschutz- und politische Strafsachen zuständigen Abteilung XII der Staatsanwaltschaft Köln. Er führte die Ermittlungen zum Sprengstoffanschlag vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln. 826 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 26. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)—, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und, der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Ministerialdirigentin a.D. Mathilde Koller, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Die Zeugin war in der Zeit von 2009 bis 2012 Leiterin der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Im Zuge ihrer Tätigkeit war sie mit der Beobachtung des Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen betraut. 827 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 27, Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1 die Äktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3 weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Kriminalkommissarin Annika Voggenreiter, zu laden über das Bundekriminalamt, Wiesbaden. Begründung; Die Zeugin war im Jahr 2012 nach Aufdeckung des Terrornetzwerks „Nationalsozialiätischer Untergrund" in der bei dem Bundeskriminalamt gebildeten Besonderen Aufbauorganisation „Trio" als Ermittlerin tätig. Im Zuge ihrer Tätigkeit führte sie bezüglich der Sprengstoffanschläge in Köln in der Probsteigasse vom 19. Januar 2001 und in der Keupstraße vom 9. Juni 2004 Ermittlungen durch. 828 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 28. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Hoppe, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war als Polizeibeamter des PP Köln an dem Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter des Sprengstoffanschlages vom 19. Januar 2001 in Köln beteiligt. 829 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 29. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Kölnbowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, folgenden Bericht im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: aus dem Geschäftsbereich des Deutschen Bundestages den Bericht des im Jahr 2014 vorn Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages beauftragten Sonderermittlers Jerzy Montag zur V-Person „Corelli". Begründung: Gegenstand des Untersuchungsauftrages des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III sind der Aufenthalt des V-Manns „Corelli" im Land NordrheinWestfalen, seine Tätigkeit dort, seine Beziehung zum ,,Nationalsozialistischen Untergrund" und sein Ableben (vgl. V. 4.1. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)). 830 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 831 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 30. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Beschluss des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III der 16. Wahlperiode des Landtages Nordrhein—Westfalen gemäß § 22 Abs. 2 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen WAG' Gemäß § 22 Abs. 3 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen wird auf die Verlesung von Schriftstücken und Protokollen vor dem Untersuchungsausschuss verzichtet, soweit diese allen ordentlichen Untersuchungsausschussmitgliedern zugänglich gemacht worden sind. 832 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 31. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Abs. 1 Grundgesetz folgende Unterlagen beizuziehen: aus den Geschäftsbereichen des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof des Bundeskriminalamtes des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesministeriums der Verteidigung sämtliche Akten, sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten, sämtliche internen Vermerke einschließlich Entwürfen von 833 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Vermerken und sämtliche sonstige Unterlagen — samt aller hierzu elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten — zu folgender Person: Johann Detlef Helfer' Begründung: Der oben Genannte war zum Zeitpunkt der Anschläge in Köln ein aktives und gut vernetztes Mitglied rechtsextremer Vereinigungen in Köln und Umgebung. Anfang des Jahres 2012 prüften die Ermittlungsbehörden seine mögliche Verbindung zum Sprengstoffanschlag vom 19. Januar 2001. Er soll seinen Wehrdienst in den 80iger Jahren abgeleistet haben und Mitglied in der Bundeswehr Reservistenärbeitsgemeinschaft Scharfschützen Weierhardt e.V. gewesen sein. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine. Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 834 3 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 32. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, folgende Unterlagen im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: aus den Geschäftsbereichen 1.) des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr sämtliche Verfahrens- und Ermittlungsakten, einschließlich sämtlicher Bei- und Spurenakten, sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten, sämtliche internen Vermerke einschließlich Entwürfen von Vermerken und sämtliche sonstige Unterlagen — samt aller hierzu elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten — zu folgenden Bereichen: a) Ermittlungen der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) „Bosporus", basierend auf Aussagen der Zeugin Beate Keller, die in Tatortnähe des Mordes an Ismail Yasar in Nürnberg am 9. Juni 2005 zwei Fahrradfahrer sah, welchen sie eine Ähnlichkeit mit 835 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 den Tatverdächtigen des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 bescheinigte; b) eine zwischen dem Präsidium Köln und der BAO „Bosporus" geplante gemeinsame Operative Fallanalyse ausgehend von der Spur, dass es sich bei den Tätern des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 und des Mordes an Ismail Ya§ar in Nürnberg am 9. Juni 2005 möglicherweise um dieselben Personen handeln könnte; c) Treffen, Besprechungen, sonstiger Austausch und Abstimmungen von Polizeibeamtinnen und -beamten des Polizeipräsidiums Köln mit Mitgliedern der BAO „Bosporus" sowie mit Polizeibeamtinnen und -beamten des Polizeipräsidiums Mittelfranken, namentlich der Polizeiinspektionen und Kriminalfachdezernate Nürnberg, sowie des Bayerischen Landeskriminalamts, des Polizeipräsidiums München und anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bayerischen Staatsministeriums des Innern außerhalb der BAO „Bosporus" bezüglich des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004; d) Treffen, Besprechungen, sonstiger Austausch sowie Abstimmungen zwischen dem Ministerium für Inneres des Landes Nordrhein-Westfalen bzw. der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern bezüglich des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004; e) sämtlicher Austausch der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Ministeriums für Inneres des Landes Nordrhein-Westfalen bzvv. des Polizeipräsidiums Köln mit dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz über einen möglichen Zusammenhang des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 mit dem Mord an Ismail Ya§ar in Nürnberg am 9. Juni 2005 sowie sämtliche Erkenntnisse des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz hierüber und über den Sprengstoffanschlag in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 an sich; 2.) des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche internen Vermerke einschließlich Entwürfen von Vermerken und sämtliche sonstige Unterlagen — samt aller hierzu elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten — zu Treffen, Besprechungen, sonstigem Austausch und Abstimmungen bezüglich der Zusammenhänge des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 und dem Mord an Ismail Ya§ar in Nümberg am 9. Juni 2005 im Rahmen der BAO „Bosporus" sowie zwischen dem Ministerium für Inneres des Landes Nordrhein-Westfalen bzw. dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz; 3.) der Bayerischen Staatskanzlei sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche internen Vermerke einschließlich Entwürfen von Vermerken und sämtliche sonstige Unterlagen — samt aller hierzu elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten — zu Treffen, Besprechungen; sonstigem Austausch sowie Abstimmungen bezüglich der Zusammenhänge des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 und dem Mord an Ismail Yaear in Nürnberg am 9. Juni 2005 zwischen dem Ministerium für Inneres des Landes Nordrhein-Westfalen bzw. der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bayerischen Staatskanzlei. 836 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 837 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 33. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. Juni 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II in seiner 8. Sitzung am 22. Juni 2015 einstimmig beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Abs. 1 Grundgesetz folgende Unterlagen beizuziehen: aus den Geschäftsbereichen des Bundesministeriums des Inneren, des Ministeriums des Inneren des Landes Baden-Württemberg, des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr, der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin, des Ministeriums des Innern und für Kommunales Brandenburg, des Senators für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen, der Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg, des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport, des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern, des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz, 838 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 des Saarländischen Ministeriums für Inneres und Sport, des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt, des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten des Landes SchleswigHolstein und des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales, sämtliche Kriminalakten und personenbezogene Erkenntnisse zu folgenden Personen: ai Michael BERGER, Thomas GERLACH, D Ges. D M Toni STADLER, Thomas STARKE, Begründung: und hatte in dieser Zeit direkten Kontakt zu Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, welche Erkenntnisse nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden über Kontakte der oben genannten Personen zu Sympathisanten dieser Personen in Nordrhein-Westfalen hatten und wie ggf. diese Erkenntnisse verwertet worden sind. (vgl. V. 3.1.3. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) Michael Berger ermordete am 14. Juni 2000 drei Polizeibeamtinnen und —beamte in Dortmund und Waltrop. Er hatte Kontakt zur „Kameradschaft Dortmund". Möglicherweise hatte Berger über diese Kameradschaft oder auch auf anderem Wege Kontakte zum NSU oder dessen Umfeld. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, welche Hinweise über mögliche Verbindungen zwischen Berger und dem NSU vorliegen. (vgl. V. 3.5.1. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) PIN B war „Combat 18"-Aktivist und Führungskader mit bundesweiter Bedeutung sowie häufiger Redner und Teilnehmer auf Demonstrationen in NRW, vor allem in Dortmund. Im Umfeld des NSU befanden sich mehrere „Combat 18"-Aktivisten, zu denen B möglicherweise Kontakt hatte. Über ihn könnten Kontakte zwischen diesen Aktivisten und Dortmunder Rechtsradikalen, die B durch seine Teilnahme an diversen Demonstrationen auch in Dortmund bekannt waren, entstanden sein. Dortmunder Neonazis aus der „Oidoxie Streetfighting Crew" haben sich mehrfach öffentlich auf „Combat 18" bezogen. 4 Weitere Angaben zum Schutz der Personen geschwärzt. 839 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, welche Hinweise und Erkenntnisse den Sicherheitsbehörden über mögliche Verbindungen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos sowie weiterer mutmaßlicher Helferinnen und Helfer des NSU zur rechtsradikalen Szene in Dortmund vorlagen. Außerdem besteht der Auftrag, Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu militänten rechtsradikalen Organisationen wie „Combat 18" zu untersuchen. (vgl. V. 1.2, V. 3.4.13 des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) N stammt aus Nordrhein-Westfalen möglich, dass : über den KDS Kontakte zu Thomas Gerlach, dem NSU oder anderen Personen aus dem Umfeld des NSU hatte. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, ob es Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu Organisationen wie dem „Kampfbund deutscher Sozialisten" in Nordrhein-Westfalen gab. (vgl. V. 1.2. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) F stammt aus NRW und war Aktivist bei „Blood & Honour", ebenso wie zahlreiche Personen aus dem direkten Umfeld des NSU. Über dieses Netzwerk könnte F Kontakte zu dem engsten Umfeld des NSU und auch Mitgliedern des NSU gehabt haben. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, ob es Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu Organisationen wie „Blood & Honour" in Nordrhein-Westfalen gab: (vgl. V. 1.2. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) Thomas Gerlach stammt aus dem direkten Umfeld. des NSU, dem „Thüringer Heimatschutz" und war Mitglied der Organisationsleitung des „Kampfbundes Deutscher Sozialisten" (KDS). Außerdem war er gut mit dem Führungskameraden der „Kameradschaft Köln", Axel Reitz, befreundet, hatte also Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen aus Nordrhein-Westfalen. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, ob es Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu Organisationen wie dem „Kampfbund deutscher Sozialisten" in Nordrhein-Westfalen gab und welche Erkenntnisse nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden über die Zusammenarbeit von „Thüringer Heimatschutz" und rechtsextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen aus Nordrhein-Westfalen hatten. (vgl. V. 1.2. und 3.1.5. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) DM GIS gehörte zum Umfeld der Dortmunder Rechtsrock-Band „Oidoxie", war Teil der „Oidoxie Streetfighting Crew" und hatte darüber Kontakte zu Mitgliedern von „Blood & Honour" und „Combat 18". Im direkten Umfeld des NSU befanden sich ebenfalls zahlreiche Mitglieder von „Combat 18" und „Blood & Honour". Möglicherweise bestanden auch Kontakte zwischen dem NSU und der „Oidoxie Streetfighting Crew". Über diese Gruppierungen könnte auch Guske Kontakte zum NSU und seinem Umfeld gehabt haben. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, ob es Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu Organisationen wie „Blood & Honour" in Nordrhein-Westfalen gab und ob bisher nicht bekannte Verbindungen des NSU zur „Oidoxie Streetfighting Crew" untersucht wurden. 840 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 (vgl. V. 1.2. und 3.4.13. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) R war in den 1990er Jahren für die FAP in NRW täti., . Er ist bundesweit mit rechtsradikalen Gruppierungen und Einzelpersonen vernetzt, außerdem war er in Kreisen von „Blood & Honour" aktiv und hat somit möglicherweise auch mit Mitgliedern des NSU oder Personen aus dessen Umfeld Kontakt gehabt. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, ob es Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu Organisaitonen wie „Blood & Honour" und zu lokal verankerten Kameradschaften in Nordrhein-Westfalen gab. (vgl. V. 1.2. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) war Mitglied der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen und arbeitete MM 5 als Standbetreiber auf Konzerten von „Blood & Honour". Zahlreiche Personen aus dem Umfeld des NSU waren Aktivisten bei „Blood & Honour. Zu diesen könnte S auf diversen „Blood & Honour-Konzerten Verbindungen aufgebaut haben. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, ob es Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu Organisationen wie „Blood & Honour in Nordrhein-Westfalen gab. (vgl. V. 1.2. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) Toni Stadler war langjähriger „Blood & Honour-Aktivist und hat im Untersuchungszeitraum u.a. in Dortmund gewohnt. Nach Aussagen der polizeilichen Vertrauensperson „Heidi" soll sich Stadler Anfang April 2006 in Dortmund mit Mitgliedern des NSU getroffen haben. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, ob es Verbindungen des NSU oder seines Umfeldes zu Organisationen wie „Blood & Honour" in Nordrhein-Westfalen gab und welche Erkenntnisse nordrhein-westfälischen Sicherheits- und Justizbehörden zu Verbindungen zwischen der Vertrauensperson Heidi und Personen aus dem Umfeld des NSU vorliegen. (vgl. V. 1.2. und 4.2.1. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) Thomas Starke gehörte zum direkten Umfeld des NSU, war zeitweise mit Beate Zschäpe liiert und beschaffte TNT für den NSU. Starke lebte im Untersuchungszeitraum u.a. in NordrheinWestfalen. Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag zu untersuchen, welche Erkenntnisse nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden über Kontakte von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos zu mutmaßlichen Unterstützerinnen und Unterstützern sowie Sympathisantinnen und Sympathisanten in Nordrhein-Westfalen hatte und wie diese Erkenntnisse verwertet worden sind. (vgl. V. 3.1.3. des Einsetzungsbeschlusses vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)) 841 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 842 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 34. Beweisbeschluss Beschlossen am 19. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 19. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)—, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Rahmen einer auswärtigen Sitzung' die Tatorte der Sprengstoffanschläge in der Probsteigasse 44-46, 50670 Köln, am 19. Januar 2001 und in der Keupstrasse 29, 51063 Köln, am 9. Juni 2004 einschließlich der näheren Umgebung wie etwa Standorte der Überwachungskameras des Senders VIVA, der von einer Zeugin beschriebenen Zuwegung, auf der es zur Begegnung mit einem der mutmaßlichen Täter gekommen sein soll und der in Betracht kommenden Fluchtwege in Augenschein zu nehmen. Begründung: Es erscheint im Rahmen der vorzunehmenden Aufklärung geboten, dass sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III ein eigenes Bild von den örtlichen Verhältnissen macht. 843 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 35. Beweisbeschluss Beschlossen am 19. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 19. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)—, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2: der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen E'rkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herm A., zu laden über das Bundesamt für Verfassungsschutz. Begründung: Der Zeuge A. (Name geschwärzt) war Absender und möglicherweise auch Verfasser eines Schreibens des Bundesamtes für Verfassungsschutz an die Abteilung 6 des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 9.7.2004, in dem ein Vergleich des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße mit einer Serie von Nabelbombenanschlägen im April 1999 in London und mit einer Anleitung zum Bau von Nagelbomben der britischen Neonazigruppierung „Combat 18" angestellt und auf Sympathisanten von „Combat 18" im Bereich Köln hingewiesen wurde. 844 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 36. Beweisbeschluss Beschlossen am 19. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 19. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vorn Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene'in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Sandro D'Alauros .11.111.11111.11. Begründung: Der damals 24-jährige Zeuge befand sich zusammen mit einem Freund zu der Zeit der Sprengstoffexplosion in der Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 nur wenige Meter von dem Sprengsatz entfernt auf dem Bürgersteig. Beide wurden schwer verletzt und in ein Krankenhaus gebracht Der Zeuge vermag Auskunft darüber zu geben, wie sich die Ermittlungen der Polizeibehörden aus seiner Sicht gestalteten. 5 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 845 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 37. Beweisbeschluss Beschlossen am 19. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 19. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Ersten Kriminalhauptkommissar a.D. Günther Gebert, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war zu der Zeit des Sprengstoffanschlags vom 19. Januar 2001 in der Probsteigasse in Köln Leiter des Kriminalkommissariats KK 2 des polizeilichen Stäubschutzes des Polizeipräsidiums Köln (Zuständigkeit für Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus, Linksextremismus und Linksterrorismus sowie Staatsschutzdelikte). 846 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 38. Beweisbeschluss Beschlossen am 19. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 19. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Leitenden Kriminaldirektor (Arbeitsname),' zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war im Jahre 2004 Leiter des Beschaffungsreferats (deutscher Rechtsextremismus/-terrorismus, deutscher Linksextremismus/-terrorismus) in der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes NordrheinWestfalen. 6 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt 847 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Am Abend des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße in Köln war er der Gesprächspartner eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der über das Lagezentrum der Polizei um Kontaktherstellung eines Mitarbeiters der Abteilung 6 (Name geschwärzt) mit einem Mitarbeiter des BfV (Name geschwärzt) gebeten hatte. 848 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 39. Beweisbeschluss Beschlossen am 19. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 19. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herm Abdullah Özkan7 Begründung: Der Zeuge war zum Zeitpunkt der Explosion im Frisörgeschäft auf der Keupstraße und ist dabei nicht unerheblich verletzt worden. In seiner Aussage vor dem OLG München am 21. Januar 2015 kritisiert er den Umgang der Polizei mit den eigentlichen Opfern der Tat. Der Zeuge beanstandet,' dass er zur Wache verbracht worden sei, seine Kleidung sowie DNAMaterial habe zur Verfügung stellen müssen und die Wache erst gegen Mitternacht habe verlassen dürfen. 7 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 849 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 40. Beweisbeschluss Beschlossen am 19. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 19,. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehiverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herm Arif Sa 8 Beoründunq: Der Zeu•e befand sich zum Zeit• unkt der Explosion in den Geschäftsräumen der von dem Eiern . Im Zuge der am 10. Juni 2004 häuserweise durchgeführten Befragung durch die Kölner Polizei gab der Zeuge an, zuvor nichts Ungewöhnliches bemerkt zu haben, es sei alles ganz ruhig gewesen; durch die Explosion sei die Scheibe zu Bruch gegangen. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 850 8 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 In einem Interview am 19. November 2013 gab der Zeuge unter anderem an, erst nach 2530 Minuten seien Polizei und Feuerwehr vor Ort gewesen. Weiter führte er aus, er sei drei Tage nach dem Anschlag von der Polizei aufgesucht und nach Feindschaften, PKK, türkischer Mafia und Schutzgelderpressung befragt worden; auf seinen Hinweis, es sei klar, dass es Neonazis gewesen seien, habe der Polizeibeamte ihm bedeutet, er möge schweigen und so etwas nicht sagen. Deshalb, so der Zeuge weiter, habe er Angst bekommen und auch noch längere Zeit unter der Situation gelitten. 851 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 41. Beweisbeschluss Beschlossen am 25. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 25. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen um Obersendung einer tabellarischen Auflistung zu folgenden Fragekomplexen: 1.) Namen — ggf. Arbeitsnamen — sämtlicher V-Mann-Führungspersonen des Johann D. H. samt Angaben zu Beginn und Ende der V-Mann-Führung, 2.) Namen sämtlicher Referatsleiterinnen bzw. -leiter des für die Auswertung Rechtextremismus zuständigen Referats der Abteilung 6 des Ministeriums für Inneres und Komrnunales des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die Namen — ggf. Arbeitsnamen — ihrer Stellvertreterinnen bzw. -stellvertreter im Untersuchungszeitraum, 852 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 3.) Namen — ggf. Arbeitsnamen — sämtlicher Referatsleiterinnen bzw. -leiter des für die Beschaffung Rechtextremismus zuständigen Referats der vorbezeichneten Abteilung sowie ihrer Stellvertreterinnen bzw. -stellvertreter im Untersuchungszeitraum bis zum 11. September 2015 zu ersuchen. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die 'Übereinstimmung mit dem Original. 853 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 42. Beweisbeschluss Beschlossen am 25. August 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 25. August 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Rahmen einer auswärtigen Sitzung den Tatort des Mordes an Mehmet K. in der Mallinckrodtstraße in Dortmund am 4. April 2006 einschließlich der näheren Umgebung in Augenschein zu nehmen. Begründung: Es erscheint im Rahmen der vorzunehmenden Aufklärung geboten, dass sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III ein eigenes Bild von den örtlichen Verhältnissen macht. 854 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 43. Beweisbeschluss Beschlossen am 7. September 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 7. September 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vorn 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstüterinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vorn 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vorn 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Polizeirat Michael Schweikert. Begründung: Der Zeuge war im Jahr 2012 nach Aufdeckung des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund" in der bei dem Bundeskriminalamt gebildeten Besonderen Aufbauorganisation „Trio" tätig. Er kann unter anderem Aussagen über die Ermittlungen bezüglich der Sprengstoffanschläge in Köln in der Probsteigasse vom 19. Januar 2001 und in der Keupstraße vom 9. Juni 2004 treffen. 855 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 44. E3evvelsbeschluss Beschlossen am 10. September 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 10. September 2015 beschlossen: i. Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, las ndeskriminalamt um ersendung: 1.) des Einsetzungsbefehls zur BAO Trio, 2.) sämtlicher Organigramme der BAO Trio und 3.) einer Auflistung der für den Regionsabschnitt Nordrhein-Westfalen verantwortlichen Teamleiter bis 02.10.2015 zu ersuchen. 856 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 857 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 45. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. September 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss. III (NSU) in seiner Sitzung am 10. September 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin/Zeugen zu vernehmen: Herrn (Arbeitsname), zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen Begründung: Der Zeuge WM war im Februar 2012 als Mitarbeiter der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Führung von Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes, unter anderem des H. betraut. Im Februar 2012 prüften die Strafverfolgungsbehörden eine mö liche Verbindun des H. zu dem Sprenistoffanschla. vom 19.1.2001 in Köln. 9 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt 858 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 46. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. September 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische • Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 22. September 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nprdrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller. Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, folgende Unterlagen im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren, namentlich des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes sämtliche WE-Meldungen, Lagefortschreibungen, Sachstandsberichte, Anschreiben, Erkenntnisanfragen und sämtliche sonstige Unterlagen von Behörden aus NordrheinWestfalen, die den Sprengstoffanschlag in der Kölner Probsteigasse am 19.01.2001 betreffen und vor dem 04.11.2011 eingegangen sind, sowie sämtliche Akten, sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche internen Vermerke einschließlich Entwürfe von Vermerken und sämtliche sonstigen Unterlagen — samt hierzu elektronisch oder auf 859 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 . andere Weise gespeicherten Daten — die im Zusammenhang mit den oben genannten Eingängen stehen und vor dem 04.11.2011 gefertigt wurden. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 860 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 47. Beweisbeschluss Beschlossen am 22. September 2015 Auf Antrag der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in, seiner Sitzung am 22. September 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Minisiegen und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Muhamet Ayazgün, Begründung: Der Zeuge stand zum Zeitpunkt des Anschlags in der Keupstraße in Köln, am 9. Juni 2004, direkt gegenüber dem Friseursalon, vor dem der Sprengsatz explodierte. 861 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 48. Beweisbeschluss Beschlossen am 21. Oktober 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 21. Oktober 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, viro beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz 1.) das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg sowie 2) das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg zu ersuchen, dem Ausschuss mitzuteilen, gegen wen sich am 9. Juni 2004 welche strafprozessualen Maßnahmen in der Keupstraße in Köln gerichtet haben, dem Ausschuss mitzuteilen, ob dabei auch verdeckt ermittelnde oder zivil gekleidete Polizeibeamte vor Ort im Einsatz waren, dem Ausschuss entsprechende Aktenbestandteile zu übersenden. 862 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Begründung: Am 9. Juni 2004 ereignete sich auf der Keupstraße in Köln ein Nagelbombenanschlag, bei dem mehr als 20 Personen zum Teil schwer verletzt worden sind. Dem Ablaufkalender der BAO Keupstraße vom 9. Juni 2004 ist zu entnehmen, dass sich um 21.44 Uhr ein Polizeibeamter der Kriminalpolizei Rottweil bei der Polizei in Köln gemeldet und mitgeteilt hat, dass in einem dort geführten Verfahren wegen Schutzgelderpressung in der Kölner Keupstraße Telefonüberwachungsmaßnahmen durchgeführt würden. Das Verfahren ist zunächst von der PD KP Rottweil geführt und am 16. Dezember 2004 von der LPD KP Freiburg im Dezernat S/OK übernommen worden. Nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht geklärt, wer die beiden unmittelbar nach der Explosion von einem Zeugen auf der Keupstraße beobachteten und in Zivil gekleideten Personen waren, von denen zumindest eine Person eine Schusswaffe in einem Schulterholster bei sich führte. Es ist zu erwarten, dass die Auswertung der Vorgänge der PD KP Rottweil und der LPD KP Freiburg zur Klärung der Identität dieser Personen und zum Ausschluss ihrer Zugehörigkeit zu dem Täterkreis führt. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstiinmung mit dem Original. 863 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 49. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. Oktober 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. Oktober 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Jörg Appenroth (Arbeitsname), zu laden über das Bundesamt für Verfassungsschutz. Begründung: Der Zeuge Appenroth (Arbeitsname) war Absender und möglicherweise auch Verfasser eines Schreibens des Bundesamtes für Verfassungsschutz an die Abteilung 6 des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 9.7.2004, in dem ein Vergleich des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße mit einer Serie von Nabelbombenanschlägen im April 1999 in London und mit einer Anleitung zum Bau von Nagelbomben der britischen Neonazigruppierung „Combat 18" angestellt und auf Sympathisanten von „Combat 18" im Bereich Köln hingewiesen wurde. 864 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Der Zeuge Appenroth soll Auskunft erteilen zu sämtlichen Kommunikationen und Erkenntnissen betreffend das Dossier vom 09.07.2004 bis zum Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses, die Anschläge in der Keupstraße und der Probsteigasse, Combat 18 sowie deren Abspaltungen wie z.B. „Racial Volunteer Force" und das BfV Spezial Rechtsextremismus, Nr. 21. 865 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 50. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. Oktober 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. Oktober 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, folgende Unterlagen im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren, namentlich des Bundeskriminalamtes, sämtliche Bild- und Videoaufnahmen von dem Konzert der Band „Oidoxie" am 18.03.2006 in Kassel. Begründung: Die aus Nordrhein-Westfalen stammende Band „Oidoxie" bekennt sich zu der rechtsextremistischen und militant auftretenden Gruppierung „Combat 18". Personen aus dem Umfeld von „Combat 18" sollen Kontakte zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bzw. deren Umfeld gehabt haben. 866 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Nach dem Bericht eines Augenzeugen sollen bei dem Konzert der Band „Oidoxie" am 18.03.2006 in Kassel Böhnhardt und Mundlos anwesend gewesen sein. Anhand der angeforderten Aufnahmen von diesem Konzert kann untersucht werden, ob auch Verbindungen zwischen Mitgliedern der Band „Oidoxie" und Böhnhardt und Mundlos bestanden und ob nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden das Bestehen solcher Verbindungen möglicherweise unzureichend überprüft haben. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 867 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 51. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. Oktober 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. Oktober 2015 beschlossen: I. Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und 'anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, folgende Unterlagen im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: aus dem Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales sämtliche Akten, sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche internen Vermerke sämtliche Bild- und Videoaufnahmen und sämtliche sonstigen Unterlagen samt hierzu elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten — zu folgenden Gruppierungen und Ereignissen: a) „Oidoxie", b) „Weiße Wölfe", c) „Oidoxie Streetfighting Crew" d) Extressiv" 868 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 e) Konzert der Band „Oidoxie" am 01.06.1996 in der Gaststätte „Heinrichsbrücke" in Gera f) Konzert der Band „Oidoxie" am 27.12.1997 in der Gaststätte „Heilsberg" in Heilsberg g) Drei Sprengstoffexplosionen, die sich im Zeitraum von Januar 2004 bis zum 10.02.2004 auf dem Gelände der ehemaligen Grenztruppenkompanie in Oberweid, im Schutzbereich der Polizeidirektion Suhl/Südwestthüringen ereignet haben, einschließlich der nach der dritten Explosion erfolgten Videoüberwachung des Geländes. Begründung: Die aus Nordrhein-Westfalen stammende Band „Oidoxie" bekennt sich zu der rechtsextremistischen und militant auftretenden Gruppierung „Combat 18", bei der es sich um eine Strömung der „Blood & Honour"-Bewegung handelt. Personen aus dem Umfeld von „Combat 18" sollen Kontakte zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bzw. deren Umfeld gehabt haben. Zwischen der Band „Oidoxie" und der ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen stammenden Band „Weiße Wölfe" bestehen personelle Überschneidungen; außerdem bekennt sich auch die Band „Weiße Wölfe zu „Combat 18". Bei der „Oidoxie Streetfighting Crew" handelt es sich um eine rechtsextremistische Gruppierung, die zum einen der Band „Oidoxie" nahe steht und zum anderen eine „Combat18"-Zelle gegründet hat. Die Mitglieder der nordrhein-westfälischen Band „Extressiv" sind ebenfalls Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew". Die Konzerte der Band „Oidoxie" am 01.06.1996 in der Gaststätte „Heinrichsbrücke" in Gera und am 27.12.1997 in der Gaststätte „Heilsberg" in Heilsberg wurden von „Blood & Honour Thüringen" organisiert. In der Gaststätte „Heilsberg" fanden zudem regelmäßig Treffen des „Thüringer Heimatschutzes" statt, zu dessen Mitgliedern u.a. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gehörten. Bei den genannten Sprengstoffexplosionen in Oberweid könnte es sich um Testsprengungen für die bei dem Sprengstoffanschlag in der Keupstraße in Köln am 09.06.2004 verwandte Bombe handeln. Anhand der angeforderten Unterlagen kann untersucht werden, ob Verbindungen zwischen den genannten Gruppierungen und Mitgliedern des NSU bzw. deren Unterstützerinnen und Unterstützern bestanden und ob ein Zusammenhang zwischen den Sprengstoffexplosionen in Oberweid und dem Sprengstoffanschlag in der Keupstraße in Köln am 09.06.2004 besteht und ob nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden das Bestehen solcher Verbindungen bzw. eines solchen Zusammenhangs unzureichend überprüft haben. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 869 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 52. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. Oktober 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. Oktober 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehördeh einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2: der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: aus dem Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport, namentlich aus den Bereichen der Polizei und des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen, 1.) sämtliche Personen-, Sach-, Verfahrens- und Ermittlungsakten, sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, Berichte, Rechtsgutachten und internen Vermerke einschließlich sämtlicher sonstigen Unterlagen — samt aller hierzu elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten — a) zu folgenden Ereignissen: 870 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 aa) Konzert der Band „Oidoxie" in Kassel am 18. März 2006, bb) „Grillparty" bei am 25. März 2006, cc) Treffen der „Oidoxie Streetfighting Crew" in Holzwickede (Nordrhein-Westfalen) am 22. Juli 2006, dd) Treffen der „Oidoxie Streetfighting Crew" in Kassel am 16 Dezember 2006, ee) Treffen der „Oidoxie Streetfighting Crew" in Kassel am 2. Mai 2009, ff) Treffen der „Oidoxie Streetfighting Crew" in Kassel am 11. Dezember 2010, gg) „Geburtstagfeier" von Steinbruch in 34314 Espenhau, am 17. März 2012 in der Freizeitanlage am 16. Juni 2012 sowie hh) „Feier" bei b) zu folgenden Gruppen bzw. Gruppierungen: aa) „Oidoxie", bb) „Oidoxie Streetfighting Crew", cc) „Weisse Wölfe" und dd) „Extressiv" sowie 2.) sämtliche Kriminalakten, kriminalpolizeilichen Sammlungen, Staatsschutzsammlungen und Deckblattmeldungen zu folgenden Personen: a) S Rom, b) D HM, MM KM, d) MM AI e) EM, FI 10 Begründung: Die angeforderten Unterlagen sind zu der Erfüllung des Untersuchungsauftrages des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III des Landtags Nordrhein-Westfalen erforderlich. Auf die zur Umsetzung des Untersuchungsauftrages zu o.g. Nr. 1. 1. und 2 zu klärenden Detailfragen unter V. 1.1. und 1.2. des Einsetzungsbeschlusses wird Bezug genommen. „Combat 18" (u.a. „C18" abgekürzt) gilt in der neonazistischen Szene als „bewaffneter Arm" der „Blood & Honour-Bewegung und steht als Synonym für bewaffneten Kampf und Terror. Da „Combat 18" ferner für „führerlosen Widerstand" steht, sind in C18-Gruppierungen feste 10 Weitere Angaben zum Schutz der Personen geschwärzt. 871 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Strukturen wie etwa in Kameradschaften nicht immer vorzufinden. Die Rechtsrockband „Oidoxie" unter dem Frontsänger Marko Gottschalk kommt aus Dortmund und bekennt sich u.a. in ihren Liedern und bei Konzerten öffentlich zu „Combat 18". Die Gruppierung „Oidoxie Streetfighting Crew" entstand aus einem die Gruppe „Oidoxie" begleitenden „Saalschutz" und entwickelte sich zu einer fest organisierten Gruppe. Es wurde bekannt, dasS sich im Umfeld der „Oidoxie Streetfighting Crew" eine terroristische „Combat 18"-Zelle bildete", und dass zwischen Beate Zschäpe und einem inhaftierten Mitglied der Gruppierung ein Briefwechsel stattfand. Die Rechtsrockband „Weisse Wölfe" bestand zum Teil aus Mitgliedern von „Oidoxie" (Marko Gottschalk und ); sie bekennt sich ebenfalls zu „Combat 18". Die Mitglieder der Rechtsrockband „Extressiv" sind integraler Bestandteil der „Oidoxie Streetfighting Crew". Bezüge zu dem Land Hessen ergeben sich daraus, dass zu der Zeit der beiden in Dortmund am 4. April und in Kassel am 6. April 2006 verübten Morde neben Neonazis aus Dortmund solche aus Kassel und anderen hessischen Kommunen Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew" waren und die „Crew" von dem in Hessen wohnhaften RUM geleitet wurde. Ein Augenzeuge bekundete zudem, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bei dem Konzert der Gruppe „Oidoxie" in Kassel am 18. März 2006 gesehen zu haben — also zwei bis drei Wochen vor den beiden Morden. Aufgrund ihrer personellen Überschneidungen mit den Gruppen „Oidoxie" und „Oidoxie Streetfighting Crew" ergeben sich die Bezüge zu Hessen ebenfalls für die Gruppen „Weisse Wölfe" und „Extressiv". Bei den unter 2.) genannten Personen handelt es sich um Mitglieder der Band „Oidoxie" bzw. der Gruppierung „Oidoxie Streetfighting Crew". 14. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 1-1 Rechercheblog. Der Westen enthüllt vom 15. Mai 2012 — http://www.derwestenrecherche.org/2012/05/3248/. 872 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 53. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. Oktober 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 1 weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt: 1. Entsprechend Ziffer VIII des Einsetzungsbeschlusses (Drucksache 16/7148) in Verbindung mit §§ 13 Abs. 1, 15 und 25 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen wird zur Unterstützung der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Herr Jan Raabe, zu laden über Argumente & Kultur gegen Rechts e.V., Postfach 102 948, 33529 Bielefeld, als Sachverständiger bestellt. 2. Er soll über die nordrhein-westfälischen Blood&Honour- sowie Combat 18-Strukturen mit Schwerpunkt auf den neonazistischen Bandprojekten „Oidoxie" und „Weisse Wölfe" ein schriftliches Gutachten erstellen. Zu dem Ergebnis seines Gutachtens soll der Sachverständige vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss angehört werden. Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Das Gutachten soll 10 bis 15 Seiten (Schriftart Arial, Schriftgröße 11) umfassen, das der Sachverständige spätestens 14 Tage vor seiner Anhörung dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorlegt. 4. Der Sachverständige soll in dem schriftlichen Gutachten insbesondere zu folgenden Fragen Stellung nehmen: a) Wie und wo agierte das B&H-Netzwerk in NRW, sowohl vor als auch nach dem Verbot im Jahr 2000? b) Welche Bedeutung hat die neonazistischen Musikszene, insbesondere Blood & Honour (B&H), für die militante extreme Rechte? c) Wie war und ist B&H international vernetzt und wie ist es mit dem Combat-18 (C18)Netzwerk verflochten? d) Welche Bedeutung hafte bzw. hat Oidoxie für die militante Neonaziszene? e) Welche Erkenntnisse gibt es über die Einbindung von Oidoxie und Weisse Wölfe in die B&H- und C18-Netzwerke?. f) Welche Erkenntnisse gibt es über die Verbindung militanter Neonazis aus Dortmund und Kassel? g) Welche Erkenntnisse gibt es über die Vernetzung nordrhein-westfälischer B&HStrukturen und/oder von Oidoxie und Weisse Wölfe mit B&H Sachsen und . Thüringen? h) Welche Erkenntnisse gibt es über den Kontakt nordrhein-westfälischer B&HStrukturen und/oder von Oidoxie und Weisse Wölfe mit dem NSU/NSU-Umfeld? i) Welche Erkehntnisse gibt es zu Auftritten von Oidoxie sowohl in Deutschland als auch im Ausland? Begründung: Der Sachverständige beobachtet und analysiert seit Mitte der 1990er Jahre neonazistische Strukturen mit dem Schwerpunkt „rechtsextreme Musikszene". Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu diesem Thema; im Jahr 2002 veröffentlichte er gemeinsam mit Christian Dornbusch das Sammelwerk „RechtsRock". 874 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 54. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbes6hluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer SicherhSits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskänzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Polizeidirektor Bert Gricksch. Begründung: Der Zeuge war in der Zentralen Kriminalitätsbekämpfung (ZKB) in Dortmund Leiter der Kriminalgruppe 1, die für die Ermittlungen zu dem am 4. April 2006 in Dortmund verübten Mord an Mehmet Kuba§ik zuständig war. Er vertrat das PP Dortmund in der im Jahr 2006 als Reaktion auf die bundesweite „Ceksa Mordserie" eingerichteten Steuerungsgruppe, die aus Vertretern aller in diesem Zusammenhang ermittelnden Polizeibehörden sowie des Bundeskriminalamtes bestand. 875 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 . Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss 111 (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1 die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund undWaltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Michael Schenk (vormals Lötters). Begründung: Der Zeuge war ab Mai 2006 als Leiter der Mordkommission „Kiosk" verantwortlich für die Durchführung der Ermittlungen zu dem am 4. April 2006 in Dortmund verübten Mord an Mehmet Kuba§ik. Bereits vor Übernahme der Leitung der Mordkommission „Kiosk" gehörte er dieser an. Im Übrigen war er im Rahmen der nach dem Auffinden des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund" gebildeten Besonderen Aufbauorganisation „Trio" tätig. 876 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 56. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom'9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Erste Kriminalhauptkommissarin Barbara Lichtenfeld. Begründung: Die Zeugin war bis Mai 2006 als Leiterin der Mordkommission „Kiosk" verantwortlich für die Durchführung der Ermittlungen zu dem am 4. April 2006 in Dortmund verübten Mord an Mehmet Kubasik. 877 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 57. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und. der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Gamze Kuba§ik 12 Begründung: Frau Gamze Kubaen( ist die Tochter des am 04.04.2006 in seinem Kiosk in der Mallinckrodtstr.190 in Dortmund ermordeten Mehmet . Kuba51k Sie wurde mehrfach zeugenschaftlich vernommen und kann Angaben zu den polizeilichen Ermittlungsmethoden im Umfeld des Opfers machen. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 878 12 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 58. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) --, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. die Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weitere, in Nordrhein-Westfalen begangene Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Elif , Kuba§tk 13 Begründung: Frau Elif Kuba§tk ist die Ehefrau des am 04.04.2006 in seinem Kiosk in der Mallinckrodtstr.190 in Dortmund ermordeten Mehmet Kuba5ik Sie wurde mehrfach zeugenschaftlich vernommen und kann Angaben zu den polizeilichen Ermittlungsmethoden im Umfeld des Opfers machen. 13 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 879 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 59. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses. Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wfrd beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper, zu laden über das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen degrunourn Herr Dr. Artkämper ist Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Dortmund. Im Jahre 2006 und in den Folgejahren war er als Dezernent in der Abteilung 190 (Kapitalsachen u.a.) zuständig für die Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt wegen Mordes an dem Kioskbesitzer Mehmet Kubasik. Darüber hinaus war er mit Ermittlungen im Zusammenhang mit Strafverfahren gegen Robin Schmiemann und Sebastian Seemann befasst und im Jahre 2012 zur Unterstützung der Ermittlungen in dem Verfahren gegen den NSU an den Generalbundesanwalt abgeordnet. 880 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 60. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Jelica Dzinic 74 Begründung: Frau Dzinic hat am 4. April 2006 wenige Minuten vor der Ermordung des Mehmet Kubaalk, auf der Mallinckrodtstraße in Dortmund zwei Männer beobachtet, bei denen es sich vermutlich um die Täter handelte. 14 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 881 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 61, Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss. III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen' zu vernehmen: Herrn Leitenden Kriminaldirektor Wolfgang Geier, zu laden über das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr. Beoründune: Der Zeuge war von Juli 2005. bis Januar 2008 Leiter der Besonderen Aufbauorganisation „Bosporus", die mit den Ermittlungen in der „Ceska Mordserie", zu der auch der Mord an iviehrriet Kubaeik am 04.04.2006 in Dortmund zählt, befasst war. Außerdem war er Vorsitzender der im Jahr 2006 als Reaktion auf die bundesweite „Ceksa Mordserie" eingerichteten Steuerungsgruppe, die aus Vertretern aller in diesem Zusammenhang ermittelnden Polizeibehörden sowie des Bundeskriminalamtes bestand. Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 62. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Polizeidirektor Jörg Lukat, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war von 2002 bis 2006 Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes des Polizeipräsidiums Dortmund. Anschließend war er unter anderem bei der Direktion Gefahrenabwehr und Einsatz des Polizeipräsidiums Dortmund und der Abteilung 4 des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Er kann Angaben über die Einbindung des Polizeilichen Staatsschutzes in die Ermittlungen wagen des Mordes an Mehmet Kubaeik , zu Art und Umfang von rechtsradikalen Aktivitäten, auch von möglichen Unterstützerinnen und Unterstützern des Nationalsozialistischen Untergrundes", in Nordrhein-Westfalen im Untersuchungszeitraum und zu den Ermittlungen nach Bekanntwerden des „Nationalsozialistischen Untergrundes" machen. 883 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 63. Beweisbeschluss Beschlossen am 24. November 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 24. November 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und. Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusse; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar Robert Preuß, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war im Untersuchungszeitraum beim Polizeipräsidium Dortmund, Unterabteilung Staatsschutz, tätig. Außerdem war er Leiter der im Jahr 2003 gegründeten „Projektgruppe Skinbands". Er kann Angaben zu Art und Umfang von rechtsradikalen Aktivitäten, auch von möglichen Unterstützerinnen und Unterstützern des „Nationalsozialistischen Untergrundes", in Nordrhein-Westfalen im Untersuchungszeitraum machen. • 884 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 64. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung, eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund ,und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, • wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Ministerialdirigentin Cornelia de la Chevallerie, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Die Zeugin war von 2001 bis März 2006 Leiterin der unter anderem für die Bereiche Rechtsextremismus und -terrorismus sowie rechtliche Grundsatzfragen, Rechtsangelegenheiten des Verfassungsschutzes und Observation zuständigen Gruppe 61 (vormalige Bezeichnung) der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. Von April 2006 bis November 2010 leitete sie das u.a. für Personalien zuständige Referat der Abteilung 2 (Personal, öffentliches Dienstrecht) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit Dezember 2010 ist die Zeugin Leiterin der für Gefahrenabwehr zuständigen Abteilung 7 des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen. 885 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 65. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn BM (Arbeitsname),15 zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war Bediensteter der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen. Er kann Angaben zu Art und Umfang von rechtsradikalen Aktivitäten, auch von möglichen Unterstützerinnen und Unterstützern des „Nationalsozialistischen Untergrundes", in Nordrhein-Westfalen im Untersuchungszeitraum machen. Insbesondere kann er Angaben zur Einbindung des Toni Stadler in die Dortmunder NeonaziSzene sowie den von ihm in dieser Angelegenheit gepflegten Kontakt zu der Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt 886 15 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 5) des Ministeriums des Innern und für Kommunales des. Landes Brandenburg machen. 887 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 66. eweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehiverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherhefts- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminalhauptkommissar JM, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge führte als Bediensteter des Polizeipräsidenten Dortmund die Vertrauensperson „Heidi", die Angaben zum Mord an Mehmet Kubaeik, Verbindungen zwischen dem NSU und Dortmunder Neonazis und über Waffengeschäfte gemacht hat. 888 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 67. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vorn 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn M 16 Begründung: Der Zeuge war als Vertrauensperson für den Polizeipräsidenten Dortmund tätig und kann Angaben zum Mord an Mehmet KubaA, Verbindungen zwischen dem NSU und Dortmunder Neonazis und über Waffengeschäfte machen. 16 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 889 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 68. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Toni Stadler 17 Begründung: Der Zeuge war seit Ende der neunziger Jahre aktives Mitglied der rechtsextremen Szene. Er wohnte ab 2003 in Dortmund und traf nach Angaben der Polizei am 1. April 2006 in Dortmund mit Uwe Mundlos zusammen. 17 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 890 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 69. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Leitenden Ministerialrat Uwe Reichel-Offennann, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge war zum Zeitpunkt des Mordes an Mehmet K. in Dortmund am 4. April 2006 Leiter des u.a. für Observation sowie rechtliche Grundsatzfragen und Rechtsangelegenheiten des Verfassungsschutzes zuständigen Referats 615 der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes NordrheinWestfalen. Nach dieser Tätigkeit wechselte er in die Abteilung 4 (Polizei) des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen und leitete dort seit September 2012 die Gruppe 40 (Verwaltung und Recht der Polizei) sowie das für die Organisation der Polizei zuständige Referat 401. Als Leiter der Gruppe 40 war der Zeuge zugleich ständiger Vertreter des Leiters der Abteilung 4. 891 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 70. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3, weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn RINE (Arbeitsname), zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: Der Zeuge ist Mitarbeiter der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen und war Vertrauenspersonführer von 1B Weitere Angaben zum Schutz einer Person geschwärzt. 892 18 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 71. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner. Sitzung am t. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Robin David Schmiemann 19 Begründung: Der Zeuge lebte im Untersuchungszeitraum in Dortmund und war bzw. ist Mitglied der Gruppierung „Oidoxie Streetfighting CreW'. Überdies führte er einen Briefwechsel mit der vor dem Oberlandesgericht München angeklagten Beate Zschäpe. 19 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 893 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 72. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III. (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsfadikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Sebastian Seemann 111.1.111 111.M.111 11IMI N Begründung: Der Zeuge lebte im Untersuchungszeitraum u.a. in der Umgebun von Dortmund und war bzw. ist Mit lied der Gruppierun „Oidoxie Streetfightin Crew". 20 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 894 20 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 73. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, aus dem Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport folgende Unterlagen im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: Schreiben des LfV Hessen u.a. an das LfV NRW vom 26.08.1997 1 Aktenzeichen: 21 Weitere Angaben aus Gründen des Geheimschutzes geschwärzt. 895 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Begründung: Bei dem oben genannten Schriftstück handelt es sich um ein Schreiben des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen, das einen Bezug zu Beate Zschäpe aufweist und u.a. an den Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen gesteuert wurde. IL Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 896 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 74. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Dezember 2015 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Dezember 2015 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag besChlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, aus dem Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales folgende Unterlagen im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: a) Deckblattmeldung des LfV Thüringen u.a. an das LfV NRW vom Aktenzeichen: b) Deckblattmeldung des LfV Thürin en u.a. an das LfV NRW vom Aktenzeichen: Wehreiben des LfV Thüringen an alle LfV vom Aktenzeichen: d) Schreiben des LfV Thüringen an alle LfV vom 897 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Aktenzeichen (soweit hier erkennbar): e) Deckblattmeldung des LfV Thüringen u.a. an das LfV NRW vom Aktenzeichen: Begründung: Bei den oben genannten Schriftstücken handelt es sich um Deckblattmeldungen sowie Schreiben des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, die einen Bezug zu Beate Zschäpe aufweisen und u.a. an den Verfassungsschutz des Landes Nordrhein,VVestfalen gesteuert wurden. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Obereinstimmung mit dem Original. Weitere Angaben aus Gründen des Geheimschutzes geschwärzt. 898 22 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 75. Beweisbeschluss Beschlossen am 13. Januar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 13. Januar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die am beschlossene Vernehmung des Zeugen auf seine Tätigkeit in der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen auszudehnen. Begründung: Der Zeuge war in der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes NordrheinWestfalen im Bereich Rechtsextremismus/-terrorismus tätig und kann Angaben zur Entwicklung der rechten Szene in Nordrhein-Westfalen und zu möglichen Unterstützerinnen und Unterstützern des „Nationalsozialistischen Untergrundes" machen. 899 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 76. Beweisbeschluss Beschlossen am 13. Januar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 13. Januar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen UntersuchungsausschuSses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrheih-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von " Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die am 01. Dezember 2015 beschlossene Vernehmung des Zeugen Herrn BM (Arbeitsname) (Beweisbeschluss Nr. 65 auf seine Tätigkeit als Vertrauenspersonenführer 'in der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen auszudehnen. Weitere Angaben zum Schutz von Personen geschwärzt. 900 23 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 77. Beweisbeschluss Beschlossen am 21. Januar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 21. Januar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2: der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waitrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, das Bundesamt für Verfassungsschutz im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Abs. 1 Grundgesetz 1.) um Auskunft zu folgenden Fragen zu ersuchen: a) An welche Behörden oder Abteilungen einer Behörde in NordrheinWestfalen wurde das Schriftwerk „BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21: Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten — Entwicklungen von 1997 bis Mitte 2004" zu welchem Zeitpunkt versandt? b) Wurde seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz von den Adressaten die Übersendung einer Empfangsbestätigung eingefordert? 901 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 c) Wenn ja und wenn eine Adressierung an die Abteilungen 4 und 6 des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen, das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen und die Polizeipräsidien Dortmund, Düsseldorf und Köln bzw. an Untereinheiten dieser Behörden erfolgte, wurde der Eingang seitens dieser Stellen bestätigt und, wenn ja, wann erfolgte dort der Eingang? sowie 2.) um Übersendung der Empfangsbestätigungen gemäß Frage 1.) c) in Kopie zu ersuchen. II. Soweit Unterlagen übersandt werden, ist diesen eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 902 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 78. Beweisbeschluss Beschlossen am 21. Januar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 21. Januar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen. Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis.zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, Wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen zu folgenden Fragen um Auskunft zu ersuchen: 1.) Empfingen folgende Stellen das Schriftwerk „BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21: Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten — Entwicklungen von 1997 bis Mitte 2004" und, wenn ja, wann erfolgte der Empfang: a) die Abteilung 4 des Ministeriums, b) die Abteilung 6 des Ministeriums, c) das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, d) das Polizeipräsidium Dortmund, 903 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 e) das Polizeipräsidium Düsseldorf, f) das Polizeipräsidium Köln? 2.) An welche Stellen und/oder Untereinheiten wurde das Schriftwerk von diesen Stellen aus weiter gesteuert? 904 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 79. Beweisbeschluss Beschlossen am 17, Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vorn 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Abs. 1 Grundgesetz beizuziehen: aus dem Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr den Ende des Jahres 2007 bis Anfang des Jahres 2008 gefertigten Erfahrungsbericht der BAO „Bosporus". Begründung: 905 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Der Leitende Kriminaldirektor a. D. Wolfgang Geier war in der Zeit vom 1. Juli 2005 bis Januar 2008 Leiter der BAO „ Bosporus", in der die dezentrale Bearbeitung der Ceska Mordserie gesteuert und koordiniert wurde. In seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss III (NSU) am 21.1.2016 hat Herr Geier bekundet, Ende 2007 oder Anfang 2008 einen Erfahrungsbericht der BAO „Bosporus" gefertigt zu haben, in dem alle Punkte niedergelegt seien, die die Arbeit erschwert hätten. Der Bericht sei ausschließlich dem Bayerischen Innenministerium zugeleitet worden. 41. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 906 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 80. Beweisbeschluss Beschlossen am 17. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Kriminaloberkommissar Hüser, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf. Begründung: Der Zeuge, der in dem für kriminaltechnische Untersuchungen zuständigen Kriminalkommissariat 43 des Polizeipräsidiums Dortmund tätig ist bzw. war, vermag dem Untersuchungsausschuss über die kriminaltechnischen Untersuchungen sowie über die in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden und durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Mordes z.N. Mehmet Kubaeiks in Dortmund am 4. April 2006 Auskunft zu geben. 907 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 81. Beweisbeschluss Beschlossen am 17. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und VValtrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Angestellten Leopold Pfoser, zu laden über das Bundeskriminalamt, Wiesbaden. Sedrändung: Der Zeuge, der in dem Fachbereich KT 21 (Schusswaffenerkennungsdienst pp.) des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamtes tätig ist bzw. war, vermag dem Untersuchungsausschuss über die kriminaltechnischen Untersuchungen im Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Mordes z.N. Mehmet Kuba5iks in Dortmund am 4. April 2006 sowie über etwaige sich daraus ergebende Zusammenhänge mit weiteren dem NSU zugerechneten Taten, insbesondere der sogenannten Ceska-Mordserie Auskunft zu geben. 908 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 82. Beweisbeschluss Beschlossen am 17. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Uhtersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstütze!' insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 200ü, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Ministerialdirigent Burkhard Freier, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf. Begründung: Der Zeuge war von April 2006 bis Dezember 2011 Leiter der u.a. für den Phänomenbereich Rechtsextremismus zuständigen Gruppe 61 bzw. 62 der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. Von Juli bis Dezember 2009 war er zugleich kommissarischer Leiter der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. Von Januar bis Juli 2012 war der Zeuge Leiter der Gruppe 40 der Polizeiabteilung (Abteilung 4) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit August 2012 ist der Zeuge Leiter der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. 909 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Beweisbeschluss Beschlossen am 17. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion' der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Kriminalhauptkommissarin Gülay Köppen, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf. Begründung: Die Zeugin war im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich des am 4. April 2006 in Dortmund verübten Mordes an Mehmet Kubaslic als Ermittlerin tätig. 910 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 84. Beweisbeschluss Beschlossen am 17. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesoridere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet' werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, I. im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz aus dem Geschäftsbereich des Präsidenten des Sächsischen Landtages sämtliche Protokolle der Beweisaufnahmesitzungen des auf Grundlage der Drucksache 6/1241 eingesetzten 1. Untersuchungsausschusses der 6. Wahlperiode des sächsischen Landtags beizuziehen. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 911 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 85. Beweisbeschluss Beschlossen am 26. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 26. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung übel: den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtgradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vorn 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, folgende Unterlagen im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz beizuziehen: aus dem Geschäftsbereich des Bundesministerium des Inneren, namentlich des BKA, sämtliche Kriminalakten und personenbezogene Erkenntnisse zu folgender Person: Vnalli24 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 912 24 Arilage 2 zu Drucksache 16/14400 Be ründun : WM hatte private und geschäftliche Beziehungen zu Toni Stadler, der möglicherweise Kontakt zu Uwe Mundlos hatte und eventuell in den Mord an Mehmet Kuba?ik involviert war. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 913 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 86. Beweisbeschluss Beschlossen am 26. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 26. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz aus dem Geschäftsbereich des Präsidenten des Deutschen Bundestages sämtliche Protokolle der Beweisaufnahmesitzungen des auf Grundlage der Drucksache 18/6330 eingesetzten 3. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages beizuziehen. II. Den Unterlagen ist eine'Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 914 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 87. Beweisbeschluss Beschlossen am 26. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 26. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz aus dem Geschäftsbereich des Präsidenten des Thüringer Landtages sämtliche Protokolle der Beweisaufnahmesitzungen des auf Grundlage der Drucksache 6/314 zu Drucksache 6/232 — Neufassung — eingesetzten 1. Untersuchungsausschusses der 6. Wahlperiode des Thüringer Landtages beizuziehen. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 915 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 88. Beweisbeschluss Beschlossen am 26. Februar 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 26. Februar 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz aus dem Geschäftsbereich des Präsidenten des Hessischen Landtages sämtliche Protokolle der Beweisaufnahmesitzungen des auf Grundlage der Drucksache 19/445 eingesetzten 2. Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode des Hessischen Landtages beizuziehen. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 916 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 89. Beweisbeschluss Beschlossen am 4. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung alt 4. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Geor Heßm Begründung: Herr Heßmann ist Neurologe und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Waltrop. Er war seit 1997 behandelnder Arzt des Michael Berger, dem Täter des dreifachen Polizistenmordes in Dortmund und Waltrop vom 14.6.2000. Letztmalig suchte Berger ihn am 9.5.2000 in seiner Praxis auf, um sich eine Überweisung in das Westfälische Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Dortmund ausstellen zu lassen. Der Zeuge kann deshalb Auskunft zu der Krankengeschichte des Berger und seiner psychischen Verfassung im Frühjahr 2000 geben. 25 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 917 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 90. Beweisbeschluss Beschlossen am 4. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 4. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Patrick Dittmann 26 Begründung: Der Zeuge Dittmann lernte Michael Berger, den Täter des dreifachen Polizistenmordes in Dortmund und Waltrop vom 14.6.2000, Anfang des Jahres 1999 als Mitglied der NPD kennen. In der Folgezeit erfuhr er in vielen privaten Begegnungen Einzelheiten zu dessen Person Umfeld und Waffenaffinität. Er besuchte Bei-. er noch am 13.6.2000 im Krankenhaus Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 918 26 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 91. Beweisbeschluss Beschlossen am 4. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 4. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund. und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin/Zeugen zu vernehmen: Herrn Erster Polizeihauptkommissar a.D. Georg Anders. Begründung: Der Zeuge war im Zeitraum der Ermittlungen zu den Morden des Michael Berger Leiter des Staatsschutz-Kommissariats Rechtsextremismus beim PP Dortmund. 919 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 92. Beweisbeschluss Beschlossen am 4. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 4. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1: die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. dpr Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Claudia M 27 Begründung: Die Zeugin war eng mit dem dreifachen Polizistenmörder Michael Berger befreundet und kann Auskunft über seine Aktivitäten in der rechten Szene geben. Nach den damals geführten Ermittlungen soll die Zeugin Berger zudem noch kurze Zeit vor der Tat am 14.6.2000 aufgesucht haben. Sie habe Berger helfen wollen, aus seiner „psychischen Situation" herauszukommen. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 920 27 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400. 93. Beweisbeschluss Beschlossen am 10. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss. III (NSU) in seiner Sitzung am 10. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in,Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die am 24. November 2015 beschlossene Vernehmung des Zeugen Herrn Kriminalhauptkommissar Michael Schenk (vormals Lötters) (Beweisbeschluss Nr. 55) auf seine Tätigkeit in dem Ermittlungsverfahren, das aufgrund der durch Michael Berger in Dortmund-Brackel und Waltrop am 14.06.2000 zum Nachteil von drei Polizeibeamten verübten Tötungsdelikte geführt wurde, zu erweitern. 921 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 94. Beweisbeschluss Beschlossen am 10. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 10. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe aus dem Geschäftsbereich des Bundeskriminalamtes sämtliche Unterlagen, Auswerteberichte und Vermerke, die sich zur Herstellung des Bekennervideos verhalten, insbesondere das in der Berichterstattung des Spiegel vom 09.03.2016 (zu vgl. Anlage) in Bezug genommene Aktehstück, anzufordern, sowie das Bundeskriminalamt um Auskunft zu ersuchen, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in welchem Umfang mit der Auswertung des Bekennervideos und den Umständen seiner Herstellung befasst waren. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 922 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 95. Beweisbeschluss Beschlossen am 18. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 18. März 2016 beschlossen: 1. Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen. von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die am 22. Juni 2015 beschlossene Vernehmung des Zeugen Herrn Kriminalhauptkommissar Markus Weber (Beweisbeschluss Nr. 24) auf seine Tätigkeit im Rahmen der nach dem Auffinden des Terrornetzwerkes „Nationalsozialistischer Untergrund" gebildeten besonderen Aufbauorganisation „Trio" auszudehnen. 923 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 96. Beweisbeschluss Beschlossen am 18. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 18. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: den in dem Ermittlungsverfahren betreffend den Sprengstoffanschlag am 27. Juli 2000 am SBahnhof Wehrhahn in Düsseldorf die derzeitigen Ermittlungen leitenden Dezernenten der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, zu laden über das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Begründung: In dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf betreffend den Sprengstoffanschlag am 27. Juni 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf wurden nach Bekanntwerden des NSU mit der Verfolgung neuer Spuren die Ermittlungen wieder aufgenommen. 924 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 97. Beweisbeschluss Beschlossen am 18. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 18. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: den Kriminalbeamten des Polizeipräsidiums Düsseldorf, der in dem Ermittlungsverfahren betreffend den Sprengstoffanschlag am 27. Juli 2000 am SBahnhof Wehrhahn in Düsseldorf die derzeitigen polizeilichen Ermittlungen leitet, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen. Begründung: In dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf betreffend den Sprengstoffanschlag am 27. Juni 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf wurden nach Bekanntwerden des NSU die Ermittlungen wieder aufgenommen und das Polizeipräsidium Düsseldorf mit der Durchführung der weiteren Ermittlungen beauftragt. 925 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 98. Beweisbeschluss Beschlossen am 18. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss 111 (NSU) in seiner Sitzung am 18. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Herrn KOK Szemmeitat, zu laden über den Polizeipräsidenten Köln, als Zeugen zu vernehmen. Begründung: Der Zeuge war an den Ermittlungen zur Aufklärung des Sprengstoffanschlages in der Kölner Keupstraße am 9: Juni 2004 beteiligt. 926 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 99. Beweisbeschluss Beschlossen am 18. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 18. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in , Nordrhein:Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Folgendes zu beschließen: 1. Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Ausschusssekretariats und jeweils eine Referentin oder ein Referent der beteiligten Fraktionen werden beauftragt, bei dem Bundesamt für Verfassungsschutz elektronisch oder auf sonstige Weise gespeicherte Daten, insbesondere sämtliche Akten, sämtlichen Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten und sämtliche sonstigen Unterlagen (nachfolgend insgesamt als Unterlagen bezeichnet), welche die nachfolgend aufgeführten Aspekte betreffen, zu sichten: Nachrichtendienstliche Maßnahmen Nachrichtendienstliche bzw. operative Maßnahmen des BfV im Zusammenhang mit der Suche nach dem untergetauchten NSU-Trio sowie mit den dem NSU zugerechneten Morde und Anschläge in NRW 927 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Anwerbung, Führung und Abschaltung von in Nordrhein-Westfalen lebenden und/oder tätigen V-Leuten des BfV im Untersuchungszeitraum Oktober 1991 bis Oktober 2014 Vollständiges Aktenmaterial zu folgenden Ereignissen: Sprengstoffanschlag vom 19. Januar 2001 in der Kölner Probsteigasse Sprengstoffanschlag vom 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße Vollständiges Aktenmaterial zu folgenden Bands/Gruppierungen (Sachakten): „Oidoxie" ‚Neisse Wölfe" „Extressiv" „Oidoxie Streetfighting Crew" „Ku-Klux-Klan" (Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen) „Combat 18" (Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen) „Kameradschaft Walter Spangenberg"/„Kameradschaft Köln"/„Freie Kräfte Köln" Informationen zu folgenden Personen Berger, Michael Borchardt, Siegfried Gerlach, Thomas Gottschalk, Marco Heise, Thorsten Helfer, Johann Reitz, Axel Richter, Thomas 11111, stIM Schmiemann, Robin Seemann, Sebastian sis Ra Stadler, Toni Starke, Thomas Werner, Jan Treffberichte V-Mann Corelli" V-Mann V-Mann 2. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Sichtung der Akten ganz oder teilweise gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschusssekretariats und der Fraktionen vorzunehmen. 3. Die Auswahl der Teilnehmer soll rechtzeitig durch die beteiligten Fraktionen erfolgen. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 928 28 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 4. Die Sichtung der Unterlagen soll im Zeitraum vom 2. Mai 2016 bis zum 13. Mai 2016 erfolgen. Die genauen Daten und Arbeitszeiten sollen einvernehmlich unter den Teilnehmern abgestimmt werden. 5. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt die Unterlagen zu den bestimmten Terminen bereit. ' 6. Nach der Sichtung soll eine Auswahl derjenigen Unterlagen erfolgen, deren Überlassung für die Erfüllung des Untersuchungszwecks erforderlich ist. 7. Sämtliche Unterlagen, deren Überlassung für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages als erforderlich erachtet wird, werden durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses bei dem Bundesamt für Verfassungsschutz oder den Behörden, die das Aktenstück originär erstellt haben, angefordert werden, ohne dass es hierzu eines weiteren Beschlusses des Untersuchungsausschusses bedarf. Begründung: Die Sichtung und Auswertung der Unterlagen ist erforderlich, damit der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III seinem Aufklärungsauftrag nachkommen kann. 929 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 100. Beweisbeschluss Beschlossen am 18. März 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 18. März 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, das Bundesministerium des Inneren, namentlich das Bundeskriminalamt, um a) Auskunft zu der Frage, welche Personen mit der Sichtung, Analyse, Auswertung und Bewertung sämtlicher Vorgängerversionen des Bekennervideos des NSU, der darin verwendeten Aufnahmen aus Fernsehsendungen und Zeitungsartikel und der für die Erstellung des Videos und die Aufnahme der Fernsehsendungen genutzten technischen Geräte und Software, in welchem Zeitraum befasst waren, b) 930 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Auskunft zu der Frage, welche Personen mit der Sichtung, Analyse, Auswertung und Bewertung von im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen Mitglieder und Unterstützerinnen und Unterstützer des NSU sichergestellten Aufnahmen von Fernsehsendungen und Zeitungsartikeln, die einen Bezug zum Sprengstoffanschlag am 19.01.2001 in der Probsteigasse in Köln, dem Sprengstoffanschlag am 09.06.2004 in der Keupstraße in Köln oder dem Mord an Herrn Mehmet Kuba§tk am 04.04.2006 in Dortmund haben, sowie der für die Aufnahme, Speicherung und Bearbeitung von Fernsehsendungen geeigneten technischen Geräte und Software, in welchem Zeitraum befasst waren, c) Übersendung sämtlicher der im Zusammenhang mit der unter a) und b) genannten Sichtung,' Analyse, Auswertung und Bewertung entstandenen Akten, Berichte, Asservatenaufstellungen, internen Vermerke einschließlich Entwürfe von Vermerken und sämtliche sonstige Unterlagen, soweit eine Übersendung an den vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) nicht bereits erfolgt ist, d) Übersendung sämtlicher. Versionen des Bekennervideos des NSU, soweit eine Übersendung an den vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) nicht bereits erfolgt ist, zu ersuchen. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 931 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 101. Beweisbeschluss Beschlossen am 6. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 6. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Claudia Met 29 Begründung: Die Zeugin war eng mit Michael Berger befreundet. Sie kann Auskunft über dessen Aktivitäten in der rechten Szene und über die Hintergründe der Tat vom 14. Juni 2000 geben. Nach den damals geführten Ermittlungen soll die Zeugin Berger kurze Zeit vor der Tat aufgesucht haben. Sie habe Berger helfen wollen, aus seiner psychischen Situation" herauszukommen. 29 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 932 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 102. Beweisbeschluss Beschlossen am 6. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 6. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vorn 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die Firma Aldi Einkauf GmbH & Co. oHG, - zu Händen des Zentraleinkaufes — Burgstr. 37, 45476 Mülheim an der Ruhr um Auskunft zu folgenden Fragen zu ersuchen: 1. In welchen Filialen der Firma Aldi Süd wurden im Jahre 2004 Fahrräder der Marke „CYCO" angeboten? 2. Der Verkauf der Fahrräder startete am 19. April 2004 (17. KW) Bis zu welchem Zeitpunkt wurden die Fahrräder in den Filialen angeboten? 3. War ein Erwerb eines solchen Fahrrades auch nach diesem Zeitpunkt, etwa online oder in Filialen der Firma Aldi Nord noch möglich, gegebenenfalls bis wann? 4. Falls wegen des Zeitablaufes eine Auskunft zu der Aktionsware im Jahre 2004 nicht mehr 933 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 möglich ist, wird um Mitteilung dazu gebeten, wo und wie lange Aktionsartikel grundsätzlich angeboten werden. Begründung Am 9. Juni 2004 wurde auf den in Köln, Keupstraße 29, gelegenen Frisörsalon ein Sprengstoffanschlag verübt. Nach damaligen polizeilichen Ermittlungen wurde die Sprengvorrichtung in einem Hartschalenkoffer auf dem Gepäckträger eines Damenfahrrades der Marke „CYCO" transportiert. Fahrräder dieser Marke waren ausschließlich für die Firma Aldi Süd hergestellt worden und wurden ab dem 19.4.2004 (17. KW) ausschließlich in Filialen der Firma Aldi Süd zum Preis von 249 € vertrieben. Das Tatfahrrad war mit der Rahmennummer MAX 0311017135 versehen. Recherchen bei dem Hersteller und Spediteur der Fahrräder führten zu dem Ergebnis, dass sich auch anhand des zusätzlich auf dem Rahmen befindlichen Barcodes nicht feststellen ließ, an welche Filiale bzw. in welches Postleitzahlengebiet das Fahrrad ausgeliefert worden war. 934 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 103. Beweisbeschluss Beschlossen am 6. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 6. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß § 35 Abs. 3 Grundgesetz den 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München um Übersendung folgender Unterlagen zu ersuchen: a) sämtliche Versionen des Bekennervideos des NSU, sog. Paulchen-Panther-Video, insbesondere die Vorgängerversionen „nsu.avi" und „NSU FILM.avi" (zu vgl. S. 303, Fußnote 1072 der Anklageschrift), b) Ablichtungen der Asservate 2.12.2 bis 2.12.34 (zu vgl. S. 311, Fußnote 1118 der Anklageschrift), c) 935 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 sämtliche Unterlagen, Auswerteberichte und Vermerke, die sich zur Herstellung des Bekennervideos verhalten, insbesondere - den in Presseberichterstattungen in Bezug genommenen Vermerk des BKA vom 18. März 2016, - ggf. weitere nach Anklageerhebung zu den Sachakten gelangte Vermerke des BKA, den Vermerk von KK'in H. vom 12.12.2011 (SAO 44, BI. 230 ff.), - den Vermerk von KK'in H. vom 15.08.2012 (SAO 272, BI. 57 ff.), den Vermerk von KOK'in K. und KK'in H. vom 05.12.2011 (SAO 44, BI. 121 ff.), - den Vermerk von KOK'in K. und KK'in H. vom 16.12.2011 (SAO 44, Bl. 139 ff.), - den Vermerk von KOK'in K. vom 22.05.2012 (SAO 44, BI. 155 ff.), - den Vermerk von KOK E. vom 21.06.2012 (SAO 44 BI. 227 ff.), den Vermerk von KK S. vom 28.06.2012 (SAO 44 BI. 47 ff.), den Vermerk von KK S. vom 26.01.2012 (SAO 44 BI. 334 ff.), den Vermerk von EKHK D. vom 06.06.2012 (SAO 44 BI. 265 ff.), - die Anlage 2 zum Vermerk von EKHK D. vom 06.06.2012 (SAO 44.1 BI. 73 ff.), - den Vermerk von EKHK D. vom 18.07.2012 (SAO 269131. 325 ff.), - den Vermerk von EKHK D. vom 19.07.2012 (SAO 269 BI. 347 ff.), den Vermerk von EKHK D. vom 14.12.2012 (SAO 229131. 126 ff.) den Vermerk von KK B. vom 10.11.2011 (SAO 44, BI. 78 ff.), den Vermerk von KHK L. vom 25.12.2011 (SAO 44 BI. 183 ff.), den Vermerk von KHK L. vom 26.12.2011 (SAO 44 BI. 173 ff.), - den Vermerk von KOK'in A vom 13.06.2012 (SAO 347, Bl. 289 ff., 303 ff., 342 ff., 354 ff.), - den Vermerk von KOK'in A. vom 03.07.2012 (SAO 326, BI. 40 ff.), - den Vermerk von KOK St. vom 24.12.2011 (SAO 44, BI. 216 ff.), - den Vermerk von KOK L. vom 13.11.2011 (SAO 44 BI. 112 ff.), den Vermerk von KHK-in P. vom 23.12.2011 (SAO 269; BI.362 ff.), - den Vermerk von KHK Ki. vom 11.12.2011 (SAO 44 BI. 189 ff.), - den Vermerk von KHK KI. vom 08.01.2012 (SAO 44 BI. 232 ff.), - den Vermerk von KOK Di. vom 23.12.2011 (SAO 44, BI. 326 ff.), - den Vermerk von KOK Sch. vom 17.01.2012 (SAO 326, Bl. 418 ff.), - den Vermerk von KOK Sch. vom 18.01.2012 (SAO 327, 131. 112 ff., 269 ff., 292 ff., 438 ff.) - das Gutachten des BKA vom 12.12.2011 — Kt51-759/11 (SAO 326, Bl. 66 ff.) und das Gutachten des BKA vom 03.04.2012 — Kt51-192/12 (SAO 326, BI. 103 ff.). Sofern die angegebenen Fundstellen nicht den vollen Umfang des in Bezug genommenen Vermerks umfassen, wird — abweichend von den angegebenen Fundstellen — um Übersendung des gesamten Vermerks ersucht. d) sämtliche Unterlagen, Auswerteberichte und Vermerke, die sich zu im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen Mitglieder und Unterstützerinnen und Unterstützer des NSU sichergestellten Zeitungsartikeln und Aufnahmen von Fernsehsendungen verhalten. IL Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 936 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 104. Beweisbeschluss Beschlossen am 7. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der. Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 7. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß § 35 Abs. 1 Grundgesetz das Bundesministerium des Inneren, namentlich das Bundesamt für Verfassungsschutz, um Übersendung a) einer Auflistung der Namen — gegebenenfalls Arbeitsnamen — sämtlicher V-MannFührungspersonen und sämtlicher stellvertretender V-Mann-Führungspersonen der V-Person Corelli, samt Angaben zu Beginn und Ende des jeweiligen Führungszeitraumes, 937 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 b) einer Auflistung der Namen — gegebenenfalls Arbeitsnamen — sämtlicher V-MannFührungspersonen und sämtlicher stellvertretender V-Mann-Führungspersonen der V-Person Primus, samt Angaben zu Beginn und Ende des jeweiligen Führungszeitraumes, c) sämtlicher Deckblattmeldungen der V-Person Corelli, soweit diese Ereignisse, insbesondere Konzerte, Kameradschaftstreffen, Aufzüge, Demonstrationen u.ä., Personen, Organisationen, Bands oder Fanzines betreffen, die einen NRW-Bezug haben sowie sämtlicher Deckblattmeldungen der V-Person Corelli, die einen allgemeinen NRW-Bezug haben, d) sämtlicher Deckblattmeldungen der V-Person Primus, soweit diese Ereignisse, insbesondere Konzerte, Kameradschaftstreffen, Aufzüge, Demonstrationen u.ä., Personen, Organisationen, Bands oder Fanzines betreffen, die einen NRW-Bezug haben sowie sämtlicher Deckblattmeldungen der V-Person Corelli, die einen allgemeinen NRW-Bezug haben, zu ersuchen. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung- über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 938 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 105. Beweisbeschluss Beschlossen am 14. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 14. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)—, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waitrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Kriminalkommissarin Jeanette Pflug, zu laden über das Bundeskriminalamt. Begründung: Die Zeugin ist seit Beginn in die Ermittlungen des Bundekriminalamts betreffend die durch den „Nationalsozialistischen Untergrund" verübten Taten eingebunden. Sie vermag zu Ermittlungen, die Bezüge zu dem hiesigen Untersuchungsauftrag haben, Auskunft zu geben. 939 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 106. Beweisbeschluss Beschlossen am 14. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 14. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Wältrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die am 22. Juni 2015 beschlossene Vernehmung des Zeugen Herrn Ministerialdirigent a.D. Dr. Hartwig Müller (Beweisbeschluss Nr. 16) auf die durch Michael Berger verübten Tötungsdelikte in Dortmund-Brackel und Waltrop am 14.06.2000, den Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf am 27.07.2000 und den Mord an Herrn Mehmet Kuba§ik am 04.04.2006 in Dortmund zu erweitern. 940 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 107. Beweisbeschluss Beschlossen am 15. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 15. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin/Zeugen zu vernehmen: Herrn KHK Seck, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW. Begründung: Der Zeuge war im Kommissariat Staatsschutz/Rechtsextremismus beim PP Dortmund tätig und nach Angaben des Zeugen Georg Anders im Zeitraum der Ermittlungen zu den Morden des Michael Berger stellvertretender Leiter des Kommissariats und in die Ermittlungen eingebunden. Er kann Angaben zu den konkreten Ermittlungen im Fall Michael Berger sowie zur rechten Szene und deren Entwicklung während seiner Tätigkeit im Staatsschutz machen. 941 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 108. Beweisbeschluss Beschlossen am 15. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 15. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses— Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, zwecks Vernehmung des Zeugen Stephan Kahl, 3° gemäß § 13 Absatz 4 PUAG NW in Verbindung mit § 8 Absatz 1 PUAG NW Folgendes zu beschließen: 1. Zur Durchführung der Vernehmung des Zeugen Stephan Kahl wird ein Unterausschuss des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III eingesetzt. 2. Der Unterausschuss besteht aus dem Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III, Herrn Sven Wolf, MdL und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III, Herrn Peter Biesenbach, MdL. 3° Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 942 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III beauftragt den Unterausschuss mit der Vernehmung des Zeugen Stephan Kahl. Begründung: Der Zeuge Stephan Kahl hat in an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss III gerichteten Schreiben behauptet, er könne Angaben zu den tatsächlichen Hintergründen des Nagelbombenanschlags auf der Keupstraße in Köln im Jahre 2004 machen. Er hat ferner behauptet, den Aufenthaltsort einer CD zu kennen, auf der ein Video gespeichert ist, das den Hergang des Anschlags wiedergibt. Der Zeuge sitzt zurzeit in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Landshut ein. Seine Vernehmung am Sitz des Landtags wäre mit einem nicht unerheblichen;Aufwand verbunden. 943 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 109. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vorn 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Ministerialrat Dirk Weinspach zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf Begründung: Der Zeuge Weinspach war als Ministerialrat von März 2009 bis Januar 2014 Leiter des für die Auswertung Links-/Rechtsextremismus zuständigen Referats 623 in der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-. Westfalen. 944 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 110. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Herrn Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum als Zeugen zu vernehmen. Begründung: Der Zeuge war in der Todesermittlungssache zum Nachteil des Thomas Richter mit der Erstellung eines diabetologischen Gutachtens befasst. 945 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 111. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstüterinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Frau Dr. med. Karin Varchmin-Schultheiß als Zeugin zu vernehmen. Begründung: Die Zeugin war als Mitarbeiterin des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster in der Todesermittlungssache zum Nachteil des Thomas Richter unter anderem mit der Leichenöffnung und der Erstellung von Gutachten zur möglichen Todesursache befasst. 946 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 112. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Herrn Kriminalhauptkommissar Ralf Östermann als Zeugen.zu vernehmen, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Begründung: Der Zeuge war Leiter der Mordkommission in der Todesermittlungssache zum Nachteil des Thomas Richter. 947 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 113. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1 die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, antragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn K., zu laden über das Bundesamt für Verfassungsschutz. Begründung: Der Zeuge ist Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und war Vertrauenspersonführer der V-Person „Corelli" sowie der V-Person 31 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 948 31 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 114. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16f70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vorn 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn M., zu laden über das Bundesamt für Verfassungsschutz. Begründung: Der Zeuge ist Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Er betreute den sich bis zu seinem Tod in einer Schutzmaßnahme des Bundesamtes für Verfassungsschutz befindenden Thomas Richter. Der Zeuge versuchte am 07. April 2014 gemeinsam mit seiner Kollegin, Frau W., den Thomas Richter in dessen Wohnung in Paderborn anzutreffen. 949 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 115. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. 'Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau W., zu laden über das Bundesamt für Verfassungsschutz. Begründung: Die Zeugin ist Mitarbeiterin des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Sie betreute den sich bis zu seinem Tod in einer Schutzmaßnahme des Bundesamtes für Verfassungsschutz befindenden Thomas Richter. Die Zeugin versuchte am 07. April 2014 gemeinsam mit ihrem Kollegen, Herrn M., den Thomas Richter in dessen Wohnung in Paderborn anzutreffen. Zuletzt soll sie am 02. April 2014 per SMS Kontakt zu Thomas Richter gehabt haben. 950 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 116. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof um Übersendung sämtlicher Unterlagen, insbesondere Auswerteberichte und Vermerke, die im Zusammenhang zur CD „NSU/NSDAP" stehen, zu ersuchen. 951 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 952 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 117. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses. — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waitrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz den 6. Strafsenat des OLG München, um Übersendung der Protokolle zu den durch das Bundeskriminalamt durchgeführten Vernehmungen des Thomas Richter zu ersuchen. 953 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 954 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 118. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen. Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales das Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf. Begründung: Der Zeuge war in der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Er leitete dort von 1989 bis 2001 das für Beschaffung Rechtsextremismus zuständige Referat. 955 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 119. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen UntersuchungSausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen Lind Täter der Sprengstoffanschläge vorn 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waitrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, aus dem Geschäftsbereich des Bundeskriminalamtes als Zeuginnen bzw. Zeugen zu vernehmen: 1.) die Sachbearbeiterin bzw. den Sachbearbeiter, die bzw. der das gesamte Bekennervideo des „NSU" sowie die Videovorversionen auswertete hinsichtlich Urheberschaft, Herkunft und Veröffentlichung des verwendeten Materials sowie hinsichtlich der Fragen, wie, mittels welcher technischen Geräte, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort das verwendete Material erlangt wurde und ob es Zuarbeiten außerhalb des „Trios" zu dem Video gab, von wem, woher und von wann diese stammen; 2.) die Sachbearbeiterin bzw. den Sachbearbeiter, die bzw. der das Bekennervideo des „NSU" sowie die Videovorversionen auswertete hinsichtlich der Teile, die den Anschlag in der Probsteigasse in Köln und den Mord an Mehmet Kuba§ik betreffen, auf die Urheberschaft, Herkunft und Veröffentlichung des verwendeten Materials sowie hinsichtlich der Fragen, wie, mittels welcher technischen Geräte, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort das verwendete Material erlangt 956 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 wurde und ob es Zuarbeiten außerhalb des „Trios" zu dem Video gab, von wem, woher und von wann diese stammen; 3.) die Sachbearbeiterin bzw. den Sachbearbeiter, die bzw. der die Entwicklung des Bekennervideos von den Vorversionen bis zu der jüngsten Version mit den betreffenden Gemeinsamkeiten und Unterschieden darstellen und erläutern kann. 957 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 120. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag. beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16f7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß § 35 Abs. 1 Grundgesetz das Bundesministerium des Inneren, namentlich'das Bundeskriminalamt, um Übersendung sämtlicher Unterlagen zu Ermittlungsmaßnahmen des Bundeskriminalamtes, die nach dem Tod des Thomas Richter mit Blick auf dessen Beziehung zum NSU-Komplex durchgeführt wurden, insbesondere der Unterlagen, die sich zur Auswertung der in der Wohnung des Thomas Richter sichergestellten Asservate verhalten, zu ersuchen. 958 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 959 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 121. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz das Bundesministerium des Inneren, namentlich das Bundeskriminlamt um folgendes zu ersuchen: a) Übersendung sämtlicher Akten, Berichte, internen Vermerke einschließlich Entwürfen von Vermerken und sämtlicher sonsti er Unterla en, die im Zusammenhang stehen mit einem Hinweis des Zeugen FIM S , soweit deren Übersendung an den vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschuss — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) nicht bereits erfolgt ist, 960 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 b) Benennung sämtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, die mit Ermittlungen IM Zusammenhang mit den Hinweisen des Zeugen SEM befasst waren. Begründung: Der Zeuge SM hat sich im Jahre 2012 mehrfach an Polizeibehörden gewandt mit dem Hinweis, Ende 2001/Anfang 2002 in Dortmund gemeinsam mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos auf der Baustelle des dortigen Stadthauses gearbeitet zu haben. Der Hinweis ist bei der BAO Trio RegEA Bayern als Spur 63 und bei der BAO Trio NRW als Spur 186 bearbeitet worden. It. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 961 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 122. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses— Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorr-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz das Bundesministerium der Justiz, namentlich den Generalbundesanwalt um Übersendung sämtlicher Akten, Berichte, internen Vermerke einschließlich Entwürfen von Vermerken und sämtlicher sonstiger Unterla en, die im Zusammenhang stehen mit einem Hinweis des 32, soweit deren Übersendung an den vom Zeugen FM MB Landtag beschlossenen Untersuchungsausschuss — Einsetzungsbeschluss vom 5. 32 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 962 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) nicht bereits erfolgt ist, zu ersuchen. Begründung: Der Zeuge SM hat sich im Jahre 2012 mehrfach an Polizeibehörden gewandt mit dem Hinweis, Ende 2001/Anfang 2002 in Dortmund gemeinsam mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos auf der Baustelle des dortigen Stadthauses gearbeitet zu haben. Der Hinweis ist bei der BAO Trio RegEA Bayern als Spur 63 und bei der BAO Trio NRW als Spur 186 bearbeitet worden. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 963 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 123. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Herrn Markus Grimme 33 Begründung: Der Zeuge war der Vermieter des Thomas Dellig. Der Zeuge fand den Thomas Dellig am 07. April 2014 tot in der Wohnung auf Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 964 33 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 124. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, 'Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am. S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Herrn Rechtsanwalt Jerzy Montag als Zeugen zu laden. Begründung: Der Zeuge ist am 6.10.2014 vom Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages beauftragt worden, als Sachverständiger die Vdrgänge im Zusammenhang mit dem am 7.4.2014 in seiner Wohnung in Paderborn / Schloss Neuhaus tot aufgefundenen Thomas Richter zu untersuchen, der 18 Jahre lang als V-Mann für das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitete und u.a. in Nordrhein-Westfalen lebte. 965 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 125. Beweisbeschluss Beschlossen am 27. April 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 27. April 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vorn Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)—; der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Herrn Leitenden Kriminaldirektor Soukup, zu laden über das Bundeskriminalamt Wiesbaden, als Zeugen zu vernehmen. Begründung: Der Zeuge war im Jahr 2012 nach Aufdeckung des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund" als Polizeiführer in der bei dem Bundeskriminalamt gebildeten Besonderen Aufbauorganisation „Trio" der zentrale Ermittlungsleiter. Im Zuge seiner Tätigkeit unterstand dem Zeugen auch das von dem bereits vernommenen Zeugen Schweikert geführte Ermittlungsteam, das unter anderem mit der Aufklärung der Kölner Sprengstoffanschläge 2001 in der Probsteigasse und 2004 in der Keupstraße befasst war. 966 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 126. Beweisbeschluss Beschlossen am 12. Mai 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 12. Mai 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die Fernsehanstalt „Zweites Deutsches Fernsehen", 55100 Mainz um Herausgabe einer Kopie des Sendemitschnittes der 370. Sendung der Fernsehreihe „Aktenzeichen XY... ungelöst" vom 4. November 2004 zu ersuchen. Begründung Am 9. Juni 2004 wurde auf den in Köln, Keupstraße 29, gelegenen Friseursalon ein Sprengstoffanschlag verübt. Die polizeilichen Ermittlungen wurden seinerzeit von einer 967 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Mordkommission des Polizeipräsidiums Köln unter der Leitung des Kriminalhauptkommissar Markus Weber geführt. Im Rahmen der Ermittlungen wurde der Sachverhalt am 4. November 2004 in der Fernsehreihe „Aktenzeichen XY....ungelöst" behandelt. Herr Kriminalhauptkommissar Weber stellte als Gast im Studio den damaligen Ermittlungsstand mit einer Reihe ungeklärter Fragen vor. II. Der Kopie ist eine Erklärung über die Übereinstimmung mit dem Original beizufügen. 968 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 127. Beweisbeschluss Beschlossen am 25. Mai 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 25. Mai 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, Herrn Oberstaatsanwalt Ralf Meyer, zu laden über das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf als Zeugen zu vernehmen. Begründung: Der Zeuge war. als Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Paderborn zuständig für die Todesermittlungssache zum Nachteil des Thomas Richter. 969 Anlage 2 zu Drucksache 16114400 128. Beweisbeschluss Beschlossen am 25. Mai 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 25. Mai 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in NordrheinWestfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof Anette Greger. Begründung: • Nach Aufdeckung des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) führte die Zeugin bei der Bundesanwaltschaft die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem NSU. Sie kann Auskunft geben zu den Ermittlungen zu den dem NSU zugerechneten Taten des NSU, namentlich dem Nagelbombenanschlag vom 9. Juni 2006 in der Keupstraße in Köln, dem Mordanschlag vom 4. April 2006 in Dortmund und insbesondere zum Sprengstoffanschlag vom 19. Januar 2001 in der Probsteigasse in Köln. 970 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 129. Beweisbeschluss Beschlossen am 25. Mai 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 25. Mai • 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz aus dem Geschäftsbereich der Präsidentin des Baden-Württembergischen Landtages sämtliche Protokolle der Beweisaufnahmesitzungen des auf Grundlage der Drucksache 15/6049 eingesetzten Untersuchungsausschusses der 15. Wahlperiode des Baden-Württembergischen Landtages beizuziehen. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 971 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 130. Beweisbeschluss Beschlossen am 17. Juni 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Juni 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und 'anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: Frau Büddefeld, zu laden über das Bundesamt für Verfassungsschutz. Begründung: Der Zeugin war als Leiterin der Abteilung 2 des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit der zuletzt in Paderborn wohnhaft und dort verstorbenen V-Personen „Corelli" befasst, insbesondere mit dem Austausch mit Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Ableben der V-Person. 972 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 131. Beweisbeschluss Beschlossen am 17. Juni 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Juni 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Eins'etzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in NordrheinWestfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnef wer-den; ' 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn LKD Heimann, zu laden über das Bundekriminalamt, Wiesbaden. Begründung: Der Zeuge war Leiter Zentrale Ermittlungen der nach Aufdeckung des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund" bei dem Bundeskriminalamt gebildeten Besonderen Aufbauorganisation „Trio". Im Zuge seiner Tätigkeit war er auch mit den dem NSU in Nordrhein-Westfalen zugerechneten Taten, nämlich den Sprengstoffanschlägen in Köln in der Probsteigasse vom 19. Januar 2001 und in der Keupstraße vom 9. Juni 2004 sowie dem Mord zum Nachteil des Mehmet Kubapik am 4. April 2006 befasst. Der Zeuge kann allgemein Angaben zu seiner Einbindung in die Ermittlungen, der Kommunikation der einzelnen Ermittlungsabschnitte untereinander und der Zusammenarbeit mit weiteren beteiligten Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden machen. Weiter kann er konkret Angaben machen - zur Aufarbeitung der Spur Helfer, insbesondere zur Auswahl der Lichtbilder und der 973 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 - Frage, warum keine Vernehmung der Person erfolgte, zu der Person des Mevlüt Kar, zu der Person des Stephan Kahl und zu der Person des Achim Armin Fiedler und den Gründen, warum Lichtbilder dieser Person nach Wiedererkennen durch Zeugen als möglichen Täter des Anschlags in der Probsteigasse in weiteren Lichtbildvorlagen nicht mehr enthalten ist und warum die Person in der Folge als Zeuge statt als Verdächtiger vernommen worden ist. 974 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 132. Beweisbeschluss Beschlossen am 17. Juni 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Juni 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in NordrheinWestfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet wer-den; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn Glorius, zu laden über das Bundekriminalamt, Wiesbaden. Begründung: Der Zeuge war Mitarbeiter der nach Aufdeckung des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund" bei dem Bundeskriminalamt gebildeten Besonderen Aufbauorganisation „Trio". Im Zuge seiner Tätigkeit war er auch mit den dem NSU in Nordrhein-Westfalen zugerechneten Taten, nämlich den Sprengstoffanschlägen in Köln in der Probsteigasse vom 19. Januar 2001 und in der Keupstraße vom 9. Juni 2004 sowie dem Mord zum Nachteil des Mehmet Kubadik am 4. April 2006 befasst. Der Zeuge kann allgemein Angaben zu seiner Einbindung in die Ermittlungen, der Kommunikation der einzelnen Ermittlungsabschnitte untereinander und der Zusammenarbeit mit weiteren beteiligten Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden machen. Weiter kann er konkret Angaben machen - zu der Person des Achim Armin Fiedler und den Gründen, warum Lichtbilder dieser 975 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Person nach Wiedererkennen durch Zeugen als möglichen Täter des Anschlags in der Probsteigasse in weiteren Lichtbildvorlagen nicht mehr enthalten ist und warum die Person in der Folge als Zeuge statt als Verdächtiger vernommen worden ist zu der Spur Helfer, zu dem Austausch mit dem BfV zu den Anschlägen 2001 und 2004 in Köln. 976 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 133. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am SBahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: A Mlli a mamm Begründung: Der Zeuge war zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlages am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf Mitglied der rechten Szene in Düsseldorf und kann unter anderem Angaben über eine mögliche Beteiligung von Personen aus dieser Szene an dem Sprengstoffanschlag machen. 34 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 977 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 134. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der. PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn KD " zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Begründung: Der Zeuge war als Mitarbeiter der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen nach Bekanntwerden des Nationalsozialistischen Untergrundes unter anderem mit dem Sprengstoffanschlag am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf und mit dem Hinweisgeber Stefan Kahl befasst. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 978 35 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 135. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin zu vernehmen: ," zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Frau KHK'in Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Begründung: Die Zeugin war Vertrauenspersonenführerin beim Polizeipräsidium Düsseldorf und war nach Bekanntwerden des Nationalsozialistischen Untergrundes mit Ermittlungen bezüglich des Sprengstoffanschlages am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf befasst. In diesem Zusammenhang war sie unter anderem mit dem Einsatz der Vertrauensperson der Kreispolizeibehörde Neuss befasst und nahm an einer Besprechung am 09.02.2012 mit zwei Beamten der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen teil. 36 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt 979 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 136. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: die Vertrauensperson mit der Kennung 37der Kreispolizeibehörde Neuss. Begründung: Die Vertrauensperson hat 2004 und. 2012 Angaben zu möglichen Tatbeteiligten des Sprengstoffanschlages am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf gemacht. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 980 37 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 137. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn KHK Dietmar Wixfort, zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Begründung: Der Zeuge war Leiter der nach dem Sprengstoffanschlag am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf gebildeten Ermittlungskommission „Ackerstraße". 981 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 138. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälisdher Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: Herrn E., zu laden über das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf. Begründung: Der Zeuge war Vertrauenspersonenführer der Vertrauensperson der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Vertrauensperson war zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlages am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf Mitglied der rechten Szene in Düsseldorf. Der Zeuge kann unter anderem Auskunft darüber geben, welche Angaben die Vertrauensperson über eine mögliche Beteiligung von Personen aus dieser Szene an dem Sprengstoffanschlag gemacht hat. 982 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 139. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die Deutsche Telekom AG (Mobilfunk), Gartenstraße 217, 48147 Münster um Auskunft zu folgenden Fragen zu ersuchen: 1. Was war der zum damaligen Zeitpunkt (April 2014) mögliche maximale Zeitraum für die retrograde Abfrage von Funkzellenverbindungsdaten? 2. Welchen Zeitraum umfassten die von Ihnen an die Staatsanwaltschaft Paderborn übersandten Verbindungsdaten? 3. Sofern der Zeitraum der an die Staatsanwaltschaft Paderborn übersandten Daten kürzer war als der maximal mögliche Zeitraum: Aus welchem Grund wurden Daten für einen kürzeren Zeitraum übersandt? 983 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 4. Wurde der im Beschluss des Amtsgerichts Paderborn angegebene Zeitraum spezifiziert? Falls ja: durch wen? 5. Von wie vielen Funkzellen übersandten Sie die Verbindungsdaten an die Staatsanwaltschaft Paderborn? Begründung Mit Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 8. April 2014 (Aktenzeichen 69 Gs-10 UJs 264/14-178/14 i.V.m. 77 Gs-10Ujs 264/24-191/14) wurden Sie aufgefordert gemäß §§ 100 g Abs. 1, Nr. 1, Abs. 2, 100b StPO Auskunft über sämtliche Verbindungsdaten zu erteilen, die im Zeitraum vom 29.03.2014, 00:00. Uhr bis 7.04.2014, 15:54 Uhr, über diejenige Basisstation bzw. Basisstationen abgewickelt wurden, die funktechnisch den geographischen Standort „Auf dem Bieleken 15, 33104 Paderborn" versorgen. Diesem Beschluss sind Sie nachgekommen und übersandten Verbindungsdaten an die Staatsanwaltschaft Paderborn. Ihre Vorgangsnummer lautete unserer Kenntnis nach: 984 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 140. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische UntersuchungsausschussIll (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, den Westdeutschen Rundfunk, Westdeutscher Rundfunk Köln, Appellhofplatz 1, 50600 Köln I. um Auskunft zu folgenden Fragen zu ersuchen: 1. Anschlag in der Probsteigasse In der unter der Webadresse: https://www.youtube.com/watch?v=3bLd13WtCzD4 985 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 frei zugänglichen Version des NSU-Bekennervideos sind von Minute 2:56 bis Minute 3:36 Aufnahmen des WDR-Fernsehens zu sehen. 1.1 In welchen Beiträgen des WDR aus dem Jahr 2001 wurden diese Videoausschnitte verwendet? 1.2 Wann wurden die fraglichen Beiträge ausgestrahlt? Bitte etwaige Wiederholungen der Sendungen ebenfalls berücksichtigen. 1.3 Liefen die fraglichen Beiträge im Regionalprogramm des Studios Köln oder im WDRHauptprogramm? 1.4 Sofern Videoausschnitte von Beiträgen aus dem WDR-Hauptprogramm im NSUBekennervideo verwendet wurden: Waren die jeweiligen Beiträge über das Kabelnetz in der Wohnung Heisenbergstraße 6 in Zwickau zu empfangen? 1.5 Sofern Videoausschnitte von Beiträgen aus dem WDR-Regionalprogramm im NSUBekennervideo verwendet wurden: Waren die jeweiligen Beiträge zum Sendetermin über das Kabelnetz in der Wohnung Heisenbergstraße 6 in Zwickau zu empfangen? 1.6 Welche WDR-Regionalprogramme wurden am 19.1.2001 in das analoge Kabelnetz eingespielt? 1.7 Welche Regionalprogramme wurden am 19.1.2001 in das Satellitensystem eingespielt? 1.8 Wurde über den Anschlag in der Probsteigasse am 19.1.2001 in den überregionalen Nachrichten des WDR-Hörfunks berichtet? 2. Anschlag in der Keupstraße In der unter der Webadresse: https://www.youtube.com/watch?v=3bLdBWtCzD4 frei zugänglichen Version des NSU-Bekennervideos sind von Minute 11:24 bis Minute 11:45 sowie von Minute 12:59 bis Minute 13:15 sowie von Minute 13:22 bis Minute 14:16 Aufnahmen des WDR-Fernsehens zu sehen. 2.1 In welchen Beiträgen des WDR wurden diese Videoausschnitte verwendet? 2.2 Wann wurden die fraglichen Beiträge ausgestrahlt? Bitte etwaige Wiederholungen der Sendungen ebenfalls berücksichtigen. 2.3 Liefen die fraglichen Beiträge im Regionalprogramm des Studios Köln oder im WDRHauptprogramm? 2.4 Sofern Videoausschnitte von Beiträgen aus dem WDR-Hauptprogramm im NSUBekennervideo verwendet wurden: Waren die jeweiligen Beiträge über das Kabelnetz in der Wohnung Polenzstraße 2 in Zwickau zu empfangen? 2.5 Sofern Videoausschnitte von Beiträgen aus dem WDR-Regionalprogramm im NSUBekennervideo verwendet wurden: Waren die jeweiligen Beiträge zum Sendetermin über das Kabelnetz in der Wohnung Polenzstraße 2 in Zwickau zu empfangen? 986 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 2.6 Wurden die fraglichen Beiträge aus dem WDR-Regionalprogramm in das Satellitensystem eingespeist? 3. WDR-Mediathek 3.1 Ab welchem Zeitpunkt waren Beiträge aus dem WDR Fernsehen in der Mediathek online abrufbar? II. um Herausgabe von Kopien der Sendemitschnitte der Beiträge des WDR zu ersuchen, aus denen die in der o.g. Webadresse frei zugänglichen Version des NSU-Bekennervideos 1. von Minute 2:56 bis Minute 3:36 zum Anschlag in der Probsteigasse (zu vgl. Ziffer 1. 1.1.) sowie 2. von Minute 11:24 bis Minute 11:45 sowie von Minute 12:59 bis Minute 13:15 sowie von Minute 13:22 bis Minute 14:16 zum Anschlag in der Keupstraße (zu vgl. 1. 2.1.) verwendeten Aufnahmen des WDR-Fernsehens zu sehen sind. Begründung Das Bekennervideo des NSU ist Grundlage und Beweismittel für die Zurechnung der Begehung einzelner Taten durch den NSU. Art und Weise der Veröffentlichung der im Video genutzten WDR-Beiträge ist für die Beurteilung eines Unterstützernetzwerks in NordrheinWestfalen von Bedeutung. 987 • Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 141. Beweisbeschluss Beschlossen am 1. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 1. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck), (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz den 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München um Übersendung folgender Unterlagen zu ersuchen: Vermerk von KHK'in Pflug vom 18.05.2016 zum NSU-Bekennervideo II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmund mit dem Original. 988 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 142. Beweisbeschluss Beschlossen am 7. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 7. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70)-, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktkiitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am SBahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz das Bundesministerium des Inneren, namentlich das Bundeskriminalamt um Übersendung der folgenden Unterlagen zu ersuchen: a) der Aktenstücke, insbesondere Vermerke, Durchsuchungsberichte und Vernehmungsprotokolle, betreffend die Überprüfung der Alibis des Mitarbeiters des LfV Hessen, Andreas Temme, im Jahr 2006 im Zusammenhang mit den Taten in NordrheinWestfalen, namentlich den Sprengstoffanschlägen in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln sowie dem Mord zum Nachteil des Mehmet Kubaik in Dortmund, und betreffend etwaiger Aufenthalte des Andreas Temme in Köln, 989 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 b) der Aktenstücke, insbesondere Vermerke, Durchsuchungsberichte und Vernehmungsprotokolle, betreffend die Überprüfung der Alibis des Mitarbeiters des LfV Hessen, Andreas Temme, im Jahr 2012 im Zusammenhang mit den Taten in NordrheinWestfalen, namentlich den Sprengstoffanschlägen in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln sowie dem Mord zum Nachteil des Mehmet Kuba§ik in Dortmund, und betreffend etwaiger Aufenthalte des Andreas Temme in Köln, c) aller Videos mit NRW-Bezug vom AsservatEDV 11, zu vgl. Anlage zum Vermerk des KHK Dem vom 18.07.2012, SAO 269 BL 325, 329 ff., insbesondere die Datei wdr.avi, SAO 269 BI. 335 d) der auf dem in der Frühlingsstraße aufgefundenen Festplattenrecorder gesicherten oder wiederhergestellten Videodateien sowie die Verzeichnisstruktur, e) der auf der DVD-RAM, zu deren Auswertung KK-in Pflug am 17. März 2016 vor dem OLG München im Verfahren gegen Beate Zschäpe u.a. zeugenschaftlich ausgesagt hat, gesicherten Dateien, Begründung: Für die Untersuchung eines Unterstützernetzwerks sowie etwaigen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist es von Relevanz, ob Andreas Temme im zeitlichen Zusammenhang mit den Taten an den Tatorten aufhältig war. Das Bekennervideo des NSU ist Grundlage und Beweismittel für die Zurechnung der Begehung einzelner Taten durch den NSU. Art und Weise der Veröffentlichung der im Video genutzten Videosequenzen ist für die Beurteilung eines Unterstützernetzwerks in NordrheinWestfalen von Bedeutung. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 990 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 143. Beweisbeschluss Beschlossen am 7. Juli 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 7. Juli 2016 beschlossen: Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen• Untersuchungsausschusses — .Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz den 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München um Übersendung folgender Unterlagen zu ersuchen: 1. der Aktenstücke, insbesondere Vermerke, Durchsuchungsberichte und Vernehmungsprotokolle, betreffend die Überprüfung der Alibis des Mitarbeiters des LfV Hessen, Andreas Temme, im Jahr 2006 im Zusammenhang mit den Taten in NordrheinWestfalen, namentlich den Sprengstoffanschlägen in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln sowie dem Mord zum Nachteil des Mehmet Kuba§ik in Dortmund, und betreffend etwaiger Aufenthalte des Andreas Temme in Köln, 991 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 2. der Aktenstücke, insbesondere Vermerke, Durchsuchungsberichte und Vernehmungsprotokolle, betreffend die Überprüfung der Alibis des Mitarbeiters des LfV Hessen, Andreas Temme, im Jahr 2012 im Zusammenhang mit den Taten in NordrheinWestfalen, namentlich den Sprengstoffanschlägen in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln sowie dem Mord zum Nachteil des Mehmet Kuba?ik in Dortmund, und betreffend etwaiger Aufenthalte des Andreas Temme in Köln, 3. aller Videos mit NRW-Bezug vom Asservat EDV 11, zu vgl. Anlage zum Vermerk des KHK Dem vom 18.07.2012, SAO 269 BI. 325, 329 ff., insbesondere die Datei wdr.avi, SAO 269 BI. 335 4. der auf dem in der Frühlingsstraße aufgefundenen Festplattenrecorder gesicherten oder wiederhergestellten Videodateien sowie die Verzeichnisstruktur, 5. der auf der DVD-RAM, zu deren Auswertung KK'in Pflug am 17. März 2016 vor dem OLG München im Verfahren gegen Beate Zschäpe u.a. zeugenschaftlich ausgesagt hat, gesicherten Dateien, 6. Brief von Thomas Starke an Uwe Mundlos vom 10.11.1995 7. Vernehmungsprotokolle etwaiger zeugenschaftlicher Vernehmungen des Marco Kreutzer, geb. 02.12.1974 in Erfurt und 8. Vermerke zur Person MM la, geb. 38 Beq ründunq: Für die Untersuchung eines Unterstützernetzwerks sowie etwaigen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist es von Relevanz, ob Andreas Temme im zeitlichen Zusammenhang mit den Taten an den Tatorten aufhältig war. Das Bekennervideo des NSU ist Grundlage und Beweismittel für die Zurechnung der Begehung einzelner Taten durch den NSU. Art und Weise der Veröffentlichung der im Video genutzten Videosequenzen ist für die Beurteilung eines Unterstützernetzwerks in NordrheinWestfalen von Bedeutung. MM la wird in einem Brief des Thomas Starke an Uwe Mundlos vom 10. November 1995 derart erwähnt, dass von einem Kennverhältnis des Marco Kreutzer und des Uwe Mundlos auszugehen ist. Zugleich ist ein Kennverhältnis von Nall la und Axel Reitz sowie Johann Helfer belegt. Der Brief des Thomas Starke sowie Vernehmungen und Erkenntnisse zur Person des MM FIM sind daher für die Untersuchung eines Unterstütznetzwerks in NRW von Belang. II. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 992 38 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 144. Beweisbeschluss Beschlossen am 9. September 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 9. Septernber 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe die belgische Bundesanwaltschaft, Parquet födöral Bruxelles, zu ersuchen, 9 die Fragen des nachstehenden Fragenkatalogs von Frau Bundesanwältin a schriftlich beantworten zu lassen und die Antworten dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen. Fragenkatalog: Um was für eine Gruppierung handelte es sich bei BEET? 39 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 993 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 1. Welche Erkenntnisse zur Gruppe BBET lagen vor Beginn der Ermittlungen vor? Wodurch wurde die Staatsanwaltschaft auf die Gruppe BBET aufmerksam? 2. Über welche Organisationsstrukturen verfügte die Gruppe BBET? Wer waren ihre Mitglieder und führenden Akteure? 3. Über welche ideologische Orientierung verfügte die Gruppe BBET? a. Welche Rolle spielten die von „Combat 18" propagierten Ideen und Organisationsweisen für die Gruppe BBET? b. Welche Strategie verfolgte die Gruppe BBET? 4. Inwiefern handelte es sich bei der Gruppe BBET um eine terroristische Vereinigung? Welcher (geplanten) terroristischen Taten wurde die Gruppe BBET bezichtigt? 5. Welche weiteren Straftaten wurden von der Gruppe BBET oder ihren Mitglieder begangen? Welche Taten wurden der Gruppe BBET bzw. den angeklagten Mitgliedern in der Anklageschrift vorgeworfen? 6. In welcher Weise führte die Gruppe BBET paramilitärische Trainings oder Schulungen an Schusswaffen oder Sprengmitteln'urch? a. Nahmen deutsche Staatsangehörige an diesen Trainings oder Schulungen teil? b. Wenn ja: Um welche Personen handelte es sich? 7. In welcher Weise war die Gruppe BBET in das internationale Netzwerk von „Blood & Honour" oder „Combat 18" eingebunden? II. Welche Verbindungen bestanden zwischen Rechtsradikalen aus NRW und den Neonazis der Gruppe BBET? 8. Welche Erkenntnisse wurden über den Aufenthalt des Deutschen Sebastian Seemann in Belgien und seine Kontakte zu belgischen Neonazis erlangt? a. Welche Aktivitäten von Seemann in Belgien wurden bekannt? b. Wo und bei wem hielt sich Seemann während seiner Zeit in Belgien auf? c. Wurden Ermittlungsmaßnahmen gegen Seemann (z.B. Observationen oder ähnliches) durchgeführt? d. Wie wurde nach Seemann gefahndet? 9. Waren Personen aus Deutschland in die Anschlagspläne in Belgien involviert? Wenn ja: Welche Personen waren involviert und in welcher Weise? 10. Weiche deutschen Neonazis unterhielten Kontakt zur Gruppe BBET und ihren Mitgliedern? a. Waren Deutsche Mitglied der Gruppe BBET? (wenn ja: Welche Deutschen waren Mitglied der Gruppe BBET? b. Standen Marko Gottschalk, M , Robin Schmiemann, R , Thorsten Heise, M oder andere Deutsche in Kontakt mit den BBET-Mitgliedern?4° c. Wurden Treffen oder gemeinsame Veranstaltungen von deutschen und belgischen Neonazis von BBET festgestellt? Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 994 40 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 d. Referierten deutsche Neonazis bei Veranstaltungen von BBET/"Blood & Honour Flandern" in Belgien oder referierten belgische Neonazis von BBET bei Veranstaltungen in Deutschland? e. Haben sich deutsche Neonazis an der Organisation von rechtsradikalen Musikveranstaltungen in Belgien beteiligt? 11. Gab es im Rahmen der BBET-Ermittlungen Hinweise auf eine Beteiligung belgischer Neonazis an neonazistischen, kriminellen oder terroristischen Gruppen in Deutschland? 12. Wurden Waffen oder gefährliche Gegenstände (auch Pfefferspray) aus Deutschland nach Belgien gebracht? falls ja: Welche Personen waren in welchem Umfang und durch welche Tätigkeiten beteiligt? 13. Wurden Waffen, Sprengmittel oder gefährliche Gegenstände aus Belgien nach Deutschland gebracht? falls ja: Welche Personen waren in welchem Umfang und durch welche Tätigkeiten beteiligt? 14. Wurde Propaganda-Material oder Musik-CDs, z.B. von „Blood & Honour" oder „Combat 18", a. von belgischen Neonazis nach Deutschland gebracht? b. von deutschen Neonazis nach Belgien gebracht? c. Sind weitere internationale Transportwege von Propagandamaterial oder Musik-CDs von „Blood & Honour" und „Combat 18" im Zuge der Ermittlungen bekannt geworden? III. Welche Behörden des Landes NRW waren an den Ermittlungen gegen BBET beteiligt? 15. Waren Informationen aus Deutschland entscheidend für eine Neubewertung von BBET bzw. waren Informationen aus Deutschland ursächlich für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens? a. Welche Informationen waren dies? b. Von welchen Personen kamen diese Informationen? c. Welche deutschen Behörden waren an diesem Vorgang beteiligt? d. Spielte Sebastian Seemann hier eine Rolle? e. Wurden Deutschen, die Informationen zur Gruppe BBET gegeben haben Zugeständnisse im Sinne einer Kronzeugen-Regelung, Straffreiheit oder Anonymität gemacht? 16. Gab es im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen BBET eine Zusammenarbeit mit deutschen Behörden, z.B. im Rahmen eines Informationsaustausches oder im Rahmen der Amtshilfe? Welche deutschen Behörden waren an diesem Vorgang in welcher Art und Weise beteiligt? 17. Gab es im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Treffen zwischen den Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden Belgiens und Vertretern von deutschen Behörden? a. Wann waren diese Treffen? b. Wer war daran beteiligt? c. Was wurde dort besprochen? d. Liegen Gesprächsvermerke oder gar Protokolle vor? e. Können wir diese Gesprächsvermerke oder Protokolle einsehen? 995 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 18. Wurden im Rahmen der Ermittlungen erhaltende Informationen zur Gruppe BBET, ihren Mitgliedern und ihren (geplanten) Taten an deutsche Behörden weitergegeben? a. wenn ja: Welche Informationen waren dies? b. In welcher Form erfolgte die Weitergabe an welche deutschen Behörden? 19. Wurden im Rahmen der Ermittlungen erhaltene Informationen über deutsche Staatsangehörige an deutsche Behörden weitergegeben? a. wenn ja: Welche Informationen waren dies? b. In welcher Form erfolgte die Weitergabe? 20. Wurden deutsche Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen über die Ermittlungsergebnisse unterrichtet? Wann und in welcher Art und Weise erfolgte diese Unterrichtung? Begründung: Die Bundesanwältin war die zuständige Ermittlerin der belgischen Bundesanwaltschaft in dem Strafverfahren gegen Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppierung „Bloed Bodem Eer TrouW' (Blut Boden Ehre Treue - BBET), die nachweislich Kontakte zu Personen aus dem Kreis der „Oidoxie Streetfighting Crew" sowie zu der Dortmunder Neonazi-Szene hatten. Ideologisch waren die betreffenden Personen durch den Bezug auf „Blood & Honour" und „Combat 18" miteinander verbunden. Dortmunder Neonazis organisierten gemeinsam mit Mitgliedern von BBET mindestens ein neonazistisches Konzert in Belgien. Laut Zeugenaussagen sollen Dortmunder Neonazis Waffen aus Belgien eingeführt haben. Zwischen den terroristischen Bestrebungen von BBET und dem Mord an Mehmet Kuba§ik am 4. April 2006 in Dortmund besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang. Die Bundesanwältin vermag dem Untersuchungs'ausschuss Auskunft zu geben, um was für eine Gruppierung es sich bei BBET handelt und welche Verbindungen zwischen Rechtsradikalen aus Nordrhein-WestFalen und BBET bestanden. Überdies vermag sie Auskunft zu geben, welche Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen, in welcher Weise an den belgischen Ermittlungen gegen BBET beteiligt waren und ob und wie sie über die Ermittlungsergebnisse informiert wurden. 996 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 145. Beweisbeschluss Beschlossen am 9. September 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 9. September 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz den Generalbundesanwalt um Übersendung folgender Unterlagen zu ersuchen: a) der Aktenstücke, insbesondere Vermerke, Durchsuchungsberichte und Vernehmungsprotokolle, betreffend.die Überprüfung der Alibis des Mitarbeiters des LfV Hessen, Andreas Temme, im Jahr 2006 im Zusammenhang mit den Taten in NordrheinWestfalen, namentlich den Sprengstoffanschlägen in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln sowie dem Mord zum Nachteil des Mehmet Kubaeik in Dortmund, und betreffend etwaiger Aufenthalte des Andreas Temme in Köln, 997 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 b) der Aktenstücke, insbesondere Vermerke, Durchsuchungsberichte und Vernehmungsprotokolle, betreffend die Überprüfung der Alibis des Mitarbeiters des LfV Hessen, Andreas Temme, im Jahr 2012 im Zusammenhang mit den Taten in NordrheinWestfalen, namentlich den Sprengstoffanschlägen in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln sowie dem Mord zum Nachteil des Mehmet Kubapik in Dortmund, und betreffend etwaiger Aufenthalte des Andreas Temme in Köln, Begründung: Für die Untersuchung eines Unterstützernetzvverks sowie etwaigen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist es von Relevanz, ob Andreas Temme im zeitlichen Zusammenhang mit den Taten an den Tatorten aufhältig war. Mit Schreiben vom 01.08.2016 hat der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München Götzl auf hiesigen Beweisbeschluss 143 mitgeteilt, dass der Generalbundesanwalt im Komplex „Temme" über weitere Sachaktenbände verfüge, die nicht Teil der Verfahrensakte geworden und die daher beim Generalbundesanwalt anzufordern seien. Den Unterlagen ist eine Erklärung über die Vollständigkeit beizufügen, im Falle der Vorlage von Ablichtungen eine Erklärung über die Vollständigkeit der Ablichtungen und die Übereinstimmung mit dem Original. 998 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 146. Beweisbeschluss Beschlossen am 5. Oktober 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 5. Oktober 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der 'zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen unchUnterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugin: Frau Büddefeld, zu laden über das Bundesamt für Verfassungsschutz zu folgenden Beweisthemen zu vernehmen: 1. Am 7. April 2014 ist Thomas Richter von seinem Vermieter und zwei Mitarbeitern des BW leblos in seiner Wohnung in Schloss Holte-Stukenbrock aufgefunden worden. Können Sie uns zusammenfassend schildern, wann und wie Sie davon Kenntnis erlangt haben? 999 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 2. Nach Auskunft einer dieser Mitarbeiter des BfV ist unverzüglich nach dem Auffinden des Thomas Richter Kontakt mit dem BfV aufgenommen worden. Welche Angaben hat der Mitarbeiter zu den Umständen des Auffindens gemacht und welche Anweisungen hat er hinsichtlich des weiteren Verhaltens am Fundort erhalten? 3. Am 9. April 2014 fand im Polizeipräsidium Bielefeld im Todesermittlungsverfahren Thomas Richter eine Besprechung unter Leitung der Polizeipräsidentin im Polizeipräsidium Bielefeld statt. An der Besprechung nahmen der zuständige Oberstaatsanwalt, Beamte der eingesetzten Mordkommission sowie die Abteilungsleiterin Frau Büddefeld und ein weiterer Beamter des BfV teil. Was war Gegenstand dieser Besprechung und wie entwickelte sich der Gesprächsverlauf? 4. Welche Angaben zu Angehörigen und dem sozialen Umfeld des Thomas Richter erfolgten seitens des BfV? 5. Waren die Vertreter des BfV an den Entscheidungsfindungen im Rahmen der Besprechung beteiligt und/oder wie haben sie hierauf Einfluss genommen? 6. Welche Vorgaben für den weiteren Verfahrensgang des Todesermittlungsverfahrens sowie den Umgang mit sichergestellten Gegenständen sind in der Besprechung von den Vertretern des BfV an die Vertreter der nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden gestellt worden? 7. Welche Behörden in Nordrhein-Westfalen waren zu welchem Zeitpunkt informiert, dass der in einem Schutzprogramm des BfV geführte Thomas Richter in Nordrhein-Westfalen wohnhaft ist? 8. Waren Behörden aus Nordrhein-Westfalen an der Entscheidung, an welchem Ort Thomas Richter seinen Wohnsitz nimmt, eingebunden? 9. Welche nordrhein-westfälischen Behörden sind wann informiert worden, dass eine Quelle des LfV Hamburg dem LfV Hamburg eine Ausfertigung der sog. NSU/NSDAP-CD mit dem Hinweis übergeben hat, diese CD ungefähr 2006 von Thomas Richter erhalten zu haben? Begründung: Thomas Richter war bis zu seiner Enttarnung im November 2012 V-Person des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Nach seiner Enttarnung Wurde er entpflichtet und in ein Schutzprogramm des BfV genommen. Am 7. April 2014 ist Thomas Richter von seinem Vermieter und zwei Mitarbeitern des BfV leblos in seiner Wohnung in Schloss HolteStukenbrock aufgefunden worden. Die Wohnung hatte er unter den Tarnpersonalien angemietet, die er im Schutzprogramm des BfV erhalten hatte. Die beiden Mitarbeiter des BfV waren im Rahmen des Schutzprogramms für Thomas Richter zuständig. Unmittelbar nach Auffinden des leblosen Thomas Richter hat der Mitarbeiter der BfV, Herr M., nach Auskunft der Mitarbeiterin, Frau W., Kontakt mit einem Vorgesetzten aufgenommen. Über Art und Inhalt des Gesprächs sowie die Person des Gesprächspartners konnte Frau W. keine Auskunft geben. Der Umstand, dass Frau Büddefeld gemeinsam mit 1000 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Herrn M. an der Besprechung im PP Bielefeld am 9. April 2014 teilgenommen hat, legt nahe, dass es sich bei der von Herrn M. angerufenen Person um Frau Büddefeld gehandelt hat. Thomas Richter war vor seiner Zeit als V-Person des BfV in Nordrhein-Westfalen aufhältig und fest in der rechten Szene um Meinolf Schönborn in Detmold verwurzelt. Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit einer aus dem Ruder gelaufenen Geburtstagsfeier des Thomas Richter und der darauf von Meinolf Schönborn geltend gemachten Ersatzansprüche veranlassten Thomas Richter sich als V-Person anzubieten. In der Beweisaufnahmesitzung am 2. Juni 2016 hat Prof. Dr. Scherbaum abweichend von seiner im Todesermittlungsverfahren als Gutachter abgegebenen Einschätzung mitgeteilt, dass es Wirkstoffe gibt, durch deren Beibringung der todesursächliche hyperglykämische Schock des Thomas Richter von außen hervorgerufen hätte werden können. Die auf diese Aussage von der Staatsanwaltschaft Paderborn veranlasste ergänzende rechtsmedizinische und labormedizinische Untersuchung der Blut- und Organproben des Thomas Richter ist nicht abgeschlossen. Damit besteht die Möglichkeit, dass Thomas Richter infolge Fremdeinwirken Verstorben ist. Um im Rahmen des Untersuchungsauftrags des Ausschusses ein etwaiges Fehverhalten nordrhein-westfälischer Behörden im Zusammenhang mit dem Ableben und dem Todesermittlungsverfahren Thomas Richter beurteilen zu können, ist es von Bedeutung, von Frau Büddefeld als Mitarbeiterin des BfV Angaben zu Art und Umfang der Einbindung des BfV in das Todesermittlungsverfahren einerseits sowie der nordrhein-westfälischen Behörden in die Schutzmaßnahmen des BfV andererseits zu erhalten. Insbesondere kann nach der bisherigen Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Maßnahmen nordrhein-westfälischer Behörden, die sich ohne eine Beweiswürdigung vorwegnehmen zu wollen, als mindestens fragwürdig darstellen, infolge der Einflussnahme des BfV getroffen worden sind. Ob und ggf. in welchem Umfang dies der Fall war, ist für eine Beurteilung der Arbeit der nordrhein-westfälischen Behörden bedeutsam. 1001 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 147. Beweisbeschluss Beschlossen am 9. Dezember 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 9. Dezember 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, im Wege der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Abs. 1 Grundgesetz folgende Unterlagen beizuziehen: aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung, insbesondere des Amtes für den militärischen Abschirmdienst (MAD) sämtliche Akten, sämtlicher Schriftverkehr, sämtliche Protokolle, sämtliche Berichte, sämtliche Rechtsgutachten, sämtliche internen Vermerke einschließlich Entwürfen von Vermerken und sämtliche sonstige Unterlagen — samt aller hierzu elektronisch oder auf andere Weise gespeicherten Daten.— zu folgenden Personen: 1. Michael Berger, geboren 1002 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 41 2. AIIM MIM, geboren Begründung: Michael Berger erschoss am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop drei Polizeibeamte. Dieser dreifache Polizistenmord ist Gegenstand des Untersuchungsauftrages. der als Informant für den MAD tätig war, hatte Kontakte zu "Blood&Honour" und den "Hammer-Skins" sowie zu Ralf SM, gegen den im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf am 27. Juli 2000 ermittelt wurde. 41 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 1003 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 148. Beweisbeschluss Beschlossen am 9. Dezember 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 9. Dezember 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen. Gruppierung , NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die Fernsehanstalt „Westdeutscher Rundfunk Köln", 50600 Köln um Herausgabe einer Kopie des Sendemitschnittes des Beitrags von Sendung „Lokalzeit Köln" vom 14.06.2004 zu ersuchen. 1004 in der Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Begründung: ' In dem Beitrag werden die Bombenanschläge in Köln am 12. Februar 1993, 13. März 1993, 19. Januar 2001 und 09. Juni 2004 sowie eine mögliche Verbindung zwischen diesen thematisiert. In diesem Zusammenhang wurde auch das Phantombild gezeigt, das nach den Angaben des Inhabers des Kiosks in der Probsteigasse in Köln am 19.Januar 2001 erstellt wurde. II. Der Kopie ist eine Erklärung über die Übereinstimmung mit dem Original beizufügen. 1005 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 149. Beweisbeschluss Beschlossen am 9. Dezember 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 9. Dezember 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten de'r rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die Fernsehanstalt „Zweites Deutsches Fernsehen", 55100 Mainz um Herausgabe einer Kopie des Sendemitschnittes des Beitrags von Rainer Fromm, „Unbekannte Bombenserie" in der ZDF Sendung „Drehscheibe" vom 11.11.2014 zu ersuchen. 1006 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Begründung: In dem Beitrag wird der Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln zu seiner Einschätzung zu den Sprengstoffanschlägen in Köln am 12. Februar 1993 und 13. März 1993 sowie dem Aufbau und der Wirkung der verwendeten Sprengkörper befragt.. II. Der Kopie ist eine Erklärung über die Übereinstimmung mit dem Original beizufügen. 1007 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 150. Beweisbeschluss Beschlossen am 9. Dezember 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 9. Dezember 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die am 01. Juli 2016 beschlossene Vernehmung des Zeugen Herrn (Arbeitsname) (Beweisbeschluss Nr. 134) auf seine gesamte Tätigkeit als Mitarbeiter der Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, bei der er unter anderem mit dem VM 1 2 befasst war, auszudehnen. Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 1008 42 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 151. Beweisbeschluss Beschlossen am 9. Dezember 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 9. Dezember 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom;4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizisienmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, die am 01. Juli 2016 beschlossene Vernehmung des Zeugen Herrn E. (Arbeitsname) (Beweisbeschluss Nr. 138) auf seine Tätigkeit als (stellvertretender) Vertrauenspersonenführer unter anderem des VM 3 in der 1 Verfassungsschutzabteilung (Abteilung 6) des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen auszudehnen. 43 Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 1009 Anlage 2 zu Drucksache 16114400 152. Beweisbeschluss Beschlossen am 9. Dezember 2016 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 9. Dezember 2016 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —, der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof DüsseldorfWehrhahn vom 27. Juli 2000, wird beantragt, als Zeugen zu vernehmen: die Vertrauensperson mit der Kennung MR. des Landeskriminalamtes NordrheinWestfalen. Begründung: Die Vertrauensperson hat 2004 und 2012 Angaben zu möglichen Tatbeteiligten des Sprengstoffanschlages am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf gemacht. 153. Beweisbeschluss Weitere Angaben zum Schutz der Person geschwärzt. 1010 44 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Beschlossen am 17. Februar 2017 Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP sowie der Fraktion der PIRATEN hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss III (NSU) in seiner Sitzung am 17. Februar 2017 Zur Beweiserhebung über den Gegenstand des vom Landtag beschlossenen Untersuchungsausschusses — Einsetzungsbeschluss vom 5. November 2014, Drucksache 16/7148 (Neudruck) (Plenarprotokoll 16/70) —,.der Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden einschließlich der zuständigen Ministerien und der Staatskanzlei und anderer Verantwortlicher betreffend 1. die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses; 2. der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4. April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; 3. weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am SBahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000, werden folgende Unterlagen beigezogen: 1. Die Protokolle der Hearings in den öffentlichen Ausschusssitzungen am 20. Januar, 27. Januar, 3. März, 13. März, 24. März und 16. April 2015 sowie 2. aus öffentlich zugänglichen Quellen die nachstehenden aufgeführten Unterlagen Lichtbild Streetfighting Crew aus Lotta 56 Lichtbild Schmiemann aus Lotta 52 Lichtbild Schmiemann Internetseite Stem eigene Lichterbildmappe Lichtbild Voss Lichtbild Schnorr Lichtbild Schultz 1011 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Lichtbilder Dietrich Rowek Lichtbild Keupstraße Artikel (Kamerad V-Mann", Stern.de vom 16.12.2003 Artikel "Der "Brandstifter-Effekt" des Verfassungsschutzes", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Artikel "Seit wann wussten staatliche Stellen von Gewaltpotential", veröffentlicht unter www.ef-magazin.de Artikel "Politischer Stammtisch", Spiegel 24/1994 Artikel "Der Brandstifter-Effekt", Spiegel 45/2012 Artikel "Bekenntnisse eines V-Mannes", Stern vom 22.11.2011 Artikel "Schulwissen half beim Bau von Sprengsätzen", KStA vom 2. Oktober 1982 Artikel "Die "Terror-Front' warb im Supermarkt Kunden", KStA vom 29. September 1984 Artikel "Die unterschlagene Akte der Operation Delhi", 10. Juli 2013,veröffentlicht auf Spiegel online Artikel zur Nationalistischen Front - www.apabiz.de/archiv/material/Profile/NF Kommentar zur NPD-Demo am 22. Mai 1999 - www.hagalil.com/deutschland/rechts Kameradschaft Köln" aus Jugendclub Courage Köln e.V. (Hrsg.): Köln ganz rechts. Die extreme Rechte und die Braunzone in Köln, Köln 2008 — online veröffentlicht unter www.koeInganzrechts.de/jugend/kameradschaft Michael Weiß, Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 in Sebastian Friedrich/Regina Wamper/Jens Zimmermann: Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, Edition DISS Bd. 37, Münster 2015 Lotta — antifaschistische Zeitung aus NRW, Nr. 1/ November 1999 Lotta — antifaschistische Zeitung aus NRW, Nr. 18/Herbst 2004 Dokumentation „Nebenan der braune Sumpf" von Peter Schran, ARD 2005, veröffentlicht auf youtube www.youtube.com/watch?v=k8dNWfeabk4. Artikel "Rudolf Heß "Gedenkmarsch" muss ausfallen", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Michael Weiss, Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18, veröffentlicht unter www.nsu-watch.info/2015/05 Gerd Alt: Das „Collegium Humanum" in Vlotho. Ein Veranstaltungshaus für Rechtsextremistinnen aus Ostwestfalen, der gesamten BRD und dem europäischen Ausland, in: Lotta. Antifaschtische Zeitung aus NRW, Nr. 7, Herbst/Winter 2001, S. 16, online veröffentlicht unter www.hiergeblieben.de Artikel "Der Streit um das Erbe - Die Nachfolgestrukturen von Blood & Honour", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Nick Lowles: White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-TerrorGruppe, KAR-Verlag 2010 (englische Originalausagabe von 2001) Artikel "Combat 18 Inside", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Artikel 'Werwolf, Waffen, Werthebach: wer ist die Anti-Antifa?", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Artikel "Das Label Combat 18", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Hate Society „Hail Blood & Honour", zitiert nach: https://www.youtube.com/watch?v=.124CTTkmIMM Artikel "Unschuldig?", veröffentlicht unter www.lotta-maqazin.de/ausqabe/de Fanzine „Combat 2000", Nr. 1 Fanzine „Combat 2000", Nr. 2 Kriegsverbrecher Volume 1 CD 5 zitiert nach https://www.youtube.com/watch?v=aroqwB9srV4. Artikel "Blood & Honour" vom Southern Poverty Law Center veröffentlicht unter www.splcenter.org 1012 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Aust, Stefan/Laabs, Dirk: Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU Andrea Röpke, Verborgene NSU-Kontakte, veröffentlicht auf www.bnr.de Artikel "Schützt der Verfassungsschutz die Hammerskins?", veröffentlicht unter gamma.noblogs.org Artikel "Razzia bei sächsischen Hammerskins", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Andrea Röpke, Was wusste Gigi, veröffentlicht auf www.bnr.de Aussage des Zeugen Hendrik Lasch im NSU-Prozess vor dem Münchener OLG, 190. Verhandlungstag, 5. März 2015, nach Protokoll von nsu watch, Veröffentlicht unter: www.nsu-watch.info Division Germania - Hasserfüllte Lyrik (live in Slovenia 30.04.2016), zitiert nachwww.youtube.com/watch?v=AYUN7gwzzyo Artikel "Internationaler Hass", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Artikel "Der Widerstand ist eine Hydra?", veröffentlicht unter www.lottamagazin.de/ausgabe/de Artikel "Hammerskins und das Chapter Bremen", veröffentlicht unter antifa-bremen.org Artikel "Dummkopf United bei Schwanewede", veröffentlicht unter antifa-bremen.org Magazin "der rechte Rand" ISSN 1619-1404, 24. Jahrgang, Nr. 142 Monitor. Rundbrief des apabiz e.V. Ausgabe 2./2001 Artikel "Five jaikled for race hate crimes" im: The Guardian 4.11.2005 Verfassungschutzbericht der Freien und Hansestadt Bremen 2013 Beitrag "Über uns' von der homepage der Brigade 8, brigade-acht-eastside.de Artikel "Nationaler Widerstand in Waffen", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Artikel "Kameradschaft Hamm ist endgültig verboten", veröffentlicht auf www.wa.de Artikel "Kameradschaft Köln verboten", Kölner Stadtanzeiger 10.05.2012, online unter www.ksta.de Lotta — antifaschistische Zeitung aus NRW, Nr. 13/Sommer 2003 Artikel "NSU-Spur führt in Dortmunder Neonazi-Szene", WAZ 14.02.2013, online unter www.derwesten.de Beitrag "Mehmet Kubasik " auf wikipedia.de Alexandra Gehrhardtt "Zehn Jahre nach dem Mord an Mehmet Kubasik - Versagen als Teil des Systems",veröffentlicht auf www.ruhrbarone.de Fritz Bilz/Ulrich Eumann: Der Fall Winterberg-Spangenberg und der Kampf um die Deutungshoheit, Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 79/2008, online: unter www.mbr-köln Lotta — antifaschistische Zeitung aus NRW, RLP und Hessen, Nr. 62/Frühjahr 2016 Daniel Schmidt: Terror und Terrainkämpfe. Sozialprofil und soziale Praxis der SA in Dortmund 1925-1933, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Band 96/97, Essen 2007 Marcus Weidner: Die Straßenumbenennungspraxis in Westfalen und Lippe während des Nationalsozialismus. Datenbank der Straßenumbenennungen 1933-1945, online: www.lwlorg/westfaelische7geschichte Aussage des Zeugen Michael Probst im NSU-Prozess vor dem Münchener OLG, 171. Verhandlungstag, 16. Dezember 2014, nach Protokoll von nsu watch, Veröffentlicht unter: www.nsu-watch.info Artikel "Blutzeuge der Bewegung 1930" veröffentlicht auf www.9november.org Artikel„Sehen Sie, man spricht uns an", in: taz vom 28.8.2011, online unter: www.taz.de Artikel „Ex-NPD-Funktionär Sven Krüger: Vom Abrissunternehmer zum Verleger" Endstation rechts, Beitrag vom 8. März 2012, online unter: www.endstation-rechts.de Beitrag "Nationalsozialismus und Arbeiterbewegung" auf www.regiowiki.hna.de 1013 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Rahms/ Stoll: NSU-Morde: Muster hinter den Tatorten? ZDF, 31. Mai 2016, online: www.heute.de. Internetauftritt der Gaststätte Stadt Stockholm unter http://www.stadt-stockholm.de Fanzine „Combat 2000", Nr. 3 Interview mit Mark Atkinson, veröffentlicht unter www.bpp.org.uk/atkiinterview Lexikoneintrag „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF), in: Jens Mecklenbuurg: Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996 Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln" des Landtags Thüringen Andreas Speit/Martin Langebach: Europas radikale Rechte. Bewegungen und Parteien auf Straßen und in Parlamenten, Wien 2013 Artikel "Organisierter Wille braucht keine Partei?", veröffentlicht unter www.lottamagazin.de/damals Beitrag über Dr. William L. Pierce veröffentlicht auf www.bloodandhonour-rvf.com/helden , abgerufen über https://web.archive.org Lichtbild zum Artikel "Dortmund ist unsere Stadt", veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Artikel "Was wusste Spitzel "Corelli"?", 18. September 2012, spiegel-online Artikel "Rechtsrocker bekommt Bewährungsstrafe"?", 15.Oktober 2012, spiegel-online Artikel "Nazis feierten Mordserie mit "Döner-Killer"-Song", Frankfurter Rundschau vom 18.11.2011 Artikel "De Maiziäre tadelt Verfassungsschutz", FAZ vom 07. Juli 2016 Protokoll des 176. Verhandlungstages im NSU-Prozess vor dem Münchener OLG, 21. Januar 2015, gefertigt von nsu watch, veröffentlicht unter: www.nsu-watch.info Protokoll des 110. Verhandlungstages im NSU-Prozess vor dem Münchener OLG, 6. Mai 2014, gefertigt von nsu watch, veröffentlicht unter: www.nsu-watchinfo Protokoll des 51. Verhandlungstages im NSU-Prozess vor dem Münchener OLG, 5. November 2013, gefertigt von nsu watch, veröffäntlicht unter: www.nsu-watch.info Runderlass des MIK NRW - 401 - 58.02.05 vorn 15.11.2011 Artikel "Thüringer Heimatschützer wegen Raubüberfall verurteilt", veröffentlicht im Antifa Infoblatt vom 20.03.2014 Kleine Anfrage im Thüringer Landttag Drucksache 5/7336 vom 18.12.2013 Zuständigkeiten nach § 4 Abs. 2 BKAG Stand 06.12.2012 Deutscher Bundestag Drucksache 16/11845 Artikel "Ex-Saalfelder erhält nur Bewährung nach Überfall auf Geldboten in Pößneck", veröffentlicht unter www.OTZ.de Artikel "Freier Wille braucht keine Partei.- Freie Kameradschaftsszene in NRW' aus LOTTA Nr. 20 Sommer 2005 Impressum www.vaws.de Artikel "Der Soundtrack zum Töten", veröffentlicht unter www.freiepresse.de Artikel "25 Jahre Mythos Rudolf Heß" veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Artikel "NAZI Spitzel" in Der rechte Rand vom Oktober 2015 Nr. 15 Bild Oidoxie-Konzert, veröffentlicht unter www.antifainfoblatt.de Artikel 'Waffenkammer der Bewegung — Göttinger Neonazis vor Gericht" veröffentlicht unter antifainfoblatt.de Abschlussbericht des Thüringer Landtags Drucksache 5/8080 Artikel "Antikapitalismus von Rechts -Analyse und Kritik", veröffentlicht unter www.akweb.de Artikel "Krisengewinnler" in LOTTA Nr. 26 Frühjahr 2007 Artikel "Luni statt Landser —der Mythos ist ungebrochen", veröffentlicht unterwww.antifainfoblatt.de 1014 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Pressemitteilung "Straftaten auf Rechtsrock-Konzerten in Greven", veröffentlicht unter forward.blogsport.de "Das Konzept des Leaderless resistance im Rechtsextremismus" von Thomas Grumke Ausdruck der Internetseite www.hirsch-q.de Gutachten Zwickauer Trio von Dr. Schäfer u.a. für das MIK Thüringen vom 14.05.2012 Der Foerderturm Nr. 3, 2001 NIP Thüringen NPD — Steckbrief Kreutzer, Marco "Mann ohne Hals V-Mann Primus Der Spitzel aus Zwickau", veröffentlicht unter www.süddeutsche.de Artikel "Das Netzwerk des NSU zwischen Chemnitz und Zwickauw", veröffentlicht unter ww.antifainfoblatt.de Ausdruck Beitrag "Unser Label" von www.perecords.net Artikel "Deftiger Sündenkatalog", veröffentlicht unter www.bnr.de Artikel "Hatten Dortmunder Neonazis Kontakt zur rechten Terror-Gruppe NSU" veröffentlicht unterwww.antifaunion.blogsport.de Artikel "Viel Feind Viel Ehr für Oidoxie" aus LOTTA vom 03.07.2010 Artikel" Tiefbraun — und für verbotene Symbole ein Pflaster " aus LOTTA vom 03.09.2011 Artikel "Bekennerschreiben vor den Morden" veröffentlicht unter NSU-Prozess-Blog_ZeitOnline Artikel "Mundlos, der humorvolle Herrenmensch", veröffentlicht unter wwwfreiepresse.de BW-Broschüre "Rechtsextremistische Musik 2007 Protokoll des 171. Verhandlungstages im NSU-Prozess vor dem Münchener OLG, 16. Dezember 2014 gefertigt von nsu watch, veröffentlicht unter: www.nsu-watch.info Ausdruck Beitrag "Landstorm" von www.kafka.nl Beitrag "Martin Wiese" -Wikipedia Verfassungsschutzbericht Thüringen für das Jahr 2001 Artikel "Als der Terror nach Hannover kam", veröffentlicht unter www.haz.de Beitrag "Mordanschlag von Mölln" Wikipedia Ausdruck Internetseite www.arschhuh.d6 1. 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Rechtsextremismus in den USA Beitrag „Thomas Grumke" - wikipedia 1015 Anlage 2 zu Drucksache 16/14400 Artikel " Polizei ermöglicht „Blood & Honour"-Konzert in Dortmund" Lotta, Nr. 8, Frühjahr 2002 Artikel "Rechtsrheinischer "Sturm 18" verboten, FAZ vom 29.10.2015 Schreiben Stephan Kahl vom 26.06.2016 Artikel "NPD-Bundesvize Frank Schwerdt hatte Kontakt zu Mitgliedern des späteren NSU", veröffentlicht unter nsu-watch/info Artikel „Katastrophale Pannen" aus Der Spiegel Nr. 6/2002 Handbuch des Verfassungsschutzrechts, Dr. Bernadette Droste, 1: Aufl. 2007 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Juni 2009 — 1 DA 1107/09 Artikel „Tief im Westen, Demonstrationspolitik der extremen Rechten in NRW" aus Lotta, Nr. 58/Frühjahr 2015 Fabian Virchow: Dimensionen der „Demonstrationspolitik" der extremen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland, in: Andreas Klärner/Michael Kohlstruck: Moderner Rechtsextremismus in Dortmund, 2006 Artikel „Dortmunder Polizei ermittelt gegen 404 Gewalttäter, Der Westen vom 04.05.2009 Artikel „Sven Röbel: Deckname Fraga" aus Der Spiegel, Nr. 53/2004 Artikel „NSU-Ausschuss: Blinde Flecken der Verfassungsschützer", veröffentlicht unter www.vorwärts.de Artikel „Eklat im Landtag Schlägerei in Sachsens NPD-Fraktion", veröffentlicht unter Spiegel-online Artikel „Rechtsrocker bekommt Bewährungsstrafe", veröffentlicht unter Spiegel-online Pressemitteilung des BfV vom 2. 11 2015 „Verfassungsschutz startet zentrale Datei zu Vertrauenspersonen" Schreiben Stephan Kahl vom 1.10.2016 Protokoll des 52. Verhandlungstages im NSU-Prozess vor dem Münchener OLG, 6. November 2013 gefertigt von nsu watch, veröffentlicht unter: www.nsu-watch.info 1016 Anlage 3 zu Drucksache 16/14440 Liste der befragten Zeuginnen und Zeugen 19. August 2015 9 APr 16/949 Karl-Heinz Schlotterbeck 19. August 2015 17 APr 16/949 Edgar Mittler 19.August 2015 15 APr 16/949 Norbert Trumm 20. August 2015 22 APr 16/952 Dieter Kretzer 20. August 2015 11 APr 16/952 Annika Voggenreiter 20. August 2015 27 APr 16/952 Burkhard Schnieder 20. August 2015 18 Mathilde Koller 25. August 2015 26 APr 16/960 Aloys Hoppe 25. August 2015 28 APr 16/960 Josef Rainer Wolf 7. September 2015 25 APr 16/982 Jörg Lehmann 7. September 2015 12 APr 16/982 Markus Weber 9. September 2015 24 APr 16/983 Ernst j Setzer 9. September 2015 20 APr 16/983 Dirk Spliethoff 9. September 2015 21 APr 16/983 Michael Schu 9. September 2015 19 APr 16/983 Ali Demir 10. September 2015 4 APr 16/984 Peter Baumeister 10. September 2015 5 APr 16/84 Wolfgang Klonz 10. September 2015 10 APr 16/984 Tobias Clauer 10. September 2015 7 APr 16/984 APr 16/952 nöApr 16/160 1017 Anlage 3 zu Drucksache 16/14400 Stephan Voß 17. September 2015 23 APr 16/994 Günther Gebert 17. September 2015 37 APr 16/994 Dr. Fritz Behrens 22. September 2015 6 APr 16/1004 Arif Sagdic 19. Oktober 2015 40 APr 16/1026 Muhammet Ayazgün 19. Oktober 2015 47 APr 16/1026 Abdulla Özkan 19. Oktober 2015 39 APr 16/1026 Jörg Appenroth (Arbeitsname) 21. Oktober 2015 34 nöAPr 16/186 Sandro D'Alauro 24. November 2015 36 APr 16/1088 Michael Schweikert 24. November 2015 43 APr 16/1088 Hans-Peter Lüngen 1. Dezember 2015 14 Elif Kubapik 13. Januar 2016 58 APr 16/1124 Gamze Kubaik 13. Januar 2016 57 APr 16/1124 Jörg Appenroth (Arbeitsname) 13. Januar 2016 49 nöAPr 16/210 Dr. Heiko Artkämper 15. Januar 2016 59 APr 16/1126 Jelica Dzinic 15. Januar 2016 60 APr 16/1126 Barbara Lichtenfeld 15. Januar 2016 56 APr 16/1126 Michael Schenk 21. Januar 2016 55 APr 16/1142 Wolfgang Geier 21. Januar 2016 61 APr 16/1142 Jörg Lukat 17. Februar 2016 62 APr 16/1154 Bert Gricksch 17. Februar 2016 54 APr 16/1154 Uwe Jäger 18. Februar 2016 66 nöAPr 16/220 Robert Preuß 18. Februar 2016 63 APr 16/1160 26. Februar 2016 64 APr 16/1184 26. Februar 2016 69 APr 16/1184 Cornelia de la Chevallerie Uwe Reichel-Offermann 1018 APr 16/1097 nöApr 16/200 Anlage 3 zu Drucksache 16/14440 Robin Schmiemann 4. März 2016 71 APr 16/1187 Sebastian Seemann 4. März 2016 72 nöAPr 16/230 Mathilde Koller 10. März 2016 26 nöAPr 16/234 Gülay Köppen 18. März 2016 83 APr 16/1211 Leopold Pfoser 18. März 2016 80 APr 16/1211 Zeuge BB 67 18. März 2016 67 nöAPr 16/238 Christian Hüser 7. April 2016 80 APr 16/1216 Michael Schenk 7. April 2016 55, 93 APr 16/1216 Georg Heßmann 14. April 2016 89 APr 16/1242 Georg Anders 14. April 2016 91 APr 16/1242 Patrick Dittmann 15. April 2016 90 Claudia Me. 15. April 2016 101 APr 16/1249 Jörg Szemmeitat 27. April 2016 98 APr 16/1263 Dr. Hartwig Möller 27. April 2016 16 nöAPr 16/254 Toni Stadler 27. April 2016 68 APr 16/1263 Markus Weber 25. Mai 2016 bz w. 2495 APr 16/1297 Heribert Volker Seck 25. Mai 2016 107 APr 16/1297 2. Juni 2016 111 APr 16/1331 2. Juni 2016 110 APr 16/1331 Markus Grimme 2. Juni 2016 123 APr 16/1331 Zeuge BB 115 3. Juni 2016 115 nöAPr 16/277 Stephan Kahl 14. Juni 2016 108 nö/APr16/284 Ralf Ostermann 15. Juni 2016 112 APr 16/1340 Dirk Weinspach 15. Juni 2016 109 APr 16/1340 nöAPr 16/251 APr 16/1263 Dr. Karin Varchim-Schultheiß Prof. Dr. Werner A. Schwerbaum 1019 Anlage 3 zu Drucksache 16/14400 Jerzy Montag 16. Juni 2016 124 APr 16/1344 Otmar Soukup 17. Juni 2016 125 APr 16/1347 Zeuge BB 118 22. Juni 2016 118 nöAPr 16/285 Burkhard Freier 22. Juni 2016 82 APr 16/1349 Ralf Meyer 23. Juni 2016 127 APr 16/1353 Anette Greger 23. Juni 2016 128 APr 16/1353 Frank Heimann 1. Juli 2016 131 APr 16/1374 9. September 2016 105 APr 16/1422 Dr. Dominik Glorius 9. September 2016 132 APr 16/1422 Dinchen Franziska Büddefeld 28. Oktober 2016 146 APr 16/1487 Hans-Peter Lüngen 9. Dezember 2016 14 APr 16/1561 Ralf Meyer 9. Dezember 2016 127 APr 16/1561 Dietmar Wixfort 7. Februar 2017 137 APr 16/1596 Udo Moll 7. Februar 2017 97 APr 16/1596 Ralf Herrenbrück 17. Februar 2017 96 APr 16/1618 Jeanette Pflüg 1020 . Anlage 4 zu Drucksache 16/14440 PUA III — Übersicht der beigezogenen Akten PUA III - Aktenübersicht MIK NRW internes Eingang Az. am zu BB Bezeichnung Akten der Abteilung 4 A10011 A10013 A10014 A10015 A10016 A10017 A10018 A10019 A10020 A10021 A10022 A10023 A10024 A10025 A10026 A10028 A10030 A10031 A10032 A10033 A10034 A10035 A10036 A10037 A10038 A10039 A10040 A10041 A10042 A10043 A10044 A10045 A10046 A10047 A10048 A10049 A10050 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 PUA Bund NW-4 LKA NRW PUA Bund NW-5 PP Dortmund 1 PUA Bund NW-5 LKA NRW 1 PUA Bund NW-5 LKA NRW 2 PUA Bund NW-5 LKA NRW 3 PUA Bund NW-5 LKA NRW 4 PUA Bund NW-5 PP Köln 1 PUA Bund NW-6 MIK NRW 1 PUA Bund NW-6 MIK NRW 2 PUA Bund NW-6 MIK NRW 3 PUA Bund NW-6 MIK NRW 4 PUA Bund NW-6 MIK NRW 5 PUA Bund NW-6 MIK NRW 6 PUA Bund NW-6 MIK NRW 7 PUA Bund NW-6 MIK NRW 8 PUA Bund NW-6 MIK NRW 10 PUA Bund NW-6 MIK NRW 14 PUA Bund NW-6 MIK NRW 15 PUA Bund NW-6 MIK NRW 16 PUA Bund NW-6 MIK NRW 17 PUA Bund NW-6 MIK NRW 18 PUA Bund NW-7 LKA NRW 1 PUA Bund NW-7 LKA NRW 2 PUA Bund NW-7 LKA NRW 3 PUA Bund NW-7 LKA NRW 4 PUA Bund NW-7 LKA NRW 5 PUA Bund NW-7 LKA NRW 6 PUA Bund NW-7 LKA NRW 7 PUA Bund NW-7 LKA NRW 8 PUA Bund NW-7 LKA NRW 9 PUA Bund NW-7 LKA NRW 10 PUA Bund NW-7 PP Köln 1 PUA Bund NW-7 PP Köln 2 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 1 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 2 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 3 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 4 1021 Anlage 4 zu Drucksache 16/14400 A10051 A10052 A10053 A10054 A10055 A10056 A10057 A10058 A10059 A10060 A10074 A10075 A10076 A10077 A10078 A10079 A10080 A10081 A10082 A10083 A10084 M0085 A10086 A10087 A10088 A10089 A10090 A10091 A10092 A10093 A10094 A10095 M0096 A10097 A10098 A10099 A10100 A10101 A10102 A10103 A10104 A10105 A10106 A10107 A10108 1022 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 5 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 6 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 7 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 8 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 9 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 10 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 11 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 12 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 13 PUA Bund NW-7 PP Dortmund 14 PUA Bund NW-13 LKA NRW 1 PUA Bund NW-13 PP Köln 1 PUA Bund NW-13 PP Köln 2 PUA Bund NW-14 LKA NRW 1 PUA Bund NW-14 PP Köln 1 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 1 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 2 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 2.1 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 2.2 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 2.3 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 2.4 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 2.5 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 3 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 4 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 5 PUA Bund NW-19 PP Dortmund 5 PUA Bund NW-19 PP Bielefeld 1 PUA Bund NW-19 PP Bielefeld 2 PUA Bund NW-19 PP Bielefeld 3 PUA Bund NW-19 LKA NRW 1 PUA Bund NW-19 LKA NRW 1 PUA Bund NW-19 MIK NRW 1 PUA Bund NW-19 MIK NRW 1 PUA Bund NW-19 MIK NRW 2 PUA Bund NW-19 MIK NRW 2 MIK Ordner 1 MIK Ordner 2 MIK Ordner 3 MIK Ordner 4 MIK Ordner 5 MIK für Bezirksregierungen Ordner 1 MIK für Bezirksregierungen Ordne!' 2 MIK für Bezirksregierungen Ordner 3 PPBielefeld_Ordnerl PP Dortmund Ordner 1 Anlage 4 zu Drucksache 16/14440 A10109 A10110 A10111 A10112 A10113 A10114 A10115 A10116 A10117 A10118 A10119 A10120 A10121 A10122 A10123 A10124 A10125 A10126 A10127 A10128 A10129 A10130 A10131 A10132 A10133 A10134 A10135 A10136 A10137 A10138 A10139 A10140 A10141 A10182 A10183 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 03.02.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1. Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. .1 A10184 A10185 A10186 A10187 A10188 A10189 A10190 A10191 A10192 A10193 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 PP Dortmund_Ordher 2 PP Dortmund_Ordner 3 PP Dortmund_Ordner 4 PP Dortmund_Ordner 5 PP Dortmund_Ordner 6 PP Dortmund_Ordner 7 PP Dortmund_Ordner 8 PP Dortmund_Ordner 9 PP Düsseldorf_ Ordner 1 PP Düsseldorf_ Ordner 2 PP Düsseldorf _ Ordner 3 PP Köln_Ordner1 PP Köln_Ordner2 , PP Köln_Ordner3 PP Köln_Ordner4 PP Köln_Ordner5 PP Köln_Ordner6 PP Köln_Ordner7 PP Köln_Ordner8 PP Köln_Ordner9 PP Köln_Ordner10 PP Köln_Ordner11 PP Köln_Ordner12 PP Köln_Ordner13 LKA_Ordnerl LKA_Ordner2 LKA_Ordner3 LKA_Ordner4 LKA_Ordner5 LZPD_Ordner1 LZPD_Ordner2 LZPD_Ordner3 Paderborn_Ordnerl M1K422_Ordner1 Beweisbeschluss I_ 2d — PP_Aachen_Ordner 1 VS_NfD — 1— B—eweisbeschluss1_1_2d_PPBielefeld_Ordner1 Beweisbeschluss1_1_2d_PPBielefeldOrdner2 Beweisbeschluss1_1_2d_PP Bochum_Ordner1 Beweisbeschluss1_1_2d_PP Bochum_Ordner2 Beweisbeschluss1_1_2d_PP Bonn_Ordner2 Beweisbeschluss1_1_2d_PP BonnOrdnerl Beweisbeschluss 1_1_2d_PP Dortmund_Ordner 1 Beweisbeschluss 1_1_2d_PP Dortmund_Ordner 2 Beweisbeschluss_Nr.1.1.2.d_PP_Duisburg_Ordner1 Beweisbeschluss_Nr.1.1.2.d_PP_Duisburg_Ordner2 1023 Anlage 4 zu Drucksache 16/14400 A10194 A10195 A10196 A10197 A10198 A10199 A10200 A10201 A10202 A10203 A10204 A10205 A10206 A10207 A10208 A10209 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr.1 Nr..1 Nr. 1 A10210 02.03.2015 Nr. 1 A10211 A10212 A10213 A10214 A10215 A10216 A10217 A10218 A10219 A10220 A10221 A10222 A10223 A10224 A10225 A10226 A10227 A10228 A10229 A10230 A10231 A10232 A10233 A10234 A10235 A10236 A10237 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015. 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015: Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 1024 Beweisbeschluss 1_I_2d_PP Düsseldorf Ordner 1 Beweisbeschluss1__2d_PP Essen_Ordner1 Beweisbeschluss 1_I_2d_PP Gelsenkirchen_ Ordner 1 Beweisbeschlusst _2d_PP_Hagen_Ordner1 Beweisbeschluss1__2d_PP_Hagen_Ordner2 Beweisbeschluss1__2d_PP Köln_Ordner 2 Beweisbeschluss1__2d_PP Köln_Ordner1 Beweisbeschlussl__2d_PPKrefeld_Ordner1 Beweisbeschlussl__2d_PPKrefeld_Ordner2 Beweisbeschluss 1_I_2d_LKA NRW_A2Ordner 1 Beweisbeschluss 1_I_2d_LKAZA3_Ordner1 Beweisbeschluss 1_I_2d_LKA_ZA3_Ordner2 Beweisbeschlussl__2d_PP MG_Ordner 1 Beweisbeschluss 1_I_2_d PP Münster Ordner 2 Beweisbeschluss 1_I_2_d PP Münster_Ordner 1 Beweisbeschluss 1_I_2d_PP Recklinghausen_Ordner 1 Beweisbeschluss 1_I_2d_PP Recklinghausen_Ordner 2 Beweisbeschluss1__2d_PPWuppertal_Ordner1 Beweisbeschluss1__2d_PPWuppertal_Ordner2 MIK_402_Ordner1 MIK 402_Ordner2 MIK_402_Ordner3 MIK 402_Ordner4 MIK_402_Ordner5 MIK_402_Ordner6 MIK_402_Ordner7 MIK_402_Ordner8 . MIK_402_Ordner9 MIK 402_Ordner10 MIK_402_Ordnerll M I K_402_Ordner12 MIK_402_Ordner13 MIK_402_Ordnerl4 MIK_402_Ordner15 M I K_402_Ordner16 MIK_402_Ordner17 MIK_402_Ordner18 MIK_402_Ordner19 MIK_402_Ordner20 MIK_402_Ordner21 MIK_402_Ordner22 MIK_402_Ordner23 MIK_402_Ordner24 MIK_402_Ordner25 Anlage 4 zu Drucksache 16/14440 A10238 A10239 A10240 A10241 A10242 A10243 A10244 A10245 A10246 A10247 A10248 A10249 A10250 A10251 A10252 A10253 A10254 A10255 A10256 A10257 A10258 A10259 A10260 A10261 A10262 A10263 A10264 A10265 A10266 A10267 A10268 A10269 A10270 A10271 A10272 A10273 A10274 A10275 A10276 A10277 A10278 A10279 A10280 A10281 A10282 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 W 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1" Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 MIK_402_Ordner26 MIK_402_Ordner27 MIK_402_,Ordner28 MIK_402_Ordner29 MIK_402_Ordner30 MIK_402_Ordner3l MIK_402_Ordner32 MIK24020rdner33 MIK_402_Ordner34 MIK_402_Ordner35 MIK_402_Ordner36 MIK_402_Ordner37 MIK_402_Ordner38 MIK_402_Ordner39 MIK_402_Ordner40 MIK 402_Ordner41 MIK_402_Ordner42 MIK_402_Ordner43 MIK_402_Ordner44 MIK_402_Ordner45 MIK_402_Ordner46 MIK_402_Ordner47 MIK_402_Ordner48 MIK_402_Ordner49 MIK_402_Ordner50 MIK_402_Ordner51 MIK_402_Ordner52 MIK_402_Ordner53 MIK_413_Ordnerl MIK_413_Ordner2 MIK_413_Ordner3 MIK 413_Ordner4 MIK_422_Ordner1 MIK_422_Ordner2 MIK_422_Ordner3 MIK_422_Ordner4 MIK_422_Ordner5 MIK_423_Ordner1 MIK_423_Ordner2 MIK_423_Ordner3 MIK_423_Ordner4 MIK_423_Ordner5 MIK_423_Ordner6 MIK_423_Ordner7 MIK_423_Ordner8 1025 Anlage 4 zu Drucksache 16/14400 A10283 A10284 A10285 A10286 A10287 A10288 A10289 A10290 A10291 A10292 A10293 A10294 A10295 A10296 A10297 A10298 A10299 A10300 A10301 A10302 A10303 A10304 A10305 A10306 A10307 A10308 A10309 A10310 A10311 A10312 A10313 A10314 A10315 A10316 A10317 A10318 A10319 A10320 A10321 A10322 A10323 A10324 A10325 A10326 A10327 1026 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 . Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 MIK 423_Ordner9 MIK_423_Ordner10 MIK_423_Ordnerll MIK_423_Ordner12 MIK_423_Ordner13 MIK_423_Ordnerl4 MIK_423_Ordner15 MIK_423_Ordner16 MIK_423_Ordner17 MIK_423_Ordner18 MIK_423Ordner19 MIK_423_Ordner20 MIK_423_Ordner21 MIK 423 Ordner22 MIK_423_Ordner23 MIK_423_Ordner24 MIK_423_Ordner25 MIK_423_Ordner26 MIK_423_Ordner27 MIK_423_Ordner28 MIK_423_Ordner29 MIK423_Ordner30 MIK_423_Ordner31 MIK_423_Ordner32 MIK_423_Ordner33 MIK_423_Ordner34 MIK_423_Ordne,r35 MIK_423_Ordner56 MIK_423_Ordner57 MIK 423_Ordner58 MIK_423_Ordner59 MIK_423_Ordner60 MIK_423_Ordner6l MIK_423Ordner62 MIK_423_Ordner63 MIK_423_Ordner64 MIK_423_Ordner65 MIK_423_Ordner66 Beweisbeschluss1_12e_MIK MB_Ordner1 Beweisbeschluss1_I_2e_MIK MB_Ordner2 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen_Ordner 1 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen_Ordner 2 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen_Ordner 3 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen_Ordner 4 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen Ordner 5 Anlage 4 zu Drucksache 16/14440 A10328 A10329 A10330 A10331 A10332 A10333 A10334 A10335 A10336 A10337 A10338 A10339 A10340 A10341 A10342 A10343 A10344 A10345 A10346 A10347 A10348 A10349 A10350 A10351 A10352 A10353 A10354 A10355 A10356 A10357 A10358 A10359 A10360 A10361 A10362 A10363 A10364 A10365 A10366 A10367 A10368 A10369 A10370 A10371 A10372 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.201502.032015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen_Ordner 6 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen_Ordner 7 Beweisbeschluss 1_1_2e_PP Aachen_Ordner 8 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen_Ordner 9 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Aachen_Ordner 13 Beweisbeschlussl__2e_PPBielefeld_Ordner1 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner2 Beweisbeschlussl__2e_PPRielefeld_Ordner3 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner4 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner5 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeld_Ordner6 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeldOrdner7 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner8 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner9 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeldOrdner10 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeld_Ordner11 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeld_Ordner12 Beweisbeschluss1___2e_PPBielefeldOrdner13 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner14 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner15 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner16 Beweisbeschlussl_I_2e_PPBielefeld_Ordner17 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeld_Ordner18 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeld_Ordner19 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeld_Ordner20 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner21 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner22 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner23 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner24 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeld_Ordner25 Beweisbeschluss1_ _2e_PPBielefeld_Ordner26 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner35 Beweisbeschlussl_ _2e_PPBielefeld_Ordner36 Beweisbeschluss1__2e_PPBielefeld_Ordner37 Beweisbeschluss1__2e_PP Bochum_Ordner7 Beweisbeschluss1__2e_PP Bochum_Ordner8 Beweisbeschluss1___2e_PP Bochum_Ordner9 Beweisbeschluss1__2e_PP Bochum_Ordner10 Beweisbeschluss1__2e_PP Bochum_Ordnerl 1 Beweisbeschluss1_ _2e_PP Bochum_Ordner12 Beweisbeschluss1__2e_PP Bochum_Ordnerl 3 Beweisbeschluss1__2e_PP Bochum_Ordner14 Beweisbeschluss1__2e_PP Bochum_Ordner15 Beweisbeschluss1__2e_PP Bochum_Ordner16 Beweisbeschluss12e_PP Bochum_Ordner17 1027 Anlage 4 zu Drucksache 16/14400 A10373 A10374 A10375 A10376 A10377 A10378 A10379 A10380 A10381 A10382 A10383 A10384 A10385 A10386 A10387 A10388 A10389 A10390 A10391 A10392 A10393 A10394 A10395 A10396 A10397 A10398 A10399 A10400 A10401 A10402 A10403 A10404 A10405 A10406 A10407 A10408 A10409 A10410 A10411 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 A10412 A10413 A10414 A10415 A10416 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 1028 Beweisbeschluss1_I_2e_PP Bochum_Ordner18 Beweisbeschluss1_I_2e_PP Bonn_Ordner1 Beweisbeschluss1_I_2e_PP Bonn_Ordner2 Beweisbeschluss1_I_2e_PP Bonn_Ordner3 Beweisbeschluss1_I_2e_PP Bonn_Ordner4 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 1 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 2 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 3 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 10 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 15. Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 16 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 17 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 18 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 19 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 20 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 22 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 23 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 24 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 25 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 26 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 27 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 28 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 29 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 30 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 31 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund Ordner 32 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 33 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 21 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 36 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 37 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 38 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Dortmund_Ordner 39 Beweisbeschluss_Nr.1.1.2.e_PP_Duisburg_Ordner1 Beweisbeschluss_Nr.1.1.2.e_PP_Duisburg_Ordner2 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Düsseldorf Ordner 1 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Düsseldorf Ordner 2 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Düsseldorf Ordner 8 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Düsseldorf Ordner 9 Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Düsseldorf Ordner 3 VS NfD Beweisbeschluss1__2e_PP Essen_Ordner7 Beweisbeschluss1__2e_PP Essen_Ordner8 Beweisbeschluss1_I_2e_PP Essen_Ordner10 Beweisbeschluss1_I_2e_PP Essen_Ordner11 Beweisbeschluss1_ 12e PP Essen_Ordner9_VS_NfD Anlage 4 zu Drucksache 16/14440 A10417 02.03.2015 Nr. 1 A10418 02.03.2015 Nr. 1 A10419 02.03.2015 Nr. 1 A10420 02.03.2015 Nr. 1 A10421 02.03.2015 Nr. 1 A10422 A10423 A10424 A10425 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr.' 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 A10426 A10427 A10428 A10429 A10430 A10431 A10432 A10433 A10434 A10435 A10436 A10437 A10438 A10439 A10440 A10441 A10442 A10443 A10444 A10445 A10446 A10447 A10448 A10449 A10450 A10451 A10452 A10453 A10454 A10455 A10456 A10457 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02:03.2015. 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 / Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 . Nr. 1 Nr. 1 •Nr. 1 Nr.'1 Nr. 1 Nr. 1 Beweisbeschluss1 I 2e PP Essen Ordnerl2 VS NfD Beweisbeschluss1 I 2e PP Essen Ordnerl3 VS NfD Beweisbeschluss1 I 2e PP Essen Ordner14 VS NfD Beweisbeschluss1 I 2e PP Essen Ordner15 VS NfD Beweisbeschlussl I 2e PP Essen Ordnerl6 VS NfD Beweisbeschluss 1_I_2e_PP Gelsenkirchen_Ordner 1 Beweisbeschluss 1_ _2e_PP_Hagen_Ordner1 Beweisbeschluss1_ _2e_PP_Hagen_Ordner2 Beweisbeschluss1_ _2e_PP_Hagen_Ordner3 - VSNfD Beweisbeschluss1__2e_PP Köln_Ordner5 Beweisbeschluss1_ _2e_PP Köln_Ordner6 Beweisbeschluss1__2e_PP Köln_Ordner7 Beweisbeschluss1__2e_PP Köln_Ordner8 Beweisbeschluss1__2e_PP Köln_Ordner1O_VS-NfD Beweisbeschluss1__2e_LAFP_Anschreiben Beweisbeschluss 1_I_2e_LKA NRW A1_Ordner2 Beweisbeschluss 1_I_2e_LKA NRW A2_Ordner70 Beweisbeschluss1__2e_LKAA3_Ordner1 Beweisbeschluss1__2e_LKAZA2Ordner1 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner2 Beweisbeschlussl__2e_LKAZA2_Ordner3 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2Ordner4 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner5 Beweisbesch luss 1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner6 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner7 Beweisbeschluss1_ _2eLKA_ZA2_Ordner8 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner9 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner10 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordnerl 1 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner12 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner13 Beweisbeschlussl__2e_LKA_ZA2_Ordner14 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner15 Beweisbeschluss1__2eLKAZA2_Ordner16 Beweisbeschluss1_ Je_LKA_ZA2_Ordner17 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner18 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner19 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner20 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner21 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner22 Beweisbeschluss12eLKAZA2Ordner23 1029 Anlage 4 zu Drucksache 16/14400 A10458 A10459 A10460 A10461 A10462 A10463 A10464 A10465 A10466 A10467 A10468 A10469 A10470 A10471 A10472 A10473 A10474 A10475 A10476 A10477 A10478 A10479 A10480 A10481 A10482 A10483 A10484 A10485 A10486 A10487 A10488 A10489 A10490 A10491 A10492 A10493 A10494 A10495 A10496 A10497 A10498 A10499 A10500 A10501 A10502 1030 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr.1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 ie. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Beweisbeschlussl__2e_LKA_ZA2_Ordner24 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner25 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner26 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner27 Beweisbeschlussl__2e_LKA_ZA2_Ordner28 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner29 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner30 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner31 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner32 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner33 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner34 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner35 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner36 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner37 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner38 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner39 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner40 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner41 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner42 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2Ordner43 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner44 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner45 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner46 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner47 Beweisbeschlussl__2e_LKA_ZA2_Ordner48 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner49 Beweisbeschluss1__2e_LKAZA2_Ordner50 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner51 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner52 Beweisbeschlussl__2e_LKA_ZA2_Ordner53 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner54 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner55 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner56 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner57 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner59 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner60 Beweisbeschlussl_ _2e_LKA_ZA2_Ordner61 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner62 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner63 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner64 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner65 Beweisbeschluss1_2e_LKA_ZA2_Ordner66 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner67 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner68 Beweisbeschluss12eLKA_ZA2_Ordner69 Anlage 4 zu Drucksache 16/14440 A10503 A10504 M0505 A10506 A10507 A10508 A10509 A10510 A10511 A10512 A10513 A10514 A10515 A10516 A10517 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 02.03.2015 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1. Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 • Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 Nr. 1 A10518 02.03.2015 Nr. 1 A10519 02.03.2015 Nr. 1 A10520 02.03.2015 Nr. 1 A10521 02.03.2015 Nr. 1 A10522 02.03.2015 Nr. 1 A10523 02.03.2015 Nr. 1 A10524 02.03.2015 Nr. 1 A10525 02.03.2015 Nr. 1 A10526 02.03.2015 Nr. 1 A10527 02.03.2015 Nr. 1 A10528 02.03.2015 Nr. 1 A10529 02.03.2015 Nr. 1 A10530 02.03.2015 Nr. 1 A10531 02.03.2015 Nr. 1 A10532 02.03.2015 Nr. 1 A10533 02.03.2015 Nr. 1 A10534 02.03.2015 Nr. 1 A10535 02.03.2015 Nr. 1 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner70 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner71 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner72 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner73 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner74 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner75 Beweisbeschluss1_ _2e_LKAZA2_Ordner76 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner77 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner78 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA2_Ordner79 Beweisbeschluss1_ 2e_LKA_ZA2_Ordner80 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner81 Beweisbeschluss1__2e_LKA_ZA2_Ordner82 Beweisbeschluss1_ _2e_LKA_ZA3_Ordner1 Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2_Ordner1 VS_NTET Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2 Ordner2 VS Mb— • Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2 Ordner3 VS NTD— Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2_Ordner4_VS_NitT Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2 Ordner5 VS NTET Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2_Ord ner6_VS_NTET Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2_Ord ner7_VS_NTID— Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2_Ord ners_VS_NTET Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2_Ordner9_VS_NTD— Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2 Ordner10 VS Kliö Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2_Ordner11_VS KifD Beweisbeschluss i I 2e_LKA NRW A2_Ordner12_VS RIZ) Beweisbeschluss 71 I 2e_LKA NRW A2_Ordner13_VS 171ffi Beweisbeschluss 71 1 2eLKA NRW A2 Ordnerl4 VS Kiff-3' Beweisbeschluss 1 I_2e_LKA NRW A2_Ordner15_VS -WD Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2 Ordner16 VS Kg) Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2 Ordner17 VS Kifb Beweisbeschluss 1 I 2e_LKA NRW A2_Ordner18_VS lii5 Beweisbeschluss 71 I 2e_LKA NRW A2_Ordner19_VS JWD 1031 Anlage 4 zu Drucksache 16/14400 A10536 02.03.2015 Nr. 1 A10537 02.03.2015 Nr. 1 A10538 02.03.2015 Nr. 1 A10539 02.03.2015 Nr. 1 A10540 02.03.2015 Nr. 1 A10541 02.03.2015 Nr. 1 A10542 02.03.2015. Nr. 1 A10543 02.03.2015 Nr. 1 A10544 02.03.2015 Nr. 1 A10545 02.03.2015 Nr. 1 A10546 02.03.2015 Nr. 1 A10547 02.032015 Nr. 1 A10548 02.03.2015 Nr. 1 A10549 02.03.2015 Nr. 1 A10550 02.03.2015 Nr. 1 A10551 02.03.2015 Nr. 1 A10552 02.03.2015 Nr. 1 A10553 02.03.2015 Nr. 1 A10554 02.03.2015 Nr. 1 A10555 02.03.2015 Nr. 1 A10556 02.03.2015 Nr. 1 A10557 02.03.2015 Nr. 1 A10558 02.03.2015 Nr. 1 A10559 02.03.2015 Nr. 1 A10560 02.03.2015 Nr. 1 A10561 02.03.2015 Nr. 1 A10562 02.03.2015 Nr. 1 1032 Beweisbeschluss 1 1 2e_LKA NRW A2 Ordner20 VS Kliö Beweisbeschluss 1 1 2e LKA NRW A2 Ordner21 VS Nfb _ Beweisbeschluss 1 1 2e_LKA NRW A2 Ordner22 VS Ellb Beweisbeschluss 1 1_2e_LI