Antwort SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS: Sie finden alle Antworten auf Ihre Fragen in unserem SMK-Blog. Hier der Link zum Beitrag: https://www.bildung.sachsen.de/blog/index.php/2016/12/01/orientierungsrahmen-fuer-familienund-sexualerziehung-an-schulen-aktualisiert/ Dazu anbei der Orientierungsrahmen. FÜR KULTUS ___: SACHSEN STAATSIVHNISTERIUIVI “_ Freistaat August 2016 FÜR KULTUS ___: SACHSEN STAATSIVHNISTERIUIVI “_ Freistaat August 2016 Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einführung ................................................................................................................. 3 2 Ziele und Aufgaben schulischer Familien- und Sexualerziehung ................................ 5 3 Familien- und Sexualerziehung als schulische Aufgabe ............................................. 6 3.1 Besondere Aufgaben einzelner Fächer und fächerverbindender Unterricht................ 6 3.2 Rolle der Lehrerin und des Lehrers ............................................................................ 8 3.3 Gestaltung der Lernprozesse ....................................................................................10 3.4 Familien- und Sexualerziehung als gemeinsame Aufgabe von Elternhaus und Schule ................................................................................................................12 3.5 Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnerinnen und Partnern ..........................13 3.6 Familien- und Sexualerziehung als Teil der Schulprogrammarbeit ............................13 4 Internetadressen (Auswahl) ......................................................................................14 2 1 Einführung Zwischenmenschliche Beziehungen prägen die Entwicklung des Menschen. Durch das Erfahren von gegenseitigem Vertrauen und Geborgenheit in Familie und Partnerschaften werden das Wohlbefinden des Einzelnen und seine gesellschaftliche Handlungsfähigkeit gefördert. Sexualität ist ein elementarer Bestandteil des Lebens und prägt viele zwischenmenschliche Beziehungen. Sie ist die Voraussetzung für den Fortbestand menschlichen Lebens. Sexualität des Einzelnen kann nicht losgelöst von der Achtung und Verantwortung gegenüber jeglichem menschlichen Leben, auch dem ungeborenen, gesehen werden. Die Entwicklung einer bindungs- und konfliktfähigen Persönlichkeit ist von vielen Einflüssen abhängig. Einstellungen, die für gelingende Partnerschaften und ein zufrieden stellendes Familienleben nötig sind, müssen gezielt entwickelt und gefördert werden. Erste und entscheidende Prägungen kommen aus dem Elternhaus, weitere aus Kindertageseinrichtung und Schule, wo institutionelle Rahmenbedingungen auf spezifische Weise eine Auseinandersetzung mit dem Thema Familie, Ehe, Partnerschaft und Sexualität möglich machen. Schulische Familien- und Sexualerziehung trägt zu einer selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Lebensgestaltung bei, befähigt die Heranwachsenden, die eigene Sexualität anzunehmen und zwischenmenschliche Beziehungen positiv zu gestalten. Sie ist gerichtet auf ein werteorientiertes Leben in Partnerschaften, welche getragen werden von gegenseitiger Achtung und gemeinsamer Sorge für die in der Familie lebenden Kinder. Der Vorteil der schulischen Familien- und Sexualerziehung besteht darin, dass sie systematisch und auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgt und dass maßgebliche gesetzliche Vorgaben beachtet werden. Sie orientiert sich an den im Grundgesetz1 verankerten Grundrechten, wie die Achtung der persönlichen Würde des Menschen, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die besondere Förderung von Ehe und Familie sowie das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (vgl. Artikel 1, 2, 4 und 6 GG). Auf der Grundlage der Sächsischen Verfassung2 beschreibt das Schulgesetz für den Freistaat Sachsen3 im § 1 den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und nennt unter § 36 Abs. 1 Familien- und Sexualerziehung ausdrücklich als eine Aufgabe der Schule, die Schülerinnen und Schüler auf das Leben in Partnerschaft und Familie vorzubereiten. Dabei sollen sie altersgemäß mit den biologischen, ethischen, kulturellen und sozialen Tatsachen und Bezügen der Geschlechtlichkeit des Menschen vertraut gemacht werden. Die Bedeutung von Ehe und Familie für Staat und Gesellschaft wird in diesen Vorgaben hervorgehoben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl von der Gesetzgebung als auch vom gesellschaftlichen Bewusstsein her die inhaltliche Bestimmung der Begriffe „Ehe“ und „Familie“ einem Wandel unterworfen ist. Neben der Ehe, die als dauerhafte Verbindung von Frau und Mann verstanden wird, gibt es seit 2001 auch die „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ von zwei Menschen gleichen Geschlechts mit zunehmend gleichen Rechten und Pflichten wie die traditionelle Ehe4. Der Begriff „Familie“ meint heute nicht mehr nur die Wohn- oder Lebensgemeinschaft von verschieden geschlechtlichen Eltern und ihren leiblichen (oder evtl. angenommenen) Kin1 2 3 4 vgl. vgl. vgl. vgl. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949, zuletzt geändert 11. Juli 2012 Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27.Mai 1992 Schulgesetz für den Freistaat Sachsen (SchulG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft, kurz Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG), 2001 3 dern, sondern meint jede Lebensgemeinschaft von einem oder mehreren Erwachsenen mit einem Kind oder mit mehreren Kindern, für die gesorgt wird. Schulische Familien- und Sexualerziehung orientiert sich an dem im Leitbild für Schulentwicklung beschriebenen Menschenbild, berücksichtigt die sich in der Gesellschaft vollziehenden Veränderungen und beruht auf in den Lehrplänen zugrunde gelegten Positionen. Hierbei wird beachtet, dass sich die drei für das schulische Lernen relevanten Dimensionen des Wissenserwerbs, der Kompetenzentwicklung und der Werteorientierung wechselseitig bedingen, durchdringen und so die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerin und des Schülers fördern. Kinder und Jugendliche brauchen fachlich kompetente und pädagogisch reflektierte Begleitung in ihrer Entwicklung als Mädchen oder Junge, die sie nicht nur in der Familie, sondern auch in der Schule erfahren sollen. Bei der Thematisierung von Geschlechtlichkeit (Sex und Gender5, männlich/weiblich, Jungen/Mädchen, Männer/Frauen) ist zu beachten, dass es Kinder und Jugendliche in der Lerngruppe geben kann, die sich physisch oder psychisch nicht den traditionellen Kategorien von männlich und weiblich zuordnen lassen bzw. sich selbst nicht zuordnen können - unabhängig vom angeborenen eindeutigen oder uneindeutigen anatomischen Geschlecht. Deshalb ist beim Sprechen über die Geschlechter Rücksicht auf Kinder und Jugendliche zu nehmen, die aktuell oder in Zukunft durch Homo- oder Bisexualität, Intersexualität6, Transgender oder Transsexualität eine Orientierung bzw. einen Lebensstil jenseits heterosexueller Normen leben bzw. leben werden. Dies erfordert von Lehrerinnen und Lehrern ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Sensibilität beim Unterrichten und in der alltäglichen Interaktion einerseits und Achtsamkeit gegenüber diskriminierendem Verhalten und Sprechen von Schülerinnen und Schülern andererseits. In der Schule treffen jedoch nicht nur Kinder und Jugendliche mit individuellen sexuellen Biografien zusammen, sondern auch aus verschiedenen Familienstrukturen, aus unterschiedlichen Religionen und zahlreichen Herkunftsländern mit ihren entsprechenden Kulturen und zum Teil widersprüchlichen Einstellungen zu Familie, Partnerschaft und Sexualität. Schule wird dadurch vor spezifische Aufgaben gestellt. Große Bedeutung im Sinne „heimlicher Miterzieher“ kommt den Medien, insbesondere Jugendzeitschriften, Fernsehen und Internet, zu. Werbung, Videoclips und Texte der Musikszene und der Erotikbranche, Talkshows und Spielfilme bieten Verhaltens- und Sprachmuster zum Thema Sexualität, Partnerschaft und Familie, deren modellhaftem Einfluss sich Kinder und Jugendliche kaum entziehen können. Daran ist bei der Planung von Unterricht und bei der Einschätzung von Schülerreaktionen zu denken. Der vorliegende Orientierungsrahmen will Lehrerinnen und Lehrern aller Schularten Anregungen und Unterstützung bieten, indem er Ziele und Aufgaben der Familien- und Sexualerziehung näher beschreibt und verdeutlicht, wie diese in der Schule umgesetzt werden können. Es werden förderliche Bedingungen aufgezeigt und Erziehungspartnerinnen und -partner benannt. 5 6 Sex = biologisches Geschlecht, Gender = soziales und psychisches Geschlecht (auch Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität) vgl. durch Art. 1 Nr. 6 PStÄndG neu eingefügter § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes (PstG) mit Wirkung vom 01.11.2013: Kinder, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden können, werden ohne diese Geschlechterangabe in das Geburtsregister eingetragen. 4 2 Ziele und Aufgaben schulischer Familien- und Sexualerziehung Die Ziele und Aufgaben der schulischen Familien- und Sexualerziehung haben drei wesentliche Bezugspunkte. Dies sind die individuelle Entwicklung der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers, das Zusammenleben der Kinder und Jugendlichen in Freundschaften, Beziehungen, Partnerschaften sowie Gruppen und die Bedeutung von auf Dauer verbindlich angelegten Partnerschaften und Familie für Staat und Gesellschaft. Familien- und Sexualerziehung unterstützt Kinder und Jugendliche dabei, den hohen Wert von Partnerschaft und Familie zu erkennen, Wissen zu Fragen menschlicher Sexualität zu erwerben und Kompetenzen für ein verantwortungsvolles Miteinander zu entwickeln. Sie trägt dazu bei, dass der Einzelne ein erfülltes Leben führt, dabei seinen Platz in der Gesellschaft findet und diese mitgestaltet. Im Folgenden werden grundlegende Ziele und Aufgaben für schulische Familien- und Sexualerziehung genannt. Familien- und Sexualerziehung soll ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ als oberste Orientierung für persönliches Handeln den Wert und die Würde des menschlichen Lebens bewusstmachen, helfen, eigene Wertvorstellungen zum sexuellen Verhalten, zu Partnerschaften, Ehe und Familie zu entwickeln und diesbezüglich selbstbestimmte Entscheidungen zu fällen, helfen, die eigene und die in Partnerschaften gemeinsam erlebte Sexualität als mögliche Quelle der Lebensfreude zu erkennen, anzunehmen und zu gestalten, die positive Bedeutung von Vertrauen und Verlässlichkeit, von Geborgenheit, Zärtlichkeit und Liebe in Partnerschaft und Familie bewusst machen, beitragen, die Familie als soziales Miteinander mit Aufgaben und Verantwortung aller Mitglieder zu verstehen und das gemeinsame Leben als mögliche Quelle der Zufriedenheit und Erfüllung für alle Mitglieder zu betrachten und zu gestalten, helfen, das eigene Erleben und Fühlen zu reflektieren und besser zu verstehen sowie sensibel zu werden für das Erleben und Fühlen Anderer, ermutigen, sich Konflikten in Partnerschaft und Familie zu stellen und sie zu lösen, zum unbefangenen Umgang mit anderen Menschen beitragen sowie zum respektvollen und partnerschaftlichem Verhalten anhalten, die Fähigkeit entwickeln, ein selbstbestimmtes Leben zu führen im Bewusstsein der Verantwortung für sich selbst, für Andere und der Gesellschaft gegenüber, zu Toleranz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Orientierungen, Verhaltensweisen und Lebensstilen anhalten und motivieren, Diskriminierungen entgegenzuwirken, altersgerecht mit biologischen, ethischen, kulturellen und sozialen Fragen vertraut machen, die wesentlich sind für das Erleben und Gestalten von Sexualität, Freundschaft, Partnerschaft, Ehe und Familie, Wissen vermitteln über die sich im menschlichen Leben vollziehenden körperlichen und seelischen Reifungs- und Veränderungsprozesse, auf die evtl. damit verbundenen Konflikte hinweisen und zu einer sachlichen und angemessenen Kommunikation über diese befähigen, über die Bedeutung und schutzwürdigen Funktionen von Ehe, Lebenspartnerschaft und Familie für Staat und Gesellschaft und über den besonderen Schutz der Familie durch den Staat informieren, über Gefahren sexuellen Missbrauchs, sexueller Ausbeutung sowie sexuell übertragbarer Krankheiten aufklären und zu deren Abwehr beitragen und auf schulische, gesellschaftliche und staatliche Hilfsangebote sowie rechtliche Zusammenhänge hinweisen, 5 ❙ ❙ aufklären über Möglichkeiten der Familienplanung und über Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten bei Schwangerschaftskonflikten, befähigen, die Darstellungen von Partnerschaft und Sexualität in den Medien zu bewerten. Die Lehrpläne greifen die Ziele auf und präzisieren sie fachlich, fachübergreifend bzw. fächerverbindend und schulartspezifisch. 3 Familien- und Sexualerziehung als schulische Aufgabe Schulische Sexualerziehung ist in den Schulgesetzen aller Bundesländer verankert. Nach Artikel 22 der Verfassung des Freistaates Sachsen sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuerst ihnen obliegende Pflicht. Unbeschadet dieses natürlichen Erziehungsrechtes der Eltern gehört nach § 36 SchulG Familien- und Sexualerziehung aber auch zu den Aufgaben der Schule. Familien- und Sexualerziehung ist kein eigenes Unterrichtsfach und auch nicht an ein bestimmtes Unterrichtsfach gebunden. Das hat zur Folge, dass sich alle Lehrerinnen und Lehrer und alle anderen an Schule Beteiligten miteinander verständigen müssen. Innerhalb dieses integrativen Ansatzes haben einzelne Fächer besondere Aufgaben. 3.1 Besondere Aufgaben einzelner Fächer und fächerverbindender Unterricht Ziele und Inhalte von Familien- und Sexualerziehung finden sich vor allem in den sächsischen Lehrplänen der nachfolgend genannten Fächer wieder. In den entsprechenden Lernbereichen sind diese so formuliert, dass sie den Lehrkräften einen Ermessensspielraum lassen für konkrete Unterrichtsthemen, die in Anpassung an die aktuelle Klassensituation im Rahmen der Vorgaben gewählt werden können bzw. die mit Kolleginnen und Kollegen abgesprochen werden sollten. Im Sachunterricht der Grundschule eignen sich Schülerinnen und Schüler erste grundlegende Kenntnisse über die Verschiedenheit des Körpers, über Zeugung, Schwangerschaft und Geburt an. Durch die angestrebte Stärkung des Selbstwertgefühls der Kinder wird den Gefahren eines sexuellen Missbrauchs vorgebeugt. Der Unterricht trägt zur bewussten Körperhygiene und zur gesunden Lebensführung bei. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen Einblick in Rollenverständnisse der Familienmitglieder, in Veränderungen im Familienleben und in kulturelle Verschiedenheit im Familienalltag. Ein Gegenstand des Biologieunterrichts aller weiterführenden Schularten ist die naturwissenschaftliche Betrachtung der Sexualität. Im Biologieunterricht werden den Schülerinnen und Schülern wissenschaftlich fundierte Kenntnisse über den weiblichen und männlichen Körper, das Fortpflanzungsgeschehen, Kenntnisse über sexuell übertragbare Erkrankungen, vererbbare Erkrankungsrisiken und eine gesunde Lebensweise vermittelt. Partnerschaft und Familie können auch aus verhaltensbiologischer Sicht betrachtet werden. Dabei wird thematisiert, dass der Mensch für sein Verhalten sich und anderen gegenüber Verantwortung trägt. Zur Familien- und Sexualerziehung gehören nicht nur naturwissenschaftliche Fragestellungen, sondern auch die Behandlung einer Vielzahl von ethischen, sozialen und kulturellen Fragen. Dies geschieht in den allgemeinbildenden Schulen in den Unterrichtsfächern Ethik, Evangelische Religion, Katholische Religion, Deutsch, Geschichte sowie in Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft, Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung, Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales. Insbesondere die Fächer Deutsch, Sachunterricht, Gemein6 schaftskunde/Rechtserziehung sowie Arbeitslehre weisen Lernbereiche aus, die zur selbstbestimmten Lebensführung befähigen und zum verantwortungsvollen Handeln in Partnerschaft, Ehe und Familie erziehen. Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf sind sensibel dabei zu unterstützen, ein positives Selbstkonzept aufzubauen, um eine selbstbestimmte Sexualität zu entwickeln. Sie sind insbesondere vor sexueller Gewalt und Missbrauch zu schützen. Dazu bedarf es spezifischer handlungsorientierter Lernangebote durch eine sachkundige und respektvolle pädagogische bzw. sonderpädagogische Begleitung. In den berufsbildenden Schulen sind derartige Bezüge zur Familien- und Sexualerziehung in den Fächern Ethik, Evangelische Religion, Katholische Religion, Gemeinschaftskunde, Sozialkunde, Wirtschaftslehre/Recht, Geschichte sowie in Geschichte/Gemeinschaftskunde zu finden. Darüber hinaus erfolgt eine besondere Akzentuierung in den Berufen des Gesundheits- und Sozialwesens sowie in den fachrichtungsbezogenen Fächern der Fachoberschule, Fachrichtung Sozialwesen, und des Beruflichen Gymnasiums, Fachrichtung Gesundheit und Soziales. Detaillierte Angaben zu Lernzielen und -inhalten finden sich in den entsprechenden Lehrplänen der einzelnen Schularten und Fächer. Im Folgenden werden inhaltliche Beispiele genannt, deren Bearbeitung in den einzelnen Schularten in mehreren Fächern - und damit aus verschiedenen Blickwinkeln - möglich und notwendig ist. So lässt sich z. B. das Thema Vaterschaft und Mutterschaft nicht nur in Biologie, sondern auch in anderen oben genannten Fächern behandeln, wenn man neben der biologischen auch die soziale Elternschaft und die damit verbundene Verantwortung angemessen berücksichtigen will. Weitere Inhalte, mit denen sich Schülerinnen und Schüler nicht nur aus naturwissenschaftlicher Sicht altersgerecht auseinandersetzen sollen: ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ ❙ unterschiedliche Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen Pubertät und damit verbundene Entwicklungsaufgaben die Bedeutung von Ehe, Familie, Partnerschaft und sexuellen Beziehungen für die individuelle Entwicklung eines jeden Menschen sowie für die Gesellschaft Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen, von Frauen und Männern Familienplanung (Empfängnisregelungen, unterschiedliche Methoden der Verhütung, Elternschaftskonflikte) Möglichkeiten der Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten Homosexualität und andere Ausdrucksformen sexueller Vielfalt (vor allem Bi-, Inter- und Transsexualität) Aspekte moderner medizinisch unterstützter Elternschaft (Fortpflanzungstechnologien) Sexualität in den Medien (auch Pornografie) strafrechtliche Bestimmungen über Vergehen gegen das individuelle sexuelle Selbstbestimmungsrecht (Sexualstrafrecht) Da Mehrperspektivität und Vielschichtigkeit von Themen der Familien- und Sexualerziehung von einzelnen Fächern nicht oder nur zum Teil bearbeitet werden können, bieten diese Themen besondere Möglichkeiten des fächerverbindenden Lernens und der Kooperation zwischen Fachlehrerinnen und Fachlehrern. So kann unter der Perspektive von „Individualität und Sozialität“ z. B. in dem thematischen Bereich „Verhältnis der Generationen“ das Thema „Liebe in Familie und Partnerschaft“ bear7 beitet werden, wobei Aspekte der Unterrichtsfächer Biologie, Evangelische Religion, Katholische Religion, Ethik, Gemeinschaftskunde oder Deutsch einfließen können. Das Thema „Partnerschaft und Familie in verschiedenen Kulturkreisen“ lässt sich in dem thematischen Bereich „Eine Welt“ unter der Perspektive „Raum und Zeit“ oder „Natur und Kultur“ betrachten. Dabei können unterschiedliche Schwerpunkte aus den Fächern Evangelische Religion, Katholische Religion, Ethik, Geschichte, Geographie, Deutsch oder Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung aufgegriffen werden. 3.2 Rolle der Lehrerin und des Lehrers Die Rolle der Lehrerin und des Lehrers kann unter der Perspektive des systematisch Lehrenden einerseits und unter der Perspektive des spontan-situativ Handelnden andererseits reflektiert werden: Auf der einen Seite ist eine Absprache mit anderen Lehrerinnen und Lehrern notwendig, die sich auf die systematische Herangehensweise in der didaktischen Aufbereitung bezieht. Das bedeutet, dass sie sich darüber verständigen, welche Themen wann, von wem und wie bearbeitet werden, um an bereits Gelerntes besser anknüpfen zu können und um evtl. Dopplungen zu vermeiden. Auf der anderen Seite gibt es bei der Familien- und Sexualerziehung im Schulalltag auch vielfältige Gelegenheiten zu situativem Lernen. Aktuelle Ereignisse in der Klasse oder Erfahrungen einzelner Schülerinnen und Schüler können Anlass bieten, um diesbezügliche Fragen in der Klasse aufzugreifen oder ein persönliches Gespräch mit Einzelnen zu führen. Die erzieherische Wirksamkeit eines Gesprächs wie auch die fachsystematische Arbeit wird in hohem Maße vom Lehrer-Schüler-Verhältnis bestimmt. Wenn Schülerinnen und Schüler spüren, dass die Lehrerin oder der Lehrer ein offenes Ohr für ihre Probleme hat, diese vertraulich behandelt, sie als Persönlichkeiten achtet und kompetent berät, werden sie sich im Krisenfall an die Lehrkraft wenden und deren Rat ernst nehmen. Für die Lehrerin und den Lehrer ist es dabei nötig, die Gratwanderung zwischen Distanz und Nähe zu beachten. Lehrerinnen und Lehrer sind in ihrer Einstellung zu Partnerschaft, Familie und Sexualität in ihrer Lebensgestaltung genauso frei wie andere Bürger. Es wird aber von ihnen erwartet, dass sie ihren persönlichen Lebensentwurf nicht zum Maßstab für Schülerinnen und Schüler erheben. Die Lehrkräfte müssen unterscheiden zwischen ihrem Privatleben bzw. ihrer persönlichen Meinung und dem, was sie unter Beachtung rechtlicher Vorgaben (z. B. Gesetzeslage, Lehrpläne), des kulturellen Hintergrundes und des Alters der Schülerinnen und Schüler zu vertreten haben. Im Sinne der Erziehung zum mündigen Bürger ist es von Lehrerinnen und Lehrern zu unterlassen, den Kindern und Jugendlichen die eigene Meinung aufzudrängen. Die Lehrkraft sollte den Schülerinnen und Schülern immer deutlich machen, was gesichertes Wissen und kritische Reflexion über Handlungsmöglichkeiten auf der einen Seite sind und wo persönliche Einstellung und Überzeugung beginnt. Intim- und Privatsphäre aller Beteiligten sind zu respektieren. Auch im Rahmen der Familien- und Sexualerziehung sind die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, „... begründet Entscheidungen zu treffen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen sowie ihr eigenes Handeln und dessen Folgen nach ethischen und verbindlichen Grundsätzen zu beurteilen.“7 Mit Rücksicht auf Schülerinnen und Schüler in der Klasse, in deren Familie andere als die mehrheitlich üblichen Lebensstile praktiziert werden oder problematische Situationen gegeben sind, hält sich die Lehrkraft mit abwertenden Meinungen (u. a. bei dem Adjektiv „normal“) zurück, um Schülerinnen und Schüler nicht zu verletzen oder abzuwerten. Dabei dürfen gesetzlich verankerte Prinzipien, die Partnerschaft, Familie und Sexualität betreffen (wie z. B. Gleichberechtigung der Geschlechter, Gewaltfreiheit in Beziehungen, Kinder- und Ju- 7 s. Leitbild für Schulentwicklung, Sächsisches Staatsministerium für Kultus, 2004, S. 5 8 gendschutz oder das Verbot sexueller Handlungen mit Kindern), nicht in Frage gestellt werden. Im alltäglichen Miteinander von Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern werden viele Impulse gegeben, die auf ein Mädchen oder einen Jungen als Lernanreiz im Sinne von Familien- und Sexualerziehung wirken können: der Umgang einer Lehrerin und eines Lehrers mit den Geschlechterrollen, die (wertenden) Reaktionen einer Lehrkraft auf sexuell getönte Verhaltensweisen einzelner Schülerinnen und Schüler (z. B. Schimpfwörter, Pornoclips auf Handys, obszöne Sprache und Bewegungen, „Anmache“ zwischen Jungen und Mädchen) oder auch auf Konfliktsituationen, wie beispielsweise Frühschwangerschaft oder sexuelle Gewalt. Auch das „weibliche“ oder „männliche“ Verhalten von Lehrkräften, das sich u. a. in der Kleidung, in der Körpersprache, im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen oder auch mit älteren Schülerinnen und Schülern zeigt, kann beispielgebend wirken. Selbst die Art, wie eine Lehrkraft Schülerinnen und Schülern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorlebt, kann Einfluss auf die Entwicklung des eigenen Verhaltens der Kinder und Jugendlichen haben. Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer, die in der Regel mehr Zeit mit einer Gruppe verbringen als Fachlehrkräfte und oft intensiveren persönlichen Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern haben, nehmen - unabhängig von ihrem Fach - großen Einfluss auf das Schülerverhalten. Dies sollte sexualpädagogisch reflektiert geschehen. Insbesondere auf Ausflügen und Klassenfahrten ergeben sich viele Situationen, in denen Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer als Begleitpersonen geradezu herausgefordert werden, Stellung zu beziehen, Auskünfte oder Ratschläge zu geben und ggf. zu intervenieren. Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern kommt ebenfalls eine wichtige Aufgabe zu, wenn den Eltern im Rahmen des Informationsrechts (vgl. § 10 Elternmitwirkungsverordnung8) Unterrichtsinhalte und Medieneinsatz der Familien- und Sexualerziehung bekannt gegeben und Ziele erläutert werden. Hierbei sollten sie sich von beteiligten Fachlehrerinnen und Fachlehrern unterstützen lassen. Eine besondere Rolle kommt den Beratungslehrerinnen und Beratungslehrern zu. Nicht selten sind sie Ansprechpartner bei Schülerkonflikten. Unter Beachtung der relevanten Vorgaben in der Verwaltungsvorschrift für Beratungslehrerinnen und -lehrer9 informieren sie die Klassenlehrerin bzw. den Klassenlehrer, wenn Handlungsbedarf besteht, um ggf. das Vorgehen abzusprechen. Zugang und Kontakte der Beratungslehrerinnen und -lehrer zu außerschulischen Institutionen (z. B. Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe) können genutzt werden, um aktuelle Informationen über Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche mit Problemen im Bereich Familie und Sexualität zu erhalten und in den Unterricht einzubinden. Auch die Durchführung von Gesprächen oder Informationsveranstaltungen zu den Themen Sexualität und Familie durch die Beratungslehrerin oder den Beratungslehrer in einer Klasse ist in Absprache mit der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer möglich. Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer sowie Beratungslehrerinnen und Beratungslehrer tragen besondere Verantwortung, wenn es Verdachtsmomente für Gewalt und sexuellen Missbrauch gibt. Darüber hinaus müssen alle Lehrkräfte ein offenes Ohr für Probleme der Schülerinnen und Schüler haben. Fachlehrkräfte für Sport sind durch den Kontakt zu Schülerinnen und Schülern in Unterrichtssituationen, in denen der Körper eine besondere Rolle spielt (beim Umkleiden, Duschen, sich sportlich Präsentieren), auf spezifische Weise an der Sexualerziehung beteiligt. Sie achten auf Gleichwertigkeit der Geschlechter, Fairness, gegenseitigen Respekt, Hygiene und Anzeichen von Gewalt. 8 9 vgl. Elternmitwirkungsverordnung (EMVO) vom 5. November 2004 vgl. VwV Beratungslehrer vom 4. August 2004 9 Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer sowie Fachlehrkräfte sollten im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Fortbildung (§ 40 Abs. 2 SchulG) fachdidaktisch-sexualpädagogische Angebote zur Familien- und Sexualerziehung nutzen, damit sie ihrer unmittelbaren pädagogischen Verantwortung in diesem Themenfeld gerecht werden können. Da Schulleiterinnen und Schulleiter eine besondere Verantwortung in allen die Schule betreffenden Angelegenheiten tragen, haben sie auch bei der Familien- und Sexualerziehung an ihren Schulen auf die Zulässigkeit von Konferenzbeschlüssen (u. a. Vereinbarungen zu Regeln bei Klassenfahrten und außerschulischen Unternehmungen), auf die Einhaltung der Lehrpläne, auf die Umsetzung der Zielsetzungen und den Einsatz angemessener Medien und Methoden zu achten. Sie initiieren und koordinieren die Entwicklung eines Schulprogramms, in das Familien- und Sexualerziehung integriert sein kann. Schulleiterinnen und Schulleiter verantworten die Zusammenarbeit von Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schülern. 3.3 Gestaltung der Lernprozesse Es entspricht dem Grundverständnis von Schule, dass die unterschiedlichen Werte und Normen der einzelnen Schülerinnen und Schüler im Unterricht respektiert werden. Vorehelicher Geschlechtsverkehr, die Rolle von Frau und Mann in Familie und Gesellschaft und Lebensstile im Sinne sexueller Vielfalt werden in den einzelnen Kulturkreisen teilweise unterschiedlich bewertet. Auch wenn der Unterricht durch gegenseitigen Respekt vor kulturell bedingten Meinungsverschiedenheiten geprägt sein soll, fußt er auf den im Grundgesetz und in der Verfassung des Freistaates Sachsen verankerten Grundwerten unserer Gesellschaft. Im Unterricht muss von der Gleichberechtigung der Geschlechter, der Gewaltfreiheit in Partnerschaft und Familie und der Bedeutsamkeit einer festen Partnerschaft, insbesondere im Rahmen einer Familie, ausgegangen werden. Gesellschaftliche Einstellungen zum Sexualverhalten der Menschen (wie u. a. zur Homosexualität) haben sich in den letzten Jahren verändert. Familien- und Sexualerziehung sollte dazu beitragen, dass unterschiedliches selbstbestimmtes Sexualverhalten, das die Würde des Menschen wahrt, keine Bewertung erfährt und als Teil der individuellen Persönlichkeit akzeptiert wird. Bei dem Bemühen um Altersgemäßheit in der Familien- und Sexualerziehung ist zu berücksichtigen, dass das Alter, in dem Jungen und Mädchen sexuell aktiv werden, in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist. Erfahrungen im Bereich der Sexualität zu sammeln, gehört mittlerweile zum Selbstverständnis von Minderjährigen. Außerdem werden sie über die Medien schon früh mit fast allen Facetten von Sexualität konfrontiert. Es wäre unangemessen, wenn man in der Schule darauf nicht durch Vorverlegen handlungsrelevanter Themen wie u. a. Infektionsschutz, Empfängnisregelung, „das erste Mal“ oder „Sex in den Medien“, reagieren würde. Es sollte vermittelt werden, dass Geschlechtsverkehr etwas Bedeutsames ist und der Zeitpunkt individuell, selbstbestimmt und verantwortungsvoll gewählt werden sollte. Wenn im Unterricht über das Alter beim ersten Geschlechtsverkehr gesprochen wird, dürfen Schülerinnen und Schüler nicht daraus schließen können, ab welchem Alter ein bestimmtes Sexualverhalten „normal“ im Sinne von „so soll es sein“ ist. Auch wenn Mädchen und Jungen sich im Wesentlichen identische Bildungsinhalte in der Familien- und Sexualerziehung aneignen sollen, sind geschlechtsbezogene Überlegungen und entsprechende Akzentsetzungen bereits bei der Planung von Unterrichtsstunden angebracht. So müssen z. B. bei einem möglichen Thema „Ein Kind wird geboren“ Jungen ausdrücklich in ihrer potentiellen Rolle als Vater angesprochen werden. Jungen muss bewusst werden, dass sie ebenso wie Mädchen Verantwortung für die Entstehung menschlichen Lebens tra10 gen. Kontrolle über eine Vaterschaft können sie durch Methoden der natürlichen Empfängnisregelung und durch empfängnisverhütende Mittel bzw. durch die Unterstützung ihrer Partnerin bei deren Anwendung gewinnen. Zu verdeutlichen ist, wie wichtig die emotionale und physische Unterstützung der werdenden Mutter durch den werdenden Vater ist. Die Vorbereitung auf die Rolle des Vaters schließt das Kennen der damit verbundenen Aufgaben, Rechte und Pflichten ein. Geschlechtsbezogene Überlegungen sind auch beim Thema „Pubertät“ sinnvoll. Die hormonellen Umstellungen in der Reifezeit verursachen bei Jungen mehr noch als bei Mädchen Verhaltensänderungen, die primär nichts mit ihrer Fortpflanzungsfähigkeit zu tun haben und deren Verarbeitung und Kontrolle vielen Jungen Probleme machen. Es ist hilfreich für Mädchen und Jungen, wenn auf diesen Aspekt beim Thema Pubertät eingegangen wird. Hilfreich für Mädchen ist es, wenn beim Thema Pubertät der besondere – medial vermittelte – Druck bezüglich Attraktivität, Schönheitsidealen und Mode vertiefend angesprochen wird. Aufschlussreich für Jungen und Mädchen ist weiterhin die geschlechtsbezogene Behandlung des Themas „Geschlechtstypisches Verhalten“. Die Sicht von einem „typisch“ weiblichen und „typisch“ männlichen Verhalten hat in den letzten Jahrzehnten Veränderungen erfahren u. a. unter dem Einfluss der differenzierten Auseinandersetzung mit Sex, dem biologischen, und Gender, dem sozialen und psychischen Geschlecht. Die Klassifizierung von Verhaltensweisen als „geschlechtstypisch“ kann im Unterricht problematisiert und in Beziehung zu Werten wie Gleichberechtigung und Selbstbestimmung gebracht werden. Jungen und Mädchen sollen ihr eigenes „weibliches“ und „männliches“ Verhalten und das anderer Personen einschließlich „typischer“ Konflikte zwischen Frauen und Männern besser verstehen lernen. Klischeevorstellungen wie „typisch Junge“ und „typisch Mädchen“ müssen kritisch geprüft werden, um Vorurteile und Fremdbestimmung abzubauen. Geschlechtssensible Akzente sind auch bei der unterrichtlichen Behandlung von Pornografie zu setzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich erotische Darstellungen vorrangig an männliche Adressaten wenden und in der Regel auch für die Jungen und Männer eine andere Bedeutung und Funktion haben als für die meisten Mädchen und Frauen. Im Hinblick auf pädagogisch begründete Bedenken bezüglich möglicher Wirkungen auf das Sexualverhalten und das Rollenverständnis von Jungen und Mädchen sollte einer Verharmlosung entgegen gewirkt werden. Koedukation ist bei der Familien- und Sexualerziehung die Regel, aber es kann angebracht sein, bei einigen Themen geschlechtshomogene Gruppen zu bilden, damit sowohl Jungen als auch Mädchen sich beim Gespräch und insbesondere beim Stellen von Fragen freier fühlen (so u. a. zu Intimhygiene, Orgasmus, männliche und weibliche Homosexualität, Missbrauch). Bei der Beschäftigung mit Familie, Partnerschaft und Sexualität muss auch über Gefühle, Wünsche, Ängste und Enttäuschungen gesprochen werden. Die Fähigkeit, gedanklich und sprachlich mit Gefühlen umzugehen, wird erleichtert, wenn sich Schülerinnen und Schüler mit „Stellvertretern“ (Handpuppen, Comics, Bildern, Figuren aus Filmen) identifizieren. Das Bewusstsein für eine persönliche Intimsphäre, die in der Öffentlichkeit und in den Medien derzeit wenig geachtet wird, ist durch Familien- und Sexualerziehung zu entwickeln und zu fördern (vgl. § 36 Abs. 1 SchulG). Entsprechend der konkreten Zielstellung sollte aus einer Vielzahl methodischer Formen ausgewählt werden. Eine Beschränkung auf den Lehrervortrag ist zu vermeiden. Häufig wird das Gespräch mit Schülerinnen und Schülern sinnvoll sein, wenn zum Beispiel auf eine Situation schnell reagiert werden soll. Dann wird es darauf ankommen, Verhaltensweisen angemessen zu interpretieren und Kritik für Schülerinnen und Schüler nachvollziehbar zu begründen. 11 Gespräche ermöglichen ein Eingehen auf die Partnerin und den Partner. Rollenspiele befähigen ebenfalls zum Argumentieren und zum Positionieren und sie fördern Empathie. Aber auch die selbstständige Schülerarbeit oder die Gruppenarbeit finden ihren Platz, wenn Schülerinnen und Schüler sich Wissen aus Büchern oder mit Hilfe neuer Medien aneignen. Projekte, Interviews, gemeinsame Theaterbesuche, Auswerten von Fernsehfilmen, kreatives Schreiben, Podiumsdiskussionen u. a. m. sind Methoden, die Familien- und Sexualerziehung für Schülerinnen und Schüler über die Themen hinaus interessant machen und den Lernerfolg verbessern können. Es sollten immer die Methoden Vorrang haben, die Kommunikation zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander fordern und fördern. Methoden, bei denen unabdingbar Erfahrungen aus dem Familien- und Sexualleben der Jungen und Mädchen oder in der Gruppe provozierte Körpererfahrungen (z. B. durch Statuenarbeit oder Massageübungen) einbezogen werden, sind für den Unterricht nicht geeignet, auch wenn sie sich in Selbsterfahrungsgruppen und in der außerschulischen Jugendarbeit bewährt haben. Wortschatz und Sprachmuster zum Thema Sexualität, die im Alltag problemlos verwendet werden können, erwerben nur wenige Kinder zu Hause. Manchmal vermitteln Eltern Begriffe, die den Kindern die Verständigung mit anderen erschweren. Zu den Medien für die Familien- und Sexualerziehung gehören die im Freistaat Sachsen zugelassenen Schulbücher, die den Lehrplanvorgaben entsprechend relevante Themen aufgreifen und zur Bearbeitung anbieten. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Medien und Materialien, die speziell für die Familien- und Sexualerziehung angeboten werden (z. B. Materialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und verschiedener Verlage). Auch Filme, Zeitungsartikel, Abbildungen, Liedertexte, Computerspiele usw., die nicht für den Unterricht produziert worden sind, sich aber pädagogisch gut auswerten lassen, können den Unterricht bereichern. Bildmaterial sollte bestimmte Kriterien erfüllen: Keinesfalls dürfen die Bilder pornografisch oder diskriminierend sein oder durch Jugendschutzbestimmungen als nicht geeignet für Kinder und Jugendliche eingestuft sein („Altersfreigabe“). Die Abbildungen sollen sachlich korrekt und ästhetisch ansprechend sein. Abschreckende und schockierende Bilder sind in der Regel nicht zu verwenden. Zeichnungen sind Fotografien vorzuziehen, insbesondere wenn es sich um nackte Kinderkörper handelt. Sexuelle Handlungen brauchen Kindern und Jugendlichen nicht bildlich vorgeführt werden. Nur eine sachliche schematische Darstellung vom Geschlechtsverkehr, auf der auch die inneren Geschlechtsorgane zu erkennen sind, hat aufklärende Funktion. Der Einsatz des Internets im Unterricht ist grundsätzlich zu begrüßen, bedarf aber einer speziellen Vorbereitung durch die Lehrerin oder den Lehrer, wenn er lernzielorientiert und pädagogisch sinnvoll sein soll. 3.4 Familien- und Sexualerziehung als gemeinsame Aufgabe von Elternhaus und Schule Die Eltern der Schülerinnen und Schüler sind als Partner der Schule zu sehen, mit denen auf verschiedenen Ebenen vertrauensvoll zusammengearbeitet werden soll (vgl. § 45 SchulG). Von besonderer Bedeutung bei der Familien- und Sexualerziehung ist die Klassenelternversammlung. Den Eltern einer Klasse sind gemäß § 36 Abs. 2 SchulG „Ziel, Inhalt und Form der Familien- und Sexualerziehung ... rechtzeitig mitzuteilen und mit ihnen zu besprechen“. Ein bloßer schriftlicher Hinweis auf anstehende Aktivitäten zur Familien- und Sexualerziehung genügt nicht. Das Informationsrecht bezüglich Lehrplan, Lehr- und Lernmaterialien, das primär der Klassenelternsprecherin oder dem Klassenelternsprecher zusteht (vgl. § 10 EMVO), wird in diesem Fall faktisch auf die Elternschaft einer Klasse bzw. Jahrgangsstufe ausgedehnt. In Absprache mit der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer bzw. den zuständigen Fachlehrkräften lädt die Klassenelternsprecherin oder der Klassenelternsprecher zu einer Sitzung der Klassenelternschaft ein, auf deren Tagesordnung Familien- und Sexualerziehung ausgewiesen ist. Die vorgesehenen Medien, insbesondere die, die über die eingeführten Schulbücher hinausgehen, werden den Eltern vorgestellt. Fachliche und pädagogische Argumente für das geplante Vorgehen werden erläutert. 12 Ein Mitbestimmungsrecht der Eltern über Ziele, Inhalte, Methoden und Medien besteht nicht. Es ist anzustreben, Meinungs- oder Auffassungsunterschiede möglichst einvernehmlich auszugleichen. Die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an Themen der Familien- und Sexualerziehung im Rahmen des Unterrichts ist obligatorisch. Zugleich liegt es in der Verantwortung der Lehrkraft, dabei eventuell auftretende Konflikte mit den Eltern möglichst im Vorfeld auszuräumen. Unter bestimmten Bedingungen kann es geboten sein, ein rein rezeptives Verhalten von Schülerinnen und Schülern zu akzeptieren. Missverständnisse, die auf sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten beruhen, können vermieden werden, wenn ein kooperationsbereites sprach- und kulturkundiges Familienmitglied, eine Lehrkraft, eine Ärztin bzw. ein Arzt oder eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter der außerschulischen Jugendarbeit am Elternabend teilnimmt. 3.5 Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnerinnen und Partnern Es hat sich bewährt, außerschulische Institutionen oder Fachkräfte an der schulischen Familien- und Sexualerziehung zu beteiligen. Damit öffnet sich die Schule der Lebenswelt und nutzt gleichzeitig Wissen sowie Erfahrungen professioneller Kräfte. Aktive Unterstützung bieten Beratungsstellen von Jugend- und Gesundheitsämtern, Ärztinnen und Ärzte, Familienbildungsstätten, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, AIDS-Hilfen u. a. m. In Vorbereitungsgesprächen ist sicherzustellen, dass außerschulische Fachkräfte Grundsätze schulischer Familien- und Sexualerziehung kennen und respektieren. Bei Themen der Familien- und Sexualerziehung, die auf eine Selbstreflexion und die Beantwortung von persönlichen Fragen zielen, ist die Einbeziehung geeigneter externer Partner zu empfehlen. Dabei ist eine einseitige Interessenvertretung zu vermeiden und auf entsprechende Qualitätssicherung zu achten. Handelt es sich um Angebote, die nicht verbindlich zu den Unterrichts- und Schulveranstaltungen gehören, ist evtl. die Zustimmung der Lehrer- und Schulkonferenz einzuholen (vgl. § 43 Abs. 2 SchulG). Die Verantwortung bleibt bei der veranstaltenden Schule. Die Einbeziehung von Außenpartnerinnen und Außenpartnern kann vom Freistaat Sachsen finanziell unterstützt werden, z. B. für die Honorierung bei der Gestaltung unterrichtsergänzender Angebote wie Projekte, die sich mit speziellen Themen bzw. Problemlagen auseinandersetzen. Wenn außerschulische Fachkräfte in die schulische Familien- und Sexualerziehung eingebunden werden sollen (z. B. bei einem Projekt oder als Ganztagsangebote), dann können sie auf der Klassenelternversammlung Gelegenheit bekommen, sich und ihre Arbeit vorzustellen. Keinesfalls sind einzelne, kurzzeitige Projekte, die von außerschulischen Fachkräften veranstaltet werden, ein Ersatz für kontinuierliche fachliche und fachübergreifende Familien- und Sexualerziehung in der Schule. 3.6 Familien- und Sexualerziehung als Teil der Schulprogrammarbeit Sinnvoll kann es sein, eine schulinterne Konzeption zur Familien- und Sexualerziehung zu erstellen. Ebenso ist Familien- und Sexualerziehung als ein eigenständiger Punkt im Schulprogramm denkbar. Die Schulkonferenz stimmt über das Schulprogramm ab. Kooperationspartner oder besondere methodische Bearbeitungsformen in Bezug auf Familien- und Sexualerziehung sollten auch im Schulporträt dargestellt werden. Damit bietet sich die Möglichkeit, dass eine Schule ihre Erfahrungen für andere Schulen zugänglich macht, sich aber auch von anderen Schulen bei ihren Plänen und Umsetzungen inspirieren lässt. 13 Unabhängig von einer möglichen expliziten Verankerung der Thematik im Schulprogramm übt die Kultur einer Schule einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen den Geschlechtern aus. Wie Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler, aber auch Schülerinnen und Schüler selbst miteinander umgehen, welcher Ton in einer Schule herrscht, welche Normen und Regeln es gibt und wie gleichberechtigt Schülerinnen und Schüler in schulischen Angelegenheiten mitwirken und mitentscheiden können, prägen die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen und beeinflussen letztlich auch deren späteres Handeln in einer Partnerschaft bzw. Familie. Deshalb ist das gemeinsame Bemühen aller Lehrerinnen und Lehrer unter Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler zur Entwicklung und Verbesserung der Schulkultur auch immer ein Schritt, um Schülerinnen und Schüler auf gleichberechtigte Geschlechterbeziehungen und verantwortungsvolles Handeln in der Familie vorzubereiten. 4 Internetadressen (Auswahl) www.bmfsfj.de Informationen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit Seiten zur Familie und zu Jugendschutz www.bzga.de Internetforum der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Informationen und Materialien zu Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung www.loveline.de Internetforum der BZgA für junge Leute bezüglich Liebe und Sexualität www.sextra.de pro familia - Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e. V. mit Onlineberatung, Foren, Buchtipps www.aufklaerungsstunde.de Unterrichtsmaterial für Klassen 5 - 8 mit DownIoadmöglichkeit www.onmeda.de umfangreiches Online-Lexikon zum Thema „Sexualität und Fortpflanzung“ www.mesax.de sachsenweite Mediendatenbank mit Recherchemöglichkeiten zu den Beständen aller audiovisuellen und digitalen Medien der kommunalen Stadt- und Kreismedienstellen Sachsens www.dhmd.de das Deutsche Hygiene-Museum Dresden bietet Ausstellungen und Publikationen an 14