VON AUSSEN Giilen darf nicbt bleiben Die USA branchen das Biindnis mit der Tiirkei, deshalb miissen sie den Prediger Fethullah Giilen ausliefern vou JAMES JEFFREY ie Regierung cler USA steckt in einem Dilemma, aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibr: Die riirkische Regierung fordert von Washington die Auslieferung Fetbullah Giilens. Angeblich war Giilen an Versuchen beteiligt, den tiirkischen Staat zu unterwandern und schlielglicll am 15. Juli die Regierung zu stiirzen. Giilen, ein tiirkischer Islamgelehrter, der eine weltweit akrive Bildungs? und Wohlfabrtsorganisation leitet, lebt legal in den Vereinigten Staaten. Er bestreiter, an dem bereiligt ge- Wesen zu sein. Es gibt nur weni'g verl?ssliche Informationen iiber den ominosen >>Giilen? Kult<<. Und dennoch haben die USA zwei gute Griinde, eine Auslieferung weirerzuver- folgen zum einen geopolitische, zum ande- ren rechtliche und moralische. Ich habe neun Jahre in der Tiirkei als Di- plomat gedienr und das Land kiirzlich wieder besucht. Alle Tiirken, mit denen ich sprach, egal, ob Hir oder gegen Erdogan, waren sich einig: Der war Hit die Tiirkei das, was ?ir Amerika der 11. September War; hin- ter dem stecken G?le'n und seine Bewegung; der An?ihrer hat sich da?'ir van: der tiirkischen Justiz zu verantworten. Die tiirkische Regierung zwingt Washing? ton eine zwischen Giilen oder dem B?ndnis mit der Tiirkei auf. Selbst Tiir? ken, die dem Westen noch so freundlich ge? sinnt sind, vertreten die Ansicht: ?Wir k611? nen keine Beziehung zu einem Verbiindeten James Jeffrey war bis zurn Jahr 2010 amerikanischer Botschafter in Ankara p?egen, der dem >tiirkischen Osama bin La? den< gewl'ihrt.? Bedenkr man, welche Bedeutung das Natc-Mitglled Tiirkei angesichts der Bedrohungen hat, die uns von allen Seiten braucht Ame- rika dieses Biindnis unbedingr. Nun gibt es Zweifel an der Unabbiingig? keit der tiirkischen Justiz und ein Demenri von Giilen selbst. Deshalb wiinschen sich ei? nige, dass die USA Giilens Menschenrechte iiber die realpolitischen Zw?zinge stellen. Aber diese Wabl wird moglicherweise gar nicht ge- trolfen werden miissen. Falls die Tiirken ver? niinftige Beweise ?ir Giilens Schuld vorlegen, kbnnen die USA argumentieren, sie hatten eine moraliscbe und rechtliche P?ichr, ihn auszuliefern schlie?lich habe er versucht, einen Verbiinderen zu destabilisieren. Ans meiner eigenen Erfahrung heraus bin ich iiberzeugt, dass dieser Kult, der Giilen und nicht den staatlichen Behiirden gegeniiber loyal ist, tatsiichlich existiert. Im Schatten von G?lens soffendichen< globaler Organisation haben seine Gefolgsleute junge Menschen da?ir gewonnen, sich in den tiirkischen Ver- waltungsapparat einzuschleichen. Ihre Ziele sind undurchsichtig, urnfassen aber den Schutz von Gesch?iftsinteressen und die For- derung biirokratischer Karrieren von ?Bri.i? derm, das Sabotieren von Siuberungsma?- nahmen der tiirkischen Regierung und letzt- lich die Kontrolle des Staat . In den neunziger Jahren machte Fethullah C?len gemeinsame Sache mit einer weiteren riirkischen Islambewegung, Milli Gor?s (>>Nationale Sicht<<), die iiber Verbindungen zur Muslimbriiderscha? ver?igt. Nachdem die Justiz Giilen beschuldigt hatte, einen isla? rnischen Star in der Tiirkei anzustreben, ?oh er in die Vereinigten Staaten - of?ziell aus ge- sundheitlichen Griinden. Er verbiindere sich mit Tayyip Erdogan, der zuvor Milli Gena; nahegestanden hatte und nun eine neue Par- tei griindete, die AKP. Sie gewann 2002 die allgemeinen Walden und regiert seitdern un- ter Erdogan das Land. Dass Giilenisten die Justiz, die Polizei und andere Staatsorgane unterwanderr batten, erwies sich als unbe- zahlbar ?ir die eher lokal ausgerichteten Kader. So konnten sie diverse Organe von Staat und 2010 begannen Giilenisten aber, Erdoganrtreue Generale stra?echtlieh zu verfolgen, danrr nahmen sie seine engsten Verbiindeten und seine Familie ins Visier. Ihr Ziel: der Sturz Erdogans. 2013 reagierte Erdogan, indem er die Justiz vonGiilenisten s'aiubern lie?. Dass die Giilenisren auch das Militar un- terwandert batten, war seit Langem gemut? ma?t warden, deshalb barre Erdogan ?ir den August geplant, verdichtige ranghohe Of?? ziere ihrer Amter zu entheben. Das war der Ausloser ?ir den im Juli. Viele ranghohe Olliziere ?ihrten diesen such an, der alle Tiirken scbockierte, weil auch Zivilisten angegriffen wurden. Diese Geschichte ist allgemein bekannt. Worin also besteht das Problem, den zentralen Akteur Fethullah Giilen den tiirkiscben Gerichten zu iiberstellen? Zun?icbst einmal er? fordert eine Auslieferung Zeit. Anw?ilte der US-Regierung miissen einen amerikanischen Untersuchungsrichrer n?thilfe der von der Tiirkei vorgelegten Beweise von Giilens Schuld iiberzeugen. Doeh bier fehlen bislang Unterlagen zu dern blutigen dem Anklagepunkt also, der am schwersten wiegt. Die Messlatte ?ir eine Auslieferung liegr niedriger als bei einem strafrechrlichen Verfabren, aber irn Auslieferungsabkommen zwischen den USA und der Tiirkei sind ?po? litische Verbrechem ausgenommen. Zudem bietet die amerikanische Gii? len Moglichkeiten, die Auslieferung hinaus- zuzbgern oder sogar ganz zu. kippen. Aber an? der Dringlichkeit der tiirkischen For? derungen und der o?'entlichen Empiirung k?nnen die USA rasch mit nicht gerichtlichen Mitteln gegen Giilen vorgehen, etwa Errnitt? lungsverfahren, Steuerprii?mgen und Visa- au?agen. Ein derartiges Vorgehen konnte die Tiirken beschwichtigen, neue Aktionen- der G?lenisten und das Vertrauen zwischen beiden Seiten Wa'hrend des laufen- I den Auslieferungsverfahrens' Wieder stiirken. Aus dem Englisehen von Matthias Schulz