Deutscher Bundestag Deutscher Bundestag Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz 19. Wahlperiode Ausschussdrucksache 19(6)53 5. März 2019 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 19/4724 – Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung Der Bundestag wolle beschließen: Den Gesetzentwurf auf Drucksache 19/4724 mit folgenden Maßgaben, im Übrigen unverändert anzunehmen: Artikel 1 wird wie folgt geändert: 1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 5 wie folgt gefasst: „§ 5 Ausnahmen“. 2. § 1 Absatz 3 wird wie folgt geändert: a) In Nummer 3 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt. b) Folgende Nummer 4 wird angefügt: „4. die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und die Rechte der Arbeitnehmervertretungen.“ Drucksache 19/[…] 3. –2– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode § 2 Nummer 1 wird wie folgt gefasst: „1. Geschäftsgeheimnis eine Information, a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.“ 4. Dem § 2 Nummer 3 werden die Wörter „Rechtsverletzer ist nicht, wer sich auf eine Ausnahme nach § 5 berufen kann;“ angefügt. 5. § 5 wird wie folgt geändert: a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst: „§ 5 Ausnahmen“. b) In dem Satzteil vor Nummer 1 werden die Wörter „ist gerechtfertigt“ durch die Wörter „fällt nicht unter die Verbote des § 4“ ersetzt. c) In Nummer 1 werden die Wörter „nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ gestrichen. d) Nummer 2 wird wie folgt gefasst: „2. 6. zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen;“. Dem § 17 wird folgender Satz angefügt: „Die Beschwerde gegen ein nach Satz 1 verhängtes Ordnungsmittel entfaltet aufschiebende Wirkung.“ 7. In § 19 Absatz 1 in dem Satzteil vor Nummer 1 wird nach den Wörtern „auf eine bestimmte Anzahl von“ das Wort „zuverlässigen“ eingefügt. 8. § 23 wird wie folgt geändert: a) Nach Absatz 5 wird folgender neuer Absatz 6 eingefügt: „(6) Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geschäftsgeheimnisses beschränken.“ b) Die bisherigen Absätze 6 und 7 werden die Absätze 7 und 8. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode –3– Drucksache 19/[…] Zur Begründung der Beschlussempfehlung Im Folgenden werden lediglich die vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfohlenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs erläutert. Soweit der Ausschuss die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs empfiehlt, wird auf die Begründung auf Drucksache 19/4724 verwiesen. Der Gesetzentwurf setzt die Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung um. Er enthält eine zeitgemäße Neustrukturierung des Rechts der Geschäftsgeheimnisse, von der innovationsstarke deutsche Unternehmen in besonderem Maße profitieren werden. Die unterschiedlichen Interessen von Unternehmen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Hinweisgebern und Journalisten werden durch den Gesetzentwurf grundsätzlich interessengerecht und angemessen austariert. Die im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 12. Dezember 2018 durchgeführte Sachverständigenanhörung hat aber gezeigt, dass für eine umfassende Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Arbeitnehmervertretungen sowie von Journalisten und Hinweisgebern an einigen Stellen noch eine punktuelle Nachjustierung erforderlich ist. Der Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung sich im Rahmen der Verhandlungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (COM (2018) 218 final – Hinweisgeberschutz-Richtlinie) für interessengerechte und kohärente Regeln zum Schutz von Hinweisgebern einsetzt. Der Bundestag bittet die Bundesregierung, in den laufenden Trilogverhandlungen mögliche Wechselwirkungen zwischen der Richtlinie (EU) 2016/943 und der Hinweisgeberschutz-Richtlinie weiterhin im Blick zu behalten und sich für einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutzbedürfnis der Hinweisgeber, den Geheimhaltungsinteressen privater und geschäftlicher Art und dem öffentlichen Informationsinteresse einzusetzen. Zu Nummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht) Bei der Anpassung der Inhaltsübersicht handelt es sich um eine Folgeänderung zu den Änderungen unter Nummer 5. Zu Nummer 2 (Ergänzung des § 1 Absatz 3) Durch den neuen § 1 Absatz 3 Nummer 4 wird der spezielle Vorrang rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen in Arbeitsverträgen sowie spezialgesetzlicher arbeitsrechtlicher Regelungen im Bereich der Mitbestimmung klargestellt. Die Vorschrift flankiert den in § 3 Absatz 2 angeordneten generellen Vorrang von rechtsgeschäftlichen und spezialgesetzlichen Sonderregelungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Sie trägt zudem Erwägungsgrund 18 der Richtlinie (EU) 2016/943 Rechnung, der die Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Geheimnissen insbesondere im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung besonders hervorhebt. Die Formulierung „Rechte der Arbeitnehmervertretungen“ ist weit zu verstehen. Sie umfasst sämtliche den Arbeitnehmervertretern zustehenden Rechte insbesondere auf Basis des Betriebsverfassungsgesetzes oder den Regelungen zur Mitbestimmung auf Unternehmensebene sowie die dazu ergangene bisherige und künftige Rechtsprechung. Die Einfügung eines speziellen arbeitsrechtlichen Vorrangs nimmt Bezug auf die Auslegungsregel zur Gewährleistung der beruflichen Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie. Drucksache 19/[…] –4– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Insbesondere dürfen die Anforderungen der bestehenden arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung an die Vereinbarung von Karenzzeiten nicht unterlaufen werden. Zu Nummer 3 (Ergänzung in § 2 Nummer 1 Buchstabe c) Die Änderung folgt der Vorgabe aus den Erwägungsgründen 14 der Richtlinie, wonach die mit § 2 des Umsetzungsgesetzes zu schaffende Definition so beschaffen sein sollte, dass sie Know-How, Geschäftsinformationen und Technologische Informationen abdeckt, bei denen auch ein „legitimes Interesse“ an ihrer Geheimhaltung besteht. Mit der Aufnahme des „berechtigten Interesses“ in die Definitionsmerkmale des Geschäftsgeheimnisbegriffes soll zudem der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Rechnung getragen werden. Im Übrigen handelt es sich um sprachliche Folgeänderungen aufgrund der Ergänzung des neuen Buchstaben c). Zu Nummer 4 (Änderung in § 2 Nummer 3) Durch die Ergänzung in § 2 Nummer 3 wird klargestellt, dass derjenige nicht Rechtsverletzer ist, der unter den Voraussetzungen des § 5 gehandelt hat. Hierdurch wird insbesondere sichergestellt, dass der Auskunftsanspruch des § 8 Absatz 1 Nummer 4 nicht missbräuchlich gegen Journalisten verwendet werden kann. Der notwendige journalistische Quellenschutz bleibt damit gewährleistet. Zu Nummer 5 (Änderungen des § 5) Zu Buchstabe a (Änderung der Überschrift) § 5 wird von einem Rechtfertigungsgrund in eine Tatbestandsausnahme umgestaltet. Dies wird durch die geänderte Überschrift dokumentiert. Zu Buchstabe b (Tatbestandausnahme statt Rechtfertigungsgrund) Durch die Formulierungsänderung wird § 5 von einem Rechtfertigungsgrund in eine Tatbestandsausnahme umgestaltet. Hiermit wird den in der Sachverständigenanhörung geäußerten Bedenken gegen eine Ausgestaltung als Rechtfertigungsgrund Rechnung getragen. Mehrere Sachverständige haben ausgeführt, dass bereits die Erfüllung eines Verbotstatbestandes einen abschreckenden Effekt für die Arbeit von Journalisten haben könne, unabhängig davon wie weit ein dann eingreifender Rechtfertigungsgrund gefasst sei. Der für Rechtfertigungsgründe allgemein anerkannte Grundsatz, dass der Ausschlusstatbestand auch dann auf Teilnahmehandlungen anwendbar ist, wenn er in der Person des Täters nicht erfüllt ist, findet auf den Tatbestandsausschluss entsprechende Anwendung. Damit ist eine Strafbarkeit von Journalisten nach § 23 wegen Teilnahmehandlungen auch dann ausgeschlossen, wenn der Ausschlusstatbestand für die Handlung des das Geschäftsgeheimnis offenlegenden Täters nicht erfüllt ist. Zu Buchstabe c (Streichung des Verweises auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union) Die Streichung dient der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit des Gesetzestextes. Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden. Zu Buchstabe d (Verzicht auf ‚Absicht‘ als maßgebliches Kriterium und Ergänzung der ‚Geeignetheit‘ der Handlung in § 5 Nummer 2) Mit der Änderung wird klargestellt, dass es nicht allein auf die Absicht der Hinweisgeber ankommt, sondern auch Mischmotivationen erfasst werden. Die Formulierung orientiert sich an der englischsprachigen Originalfassung der Richtlinie, wonach die dortige Nennung des Begriffs „purpose“ als eine Übersetzung mit dem Begriff „Zweck“ statt „Absicht“ hätte erfolgen sollen. Damit soll der teilweise befürchteten Gefahr einer „Gesinnungsprüfung“ begegnet werden. Die Formulierung stellt zudem fest, dass für die Tatbestandsausnahme jeweils auf die konkrete Handlung abzustellen ist. Die Handlung muss erfolgen, um das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. So wird noch deutlicher, dass das Geschäftsgeheimnis nur zur Abwehr von tatsächlichen oder gutgläubig angenommenen Verletzungen oder Gefährdungen öffentlicher Interessen offengelegt werden darf. Die jeweilige Handlung muss zudem geeignet sein, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Mit dieser Objektivierung wird Erwägungsgrund 20 der Richtlinie Rechnung getragen, nachdem einerseits Whistleblowing- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode –5– Drucksache 19/[…] Aktivitäten nicht eingeschränkt werden sollen und andererseits die rechtswidrige Handlung oder das Fehlverhalten entweder tatsächlich vorliegen muss oder der Hinweisgeber gutgläubig vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgehen musste und zugleich ein regelwidriges Verhalten, ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit von unmittelbarer Relevanz aufgedeckt wird. Insofern muss es sich um ein regelwidriges Verhalten, ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit von einigem Ausmaß und Gewicht handeln, deren Offenlegung dem allgemeinen öffentlichen Interesse dient. Die Objektivierung in der Formulierung stellt klar, dass sich die Bestimmung des „sonstigen Fehlverhaltens“ nach dem allgemeinen, objektivierbaren Rechtsverständnis richtet. Zu Nummer 6 (Aufschiebende Wirkung ) Die Änderung beruht auf einem Vorschlag des Bundesrates, dem die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 2. Oktober 2018 zugestimmt hatte. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Klarstellung erscheint zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes sinnvoll. Zu Nummer 7 (Konkretisierung möglicher gerichtlicher Beschränkungen) Die Änderung beruht auf einem Vorschlag des Bundesrates und betrifft eine Klarstellung in § 19 Absatz 1, der gerichtliche Anordnungen zur Sitzungsöffentlichkeit regelt. Der Begriff der „Zuverlässigkeit“ bringt zum Ausdruck, dass bei der Entscheidung über den Zugang zum Prozessstoff einerseits die Grundsätze des Rechts auf rechtliches Gehör, das Gebot des effektiven Rechtsschutzes und ein faires Verfahren sowie andererseits das berechtigte Interesse an der Geheimhaltung miteinander in Einklang zu bringen sind. Dem Gericht wird hierdurch im Einzelfall die Möglichkeit gegeben, einer Person, die nicht für die vertrauliche Handhabung Gewähr bietet, den Zugang zum Prozessstoff zu untersagen. Hiermit wird auch den bereits in der Verbändeanhörung vereinzelt geäußerten Bedenken Rechnung getragen, dass Geschäftsgeheimnisse durch die Teilnahme unzuverlässiger natürlicher Personen einer Partei am Verfahren gefährdet werden können. Zu Nummer 8 (Änderungen in § 23) Zu Buchstabe a (Einfügung des § 23 Absatz 6) Durch den neu geschaffenen Strafbarkeitsausschluss für Beihilfehandlungen nach dem Vorbild des § 353 b Absatz 3a des Strafgesetzbuches (StGB) wird den in der Sachverständigenanhörung im Hinblick auf mögliche Abschreckungseffekte auf Journalisten geäußerten Bedenken Rechnung getragen. Die Vorschrift findet unabhängig von den in § 5 normierten Abwägungselementen Anwendung und flankiert damit die in § 5 Nummer 1 geregelte Ausnahme für journalistisches Handeln. § 353b StGB regelt die Verletzung des Dienstgeheimnisses durch Beamte und andere Geheimnisträger. Die dortige Situation weist deutliche Parallelen zur rechtsverletzenden Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen auf. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Strafprozess wurde die Vorschrift des § 353b Absatz 3a StGB in der 17. Legislaturperiode in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Die Übertragung des Regelungsansatzes dieser Norm auf § 23 stellt klar, dass normales journalistisches Handeln keine Strafbarkeit wegen Beihilfe begründet. Damit werden die Wertungen des Kernstrafrechts auf das Nebenstrafrecht übertragen und so die Widerspruchsfreiheit der Gesamtrechtsordnung sichergestellt. Zu Buchstabe b (Änderung der Nummerierung) Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Buchstabe a.