2r: 342019?1332 ?berlandesgericht Duesseldurf 3. 3/15 Beglaubigte (Telekopie gem?fs? 169 Abs. 3 ZPO) Landgericht Dasseldorf OBERLANDESGERICHT DUSSELDORF BESCHLUSS In dem einstweiligen Verf?gungsverfahren des Herrn Yannic Lukas Hendricks,? und Verfahrensbevollm?chtigte: Rechtsanw?lte H?cker, Friesenplatz 1, 50672 gegen die BuzzFeed GmbH, gesetzlich vertreten durch die Gesch?iftsf?hrer Herrn Jonah Peretti und Herrn Mark Frackt, Littenstral'se 106/107, 10179 Berlin, Verf?gungsbeklagte und Berufungsbeklagte, Verfahrensbevollm?chtigte: Rechtsanw?lte Raue, Potsdamer Platz 1, 10785 Berlin hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts D'L'Isseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht die Richterin am Oberlandesgericht? und die Richterin am Oberlandesgericht am 26.Apri 2019 beschlossen: Der Senat beabsichtigt, die Berufung des gegen das am 16. Januar 2019 verkUndete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts DUSSeIdorf 0211 49?1 548 Uber landesgericht Duesseldorf S. 4/15 2 12 282/18) gem?fs 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zur?ckzuweisen. Der Termin vom 24. Mai 2019 wird aufgehoben. Der erh?ilt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23. Mai 2019. Die zul?ssige Berufung hat in der Saohe keinen Erfolg, denn die angefochtene beruht weder auf einer im Sinne von 546 ZPO, noch rechtfertigen die gem?B 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende 513 Abs. 1 ZPO. Mit Recht hat das Landgericht dass sich aus 823, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 GG - als der allein in Betracht kommenden - kein Anspruch fUr das vom verfolgte Begehren, nicht mehr namentlich in dem streitgegenst?indlichen Artikel erw?hnt zu werden, ergibt. Die verfahrensbedingt ledigiich summarische Prtqung und Abw?gung der betroffenen des durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK geschutzten allgemeinen des einerseits mit dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschutzten Publikationsinteresse der Verf?gungsbeklagten andererseits, fUhrt zu dem Ergebnis, dass mit der durch Namensnennung identifizierenden Berichterstattung nicht in Weise in das allgemeine des eingegriffen wird. Dem Publikationsinteresse der Verf?gungsbeklagten geb?hrt Vorrang. 1. Das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 8 Abs. 1 EMRK geschutzte allge? meine erfasst als Ausfluss des auch 26.04.2019?1332 0211 4971 54B [lberlandesgericht Duesseldori? S. 5/15 3 das Recht des Einzelnen auf Anonymit?t und damit den Schutz vor Namensnen- nung. In der ist daher anerkannt, dass zu dem vom Personlichkeitsrecht gew?hrleisteten sogenannten grunds?tzlich auch das Recht des lndividuums z?hlt, in gew?hlter Anonymit?t zu bleiben und die eigene Person nicht in identifizierbarer Weise in der Cffentlichkeit dargestellt zu sehen (BGH, Urteil vom 21. November 2006, Az.: VI ZR 259/05, zitiert nach juris Rn. 11; BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973, Az.: 1 536/72, zitiert nach juris, Rn. 44 ff. - Lebach-Urteil; Beschluss vom 3. Juni 1980, Az.: 1 185/77, zitiert nach juris Rn. 16; siehe dazu auch Wanckel, in: G6tting/Scherz/Seitz, Handbuch des Presserechts, 2. Auflage, 19 Rn. 6 ff.; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht derWort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 10 Rn. 50 Allerdings ist der grunds?tzlich bestehende Anonymit?ts? und nicht absolut. Der Einzelne hat keine uneingeschr?nkte ?ber ,,seine? Daten, denn er entfaltet seine Personlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt sich die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, als ein TeiI der sozialen Realit?t dar, der nicht dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist Uber die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und ?gebundenheit der Person zu Deshalb muss der Einzelne grunds?tzlich auch seines Rechts auf informationelle hinnehmen, wenn und soweit solche Beschr?nkungen von hinreichenden GrUnden des Gemeinwohls getragen werden und bei einer Gesamtw?gung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden GrUnde die Grenze des Zumutbaren noch gewahr?t ist (BGH, Urteil vom 13. November 1990, Az.: VI ZR 104/90, zitiert nach juris Rn. 13 mit Hinweis auf 65bedarf daher einer umfassenden Interessenabw?gung der kollidierenden in Bezug auf den konkreten Einzelfall (BGH, Urteil vom 21. November 2006, Az.: VI ZR 259105, zitiert nach juris Rn. 11 ff.; Urteil vorn 13. November 2012, Az.: VI ZR 330/11, zitiert nach juris, Rn. 8 ff. mit weiteren Nachweisen; BVerfG, vom 22. M?rz 2007, Az.: 1 2007/02, zitiert nach juris Rn. 36 2. Indem der streitgegenst?ndliche ArtikeI unter voller Namensnennung Uber den berichtet, wird in den Schutzbereich des allgemeinen Personlichkeitsrechts eingegriffen. Betroffen ist die Sozialsph?re des 0211 4971 5?18 Dberlandesgericht S. 6/15 und nicht - wie die Berufung meint - seine Privatsph?re. 2.1 Die Sozialsph?re betrifft den Bereich, in dem sich die personliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, so insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums (ng. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011, Az.: VI ZR 261/10, zitiert nach juris Rn. 16 mit Hinweis auf BVerfG, NJW 2003, 1109 - 1110; Urteil vorn 17. November 2009, Az.: VI ZR 226/08, zitiert nach juris; Urteil vom 24. Juni 2008, Az.: VI ZR 156/06, BGHZ 177, 119 (123); Urteil vorn 10. November 1994, Az.: VI ZR 216/92, MP 1995, 404 - 407; Urteil vom 20. Januar 1981, Az.: VI ZR 162/79, BGHZ 80, 25 Demgegen?ber umfasst die Privatsph?re sowohl in r?umIicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grunds?tzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird; dies betrifft Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typisoherweise als "privat" eingestuft werden, etwa weil ihre bffentliche Erorterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslost (ng. 101, 361 - 382 - Caroline von Monaco BGH, Urteil vom 19. Dezember 1978, Az.: VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120 (122); Urteil vorn 9. Dezember 2003, Az.: VI ZR 373/02, zitiert nach juris; Wanckel, in: Gotting/Schertz/Seitz, Handbuch des Personlichkeitsrechts, 2. Auflage, 19 Rn. 5 ff.; Burkhardt, in: WenzeI/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5 Rn. 54 Der Schutz der Privatspha?re vor offentlicher Kenntnisnahme kann dort entfallen oder zumindest im Rahmen der Abw?gung zurUcktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gew?hnlioh als privat geltende Angelegenheiten offentlich gemacht werden; denn niemand kann sich auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der Offentlichkeit preisgegeben hat (ng. 101, 361, 385 - Caroline von Monaco BGH, Urteil vom 9. Dezember 2003, Az.: VI ZR 373/02, zitiert nach juris; Urteil vorn 19. Oktober 2004, Az.: VI ZR 292/03, VersR 2005, 84 - 85; Urteil vom 5. Dezember 2006, Az.: VI ZR 45/05, zitiert nach juris,; Urteil vom 20. Dezember2011, Az.: VI ZR 261/10, zitiert nach juris). 2.2. Nach diesen Grunds?tzen unterf?llt die beanstandete Berichterstattung, insbesondere ihre zentraIe Aussage in Form der Namensnennung des 26.04.2019?1332 0211 ?13?1 548 [lberlandesg?ericht Duesseldurf S. 7/15 5 der Soziaisph?re. Tritt der Einzelne als ein in der Gemeinschaft Iebender BUrger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein und beriihrt dadurch die pers?nliche Sph?re von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens, so hat dieses Tun Sozialbezug und ist nicht rein privater Natur. So liegen die Dinge hier. Der hat Strafanzeigen gegen Arzte erstattet, die - nach seiner Ansicht - entgegen dem Verbot aus 2193 die Vornahme von Sohwangerscha?sabbriichen beworben haben. Damit ist der jenseits des Privaten liegende Bereich des Verfiigungski?gers betroffen; er ist nach auBen so in Erscheinung getreten, dass er im Grundsatz von jedem, jedenfails aber auch von Menschen wahrgenommen werden kann, zu denen er keine rein pers?nlichen Beziehungen unterh?lt. Ohne Erfolg macht der Verfiigungski?ger geltend, er sei in diesem Zusammenhang nicht unter Preisgabe seines Namens ?ffentlich hervorgetreten. Dass der auf die Nennung eines Pseudonyms bestanden hat, 'aindert nichts daran, dass sein Tun der Sozialsph?re zuzuordnen ist. ist, dass sich sein Wirken im tiffentlichen Raum vollzogen hat. Auch wenn die Strafanzeigen nur einer begrenzten Offentlichkeit zug?nglich waren, so trifft es nicht zu, wenn der meint, nur im Verborgenen gewirkt zu haben. Tats?ichlich bewirkt er durch sein Tun, dass die von ihm angezeigten Arzte gegen ihren Willen ins Licht der Offentiichkeit gezogen werden; mit seinen Strafanzeigen sorgt er dafiir, dass sich Arzte in Strafverfahren verantworten m?ssen, die sp?testens mit der-Hauptverhandlung allgemein bekannt werden. In besonderer Weise ist zudem zu ber'Licksichtigen, dass der Veri?gungski?ger sowohl dem Sender Kultur als auch der Tageszeitung ,,taz" ein interview gegeben hat, in denen er zum Werbeverbot des 219a Stellung genommen hat. Soweit die Berufung meint, das Landgericht begr'L'Inde seine mit einer Selbst?ffnung des Verfiigungski?gers, die zu einem Verlust des Schutzes seiner Privatsph?re gefiihrt habe, teilt der Senat die Einsch?itzung der Verfilgungsbekiagten, dass der das angefochtene Urteil missversteht. Mit Recht hat die Kammer das Tun des bereits grunds?tzlich nicht fi'Jr privat gehaiten. Sie hat zutreffend gew?rdigt, dass das Werbeverbot des 219a - vor allem wegen der auf die Strafanzeige des zur?ckgehenden Verurteilung der Arztin Kristina H?nel - Gegenstand einer breiten, kontrovers gefiihrten Debatte in Poiitik und Geselischaft ist. die Zuordnung zur Sozialsph?re ist dass sich der ganz bewusst an dieser Debatte beteiligt hat. Angesichts dessen musste sich der Verf?gungski?ger wegen der Wirkungen, die sein 26.04.2019-13232 0211 497'1 5?18 Dherlandesgericht Duesseldori? S. 8/15 6 Tun fUr andere hat, von vornherein auf die kritische Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Offentlichkeit einstellen. Ein besonderer Privatsph?renschutz des vor Verbffentlichung allein aufgrund der von ihm selbst gew?ihlten Anonymit?t ist daher abzuiehnen. 2.3. Soweit die Berufung ausfiihrt, es sei auch der Schutzbereich des Art. 4 GG erijffnet, bleibt dies erfolglos. Der kann sich nicht auf sein Recht auf Glaubens? und Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG mit der Begriindung berufen, er habe aus seiner ethischen Uberzeugung heraus zum Schutz werdenden Lebens gehandelt. Das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit gew?ahrleistet, dass sich die mafsgeblichen Wertauffassungen frei von staatlicher Beeinflussung in einem freien geistigen Prozess bilden kbnnen. Weder Art. 4 Abs. 1 GO noch Art. 4 Abs. 2 GG gew?ihren jedoch dem einzelnen Bilrger ein Recht darauf, dass seine Uberzeugung zum Marsstab der G'Liltigkeit genereller und ihrer Anwendung gemacht wird (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2004, Az.: VI ZR 308/03, zitiert nach juris Rn. 19 mit Hinweis auf 67, 26, 37; Herzog, in: Maunz? DUrig, GG, Art. 4 Rn. 111 3. Der Eingriff in Sozialsph?re des durch die beanstandete Berichterstattung ist nicht 3.1. Wegen der Eigenart des als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwz?igung der wider- streitenden grundrechtlich gesch'L'Itzten Belange bestimmt werden, bei der die be- sonderen Umst?inde des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Ge- w?hrleistungen der Europ?ischen (EMRK) interpretati- onsleitend zu beriicksichtigen sind. Der Eingriff in das ist nur dann wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwiirdigen Belange der anderen Seite 'L'Iberwiegt (st?ndige vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2017, Az.: VI ZR 262/16; Urteil vom 29. November 2016, Az.: VI ZR 382/15, Urteil vom 15. September 2015, Az.: VI ZR 175/14, Urteil vom 16. Dezember 2014, Az.: VI ZR 39/14; Urteil vom 13. November 2012, Az.: VI ZR 330/11 - jeweils zitiert nach juris). 26.04.2019?1332 0211 4971 5?18 Oberlandesgericht Duesseldorf S. 9/15 Hier kollidiert das lnteresse des an der Unterlassung der sein berUhrenden identifizierenden Berichterstattung mit dem Inte- resse der Verngungsbeklagten an der Gestaltung ihres Internetauftritts und an einer Berichterstattung. lm Streitfall sind daher das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 EMRK gew?hrleistete lnteresse des am Schutz sei- ner Privatsph?re, seiner pers?nlichen Daten und seiner sozialen Anerkennung mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Verngungsbe- klagten auf Meinungs? und Medienfreiheit abzuw?gen. Diese Abw?gung ergibt, dass die gesch?tzten lnteressen der Verngungsbeklagten diejenigen des Uberwiegen. 3.2. In der des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien fUr den konkreten Abw?gungsvorgang vorgeben (ng. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009, Az.: 1 1107/09, zitiert nach juris Rn. 17 ff.; Beschluss vom 25. Juni 2009, Az.: 1 134/03, zitiert nach juris Rn. 61 Beschluss vorn 9. M?rz 2010, Az.: 1 1891/05, zitiert nach juris Rn. 27 ff.; Beschluss vom 25. Januar 2012, Az.: 1 BVR 2499/09, zitiert nach juris 39 ff.; ferner BGH, Urteil vom 8. Mai 2012, Az.: VI ZR 217/08, zitiert nach juris, Rn. 37; Urteil vom 30. Oktober 2012, Az.: VI ZR 4/12, zitiert nach juris, Rn. 12 mit weiteren Nachweisen). Ausgangspunkt der hier vorzunehmenden umfassenden lnteressengewichtung und -abw?gung ist, dass die Presse zur Erf?llung ihrer Aufgaben grunds?tzlich nicht auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 2008, Az.: 1 46/08, zitiert nach juris Rn. 12 ff.; Beschluss vorn 25. Januar 2012, Az.: 1 2499/09, zitiert nach juris Rn. 39; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018, Az.: VI ZR 439/17; BGH, Urteil vom 30. Oktober 2012, Az.: VI ZR 4/12, zitiert nach juris Rn. 12). Zu berUcksichtigen ist zun?chst die abgestufte Schutzw?rdigkeit bestimmter Sph?ren, in denen sich die Persanichkeit verwirklicht. Fur die Berichterstattung, die lediglich die Sozialsph?re betrifft, hat der kIargesteIIt, dass sich der Einzelne in diesem Bereich von vornherein in erheblichem Umfang der Kritik aussetzt. Zu einer solchen Kritik geh?rt auch die Namensnennung, da die Offentlichkeit in diesen Fallen ein Iegitimes lnteresse daran hat, zu erfahren, urn wen es geht (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2006, Az.: VI ZR 259/05, zitiert nach juris). Insoweit dr?ckt sich die Sozialbindung des Individuums in Beschr?nkungen seines aus; 0211 4971 5?18 Uberlandesgericht Duesseldurf 3. 10/15 8 der darf nicht dazu fUhren, Bereiche des Gemeinschaftslebens von 6ffentlicher Kritik und Kommunikation deshalb auszusperren, weil damit beteiligte Personen gegen ihren Willen ins Licht der Offentlichkeit geraten (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2006, Az.: VI ZR 259/05, zitiert nach juris Rn. 14; Urteil vom 20. januar 1981, Az.: VI ZR 163/79, VersR 1981, 384 385). Bei Tatsachenberichten f?illt bei der Abw?gung vor allem der Wahrheitsgehalt ins Gewicht. Wahre Tatsachenbehauptungen mUssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig fUr den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011, Az.: 1 BVR 2678/10, zitiert nach juris Rn. 33; Beschluss vom 25. Oktober 2012, Az.: 1 901/11, zitien nach juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 30. Oktober 2012, Az.: VI ZR 4/12, zitiert nach juris Rn. 12). Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das des Betroffenen verletzen, wenn sie einen anzurichten droht, der auBer Verh?ltnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Ananpfungspunkt fUr eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. M?rz 1998, Az.: 1 131/96, zitiert nach juris Rn. 45 ff.; Beschluss vom 10. Juni 2009, Az.: 1 1107/09, zitiert nach juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 9. Februar 2010, Az.: VI ZR 243/08, zitiert nach juris Rn. 16; Urteil vom 30. Oktober 2012, Az.: VI ZR 4/12, zitiert nach juris Rn. 12). SchlieBIich verlangt der des Einzelnen von der Presse bei identifizierbarer Darstellung oder gar namentlicher Benennung einer Person in einer (geplanten) Berichterstattung mit besond'erer Sorgfalt abzuw?gen, ob dem Informati- onsinteresse nicht auch ohne Namensnennung genUgt werden kann, weil Berichte unter Namensnennung die pers?nliche Sphere des Betroffenen viel st?rker und intensiver ber'L'Ihren als anonymisierte Berichte (BGH, Urteil vom 15. April 1980, Az.: VI ZR 76/79, zitiert nach juris Rn. 9 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; siehe auch Wanckel, in: G?tting/Scherz/Seitz, Handbuch des Pers?nlichkeitsrecht, 2. Au?age, 19 Rn. 41; RickerNVeberling, Handbuch des Presserechts, 6. Auflage, Kap. 39 Rn. 22 Andererseits ist bei der Abw?gung zu dass eine personali- sierte oder identi?zierbare Darstellung in einer Medien?ulserung deren Authentizit?t und Glaubhaftigkeit wobei dieses Anliegen fUr sich nicht schon zu einem Uberwiegen des 6ffentlichen lnformationsinteresses gegen?ber den Belangen des fUhrt (BVerfG, Beschluss vom 22. M?rz 2007, Az.: 1 BVR 2007/02, zitiert nach juris Rn. 37). Bei der Abw?gung ist schlieBlich in Ansatz zu 26.04.2019?1332 0211 4971 54B Dberlamlesgericht Duesseldorf S. 11/15 9 bringen, ob der Betroffene selbst Anlass for die Berichterstattung gegeben hat, ob und inwieweit er zuvor bereits selbst freiwillig private Details der Offentlichkeit preisgegeben hat sowie der Grad des Informationsinteresses und der Aktualitatsbezug einer Berichterstattung (ng. hierzu Wanckel, in: Gotting/Scherz/Seitz, Handbuch des Personlichkeitsrechts, 2. Auflage, ?19 Rn. 41 ff.; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Auflage, Kap. 39 Rn. 20 ff.; Burkhardt, in: Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 10 Rn. 53 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Je weniger eine Person zu einer medialen Darstellung oder Presseberichterstattung selbst Anlass gegeben hat, umso zuriiokhaltender muss sich die Presse bzw. das Internet mit dieser befassen. 3.3. In Anwendung dieser auf den vorliegenden Fall hat das lnteresse des am Schutz seiner Personlichkeit hinter dem von der Verf?gungsbeklagten verfolgten Informationsinteresse der Offentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsau?erung zur?ckzutreten. a. Der Verfiigungsbeklagten kann nicht der Vorwurf einer ,,unwahren? Berichterstattung gemacht werden. Der streitgegenstandliche Artikel enthalt wahre Aussagen Uber die Aktivitaten des gegen Schwangerschaftsabbriiche. Dariiber sind sich die Parteien auch einig. Der Veri?gungsbeklagten ist auch nicht vorzuwerfen, den Namen des erstmals in der Offentlichkeit preisgegeben zu haben. Unstreitig hat sie lediglich eine bereits verf'L'Igbare Information aufgegriffen. Gegenstand des vorliegenden ist die Frage, ob die VerfLigungsbeklagte den namentiich nennen durfte. Dies ist zu bejahen. Der muss es hinnehmen, dass seine offentlich vorgetragene Position zum Werbeverbot aus 219a sowie zum Schwangerschaftsabbruch kommentiert und - nachdem sein Name bekannt geworden ist - ihm auch zugeordnet wirdeiner Frage, die von der breiten O?entlichkeit kontrovers diskutiert wird, Position bezieht und diese Position zudem mit der Erstattung von Strafanzeigen durchzusetzen versuoht, muss damit rechnen, dass er danr kritisiert wird. Nichts anderes hat die Verftigungsbekiagte vortiegend getan, indem sie mit dem streitgegenstandlichen Artikel thematisiert hat, ob der unter diesen Umstanden fiir sich das Recht der Anonymitat in 26.04.2019?1332 0211 49?1 5?18 ?berlandesgericht Duesseldurf S. 12/15 10 Anspruch nehmen kann. Der muss dulden, dass das von ihm selbst durch sein Tun erregte lnformationsinteresse der Offentlichkeit in einer nach dem Prinzip der freien Kommunikation Iebenden Gemeinscha? auf den dafiir Ublichen Wegen befriedigt wird. Mit Recht hat die Verfiigungsbeklagte darauf hingewiesen, dass es dem Prinzip der Waffengleichheit widerspricht, wenn der Arzte an die Offentiichkeit zerrt, selbst hingegen aber im Verborgenen agieren darf und keinen Gegenangriff fiirchten muss. Der ist - wie der Senat dargelegt hat - iediglich in seiner Sozialsph?re betroffen, in welcher er sich gegen'Liber einer individualisierenden Berichterstattung nur noch mit geringerem Gewicht auf sein allgemeines Personlichkeitsrecht berufen kann (ng. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009, Az.: 1 1107/09, zitiert nach juris). Bei der Gewichtung des lnformationsinteresses der Verfiigungsbeklagten im Verh?ltnis zu dem kollidierenden des ist auch der Gegenstand der Berichterstattung in Betracht zu ziehen. Danach f?ilt zu Gunsten der Verfiigungsbeklagten ins Gewicht, dass sie - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - mit der Debatte um das Werbeverbot aus 219a eine die Offentlichkeit wesentlich beriihrende Frage aufgegriffen hat und sich deshaib auf ein Uberragendes offentliches lnformationsinteresse berufen kann. Dies stellt die Berufung auch nicht in Abrede. Entgegen der von der Berufung vertretenen Ansicht kann in diesem Zusammenhang nicht maisgeblich sein, ob die Berichterstattung auch ohne Namensnennung h?tte erfolgen konnen. Hervorzuheben ist, dass es zum Kern der Pressefreiheit gehort, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien konnen, was sie des offentlichen Interesses filr wert halten und was nicht (st?ndige vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2011, Az.: VI ZR 26/11, zitiert nach juris Rn. 19 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Richtig ist, dass es in Fallen der identifizierenden Berichterstattung die Racksicht auf die Personlichkeit des Betroffenen gebietet, mit besonderer Sorgfalt abzuw?gen, ob dem lnformationsinteresse auch ohne Namensnennung gen?gt werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass eine identifizierende Berichterstattung stets bereits dann unzul?issig ist, wenn die Berichterstattung auch ohne Namensnennung erfolgen kann. In diesem Sinne were - mit Ausnahme der Berichterstattung 'Liber ohne bereits im Lichte der Offentlichkeit stehende Personen, wie etwa Prominente - nahezu jede identifizierende Berichterstattung unzul?ssig, wenn nur bei Verzicht auf die Nennung des Namens der handelnden Personen ein berichtenswerter Inhalt verbliebe (so KG, Urteil vom 5. November 2004, Az.: 9 162/04, zitiert nach juris Rn. 32). Dies wiere sowohl die Pressefreiheit als auch das 0211 4971 54B Dberlandesgericht Duesseldorf S. 13/15 11 Recht zur freien Meinungs?iuiserung von vornherein in unzul?issiger Weise Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu fragen, ob Uber das berechtigte Interesse an dem den Gegenstand der Berichterstattung bildenden Geschehen hinaus - unter Beriicksichtigung des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen - auch ein berechtigtes Interesse der Offentlichkeit an der konkret handeinden Person besteht. Dies ist hier anzunehmen. Indem sich der in Interviews gegeniiber dem Kultur und der Tageszeitung ,,taz? eindeutig gegen Sohwangerschaftsabbriiche positioniert hat, hat er in die Offentlichkeit hineingewirkt. Es besteht - Uber das offentliche Interesse an der Debatte Uber das Werbeverbot aus 219a hinaus - ein gewichtiges lnformationsinteresse der Allgemeinheit an der Person des sich AuBernden selbst, ohne dass damit lediglich die Neugier der Offentlichkeit befriedigt wird. Die Offenlegung der Identit?t ist vorliegend Voraussetzung fUr einen fairen Meinungskampf, denn nur wer weiB, wer in der offentlichen Debatte einen Angriff ausfiihrt, kann diesen inhaltlich zutreffend einordnen und sich dagegen verteidigen. Mit Blick auf die Funktion der Presse, die Offentlichkeit berUhrende Fragen zur Diskussion zu stelien und Aufkl?irung zu betreiben, ist die personalisierte Darstellungsweise im Streitfall zul?ssiges Mittel. b. Entgegen der Ansicht der Berufung war mit der identifizierenden Berichterstattung auch keine unzumutbare Beeintr?chtigung des verbunden. Der Senat verkennt nicht, dass auch eine wahre Darstellung das Personlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen anzurichten droht, der auBer Verh?ltnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Die Verfiigungsbeklagte hat die in dem streitgegenst?ndlichen Artikel aufgeworfene Frage, ob der for sich das Recht der Anonymit?t in Anspruch nehmen kann, und sachbezogen thematisiert und damit den Informationsanspruch der Offentliohkeit erf?llt sowie zur offentlichen Meinungsbildung beigetragen. Sie berichtet Uber zahlreiche Strafanzeigen und Interviewbeitr?ge des und seinen Anspruch, dabei stets anonym bleiben zu d?rfen. Der Leser erf?ihrt, dass andere Teilnehmer der Debatte in Politik und dem Verfiigungski?ger ein Recht auf Anonymit?t absprechen. Die Berichterstattung stellt sich nicht ais Schm?hkritik dar. Davon kann nur dann die Rede sein, wenn bei der AuBerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer 26.04.2019-1332 0211 4971 54B Uberlandesgericht Duesseldorf S. 14215 12 oder Uberspitzter Kritik personlich herabgesetzt und gieichsam an den Pranger gestelit werden soil (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2016, Az.: 1 2646/15; Beschluss vom 8. Februar 2017, Az.: 1 BVR 2973/14; BGH, Urteil vorn 28. Juni 1994, Az.: VI ZR 273/93 - jeweiis zitiert nach juris). Das ist vorliegend angesichts des in der Berichterstattung klar herausgestellten Saohbezugs nicht der Fall. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, dass eine ,,mediale Hetzjagd" gegen den statt?nde. Unabh?ngig davon, dass der Verngungsbeklagten das Verhalten Dritter nicht zurechenbar ist und der Name des bereits vor Veroffentlichung des streitgegenst?ndlichen Artikels bekannt war, hat der diese Folgen im Hinblick auf sein Vorverhalten' hinzunehmen. Nachdem er sioh eindeutig in der Debatte iiber das Werbeverbot aus 219a positioniert hat, musste er damit rechnen, dass sich die Presse damit kritisch auseinander setzt, wobei er keinen Anspruch darauf hat, in der Cffentlichkeit nur so, dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden mochte (ng. BGH, Urteil vom 15. November 2005, Az.: VI ZR 286/04, zitiert nach juris). Hinzu kommt, dass derjenige, der durch sein Tun bewirkt, dass andere gegen ihren Willen ins Licht der Offentlichkeit gezogen worden sind, es gleichermaBen dulden muss, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Offentlichkeit auf den hierfiJr Ublichen Wegen befriedigt wird. Dies war vorliegend geschehen. Der hat nicht nur in einer kontrovers gef'Lihrten Debatte Uber das Werbeverbot aus 219a Position bezogen, sondern versucht seine Position auch mitteis Strafanzeigen durchzusetzen. Er hat sich damit in den Brennpunkt der Offentlichen Diskussion gestellt. Dieses Tun ist geeignet, zahireiche negative Kritiken auszuiosen. Die hieraus nach Darstellung des resultierenden Beeintr?chtigungen treten im Vergleich zu dem dargestellten Interesse der Offentlichkeit an einer identifizierenden Berichterstattung zurtick, weil der fUr die behaupteten Beeintr?chtigungen selbst durch sein dargestelltes Verhalten die Grundlage gelegt hat. Auf Grundlage dieser Erw?gungen hat die Berufung des nach einstimmiger Uberzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfoig. Die Sache hat auch keine grunds?tzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts 2E: . 04 .2019?13 :32 0211 4971 5?18 ?ber landesg?er icht Duesseldorf . 15/15 13 noch die Sicherung einer einheitlichen erfordern eine des Senats aufgrund mUndlicher Verhandlung, die auch im Ubrigen nicht geboten ist. Aus Kostengr?nden stellt der Senat dem die RUcknahme der Berufung anheim. Durch eine Berufungsr?cknahme w?rde gem?rs KV Nr. 1222 fUr die Verfahrensgeb?hr im Berufungsverfahren nur der 2-fache statt des 4?fachen Satzes anfallen. Hinzu kommt eine weitere Ersparnis, wenn keine TerminsgebUhren gem?fs Nr. 3202 RVG anfallen. Beglaubigt Urkundsbeamter/in der Oberlandesgericht DUsseldorf