Deutscher Bundestag Drucksache 19/[…] 19. Wahlperiode Antrag des Abgeordneten Dr. Jens Brandenburg und der Fraktion der FDP Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der Europäischen Union schützen Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Bundestag stellt fest: Die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LSBTI) sind in vielen Ländern weltweit stark eingeschränkt und missachtet. In über 75 Staaten ist Homosexualität strafbar. Noch immer stehen in sieben Staaten homosexuelle Handlungen unter Todesstrafe. Im Vergleich zum globalen Süden und Osten ist die Rechtslage für LSBTI in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union weit fortgeschritten. Die Grundrechtecharta der Europäischen Union verbietet Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung. Auch Trans*Personen sind laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs durch die Grundrechtecharta vor Diskriminierung wegen ihres Geschlechts geschützt. In einigen Mitgliedstaaten der EU sind die gleichgeschlechtliche Ehe und die Adoption von Kindern für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Gleichwohl sind LSBTI in vielen EU-Mitgliedstaaten häufig mit Diskriminierung, Belästigung, Intoleranz, Hass und Hasskriminalität konfrontiert. Vorurteile und falsche Vorstellungen über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt fördern intolerante Einstellungen und Verhaltensweisen. Einer Studie der European Fundamental Rights Agency von 2013 zufolge haben 47 Prozent der befragten LSBTI aus den EU-Mitgliedstaaten von Diskriminierung und Belästigung berichtet. Weiterhin geben sich der Studie zufolge etwa die Hälfte der Befragten an bestimmten Orten, zum Beispiel öffentlichen Gebäuden, Plätzen oder Verkehrsmitteln nicht zu erkennen, aus Furcht, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität belästigt, bedroht oder angegriffen zu werden (https://fra.europa.eu/sites/default/files/eu-lgbt-survey-results-at-aglance_de.pdf). Das Eurobarometer zu Diskriminierung von 2015 ergibt darüber hinaus, dass fast 60 Prozent der EU-Bürgerinnen und Bürger die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität als weitläufiges Problem ansehen (http://ec.europa.eu/COMMFrontOffice/publicopinion/index.cfm/Survey/getSurveyDetail/instruments/SPECIAL/surveyKy/2077). Nicht alle Mitgliedstaaten der EU ermöglichen gleichgeschlechtlichen Paaren einen Zugang zu Ehe oder zu eingetragenen Lebenspartnerschaften bzw. eine Möglichkeit, gemeinsam Kinder zu adoptieren. Darüberhinaus gibt es weitläufig Fälle von Diskriminierung in allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftli- [Datum] Drucksache 19/[…] –2– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode chen Lebens, keine ausreichende Aufklärung der LSBTI über deren Rechtslage und medizinische Gutachtenpflichten für transsexuelle Menschen zur formellen Änderung der Geschlechtszugehörigkeit. Malta ist der einzige Mitgliedstaat der EU, in dem Konversionstherapien gesetzlich verboten sind. Das Phänomen der shrinking spaces, nach dem die Meinungs-, Versammlungsund Vereinigungsfreiheit von zivilgesellschaftlichen Organisationen seitens der Regierungen zunehmend eingeschränkt werden, ist auch in Teilen der EU angekommen. Der wachsende Nationalismus und daraus erstarkte rechtspopulistische Parteien gehen aktiv gegen bereits gewonnene Rechte von LSBTI vor. Um Diskriminierung gegen LSBTI gezielt und nachhaltig in den EU-Mitgliedstaaten entgegenzuwirken und die Menschenrechte für LSBTI in allen Mitgliedstaaten zu verbessern, gibt es einen großen Handlungsbedarf – für das Europäische Parlament und für die Regierungen der Mitgliedstaaten. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten sollte die EU über ihre eigenen Grenzen hinaus auf die weltweite Einhaltung der Menschenrechte für LSBTI hinwirken. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im Ministerrat der Europäischen Union darauf hinzuwirken, dass diese: 1. die Grund- und Menschenrechte von LSBTI unionsweit schützt; 2. alle Rechtsgrundlagen nutzt, um zu erreichen, dass bestehende gleichgeschlechtliche Ehen und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften mit allen Rechtsfolgen in allen Mitgliedstaaten der EU anerkannt werden; 3. das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit von LSBTI in allen Mitgliedstaaten der EU schützt und sicherstellt, dass Demonstrationen und andere öffentliche Aktivitäten und Angebote zur Beratung und Information von LSBTI unionsweit ungehindert und sicher stattfinden können; 4. sicherstellt, dass die Akzeptanz von LSBTI unionsweit über Bildungsund Aufklärungsprojekte und Netzwerkangebote nachhaltig hergestellt und gefestigt wird; 5. alle Rechtsakte, die in der Europäischen Union gegen Diskriminierung aufgrund von Rassismus gelten, auch für Diskriminierung von LSBTI wirksam macht; 6. sicherstellt, bei Strafverschärfungen gegen LSBTI die Entwicklungszusammenarbeit im Dialog mit Nichtregierungsorganisationen vor Ort auf den Prüfstand zu stellen, gegebenenfalls die Budgethilfe zu streichen und die Zusammenarbeit mit staatlichen Einrichtungen zu beenden; 7. von Nichtregierungsorganisationen getragene Menschenrechtsprojekte für LSBTI besonders in den Partnerländern verstärkt fördert, die die Menschenrechte von LSBTI nicht einhalten; 8. bei der Prüfung der Menschenrechtslage in Staaten, zu denen Handelsbeziehungen bestehen, auch die Rechte von LSBTI betrachtet; 9. sich in der Migrationspolitik für sichere Verfahren und Unterbringung von LSBTI einsetzt und sicherstellt, dass Flüchtende, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt werden, unionsweit anerkannt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Berlin, den 28.05.2019 Christian Lindner und Fraktion –3– Drucksache 19/[…]