Bundespatentgericht Tribunal fédéral des brevets Tribunale federale dei brevetti Tribunal federal da patentas Federal Patent Court O2016_012 Urteil vom 28. Oktober 2019 Besetzung Instruktionsrichter Dr. iur. Christoph Willi, Richter Dr. sc. nat. ETH Tobias Bremi (Referent), Richter Dr. iur. Daniel M. Alder, Richter lic. iur. & Dipl. Mikrotech.-Ing. ETH Frank Schnyder, Richter Dr. sc. nat., Dipl. Phys. ETH Kurt Sutter, Erste Gerichtsschreiberin lic. iur. Susanne Anderhalden Verfahrensbeteiligte Stemcup Medical Products AG, Aargauerstrasse 180, 8048 Zürich, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. iur. Christian Hilti und Dr. iur. Demian Stauber, Rentsch Partner AG, Bellerivestrasse 203, Postfach, 8034 Zürich, patentanwaltlich beraten durch Dr. Bruno Meyer, Schneider Feldmann AG, Beethovenstrasse 49, 8039 Zürich, sowie Dr. Jens Ottow, Rentsch Partner AG, Bellerivestrasse 203, Postfach, 8034 Zürich Klägerin gegen 1. Implantec GmbH, Grenzgasse 38a, AT-2340 Mödling, 2. Endoprothetik Schweiz GmbH (vormals ImplanTec Schweiz GmbH), c/o LAUNCHOFFICE GmbH, Rathausstrasse 14, 6341 Baar, beide vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. iur. Michael Ritscher und Dr. iur. Kilian Schärli, Meyerlustenberger Lachenal AG, Schiffbaustrasse 2, Postfach 1765, 8031 Zürich, patentanwaltlich beraten durch Dipl. Ing. Herwig Margotti, Schwarz & Partner, Wipplingerstrasse 30, 1010 Wien, Dr. Martin Müllner, Patentanwalt, Patentanwaltskanzlei Katschinka OG, sowie Dipl. Phys. ETH Werner A. Roshardt, Keller & Partner Patentanwälte AG, Bahnhofplatz 18, Postfach 2005, 8401 Winterthur Beklagte Gegenstand Patentverletzung, Auskunft und Rechnungslegung; Einschlagbarer Hüftgelenkprothesengrundkörper O2016_012 Das Bundespatentgericht zieht in Erwägung: Prozessgeschichte 1. Mit Klage vom 13. September 2016 stellte die Klägerin folgende Rechtsbegehren: «1) Den Beklagten sei zu verbieten, sog. Pressfit- bzw. „Hybrid“-Gelenkpfannen“ gemäss folgender Abbildung in die Schweiz zu importieren, in der Schweiz anzubieten, zu vertreiben und zu verkaufen, die durch folgende Produktemerkmale charakterisiert sind: die Gelenkpfanne hat einen schalenförmigen, um eine zentrale Achse rotationssymmetrischen Grundkörper, dessen Rand eine zur Achse senkrechte Grundfläche definiert; auf der Aussenseite des Grundkörpers sind über den Umfang gleichmässig verteilt sechs aus der Aussenseite herausstehende, schmale Einschlagstege angeordnet; die sechs Einschlagstege sind als ungekrümmte, ebene Platten ausgebildet; die sechs Einschlagstege sind in Umlaufrichtung gegenüber der Grundfläche jeweils in derselben Richtung gekippt angeordnet, derart, dass sie jeweils mit der Grundfläche einen Winkel von 83° - 87° einschliessen. Seite 3 O2016_012 2) Eventualiter sei den Beklagten zu verbieten, klagepatentgemässe Gelenkpfannen gemäss Rechtsbegehren 1 mit mindestens zwei Einschlagstegen, die einen Winkel von unter 85° entsprechend den Messresultaten gemäss Klagebeilage KB 23 aufweisen, anzubieten. 3) Die Beklagte 1 sei zu verpflichten, der Klägerin innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Teilurteils nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung detailliert Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen bezüglich der klagepatentgemässen Gelenkpfannen, namentlich - der Herstellungskosten; - der Transferkosten (Verkaufspreis) an die Beklagte 2; - wie viele klagepatentgemässe Gelenkpfannen sie seit der Gründung der Beklagten 2 in die Schweiz eingeführt und an die Beklagte 2 oder Dritte verkauft hat; - die Namen und Adressen der Drittabnehmer und der abgenommenen Stückzahlen; - die Netto-Verkaufserlöse und Brutto-Gewinne (Verkaufserlös abzüglich Einstandspreis), die sie damit erzielt hat. Wobei die erzielten Netto-Verkaufserlöse und Brutto-Gewinne separat nach Geschäftsjahr auszuweisen sind, und zwar gestützt auf die jeweilige Finanzund Betriebsbuchhaltung der Beklagten. 4) Die Begehren 1, 2 und 3 seien zu Lasten der Beklagten 1 mit der Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1’000 pro Tag gern. Art. 343 Abs. 1 lit. c ZPO, mindestens aber CHF 5’000 gem. Art. 343 Abs. 1 lit. b ZPO sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall zu verbinden. 5) Die Beklagte 2 sei zu verpflichten, der Klägerin innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Teilurteils nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung detailliert Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen bezüglich der klagepatentgemässen Gelenkpfannen, namentlich - der Einkaufskosten von der Beklagten 1; - wie viele klagepatentgemässe Gelenkpfannen sie seit ihrer Gründung in die Schweiz eingeführt und an Dritte verkauft hat; - die Anzahl und Namen der Abnehmer und abgenommenen Stückzahlen; - die Netto-Verkaufserlöse und Brutto-Gewinne (Verkaufserlös abzüglich Einstands-/ Einkaufspreis), die sie damit erzielt hat. Seite 4 O2016_012 Wobei die erzielten Netto-Verkaufserlöse und Brutto-Gewinne separat nach Geschäftsjahr auszuweisen sind, und zwar gestützt auf die jeweilige Finanzund Betriebsbuchhaltung der Beklagten 2. 6) Die Begehren 1, 2 und 5 seien zu Lasten der Beklagten 2 mit der Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1’000 pro Tag gem. Art. 343 Abs. 1 lit. c ZPO, mindestens aber CHF 5’000 gem. Art. 343 Abs. 1 it. b ZPO sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall zu verbinden. 7) Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten, unter Mitberücksichtigung des patentanwaltlichen Aufwands.» 2. Mit Klageantwort vom 2. Dezember 2016 stellten die Beklagten folgende Rechtsbegehren: «1. Die Klage sei abzuweisen. 2. Eventualiter zu Ziff. 1 seien Klagebegehren Nr. 3 und 5 dahingehend einzuschränken, dass keine Auskünfte, die eine Identifikation von Lieferanten und Kunden der Beklagten sowie von Drittparteien ermöglichen, zu erteilen seien. 3. Eventualiter zu Ziff. 2 seien Klagebegehren Nr. 3 und 5 dahingehend einzuschränken, dass die Auskünfte an einen vom Gericht zu ernennenden, unabhängigen Gutachter zu erteilen seien und dieser dazu verpflichtet werde, dem Gericht und der Klägerin lediglich die Gesamtzahl der gegebenenfalls patentverletzenden, in der Schweiz hergestellten und/oder verkauften "Pressfit- bzw. Hybrid-Gelenkpfannen" sowie den damit erzielten Nettogewinn offen zu legen. 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, zuzüglich der Auslagen für die mitwirkenden Patentanwälte, zulasten der Klägerin.» 3. Mit Eingabe vom 2. Februar 2017 erstattete die Klägerin die beschränkte Replik betreffend Rechtsbeständigkeit ohne die Rechtsbegehren zu ändern. 4. Am 30. Mai 2017 fand eine Instruktionsverhandlung statt, anlässlich welcher keine gütliche Einigung gefunden werden konnte. Seite 5 O2016_012 5. Mit Eingabe vom 21. August 2017 erstattete die Klägerin die vervollständigte Replik, wobei sie folgende Änderungen an den ursprünglich gestellten Rechtsbegehren vornahm (Änderungen hervorgehoben): «1) Den Beklagten sei zu verbieten, sog. Pressfit- bzw. „Hybrid“ Gelenkpfannen“ gemäss folgender Abbildung in die Schweiz zu importieren, in der Schweiz anzubieten, zu vertreiben und zu verkaufen, die durch folgende Produktemerkmale charakterisiert sind: Die Gelenkpfanne hat einen schalenförmigen, um eine zentrale Achse rotationssymmetrischen Grundkörper, dessen Rand eine zur Achse senkrechte Grundfläche definiert; auf der Aussenseite des Grundkörpers sind über den Umfang gleichmässig verteilt sechs aus der Aussenseite herausstehende, schmale Einschlagstege angeordnet; die sechs Einschlagstege sind als ungekrümmte, ebene Platten ausgebildet die sechs Einschlagstege sind in Umlaufrichtung gegenüber der Grundfläche jeweils in derselben Richtung gekippt angeordnet, derart, dass sie jeweils mit der Grundfläche einen Winkel von 83° - 86.5° einschliessen. 2. Eventualiter sei den Beklagten zu verbieten, klagepatentgemässe Gelenkpfannen gemäss Rechtsbegehren 1 mit mindestens zwei Einschlagstegen anzubieten, zu verkaufen oder sonst wie in Verkehr zu setzen, die einen Steigungswinkel von 84° bis 85° aufweisen, gemessen zwischen der Grundfläche der Gelenkpfanne und der mittig durch den Einschlagsteg verlaufenden Bezugsebene, die die Grundfläche (und die Pfanne) schneidet. [Ziff. 3 bis 7 unverändert] Seite 6 O2016_012 8) Die Beklagte 1 sei zu verpflichten, der Klägerin innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Teilurteils nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung detailliert Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen bezüglich der mit den klagepatentgemässen Gelenkpfannen mitverkauften Inserts, namentlich - der Herstellungskosten der lnserts; - der Transferkosten (Verkaufspreis) der Inserts an die Beklagte 2; - die Netto-Verkaufserlöse und Brutto-Gewinne (Verkaufserlös abzüglich Einstandspreis), die sie mit den lnserts erzielt hat. Wobei die erzielten Netto-Verkaufserlöse und Brutto-Gewinne separat nach Geschäftsjahr auszuweisen sind, und zwar gestützt auf die jeweilige Finanz und Betriebsbuchhaltung der Beklagten. 9) Das Begehren 8 sei zu Lasten der Beklagten 1 mit der Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1000 pro Tag gem. Art. 343 Abs. 1 lit. c ZPO, mindestens aber CHF 5000 gem. Art. 343 Abs. 1 lit. b ZPO sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall zu verbinden. 10) Die Beklagte 2 sei zu verpflichten, der Klägerin innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Teilurteils nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung detailliert Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen bezüglich der mit den klagepatentgemässen Gelenkpfannen mitgelieferten lnserts, namentlich - der Einkaufskosten der lnserts von der Beklagten 1 - die Netto-Verkaufserlöse und Brutto-Gewinne (Verkaufserlös abzüglich Einstands-/ Einkaufspreis), die sie mit den genannten lnserts erzielt hat. Wobei die erzielten Netto-Verkaufserlöse und Brutto-Gewinne separat nach Geschäftsjahr auszuweisen sind, und zwar gestützt auf die jeweilige Finanz und Betriebsbuchhaltung der Beklagten 2. 11) Das Begehren 9 sei zu Lasten der Beklagten 2 mit der Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1000 pro Tag gem. Art. 343 Abs. 1 lit. c ZPO, mindestens aber CHF 5000 gem. Art. 343 Abs. 1 lit. b ZPO sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall zu verbinden.» Seite 7 O2016_012 6. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2017 erstatteten die Beklagten die Duplik, ohne dabei die Rechtsbegehren zu ändern. 7. Am 27. November 2017 nahm die Klägerin Stellung zur Duplik. Am 13. Dezember 2017 erfolgte eine Stellungnahme der Beklagten. Am 22. Dezember 2017 erfolgte eine weitere Stellungnahme der Klägerin. 8. Am 22. Juni 2018 erstattete Richter Tobias Bremi ein Fachrichtervotum. 9. In der Folge wurden die Parteien auf den 3. Oktober 2018 zur Hauptverhandlung vorgeladen. 10. Am 23. Juli 2018 teilte die Klägerin mit, dass sie den Schweizer Teil des Klagepatents EP 1 411 869 B1 beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) durch Teilverzicht eingeschränkt habe (vgl. CH/EP 1 411 869 H1). 11. In der Folge stellten die Beklagten am 8. August 2018 die folgenden prozessualen Anträge: «1) Die auf den 27. August angesetzte Frist zur Stellungnahme zum Fachrichtervotum ist abzunehmen. 2) Nach Einreichen des hinsichtlich des Anspruchswortlauts geänderten Schweizer Teils des EP 1 411 869 durch die Klägerin ist das Verfahren einstweilen auf die Frage zu beschränken, ob die Einführung dieses geänderten Patents in das hängige Verfahren zulässig ist. 3) Eventualiter zu Antrag 2 ist die Klägerin aufzufordern, sich nach Einreichen des hinsichtlich des Anspruchswortlauts geänderten Schweizer Teils des EP 1 411 869 zur Verletzung dieses Patents zu äussern, und anschliessend ist den Beklagten eine Frist von sechs Wochen zur Stellungnahme anzusetzen. 4) Die auf den 3. Oktober 2018 angesetzte Hauptverhandlung ist abzusagen.» Seite 8 O2016_012 12. In der Folge wurde den Parteien mit Schreiben vom 22. August 2018 die Frist zur Stellungnahme zum Fachrichtervotum abgenommen und es wurde den Beklagten Frist gesetzt, um zur geänderten Fassung des Klagepatents Stellung zu nehmen. 13. Mit Eingabe vom 23. August 2018 stellte die Klägerin ihrerseits die folgenden prozessualen Anträge: «1. Den Parteien sei die abgenommene Frist zur Stellungnahme zum Fachrichtervotum ohne Verzug neu anzusetzen. 2. Das vorliegende Fachrichtervotum sei prozessual unverändert als "erster (und vorläufiger) Beitrag eines Richters zur Urteilsfindung" (Brändle) zu qualifizieren und zu behandeln. 3. Der Termin für die Hauptverhandlung vom 3. Oktober 2018 sei unverändert zu belassen und den Parteien sei (selbstverständlich) anlässlich der Hauptverhandlung Gelegenheit zu geben, noch einmal mündlich zu den Stellungnahmen der Parteien zum Fachrichtervotum und zum Novum und seinen Auswirkungen auf das Verfahren zu plädieren.» 14. Am 13. September 2018 reichten die Beklagten ihre Stellungnahme zur geänderten Fassung des Klagepatents ein und stellten folgende Anträge: «1. Das Patent CH/EP 1 411 869 H1 ist nicht zu berücksichtigen. 2. Das Verfahren ist wegen Gegenstandslosigkeit abzuschreiben. 3. Eventualiter zu Ziffer 1 und 2 ist die Klage abzuweisen. 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin.» 15. Diese Eingabe wurde der Klägerin am 18. September 2018 zur Stellungnahme zugestellt. Gleichzeitig wurde die Hauptverhandlung vom 3. Oktober 2018 abgesagt. 16. Am 3. Oktober 2018 erfolgte die Stellungnahme der Klägerin, wobei sie die folgenden Anträge stellte: Seite 9 O2016_012 «1) Es sei gestützt auf die Stellungnahmen der Parteien und die einschlägige Lehre und Rechtsprechung ein prozessleitender Entscheid zur Frage der Zulässigkeit des Novums (betreffend Teilverzicht) zu erlassen. 2) Es sei für den Fall, dass der gegenüber dem IGE erklärte Teilverzicht der Klägerin vom Bundespatentgericht nicht berücksichtigt werden sollte, die einredeweise von den Beklagten im Zuge ihrer Duplik geltend gemachte (angebliche) unzulässige Änderung als inter partes unwirksam ausser Acht zu lassen und es sei der Anspruchswortlaut von Anspruch 1 des Klagepatents ohne das Wort „mindestens“ zu lesen. 3) Es sei von einem erneuten Fachrichtervotum abzusehen; eventualiter sei das bestehende Fachrichtervotum vom 22. Juni 2018 im Ermessen des Gerichts zu ergänzen. 4) Es sei den Parteien gleichzeitig mit der prozessleitenden Verfügung neu Frist anzusetzen, um zum gegebenenfalls ergänzten Fachrichtervotum Stellung zu nehmen, und zwar – abhängig vom prozessleitenden Entscheid – mit oder ohne Berücksichtigung des Novums. 5) Es sei nach Ermessen des Gerichts den Beklagten eine von dieser gewünschte angemessene zusätzliche (Nach-)Frist anzusetzen, um unter Berücksichtigung des Novums noch einmal zur Frage der Verletzung und Rechtsbeständigkeit Stellung nehmen zu können – selbstverständlich unverändert unter Beachtung der einschlägigen novenrechtlichen Grundsätze. 6) Es sei gleichzeitig mit der zusätzlichen (Nach-)Frist an die Beklagten ein neuer Termin zur Hauptverhandlung zu suchen und den Parteien anzusetzen.» 17. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2018 wurde den Beklagten eine Frist angesetzt, um zur geänderten Fassung des Klagepatents ergänzend Stellung zu nehmen, dass anschliessend ein ergänzendes Fachrichtervotum erfolge und dass das Gericht mit dem Endentscheid über die Zulässigkeit des Teilverzichts entscheiden werde. 18. Am 16. November 2018 erfolgte eine ergänzende Stellungnahme der Klägerin zur geänderten Fassung des Klagepatents. 19. Am 22. November 2018 erstattete Richter Tobias Bremi aufgrund der geänderten Fassung des Klagepatents ein ergänzendes Fachrichtervotum. Seite 10 O2016_012 20. Am 7. Januar 2019 reichte die Klägerin ihre Stellungnahme zu den beiden Fachrichtervoten sowie zur Eingabe der Beklagten ein. Am 21. Januar 2019 reichten die Beklagten ihre Stellungnahme zu den Fachrichtervoten ein. 21. Mit Eingabe vom 30. Januar 2019 stellte die Klägerin die folgenden Anträge: «1) Die von den Beklagten neu ins Recht gelegten Beilagen 26-33 sowie 2) die folgenden Ausführungen der Beklagten seien als unzulässige Vorbringen im Sinne von Art. 132 ZPO, jedenfalls aber als unzulässige Noven im Sinne von Art. 229 ZPO aus dem Recht zu weisen: Titel Text 1.2 Notwendige Genauigkeit der Blickrichtung 1.3 Fehlende Überprüfung der korrekten Blickrichtung durch die Klägerin 1.4 Nachträgliche Überprüfung der Blickrichtung anhand der klägerischen Abbildung 1.5 Abschätzung des Fehlers der Blickrichtung 1.6 Notwendige Korrektur des Steigungswinkels 1.7 Berechnung des korrekten Steigungswinkels aufgrund der Fräserkoordinaten 1.8 Berechnung des korrekten Steigungswinkels aufgrund der Fräserkoordinaten mittels Excel 1.9 Berechnung des korrekten Steigungswinkels aufgrund der Abbildungen der Klägerin 3.1.1 Sichtbarkeit des ändernden Steigungswinkels» 22. In der Folge wurden die Parteien auf den 29. Mai 2019 zur Hauptverhandlung vorgeladen mit dem Hinweis, dass die Beklagten anlässlich der Hauptverhandlung Gelegenheit hätten, um zur Eingabe der Klägerin vom 30. Januar 2019 Stellung zu nehmen. Seite 11 O2016_012 23. Mit Eingabe vom 7. Februar 2019 beantragte die Klägerin, das Gericht solle noch vor der Hauptverhandlung mit prozessleitendem Entscheid über ihre gestellten Anträge entscheiden. 24. Am 29. Mai 2019 fand die Hauptverhandlung statt. Prozessuales 25. Die Klägerin, eine schweizerische Aktiengesellschaft, hat ihren Sitz in der Schweiz. Die Beklagte 1 ist Herstellerin der streitigen Produkte und hat ihren Sitz in Österreich. Die Beklagte 2 ist die Schweizer Vertriebsgesellschaft und hat ihren Sitz ebenfalls in der Schweiz. Damit liegt ein internationaler Sachverhalt vor. Gestützt auf Art. 1 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 LugÜ und Art. 26 Abs. 1 lit. a PatGG ist die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts gegeben. Gemäss Art. 110 Abs. 1 IPRG ist schweizerisches Recht anwendbar. 26. Wie oben erwähnt, hat die Klägerin den Schweizer Anteil des Klagepatents EP 1 411 869 B1 beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) durch Teilverzicht eingeschränkt (vgl. CH/EP 1 411 869 H1). Die Rechtsbegehren liess die Klägerin unverändert und sie stellte auch keine neuen Tatsachenbehauptungen auf. 27. Was den Teilverzicht beim IGE durch die Klägerin betrifft, der zum geänderten Patent CH/EP 1 411 869 H1 geführt hat, so machen die Beklagten geltend, es habe alleine in der Macht der Klägerin gestanden, ob und zu welchem Zeitpunkt sie beim IGE einen Teilverzicht beantrage und damit neue Tatsachen schaffe. Tatsachen, deren Entstehung wesentlich vom Willen einer Partei abhingen und welche diese Partei erst in einem Zeitpunkt entstehen lasse, nachdem Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr unbeschränkt vorgebracht werden dürften, seien als unechte Noven zu qualifizieren. Mit der Einschränkung des Klagepatents bis nach Abschluss des Schriftenwechsels und bis nach Vorliegen des Fachrichtervotums zuzuwarten, obschon die Beklagten in der Duplik ausdrücklich darauf hingewiesen hätten, dass das Klagepatent die Anforderungen von Art. 123(2) EPÜ bzw. Art. 26 Abs. 1 lit. c PatG nicht erfülle, verstosse gegen Treu und Glauben und verdiene keinen Rechtsschutz. Auf die Klage Seite 12 O2016_012 sei daher nicht einzutreten oder die Klage infolge Gegenstandslosigkeit abzuschreiben, weil das Klagepatent verspätet geändert bzw. das neue Patent CH/EP 1 411 869 H1 verspätet eingereicht worden sei und das Klagepatent in der ursprünglichen Form nicht mehr bestehe. Weiter machen die Beklagten geltend, der Teilverzicht sei nicht ohne Verzug geltend gemacht worden. Obschon die Klägerin behaupte, die Beklagten hätten die unzulässige Änderung erst mit ihrer Duplik vorgetragen, habe sich die Klägerin nach Erhalt der Duplik vom 23. Oktober 2017 rund neun Monate Zeit gelassen, um ihren Antrag auf Änderung des Klagepatents beim IGE zu stellen. Die Beklagten machen ferner geltend, sie hätten sich nicht vollumfänglich gegen das neue Patent verteidigen können. Sie hätten eine einzige Möglichkeit gehabt, sich zum neuen Patent zu äussern. Sie hätten keinen zweiten Schriftenwechsel gehabt. 28. Nach Art. 24 PatG kann der Patentinhaber mittels entsprechendem Antrag beim IGE auf das Patent teilweise verzichten. Nach Art. 28a hat der Teilverzicht Wirkung ex tunc, d.h. die Wirkung gilt in dem Umfang, in dem verzichtet wurde, als von Anfang an nicht eingetreten. Die vormals im Rahmen von Art. 24 Abs. 1 lit. c vorgesehene zeitliche Beschränkung eines Teilverzichts auf ein Mal innerhalb von 4 Jahren nach der Erteilung wurde per 13. Dezember 2007 ausdrücklich abgeschafft.1 Schranken gibt es gem. Art. 127 nur im Fall von Schweizer Teilen von Europäischen Patenten bei parallel laufenden Verfahren vor dem EPA wegen der damit verbundenen Unsicherheit über die für die Schweiz verbindliche Fassung.2 Die Klägerin machte von dieser Möglichkeit, die ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, Gebrauch, indem sie einen Teilverzicht im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a und c PatG beim IGE am 12. Juli 2018 beantragte. Am 15. August 2018 wurde die Verzichtserklärung publiziert und damit wirksam. Gemäss Art. 28a PatG wirkt der Teilverzicht ex tunc, das heisst, das Patent wird so behandelt, wie wenn es von Anfang an im eingeschränkten Umfang erteilt worden wäre. Damit handelt es sich um eine neue Tatsache im Sinne von Art. 229 Abs. 1 lit. a ZPO (echtes Novum), denn das Patent in der eingeschränkten Fassung ist erst nach Abschluss des 1 2 Vgl. SHK Patentgesetz, Schweizer/Zech, Blumer Art. 24 N 4. Vgl. SHK Patentgesetz, Schweizer/Zech, Bremi Art. 127 N 4. Seite 13 O2016_012 Schriftenwechsels entstanden. Dies in rückwirkender Weise, d.h. es ändert sich dadurch die Beurteilungsgrundlage für den im Schriftenwechsel vorgetragenen Sachverhalt. Dass die Klägerin die Verzichtserklärung schon vor Aktenschluss beim IGE hätte einreichen können bzw. dass der Teilverzicht eine von der Klägerin selbst geschaffene neue Tatsache darstellt, ändert nichts daran, dass es sich beim Patent in der eingeschränkten Fassung um ein echtes Novum handelt.3 Art. 229 Abs. 1 lit. a ZPO regelt nicht, wie oder von wem eine neue Tatsache entstanden oder geschaffen worden sein muss, damit sie als neue Tatsache i.S.v. Art. 229 Abs. 1 lit. a ZPO qualifiziert. Die Entstehung einer Tatsache nach dem Abschluss des Schriftenwechsels ist die einzig notwendige und damit hinreichende Bedingung, damit ein echtes Novum vorliegt.4 Zweifellos ist mit dem Teilverzicht tatsächlich ein neuer Sachverhalt entstanden, der vorher nicht existierte: Das Klagepatent in der ursprünglichen Fassung existiert nicht mehr, neu dafür entstanden ist das Klagepatent in geänderter bzw. eingeschränkter Fassung. Deshalb ist das Verfahren auch nicht gegenstandslos geworden, wie die Beklagten geltend machen; dies wäre nur der Fall, wenn gar kein Klagepatent mehr existieren würde. Dass ein Teilverzicht gemäss Art. 24 PatG ein echtes Novum darstellt, und im Verfahren vor dem Bundespatentgericht umfassend berücksichtigt werden muss, hat das Bundesgericht im Übrigen sinngemäss bestätigt, indem es festhielt, dass echte Noven im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht unzulässig seien, es der Beschwerdeführerin jedoch unbenommen gewesen sei, die zweite Beschränkung (gemäss Art. 105a EPÜ entsprechend Art. 24 PatG) während des Verfahrens vor dem Bundespatentgericht zu beantragen und diesen Umstand in das vorinstanzliche Verfahren einzubringen.5 Die Möglichkeiten des Teilverzichts oder von dessen prozessualer Berücksichtigung im Verfahren vor dem Bundespatentgericht dürfen vor allem auch angesichts der Tatsache, dass es nur eine einzige Vorinstanz zum Bundesgericht gibt, und die Möglichkeit des Teilverzichts dann vor Bundesgericht als einziger Rechtsmittelinstanz nicht mehr gegeben ist, nicht eingeschränkt werden. Vgl. dazu auch ganz analog BGer 4A_439/2014, Urteil vom 16. Februar 2015, E. 5.1-5.3; nicht einschlägig für die hier zu beurteilende Situation vor der einzigen und ersten Instanz sind die von der Beklagten zitierten Entscheide BGer 4A_432/2013, Urteil vom 14. Januar 2014, E 2.3 sowie BGer 4A_569/2013, Urteil vom 24. März 2014, E. 2.3, da dort neue Tatsachen nach dem erstinstanzlichen Urteil im Beschwerdeverfahren zu beurteilen waren. 4 Droese Lorenz, Note zu BGer 4A_439/2014, SZZP 3/2015, S. 236. 5 BGer 4A_541/2013, Urteil vom 2. Juni 2014, E. 2.4. 3 Seite 14 O2016_012 Auch der Botschaft zur ZPO ist zu entnehmen, dass anlässlich der ersten Parteivorträge an der Hauptverhandlung, d.h. im Rahmen des Behauptungsstadiums, echte Noven weiterhin vorgebracht werden dürfen. Die Weiterentwicklungen des Lebenssachverhalts, welcher der Klage zugrunde liegt, müssen berücksichtigt werden können, sonst führt der Prozess an der materiellen Wahrheit vorbei.6 Die Berücksichtigung des Teilverzichts ist zudem aus prozessökonomischen Gründen geboten: Würde die Klage wegen Gegenstandslosigkeit abgeschrieben oder nicht darauf eingetreten, müsste die Klägerin eine neue Klage einreichen und das Bundespatentgericht hätte kurze Zeit später über den gleichen Sachverhalt zu urteilen, wie er jetzt vorliegt. Würde eingetreten, der Teilverzicht als Novum aber nicht zugelassen, müsste das Bundespatentgericht ein Urteil fällen, welchem das Klagepatent vor dem Teilverzicht zu Grunde liegt. Das Urteil wäre aber dann Makulatur, denn es beurteilt die Rechtslage auf Basis eines Patents, das es in der Form gar nicht mehr gibt. Weil zudem der Teilverzicht im Gegensatz zur Stellung von Eventualanträgen das Verfahren für die Patentinhaberin verbindlich und rückwirkend auf eine Fassung der Ansprüche festlegt, wird das Verfahren in der Regel dadurch für das Gericht und die Gegenpartei fokussiert und vereinfacht. Von ganz wesentlicher Bedeutung ist vorliegend, dass der Berücksichtigung des Teilverzichts auch der Behauptungs- und Sachverhaltsstand, den die Parteien im Rahmen des ordentlichen Schriftenwechsels aufgestellt hatten, und die von der Klägerin im Schriftenwechsel gestellten Rechtsbegehren nicht entgegenstehen. Die Fassung des Klagepatents nach Teilverzicht beschränkt sich auf eine Präzisierung, die sich ohne Ergänzungsbedarf7 in den bereits davor etablierten Prozessgegenstand einfügt. Die Parteirechte der Beklagten auf der anderen Seite wurden durch die uneingeschränkte vorliegend sogar doppelte Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme zur Fassung nach dem Teilverzicht umfassend gewahrt. Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von demjenigen, der dem von den Beklagten zitierten Urteil des Bundesgerichts8 zuBotschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, S. 7340 f. 7 Ergänzungsbedarf im Sinne einer Klageänderung oder neuen Behauptungen s. dazu Reut Christoph, RZ 83; OGer BE ZK 2012 366 vom 13. März 2014, E. 7.3.1. 8 BGer 4A_543/2017, Urteil vom 8. Mai 2018, E. 2.3; BPatGer O2015_012, Urteil vom 29. August 2017, E. 2.3; analog kein echtes Novum in BGer 4A_70/2019, 6 Seite 15 O2016_012 grunde lag. Dort handelte es sich eben gerade nicht um ein ohne Verzug vorgetragenes echtes Novum im Sinne von Art. 229 Abs. 1 lit. a ZPO, sondern um einen erst anlässlich einer Hauptverhandlung gestellten Antrag inter partes, zu dem die Gegenseite nicht vernünftigerweise vor Ort hätte Stellung nehmen können. Nachdem der Teilverzicht, wie erwähnt, von der Klägerin am 12. Juli 2018 eingereicht wurde und der Patentanwalt der Klägerin vom IGE am 19. Juli 2018 die geprüfte und akzeptierte Teilverzichtserklärung zur Gegenzeichnung erhielt, erfolgte entsprechende Mitteilung der Klägerin ans Bundespatentgericht am 23. Juli 2018. Damit erfolgte die Mitteilung ohne Verzug im Sinn von Art. 229 Abs. 1 ZPO. 29. Zu prüfen ist, ob das Verhalten der Klägerin, d.h. der erst nach Abschluss des Schriftenwechsels bzw. nach Vorliegen des Fachrichtervotums erfolgte Teilverzicht, als Verstoss gegen Treu und Glauben zu werten ist, wie dies die Beklagten geltend machen. Konkret fragt sich, ob eine von der Klägerin nach Aktenschluss selbst geschaffene neue Tatsache einen Missbrauch des Novenrechts darstellt. Nach Art. 2 ZGB hat jedermann in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln (Abs. 1). Der offenbare Missbrauch eines Rechts findet keinen Rechtsschutz (Abs. 2). Art. 2 Abs. 2 ZGB dient als korrigierender Notbehelf für Fälle, in denen formales Recht zu materiell krassem Unrecht führen würde. Dabei ist zu beachten, dass Rechtsmissbrauch nur mit Zurückhaltung und in klaren Fällen anzunehmen ist.9 Das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben und das Verbot des Rechtsmissbrauchs gilt auch im Prozessrecht (Art. 52 ZPO). Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass sie im Rahmen des Teilverzichts das Wort «mindestens» aus dem Anspruch gestrichen habe, um einer nach Auffassung des Fachrichters vom 22. Juni 2018 unterlaufenen unzuUrteil vom 6. August 2019, dort Einschränkung der Ansprüche als Antrag inter partes in der auf die Frage der Verletzung beschränkten Replik und nicht als Teilverzicht, sowie in BGer 4A_282/2018, Urteil vom 4. Oktober 2018, E. 5.2; O2015_008, Urteil vom 14. März 2018, E. 23, dort Einschränkung ebenfalls als Eventualantrag nach dem Fachrichtervotum. 9 BGE 139 III 24 E. 3.3; BGer 4A_208/2017, Urteil vom 20. Januar 2017; vgl. auch Moret Sébastien, Aktenschluss und Novenrecht nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2014, RZ 485. Seite 16 O2016_012 lässigen Änderung zu entgehen. Es kann daher nicht angenommen werden, die Klägerin habe den Teilverzicht lediglich zur Verzögerung des Prozesses vorgenommen, sondern zur Vermeidung des Risikos, dass ihre Klage wegen fehlender Rechtsbeständigkeit des Klagepatents abgewiesen werden könnte. Dass die Klägerin dafür die Einschätzung des Fachrichters abwartete, ist nicht als rechtsmissbräuchlich zu werten, da das Instrument des Teilverzichts gemäss Art. 24 PatG vom Gesetzgeber ausdrücklich und ohne Schranken vorgesehen wurde, und für Schweizer Teile von Europäischen Patenten zudem Art. 138 Abs. 3 EPÜ ausdrücklich vorschreibt, dass Ansprüche im laufenden Zivilverfahren geändert werden können müssen. Der Umstand, dass die neue Tatsache von der Klägerin selbst und zudem nach Vorliegen des ersten Fachrichtervotums geschaffen wurde und damit zu einem gewissen Zusatzaufwand führte, kann aber bei der Kostenverteilung berücksichtigt werden. 30. Schliesslich ist noch auf die Bemerkung der Beklagten einzugehen, wonach es im Interesse des Patentgerichtes sei, zu sagen, wann fertig sei. Sonst könne der Patentinhaber ja beliebig oft zuerst sich vom Fachrichter eine Beurteilung holen und dann wieder einschränken, und dann nochmals eine Beurteilung und dann nochmals einschränken. Irgendwann müsse mal Schluss sein, das sei Sinn und Zweck von Fristen und der Novenregelung. Die Klägerin hätte ihr Patent in Form von Eventualanträgen mit der Klage einschränken können. Dem ist zu entgegnen, dass mit der vorläufigen Beurteilung des Fachrichters im Fachrichtervotum das Urteil keinesfalls vorweggenommen wird. Ob der Rest des Spruchkörpers dessen Beurteilung folgt, ist ungewiss. Insofern wird der Fall, dass nach jeder Beurteilung erneut eine Einschränkung erfolgt bzw. dass nie Schluss sein soll in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Mit einem Teilverzicht nach Art. 24 PatG geht der Patentinhaber ja auch ein gewisses Risiko ein, weil er seine Optionen verbindlich und unwiderruflich auf eine einzige Anspruchsfassung reduziert ohne zu wissen, wie der ganze Spruchkörper die Sache beurteilt. Ob nach jedem Teilverzicht ein ergänzendes Fachrichtervotum erforderlich und sachdienlich ist, ist zudem vom Gericht im konkreten Einzelfall zu prüfen. Seite 17 O2016_012 Materielles Fachmann: 31. Die Klägerin definiert den Fachmann wie folgt: Chirurg mit Erfahrung auf dem Gebiet von Hüftgelenkimplantaten – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit einem Hersteller von Medizinaltechnikprodukten auf diesem Gebiet. Die Beklagten auf der anderen Seite definieren den Fachmann wie folgt: Medizinaltechniker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Knochenimplantate. Die Klägerin bleibt bei ihrer Definition mit der Begründung, es handle sich bei den zu lösenden Problemen hauptsächlich um die feste Verankerung der Gelenkpfanne im Knochen eines Patienten und die Art des Einsetzens. Der Operation vorgelagerte mechanische Probleme spielten nur eine nebensächliche Rolle. Deshalb sei der zuständige Fachmann nach wie vor im Bereich der Chirurgen zu suchen, was auch durch die Tatsache bestätigt werde, dass es sich bei einem der beiden Erfinder, Herrn Hannes Hofer, um einen Chirurgen handle. Es sei durchwegs üblich, dass Chirurgen mit Implantat-Entwicklern zusammenarbeiteten. 32. Tatsächlich werden bekanntlich derartige Implantat-Produkte, die von einem Chirurgen eingesetzt werden, sehr häufig in einer Zusammenarbeit zwischen den Chirurgen und den Medizinaltechnikern eines kommerziellen Unternehmens entwickelt. Da der Fachmann nicht ein Hersteller von Medizinaltechnikprodukten auf einem Gebiet sein kann, sondern nur ein Medizinaltechniker eines derartigen Unternehmens, wird in der Folge von einer leicht modifizierten Definition des Fachmanns wie vorgeschlagen von der Klägerin ausgegangen, oder besser einem quasi hybriden Fachmann aus den beiden Definitionen der beiden Parteien. Namentlich handelt es sich beim hier relevanten Fachmann um einen Chirurgen mit Erfahrung auf dem Gebiet von Hüftgelenkimplantaten in Zusammenarbeit mit einem Medizinaltechniker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Knochenimplantate. Seite 18 O2016_012 Auslegung: 33. Betreffend Grundsätze der Auslegung sei verwiesen auf die Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und des Bundesgerichts, insbesondere wie kürzlich zusammengefasst in der Entscheidung O2016 vom 18. Dezember 2018, E25. 34. Zu beurteilen sind vorliegend die beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 der beschränkten Fassung gemäss CH/EP 1 411 869 H1. In der Folge werden die Merkmale folgendermassen bezeichnet (Änderungen zur ursprünglich erteilten Fassung sind hervorgehoben): Anspruch 1: M1 Gelenkprothese mit einem Grundkörper zum Einschlagen in einen Knochen, dadurch gekennzeichnet, dass M2 auf der Aussenseite des Grundkörpers mindestens zwei Verriegelungselemente angeordnet sind, M2a. welche jeweils mindestens einen Einschlagsteg (21) umfassen, M2b. welcher mit gleichbleibender Steigung einen linearen Verlauf aufweist und vom distalen Steganfang bis zum proximalen Stegende mindestens eine Steigung von 85° bis 60° bezogen auf die Grundfläche definiert, was einem Drallwinkel von 5° bis 30° entspricht. Anspruch 2: M1 Pfanne (1) für ein künstliches Hüftgelenk M2 mit einem Grundkörper oder einer Schale (10), M3 der eine zur Pfannenachse (AP) im wesentlichen rotationssymmetrische, insbesondere sphärische, ellipsoide oder konische Mantelfläche (11) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass M4 auf der Aussenseite des Grundkörpers (10) mindestens zwei Verriegelungselemente (20) angeordnet sind, M4a welche jeweils einen Einschlagsteg (21) umfassen, Seite 19 O2016_012 M4b welcher mit gleichbleibender Steigung einen linearen Verlauf aufweist und vom distalen Steganfang bis zum proximalen Stegende mindestens eine Steigung von 85° bis 60° bezogen auf die Grundfläche (GP) definiert, was einem Drallwinkel von 5° bis 30° entspricht. 35. Es scheinen folgende Begriffe auslegungsbedürftig zu sein: (1) Im Anspruch wird jeweils definiert, dass es mindestens zwei Verriegelungselemente gibt (Merkmal M2 von Anspruch 1, respektive Merkmal M4 von Anspruch 2) und die Verriegelungselemente jeweils (mindestens) einen Einschlagsteg umfassen (Merkmal M2a respektive M4a). Die Einschlagstege werden dann hinsichtlich Orientierung in den Merkmalen M2b respektive M4b weiter charakterisiert. Die Beklagten verstehen den Anspruch so, dass sämtliche Einschlagstege die in den Merkmalen M2b respektive M4b angegebene Bedingung erfüllen müssen, d.h. die dort definierte Orientierung aufweisen müssen. Diese Auslegung ist nicht korrekt. Die Anspruchsformulierung schliesst nicht aus, dass es auch noch Verriegelungselemente geben kann, die die Merkmale M2b respektive M4b nicht erfüllen, beispielsweise eine grössere Steigung aufweisen. Um anspruchsgemäss zu sein, muss es wenigstens zwei Verriegelungselemente geben, welche jeweils einen linearen Einschlagsteg mit dem geforderten Winkel umfassen, was am Ende bedeutet, dass es mindestens zwei Einschlagstege geben muss, welche die Bedingungen der Merkmale M2b respektive M4b erfüllen. 36. (2) Zudem ist auszulegen, was unter einem Verriegelungselement zu verstehen ist, welches einen Einschlagsteg umfasst. Der Einschlagsteg muss gemäss Anspruch jeweils unter einem Steigungswinkel respektive einem Drallwinkel angeordnet sein. Damit diese Steigung überhaupt bezogen auf die Grundfläche sinnvoll definiert sein kann, muss der Einschlagsteg jeweils eine ebene Fläche bilden, die von der Aussenseite des Grundkörpers absteht (vgl. auch die Figuren 3 und 4 sowie [0025]). Die Verriegelungselemente werden in [0017] als Erläuterung als Elemente beschrieben, welche beim Einschlagen des Implantats in den Knochen einschneiden und die Pfannenschale verdrehen. Seite 20 O2016_012 Damit ist unter einem Verriegelungselement umfassend einen Einschlagsteg eine lineare kammartige Erhebung zu verstehen, die über eine bestimmungsgemäss genügende Höhe über die kalottenförmige Oberfläche hervorsteht und die eine Ebene definiert. Weiter muss der jeweilige Einschlagsteg und auch die Gesamtheit der vorhandenen Einschlagstege so ausgebildet sein, dass effektiv eine Verdrehung und damit Verriegelung stattfindet. Dies ist beispielsweise nicht gewährleistet, wenn auf der Oberfläche zwar kammartige Erhebungen vorhanden sind, diese aber derart gegenläufig angeordnet sind, dass sie keine Verdrehung der Pfanne beim Einschlagen bewirken und somit eben auch nicht als Verriegelungselemente bezeichnet werden können. Zudem ist Bezug nehmend auf die Ausführungen der Beklagten ergänzend hinzuzufügen, dass im Lichte der allgemeinen Beschreibung in [0016] und der dort beschriebenen Wirkungen sowie im Lichte der Erläuterungen in [0030] und [0031] im Klagepatent der Begriff bei Berücksichtigung der erfindungsgemässen Funktion (purposive construction) nur so ausgelegt werden kann, dass die Einschlagstege we-nigstens teilweise im distalen Mantelbereich der Pfannenschale angeord-net sein müssen. 37. (3) Weiterhin auslegungsbedürftig ist die Begrifflichkeit der Merkmale M2b respektive M4b. Genau lautet das auszulegende Teil-Merkmal: "[Einschlagsteg], welcher mit gleichbleibender Steigung einen linearen Verlauf aufweist und vom distalen Steganfang bis zum proximalen Stegende eine Steigung von 85° bis 60° bezogen auf die Grundfläche definiert" (M2b resp. M4b). Aus dem Wortlaut allein heraus und im Gesamtkontext der anderen Merkmale der Ansprüche 1 und 2 versteht der Fachmann dieses Merkmal so, dass der Einschlagsteg über seine gesamte Länge eine konstante Steigung und einen linearen Verlauf aufweist (mithin entlang einer Geraden verläuft, d.h. geradlinig ausgebildet ist). Das wird im zweiten Teil des Merkmals quantifiziert, indem die Steigung vom distalen Steganfang zum proximalen Stegende, d.h. über die gesamte Länge des Einschlagstegs, eine Steigung von 85° bis 60° bezogen auf die Grundfläche aufweist. Mithin fallen bei dieser Definition infolge der geradlinigen Ausführung des Einschlagstegs die globale Steigung und die lokale Steigung zusammen, ein solcher linearer Steg hat eine einzige konstante Steigung. Seite 21 O2016_012 Diese Auslegung deckt sich beim Blick des Fachmanns in die Beschreibung mit dem beschriebenen Gegenstand. In Figur 3 (vgl. [0025]) wird in einer Aufsicht ein gekrümmter Einschlagsteg dargestellt, und in Figur 4 ein geradliniger Steg in einer Seitenansicht. Der gekrümmte Einschlagsteg aus Figur 3 ist in Figur 4 mit einer gestrichelten Linie ebenfalls dargestellt. Zudem wird in [0025] ausgeführt, dass beide Stege eine (globale) Steigung von 75° bezogen auf die Grundfläche aufweisen. Mithin versteht der Fachmann beim Blick in die Beschreibung diese Merkmale ebenfalls so, dass der Einschlagsteg über seine gesamte Länge eine konstante Steigung und einen linearen Verlauf aufweist, wobei diese Steigung bezogen auf die Grundfläche im Bereich von 85°-60° liegen muss. Rechtsbeständigkeit: Zulässigkeit der Änderungen im Prüfungsverfahren respektive im Teilverzicht (Art. 123 (2) EPÜ, Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG): 38. Den Verstoss gegen Art. 123 (2) EPÜ machen die Beklagten in Bezug auf die Fassung nach dem Teilverzicht als Nichtigkeitsgrund im Rahmen der Eingabe vom 13. September 2018 unverzüglich geltend. Die Ansprüche 1 und 2 lassen sich mit hervorgehobenen Änderungen bezüglich der ursprünglich eingereichten Fassung wie folgt darstellen: Anspruch 1: M1 Gelenkprothese mit einem Grundkörper zum Einschlagen in einen Knochen, dadurch gekennzeichnet, dass M2 auf der Aussenseite des Grundkörpers mindestens zwei Verriegelungselemente angeordnet sind, M2a. welche jeweils mindestens einen Einschlagsteg (21) umfassen, M2b. welcher mit gleichbleibender Steigung einen linearen Verlauf aufweist und vom distalen Steganfang bis zum proximalen Stegende eine Steigung von 85° bis 60° bezogen auf die Grundfläche definiert, was einem Drallwinkel von 5° bis 30° entspricht. Anspruch 2: M1 Pfanne (1) für ein künstliches Hüftgelenk Seite 22 O2016_012 M2 mit einem Grundkörper oder einer Schale (10), M3 der eine zur Pfannenachse (AP) im wesentlichen rotationssymmetrische, insbesondere sphärische, ellipsoide oder konische Mantelfläche (11) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass M4 auf der Aussenseite des Grundkörpers (10) mindestens zwei Verriegelungselemente (20) angeordnet sind, M4a welche jeweils einen Einschlagsteg (21) umfassen, M4b welcher mit gleichbleibender Steigung einen linearen Verlauf aufweist und vom distalen Steganfang bis zum proximalen Stegende eine Steigung von 85° bis 60° bezogen auf die Grundfläche (GP) definiert, was einem Drallwinkel von 5° bis 30° entspricht. Die jeweils neu hinzugefügten Merkmale M2b respektive M4b stützen sich dabei auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 17, der wie folgt lautet: 17. Gelenkpfanne (1) nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Einschlagstege (21) vom distalen Steganfang bis zum proximalen Stegende eine Steigung von 85° bis 60°, bevorzugt 80° bis 70°, und besonders bevorzugt 75°, bezogen auf die Grundfläche (Gp) definieren, was einem Drallwinkel von 5° bis 30°, bevorzugt 10° bis 20°, und besonders bevorzugt 15° entspricht. Weiter stützen sich die neu hinzugefügten Merkmale M2b und M4b auf [0025] (vergleiche Art. 24 Abs. 1 lit. c) der veröffentlichten Patentschrift sowie auf den Absatz, der die Seiten 10 und 11 der ursprünglich eingereichten Unterlagen überbrückt. 39. In der allgemeinen Beschreibung der Erfindung auf den Seiten 5 und 6 der ursprünglich eingereichten Unterlagen gibt es keine Offenbarung zu den Merkmalen gemäss Anspruch 17 respektive den im Rahmen des Teilverzichts hinzugefügten Merkmalen einer gleich bleibenden Steigung und linearen Verlaufs [0025]. Die Merkmale von Anspruch 17 finden, genau wie das Merkmal der gleich bleibenden Steigung und des linearen Verlaufs, nur Erwähnung im Zusammenhang mit der spezifischen Beschreibung der Darstellungen in Seite 23 O2016_012 den Figuren 3 und 4, und zwar auf den Seiten 10 und 11 der ursprünglich eingereichten Unterlagen. In Figur 3 wird eine Situation dargestellt, bei welcher der Einschlagsteg gekrümmt ist, d.h. die Steigung nimmt bezogen auf die senkrecht zur Pfannenachse liegende Pannengrundfläche vom distalen zum proximalen Ende (Pol) zu: In Figur 4 wird ein linearer Steg ohne Krümmung mit gleichbleibender Steigung offenbart, strichliniert ist aber der gekrümmte Steg gemäss Figur 3 auch in Figur 4 noch einmal dargestellt: Seite 24 O2016_012 In der Beschreibung heisst es dazu (vgl. S. 10, 12. Zeile von unten): «Die Figur 4 zeigt in einer Seitenansicht einer Gelenkpfanne einen einfacher gestalteten Steg 21, der mit gleichbleibender Steigung einen linearen Verlauf nimmt. Strichliniert ist in Figur 4 die Kontur des Steges gemäss Figur 3 angedeutet, um die zunehmende Steigung des Einschlagstegs 21 aus der Figur 3 nochmals zu verdeutlichen. Vom Steganfang bis zum Ende weisen beide Stege eine Steigung von 75° bezogen auf die Grundfläche auf, was einem Drallwinkel von 15° entspricht. Die Steigung der Einschlagstege 21 kann vom distalen Steganfang bis zum proximalen Stegende zwischen 85° bis 60°, bevorzugt 80° bis 70°, und besonders bevorzugt 75°, bezogen auf die Grundfläche (GP) betragen. Der Drallwinkel beträgt entsprechend 5° bis 30°, bevorzugt 10° bis 20°, und besonders bevorzugt 15°.» Damit kann der Fachmann die Bereiche gemäss Anspruch 17 der ursprünglichen Offenbarung im Lichte der Beschreibung nur so verstehen, dass es sich um globale Steigungen handelt, sprich um den Winkel zwischen der Grundfläche und einer Geraden, die zwischen den beiden Endpunkten des Steges gedacht ist, dies in einer Seitenansicht gemäss Figur 4. Seite 25 O2016_012 40. Wie im Zusammenhang mit der Auslegung dargelegt, fallen lokale und globale Steigung bei der Fassung gemäss Teilverzicht zusammen, denn die lokale Steigung ist konstant die gleiche für den gesamten Einschlagsteg und damit gleich wie die globale Steigung. Die von der Beklagten konstruierten unterschiedlichen Bedeutungen für den Begriff der Steigung innerhalb der ursprünglich eingereichten Offenbarungsstelle mögen vielleicht vorhanden sein, sind aber am Ende im Anspruch nicht mehr relevant und für das, was in der ursprünglich eingereichten Offenbarungsstelle für den geradlinigen Steg offenbart ist, ebenfalls nicht. 41. Es ist richtig, dass in [0016] und [0017] des erteilten Patents respektive der letzte Absatz auf Seite 5 und der erste Absatz auf Seite 6 der ursprünglich erteilten Unterlagen die Verankerung gegen Zugkräfte, gegen Torsionskräfte und gegen kombinierte Zug- und Torsionskräfte als Elemente der hervorragenden Primärstabilisierung erwähnt werden. Die Möglichkeit, die Steigung der Verriegelungselemente bezogen auf die Pfannengrundfläche zunehmend zu gestalten, wird aber dort nur im Rahmen einer besonders bevorzugten Ausführungsform erwähnt und nicht als etwas, was im Gegensatz zu Erfindung steht oder nicht dazugehört. Auch bei der Beschreibung der Darstellung in Figur 4 wird zwar von einem "einfacher gestalteten Steg" gesprochen, aber nicht von einem, der nicht erfindungsgemäss sein soll. Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 schloss denn auch geradlinige Stege keineswegs aus, und gleiches gilt für den ursprünglich eingereichten Anspruch 17. Die Spezifikation des Einschlagstegs als mit gleichbleibender Steigung und mit linearem Verlauf war entsprechend von Anfang an im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung und auch im Rahmen der Erfindung. 42. Es ist auch keine Zwischenverallgemeinerung erkennbar, denn das Beispiel gemäss Figur 4 mit dem geradlinigen Steg dient nicht nur der Illustration, sondern wird vom Fachmann als eine allgemeine erfindungsgemässe Ausgestaltung erkannt. 43. Die Beklagten machen diesbezüglich folgende weitere Argumente geltend: (1) Zwischenverallgemeinerung bei Stützung auf die Darstellung in Figur 4, weil in dieser Figur nur Stege dargestellt sind, die bei der ÄquatorialSeite 26 O2016_012 ebene (Pannengrundfläche) beginnen, was in [0030]-[0031] im Zusammenhang mit Figur 3, welche Ausgangspunkt ist für Figur 4, als wichtig hervorgehoben wird (RZ 103-113); (2) unzulässige Erweiterung, weil im Anspruch nicht erwähnt wird, dass das Verriegelungselement "im distalen Bereich" angeordnet ist, soweit der Anspruch nicht so ausgelegt werden sollte, dass ein erfindungsgemässes Verriegelungselement ohnehin im distalen Bereich angeordnet sein muss (RZ 114); (3) der ursprünglich eingereichte Anspruch 17 war nicht auf den dortigen Anspruch 1 zurückbezogen, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ist nirgends die Rede von Gelenksprothesen, die nicht Pfannen für ein künstliches Hüftgelenk sind (RZ 115-116). 44. Wie oben dargelegt, wird der Begriff "Verriegelungselement" im vorliegenden Fall so ausgelegt, dass ein solches wenigstens teilweise im distalen Bereich angeordnet sein muss. Damit erübrigt sich der oben genannte Aspekt (2) der Beklagten. 45. Tatsächlich beginnen die Stege bei sämtlichen Darstellungen in den Figuren auf der Grundfläche, insbesondere bei den Figuren 3 und 4. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen wird aber in der allgemeinen Beschreibung auf Seite 5, letzter Absatz nur betont, dass die Verriegelungselemente im distalen Mantelbereich der Pfannenschale angeordnet sind. Dass die Stege auf der Grundfläche beginnen sollen, wird weder in der allgemeinen Beschreibung noch in den ursprünglich eingereichten Unterlagen hervorgehoben. Zunächst wird auf Seite 10, zweiter Absatz der ursprünglich eingereichten Unterlagen Figur 3 vorgestellt, in welcher das Verriegelungselement nicht zwingend als an die distale Pfannengrundfläche grenzend dargestellt ist. Die im gleichen Absatz beschriebene Figur 4, deren Beschreibung für die Frage der genügenden Stützung durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen entscheidend ist, stellt dann aber eindeutig eine Situation dar, bei welcher der Steg bei der Pfannengrundfläche (Gp) beginnt. Die Tatsache, dass der Steg an der Pfannengrundfläche beginnt, wird aber an dieser Stelle nicht hervorgehoben. Dass der Steg in Figur 3 bei der Pfannengrundfläche beginnt, wird erst weiter hinten, konkret im letzten Absatz auf Seite 12, weiter ausgeführt. Anschliessend folgt in dieser Textstelle Seite 27 O2016_012 eine Diskussion, dass die Wirkung der Stege mit zunehmender Entfernung von der Pfannengrundfläche abnimmt. In einer Gesamtschau entnimmt der Fachmann diesen Textstellen in Übereinstimmung mit der allgemeinen Einleitung im letzten Absatz auf Seite 5 die technische Lehre, dass die Stege wenigstens teilweise im distalen Mantelbereich angeordnet sein müssen, damit die erfindungsgemässe Wirkung überhaupt eintritt. Dass damit zwingend auch das Merkmal verbunden sein muss, dass die Stege bei der Pfannengrundfläche beginnen, ergibt sich in einer Gesamtschau nicht. Bei der spezifischen Erläuterung der Figuren 3 und 4 auf Seite 10, letzter Absatz wird auf diese Tatsache gar nicht hingewiesen, und bei der spezifischen Diskussion im letzten Absatz auf Seite 12 wird die Wirkung auch nicht im Zusammenhang mit dem Beginn der Stege an der Pfannengrundfläche beschrieben, sondern nur im Zusammenhang mit deren Anordnung im distalen Mantelbereich. Dass nicht gefordert wird, dass die Stege an der Pfannengrundfläche beginnen, stellt entsprechend keine unzulässige Änderung und keine Zwischenverallgemeinerung dar. 46. Zum obigen Argument (3) Folgendes: Anspruch 17, wie ursprünglich eingereicht, bezog sich tatsächlich nur auf Anspruch 2, wie ursprünglich eingereicht, gerichtet auf eine Pfanne für ein künstliches Hüftgelenk, nicht aber auf Anspruch 1, der sich allgemeiner auf eine Gelenkprothese mit einem Grundkörper richtet. Auch in der Beschreibung ist an keiner Stelle von einer Gelenkprothese die Rede, dieser Begriff erscheint nur im ursprünglich eingereichten Anspruch 1. Auf der anderen Seite erkennt der Fachmann durch die nebeneinander gestellten unabhängigen Ansprüche 1 und 2 wie ursprünglich eingereicht, dass es bei der technischen Lehre um eine Pfanne für ein künstliches Hüftgelenk oder aber auch allgemeiner um eine Gelenkprothese geht, und zwar gemäss Anspruch 1 zum Einschlagen in einen Knochen, eine Terminologie, die auch allgemein im letzten Absatz auf Seite 5 aufgenommen ist. Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass sich die technische Lehre nicht nur auf eine Pfanne für ein künstliches Hüftgelenk mit einem Grundkörper bezieht (Anspruch 2 ff. der ursprünglich eingereichten Unterlagen), sondern analog auch allgemeiner auf eine Gelenkprothese mit einem Grundkörper (Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Unter- Seite 28 O2016_012 lagen). Auch darin kann also keine unzulässige Änderung erkannt werden. 47. Zusammenfassend ist eine unzulässige, über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt des erteilten Patents hinausgehende Änderung nicht erkennbar. Unzulässige Erweiterung (Art. 123 (3) EPÜ Art. 24 Abs. 1 PatG): 48. Die Beklagten machen geltend, gemäss [0016] und [0017] seien nur gekrümmte Einschlagstege bei der ursprünglich erteilten Fassung gemeint gewesen, und deshalb seien die nach dem Teilverzicht beanspruchten geradlinigen Einschlagstege eine unzulässige Erweiterung respektive eine unzulässige Verschiebung des Schutzbereichs. 49. Wie oben bereits im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit der Änderungen dargelegt, schliessen die Erläuterungen im Klagepatent in [0016] und [0017] keinesfalls geradlinige Stege aus, einen anderen Schluss lässt auch der ursprünglich erteilte Anspruch 1 oder 2 nicht zu, definieren diese doch den Einschlagsteg nicht als gekrümmt. 50. Die ursprünglich erteilte Fassung umfasste mithin gekrümmte als auch Einschlagstege mit gleichbleibender Steigung und einem linearen Verlauf, und eine unzulässige Erweiterung ist nicht gegeben. Neuheit: 51. Mangelnde Neuheit wird von den Beklagten nur im Rahmen der Klageantwort geltend gemacht, das Argument wird in der Duplik nicht mehr aufgegriffen. 52. Die Beklagten machen geltend, der beanspruchte Gegenstand sei nicht neu gegenüber der FR 2781363 (in der Folge D1). In diesem Dokument D1 wird eine Gelenkpfanne offenbart, welche äquatorial umlaufende Rippen 22 aufweist, vgl. auch Figur 1 der D1: Seite 29 O2016_012 Von diesen äquatorial umlaufenden Rippen 22 gibt es zur Polspitze wie Breitenkreise mehrere. Die Rippen 22 haben über den Umlauf verteilt Vertiefungen 24. Diese sind nicht entlang gedachter Längenkreise angeordnet, sondern versetzt. Weiter heisst es ausdrücklich, dass diese Vertiefungen in gegenläufige Richtungen versetzt angeordnet sind (vgl. in Figur 1 die obere Hälfte versus die untere Hälfte). Als Zweck wird dafür auf Seite 10:11-19 der D1 angegeben, dass nach Osseointegration keine Verdrehung um die Hauptachse 8 mehr möglich ist, aber auch nicht mehr um eine Achse senkrecht dazu. Damit sind die unter einem Neigungswinkel verlaufenden Serien der Erhebungen von benachbarten umlaufenden Rippen 22 keine Verriegelungselemente umfassend einen Einschlagsteg im Sinne des Klagepatents, und zwar aus folgenden Gründen: Die Erhebungen der D1 verfügen nicht über eine genügende Höhe, um eine Ebene im Sinne eines Einschlagsteges und damit jeweils einen anspruchsgemässen Einschlagsteg zu definieren. Die Erhebungen der D1 schneiden sich auch nicht im Sinne des Klagepatents in verriegelnder Weise in den Knochen ein, und besonders verdrehen sie die Pfannenschale beim Einschlagen nicht um die Pfannenachse. Während unter Umständen die bei diesen Strukturen nach der D1 vorgesehenen Rippen nach dem Einwachsen gegebenenfalls die Verdrehung Seite 30 O2016_012 verhindern, werden sie beim Einschlagen auf keinen Fall dazu führen, dass sich die Pfanne um wenige Grad dreht. Die gegenläufige Anordnung dieser Erhebungen führt im Gegenteil dazu, dass die Verdrehung gerade beim Einschlagen verhindert wird. Die Serien der Erhebungen werden wegen der gegenläufigen Anordnung in streng axialer Richtung in den Knochen getrieben. Sie wirken dabei wie einzelne Zinken einer Mehrfach-Pflugschar, hinterlassen also, jeder für sich, eine axiale Spur im Knochen. Die Primärstabilisierung einer solchen Struktur wird damit nicht durch Verriegelungselemente, die Einschlagstege umfassen, und die sich in den Knochen einschneiden und einen Steigungswinkel aufweisen, gewährleistet. 53. Das Gleiche lässt sich im Zusammenhang mit der geltend gemachten mangelnden Neuheit gegenüber Equateur (in der Folge als D2 bezeichnet) sagen, wie eine Gegenüberstellung der ersten Seite von D2, und von Figur 1 der D1 aufzeigt: Entsprechend ist auch hier Neuheit gegenüber der D2 gegeben. 54. Zusammenfassend ist damit der beanspruchte Gegenstand, das betrifft sowohl Anspruch 1 als auch Anspruch 2, neu. 55. In ihrer Stellungnahme auf den Teilverzicht machen die Beklagten neu geltend, dass mangelnde Neuheit gegenüber der DE 196 06 057 (in der Folge D5) gegeben sei. Wie oben dargelegt, sind die unabhängigen AnSeite 31 O2016_012 sprüche 1 und 2 nach dem Teilverzicht enger als die ursprünglich erteilten unabhängigen Ansprüche. Im Rahmen des Schriftenwechsels vor dem Teilverzicht hatten die Beklagten noch ausgeführt, dass das Dokument D5 keine Steigung im Bereich von 85-60° für die Stege offenbare. In der Eingabe nach dem Teilverzicht behaupten sie nun, dass die Stege einen Winkel im beanspruchten Bereich hätten, worin ein gewisser Widerspruch zu sehen ist. Nur der in der D5 in Figur 2 in der Mitte dargestellte Steg 30 kann überhaupt sinnvoll als Steg im Lichte der allgemeinen Beschreibung der D5 betrachtet werden (vgl. auch Diskussion der D5 weiter unten), da die beiden weiter aussen dargestellten Stege gar nicht so aussehen, dass sie Abschnitte eines eingängigen oder mehrgängigen Schraubgewindes sein können. Der in der Mitte in Figur 2 dargestellte Schneidanker schliesst einen Winkel von ca. 30° mit der Achse 9 ein, und liegt entsprechend klar ausserhalb des anspruchsgemässen Bereichs von 85-60°. In der Stellungnahme auf den Teilverzicht machen die Beklagten sinngemäss für die in Figur 2 dargestellten Schneidanker geltend, dass ein so bestimmter Winkel von ca. 30° nur für einen von ihr als "lahmer Flügel" bezeichneten Steg zutreffend sein könne. Ein solcher könne ja aber dem Fachmann durch die D5 nicht offenbart worden sein. Vielmehr müsse der Steg so angeordnet sein, wie in der Stellungnahme der Beklagten RZ 138 mit B dargestellt: Dies würde dann aber bedeuten, dass auch der auf der Achse in Figur 2 dargestellte Steg gar nicht richtig wiedergegeben ist, denn wenn er geSeite 32 O2016_012 mäss B ausgerichtet sein soll, müsste man gewissermassen teilweise von unten auf die Seitenfläche des Steges blicken. Nach dieser Sichtweise der Beklagten ist damit keiner der in der Figur wiedergegebenen Stege überhaupt richtig dargestellt, und dann lässt sich auch kein offenbarter Winkel aus den Darstellungen ableiten. Entsprechend ist auch Neuheit gegenüber der D5 gegeben. Erfinderische Tätigkeit: 56. Die Beklagten machen, aber nur im Rahmen der Klageantwort, geltend, dass mangelnde erfinderische Tätigkeit gegeben sei, und zwar ausgehend von der FR 2 716 106 (in der Folge D3), kombiniert mit der WO 98/05263 (in der Folge D4). 57. Die Beklagten behaupten, der einzige Unterschied zwischen der Offenbarung der D3 und dem beanspruchten Gegenstand liege in den Merkmalen M2b respektive M4b von Anspruch 1 respektive Anspruch 2. Die Klägerin auf der anderen Seite behauptet, die Darstellung des Unterschiedes zwischen der D3 und dem beanspruchten Gegenstand durch die Beklagten sei nicht korrekt, wobei aber unklar bleibt, welches weitere Merkmal nach Auffassung der Klägerin zusätzlich effektiv unterscheidend sein soll. Es wird von der Klägerin zwar dargelegt, dass es bei der D3 nicht um eine Pressfit-Pfanne gehe, sondern um eine Spreizpfanne, inwiefern dies aber orientiert an den Anspruchsmerkmalen einen weiteren Unterschied begründen soll, erschliesst sich nicht aus dem Vortrag der Klägerin. Anspruch 1 und Anspruch 2 lesen sich auch auf Spreizpfannen. Der einzige Unterschied zwischen der D3 und dem beanspruchten Gegenstand besteht darin, dass die Einschlagstege in der D3 nicht unter einem Winkel von 90°, sondern unter einer Steigung von 60-85° angeordnet sind. 58. Ausgehend von diesem Dokument D3, das ähnlich ist wie der als Ausgangspunkt im Klagepatent genannte Stand der Technik, lässt sich die Aufgabe wie im Klagepatent angegeben (vgl. [0014]) formulieren: es geht darum, eine künstliche Gelenkpfanne zur Verfügung zu stellen, die die Seite 33 O2016_012 Nachteile des Standes der Technik nicht oder in geringerem Masse aufweist. Weiter soll sie kostengünstig hergestellt werden können und eine besonders einfache und exakte Implantation und eine zuverlässige Primärfixierung sicherstellen. Die optimale Wiederherstellung der anatomischen Pfannenfunktion des Hüftgelenkes mit physiologischer Krafteinleitung muss dabei ebenfalls gewährleistet sein. 59. Wie im Klagepatent insbesondere in [0016] und [0017] dargelegt, wird diese Aufgabe erfindungsgemäss dadurch gelöst, dass sich infolge der Verriegelungselemente mit den Einschlagstegen beim Einschlagen des Implantats die Verriegelungselemente in den Knochen einschneiden und die Pfannenschale um wenige Grad um die Pfannenachse verdrehen. Dadurch wird ein Herausdrehen entgegen der Einschlagrichtung wirkungsvoll verhindert. 60. Damit mangelnde erfinderische Tätigkeit begründet werden kann, muss gezeigt werden, dass ausgehend von einem als Ausgangspunkt gewählten Dokument des Standes der Technik eine Motivation bestand, die erfindungsgemässe Änderung vorzunehmen, und dass angemessene Aussichten auf Erfolg bestanden, dass eine solche Modifikation auch die erfindungsgemäss vorteilhafte Wirkung nach sich zieht. 61. Bei der D3 geht es um eine Pfanne, welche in streng axialer Richtung eingeschlagen werden muss. Sie ist nicht kreissymmetrisch, sondern mit Cs Symmetrie ausgebildet, verfügt doch nur die auf der dem Schlitz 3 abgewandte Viertelkugeloberfläche über Flügel 10. Weiter weist sie ausdrücklich mehrere nicht auf der zentralen Achse angeordnete Bohrungen 15/16 auf, mit welchen die Pfanne nach dem Einschlagen am Knochen zusätzlich fixiert wird. Vgl. Fig. 1 der D3: Seite 34 O2016_012 Damit ist davon auszugehen, dass eine solche Pfanne in einer spezifischen Rotationsposition aufgesetzt wird und anschliessend sorgfältig so eingeschlagen wird, dass diese Rotationsposition unverändert bleibt und vor allem dabei auch die Pfanne trotz der nur einseitig vorgesehenen Flügel 10 nicht verkippt. Die Primärfixierung erfolgt anschliessend nicht allein durch den Kraftschluss respektive Formschluss der Pfanne mit den eingeschnittenen Flügeln 10, sondern vielmehr werden zusätzliche Schrauben durch die Bohrungen 15 und 16 vorgesehen. Mit diesen Schrauben wird auch weitergehend verhindert, dass sich die Pfanne aus der Ausnehmung im Knochen herausdrehen kann. 62. Beim Dokument D4 geht es zwar schon auch um ein Implantat, nicht aber um eine Gelenkpfanne. Eine Gelenkpfanne ist ein breites Bauteil, das in eine Ausnehmung mit einem grossen Durchmesser und einer vergleichsweise geringen Tiefe eingebracht wird. Da stellen sich andere Fragen, als wenn ein stiftförmiges Implantat, wie es in der D4 dargestellt ist, in ein tiefes Loch mit im Vergleich zur Tiefe geringem Durchmesser eingebracht werden muss. 63. Weiter spielt die Rotationsposition bei der Implantierung in der D3 eine Rolle, während dies bei der stiftförmigen Geometrie und dem Anwendungszweck der D4 nicht der Fall ist. Entsprechend war der Fachmann ausgehend von der D3 gar nicht motiviert, das Dokument D4 hinzuzuziehen, weil es nicht die gleichen Frage- Seite 35 O2016_012 stellungen und nicht das gleiche Gebiet der Pfannen für Hüftgelenke betrifft. Eine Motivation, das Dokumente D4 ausgehend von der D3 hinzuzuziehen, ist nicht erkennbar und wird von den Beklagten auch nicht vorgetragen. 64. Besonders ist beim Einbringen einer Gelenkpfanne nach der D3 ein Verkippen problematisch. Durch die asymmetrische Anordnung der Flügel 10 gewissermassen nur auf der oberen Hälfte in Figur 1 der D3, d.h. auf der der Spalte 3 gegenüberliegenden Viertelkugel, besteht grundsätzlich die Gefahr, dass beim Einschlagen die Pfanne verkippt. Dadurch, dass die Flügel 10 streng axial angeordnet sind, wird dieses Verkippen so weit wie möglich verhindert. Die direkte Kombination der D3 mit der D4 (für welche, wie erwähnt, jedoch die Motivation fehlt) würde zu einem Gegenstand führen, bei welchem die Flügel 10, nur auf einer Viertelkugel angeordnet, eine Steigung gemäss der D4 aufweisen würden. Der Fachmann würde dann realistischer Weise erwarten, dass durch das beim Einschlagen entstehende Drehmoment die Gefahr erhöht wird, dass sich die Pfanne (dreh)verkippt. Er würde entsprechend davon ausgehen, dass ein solcher Gegenstand eher nicht sicher gut funktioniert. Es fehlt hier also auch an der angemessenen Erfolgserwartung. Warum eine angemessene Erfolgserwartung gegeben sein soll wird von den Beklagten auch nicht dargelegt. 65. Soweit hypothetisch die Flügel 10 der D3 umlaufend durch die Flügel gemäss der D4 ersetzt werden könnten, ist, abgesehen vom Hinweis auf rückschauende Betrachtungsweise, hervorzuheben, dass höchst unklar um nicht zu sagen unwahrscheinlich ist, dass dann überhaupt die Spreizfunktion, die für das Implantat gemäss der D3 entscheidend ist, noch gegeben ist. 66. Selbst wenn der Fachmann die D3 und die D4 kombinieren würde, käme er nicht auf die Idee, die über die ganze Länge jeweils 90° überstreichenden Gewindeflügel der D4 als Ersatz für die streng axialen und nur in einem Halbraum angeordneten Stege der D3 in Betracht zu ziehen. Bei der D3 die Rotationsposition wichtig. Aus der D3 heraus ist auch nicht erkennbar, was für Vorteile in einer leichten Rotation beim Einschlagen liegen könnten. Seite 36 O2016_012 Entsprechend ist es nicht naheliegend, die auf einem streng zylindrischen Körper angeordneten und jeweils 90° überstreichenden Gewindeflügel 13 der D4 einfach als Ersatz für die axialen Stege 10, die auf einer halben Kugelkalotte angeordnet sind, in Betracht zu ziehen. Abgesehen davon, dass der Fachmann eben auch erwartet, dass das eher nicht funktionieren würde wegen des Verkippens. 67. Damit ist der beanspruchte Gegenstand im Lichte der geltend gemachten Kombination der Dokumente des Standes der Technik D3 und D4 erfinderisch. 68. Die Beklagten machen erstmals im Rahmen der Duplik, geltend, dass mangelnde erfinderische Tätigkeit vorliegt ausgehend von der D5 wobei fehlende erfinderische Tätigkeit infolge willkürlicher Auswahl eines Parameterbereichs behauptet wird, sowie ausgehend von der FR 2 641 461 (in der Folge D6) kombiniert mit der D5 und ebenfalls mit willkürlicher Auswahl eines Parameterbereichs. 69. Die D5 beschreibt ein Implantat in Form einer Hüftpfanne, deren Aussenfläche im Wesentlichen die Form einer Halbkugel annimmt. Im eingesetzten Zustand oberflächennahen distalen Umfangsbereich sind eine Vielzahl von sogenannten Ansätzen 12 in mehreren Reihen vorgesehen, diese Ansätze sind in Figur 1 in einem Schnitt dargestellt und verfügen über jeweils einen Stiel 14 und einen verbreiteten Kopf 16. Am besten lässt sich das anhand von Figur 2 der D5 nachvollziehen: Seite 37 O2016_012 Eine solche Pfanne wird in eine entsprechende Ausnehmung im Knochen eingepresst oder eingeschlagen, wobei sich dann diese Ansätze 12 und 22 in das umliegende Gewebe respektive den umliegenden Knochen eingraben. Weiter gibt es gemäss Figur 2 mehrere auswärts gerichtete Schneidanker 30, dazu heisst es in der Beschreibung wie folgt (vgl. Spalte 4:17-28): «In dem Ansatzreihenbereich der Außenfläche 5 des metallischen Formteils 4, also im oberen Bereich der Außenschale der prothetischen Hüftpfanne sind mehrere auswärts gerichtete Schneidanker 30 angeordnet, die als Abschnitte eines eingängigen oder mehrgängigen Schraubgewindes ausgebildet sind und an ihren freien Enden Schneidkanten aufweisen, welche sich beim Einsetzen des Implantats mechanisch in das knöcherne Implantatlager eingraben und daher die mechanische Primärstabilität des Implantats unmittelbar nach der Implantation erhöhen.» Dabei fällt auf, dass eigentlich Figur 2 soweit die beiden seitlich von der Achse versetzten und rechts und links dargestellten Schneidanker 30 betroffen sind, gar nicht stimmen kann. In der richtigen Perspektive dargestellt können diese Schneidanker gar nicht so aussehen, wenn sie Abschnitte eines eingängigen oder mehrgängigen Schraubgewindes sein sollen. Das erkennt der Fachmann. Nur der auf der Achse dargestellte Schneidanker scheint richtig dargestellt zu sein. Eine weitergehende Charakterisierung der Ausgestaltung dieser Schneidanker durch eine Schnittdarstellung wird in der D5 nicht gegeben, in Figur 1 sind die Schneidanker nicht dargestellt. Dieser zentrale in der Mitte in Figur 2 dargestellte Schneidanker schliesst in dieser Perspektive einen Winkel von ca. 30° mit der Achse 9 ein. Zudem wird in der D5 beschrieben, dass diese Schneidanker zwar als Abschnitte eines eingängigen oder mehrgängigen Schraubgewindes ausgebildet sind, offenbar verfügen sie aber an ihrem freien Ende, d.h. an der nach aussen gerichteten freien Kante und nicht, wenn man gewissermassen von Gewindeabschnitten und quasi im wesentlichen flügelförmigen, d.h. "rechteckigen" Schneidankern ausgeht (über die Höhe und Form der Schneidanker ist der D5 aber gar nichts zu entnehmen, Figur 2 zeigt nur einen Schnitt quer zur Hauptverlaufsrichtung), an der Vorderkante in Eindrehrichtung. Weiter heisst es, dass sich diese Schneidkanten beim Ein- Seite 38 O2016_012 setzen des Implantats mechanisch in das knöcherne Implantatlager eingraben, und es ist nicht davon die Rede, dass sie sich einschneiden. 70. Obwohl mithin diese Schneidanker der D5 als Abschnitte eines eingängigen oder mehrgängigen Schraubgewindes beschrieben werden, scheinen sie hier offensichtlich nicht als solche zu wirken. Aufgrund der Anordnung im oberen Bereich der Aussenschale werden diese Schneidanker 30 erst kurz vor Erreichen der endgültigen Position in der Ausnehmung in Kontakt mit der Wand der Ausnehmung treten, während in dieser Phase die Ansätze bereits in den aussen liegenden Randbereich wenigstens teilweise eingegraben sind. Diese Schneidanker werden entsprechend wegen des bereits erfolgten Eingriffs der Ansätze in das Gewebe respektive den Knochen im oberflächennahen Bereich auch nicht in der Lage sein, sich wie ein Gewinde einzuschneiden und damit die Hüftpfanne beim Einschlagen zu verdrehen. Im Gegenteil werden sie sich mit der Schneidkante am freien Ende wie ein Pflug eingraben, wie das auch beschrieben ist. Dieser Effekt – das weiss der Fachmann – wird dadurch verstärkt, dass der oberflächennahe Bereich des Knochens, der sogenannte cortical bone, eine wesentlich höhere Dichte und damit Festigkeit aufweist, als der darunterliegende trabecular bone, der eher porös, schwammartig und weicher ist. Die Ansätze graben sich also in den harten Bereich im cortical bone ein, während die Schneidanker in den weichen trabecular bone eindringen. D.h. ein Drehmoment beim Einschlagen wegen des Eindringens der Schneidanker in diesen weichen Knochenabschnitt ist quasi auszuschliessen. 71. Die Beklagten argumentieren nun im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit wie folgt: Die Klägerin mache geltend, die technische Wirkung der Erfindung liege darin, dass die Pfanne sich beim Einschlagen um wenige Grad um die Achse verdrehe und die Pfanne gegen Zugkräfte, gegen Torsionskräfte und gegen kombinierte Zug- und Torsionskräfte sichere, und die objektive Aufgabe darin liege, eine Pfanne zu schaffen, welche eine zuverlässige bzw. zusätzlich verbesserte Primärfixierung sicherstellt (vgl. auch [0014], [0016] sowie [0017] im Klagepatent). Seite 39 O2016_012 Messungen mit verschiedenen Gelenkpfannen mit Einschlagstegen mit unterschiedlicher Steigung würden nicht zeigen, dass im beanspruchten Winkelbereich die Auszugskräfte besonders grosse Werte annähmen. Die Winkelstellung der Einschlagstege zeige entsprechend keine technische Wirkung. Entsprechend müsse ausgehend von der D5 die Aufgabe als Alternative formuliert werden, mithin ein alternatives Design einer Gelenkpfanne vorzuschlagen, bei dem die Primärstabilität insgesamt ausreichend ist. 72. Damit bestreiten die Beklagten nicht, dass die behaupteten Effekte grundsätzlich nicht vorliegen (Verdrehung, Sicherung gegen Zugkräfte, Torsionskräfte und kombinierte Zug- und Torsionskräfte, sowie verbesserte Primärfixierung), sondern behaupten (nur), dass die spezifische Auswahl des Steigungswinkels im Bereich von 85-60° keine besonders ausgezeichnete gewissermassen erhöhte Wirkung zeigt. 73. Geht man – gewissermassen als schlimmsten Fall für die Klägerin – hiervon aus, d.h. davon, dass die Aufgabe als Alternative formuliert werden muss, so ist trotz allem auch dann zu prüfen, ob ausgehend vom Stand der Technik der Fachmann motiviert gewesen wäre, als derartige Alternative ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik eine Veränderung vorzunehmen, die dem beanspruchten Gegenstand entspricht, und ob der Fachmann eine vernünftige Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, dass die Alternative eben diese Wirkungen ebenfalls bereitstellen kann. 74. Der Kernpunkt der D5, vgl. Zusammenfassung und Anspruch 1, ist die Anordnung der stabförmigen Ansätze mit jeweils einem verbreiteten Kopf im distalen Bereich der Pfanne. Wie oben dargelegt geht der Fachmann davon aus, wenn er die D5 studiert, dass diese Pfanne beim Einschlagen nicht verdreht wird. Der Aspekt der Verdrehung ist entsprechend etwas, was der D5 nicht zu entnehmen ist, darf also auch nicht im Rahmen der Aufgabe berücksichtigt werden. Um eine rückschauende Betrachtungsweise zu vermeiden, ist entsprechend die Aufgabe so zu formulieren: eine alternative Pfanne bereitzustellen, welche gegen Zugkräfte, gegen Torsionskräfte und gegen kombiSeite 40 O2016_012 nierte Zug- und Torsionskräfte gesichert ist, und eine zuverlässige Primärfixierung sicherstellt. 75. Bei der Pfanne gemäss der D5 wird die Sicherung gegen Torsionskräfte durch die stabförmigen Ansätze gewährleistet, die beim Einschlagen gewissermassen axiale Kanäle in die Wandung der Ausnehmung pflügen. Die Schneidanker können eine zusätzliche Erhöhung der erforderlichen Zugkraft bewirken, da sie gewissermassen quasi quer zur Einschlagrichtung angeordnet sind. Um nun ausgehend von der D5 zur beanspruchten Erfindung zu gelangen, muss der Steigungswinkel der Schneidanker von den offenbarten ca. 30° auf die beanspruchten 60-85° erhöht werden, mithin mindestens verdoppelt werden. 76. Dafür fehlt in der D5 die Motivation und die Aussicht auf Erfolg, dass die so erhaltene Gelenkpfanne effektiv eine valable Alternative für jene ist, die ausdrücklich in der D5 beschrieben und dargestellt ist. Werden nämlich die Schneidanker in ihrem Steigungswinkel erhöht, so reduziert sich ihr Wirkungsquerschnitt in axialer Richtung auf ca. die Hälfte und damit graben sie sich, geht man davon aus, dass die Länge des Schneidankers gleich bleibt, über eine wesentlich geringere Breite ein (vgl. Beschreibungsspalte 4:26). In diesem Falle hätte der Fachmann erwartet, dass sich dann auch die Sicherungswirkung gegen Zugkräfte und kombinierte Zug- und Torsionskräfte reduziert. Der Fachmann käme entsprechend nicht ohne spezifischen Hinweis auf die Idee, den Steigungswinkel der Schneidanker nicht nur etwas von den dargestellten ca. 30° abweichen zu lassen, sondern mindestens auf 60° zu verdoppeln, weil er nicht erwarten würde, dass er so eine im wesentlichen gleichwirkende Alternative erhalten würde. Die Aufgabe, eine alternative Gelenkpfanne zu finden, die über eine ausreichende Primärstabilität verfügt, würde der Fachmann ausgehend von der D5 entsprechend nicht so lösen, dass er bei den Schneidankern der D5 den Steigungswinkel mindestens verdoppeln würde. Seite 41 O2016_012 77. Es ist grundsätzlich richtig, dass der Fachmann, wenn man nun nur den Winkel der Schneidanker in der D5 betrachtet, grundsätzlich nur zwei Veränderungsmöglichkeiten hat, nämlich diesen Winkel zu vergrössern oder zu verkleinern. Mit dieser Sichtweise ist aber die Problemstellung bereits in rückschauender Weise auf die Lösung fokussiert. Die Aufgabe ist wie oben erwähnt die Bereitstellung einer alternativen Gelenkpfanne mit gleicher oder ähnlicher Primärstabilisierung. Da wäre aber erst einmal zu beantworten, warum der Fachmann bei dieser Aufgabenstellung überhaupt auf die Idee käme, daran zu denken, am Schneidanker der D5 Veränderungen vorzunehmen, und nicht an anderen Elementen. Weiter kann an diesen Schneidankern unterschiedliches verändert werden, nicht nur der Winkel, sondern auch beispielsweise deren Länge, deren Höhe, die Gestaltung der Kanten, deren Profilierung, etc. Es ist nicht zu erkennen, warum der Fachmann nun gerade an dem Parameter des Anstellwinkels bei der Konstruktion in der D5 schrauben sollte, und aus den oben dargelegten Gründen würde, nimmt man an, dass der Fachmann über den Anstellwinkel überhaupt nachdenken würde (wofür ein Hinweis in der D5 aber fehlt), dann wenn auch der Fachmann nicht in Betracht ziehen, den Anstellwinkel zu erhöhen, sondern vielmehr, ihn zu erniedrigen, um die Auszugskräfte zu erhöhen oder mindestens gleich zu behalten. 78. Weiter machen die Beklagten in ihrer Eingabe zum Teilverzicht geltend, es liege mangelnde erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D5 vor. Damit greifen sie ein Argument auf, das bereits in einer früheren Eingabe vorgetragen wurde, damals noch im Zusammenhang mit dem breiteren Anspruchsgegenstand vor dem Teilverzicht. Gegenüber der früheren Eingabe werden aber keine neuen Argumente geltend gemacht. Die technische Aufgabe wird wiederum als Alternative formuliert, und es wird behauptet, die Einstellung des Winkels des Steges sei eine Alternative mit vorhersehbarem Effekt. Soweit die Beklagten in der neueren Eingabe behaupten, da vom Fachmann nur eine Variation des Winkels nach oben und nach unten in Betracht gezogen werden könne, führe eine Variation des Winkels nach oben unweigerlich in den Anspruchsbereich, weil in der D5 ein Winkel von knapp unter 60° offenbart werde, so ist dazu Folgendes zu sagen: Seite 42 O2016_012 Aus den oben angegebenen Gründen offenbart die D5 eben gar keinen Winkel von knapp unter 60° für einen Steg, sondern – wenn überhaupt ein Winkel offenbart wird – einen solchen von ca. 30°. Sollte der Fachmann eine Variation dieses Winkels nach oben in Betracht ziehen, so würde die von der Beklagten behauptete leichte Variation nicht automatisch in den Anspruchsbereich führen, im Gegenteil, der Winkel müsste quasi verdoppelt werden, wofür es aber aus den bereits im ersten Fachrichtervotum dargelegten Gründen weder eine Motivation noch eine Aussicht auf Erfolg gibt. 79. Mangelnde erfinderische Tätigkeit ist damit ausgehend von der D5 nicht erkennbar. 80. Geht man von der D6 aus, so gilt Folgendes: Die D6 beschreibt eine Gelenkpfanne, die angrenzend an den Äquator-Bereich umlaufend verteilt über eine Serie von keilförmig sich nach oben hin verjüngende Flügel verfügt. Dies um eine präzise und stabil verankerte Pfanne bereitzustellen, vgl. Figur 1: Es scheint unbestritten, dass der einzige Unterschied zwischen dem in der D6 beschriebenen Gegenstand und dem Anspruchsgegenstand der Steigungswinkel ist, in der D6 beträgt er 90°, während er anspruchsgemäss im Bereich von 85-60° sein muss. Als Aufgabe ist gleich wie ausgehend von der D5 zu formulieren, dass eine alternative Pfanne bereitgestellt werden soll, welche gegen Zugkräfte, gegen Torsionskräfte und gegen kombinierte Zug- und Torsionskräfte gesichert ist, und eine zuverlässige Primärfixierung sicherstellt. Seite 43 O2016_012 81. Die Beklagten behaupten, ausgehend von der D6 würde der Fachmann die D5 hinzuziehen, weil die D5 im gleichen technischen Gebiet liegt und sich ebenfalls mit der gestellten Aufgabe befasst. Sie meinen dann, dass der D5 das Anbringen von schräg gestellten Stegen zu entnehmen sei, und die im Patent gewählten konkreten Grenzen von 85-60° stellten dabei eine bloss willkürliche Auswahl des bekannten Winkelbereichs zwischen 90° (D6) und rund 45° (D5) dar. 82. Die Klägerin hat recht, wenn sie zu dieser Argumentation bemerkt, dass die einfache Kombination der D6 mit der D5 nicht dazu führt, dass die keilförmigen Flügel gemäss der D6 in einem anderen Winkel angeordnet werden, sondern vielmehr, dass die Schneidanker 30 gemäss der D5 zusätzlich auf der Pfanne gemäss der D6 vorgesehen werden, grafisch schematisch wie folgt: Dies vor allem auch deswegen, weil bei der D5 in jenem Bereich, wo die Flügel 10 der D6 angeordnet sind, die oben bereits diskutierten und das Kernelement der Lehre der D5 bindenden Ansätze angeordnet sind und diese distalen Strukturelemente entsprechend korrespondieren, und die Schneidanker 30 etwas Zusätzliches dazu sind. Das ist aber nicht die beanspruchte Erfindung, denn die Schneidanker sind dann immer noch unter einem Winkel von ca. 30° und nicht im Anspruchsbereich. 83. Die Überlegungen, warum der Fachmann dann bei einer solchen Anordnung von zusätzlichen Schneidankern im Polbereich nicht auf die Idee käme, den Anstellwinkel von den in der D5 offenbarten 30° auf die beanspruchten 60-85° anzuheben, entsprechen jenen, die oben im ZusamSeite 44 O2016_012 menhang mit der D5 als nächstliegender Stand der Technik gemacht wurden. Entsprechend ist bei diesem Gedankengang die beanspruchte Erfindung erfinderisch. 84. Geht man trotz allem einen Schritt weiter, wofür aber eigentlich bei der Kombination der D6 mit der D5 keine naheliegende Veranlassung besteht und was mithin bereits erfinderische Überlegungen bedingen würde, und zieht in Betracht, dass es möglich wäre, auch die Flügel 10 der D6 unter einem Winkel anzustellen, so ist die direkte Kombination dann immer noch nicht die beanspruchte Erfindung, sondern vielmehr eine Gelenkpfanne gemäss der D6, bei welcher die Flügel 10 unter einem Winkel von ca. 30° angeordnet werden. Eine Motivation, dann diese Flügel nicht unter 30°, sondern unter wenigstens 60° anzuordnen, ist nicht erkennbar. Ob eine solche Konstruktion, bei welcher dann auch noch die Steigung doppelt so gross ist, d.h. ca. 60° wie im Anspruchsbereich, überhaupt funktionieren könnte, ist für den Fachmann zudem unklar. Es ist eher davon auszugehen, dass dann gerade die in der D6 auf Seite 1:14-16 beschriebenen Nachteile des Standes der Technik wiedergegeben sind. Entsprechend gilt auch hier, dass der Fachmann zwar eine solche Modifikation vornehmen könnte, es aber nicht würde, weil er nicht dazu motiviert war und weil er keine angemessene Erfolgserwartung hätte. 85. Entsprechend ist auch ausgehend von der D6 der beanspruchte Gegenstand erfinderisch. 86. Der von der Beklagten in das Verfahren eingeführte Stand der Technik kann zusammenfassend im Lichte der vorgetragenen Argumente die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents entsprechend nicht infrage stellen. Eingriff in den Schutzbereich und Verletzung: 87. Unter den Parteien ist nur die Verwirklichung von Merkmal M2b respektive M4b strittig, d.h. die Frage, ob die Einschlagstege eine Steigung von 85-60° bezogen auf die Grundfläche aufweisen. Seite 45 O2016_012 Kernpunkt der Diskussion zu diesem strittigen Merkmal ist die Frage, wie dieser Winkel überhaupt zu bestimmen ist, um gemäss Anspruch verwirklicht zu sein. 88. Die Klägerin hat den Winkel mit der von der Beklagten als optische Methode bezeichneten Methode ausgemessen respektive ausmessen lassen, und dabei Winkel im Bereich von 84.31-85.04° erhalten für die verschiedenen Einschlagstege an mehreren Objekten. 89. Die Beklagten auf der anderen Seite legen dar, welche verschiedenen Möglichkeiten es zur Bestimmung der Steigung eines Einschlagstegs auf der gekrümmten Oberfläche geben soll. Sie beschreiben die oben genannte optische Methode als ein Verfahren, bei welchem es sich um eine selektive Projektionsmethode handelt, wenn die Pfanne um die Pfannenachse gedreht wird, bis der Flügel senkrecht zur Zeichenebene steht. Sie schliessen dieses Verfahren dann aus, weil es nicht an der Offenbarung des Klagepatents orientiert sein soll, und weil das Verfahren nicht dazu geeignet sein soll, einen Einschlagsteg in Form einer gekrümmten Fläche hinsichtlich Steigung zu definieren. Die Beklagten halten in diesem Zusammenhang aber auch fest, dass unter Verwendung der Fräserkoordinaten und dieser optischen Winkelbestimmungsmethode der Winkel der Einschlagstege bei der angegriffenen Ausführungsform 84.75° beträgt. Weiter erläutern die Beklagten dann noch die 3-Punkt-Methode, bei welcher der Flügel durch drei Punkte am Flügel definiert wird und verwirft aber auch dieses Verfahren, weil es für Stege mit zunehmender Steigung, wie sie im Klagepatent beschrieben werden, prinzipiell ungeeignet sei. Zu guter Letzt erwähnen die Beklagten die Mittelungsmethode, bei welcher aber unklar sei, wie die Mittelung zu erfolgen habe, und welche ebenfalls nicht auf gekrümmte Stege anwendbar sei, weil sich durch diese keine Symmetrieebene legen lasse. 90. Am Ende verwenden die Beklagten für ihre Definition der Steigung keine dieser drei Methoden, sondern vielmehr eine vierte Methode, die hier als Grosskreismethode bezeichnet werden soll, und bei welcher jeweils gewissermassen ein Grosskreis definiert werden soll, und zwar durch den Seite 46 O2016_012 Kugelmittelpunkt, den Steganfang und das Stegende, und dann als Steigung der Winkel zwischen diesem Grosskreis und der Grundfläche genommen werden soll. Warum ein Grosskreis Verwendung finden soll, obwohl ein solcher im Klagepatent im Zusammenhang mit der Steigung keine Erwähnung findet, erläutern die Beklagten nicht. Unter Verwendung der Fräserkoordinaten berechnen die Beklagten unter Verwendung dieser vierten Methode wegen der Krümmung ihrer Stege einen Verlauf der lokalen Steigungen, die dann im Bereich von 84.3-87.1° vom Steganfang zum Stegende zunehmen. 91. Der im Laufe des Prüfungsverfahrens in den Hauptanspruch aufgenommene Steigungswinkel der Einschlagstege wird im Klagepatent, neben den Ansprüchen 1, 2 und 17, nur im Zusammenhang mit den Figuren 3 und 4 und in der Beschreibung in [0025]-[0026] erläutert. Figur 3 ist eine Teilansicht einer Gelenkpfanne mit einem gekrümmten Einschlagsteg vom Pol aus gesehen, und Figur 4 ist eine Seitenansicht auf eine Gelenkpfanne, wobei der gekrümmte Einschlagsteg von Figur 3 mit einer gestrichelten Linie wiedergegeben ist, und ein linearer Einschlagsteg mit ausgezogenen Linien. Eine Seitenansicht, wie sie in Figur 4 dargestellt ist, ist eine selektive Projektion entlang der Grundfläche Gp, und in der Seitenansicht gemäss Figur 4 steht der Flügel senkrecht zur Zeichenebene. 92. Es gibt effektiv unterschiedliche Möglichkeiten, eine Steigung auf einer solchen gekrümmten Oberfläche für einen derartigen Steg zu definieren. Je nach Definition kann der erhaltene Steigungswinkel unterschiedliche Werte annehmen. Die Steigung wird in den Ansprüchen bezogen auf die Grundfläche Gp definiert. Genau diese Steigung und genau bezogen auf die Grundfläche wird im Zusammenhang mit den Figuren 3 und 4 insbesondere im Absatz [0025] beschrieben, und dort wird angegeben respektive grafisch dargestellt, was darunter zu verstehen ist und wie diese Steigung definiert ist. Nicht zutreffend ist entsprechend, wenn die Beklagten behaupten, es gebe im Klagepatent keine Definition der anspruchsgemässen Steigung. Diese ist genau an den genannten Textstellen gegeben und der im Anspruch genannten Steigung ist im Lichte der Beschreibung (vgl. Art. 69 Seite 47 O2016_012 EPÜ) diese Auslegung zu geben. Die Tatsache, dass diese Definition im Patent gegebenenfalls für gewisse Ausgestaltungen von Einschlagstegen problematisch sein kann, ändert nichts daran, dass dies die Definition ist, die das Patent selber gibt, und die entsprechend der Auslegung des Anspruchs zugrunde zu legen ist. 93. Für die Frage, ob ein Einschlagsteg eine Steigung im anspruchsgemässen Bereich aufweist, ist entsprechend das in Figur 4 beschriebene Verfahren zu verwenden, das der von der Beklagten als optische Methode bezeichneten Vorgehensweise entspricht. 94. Die Klägerin kommt unter Verwendung dieser Vorgehensweise der Messung auf Werte im Bereich von 84.31-85.04°. Dabei gibt es für jede der Pfannen mindestens zwei Einschlagstege, die Winkel unterhalb von 85° aufweisen, und die Mittelwerte über jeweils alle Einschlagstege sind auch offensichtlich unterhalb von 85°. Die Beklagten bestreiten nicht, dass unter Verwendung der bei diesen Messungen der Klägerin angewendeten optischen Methode diese Werte resultieren. Sie stellen sich nur (aber immerhin) auf den Standpunkt, dass die optische Methode eine falsche Vorgehensweise sei. Das ist aber nicht zutreffend, denn die Messungen der Klägerin wurden unter Verwendung der korrekten Methode durchgeführt. Entsprechend kann gestützt auf die von der Klägerin eingereichten Beweismittel darauf erkannt werden, dass die Steigung der Einschlagstege, bestimmt gemäss Klagepatent, nämlich nach der sogenannten optischen Methode, im Bereich von 84.31-85.04° liegt, und bei jeder ausgemessenen Hüftpfanne gibt es wenigstens zwei Einschlagstege, deren Steigung höchstens 85° beträgt. Das deckt sich auch mit der Aussage der Beklagten selber, die bestätigen, dass gestützt auf die Fräserkoordinaten und unter Verwendung dieser optischen Methode ein Winkel von 84.75° berechnet wird. 95. Im Zusammenhang mit der optischen Methode aber auch sonst beziehen sich die Beklagten häufig auf das Argument, ihre Stege seien gekrümmt und entsprechend die Steigung so nicht bestimmbar. Wenn eine solche Krümmung überhaupt vorhanden sein sollte, so ist sie, wie sich dies aus Seite 48 O2016_012 den Darstellungen der Beklagten selber ergibt, dermassen winzig und gering, dass sie sich an Aufnahmen und an den Mustern ohne ausdrückliche Hinweise nicht schlüssig feststellen lässt, und mithin diese Krümmung weder im Zusammenhang mit der Bestimmung der Steigung relevant sein kann, noch hinsichtlich Funktion einen Unterschied machen kann, noch aus dem Schutzbereich herausführen kann. 96. In Reaktion auf die Anspruchsfassung nach dem Teilverzicht haben die Beklagten mit Eingabe vom 16. November 2018 auch zur Frage des Eingriffs in den Schutzbereich Stellung bezogen. Dabei wird der Eingriff in den Schutzbereich nur mit dem Argument bestritten, dass die Stege bei der angegriffenen Ausführungsform keine «gleichbleibende Steigung mit linearem Verlauf» aufwiesen. Wie bereits oben festgehalten, war die Frage der Krümmung schon vor dem Teilverzicht ein Thema, damals hatten die Beklagten sich einerseits auf die folgende Darstellung bezogen und Folgendes ausgeführt: «Da es sich bei der Stegfläche um eine gekrümmte Fläche handelt, kann man zwar die Pfanne um die Pfannenachse drehen, bis das untere Stegende senkrecht zur Zeichenebene steht (was die Klägerin getan hat); dann sieht man aber auf das obere Stegende etwas seitlich, und zwar von links. Das hat zur Folge, dass man zwar Seite 49 O2016_012 die linke Fusspunktlinie genau sieht, die rechte Fusspunktlinie ist aber im oberen Bereich vom Rücken des Stegs verdeckt. Dies lässt sich recht gut bei der Abbildung aus act. 1_21 (Messung durch die Fachhochschule Windisch) erkennen, weit dort der Stegrücken am (oberen) Stegende glänzt, wogegen die Fusspunktlinie dunkel erscheint. Der Bereich zwischen den beiden grünen Pfeilspitzen ist die linke Seitenwand des Steges. Um diesen Abstand erscheint die rechte Fusspunktlinie zu weit rechts.» Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden: Der Steg erscheint in dieser Darstellung offensichtlich als ebene ungekrümmte Platte. Unterschiedliche Schattenbildungen können nicht eindeutig einer – wenn überhaupt – äusserst geringen Krümmung zugeschrieben werden. Sie können aufgrund der Belichtung oder der rauen Oberflächenstruktur zustande kommen. Orientiert an den Mustern hatten die Beklagten sich andererseits auf die folgende Darstellung bezogen (Darstellung links): Die oben links als vertikale, weisse, an der linken Kante des Steges angelegte Linie ist eine theoretisch berechnete Fusspunktlinie, die mit einem Scan der Fachhochschule Windisch überlagert ist. Die gekrümmte, Seite 50 O2016_012 darübergelegte weisse Linie führt aber zu einer optischen Täuschung. Das erkennt man, wenn man den gleichen Ausschnitt aus dem Original der Fachhochschule Windisch, wie oben auf der rechten Seite dargestellt, ohne diese weisse Linie danebenlegt. Eine Krümmung des Steges ist nicht erkennbar. Bereits im Fachrichtervotum wurde dazu ausgeführt, dass, wenn überhaupt vorhanden, an den Aufnahmen und Mustern eine Krümmung dermassen minim ist, dass sie nicht schlüssig festgestellt werden kann. Daran ändert auch die von den Beklagten nach dem Fachrichtervotum eingereichte Darstellung nichts. Die behaupteten Tangenten können beim besten Willen nicht ausgemacht werden, und entziehen sich damit einer Überprüfung, und durch die ebenfalls dargestellten Meridiane resultieren optische Täuschungen, die eine Überprüfung verunmöglichen: Zudem sind diese Darstellungen aus den Fräserdaten berechnet und stellen Bilder theoretischer Berechnungen dar. Für die Frage der Verletzung sind diese aber nicht relevant, u.a. da nach dem Fräsen die Oberfläche augenscheinlich nachbearbeitet wird. Entscheidend ist einzig die konkrete angegriffene Ausführungsform des verkauften Produkts. Soweit überhaupt eine Krümmung vorliegen sollte, ist diese somit auf den Darstellungen genau wie am Anschauungsobjekt nicht schlüssig erkennbar, und damit – wenn überhaupt – so gering, dass sie nicht aus dem Rechtsbegehren oder dem Schutzbereich herausführen kann. Seite 51 O2016_012 97. Damit liegen die angegriffenen Ausführungsformen innerhalb des Winkelbereichs gemäss Merkmal M2b respektive M4b und stellen eine Nachmachung dar. Damit ist dem als Eventualbegehren gestellten Rechtsbegehren Ziff. 2 stattzugeben. 98. Die Beklagten haben im Vorfeld des Prozesses behauptet, ihre Hüftpfannen hätten einen Steigungswinkel der Anschlagstege von 86.5° oder von 85.5°. Im Prozess wurde zunächst in der Klageantwort von den Beklagten behauptet, angefragte Experten hätten sich gar nicht in der Lage gefühlt, derartige Winkel zu bestimmen, und die Ungenauigkeiten der Messungen der Klägerin seien zu gross, als dass darauf abgestützt werden könne. Die Messungen der Klägerin wurden bestritten und ohne Substantiierung wurde zudem in der Antwort behauptet, die Winkel seien grösser als 85°. In der Duplik wurden dann von den Beklagten doch noch Werte bestimmt: aus Fräserkoordinaten wurden nach einer ersten Methode (Grosskreismethode) Winkel bestimmt, die teilweise unter und teilweise über dem Grenzwert von 85° lagen; nach der sogenannt optischen Methode wurde auch aus den Fräserkoordinaten ein Wert von 84,75° bestimmt; eine sogenannte Drei-Punkte Methode wurde verworfen, weil sie zu unklar sei und im Patent nicht definiert sei, wie die dafür erforderliche Bezugsebene zu legen sei; auch eine sogenannte Mittelungsmethode wurde als nicht genügend zuverlässig verworfen. Aus den oben dargelegten Gründen sind aber die Winkel bei Verwendung der zutreffenden optischen Methode bei allen Pfannen der Beklagten innerhalb des beanspruchten Winkelbereichs, und das wird von den Beklagten bei Verwendung der optischen Methode im Prozess auch nicht bestritten (bestritten wird, dass die optische die richtige Methode ist, und die Beklagten präsentieren andere Methoden, von welchen eine zu höheren Werten führen soll, siehe oben). Damit fehlt es am Rechtsschutzinteresse für die Beurteilung eines über den Wortlaut hinausgehenden Schutzbereichs und damit für eine Beurteilung des Rechtsbegehrens Ziff. 1 betreffend äquivalente Verletzung. Auf das Rechtsbegehren Ziff. 1 ist damit nicht einzutreten. Seite 52 O2016_012 Auskunfts-/Rechnungslegungsbegehren (Rechtsbegehren Ziff. 3, 5, 8, 10) 99. Die Klägerin macht geltend, beim Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung handle es sich um einen materiell-rechtlichen Anspruch im Sinne von Art. 66 lit. b PatG, der unabhängig von einer Wiedergutmachungsklage geltend gemacht werden könne. Sie erhebe vorliegend eine Teilklage und behalte sich die Geltendmachung von Wiedergutmachungsansprüchen in Form einer separaten Leistungsklage vor. Die Beklagten machen geltend, das Auskunftsbegehren sei überschiessend. Für die Bezifferung der finanziellen Ansprüche benötige die Klägerin die Namen und Adressen der Drittabnehmer bzw. Abnehmer der Beklagten nicht. Zudem würden den von der Klägerin verlangten Auskünften Geheimhaltungsinteressen der Beklagten gegenüberstehen. Die Beklagten bestreiten ferner einen Gewinnherausgabeanspruch bezüglich der Inserts und damit auch einen entsprechenden Auskunftsanspruch. 100. Gemäss Rechtsprechung des Bundespatentgerichts bildet Art. 66 lit. b PatG die materiell-rechtliche Grundlage für den Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch, wenn es um Informationen geht, die der Bezifferung der finanziellen Forderungen des Patentinhabers dienen.10 Da die Verletzung eines rechtsbeständigen Patentanspruchs nach den vorstehenden Erwägungen erwiesen ist, steht der Klägerin grundsätzlich ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu. Was den Umfang des anbegehrten Rechnungslegungsanspruchs der Klägerin betrifft, so reicht dieser grundsätzlich so weit, als er zur Durchsetzung einer möglichen finanziellen Forderung notwendig ist. Dazu gehören Informationen, um den mit den patentverletzenden Produkten erzielten Gewinn zu beziffern; vorliegend sind dahingehende Auskünfte zu den in die Schweiz importierten und verkauften Verletzungsprodukten sowie den damit erzielten NettoVerkaufserlösen und Brutto-Gewinnen (Verkaufserlös abzüglich Einstandspreis) eingeklagt.11 Für die Namen und Adressen von Drittabnehmern hingegen trägt die Klägerin keinerlei Begründung vor, sodass ein BPatGer O2013_008, Urteil vom 25. August 2015, E. 5.4. Allfällige abzugsfähige Kosten zu behaupten und zu beweisen ist Sache der Beklagten; BGE 134 III 306 E. 4.1.2. 10 11 Seite 53 O2016_012 rechtlich schützenswertes Interesse bzw. eine Notwendigkeit zur Durchsetzung möglicher finanzieller Ansprüche vorliegend im Übrigen weder dargetan noch ersichtlich ist. 101. Die ursprüngliche Klage beinhaltete im Rahmen von Rechtsbegehren Ziff. 5 nur die Auskunft über klagepatentgemässe Gelenkpfannen. Im Rahmen der vervollständigten Replik ergänzte die Klägerin ihre Rechtsbegehren gerichtet auf die Auskunft durch die zusätzlichen Rechtsbegehren Ziff. 8-11, die sich, aufgeschlüsselt auf die beiden Beklagten 1 und 2, auf die mit den klagepatentgemässen Gelenkpfannen mitverkauften (Ziff. 8) respektive mitgelieferten (Ziff. 10) Inserts beziehen. Herauszugeben ist der Gewinn, der kausal auf die Schutzrechtsverletzung zurückzuführen ist.12 Soweit reicht auch der Auskunftsanspruch. Die Klägerin behauptet diesbezüglich, dass die Gelenkpfannen praktisch zwingend mit den von der Beklagten angebotenen Inserts ausgestattet werden müssen. Zudem macht sie geltend, dass es drei verschiedene Arten von Inserts gibt mit wesentlich verschiedenen Preisen (Spanne von mehr als Faktor 4). Aus der Anzahl verkaufter Pfannen lässt sich entsprechend auch nicht auf den mit den Inserts erzielten Umsatz schliessen. Die Beklagten behaupten zwar, dass die Inlays von einem Dritten hergestellt würden und eine andere Marke trügen, sowie in einer separaten Verpackung verkauft werden, bestreiten dabei aber nicht, dass die Inlays für die angegriffenen Gelenkpfannen speziell ausgebildet sind und damit quasi zwingend mit den spezifisch ausgebildeten Gelenkpfannen der Beklagten eingesetzt werden müssen. Ein Schadenersatz sei nur dann geschuldet, wenn der Verkauf der Inlays allein dem Umstand zu verdanken sei, dass der patentgemässe Gegenstand in der patentgemässen Ausgestaltung angeboten werde. Es würden aber drei verschiedene Arten von derartigen Inlays angeboten, und für den Kaufentscheid sei die Qualität des Inlays mindestens so entscheidend wie die Qualität der Pfannen. Die beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 richten sich auf eine Gelenkprothese respektive eine Pfanne "mit einem Grundkörper". Die Ansprüche schliessen mithin einen für die Benutzung ohnehin zwingenden Insert nicht aus, sondern umfassen einen solchen ggf. mit. Vgl. z.B. SHK Patentgesetz, Schweizer/Zech – Schweizer, Art. 73 PatG, N 20 ff., 42 ff. 12 Seite 54 O2016_012 Es ist zudem notorisch, dass derartige aufeinander angepasste biomedizinische Produkte regulatorisch als Einheit betrachtet werden und vom Spital o.ä. auch aus haftungsrechtlichen Gründen wohl kaum je nicht gemeinsam eingesetzt werden. Es gibt damit eine eindeutige Kausalität zwischen dem Verkauf des klagepatentgemässen Grundkörpers (Gelenkpfanne gem. Rechtsbegehren Ziff. 5) und dem Insert, und weil wie gesagt unterschiedliche Inserts mit unterschiedlichen Verkaufspreisen von den Beklagten geliefert werden, mithin aus der Zahl der verkauften Grundkörper nicht auf den damit verbundenen Umsatz mit den Inserts geschlossen werden kann, besteht auch ein Rechtsschutzinteresse an den Informationen über die Inserts. In welchem Umfang anschliessend der durch den Verkauf der Inserts erzielte Gewinn als Schadenersatz der Klägerin geschuldet ist, ist eine Frage, die im Rahmen des Schadensersatzprozesses zu klären ist und nicht im vorliegenden Prozess. Entsprechend ist auch den Auskunftsbegehren betreffend Inserts stattzugeben. 102. An den mit den patentverletzenden Produkten erzielten NettoVerkaufserlösen und Brutto-Gewinnen können die Beklagten kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse geltend machen. Hingegen wird bezüglich der Erforderlichkeit von Angaben zur Identität der gewerblichen Abnehmer und das Ausmass der Weitergabe von patentverletzenden Produkten seitens der Klägerin keinerlei Begründung oder rechtlich schützenswertes Interesse angeführt, sodass das von den Beklagten geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse in diesem Punkt zu berücksichtigen ist. Die Auskunftsbegehren der Klägerin sind somit in dem Umfang gutzuheissen, als sich die herauszugebenden Informationen und Unterlagen auf die mit den patentverletzenden Produkten erzielten Brutto-Gewinne beziehen; im weiteren Umfang sind sie abzuweisen. Kosten- und Entschädigungsfolgen 103. Die Klägerin obsiegt in Bezug auf das Unterlassungsbegehren Ziff. 2 (Eventualbegehren) sowie teilweise in Bezug auf die Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren Ziff. 3, 5, 8 und 10. Zu berücksichtigen ist Seite 55 O2016_012 bei der Kostenverteilung, dass die Klägerin erst zu einem späten Zeitpunkt im Verfahren einen Teilverzicht erklärt hat, der zu erheblichem Zusatzaufwand geführt hat. Insofern erscheint eine Kostenverteilung nach Ermessen gemäss Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO angezeigt. Die Gerichtsgebühr ist ausgehend von einem Streitwert von CHF 200'000 auf CHF 30’000 festzusetzen (Art. 1 KR-PatGer). Davon ist der Klägerin 1/3 und den Beklagten sind 2/3 unter solidarischer Haftung untereinander aufzuerlegen. Die Kosten sind mit dem Kostenvorschuss der Klägerin (CHF 24'000) zu verrechnen. Der Fehlbetrag von CHF 6'000 ist von den Beklagten unter solidarischer Haftung nachzufordern (Art. 111 Abs. 1 ZPO). Die Beklagten haben der Klägerin die Kosten um Umfang von CHF 14’000 zu ersetzen, ebenfalls unter solidarischer Haftung untereinander (Art. 111 Abs. 2 ZPO; Art. 50 Abs. 1 OR). Die Entschädigung für die rechtsanwaltliche Vertretung ist ebenfalls auf CHF 30'000 festzusetzen (Art. 3-5 KR-PatGer). Für die patentanwaltliche Beratung macht die Klägerin eine Entschädigung von CHF 50'242.50 geltend, welche von den Beklagten anerkannt wird. Dieser Betrag erscheint angesichts des konkreten patentanwaltlichen Aufwands sowie der Praxis des Bundespatentgerichts13 angemessen. Dies ergibt eine Parteientschädigung von total CHF 80'242.50. Gestützt auf Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO sind die Beklagten unter solidarischer Haftung zu verpflichten, der Klägerin eine reduzierte Parteientschädigung von insgesamt CHF 53'495 zu bezahlen (2/3 von 80'242.50). 13 BPatGer O2012_043, Urteil vom 10. Juni 2016, E. 5.5. Seite 56 O2016_012 Das Bundespatentgericht erkennt: 1. Auf das Rechtsbegehren Ziff. 1 der Klage wird nicht eingetreten. 2. Den Beklagten wird unter Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1’000 für jeden Tag der Nichterfüllung, mindestens aber CHF 5'000, sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall verboten, sogenannte Pressfit- bzw. „Hybrid“-Gelenkpfannen gemäss folgender Abbildung in der Schweiz anzubieten, zu verkaufen, oder sonst wie in Verkehr zu setzen die durch folgende Produktemerkmale charakterisiert sind: Die Gelenkpfanne hat einen schalenförmigen, um eine zentrale Achse rotationssymmetrischen Grundkörper, dessen Rand eine zur Achse senkrechte Grundfläche definiert; auf der Aussenseite des Grundkörpers sind über den Umfang gleichmässig verteilt sechs aus der Aussenseite herausstehende, schmale Einschlagstege angeordnet; die sechs Einschlagstege sind als ungekrümmte, ebene Platten ausgebildet die sechs Einschlagstege sind in Umlaufrichtung gegenüber der Grundfläche jeweils in derselben Richtung gekippt angeordnet, wobei mindestens zwei Einschlagstege einen Steigungswinkel von 84° bis 85° aufweisen, gemessen zwischen der Grundfläche der Ge- Seite 57 O2016_012 lenkpfanne und der mittig durch den Einschlagsteg verlaufenden Bezugsebene, die die Grundfläche (und die Pfanne) schneidet. 3. Die Beklagte 1 wird unter Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1’000 für jeden Tag der Nichterfüllung, mindestens aber CHF 5'000, sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall verpflichtet, der Klägerin innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Urteils nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung detailliert Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen bezüglich der klagepatentgemässen Gelenkpfannen, namentlich - der Menge und Verkaufspreis der klagepatentgemässen Gelenkpfannen, die sie seit der Gründung der Beklagten 2 in die Schweiz eingeführt und an die Beklagte 2 oder Dritte verkauft hat; - den Netto-Verkaufserlös und Brutto-Gewinn, den sie damit erzielt hat, wobei dieser separat nach Geschäftsjahr auszuweisen ist, gestützt auf die jeweilige Finanz- und Betriebsbuchhaltung der Beklagten 1. 4. Die Beklagte 2 wird unter Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1’000 für jeden Tag der Nichterfüllung, mindestens aber CHF 5'000, sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall verpflichtet, der Klägerin innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Urteils nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung detailliert Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen bezüglich der klagepatentgemässen Gelenkpfannen, namentlich - der Menge und Verkaufspreis der klagepatentgemässen Gelenkpfannen, die sie seit ihrer Gründung in die Schweiz eingeführt und an Dritte verkauft hat; - den Netto-Verkaufserlös und Brutto-Gewinn, den sie damit erzielt hat, wobei dieser separat nach Geschäftsjahr auszuweisen ist, gestützt auf die jeweilige Finanz- und Betriebsbuchhaltung der Beklagten 2. 5. Die Beklagte 1 wird unter Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1’000 für jeden Tag der Nichterfüllung, mindestens aber CHF 5'000, sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall verpflichtet, der Klägerin innert 60 Tagen Seite 58 O2016_012 nach Rechtskraft des Urteils nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung detailliert Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen bezüglich der mit den klagepatentgemässen Gelenkpfannen mitverkauften Inserts, namentlich - der Menge und Verkaufspreis, Netto-Verkaufserlös und BruttoGewinn, den sie damit erzielt hat, wobei dieser separat nach Geschäftsjahr auszuweisen ist, gestützt auf die jeweilige Finanz- und Betriebsbuchhaltung der Beklagten 1. 6. Die Beklagte 2 wird unter Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1’000 für jeden Tag der Nichterfüllung, mindestens aber CHF 5'000, sowie der Bestrafung der Organe nach Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall verpflichtet, der Klägerin innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Teilurteils nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung detailliert Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen bezüglich der mit den klagepatentgemässen Gelenkpfannen mitgelieferten lnserts, namentlich - der Menge und Verkaufspreis, Netto-Verkaufserlös und BruttoGewinn, den sie damit erzielt hat, wobei dieser separat nach Geschäftsjahr auszuweisen ist, gestützt auf die jeweilige Finanz- und Betriebsbuchhaltung der Beklagten 2. 7. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 30’000. 8. Die Kosten werden zu 1/3 der Klägerin und zu 2/3 den Beklagten auferlegt. Die Gerichtsgebühr wird mit dem Kostenvorschuss der Klägerin (CHF 24'000) verrechnet. Der Fehlbetrag von CHF 6'000 wird von den Beklagten unter solidarischer Haftung nachgefordert. Die Beklagten haben der Klägerin die Kosten um Umfang von CHF 14’000 zu ersetzen, ebenfalls unter solidarischer Haftung untereinander. 9. Die Beklagten werden unter solidarischer Haftung verpflichtet, der Klägerin eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 53'495 zu bezahlen. 10. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie nach Eintritt der Rechtskraft an das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum, je gegen Empfangsbestätigung. Seite 59 O2016_012 Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Zivilsachen geführt werden (Art. 72 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind beizulegen, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat (vgl. Art. 42 BGG). St. Gallen, 28. Oktober 2019 Im Namen des Bundespatentgerichts Instruktionsrichter Erste Gerichtsschreiberin Dr. iur. Christoph Willi lic. iur. Susanne Anderhalden Versand: 31.10.2019 Seite 60 O2016_012 Abweichende Meinung: 1. Der prozessuale Umgang mit Einschränkungen von Patentansprüchen ist für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht von grosser Bedeutung. Besonders wichtig ist die Frage, bis wann die Einschränkung erfolgen muss, damit sie vom Gericht berücksichtigt werden darf. Aufgrund der Bedeutung dieser Frage hat das Gericht den Spruchkörper um zwei weitere Richter erweitert und dies den Parteien entsprechend mitgeteilt. 2. Mit der prozessualen Zulässigkeit von Anspruchseinschränkungen hat sich das Bundespatentgericht bereits wiederholt befasst. Diese Entscheide sind Ausgangspunkt der folgenden Erwägungen. Um eine konsistenten Rechtsprechung zu gewährleisten, sind sie noch einmal kurz in Erinnerung zu rufen: Im Urteil O2015_012 vom 29. August 2017 befasste sich das Bundespatentgericht mit einer eventuell und erst an der Hauptverhandlung beantragten Einschränkung («for at least two weeks»). Mit folgender Begründung hat das Bundespatentgericht die Einschränkung nicht zugelassen, vgl. Urteil Ziff. 2.3: «Sie [die Beklagte] unterbreitet dem Gericht vielmehr für den Fall, dass das Gericht (entgegen dem Antrag der Beklagten) die bestehenden Anträge als nichtig beurteilt, einen neuen Anspruch und damit einen neuen Sachverhalt zur Beurteilung. Das ist ihr grundsätzlich erlaubt (Art. 27 PatG und Art. 138 Abs. 3 EPÜ), aber nur im Rahmen der zeitlichen Schranken der ZPO. Und nach dieser kann neuer Sachverhalt an der Hauptverhandlung nach abgeschlossenem Schriftenwechsel nur noch vorgebracht werden, wenn die Novenvoraussetzungen nach Art. 229 Abs. 1 lit. a oder b ZPO gegeben sind. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall; die Beklagte macht dies denn auch nicht geltend.» (Hervorhebung hinzugefügt) Das Bundesgericht schützte das Nichteintreten des Bundespatentgerichts (4A_543/2017, Urteil vom 8. Mai 2018, E. 2.3): «Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem neu formulierten Patentanspruch dem Gericht einen neuen Anspruch und damit einen neuen Sachverhalt zur Beurteilung unterbreitet hat. Dass die Beschwerdeführerin Noven gemäss Seite 1 O2016_012 Art. 229 ZPO in der Hauptverhandlung nicht mehr vorbringen konnte, und der neue Patentanspruch bei dieser Sachlage verspätet vorgebracht wurde, bestreitet sie im Übrigen nicht. Die Vorinstanz hat den in der Hauptverhandlung formulierten Patentanspruch zutreffend als verspätet unberücksichtigt gelassen.» (Hervorhebung hinzugefügt) Im Urteil O2015_008 vom 14. März 2018 befasste sich das Bundespatentgericht mit einer Eventualeinschränkung, welche die Klägerin mit der Vernehmlassung zum Fachrichtervotum beantragt hatte. Das Bundespatentgericht liess die Anspruchseinschränkung nicht zu und begründete seinen Entscheid wie folgt, vgl. Urteil E. 23: «Conformément à l’arrêt O2015_012 du 29 août 2017, c. 2.3, de telles nouvelles conclusions (encore plus) subsidiaires ne peuvent pas être considérées comme un acquiescement (art. 227 al. 3 CPC), car la Demanderesse n’a retiré ni ses conclusions principales ni ses conclusions subsidiaires de rang plus élevé. Par conséquent, le Tribunal ne peut pas entrer en matière en ce qui concerne ces nouvelles conclusions (encore plus) subsidiaires. L’avis spécialisé est une contribution à la délibération du jugement et ne constitue pas un fait nouveau au sens de l’article 229 CPC. L’avis spécialisé est communiqué préalablement aux parties pour que celles-ci puissent se prononcer sur son contenu avant le jugement (art. 37 al. 3 LTFB). A l’inverse, l’avis spécialisé n’est pas une invitation aux parties d’enrichir ou de compléter leurs soumissions antérieures, potentiellement incomplètes. Contrairement à l’allégation de la Demanderesse, l’avis spécialisé en l’espèce ne contenait pas de nouveaux faits ou arguments de nature technique qui n’avaient pas été plaidés par les parties.» (Hervorhebung hinzugefügt) Das Bundesgericht schützte das Nichteintreten auf die Anspruchseinschränkung durch das Bundespatentgericht (Urteil 4A_282/2018 vom 4. Oktober 2018, E. 5.2): «Contrairement à ce qu'allègue la recourante, un tel ajout n'équivaut pas de manière évidente à une restriction de la demande, admissible en tout état de la cause conformément à l'art. 227 al. 3 CPC. L'examen de cette question nécessite une évaluation ne se limitant pas à des questions de droit, mais faisant appel à des éléments factuels (arrêt 4A_543/2017 du 8 mai 2018 consid. 2.2). Il ne résulte Seite 2 O2016_012 pas de la décision entreprise que l'ajout de la caractéristique en question équivaudrait à une limitation des revendications du brevet litigieux, soit à un désistement ou acquiescement partiel. Bien au contraire, la juridiction précédente, interprétant l'objet de la revendication comme le ferait l'homme de métier, a estimé que l'importation dans la caractéristique 7 du brevet litigieux de la nécessité pour les masselottes de ne pas dépasser la surface extérieure de la serge n'était pas admissible. Le titulaire aurait dû énoncer cette caractéristique dans la revendication initiale s'il avait voulu l'intégrer dans l'objet de son invention.» Im Urteil O2016_009 vom 18. Dezember 2018 befasste sich das Bundespatentgericht mit einer eventualiter bzw. «verbal», d.h. für die Zwecke dieses Prozesses gegenüber dem Gericht beantragten Einschränkung, ohne konkret zu prüfen, inwiefern die Einschränkung durch die Dupliknoven veranlasst worden war. Das Bundesgericht hob den bundespatentgerichtlichen Entscheid auf und forderte das Bundespatentgericht auf, zu prüfen, ob zwischen dem unechten Novum und der verbalen Einschränkung des Streitpatents ein ausreichender Kausalzusammenhang bestand (Urteil 4A_70/2019 vom 6. August 2019 E. 2.5.1.-2.5.2): «Mit der Neuformulierung von Patentansprüchen wird der Schutzbereich des Patents neu definiert. Ob die Neuformulierung bzw. Ergänzung die bisher streitigen Patentansprüche in zulässiger Weise einschränkt, ergibt sich erst aufgrund einer Beurteilung, welche eine Prüfung in tatsächlicher Hinsicht erfordert. Deshalb ist die Neuformulierung von Patentansprüchen im Zivilprozess dem Vorbringen von Noven gleich zu achten (vgl. Urteile 4A_282/2018 vom 4. Oktober 2018 E. 5.2: 4A_543/2017 vom 8. Mai 2018 E. 2.22.3). Nach dem Aktenschluss haben die Parteien nur noch unter den eingeschränkten Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO das Recht, neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Das gilt insbesondere auch für die Entgegnung auf sog. Dupliknoven, d.h. neue Tatsachen oder Beweismittel, die von der beklagten Partei (erst) in der Duplik vorgetragen werden (m.w.H.).» (Hervorhebung hinzugefügt) 3. Aufgrund der vorstehend zitierten Rechtsprechung kann davon ausgegangen werden, dass mit der Einschränkung eines Patents ein neuer Sachverhalt geschaffen bzw. in das Verfahren eingeführt wird (vgl. Urteile 4A_70/2019 vom 6 August 2019 E. 2.5.1; 4A_282/2018 Seite 3 O2016_012 vom 4. Oktober 2018 E. 5.2; 4A_543/2017 vom 8. Mai 2018 E. 2.22.3). Ob und inwiefern damit auch eine Einschränkung der Rechtsbegehren bzw. Klage erfolgt, ist unerheblich. Wird mit der Anspruchseinschränkung ein neuer Sachverhalt in das Verfahren eingeführt, so muss sodann die Frage nach den prozessualen Schranken geprüft werden. Zusätzlich zu den materiell-rechtlichen Schranken von Art. 24 PatG sind dafür auch die prozessualen Schranken der ZPO einzuhalten, insbesondere in zeitlicher Hinsicht. Nach Abschluss eines doppelten Schriftenwechsels ist eine Anspruchsänderung nur noch unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO zulässig, so die konstante Rechtsprechung des Bundesgerichts, vgl. die Urteile 4A_70/2019 vom 6. August 2019 E. 2.5.2; 4A_282/2018 vom 4. Oktober 2018, E. 5.2 und 4A_543/2017 vom 8. Mai 2018, E. 2.3. 4. Die Einrede der unzulässigen Erweiterung und damit einen Verstoss gegen Art. 123 Abs. 2 EPÜ hat die Beklagte in der Duplik vom 23. Oktober 2017 erhoben. Es handelte sich um ein zulässiges Dupliknovum. Die prozessuale Zulässigkeit ist unbestritten. Ist die Gegenpartei zur Entgegnung auf die in der Duplik vorgetragenen und sich auf neue Tatsachen und Beweismittel stützenden Behauptungen auf neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel angewiesen, so darf sie diese in das Verfahren einbringen (vgl. Urteil 4A_70/2019 vom 6. August 2019 E. 2.5.2). In ihrer Antwort auf die Dupliknoven hat sich die Klägerin darauf beschränkt, einen Verstoss gegen Art. 123 Abs. 2 EPÜ zu bestreiten. Auf ihre Bestreitung ist die Klägerin auch später nicht mehr zurückgekommen, auch nicht in ihrer Eingabe vom 22. Dezember 2017. Während dem gesamten Verfahren hat die Klägerin dem Bundespatentgericht keine Anspruchseinschränkung beantragt, auch nicht eventuell. Gründe, warum ihr dies nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, werden von der Klägerin keine genannt. Am 22. Juni 2018 erfolgte das Fachrichtervotum. Darin kam Richter Tobias Bremi zum Schluss, dass das Streitpatent in unzulässiger Weise erweitert worden war. Mit dem Fachrichtervotum hat der Fachrichter keine neuen Sachverhaltselemente in das Verfahren eingeführt. Er hat sich darauf beschränkt, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt zu Seite 4 O2016_012 würdigen. Auch dies ist unbestritten. Nichts Gegenteiliges wird von den Parteien geltend gemacht. Am 19. Juli 2018 hat die Klägerin beim IGE einen Teilverzicht beantragt. Der Zusammenhang zwischen der Einschränkung des Streitpatents und dem Fachrichtervotum wird von der Klägerin anerkannt: «Es sind also einzig die Ausführungen des Fachrichters bezüglich Zulässigkeit der Änderungen im Prüfungsverfahrens, die die Klägerin auf dies Weise berücksichtigte und hinfällig machte […].» (Hervorhebung hinzugefügt) 5. Soweit ersichtlich unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den bisher zu beurteilenden Fällen jedenfalls in zweifacher Hinsicht: (1) Die Einschränkung wird nicht beim Bundespatentgericht, sondern beim IGE beantragt. Folglich ist die Wirkung der Einschränkung nicht auf die Verfahrenspartei beschränkt, sondern gilt auch gegenüber jedem Dritten, also «erga omnes». (2) Die Einschränkung erfolgt nicht eventuell, sondern unbedingt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob diese Unterschiede ein Abweichen von der etablierten Rechtsprechung des Bundespatentgerichts rechtfertigen. Diese Frage wird von der Mehrheit des Spruchkörpers bejaht, von einer Minderheit verneint. 6. Vorweg ist klarzustellen, dass die Einschränkung des Streitpatents nicht notwendigerweise auch eine Klageänderung zur Folge haben muss. Tatsächlich hat die Klägerin die Rechtsbegehren nicht geändert. Mit der Einschränkung geändert hat sich aber der dem Verfahren zu Grunde liegende Sachverhalt, nämlich die Ansprüche auf deren Grundlage eine allfällige Verletzung zu beurteilen ist. Mit ihrem Teilverzicht hat die Klägerin also einen neuen Sachverhalt in das Verfahren eingeführt. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichts, vgl. Urteile 4A_70/2019 vom 6 August 2019 E. 2.5.1; 4A_282/2018 vom 4. Oktober 2018 E. 5.2; 4A_543/2017 vom 8. Mai 2018 E. 2.2-2.3. 7. Nach Auffassung der Minderheit ist die Frage nach der prozessualen Zulässigkeit mit Blick auf die Eventualmaxime zu beantworten, welSeite 5 O2016_012 che das Novenrecht beherrscht. Die Eventualmaxime bzw. der Konzentrationsgrundsatz besagt, dass sämtliche Parteivorbringen innerhalb eines bestimmten Verfahrensabschnittes erfolgen müssen und im späteren Verfahrensverlauf nicht mehr nachgebracht werden dürfen. Die Eventualmaxime hat zur Folge, dass die Parteien ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel konzentriert vorzubringen und sich auch für den Fall zu äussern haben, dass ihrem Hauptstandpunkt kein Erfolg beschieden oder gegnerische Vorbringen wider Erwarten wichtig und richtig sein sollten (vgl. Eric Pahud, in: Dike-Kommentar ZPO, 2. Aufl., Art. 229 Rz. 1, mit Verweis auf Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 181 ff.; Hans Ulrich Walder, Zivilprozessrecht, 4 Aufl., Zürich 1996, § 19 Rz. 1; ferner auch Laurent Killias, Berner Kommentar ZPO, Bern 2012, Art. 229 Rz. 1). Gemäss Walder hat die Eventualmaxime folgende Auswirkungen, vgl. Walder § 19 Rz. 1: «Einer Partei ist es daher nicht gestattet, sich zunächst auf das Vorbringen des zur Begründung eines Hauptstandpunktes erforderlichen Materials zu beschränken und, falls sich später ergibt, dass der Hauptstandpunkt nicht geschützt werden kann, dazu überzugehen, neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel zur Begründung eines Eventualstandpunktes vorzubringen.» Gleicher Meinung auch Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, § 114 ZPO Rz. 1a: «Nach dem Grundsatz der Eventualmaxime darf eine Partei mit ihrer Sachdarstellung nicht ein sich abzeichnendes Ergebnis des Verfahrens abwarten und dann nach Gutdünken neuen Stoff vorzutragen.» 8. Genauso verhält es sich im vorliegenden Fall: Mit dem von ihr beim IGE erwirkten Teilverzicht hat die Klägerin zugewartet, bis ihr das Fachrichtervotum mitgeteilt wurde. Nach der für sie negativen Beurteilung hat sich die Klägerin zum Teilverzicht beim IGE veranlasst gesehen, was die Klägerin selber eingesteht. Aufgrund der publizierten Rechtsprechung war der Klägerin bekannt, dass das Bundespatentgericht auf eine von ihr erst nach dem Fachrichtervotum beantragten Einschränkung nicht eintreten würde. Sie sah sich deshalb Seite 6 O2016_012 veranlasst, diese stattdessen über den Umweg eines Teilverzichts beim IGE zu erwirken. Im Ergebnis hat die Klägerin damit erreicht, was ihr vor dem Bundespatentgericht nicht mehr zustand: Die Ansprüche des Streitpatents einzuschränken nachdem das Fachrichtervotum zu ihren Ungunsten ausgefallen war. 9. Zur Begründung einer grosszügigeren Anwendung der Eventualmaxime wird in der Literatur auf das Ziel der materiellen Wahrheitsfindung, dem Prozessrisiko, oder der Gefahr einer Aufblähung von Rechtsschriften hingewiesen (vgl. Leuenberger, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. Zürich 2016, Art. 229 Rz. 1; Pahud, Art. 229 Rz. 1; Killias, Art. 229 Rz. 2 je mit Verweisen auf die bundesrätliche Botschaft zur ZPO, BBl. 2006 7340). Im vorliegenden Fall vermögen diese Gründe eine grosszügigere Zulassung von Noven aber gerade nicht zu rechtfertigen: Zur Einrede der unzulässigen Erweiterung hatte die Klägerin auch inhaltlich Stellung genommen. Statt zu diesem Zeitpunkt eine Einschränkung zu beantragen – und sei es auch nur eventuell – hat sie sich darauf beschränkt, ein Verstoss gegen Art. 123 Abs. 2 EPÜ zu bestreiten. Der Klägerin war bewusst, dass das Gericht das Streitpatent infolge unzulässiger Erweiterung als nichtig betrachten und ihre Klage abweisen könnte. Indem sich die Klägerin mit der blossen Bestreitung begnügt hat, hat sie dieses Risiko in Kauf genommen. Zu jenem Zeitpunkt stand es ihr frei, beim Bundespatentgericht oder beim IGE eine Einschränkung zu beantragen, beim Bundespatentgericht allenfalls auch nur eventualiter. Die Eventualmaxime will ein prozesstaktisches Lavieren – wenn nicht sogar ein Verhalten wider Treu und Glauben – verhindern. Wenn eine Partei auf Eventualanträge verzichtet um ihren Hauptstandpunkt nicht zu schwächen, so ist dies ihr gutes Recht. Nachdem das Fachrichtervotum dann aber zu ihren Ungunsten ausgefallen ist, kann sie darauf aber nicht mehr zurückkommen. Oder nach den treffenden Worten des Bundespatentgerichts: Das Fachrichtervotum ist keine Einladung an die Parteien, ihre bisherigen Parteivorbringen nach Belieben zu ergänzen (vgl. Bundespatentgericht Urteil O2015_008 vom 14. März 2018 E. 23). Auch die Instruktionsverhandlung darf nicht dazu missbraucht werden, unter Umgehung der Novenregelung neue Angriffsund Verteidigungsmittel in das Verfahren einzuführen (vgl. Bundesgericht, Seite 7 O2016_012 Urteil 4A_70/2019 vom 6. August 2019 E. 2.3.1). Entsprechendes muss auch für das Fachrichtervotum gelten. Unter diesen Umständen kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Klägerin die Einschränkung vorbehaltlos oder eventuell beantragt hat. Als Reaktion auf die Dupliknova der Beklagten hätte sie die Einschränkung auch eventuell beantragen können. Darauf zu verzichten war ihr gutes Recht, nur darauf zurückkommen kann sie später nicht - nachdem das Fachrichtervotum zu ihren Ungunsten ausgefallen war. Genau diese Beschränkung ist Sinn und Zweck der Eventualmaxime. Sie bezweckt eine vorhersehbare und berechenbare Prozessführung zu gewährleisten. Aus demselben Grund kann es auch nicht ankommen, bei welcher Instanz die Klägerin die Einschränkung beantragt, ob gegenüber dem Bundespatentgericht oder dem IGE. Es sind keine plausiblen Gründe ersichtlich, warum eine Einschränkung beim Bundespatentgericht anders behandelt werden soll als ein Teilverzicht beim IGE. In Bezug auf das Verfahren, und das ist allein von Interesse, sind die Wirkungen dieselben. In beiden Fällen wird ein neuer Sachverhalt in ein hängiges Gerichtsverfahren eingeführt. Für das Novenrecht müssen dieselben Regeln gelten, egal ob die Einschränkung dem Bundespatentgericht in einem hängigen Verfahren beantragt oder mittels Teilverzicht beim IGE erwirkt wird: Nach doppeltem Schriftenwechsel ist eine Änderung des Sachverhaltes und folglich eine Einschränkung der Patentansprüche nur noch nach den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. Urteile 4A_70/2019 vom 6. August 2019 E. 2.5.2; 4A_282/2018 vom 4. Oktober 2018, E. 5.2; 4A_543/2017 vom 8. Mai 2018, E. 2.3). Es darf deshalb nicht darauf ankommen, bei welcher Instanz die Einschränkung beantragt wird. 10. Nach Auffassung der Mehrheit ist die beim IGE erwirkte Anspruchseinschränkung jedoch als echtes Novum zu berücksichtigen, da das vom IGE eingeschränkte Patent erst nach dem Fachrichtervotum entstanden ist. Selbst wenn der Gang zum IGE novenrechtlich relevant wäre, würde er vorliegend keine Berücksichtigung des eingeschränkten Patents rechtfertigen. Der Entscheid, ob und wann ein Teilverzichtsverfahren vor dem IGE eingeleitet wird, obliegt allein der Patentinhaberin, Seite 8 O2016_012 vorliegend also der Klägerin (vgl. Art. 24 Abs. 2 PatG). Entgegen einer früheren Regelung ist der Teilverzicht nicht mehr eingeschränkt, mit anderen Worten kann die Patentinhaberin das Patent beliebig oft durch das IGE einschränken lassen (vgl. dazu Urteil 4A.1/2002 vom 29. April 2002 E. 2; zur Begründung dieser Gesetzesänderung, vgl. Botschaft über die Genehmigung von zwei Abkommen betreffend das europäische Patentsystem und über die Änderung des Patentgesetzes vom 18. Mai 2005, BBl. 2005, 3773, S. 3800). Es ist nicht auszuschliessen, dass mit jeder zusätzlichen Einschränkung erneut ein Fachrichtervotum und die Stellungnahmen der Parteien dazu eingeholt werden muss, wie das ja auch vorliegend der Fall gewesen war (vgl. Art. 37 Abs. 2 und 3 PatGG). Dieser Zusatzaufwand ist einer effizienten Verfahrensführung abträglich. Obliegt die Entstehung eines Novums aber allein dem Willen einer Partei, wie vorliegend der Antrag auf Teilverzicht, so vermag die Unterscheidung zwischen echten und unechten Noven nicht zu überzeugen, jedenfalls ist sie zu relativieren. Unabhängig von der begrifflichen Unterscheidung zwischen echten und unechten Noven liegt das massgebliche Kriterium für die Zulässigkeit von Noven in der Entschuldbarkeit der Verspätung (vgl. Pahud, ZPO 229 Rz. 12). Da der Teilverzicht und die damit bewirkte Einschränkung allein vom Willen der Klägerin abhängen, kann nicht allein auf den Entstehungszeitpunkt des neuen Sachverhaltes abgestellt werden. Vielmehr ist zu prüfen, ob dieser Vorgang der Klägerin auch zu einem früheren Zeitpunkt möglich oder die Verspätung entschuldbar war. Der Gang zum IGE war der Klägerin auch zu einem früheren Zeitpunkt möglich. Es war ihr unbenommen, bereits in ihrer Antwort auf die Dupliknoven der Beklagten beim Bundespatentgericht eine Einschränkung zu beantragen, allenfalls auch nur eventuell, falls sie mit ihren Bestreitungen im Hauptpunkt unterliegen sollte, oder einen Teilverzicht beim IGE zu beantragen. Ein Zuwarten von rund 9 Monaten lässt sich nicht rechtfertigen, jedenfalls kann ihr dies nicht als sorgfältiges oder beförderliches Prozessieren angerechnet werden. Gegenteiliges wird von der Klägerin auch nicht behauptet. 11. Gemäss Art. 229 Abs. 1 ZPO sind Noven «ohne Verzug» in das Verfahren einzubringen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung beSeite 9 O2016_012 deutet «ohne Verzug» bei «erster Gelegenheit» (BGE 142 III 413 E. 2.2.4). Dieses Erfordernis gilt für echte und unechte Noven gleichermassen. Die Ansicht der Mehrheit hätte zur Folge, dass dieses gesetzlich für Noven geltende Erfordernis jegliche Bedeutung verlieren würde - jedenfalls im Patentprozess. Sie eröffnet der Patentinhaberin die Möglichkeit, auch noch nach dem Fachrichtervotum und damit nach Aktenschluss eine Einschränkung zu erwirken, vorausgesetzt, dass diese nicht beim Bundespatentgericht direkt beantragt, wohl aber beim IGE erwirkt wird. Es ist nicht nachzuvollziehen, wie ein 9monatiges Zuwarten mit dem Erfordernis bei «erster Gelegenheit» vereinbart werden kann. Es verhält sich nicht anders als bei einer nach Aktenschluss erklärten Verrechnung mit Gegenforderungen, vgl. Bundesgericht, Urteil 4A_432/2013 vom 14. Januar 2014, bestätigt in Urteil 4A_69/2014 vom 28. April 2014 E. 3.1, wonach materiell-rechtliche Einreden wie eine Verrechnungseinrede nur berücksichtigt werden können, wenn sie novenrechtlich zulässig in den Prozess eingebracht werden (E. 2.3): «Die beklagte Partei ist zweifelsohne befugt, auf eine Verrechnung von Gegenforderungen im Prozess zu verzichten. Wenn sie dies aber nicht tut, sondern Verrechnung geltend machen will, darf sie nicht aus bloss taktischen Gründen bis zum Rechtsmittelverfahren zuwarten und dort Weiterungen und Verzögerungen bewirken. Ein solches Verhalten widerspricht der Eventualmaxime sowie Treu und Glauben.» Der Aktenschluss nach doppeltem Schriftenwechsel dient einem geordneten und für die Parteien berechenbaren Prozessablauf. Die Parteien haben mithin nur zweimal das Recht, unbeschränkt Tatsachen und Beweismittel vorzutragen (vgl. BGer Urteil 4A_338/2017 vom 24. November 2017 E. 2.1). Ist es verspätet, nach dem Fachrichtervotum die Einschränkung beim Bundespatentgericht direkt zu beantragen, so die etablierte Rechtsprechung, so muss entsprechendes auch für die «indirekte» Einschränkung über den Umweg eines zusätzlichen Verwaltungsfahrens vor dem IGE gelten. 12. Doch selbst wenn man der Meinung ist, die Noveneingabe sei grundsätzlich relevant sowie frist- und formgerecht eingebracht worden, so Seite 10 O2016_012 widerspricht das Verhalten der Klägerin Treu und Glauben. Die Klägerin hat 9 Monate zugewartet, bis sie den Teilverzicht beim IGE beantragt hat. Zu diesem Schritt hat sie sich erst entschlossen, nachdem das Fachrichtervotum zu ihren Ungunsten ausgefallen war. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin einen Verstoss gegen Art. 123 Abs. 2 EPÜ bestritten. Darauf muss sich die Klägerin behaften lassen. Das Zurückhalten von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln für den Fall eines ungünstigen Prozessausgangs ist missbräuchlich, vgl. Urteil 4A_511/2018 vom 21. März 2019 E. 7.4: «Ledit principe interdit les comportements contradictoires dans le procès; il interdit aux parties, notamment, de garder des moyens de défense en réserve en vue de les soulever en appel si le jugement se révèle défavorable […].» Entsprechendes muss auch in Bezug auf das Fachrichtervotum im Verfahren vor dem Bundespatentgericht gelten, das neue Vorbringen nach Aktenschluss nicht rechtfertigt. Das Fachrichtervotum soll nicht zu einer Einladung an die Parteien degradieren, ihre bisherigen Parteivorbringen nach Belieben zu ergänzen (in diesem Sinn das Bundespatentgericht in Urteil O2015_008 vom 14. März 2018 E. 23, ferner auch Bundesgericht, Urteil 4A_70/2019 vom 6. August 2019 E. 2.3.1). An dieser Praxis ist festzuhalten. Auch die Klägerin nennt keine überzeugenden Gründe, welche ein Abweichen von dieser etablierten Praxis rechtfertigen würden. 13. Aus den vorstehend genannten Gründen ist die Minderheit des Spruchkörpers der Auffassung, dass die von der Klägerin mittels Teilverzicht beim IGE erwirkte Einschränkung des Streitpatents nicht als Novum in diesem Verfahren zugelassen werden kann. Die Einschränkung kann weder als echtes noch als unechtes Novum im Sinne von Art. 229 Abs. 1 ZPO berücksichtigt werden. Im Übrigen verstösst das Verhalten der Klägerin auch gegen Treu und Glauben. Entsprechend ist auf die Klage nicht einzutreten. Es fehlt der Klägerin am Rechtschutzinteresse, die Verletzung einer nicht mehr beanspruchten technischen Lehre, die von Anfang an nie Wirkung hatte (vgl. Art. 28a PatG), gerichtlich prüfen zu lassen. 14. Ob das beim IGE eingeschränkte Patent nichtig ist, muss hier nicht beantwortet werden. Ebenso wenig muss die Frage abschliessend beantwortet werden, ob das klägerische Rechtsbegehren, i.B. die Seite 11 O2016_012 Bedingung, dass nur Einschlagstege zu verbieten sind, die «als ungekrümmte, ebene Platten ausgebildet» sind, das angegriffene Verletzungsobjekt als solches (nicht bloss als Nachahmung) erfasst. Immerhin konnte die Minderheit durch blossen Augenschein am angegriffenen Verletzungsobjekt, selbst mit Hilfe eines Lineals, wegen der unterschwelligen Kugelkrümmung nicht mit Sicherheit feststellen, ob eine zusätzliche Längskrümmung (bei einer Herstellungstoleranz im Millimeterbereich oder darunter) entlang der kantenartigen Einschlagstege vorhanden ist. Da 2-dimensionale Projektionen von einer kugelartigen 3-dimensionalen Fläche unumgängliche Verzerrungen und optische Täuschungen mit sich bringen, die noch durch die Erstreckung der Stege senkrecht zur Kugelfläche vermischt werden, kann diese Frage auch nicht auf Grund von 2-dimensionalen Abbildungen (e.g. Fotos) beantwortet werden. Um diese Frage zu beantworten scheint für die Minderheit ein Beweisverfahren notwendig zu sein, da dem Gericht die geeigneten Messmittel für eine sichere Ermittlung dazu fehlen. Darüber hinaus würde eine Vollstreckungsbehörde mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert sein. Da es sich um eine strittige Verletzungsfrage handelt, trägt die Patentinhaberin und nicht die Verletzungsbeklagte die Beweislast und damit auch das Risiko, dass das Vorhandensein der Krümmung der Stege nicht schlüssig ermittelt werden kann. Seite 12